Schule 2015

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BILDUNG schafft ZUKUNFT

Schule 2015 Ein Besuch in der Schule der Zukunft.



Schule 2015 Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


2015. Schule.

Neugier, Motivation, Lernen.

Lehrer, Sch端ler, Schulleiter, Eltern.

Ausbildung, Fortbildung, Bildung.

Schnittstelle, Lebensraum, Chance.


Schulentwicklung, Qualität, Leistung.

Unterricht, FĂśrderung, Standards.

Berufsvorbereitung, Kooperation, Medien.

Kommunen, Betriebe, Partner.


Zeichnungen Anselm Pyta, Schüler der Klasse 10, Stuttgart www.exotworking.com Impressum Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Abt. Bildung / Berufliche Bildung Breite Straße 29 10178 Berlin Telefon: 030 / 20 33 - 15 00 Telefax: 030 / 20 33 - 15 05 E-Mail: Abt_05@bda-online.de


Inhaltsverzeichnis

Szenario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

„Klima gut, alles gut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Selbstständige Schule, verantwortliche Schulleitung . . . . . . . . . . . . . 18

Selbstbewusste Lehrer mit starker Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Praxisnahe Ausbildung, effiziente Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Interessierte Eltern, lernende Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Integration in einer weltoffenen Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Standortbestimmung und Zielorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Die Rahmenbedingungen stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38



Szenario

2015. Wir besuchen Schulen in Deutschland. Verschiedene Schulen. Normale gute Schulen. Denn gute Schulen sind normal im Jahr 2015. Die vor Jahren begonnenen Schulreformen sind umgesetzt worden und zeigen jetzt ihre volle Wirkung. Wir betreten eine Schule und sehen uns um. Gleich spüren wir etwas von Schulatmosphäre und Lernklima. Schulen sind selbstständig, haben Gestaltungsfreiheit und werden vom Schulleiter verantwortlich geführt. Schüler lernen selbstständig und aktiv in einem anregenden und anschaulichen Unterricht. Lehrer werden unterstützt und können sich auf den Unterricht und die individuelle Förderung ihrer Schüler konzentrieren. Eine praxisnahe Ausbildung und effektive Fortbildung helfen ihnen dabei. Schulen kooperieren mit den Eltern, mit Betrieben und externen Partnern. Sie erreichen ein gutes Niveau an Leistungen und Ergebnissen. Schulqualität wird groß geschrieben und weiter optimiert. Die Politik steht zur Schule und stattet sie gut mit Ressourcen aus. Wir lesen, was uns Schulleiter, Schüler, Kultusminister, Lehrer, Teamleiter und andere aus dem Jahr 2015 berichten. Wir sehen ein Bild vor uns: Das Leitbild einer guten Schule – wie sie in zehn Jahren überall Wirklichkeit sein kann.

Szenario

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„Klima gut, alles gut“

Die Schule ist in gutem Zustand und sieht gepflegt aus. Probleme mit Vandalismus? – haben wir nicht mehr, bestätigt Schulleiter Klaus Winner von der Mittelpunkt-Schule einer Großstadt mit 600.000 Einwohnern. Es gibt hier keine Anonymität und es sind immer Lehrer im Haus. Jedes Klassenzimmer ist das Arbeitszimmer eines Lehrers: Der Lehrer ist in seinem Raum, und die Schüler kommen zu ihm. „Das haben wir aus Harry Potters Schule ‚Hogwarts’ übernommen. Eine unbeaufsichtigte Zeit, in der Schüler durch leere Klassenzimmer streifen, gibt es nicht mehr. Auch nachmittags sind immer Lehrer da, denn wir sind eine Ganztagsschule“, berichtet Klaus Winner. Die benachbarte Lindenschule hat weniger und keine verpflichtenden Ganztagsangebote und setzt daher auf eine andere Lösung: Jede Klasse bleibt in ihrem Klassenzimmer – außer wenn sie in das Chemielabor oder den Musiksaal geht –, und zwar nicht nur durch den Tag, sondern auch durch die gesamte Schulzeit. Sie ist frei, das Zimmer selbst zu gestalten. Die Klasse 6 macht das sehr liebevoll mit gebastelter jahreszeitlicher Dekoration. Die Klasse 11 hat in der Projektwoche ihr Zimmer neu gestrichen, selbst gestaltete Rollos aufgehängt, Spiegel, Pflanzen und ein Tisch-Kicker erworben. Beim Wettbewerb um das schönste Klassenzimmer lagen beide Klassen Kopf an Kopf. Die Schule hat zudem ansprechende Räume für die Freizeitgestaltung; sie sind auch in den Ferien offen. In beiden Fällen ist die Identifikation der Schüler mit ihrer Schule hoch. Auch die Eltern – und nicht zuletzt die Lehrer – sehen die Schule in einem neuen und sehr positiven Licht. Dass es dabei keineswegs um bloße Äußerlichkeiten oder Nebensächlichkeiten geht, betont Lindenschul-Leiterin Helene Lange: „Das sind alles Bausteine, die man braucht, um ein Haus des Lernens aufzubauen.“ Das Lernklima an ihrer Schule hat sich durch die angenehmere und persönlichere Umgebung kontinuierlich verbessert.

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„Noch vor zehn Jahren fand in einer ‚normalen’ Unterrichtsstunde nur zur Hälfte der Zeit wirklich Unterricht statt, während der Lehrer die andere Hälfte auf die Herstellung von Ruhe und Ordnung verwenden musste“, erinnert sie sich. Mittlerweile wird die Unterrichtszeit voll für das Lehren und Lernen genutzt; höchstens fünf Prozent werden für andere Dinge verwandt. Die Projekte und Aktionen der Schule sind kein unnötiger „Firlefanz“, wie manche zunächst kritisch meinten, erläutert die Schulleiterin, sondern kommen dem Unterrichten und Lernen zugute: „Die Bereitschaft der Schüler zum Mitmachen ist dann auch in der einzelnen Unterrichtsstunde vorhanden.“ Nicht zuletzt wird die Zusammenarbeit im Lehrerteam selbstverständlicher. „Auch das wirkt sich positiv aus“, bestätigt Lehrer Hans Rotbusch.

„Klima gut, alles gut“

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Endlich sind auch die störenden Verspätungen von Schülern stark zurückgegangen. „Wir haben das nicht länger einfach hingenommen und uns geärgert, sondern die Schulregeln klar gemacht und ihre Verbindlichkeit verdeutlicht – und damit schließlich Pünktlichkeit durchgesetzt“, so Frau Lange. „Die Grundbedingungen des Miteinander in der Schule stehen nicht zur Disposition – sie werden nicht ausgehandelt, sondern müssen akzeptiert werden“, betont die Schulleiterin. Die Schulregeln werden von jeder Klasse systematisch erarbeitet. Um hartnäckige Problemfälle unter den Schülern kümmert sich der Vertrauenslehrer der Schule. „Wir Lehrer und Schulleiter sind uns dabei unserer Vorbildfunktion sehr bewusst und versuchen, die geltenden Regeln und Normen selbst vorzuleben“, versichert Schulleiter Klaus Winner. „Werte wie ‚Respekt’ und ‚Toleranz’ muss man erfahrbar machen und zeigen, dass es damit für alle Seiten besser geht.“ Die Mitwirkung der Schüler ist deshalb gezielt so angelegt, dass sie Verantwortungsbewusstsein für ihre Projekte, füreinander und für die Schule entwickeln. Besondere Aktivitäten und Engagements der Schüler, auch ihre Ehrenämter, werden dokumentiert und in einer eigenen Mappe, dem Portfolio, festgehalten. „Nicht nur damit sind wir entscheidend vorangekommen“, erläutert der Methodentrainer der Schule an der Konrad-Kennedy-Straße, Timo Reiter. „Wir haben auch ganz systematisch an den Lernvoraussetzungen ‚im Kopf’ gearbeitet.“ Das Lernen zu lernen ist selbstverständlicher Teil des Unterrichts. „Durch mehr Eigenverantwortlichkeit der Schüler, Selbstlernphasen, Kontrollphasen, Übungsphasen konnten wir vor allem die Konzentrationsfähigkeit und das Durchhaltevermögen steigern – da steckte nämlich das Hauptproblem bei unseren Schülern.“ Die Anfangsinvestition hat sich gelohnt: „Wo Lehrer sich vergebens anstrengten, unlustige Schüler zu motivieren und die Aufmerksamkeit dauernd wieder neu geweckt werden musste, haben wir jetzt mehr Interesse und eigene Bemühungen auch bei schwierigen Schülern“, kann Reiter berichten.

