Mitarbeiterbeteiligung - Strategie für eine partnerschaftliche Unternehmenskultur

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Mitarbeiterbeteiligung

Strategie f端r eine partnerschaftliche Unternehmenskultur



Mitarbeiterbeteiligung

Strategie f端r eine partnerschaftliche Unternehmenskultur



Inhalt Vorwort

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BDA/BDI-Position

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I.

Die Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung

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II. Erfolgsbeteiligung

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1.

Instrument flexibler Tarifverträge

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2. Anwendung und Verbreitungsgrad

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III. Kapitalbeteiligung

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1.

Soziale Kapitalpartnerschaft

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2. Anwendung und Verbreitungsgrad

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3. Hürden und Hindernisse

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4. Grundsätze für eine breitere Anwendung

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4.1

4.2 Auf Pflicht zur Risikoabsicherung verzichten

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4.3 Vermengung mit anderen Zielsetzungen vermeiden

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4.4 Nachgelagerte Besteuerung einführen

27

4.5 Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern

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Schlusswort

Beidseitige Freiwilligkeit erhalten

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Mitarbeiterbeteiligung

Vorwort Seit sich Bundespräsident Horst Köhler Ende 2005 für eine verstärkte Beteiligung der Beschäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen ausgesprochen hat, wird über dieses Thema wieder zunehmend diskutiert. So haben mittlerweile alle im Bundestag vertretenen Parteien in Form von Papieren, Stellungnahmen und Beschlüssen ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, die Teilhabe der Beschäftigten an der Unternehmensentwicklung fördern zu wollen. Sowohl CDU und CSU als auch SPD haben daher Anfang 2007 Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit der Ausarbeitung konkreter Konzepte beschäftigen. Im Zentrum der Überlegungen stehen mögliche politische Handlungsfelder, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital ihrer Unternehmen ausgebaut werden kann. Mittlerweile liegen die Ergebnisse in Form von Eckpunktepapieren vor, auf deren Grundlage Ende 2007 ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht werden soll.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) haben sich bereits im vergangenen Jahr mit ihrer gemeinsamen Stellungnahme „Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern: Chancen und Erfolgsfaktoren“ grundsätzlich zu diesem Thema geäußert. Mit dem gemeinsamen Präsidiumsbeschluss „Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein“ begleiten die beiden ­Spitzenverbände den aktuellen politischen Diskussionsprozess. Die Bemühungen um eine stärkere Teilhabe der Beschäftigten an den wirtschaftlichen Entwicklungen ihrer Unternehmen resultieren vor allem aus der Beobachtung, dass die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in den letzten Jahren stärker gestiegen sind als die Arbeitnehmereinkommen. Darüber hinaus wird die Mitarbeiterbeteiligung auch als Instrument verstanden, um die jeweiligen Interessen und Ziele von Arbeitnehmern und Arbeitgebern stärker in Einklang zu bringen. Aus wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitischer Perspektive kann sie dadurch den Strukturwandel unterstützen. Kerngedanke ist die Schaffung bzw. Förderung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur. BDA und BDI zeigen mit der vorliegenden Broschüre Möglichkeiten auf, inwieweit Mitarbeiterbeteiligungen als strategisches Instrument für eine partnerschaftliche Unternehmenskultur eingesetzt werden können. Dabei werden Chancen und Anwendungspoten­ziale diskutiert, aber auch Risiken und Grenzen einer Verbreitung der Mitarbeiterbeteiligung aufgezeigt.

Berlin, 2. Juli 2007



bda/bdi-position beschluss des gemeinsamen Präsidiums von BDA und BDI 11. Juni 2007 Mitarbeiterkapitalbeteiligung: Fördern ja – Regulieren nein Mitarbeiterkapitalbeteiligung bietet Chancen

Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital bietet Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Arbeitnehmer können an wachsenden Unternehmenseinkünften teilhaben; Arbeitgeber profitieren von einer Erhöhung des haftungsbereiten Kapitals und damit ihrer Investitionsfähigkeit. Zugleich kommt ihnen eine verstärkte Identifikation ihrer Beschäftigten mit dem Unternehmen zugute. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist damit ein sinnvoller Weg für viele, aber bei weitem nicht für alle Unternehmen. Insbesondere ist sie nicht für alle Unternehmensrechtsformen und -größen gleichermaßen geeignet: Eine einfache, unbürokratische Umsetzung einer Beteiligung am Eigenkapital eines Unternehmens ist ausschließlich bei Aktiengesellschaften (0,2 Prozent aller Unternehmen) möglich. Von der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu unterscheiden ist die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg bzw. -gewinn. Diese – deutlich einfacher umzusetzende – Beteiligungsform hat insbesondere aufgrund der erreichten tariflichen Öffnungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiterkapital- und Mitarbeitererfolgsbeteiligungen können alternativ, aber auch in Kombination angewendet werden.


Grundsätze zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung 1.

Beidseitige Freiwilligkeit erhalten

Kein Arbeitnehmer darf gezwungen werden, einen Teil seines Lohns als Risikokapital bei seinem Unternehmen zu investieren. Ebenso darf kein Arbeitgeber gezwungen werden, fremde Kapitaleigner aufzunehmen. Eine Verpflichtung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung darf es daher nicht geben, weder durch Gesetz noch durch Tarifvertrag.

2. Auf Pflicht zur Absicherung von Verlustrisiken verzichten Eine Pflicht zur Risikoabsicherung ist nicht sinnvoll. Bei der klassischen Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens steht einer Absicherung gegen Verlustrisiken bereits entgegen, dass damit der Eigenkapitalcharakter der Beteiligung verloren ginge. Die Entscheidung für eine Risikoabsicherung bei Misch- und Fremdkapitalbeteiligungen muss Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen bleiben.

3. Nachgelagerte Besteuerung einführen Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sollten nachgelagert besteuert werden, da dies die wachstumsfreundlichere Form der Besteuerung von Investitionskapital ist. Bei der Förderung der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung müssen jedoch klare Prioritäten gelten. Bevor neue Vorhaben in Angriff genommen werden, sollten zunächst die alten fortgeführt werden. Dazu gehört insbesondere, die Sozialversicherungsbeitragsfreiheit der Entgeltumwandlung für betriebliche Altersvorsorge über 2008 hinaus zu gewährleisten.


Mitarbeiterbeteiligung

I. Die Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung Die Arbeitswelt ist – wie andere Lebensbereiche auch – einem ständigen Wandel unterworfen. Die rasanten Fortschritte in der Kommunikations- und Informationstechnologie haben die Globalisierung der Märkte und den internationalen Wettbewerb stärker vorangetrieben als je zuvor. Produkt- und Innovationslebenszyklen werden kürzer und die Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen größer. „Wissen“ und „Information“ sind einer zunehmenden Dynamik ausgesetzt, die den Strukturwandel begünstigt. All diese Entwicklungen haben nicht zuletzt unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitswelt und deren Akteure. Unternehmen sehen sich mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, auf die sie flexibel, zielgerichtet und schnell reagieren müssen, wenn sie ihre Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit erhalten bzw. ausbauen wollen. Dies zu erreichen ist umso schwerer, je stärker die unternehmerischen Rahmenbedingungen einem ständigen Wandel unterworfen sind. Gleichzeitig steigen die Kompetenz-, Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen an die Beschäftigten, deren Rolle und Selbstverständnis sich im Arbeits- und Produktionsprozess zusehends verändern. Mitarbeiter müssen stärker Eigenverantwortung übernehmen und ihr Know-how bzw. Humankapital erneuern und erweitern. Lebenslanges Lernen ist schon längst zu einer Notwendigkeit geworden.