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Die Methodik ist auch kein Geheimwissen einiger weniger Reformschmieden mehr, denn erfahrene Schulen hatten für andere Schulen aus ihrer Region Erfahrungsworkshops und Informationstage angeboten. Jede Schule hat inzwischen nicht nur ein Kerncurriculum mit den Bildungsstandards, sondern auch ein Methoden- und Medien- sowie ein Sozialcurriculum und eine Berufswegeplanung entwickelt.

Schule 2015 „Klima gut, alles gut“ > Schüler, Lehrer und Eltern identifizieren sich mit der Schule > Die Schulregeln sind klar und verbindlich > Schüler kommen nur selten zu spät > Die Unterrichtszeit wird voll genutzt > Unterrichtsstörungen wird durch praktizierte Konzepte

vorgebeugt > Lernvoraussetzungen werden optimiert, Lernmethoden

trainiert > Lehrer und Schulleiter nehmen ihre Vorbildfunktion wahr > Die Eigen- und Mitverantwortung der Schüler wird

gefördert und hat Raum

„Klima gut, alles gut“

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Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben

Am wichtigsten ist in der Schule natürlich nach wie vor der Unterricht, betont Mathematik-Lehrer Mehmet Ergün: Der Unterricht ist das Herz der Schule. „Und da sind wir durch verschiedene Fortbildungen und Programme in den letzten zehn Jahren wirklich weiter gekommen“, meint er. Die heutige neue Lehrergeneration hat sich schon in der Ausbildung auf ein neues Verständnis des Lehrens und Lernens eingestellt. „Wir gehen in Mathematik zum Beispiel sehr viel praxisnäher und anschaulicher vor als früher“, erläutert Ergün, „und legen mehr Wert auf das Modellieren als auf das Routinerechnen“. Entscheidend sei in allen Fächern die kognitive Aktivierung, wie er im Fachjargon sagt – mit anderen Worten das eigene Denken, Entwickeln und Anwenden anstelle des passiven und letztlich verständnislosen Einprägens. „Auch der üblich gewordene fächer- und jahrgangsübergreifende Unterricht trägt viel zur geistigen Anregung der Schüler bei“, ergänzt Ergün. Der Blick auf das einzelne Kind – statt auf den abzuarbeitenden Lehrstoff – ist zur dominierenden Perspektive geworden, das individuelle und selbstverantwortliche Lernen der Schüler ist entscheidend. Individuelle Lernpläne, Zielvereinbarungen und rhythmisiertes Lernen sind dabei die gängigsten Instrumente. Was verstanden wird, weiß man und muss es sich nicht erst mühsam merken, ist Ergüns Erfahrung. Die alten ideologischen Grabenkämpfe um die richtige Methodik spart man sich heute, betont er. Ob der Unterricht nun lehrergeleitet oder schülerzentriert ist, hat sich als nebensächlich erwiesen. Wichtig ist nur, dass er das eigene Lernen der Schüler in Gang setzt und dass er strukturiert vorgeht. Und dass Themen immer wieder aufgegriffen und fortgeführt werden, damit sie nicht gleich wieder vergessen werden. Selbstverständlich wird im Fremdsprachenunterricht aktiv die Sprache gesprochen und das Schwergewicht auf die Verständigung gelegt. Im Sport wird auf viel Bewegung und Trendsportarten gesetzt statt auf den traditionellen Barren und Bock.

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„In den naturwissenschaftlichen Fächern sind angeleitete Schülerexperimente von der Ausnahme zur Regel geworden“, berichtet Lehrerin Anna Huh-Li. „Das Interesse an Physik, Chemie und Biologie – und an dem Fach ‚Naturphänomene’ bei den Kleineren – ist enorm gewachsen.“ Das bestätigt auch der Andrang auf die technischen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge an den Hochschulen – vor allem bei jungen Frauen. Besonders beliebt ist das Fach „Wirtschaft“ bei den Schülern, Mehmet Ergüns zweites Fach, das sie auf das Arbeitsleben vorbereiten soll, aber auch zur Allgemeinbildung beiträgt: „Viele maßgebliche Entwicklungen unserer Zeit, vor allem die Globalisierung und ihre Folgen, werden den Jugendlichen erst im ökonomischen Zusammenhang verständlich“, berichtet er. In allen Klassen stehen genügend Hilfsmittel und – längst auch geleaste elektronische – Medien für das Lernen zur Verfügung. Mit Methoden wie der Wochenplanarbeit wird das notwendige selbstverantwortliche Lernen der Schüler gestärkt. „Und das ist die maßgebliche Grundlage für das lebenslange Lernen“, bestätigt Klassenlehrer Hans Rotbusch. Er hat dabei im Blick, dass gerade die überfachlichen allgemeinen Kompetenzen wie Eigenverantwortung, Konzentrationsfähigkeit, Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit bei den Anforderungen an die Schulabgänger an erster Stelle stehen. „Alles wandelt sich derart rasch, dass man vor allem Kompetenzen braucht, die eine solide Basis für Neuorientierungen schaffen“, meint er. Das gilt für die Anforderungen der Unternehmen an ihre Mitarbeiter, aber auch für die Anforderungen, die das private, soziale und demokratische, ja ein selbstverantwortliches Leben in der offenen Gesellschaft überhaupt an jeden einzelnen Bürger stellt. Lehrer sind pädagogische Führungskräfte – nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Begleitung und Beratung ihrer Schüler. „Dabei steht jedes halbe Jahr ein Gespräch mit dem Schüler und den Eltern im Zentrum“, erklärt Rotbusch. „Früher sind Eltern – und auch Schüler – beim Zeugnis schon einmal aus allen Wolken gefallen, das kann heute nicht mehr passieren“, betont er. Die Noten sind zudem längst durch erläuternde Verbalgutachten ergänzt worden.

Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben

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Als Leiter des Jahrgangsteams für die 7b an der Erich-Ebert-Schule bereitet Rotbusch diese Feedbackgespräche gründlich vor und nach: „Oft sind Verabredungen von Schülern, Lehrern und Eltern mit konkreten Schritten zur Leistungsverbesserung das Ergebnis.“

Dass die diagnostischen Kompetenzen der Lehrer in den letzten zehn Jahren besonders intensiv trainiert wurden, hat sich ausgezahlt. Förderbedarf bei Schülern wird nun frühzeitig erkannt und darauf mit gezielten Maßnahmen, Förderangeboten oder Zusatzunterricht rasch und mit Kontrollen reagiert. „Wir haben deshalb kaum noch Sitzenbleiber“, berichtet Bärbel Stach von der Heinrich-Hauptmann-Schule. „Wo früher bis zu 36 % eine ‚Ehrenrunde’ drehten, sind es jetzt vielleicht 3 %, die ein ganzes Schuljahr nochmals aufarbeiten müssen.“ Von den finanziellen Ressourcen her gleichen sich die Kosten damit wieder aus, meint sie – von den menschlichen Kosten her sowieso: „Frustrationserlebnisse psychisch auszugleichen ist schließlich sehr viel schwieriger als Zusatzunterricht zu organisieren.“ Umgekehrt werden auch besondere und überdurchschnittliche Begabungen früh und intensiv gefördert. Welche Maßnahmen sich bewährt haben und welche nicht, können die Schulen gut überprüfen, weil sie auch die weiteren Schul- und Ausbildungsjahre ihrer Schüler verfolgen und die Ergebnisse für sich auswerten.

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Was noch weiter verbessert werden muss, sind die Schnittstellen an den verschiedenen Übergängen innerhalb des Schulsystems. „Zwischen Kindergarten und Grundschule haben wir das gut hinbekommen“, resümiert Grundschullehrer Viktor Karakoff, der seit acht Jahren als Kooperationslehrer die Zusammenarbeit seiner Schule mit den umliegenden Kindergärten organisiert. „Die Bildungspläne wurden direkt für Kinder von drei bis zehn Jahren angelegt und haben so die Kooperation entscheidend gefördert“, berichtet er, „und der Übergang in die Grundschule ist fließend“. Dadurch ist außerdem eine wesentlich längere Zeit gemeinsamen Lernens der Kinder entstanden. Noch immer nicht optimal ist seiner Meinung nach die zweite Schnittstelle, der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. An den Grundschulen stehen zwar diagnostische Instrumente inzwischen selbstverständlich zur Verfügung. Aber „wir müssen dahin kommen, dass die Wahl noch stärker auf das Kind und seinen individuellen Bedarf zugeschnitten ist“, meint Karakoff. Es ist aber schon einmal sehr zu begrüßen, dass die Übergänge zwischen den weiterführenden Schulen stark erleichtert wurden: „Wir haben so gut wie keine Sackgassen mehr, sondern nur noch verschiedene Wege zum Ziel.“ Noch deutlichere Fortschritte hat man beim Übergang von der Schule in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt gemacht. Berufsvorbereitung wird an allen Schulen groß geschrieben und startet schon ab Klasse 5 mit ersten Berufserkundungen. „Bei uns ist die Berufsorientierung erst zum Erfolgsschlager geworden, seitdem wir das ganze Lehrerteam – und nicht nur die Lehrer für Arbeits- oder Gemeinschaftskunde – einbezogen und das Thema in allen Fächern auf die Tagesordnung gesetzt haben, denn Berufsorientierung ist schließlich Teil des Schulprogramms“, erläutert Schulleiterin Helene Lange. „Informationen, Beratungen, Begegnungen und vor allem die fest institutionalisierten und von den Lehrern aufbereiteten Praktika sind dabei entscheidend.“ Im Berufswahlpass werden die verschiedenen Stationen und Schritte zum Beruf dokumentiert und ausgewertet. Die Kompetenzprofile der Schüler werden frühzeitig erstellt und weiter verfeinert. Die Berufsvorbereitung findet in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, mit Unternehmenspartnern und beruflichen Schulen statt.

Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben

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„Ich finde im Unterricht die Planspiele sehr gut“, erklärt Marie aus der 8a in der Heinrich-Hauptmann-Schule, „weil wir mit verteilten Rollen etwas spielen und schon mal einüben, was im Beruf auf uns zukommen kann“. Sie interessiert sich für Heilberufe, bei denen es zurzeit sehr viele Berufsund Arbeitsmöglichkeiten gibt. „Und die Azubis aus der Firma, wo wir bei den Planspielen sind, sagen uns auch schon viel, was wir im Beruf wissen müssen“, fügt Boris aus der 9b hinzu. Er hat vom Projekt BigBoys („Jungen in der Großstadt“) profitiert und will als Computerfan einmal Kommunikationsdesign studieren.

Die Zusammenarbeit von Schulen und Betrieben bewährt sich – mit Möglichkeiten zu Betriebserkundungen, Betriebspraktika, Planspielen und Mentoring. Schülerfirmen kommen als besondere Projekte hinzu. In der Ganztagsschule sind die Kooperationen mit externen Partnern dabei leichter geworden. „Mit jungen Menschen zu arbeiten macht mir einfach Spaß“, erklärt Ulrich Meier, früher selbst Ausbilder bei der Elektrofirma „Mühle“ und jetzt für die Jugendlichen der Schule an der Konrad-Kennedy-Straße als Ausbildungspate im Einsatz. Er ist stolz, alle seine Schützlinge in Praktika und Ausbildungsplätze vermitteln zu können. Auf die Bewerbung bereitet er sie gut vor, ist in schwierigen Fällen mit dabei und bleibt auch für sie dauerhaft der Ansprechpartner. Die Betriebe der Region sind froh, dass es Mentoren wie Ulrich Meier gibt: Durch die bessere Berufsvorbereitung und persönliche Begleitung ist das vorzeitige Abbrechen der Ausbildung so gut wie kein Thema mehr.

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Durch den demografischen Wandel sehen sich ältere Mitarbeiter wie Ulrich Meier in ihrer Verantwortung für die Jüngeren gefordert. Er weiß aber auch, dass es trotz der gesunkenen Schülerzahlen für die Jugendlichen nicht einfacher geworden ist, denn mit der fortgeschrittenen Technisierung der Arbeitsplätze kommen nicht alle mit. „Es ist gut, dass durch die neuen, praxisorientierten Berufe und durch die Neuorientierung der Politik in den letzten fünf Jahren auch einfachere Tätigkeiten in Industrie und Dienstleistung für Jugendliche attraktiv und für Arbeitgeber wirtschaftlich geworden sind“, resümiert er.

Schule 2015 Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben > Der Unterricht zielt auf verstehendes Lernen > Verschiedene Methoden und Lernphasen stehen zur

Verfügung > Diagnostische Instrumente werden genutzt > Die individuelle Förderung der Schüler steht im Mittelpunkt > Für unter- und überdurchschnittliche Schüler stehen

gezielte Förderangebote zur Verfügung > Gespräche Lehrer-Schüler-Eltern finden regelmäßig statt > Mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer sind beliebt > Der Übergang Kindergarten – Grundschule ist fließend > Die Übergänge im Bildungssystem sind verbessert worden > Die theoretische und praktische Berufsvorbereitung ist

intensiv > Schulen und Betriebe arbeiten gut zusammen

Im Zentrum: Lernen – aktiv und für das Leben

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Selbstständige Schule, verantwortliche Schulleitung

Schulleiter Johannes S. Bach freut sich: Er hat gerade einen neuen Partner für seine Schule gefunden und einen Vertrag unterschrieben. Es ist ein Unternehmen, das Musikinstrumente baut; es wird jedem interessierten Kind an der Schule ein Musikinstrument zur Verfügung stellen. Über die Schule werden Leasing-Verträge geschlossen; nach einem Jahr muss der Schüler entscheiden, ob er dabei bleiben und den Vertrag fortführen will; sonst gibt er das Instrument unversehrt zurück. Damit ist die Schule voll im Zeitplan des neuen Programms „Musik in allen Ohren“ („Miao“), das die Bundesländer gemeinschaftlich in allen Schulen gestartet haben. Bei sozial schwachen Familien übernimmt das Land die Kosten für das Leasing-Verfahren. Schulleiter Bach wird im jährlichen Geschäftsbericht der Schule darlegen, in welcher Weise er das Landesprogramm angegangen und umgesetzt hat, das bis 2017 in allen Schulen realisiert worden sein soll. Einen Vertrag mit einem Unternehmen zu schließen ist in den letzten zehn Jahren für die Schulen zu einer Normalität geworden. Auch ob die Schule einen Hausmeister hat oder diese Aufgabe an einen Wach- und Schließdienst ausgliedert, ob mehr Geld in die Ausstattung – etwa in ein neues Labor oder eine Kletterwand – oder in zusätzliche Unterrichtsstunden und weiteres Personal investiert wird, entscheidet die Schule. Sie muss natürlich auch regelmäßig darüber Rechenschaft ablegen. Welche Schwerpunkte die Schule setzt, ist dabei nicht dem Zufall überlassen: „Das entwickeln wir aus unserem Schulprogramm“, erklärt Bach. Es ist gemeinsam von allen Beteiligten an der Schule erarbeitet worden und wird auch regelmäßig auf seine Zielsetzung hin überprüft. Von der öffentlichen Hand wird der Schule ein Budget zugewiesen, das sich – wie früher schon – an der Schülerzahl orientiert, aber auch an zusätzlichen Kenngrößen wie dem Förderbedarf oder dem Anteil problematischer Schüler. Sachbudget und Personalbudget sind dabei längst nicht mehr getrennt, sondern stehen der Schule als Globalbudget zur Verfügung.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Über die Verwendung der Gelder entscheidet die Schulleitung in Abstimmung mit dem Schulbeirat, in dem Vertreter des Trägers, der Eltern, Lehrer, Schüler, Ehemaliger, der lokalen Wirtschaft und je nachdem weiterer externer Partner der Schule versammelt sind. Der Schulbeirat hat auch den Schulleiter ausgewählt, nachdem er wie andere Kandidaten ein professionelles Bewerbungsverfahren durchlaufen hat, und kann ihn bei Unzufriedenheit wieder entlassen.