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Angesichts dieser Veränderungen sind neue Wege zu gehen. Die künftige Arbeitswelt wird in einer Weise organisiert sein, in der sich die Grenzen zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit bzw. zwischen Arbeit und Lernen zunehmend auflösen. In der modernen Informations- und Wissensgesellschaft nimmt die Bedeutung unternehmerischen Handelns zu. Die Interessen und Denkweisen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern rücken daher stärker zusammen. Das Ergebnis ist eine partnerschaftliche Unternehmenskultur, die das Gefühl kennzeichnet, gemeinsam in einem Boot zu sitzen. Die Mitarbeiterbeteiligung kann diesen Trend positiv unterstützen. Sie kann einen Beitrag leisten, den Strukturwandel als Chance zu begreifen und ihn auf diese Weise mitzugestalten. Zwei Formen der Mitarbeiterbeteiligung lassen sich unterscheiden: •

die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg bzw. -ergebnis (Erfolgsbeteiligung)

die Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital des Unternehmens (Kapitalbeteiligung)

Beide Beteiligungsformen stimmen zwar in ihrer Zielrichtung – der stärkeren Teilhabe der Arbeitnehmer an der Unternehmensentwicklung – überein. Deshalb ist es möglich und unter Umständen durchaus sinnvoll, dass in einem Unternehmen sowohl eine Erfolgs- als auch eine Kapitalbeteiligung Anwendung finden. Allerdings unterscheiden sich beide Formen in ihren Ausgestaltungs- bzw. Umsetzungsmöglichkeiten und sind daher mit unterschiedlichen Chancen und Risiken verbunden.


II. Erfolgsbeteiligung 1. Instrument flexibler Tarifverträge Mitarbeiterbeteiligung in Form der Erfolgsbeteiligung ist mittlerweile fester Bestandteil und wichtiges Flexibilisierungsinstrument in einer Vielzahl von Tarifverträgen. In der chemischen Industrie beispielsweise ist die Jahresleistung (Weihnachtsgeld) flexibel ausgestaltet. Sie kann in Abhängigkeit vom vorab definierten Unternehmenserfolg in einer Spannbreite zwischen 80 Prozent und 125 Prozent vereinbart werden. Auf diese Weise wird die Teilhabe der Beschäftigten an einer positiven Unternehmensentwicklung ermöglicht. Bei einer schlechten Ertragsentwicklung hingegen können die Unternehmen flexibel auf den steigenden Kostendruck reagieren. Die Erfolgsbeteiligung führt damit zu einer win-winSituation für Beschäftigte und Unternehmen. Darüber hinaus sind derartig ausgestaltete Erfolgsbeteiligungen mit einer Reihe weiterer Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbunden (Tab. 1). Die Herausbildung bzw. Stärkung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur kann deshalb mit dieser Beteiligungsform zielgerichtet gefördert werden.

Tab. 1: Vorteile der Erfolgsbeteiligung Beschäftigte

Unternehmen

Bei positiver Ertragsentwicklung Teilhabe am Erfolg

Bei negativer Ertragsentwicklung kostenreduzierende Wirkung durch größere Flexibilität

Stärkung der Identifikation

Höhere Motivation der Beschäftigten führt zu Leistungssteigerungen

Höhere Motivation

Erhöhung des Verständnisses der Beschäftigten für unternehmerische Entscheidungen

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit

Geringere Fehlzeiten und sinkende Mitarbeiterfluktuation

Bei negativer Ertragsentwicklung gemindertes Risiko eines Arbeitsplatzverlustes

Förderung des Ertrags- und Kostenbewusstseins bei den Beschäftigten

Herausbildung und Stärkung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur Quelle: Zusammenstellung der BDA

Des Weiteren kann die Erfolgsbeteiligung auch als arbeitsmarktpolitisches Instrument verstanden werden. Denn erfolgsorientierte Entgeltbestandteile können nicht nur dazu beitragen, Arbeitsplätze zu sichern. Sie können darüber hinaus auch ein Instrument sein, den Einstieg in die Beschäftigung zu erleichtern. Dies kann in der Weise geschehen, dass Berufseinsteiger zunächst den vereinbarten Fixlohn erhalten und erst später am Unternehmenserfolg partizipieren. Sinnvoll ist die Einführung erfolgsabhängiger Entgeltbestandteile aber immer nur dann, wenn sie – im Vergleich zur bisherigen festen Vergütung –ein Abweichen nach oben und nach unten ermöglicht. Dementsprechend sollten erfolgsabhängige Zahlungen auch nicht „on top“, sondern als Bestandteil der tariflichen Entgelterhöhung vereinbart werden, um die genannten Vorteile einer

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Mitarbeiterbeteiligung

höheren Entgeltflexibilisierung zu wahren und die positiven Beschäftigungswirkungen nicht zu konterkarieren. Dass die Erfolgsbeteiligung Maßstäbe setzen und die Idee der Partnerschaft mit einer großen Breitenwirkung transportieren kann, zeigt bereits die nach wie vor zentrale Bedeutung des Tarifvertrages in Deutschland: In über 80 Prozent der Arbeitsverhältnisse findet er ganz oder überwiegend Anwendung.