Ein entscheidender Schritt voran war es aber, als Schulleiter Bach 2010 endlich selbst die neuen Lehrer seiner Schule aussuchen und einstellen durfte. „Fehlten jahrelang Physiklehrer, konnte ich jetzt gleich unter mehreren Bewerbern auswählen“, stellte er erstaunt fest. „Allerdings bieten wir in unserer Schule auch etwas, nämlich eine gute Ausstattung im Physiksaal, ein menschlich angenehmes und konstruktives Klima im Kollegium und nicht zuletzt einen Sonderzuschlag auf das Gehalt, der uns wegen regionaler Standortnachteile seitens des Landes zusteht.“

Selbstständige Schule, verantwortliche Schulleitung

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Auch über veränderte oder neue Aufgaben der Lehrer und anderer Mitarbeiter kann die Schulleitung seit einigen Jahren bestimmen. Zudem hat der Schulleiter die Möglichkeit, einen Geschäftsführer oder Schulmanager einzustellen, der die finanz- und verwaltungstechnischen Aufgaben erledigt und das Qualitätsmanagement koordiniert. Personalauswahl, Personaleinsatz und Personalentwicklung waren für Schulleitungen neu – anfangs war man da etwas hilflos, gibt Bach zu. In der Vorbereitung auf die verantwortungsvolle Tätigkeit des Schulleiters im Studiengang „Master of School Management“ an der Universität Karlsruhe hat er Personalführung erst lernen müssen. Hilfreich sind ihm Handreichungen seitens der Wirtschaft wie das Instrument „PROFILehrer“, mit dem Personalgespräche strukturiert werden können. Ausgelernt hat der Schulleiter dabei eigentlich nie: „Mit Menschen über ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu sprechen, bleibt heikel“, resümiert Bach offen. Pädagogische Selbstständigkeit genießen die Schulen dabei schon länger. „Als die Bildungsstandards bundesweit eingeführt wurden und die Länder parallel dazu die alten Lehrpläne abschafften und durch Kerncurricula ersetzten, durften – und mussten – wir überlegen, wie wir die vorgesehenen Ziele am besten erreichen, und auch, welche Schwerpunkte wir im eigenen Curriculum außerdem ergänzen wollen“, berichtet Elena Galicova, Leiterin des Teams „Schulentwicklung“ in der Schule am Neutor. Ihre Schule hatte beschlossen, nicht auf zusätzliche Inhalte, sondern auf mehr Übungs- und Vertiefungsphasen zu setzen. Jede Schule entscheidet selbst, wie sie den Schultag strukturiert und rhythmisiert, wie sie das Lernen fördert und wo sie ihre methodischen und fachlichen Schwerpunkte setzt. „Die alten Glaubenskriege um den 45-Minuten-Rhythmus oder pro und contra Schulglocke gehören zum Glück der Vergangenheit an“, lacht die Teamleiterin. Die Lernerfolge der Schüler sind letztlich der ausschlaggebende Maßstab – und nichts anderes. Im Rahmen der üblichen internen und externen Begutachtungen zeigt sich dann, ob die Schule die richtigen Wege zum Ziel eingeschlagen hat. Dafür hat die Schule ein internes System entwickelt, mit dem sie ihre Ergebnisse systematisch überprüft und weiter verbessert.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Schule 2015 Selbstständige Schulen > erarbeiten und optimieren ihr Schulprogramm > entwickeln didaktisch-methodisch, pädagogisch und in

den fachlichen Schwerpunkten ihr Profil > werden von einer starken Schulleitung verantwortlich

geführt > schließen Rechtsgeschäfte und Verträge ab > werden von einem Schulbeirat begleitet und unterstützt,

in dem Träger, Schüler, Eltern, Ehemalige, Unternehmen, Kommune etc. vertreten sind > haben ein eigenes umfassendes Budget > haben ein internes Qualitätsmanagement > legen Rechenschaft über die Erfüllung der Bildungsstandards

und ihres Schulprogramms ab

Verantwortliche Schulleiter > führen die selbstständige Schule > haben eine neue Rolle und gewachsene Verantwortung > werden für diese Aufgabe entsprechend aus- und fortgebildet > leiten Personalauswahl, Personaleinsatz und Personal-

entwicklung > werden vom Schulbeirat ausgewählt und ggf. wieder

entlassen

Selbstständige Schule, verantwortliche Schulleitung

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Selbstbewusste Lehrer mit starker Unterstützung

„Mit den neuen Angeboten der Personalentwicklung haben wir die ‚Burnout-Quote’ von fast 30 % vor zehn Jahren auf heute 10 % senken können“, berichtet Personalentwicklerin Monika Lier stolz. Sie berät Schulen, Schulleiter, Lehrer und auch Interessenten am Lehrerberuf. Auf Null komme man bei den unzufriedenen Lehrerkollegen zwar nicht, meint sie nüchtern, denn zwischen Menschen gehe es nie völlig konfliktfrei zu. Inzwischen sind aber regelmäßige Personalgespräche an den Schulen üblich. Lehrer nehmen vor einem solchen Gespräch selbst StärkenSchwächen-Analysen vor, die dann den Stärken-Schwächen-Analysen aus Sicht der Schulleiter – als Dienstvorgesetzten – gegenüber gestellt werden. Daraus ergibt sich ein strukturiertes Gespräch miteinander; am Ende stehen gemeinsame Verabredungen zur Verbesserung und Stärkung der Kompetenzen. Auch Fortbildungen, besondere Aufgaben oder spezielle Einsatzbereiche können danach folgen. Es ist daher kein Wunder, dass inzwischen die Mehrheit und nicht nur eine Minderheit der Lehrkräfte bis zum vorgesehenen Ruhestandsalter an der Schule bleibt. Insgesamt haben wir eine durchgängige Professionalisierung des Lehrerberufs erreicht, stellt Monika Lier fest: „Die Reflexion auf das eigene Tun, und zwar nach bestimmten Kriterien, und die Bereitschaft zur Weiterentwicklung sind dabei die entscheidenden Schritte.“ Mit Coaching durch Personalentwicklerinnen wie sie selbst, durch Supervision und TutorenModelle der Lehrer untereinander und anderes mehr ist viel erreicht worden. „Mussten vor zehn Jahren noch Hemmschwellen überwunden und Lehrer aus der geliebten – und gefürchteten – Isolation des Klassenzimmers gelockt werden, sind heute Teamarbeit und pädagogische Kooperation im Kollegium absolut gängig.“ Auch vorhandene Instrumente wie Fach- und Lehrerkonferenzen, Jahrgangsteams und gegenseitige Unterrichtsbesuche werden intensiver zur gemeinsamen Analyse und weiteren Zusammenarbeit genutzt. Durch die neue Arbeitszeitregelung, mit der Hamburg bereits vor über zehn Jahren angefangen hatte, sind auch diese umfangreichen Aktivitäten neben dem Unterricht in der Arbeitszeit miterfasst.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


„Außerdem ist die Zusammenarbeit durch die in der Regel ganztägige Präsenz der Lehrer an der Schule viel leichter geworden – auch das Verhältnis der Lehrer zu den Schülern hat sich dadurch erheblich verbessert“, kann Schulleiter Klaus Winner ergänzen.

Die neue Selbstständigkeit der Schule wurde anfangs von manchen Lehrern nur als zusätzliche und zeitintensive Belastung empfunden, gibt Monika Lier offen zu. Andere haben schnell gemerkt, dass es sich um eine Art „Einstiegsinvestition“ handelt, die sich schon bald bis in die einzelnen Unterrichtsstunden hinein „rentiert“. Die pädagogische und didaktischmethodische Freiheit des Kollegiums und der Lehrer ist merklich größer geworden. Sicherlich müssen Schulen und Lehrer dafür auch in anderem Maße als früher Rechenschaft geben. „Aber Rechenschaft zu leisten und offen zu legen, was hinter der Klassenzimmertür geschieht, ist eigentlich das logische Pendant zu der großen Verantwortung für die Schüler, die wir ja tatsächlich haben“, meint Schulleiter Bach. „Die jungen Menschen gehen schließlich nur einmal zur Schule und sie sind entscheidend auf das Rüstzeug angewiesen, das wir ihnen für ihr Leben mitgeben.“

Selbstbewusste Lehrer mit starker Unterstützung

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Inzwischen ist dieses berufliche Selbstverständnis des Lehrers weit verbreitet – und Lehrer sind wesentlich zufriedener und auch selbstbewusster geworden. Die Attraktivität des Berufs ist damit – ohne Imagekampagne – spürbar gestiegen. Diese Entwicklung haben nicht zuletzt die Lehrerverbände aktiv unterstützt. Seitdem ist der Lehrerberuf immer beliebter geworden – gerade auch für sehr gute Schulabgänger. Lehrer werden anerkannt und respektiert; sie fühlen sich in ihrer Arbeit endlich unterstützt und gesellschaftlich akzeptiert. Zur Professionalisierung hat auch die leistungsorientierte Bezahlung beigetragen, die vor gut zehn Jahren begonnen hat. Entscheidend für die Akzeptanz war die Transparenz der Vergabekriterien. Alle Mitarbeiter an der Schule, Lehrer wie Schulleiter, werden mit leistungsorientierten Arbeitsverträgen angestellt, die auch befristet abgeschlossen werden können. „Das öffentliche Dienstrecht hatte sich zu einem solchen Hemmschuh entwickelt, dass es einfach nicht mehr zu halten war“, erläutert Lehrer Rotbusch. „Alle Mitarbeiter?“ In der Tat sind an der Schule keineswegs allein Lehrer, sondern eine ganze Palette von Berufen beschäftigt. Wo es noch vor zehn Jahren ausschließlich Lehrer gab – sowie Hausmeister und Sekretärin –, arbeiten heute Tutoren, Jugendbetreuer, Kuratoren, Schulmanager sowie Klassen- und Lernassistenten mit dem Lehrer im Team. Auch innerhalb der Lehrerschaft gibt es neben den bisherigen neue Funktionen wie AGOrganisator, Berufsberater, Elternkurator, Medienberater, Teamleiter u. a. m. Weil die Schule ihr Personal selbst auswählt, kann sie je nach Bedarf die neuen Schulberufe gut nutzen. Diese bringen als Qualifikation meistens den „Bachelor of Education“ mit. Je nach Aufgabe sind auch sozialpädagogische, psychologische, betriebswirtschaftliche oder kaufmännische Ausbildungen gefragt. Kleine Schulen können im Verbund das Personal für bestimmte Aufgaben gemeinsam beschäftigen.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Der Lehrer ist dadurch deutlich entlastet: Er muss nicht mehr alles selber regeln, sondern kann auf eine breite Unterstützung zurückgreifen. Dass nicht mehr so viel Zeit mit der Regelung des „Drumherum“ verloren geht, ist ganz entscheidend für die Unterrichtsqualität. Bei Schulabbrechern stecken oft eher Probleme mit der Familie oder Gruppe und der allgemeinen Lebensperspektive dahinter als rein unterrichtliche Probleme – da sind weniger die Lehrer als vielmehr Psychologen, Kuratoren und Jugendhelfer gefragt, die mit den Jugendlichen Ziele und Maßnahmen vereinbaren und die Umsetzung überprüfen und begleiten. Auch externe Partner der Schule spielen dabei eine Rolle wie Betriebe, in denen Jugendliche Praktika machen, oder kirchliche Dienste.

Schule 2015 Selbstbewusste Lehrer mit starker Unterstützung > Lehrer reflektieren ihre Tätigkeit und entwickeln ihre

Kompetenzen weiter > Kollegen arbeiten im Team zusammen und nutzen

Kooperationsmöglichkeiten > Angebote zu Coaching, Supervision, Evaluation etc. stehen

zur Verfügung und werden wahrgenommen > Lehrer ist ein attraktiver, gesellschaftlich geschätzter Beruf mit

einem guten Image > Tätigkeiten der Lehrer außerhalb des Unterrichts sind als

Arbeitszeit erfasst > Neue Berufe an der Schule entlasten die Lehrer und helfen

beim Unterricht; sie bieten ein Berufsfeld für den „Bachelor of Education“ > Leistungsorientierte Arbeitsverträge sind für alle Mitarbeiter

an der Schule eingeführt > Personalentwicklung und Professionalisierung sind eingeübte

Verfahren

Selbstbewusste Lehrer mit starker Unterstützung

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Praxisnahe Ausbildung, effiziente Fortbildung

Lehrerin Yvette Kahrmann kommt gerade von einer Fortbildung am Wochenende zurück. Sie fühlte sich zwar durch ihre Ausbildung gut auf die Schule vorbereitet, aber sich weiter zu verbessern ist für sie selbstverständlich. „In der Ausbildung haben wir von Anfang an nicht nur im Seminar gesessen, sondern regelmäßig Praktika an den Partnerschulen unserer Hochschule gemacht. Da blieb die Pädagogik keine bloße Theorie, sondern war immer anschaulich. Umgekehrt wäre ich ohne das theoretische Know-how von der Hochschule total untergegangen. Da hätte ich mir zwar irgendetwas ausgedacht, um über die Stunde zu kommen, aber sehr professionell wäre das nicht gewesen und ich wäre damit alles andere als zufrieden“, resümiert sie. Gut fand sie an der Hochschule vor allem, dass Fachinhalte gleich mit der dazu gehörigen Fachdidaktik und im erziehungswissenschaftlichen Zusammenhang erarbeitet wurden.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Die Erstausbildung hat sie mit dem „Master of Education“ abgeschlossen. Das früher übliche Referendariat war bei soviel gleichberechtigten Praxisphasen im Studium dann gar nicht mehr nötig. Was notwendig bleibt, ist die Integration in die Schule, eine Art Eingangsphase, in der man zwar schon dazu gehört, aber noch gezielte Hilfestellung braucht. „Die Begleitung und Unterstützung durch meinen Trainer war auf mich persönlich zugeschnitten“, resümiert die junge Lehrerin, „sie war dabei aber auch sehr systematisch ausgerichtet. Die zwei Jahre als Trainee haben mir viel gebracht“. Seitdem ist Coaching und Supervision durch Kollegen oder Mentoren für Yvette Kahrmann ein Teil ihrer Profession. Nicht ohne Grund ist ihre Schule mit diesem Angebot eine anerkannte Ausbildungsschule für den Lehrernachwuchs. Um fachlich auf dem Stand der Dinge zu bleiben – sie unterrichtet Geschichte und da geht es auch immer wieder um das wichtige Thema Nationalsozialismus –, besucht sie in den Ferien nochmals ein Seminar, das die Universität extra für Lehrer anbietet. „Im Schulalltag dominieren andere Dringlichkeiten, da komme ich einfach nicht dazu, mir selber noch den wissenschaftlichen Forschungsstand zu erarbeiten“, sagt sie selbstkritisch. „Aber das Angebot, mich alle drei Jahre gründlich über die aktuellen Diskussionen im Fach zu informieren, nehme ich gerne wahr.“ Ihre alte Universität sieht sie dabei auch gerne wieder. Die Dozenten erfahren von ihr und ihren Kollegen dabei, was in den Schulen gefragt ist und wie diskutiert wird. In ihrem Portfolio, das sie seit dem ersten Eignungs-Check vor Beginn ihrer Lehrer-Ausbildung angelegt hat und weiterführt, sammelt sie die gemachten Erfahrungen und wertet sie aus – „für meine persönliche Entwicklung“, sagt sie. Gemeinsame Themen der Schule – wie übergreifende pädagogische Fragen oder die Weiterentwicklung des Schulprogramms – werden von allen Lehrern gemeinsam in einer Fortbildung angegangen oder zumindest von einem Multiplikatoren-Team. Was jeweils ansteht, ergibt sich zum einen aus dem speziellen Bedarf der Schule, zum anderen aus Gegebenheiten wie beispielsweise den aktualisierten Bildungsstandards.