2. Anwendung und Verbreitungsgrad Erfolgsabhängige Entgeltbestandteile finden mittlerweile in einer ganzen Reihe von Tarifverträgen Anwendung (Tab. 2). Die konkrete Umsetzung erfolgt allerdings auf betrieblicher Ebene, da nur dort darüber befunden werden kann, wie hoch der Anteil der erfolgsabhängigen Vergütung sein und an welchen Kennziffern der Unternehmenserfolg gemessen werden soll.

Tab. 2: Beispiele für tarifvertragliche Öffnungen für erfolgsbezogene Entgeltgestaltungen

Branche

Aktuelle flexible Entgeltregelungen

Gültigkeit der Entgeltregelungen (bzw. deren Vorgängerregelungen)

Bankgewerbe

Variabilisierungsvolumen des Jahrestarifentgeltes um 8 Prozent, Sonderzahlung zwischen 90 Prozent und 120 Prozent

seit 2003

Bauwirtschaft

13. Monatseinkommen kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder – wenn kein Betriebsrat besteht – durch einzelvertragliche Vereinbarung bis auf 780 € abgesenkt werden

seit 2003

Brauereien

Regional unterschiedliche Festlegung der Sonder­­zahlung abhängig vom Geschäftsverlauf +/- 20 Prozentpunkte (in Baden-Württemberg zwischen 80 Prozent und 140 Prozent)

seit 2003

Chemische Industrie

Tarifliche Ergänzungsklausel zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg, insbesondere durch Einmalzahlung auf betrieblicher Ebene

seit 1997

Flexibilisierte Jahresleistung in Abhängigkeit vom vorab definierten Unternehmenserfolg zwischen 80 Prozent und 125 Prozent

seit 2002

Tarifliche Einmalzahlung für 2007 von 0,7 Prozent des Tarif­entgeltes, in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat Kürzung, Streichung oder zeitliche Verschiebung möglich

seit 1998

Einmalzahlung von insgesamt 275 €, bei ertragsabhängiger Gestaltung bis 2008 weitere 225 € vorgesehen; zeitliches Verschieben, Kürzung, Verdopplung oder Streichung durch freiwillige Betriebsvereinbarung möglich

seit 2006

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Einzelhandel


Gültigkeit der Entgeltregelungen (bzw. deren Vorgängerregelungen)

Branche

Aktuelle flexible Entgeltregelungen

Holz- und kunststoffverarbeitende Industrie

Regional unterschiedliche Einmalzahlung zwischen 80 € und 350 €, je nach Unternehmenserfolg zeitliches Verschieben, Kürzung, Verdopplung oder Streichung durch freiwillige Betriebsvereinbarung möglich, Schwankungsbreite der Sonderzahlung +/- 20 Prozentpunkte

seit 2006

Kali- und Steinsalzbergbau

Sonderzahlung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung zwischen 80 Prozent und 120 Prozent des Unternehmensergebnisses variabilisiert werden

seit 2004

Keramische Industrie

13. Monatsgehalt schwankt je nach Unternehmenserfolg zwischen 80 Prozent und 125 Prozent, Ausgestaltung durch freiwillige Betriebsvereinbarung

2007

Lufthansa

Ergebnisbeteiligung bestehend aus drei variablen Teilen: Konzern-, Geschäftsfeld- und Gesellschaftsteil, Feststellung auf Grundlage des vorab definierten Ergebnisses

seit 2004

Metall- und Elektroindustrie

Einmalzahlung von 310 €, in Abhängigkeit vom Unternehmens­erfolg, zeitliches Verschieben, Kürzung, Verdopplung oder Streichung rein betrieblich möglich