Praxisnahe Ausbildung, effiziente Fortbildung

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Schule 2015 Praxisnahe Ausbildung, effiziente Fortbildung Lehrer > machen vor Beginn der Ausbildung einen Eignungs-Check > erwerben Berufskompetenzen in einer „dualen Ausbildung“

an Hochschule und Schule > schließen an das Bachelor- ein Master-Studium „Master of

Education“ an > fangen als Trainee in einer Schule an und absolvieren

verschiedene Stationen > bleiben nach der Trainee-Zeit an der Ausbildungsschule

oder wechseln zu einer anderen Schule, Bildungseinrichtung oder Bildungsverwaltung > machen ggf. nach ein paar Berufsjahren ein berufs-

begleitendes Studium „Master of school management“ und bewerben sich damit als Schulleiter > nehmen Fortbildungen verbindlich wahr, die zum Bedarf

und Profil der Schule und zu ihren eigenen Stärken und Schwächen passen > wenden das Gelernte nachweislich an und dokumentieren

ihre berufliche Aus- und Fortbildung in einem Portfolio > nehmen Verantwortung für ihre Weiterentwicklung wahr

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Interessierte Eltern, lernende Schüler

Marvin, 13 Jahre, gibt es nicht immer zu, aber er geht eigentlich ganz gerne in die Schule. Natürlich vor allem, weil er da seine Clique trifft, die anderen Jungen. Aber auch der „Rest“ ist in Ordnung. Er kommt im Großen und Ganzen gut mit. Klar ist nicht jede Stunde spannend und nicht jeder Lehrer prickelnd, aber es geht. Und einige Sachen findet er richtig gut. Mathe zum Beispiel. Früher muss das ziemlich öde gewesen sein, da hat man nur dauernd Zahlen herauf und herunter gerechnet und hatte keinen Schimmer, wozu eigentlich das Ganze. Heute wird auch in Mathe viel gemacht, was einen weiterbringt. Die Hausaufgaben machen sie meistens gemeinsam in der Schule; da ist entweder der Lehrer oder ein Tutor oder der Lernassistent dabei, damit es gleich richtig läuft. Die letzten ZeKs – Zentrale Klausuren – haben sie dann auch alle ganz gut hingekriegt. Nach den Hausaufgaben gibt es noch Fußball oder Tischtennis, Werken oder Gärtnern. Marvin geht am liebsten zur Musikgruppe; da spielt er Schlagzeug. „Da muss ich genau aufpassen und auch hören, was die anderen machen – seitdem kann ich auch im Unterricht länger durchhalten“, hat er beobachtet. Seine Clique ist da nicht; die geht in den Werkraum, um ein Projekt für die Schülerfirma „Gut Holz“ zu Ende zu machen. Einige sind auch Paten für die neuen 5er. Solche Extras stehen dann auch im Zeugnis oder in seiner gelben Mappe, dem Portfolio, und machen sich da gut. Marvins Opa findet gut, dass die Schule so ordentlich aussieht. Und seine Mutter auch, wenn sie zu den regelmäßigen Eltern-Lehrer-Gesprächen in die Schule kommt. Erst wollte sie nicht kommen, aber dann kam der Klassenlehrer zu Marvin nach Hause, und das war peinlich. Danach hat sie die Erziehungsvereinbarung mit der Schule noch mal genau angeguckt und auch wieder unterschrieben. Dann hat der Klassenlehrer, Herr Rotbusch, mit ihr einen genauen Hilfeplan besprochen, wie sie Marvin am besten unterstützen kann. Sie war auch schon einmal bei einem Elternseminar; da ging es um das Thema „Pubertät“. Für Eltern gibt es überhaupt eine Menge Seminare von der Schule aus.

Interessierte Eltern, lernende Schüler

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Das ist fast eine „Elternschule“, denkt Marvin manchmal. Jetzt hilft seine Mutter sogar beim Schulfest. Aber beim Elternteam, das bei der Schulentwicklung mitmacht, will sie dann lieber doch nicht dabei sein.

Schule 2015 Interessierte Eltern > motivieren ihre Kinder, vermitteln ihnen Leistungs-

orientierung und Anstrengungsbereitschaft > kommen ihrer Erziehungsverantwortung nach und unter-

stützen den Erziehungsauftrag der Schule > nehmen regelmäßige Beratungsgespräche mit den Lehrern

über die Leistungen und weiteren Chancen ihrer Kinder wahr > kooperieren mit den Lehrern und der Schule > sind an der Entwicklung und Umsetzung des Schul-

programms beteiligt > helfen und unterstützen sich gegenseitig

Schule 2015 Lernende Schüler > nehmen ihre Bildungschancen wahr > sind leistungs- und anstrengungsbereit > legen Wert auf Schul- und Bildungserfolge > helfen und unterstützen sich gegenseitig

(Tutoren, Paten, Praktika etc.) > pflegen respektvollen Umgang mit ihren Mitmenschen

in und außerhalb der Schule

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Integration in einer weltoffenen Gesellschaft

Aysche hat es fast geschafft. Bald macht sie Abitur und dann will sie Ingenieurin werden und Brücken bauen. Ihr Vater hätte das auch gern getan, war aber nur Hausmeister in einer kleinen Fabrik. Ihre Mutter hat die fünf Kinder aufgezogen. Als sie nach Deutschland kam, hat sie die ersten Jahre kein Wort Deutsch gesprochen. Das änderte sich, als Aysche in die Schule kam. In der Grundschule gab es „Mama lernt Deutsch“ und einen türkischen Übersetzer bei Elternabenden und -gesprächen. Themenabende zur Kindererziehung in Deutschland an der „Elternakademie“ der Schule nahmen die Eltern gerne wahr. Heute ist es wieder anders, wenn Aysches Geschwister schon vor der Schule die deutsche Sprache im Kindergarten intensiv üben. Am Ende der Grundschule können sie jetzt so gut deutsch wie alle ihre Altersgenossen. Bei Bedarf geht es aber an der weiterführenden Schule weiter mit Deutsch lernen und üben, auch am Nachmittag im Förderunterricht. Und sogar der islamische Religionsunterricht ist auf deutsch. Aysches Eltern sind stolz auf ihre Tochter, besonders auch, weil sie in das Sonderprogramm für Hochbegabte „SoHo“ aufgenommen und dort noch zusätzlich gefördert wurde. Bei ihr geht es jetzt um Beruf und Studium. Auch da wurden ihre Eltern gleich mit einbezogen und haben sie unterstützt. Noch vor zehn Jahren gab es nur wenige türkischstämmige Gymnasiasten; aber das ist heute anders. Allein in Aysches Klasse sind 15 Kinder mit deutschen Eltern, sechs mit Eltern aus dem ehemaligen Ostblock, fünf mit Eltern aus der Türkei und drei aus weiteren Ländern. „Noch vor zehn Jahren hätte jemand wie ich vielleicht die Schule abgebrochen“, stellt Aysche fest. Und eine Ausnahmeerscheinung ist sie heute gar nicht einmal.

Integration in einer weltoffenen Gesellschaft

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Schließlich nehmen die Unternehmen heute gerne Nachwuchstalente aus Migrantenfamilien; das hat sie schon beobachtet. Im Zeitalter der Globalisierung ist überhaupt die Gesellschaft weltoffener und die Wirtschaft internationaler geworden. Auch kleine und mittlere Unternehmen sind längst global aufgestellt und suchen deshalb sogar gezielt Mitarbeiter, die mehrere – nicht nur europäische – Sprachen beherrschen und sich in verschiedenen Kulturen sicher bewegen. Aysche ist in der Tat zweisprachig. „Wir haben in der Schule zum einen richtig gut deutsch gelernt – und nicht mehr das Döner-Deutsch von vor zehn Jahren gesprochen –, aber wir haben auch viel über unsere Herkunft und die Herkunft anderer Kinder in der Klasse erfahren“, erklärt Aysche. „Internationale Begegnungen wurden außerdem an der Schule sehr gepflegt – und die bringen eigentlich immer sehr viel an guten Erfahrungen.“

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Schule 2015 Integration in einer weltoffenen Gesellschaft > Vom Kindergarten an findet kontinuierlich Sprachförderung

statt, wenn nötig bis zum Ende der Schulzeit > Internationale Begegnungen werden gepflegt, interkulturelle

Kompetenzen gefördert, Herkunftsidentitäten eingebracht > Migrantenkinder liegen bei Leistungsvergleichen mindestens

nahe bzw. auf dem deutschen Durchschnittswert und verteilen sich zu gleichen Anteilen wie ihre deutschen Altersgenossen auf die Schulformen > Unterricht in der jeweiligen Religion wird in deutscher

Sprache angeboten

Integration in einer weltoffenen Gesellschaft

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Standortbestimmung und Zielorientierung