2006

Tarifliche Entgelterhöhung von 1,7 Prozent sowie fünf Einmal­zahlungen von monatlich 0,7 Prozent in 2008 können je nach wirtschaftlicher Lage rein betrieblich um bis zu vier Monate verschoben werden

2007

Reisebürogewerbe

Sonderzahlungen zwischen 0 Prozent und 200 Prozent, abhängig vom Unternehmensergebnis bzw. der Zielerreichung, variable Monatsvergütung zwischen 95 Prozent und 110 Prozent

seit 1999

Textil- und Bekleidungsindustrie

Einmalzahlung von 340 € für 2006, in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg, Streichung, Kürzung oder Verdopplung durch freiwillige Betriebsvereinbarung möglich

seit 2002

Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Variabilisierung der Sonderzahlung nach leistungsbzw. erfolgsorientierten Kriterien

seit 2002

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Quelle: BDA-Tarifarchiv

Nach dem IAB-Betriebspanel verfügten im Jahr 2005 etwa 9 Prozent aller Betriebe über ein Gewinnbeteiligungsmodell, bei Betrieben mit mindestens 500 Beschäftigten waren es sogar 34 Prozent. Erfolgsbeteiligungen haben sich in den letzten Jahren zunehmend bewährt und sind tarifpolitische Praxis geworden.


Mitarbeiterbeteiligung

III. Kapitalbeteiligung 1. Soziale Kapitalpartnerschaft Die zweite Form der Mitarbeiterbeteiligung ist die Kapitalbeteiligung, d. h. die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital. Arbeitnehmer legen Teile ihrer Vergütung in ihrem Unternehmen an und erhalten als Gegenleistung eine Rendite. Neben vielen Vorteilen, die bereits auch mit einer Erfolgsbeteiligung erzielt werden können, gilt die Verbesserung der Eigenkapitalbasis für die Unternehmen als weiteres zentrales Motiv. Denn zusätzliches Eigenkapital führt zu einer höheren Kreditwürdigkeit der Unternehmen gegenüber potenziellen Kreditgebern und erweitert mithin Investi­tionsspielräume.

Kasten 1: Anstieg der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen: Argument für die Kapitalbeteiligung?

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In ihrem Frühjahrsgutachten 2007 prognostizieren die führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute Deutschlands für das genannte Jahr einen Zuwachs der Unternehmens- und Vermögenseinkommen von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Arbeitnehmerentgelte hingegen steigen im gleichen Zeitraum lediglich um 2,3 Prozent. Für das Jahr 2008 erwarten die Institute Veränderungsraten von 5,2 Prozent bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen und 3,7 Prozent bei den Arbeitnehmerentgelten. Diese Beobachtung, die scheinbar die ungleiche Entwicklung der Einkommen zu Ungunsten der Arbeitnehmer und zu ­Gunsten der Unternehmensinhaber und Anteilseigner beschreibt, bildet häufig den Ausgangspunkt für Überlegungen, die Arbeitnehmer stärker als bisher am Unternehmenskapital teilhaben zu lassen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich jedoch weder die Bewertung der Zahlen noch die daraus gezogenen Schlussfolgerungen als tragfähig. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen besitzen als politisches Entscheidungskriterium nur eine stark eingeschränkte Aussagekraft. Zum einen sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen volatiler als die ­Arbeitnehmerentgelte. Deshalb reagieren sie schneller und stärker auf das konjunkturelle Auf und Ab als Löhne und Gehälter. In Zeiten des Aufschwungs beispielsweise steigen zuerst die Gewinne. Zwar wirken sich wirtschaftliche Wachstumsphasen auch auf die Entgelt- und Beschäftigungsentwicklung aus. Diese Anpassung erfolgt aber mit zeitlicher Verzögerung. Die Folge ist, dass die Unternehmens- und Vermögenseinkommen relativ stärker steigen als die Arbeitnehmerentgelte. Zum anderen ist die Gliederung des Volkseinkommens in Kapital und Arbeit, die sich aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergibt, rein funktionaler Natur. Der Faktor Kapital stellt in diesem Zusammenhang lediglich eine Residualgröße dar. Denn neben den Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit finden sich in diesem ­ zusammengesetzten Einkommensaggregat zusätzlich auch die Gewinne der Selbstständigen, der Bundesbank und der öffentlichen Unternehmen wieder. Zudem zählen auch Zinsen, Pachten und Mieten der privaten Haushalte zu den Vermögenseinkommen. Eine klare Trennung zwischen Lohnempfängern und Personen mit Kapitaleinkünften existiert jedoch nicht. Zudem gibt es nicht wenige Arbeitnehmerhaushalte, die Lohn bzw. Gehalt und zugleich Kapitaleinkünfte beispielsweise in Form von Dividenden aus Aktien beziehen. Immerhin beträgt das durchschnittliche Nettogeldvermögen je Haushalt zurzeit 68.500 €. Darüber hinaus haben die Diskussionen über die Freibeträge im Rahmen des Arbeitslosengeldes II gezeigt, dass heute selbst ­solche Haushalte über nennenswerte Geldvermögen verfügen. Zudem ist die Argumentationskette nicht schlüssig: Werden stärker gestiegene Unternehmens- und Vermögenseinkommen zum Anlass genommen, die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital zu fördern, öffnet sich die Schere zwischen den beiden Einkommensarten noch mehr. Durch eine stärkere Verbreitung der Kapitalbeteiligung wachsen die Kapitaleinkünfte mit der Folge, dass der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen ­ weiter steigt. In der Konsequenz driften Kapital- und Arbeitseinkünfte zu Gunsten der ­Kapitaleinkünfte mehr und mehr auseinander.



Mitarbeiterbeteiligung

Außerdem kann in Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung einer allgemeinen Knappheit an Chancen- und Innovationskapital entgegengewirkt werden. In einer technologiegetriebenen Welt begrenzt auch ein zu geringer Anteil an haftungsbereitem Kapital die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft. Zwar hat sich die Eigenkapitalquote nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Durchschnitt aller Unternehmen zwischen 1994 und 2005 von 15,6 Prozent auf 24,0 Prozent erhöht. Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland damit aber immer noch am unteren Ende der Skala. Die Aufstockung des Eigenkapitals spielt daher im Zusammenhang mit der Kapitalbeteiligung eine zentrale Rolle. Allerdings kann dieses Ziel nicht mit allen zur Verfügung stehenden Kapitalbeteiligungsmodellen erreicht werden (Tab. 3). Eigenkapitalbeteiligungen sind in Form von Belegschaftsaktien und GmbH-Anteilen möglich, die allerdings an die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gebunden sind. Darüber hinaus können – für Unternehmen aller Rechtsformen – Stille Beteiligungen und Genussrechte zu einer Stärkung der Eigenkapitalbasis führen. Bei diesen so genannten Mischformen bzw. Mezzanine-Finanzierungen kommt es jedoch auf die Ausgestaltung und organisatorische Abwicklung an, ob diese Instrumente eher dem Fremd- oder eher dem Eigenkapital zuzurechnen sind (Abb. 1).

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Je stärker Mezzanine-Finanzierungsformen zum Fremdkapital tendieren, desto geringer sind die Vorteile einer Kapitalbeteiligung. Selbst wenn bei einer bestimmten Modellkonstruktion einer Stillen Beteiligung die in das Unternehmen eingebrachten Mittel bilanztechnisch als Eigenkapital gewertet werden, kann die positive Wirkung in Bezug auf die mit der Kapitalbeteiligung in Verbindung gebrachten Vorteile wie Motivations- und Identifikationseffekte ausbleiben.

Tab. 3: Kapitalbeteiligungsmodelle Modell

Beschreibung

Belegschaftsaktie

Mitarbeiter werden durch den Kauf von Aktien zu Aktionären und dadurch zu Mitunternehmern. Der Aktionär hat das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung und die dortige Ausübung seines Stimmrechtes sowie ein Auskunfts­ recht. Aktien haben Eigenkapitalcharakter. Beteiligt sind die Mitarbeiter über den Aktienbesitz am Wertzuwachs des Unternehmens, an der Dividendenausschüttung und am Liquidationserlös. Die Vorteile der Belegschaftsaktie liegen darin, dass die Haftung der Aktionäre auf ihre Einlage beschränkt ist, die Gewinn- und Verlustermittlung sowie die Gewinnverwendung im Aktiengesetz geregelt sind, die Übertragung der Aktien auf Dritte (Fungibilität) unproblematisch ist, die Bewertung der Aktien an der Börse stattfindet und das Prinzip der Aktien als Beteiligungsform seitens der Mitarbeiter leicht verständlich ist.