Kultusministerin Dr. Renate Kullen-Peter ist wieder einmal bei einem Schulbesuch anzutreffen. „Ich lasse es nicht bei einem Rundschreiben an die Damen und Herren Schulleiter“, erklärt sie, „ich werbe persönlich an jeder Schule bei Lehrern, Eltern und Schülern für die weitere Umsetzung der Bildungsreformen“. Mit ihrer engagierten Art, in der sie sich aufmerksam die Erfahrungsberichte der Beteiligten anhört, differenziert auf jede Anmerkung eingeht, aber dennoch ihr Anliegen sehr bestimmt vertritt, ist sie selbst die beste Werbung für die gewandelte Bildungspolitik. Dass gute Ansätze und originelle Ideen in den Schulen nicht weiterkommen, weil die Schulverwaltung blockiert, hat die Ministerin durch die Neuorganisation der Bildungsverwaltung verhindert. Die Entscheidungskompetenzen sind von der Schulverwaltung auf die Einzelschule übergegangen; die Evaluation wurde von der Schulaufsicht auf die Landesagentur verlagert. Damit hat sie zugleich auch die Budgets verschoben und die neuen Institutionen finanziert. Eine Experten-Kommission hatte zuvor außerdem Vorschläge zur Entbürokratisierung und Effizienzausschöpfung in der Bildung gemacht, die von der Ministerin rasch umgesetzt worden waren. Die Schulverwaltung versteht sich in ihrer gewandelten Aufgabe längst als Partner der Schulen bei der Schulentwicklung. Die Landesagentur für Schulqualität (LAGASCHU) führt die regelmäßige Evaluation der Schulen durch. Im Internet stehen allen Schulen Musteraufgaben zur Verfügung, die den Anforderungen bei den dreijährlichen Leistungsvergleichen in Mathematik, Deutsch, Naturwissenschaften und Fremdsprachen entsprechen. Die Nationale Qualitätsagentur Schule erarbeitet und optimiert die Bildungsstandards, die den Leistungsvergleichen zugrunde liegen, und überprüft die Umsetzung durch die Landesagenturen. Die zentralen Vergleichsarbeiten in Klassenstufe 3, 6 und 9 und die Abschlussarbeiten in Klassenstufe 9 bzw. 10 und 12 haben für die Schüler – wie für Eltern und Lehrer – ihren anfänglichen Schrecken längst verloren, denn diese Art von Aufgaben und Prüfungen sind sie nun gewohnt.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Geradezu beliebt sind die Projektprüfungen in Klasse 9 an allen Schulen, bei denen die Schüler sich auch praktisch und im Team beweisen und ihr Ergebnis präsentieren. „Da hat das Gymnasium einmal von der Hauptschule gelernt“, bemerkt Kultusministerin Kullen-Peter mit Schmunzeln. Ebenfalls alle drei Jahre kommt ein Beratungsteam von der Landesagentur in die Schule und schaut sich eine knappe Woche lang alles detailliert an – Unterrichtsmethoden, Qualitätsinstrumente, Ressourcenausstattung, Ergebnisse und Leistungen. „Erst haben wir uns extrem unwohl gefühlt und gedacht, da kommt jetzt Kontrolle ohne Ende und keine Hilfe“, gibt Lehrer Rotbusch offen zu. „Aber dann haben wir gesehen, dass es um eine Standortbestimmung geht: Was tun wir, wie gut ist es schon? Und dann geht es um die weitere Zielorientierung: Was schaffen wir noch besser und wo setzen wir dabei an?“ Auch die erwünschte Hilfe kam denn doch: Bei Bedarf wird ein schulindividueller Plan zur Qualitätsverbesserung gemeinsam entwickelt und mit Zielvereinbarungen verankert. Das Beratungsteam der Landesagentur kommt dann in engeren Abständen; geht es mit der Schule aufwärts, werden die Abstände zwischen den Besuchen wieder größer. Schulrankings nach englischem Vorbild – mit Tabellen wie in der Bundesliga – lehnt die Kultusministerin dagegen nach wie vor ab und ist sich da mit ihren elf Länderkollegen völlig einig: Wettbewerb ja, Zahlenfetischismus nein. „Worum es geht, ist die einzelne Schule und ihre Entwicklung und Leistungsfähigkeit: Die Leistungsmessungen sind dazu da, jeder einzelnen Schule zu zeigen, an welchen Stellen sie sich noch verbessern kann“, betont Frau Kullen-Peter. Die Evaluation geschieht denn auch konsequenterweise vor allem durch die Schule selbst. Sie sammelt – zwar angeleitet und nach Vorgaben, aber in Eigenregie und mit eigenen zusätzlichen Schwerpunkten – Daten über ihre Schüler- und Lehrerleistungen, wertet sie aus, zieht aus den Ergebnissen ihre Schlüsse und startet ggf. Maßnahmen gegen ungünstige Trends und für bessere Unterrichtserfolge. Wie sie das Vorgehen strukturiert und organisiert, hat die Schule erst lernen müssen.

Standortbestimmung und Zielorientierung

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Dabei stand ihr ein Beratungsteam der Landesagentur als Unterstützung zur Verfügung ebenso wie örtliche Unternehmen und Verbände der Wirtschaft, die den Schulen ihre Verfahrensweise bei der Qualitätssicherung und -verbesserung angeboten und in persönlicher Begleitung oder Workshops nahe gebracht haben. Nicht Systeme und Modelle, aber die Art und Weise, die Dinge anzugehen, sind übertragbar. „Autodidaktik ist hier fehl am Platz“, betont Renate Kullen-Peter: „Ohne ein professionelles und qualifiziertes Coaching der Schulen wären wir längst nicht so weit, wie wir heute sind.“ Viele Schulen nutzen das Qualitätspaket der Wirtschaft gerne und bringen ihre Erfahrungen ein, so dass es weiter optimiert werden kann. In jeder Region können Schulen auf die Arbeitskreise SCHULEWIRTSCHAFT zurückgreifen, in denen Schulen und Betriebe konstruktiv und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Organisiert wird die Partnerschaft von den Arbeitgeberverbänden und Bildungswerken der Wirtschaft vor Ort und koordiniert von der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT bei der BDA in Berlin und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Schule 2015 Standortbestimmung und Zielorientierung > Schulen praktizieren und optimieren ihr internes

Qualitätsmanagement > Schulen können auf reichhaltige Unterstützungsangebote

zurückgreifen > Qualitätsinstrumente der Wirtschaft stehen jeder Schule

zur Verfügung und werden genutzt sowie weiter optimiert > Schulen und Betriebe kooperieren partnerschaftlich in den

Arbeitskreisen SCHULEWIRTSCHAFT > In Klassenstufe 3, 6 und 9 finden Vergleichsarbeiten statt,

in Klasse 9, 10 und 12 zentrale Abschlussarbeiten > Vergleichs- und Abschlussarbeiten orientieren sich an den

nationalen Bildungsstandards > Landesagenturen für Schulqualität organisieren die Ver-

gleichs- und Abschlussarbeiten, besuchen mit Beratungsteams die Schulen und unterstützen sie mit Beratungen, Zielvereinbarungen und Entwicklungsplänen > Die Nationale Qualitätsagentur Schule optimiert die

Bildungsstandards und überprüft die Umsetzung durch die Landesagenturen

Standortbestimmung und Zielorientierung

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Die Rahmenbedingungen stimmen

„Ohne PISA wären wir niemals so schnell und so weit gekommen; wir werden unsere Beteiligung an PISA daher fortsetzen“, betont Bundesbildungsministerin Christiane Berg bei der Veröffentlichung des jährlichen Bildungsberichts und ist da einer Meinung mit den Landeskultusministern. Der Bildungsbericht wird seit einigen Jahren von der Nationalen Qualitätsagentur Schule erarbeitet, dem früheren Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Die Förderung der weiteren empirischen Bildungsforschung durch die Bundesregierung erfolgt in enger Kooperation mit den Ländern. Sonderprogramme wie „STEP IN“ zur besseren Integration von Migrantenkindern („Stufen-Programm Integration“) wurden in den Ländern umgesetzt und auch vom Bund – durch die Vergabe von Forschungsmitteln und die Einrichtung eines Beirats mit Vertretern u. a. aus der Wirtschaft – unterstützt. „Die Vergleichbarkeit der Schulleistungen und die Mobilität sind in Deutschland stark verbessert worden“, unterstreicht Bundesministerin Berg. Voraussetzung war allerdings auch, dass sich die Länder auf Benchmarks und Zielmargen geeinigt haben, um das Tempo der Qualitätsverbesserung zu steigern und einen vergleichbaren Leistungsstatus zu erreichen. Nach wie vor ist es für Familien nicht ohne Probleme, von einem Bundesland in ein anderes umzuziehen und die Kinder umzuschulen – aber die Mobilität ist heute doch viel eher gewährleistet als noch vor zehn Jahren, wo Bayern und Bremen fast zwei Schuljahre auseinander lagen; heute ist dies nur noch ein halbes Jahr. Minister Sebastian Sobolewski ist nicht nur stolz, dass sein Bundesland inzwischen fast 30 % seines Haushaltes in den Schulbereich investiert, sondern ebenso, dass diese Gelder heute wesentlich effektiver und zielführender eingesetzt werden als früher. Das ganze Kabinett, der Finanzminister und die Ministerpräsidentin unterstützen diese Prioritätensetzung im Haushalt voll und ganz, egal zu welcher der drei Koalitionsparteien im Land sie gehören.