GmbH-Anteil

Durch die Beteiligung am GmbH-Stammkapital erwerben die Mitarbeiter Geschäftsanteile und werden dadurch zu gleichberechtigten Gesellschaftern. Sie sind am Wertzuwachs des Unternehmens und an der Gewinnausschüttung entsprechend ihrem Anteil am Stammkapital beteiligt. Eine Verlustbeteiligung ist in der Regel auf die Höhe des Geschäftsanteils beschränkt. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind bei der GmbH-Beteiligung sehr begrenzt, da das GmbH-Gesetz alle wesentlichen Punkte vorgibt: Bei jeder Änderung des Kapitals bzw. bei Übertragung der Kapitalanteile sind Gesellschafterbeschlüsse mit notarieller Beurkundung und Handelsregistereintrag erforderlich.


Modell

Beschreibung

Stille Beteiligung

Mitarbeiter stellen dem Unternehmen finanzielle Mittel zur Verfügung und treten dabei als stille Gesellschafter auf. Sie erhalten demnach keine Rechte und Pflichten wie „echte” Gesellschafter. In jedem Fall werden sie am Unternehmensgewinn beteiligt; eine Verlustbeteiligung bis zur Höhe ihrer Einlage ist möglich. Je nach Ausgestaltung hat die stille Gesellschaft eher Eigenkapitaloder Fremdkapitalcharakter. Um Eigenkapital handelt es sich grundsätzlich, wenn die Nachrangigkeit des Rückzahlungsanspruches im Insolvenzfall, eine Verlustbeteiligung und eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren vereinbart wurden. Die Stille Beteiligung kann von Unternehmen aller Rechtsformen genutzt werden.

Genussrecht

Mitarbeiter überlassen dem Unternehmen finanzielle Mittel und erhalten als „Genuss“ eine jährliche Gewinnbeteiligung. Zwar werden Vermögens-, aber keine Beteiligungsrechte erworben. Der Inhaber der Genussrechte wird kein Gesellschafter und erhält somit keine zusätzlichen Informations- und Mitwirkungsrechte. Genussrechte können von Unternehmen aller Rechtsformen ausgegeben werden. Bei einer Verlustbeteiligung ist das Genusskapital als Eigenkapital einzustufen. Je nach Art der Ausgestaltung erhalten Genussrechte damit einen stärkeren Eigen- oder Fremdkapitalcharakter.

Mitarbeiterdarlehen

Mitarbeiter überlassen dem Unternehmen Fremdkapital. Dafür erhalten sie in der Regel eine feste Verzinsung, die aber auch an Erfolgsfaktoren (z. B. Gewinn) gekoppelt werden kann (partiarisches Darlehen). Eine Verlustbeteiligung der Mitarbeiter ist grundsätzlich ausgeschlossen, ebenso Gesellschafts- und mithin zusätzliche Informations- oder Mitwirkungsrechte. Eine Insolvenzsicherung ist in aller Regel üblich. Dieses Modell kann von Unternehmen aller Rechtsformen angewendet werden.

Quelle: Zusammenstellung der BDA

Abb. 1: Kategorisierung der Kapitalbeteiligungsmodelle

Eigen-

Kapital

Belegschaftsaktie/ GmbH-Anteil Stille Beteiligung MischGenussrecht Darlehen Fremdkeine