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


„Wir setzen auf Zukunftsinvestitionen für unser Land und seine Menschen“, erklärt dazu Ministerpräsidentin Daniela Kühne. Das zusätzliche Geld im Schulbereich geht vor allem in die individuelle Förderung der Schüler, Ganztagsangebote und die frühkindliche Bildung. Die Resultate der Bildungsreformen können sich sehen lassen: Bei der letzten internationalen Vergleichsstudie PISA 2012 der OECD standen nur noch 8 % der getesteten Schüler unter und auf der niedrigsten Kompetenzstufe, während diese Zahl zehn Jahre zuvor noch bei fast 25 % gelegen hatte. Was Sachsen schon damals geschafft hat, haben inzwischen alle deutschen Flächenstaaten erreicht: Kein Schüler bleibt mehr unterhalb der niedrigsten Kompetenzstufe. Großstädte wie Hamburg, Bremen und Berlin sind da allerdings noch nicht so weit. Der Anteil der Schulabbrecher konnte von damals rund 10 % auf heute 3 % reduziert werden. Die Gruppe der besonders leistungsstarken Schüler hat sich von rund 10 % im selben Zeitraum auf 15 % gesteigert. Besonders bei den Migrantenkindern hat sich die Lage entscheidend verbessert: Sie erreichen mit ihren Leistungen inzwischen die Durchschnittswerte ihrer Altersgenossen ohne Migrationshintergrund. 2005 waren bei ihnen die Anteile der Schulabbrecher mit 20 % und der Leistungsschwächeren mit rund 50 % noch doppelt so hoch wie die entsprechenden Anteile beim bundesdeutschen Durchschnitt. Deutschland insgesamt konnte sich bei der PISA-Studie 2012 deutlich in der Position verbessern und wird – soweit der erste Eindruck bei den Tests – allem Anschein nach bei PISA 2015 im obersten Drittel der Skala liegen.

Die Rahmenbedingungen stimmen

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Schule 2015 Die Rahmenbedingungen stimmen > Die Länder setzen die Haushaltsmittel für Bildung effizient

ein. Auch die Schulen sind dadurch gut ausgestattet > Neue Schwerpunkte der Ausgaben bilden die individuelle

Förderung, Ganztagsangebote und die frühkindliche Bildung und Erziehung > Deutschland nimmt weiter an internationalen Vergleichs-

studien wie PISA teil > Die Länder arbeiten effektiv zusammen und stellen gemein-

sam Qualität und Mobilität in Deutschland sicher > Bund und Länder kooperieren miteinander im Einvernehmen > Der Bund beteiligt sich an der Bildungsberichterstattung,

finanziert begleitende Forschungsprojekte und unterstützt Sonderprogramme von nationaler Bedeutung wie z. B. zur Integrationsförderung > Bei PISA 2015 erreichen alle Schüler mindestens die unterste

Kompetenzstufe. Die Zahl der leistungsschwächeren Schüler liegt – auch bei Migrantenkindern – nur noch bei 8 %, der leistungsstärksten bei 15 % und der Schulabbrecher bei 3 %

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


Weitere Publikationen zum Thema

1. Positionspapiere der BDA zur Bildungspolitik BILDUNG schafft ZUKUNFT Das Bildungsprogramm der Arbeitgeber (2005) ISBN 3-938349-04-2 Band 1: Führungskraft Lehrer Empfehlungen der Wirtschaft für ein Lehrerleitbild (2001) ISBN 3-938349-03-4 Band 2: Bildungsauftrag Werteerziehung Selbstständig denken, verantwortlich handeln (2002) ISBN 3-938349-02-6 Band 3: Weiterbildung durch Hochschulen Gemeinsame Empfehlungen (2003) ISBN 3-936074-28-3 Band 4: Option für die Jugend Schulbildung verbessern, Ausbildungsfähigkeit fördern, Berufsorientierung intensivieren (2003) ISBN 3-9808995-1-9 Band 5: Wegweiser der Wissensgesellschaft Zur Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen (2003) ISBN 3-936074-27-5 Band 6: Master of Education Für eine neue Lehrerbildung (2003) ISBN 3-9808995-3-5

Weitere Publikationen zum Thema

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Band 7: Memorandum zur gestuften Studienstruktur Bachelor und Master (2003), ISBN 3-938349-06-9 Band 8: Studienbeiträge und die Reform der Studienfinanzierung Ein Modellvorschlag (2004) ISBN 3-9808995-5-1 Band 9: Selbstständige Schule Freiräume schaffen, Verantwortung übernehmen, Qualität entwickeln (2004), ISBN 3-938349-00-X Band 10: Bildungsbiografien und Berufskarrieren neu entwickeln Für ein durchlässiges Bildungssystem (2005) ISBN 3-938349-07-7

2. Sozialpartner-Erklärungen zur Bildungspolitik Wirtschaft – notwendig für die schulische Allgemeinbildung Gemeinsame Initiative von Eltern, Lehrern, Wissenschaft, Arbeitgebern und Gewerkschaften (2000) Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB zu Ganztagsangeboten (2003) Eckpunkte – Empfehlungen für ein Kerncurriculum Wirtschaft einschließlich Qualitätskriterien für die Lehreraus- und Fortbildung sowie Betriebspraktika von Lehrern und Schülern Gemeinsame Arbeitsgruppe von WMK, KMK, BDA, BDI, DIHK, ZDH und DGB (2003) Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB zu den Konsequenzen aus den Ergebnissen von „PISA 2“ (2005)

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.


3. Positionspapiere europäischer Arbeitgeberverbände zur Bildungspolitik In search of quality in schools The employers’ perspective (2000) Empowering the teaching profession and modernizing school management The employers’ perspective (2003) ISBN 3-9808995-0-0

4. Handreichungen zur Bildungsarbeit Auswahlgespräche mit Studienbewerbern Handreichung für Hochschulen (2001) Der Ausbildungspakt beginnt in der Schule Handreichung für Schulen, Unternehmen und Verbände (2005) Innovation durch Nachwuchsförderung – MINT-Initiativen der Arbeitgeber Handreichung für Schulen, Unternehmen und Verbände, 2. erweiterte Auflage (2005) ISBN 3-938349-01-8 Auf Erfolgskurs mit Bachelor- und Masterabsolventen in Ihrem Unternehmen Handreichung für Unternehmen (2005) ISBN 3-938349-08-5 PROFILehrer Handreichung für Lehrer, Schulleiter und Studierende zur Personalentwicklung von Lehrkräften (2005) ISBN 3-938349-09-3

Weitere Publikationen zum Thema

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Q-Prozess Online-Evaluationsinstrument zur internen Qualitätsentwicklung von Schulen (2005)

5. Chroniken / Dokumentationen der BDA-Bildungsarbeit 50 Jahre SCHULEWIRTSCHAFT – Traditon, Innovation, Vision Chronik eines Erfolges (2003) Mit der Abschlussprüfung die Hauptschule stärken Dokumentation der gemeinsamen Tagung von Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Initiative Hauptschule e. V. 16. Dezember 2002 & Ergebnisse einer Umfrage der BDA zu den Anforderungen der Betriebe an einen Hauptschulabschluss (2004) 5 Jahre Deutscher Arbeitgeberpreis für Bildung Dokumentation (2004)

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Schule 2015. Ein Besuch in der Schule der Zukunft.



Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Abt. Bildung / Berufliche Bildung im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite StraĂ&#x;e 29 10178 Berlin Telefon: 030 / 20 33 -15 00 Telefax: 030 / 20 33 -15 05 E-Mail: Abt_05@bda-online.de www.bda-online.de

ISBN 3-938349-16-6


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