umfassend

Informations- und Mitwirkungsrechte Quelle: BDA

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Mitarbeiterbeteiligung

Ist das Ziel, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Sinne einer Strategie für eine partnerschaftliche Unternehmenskultur zu fördern, so sind die Modelle vielmehr daran zu messen, inwieweit sie die dazu notwendigen Verhaltensänderungen und Denkweisen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern bewirken. So werden z. B. bei dem vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck initiierten RLP-Modell die dem Unternehmen zufließenden Mittel zwar als Eigenkapital bewertet. Durch die Ausgestaltung und organisatorische Abwicklung des Modells werden die Vorteile der Kapitalbeteiligung jedoch konterkariert (Kasten 2). Bei den Mezzanine-Modellen ist daher die vertragliche und organisatorische Ausgestaltung von entscheidender Bedeutung. Wirkungsvoll sind Kapitalbeteiligungen zur Schaffung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur immer nur dann, wenn die Beschäftigten am Eigen- bzw. Risikokapital beteiligt sind, ohne dass der Eigenkapitalcharakter aufgegeben wird.

Kasten 2: Das RLP-Modell „MitarbeiterbeteiligungRLPplus“ Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Eigenkapitalstruktur zu stärken. Dazu wurde bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) ein Beteiligungsfonds aufgelegt, der ­durch am Kapitalmarkt refinanzierte Mittel gespeist wird.

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Im Falle einer Beteiligung wandern 60 Prozent des Beteiligungsvolumens vom Landesfonds auf ein Treuhandkonto. Die restlichen 40 Prozent werden durch Eigenmittel des Arbeitnehmers ergänzt. Das gesamte Beteiligungskapital fließt als Kapitalbeteiligung in Form einer „Stillen Beteiligung“ ins Unternehmen. Als Gegenleistung für das erhaltene Kapital leistet das Unternehmen jährlich einen 5-prozentigen Garantiezins, der sich im Erfolgsfall um 2 Prozentpunkte erhöht. Der Zins kommt den Mitarbeitern zu 2,6 bzw. 4,6 Prozentpunkten im Erfolgsfall und dem Fonds zu 2,4 Prozentpunkten zugute. Nach Ablauf von zehn Jahren erhalten die Mitarbeiter eine ­ Bonuszahlung auf das gesamte Beteiligungskapital. Für die Mitarbeiter verzinst sich­ ­damit ihr eingesetztes Kapital mit 9 Prozent und im Erfolgsfall mit 14 Prozent p. a. Diese hohe Rendite wird durch eine erhebliche Subventionierung erkauft: Obwohl der ­Mitarbeiter lediglich 40 Prozent aus Eigenmitteln hinzusteuert, beziehen sich sowohl die jährlichen Beteiligungsentgelte als auch der Schlussbonus auf das gesamte Beteiligungskapital. Während die Verlustbeteiligung des Mitarbeiters erst nach dem zweiten Jahr möglich und auf 10 Prozent des Arbeitnehmeranteils beschränkt ist, tragen die Unternehmen den Hauptteil der Kosten der Absicherung. Denn von den garantierten – an den Fonds zu zahlenden – Zinsen sind 1,5 Prozentpunkte zur Risikoabsicherung vorgesehen. Die übrigen 0,9 Prozentpunkte werden zur Deckung der Zinsaufwendungen herangezogen, die bei der ISB im Zuge der Refinanzierung entstehen. Zusätzlich wird im Vorhinein eine Bonitätsprüfung bei den Unternehmen durchgeführt, die sich für das ­ Beteiligungsmodell entscheiden. Durch diese Positivauswahl kommen nur ausgewählte – entsprechend bonitätsstarke und produktive – Unternehmen in Betracht. Unternehmen mit ge­ ringer ­Eigenkapitalausstattung und schlechtem Rating sind vom Modell ausgeschlossen. Insbesondere der überbetriebliche Fonds und die im Prinzip ausgeschlossene Verlustbeteiligung der Arbeitnehmer führen kaum zu einer Stärkung der Identifikation mit dem Unternehmen bzw. zu einer Art Mitunternehmerschaft. Die Abwälzung der Kosten der Risikoabsicherung auf die Unternehmen wirkt kontraproduktiv. Die vorab durchzuführende Positivauswahl der in Frage kommenden Unternehmen zeigt deutlich die Grenzen der Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung auf. Außerdem legt der starke staatliche interventionistische Charakter durch die erhebliche Subventionierung der Arbeitnehmerrendite die Messlatte für „echte“ Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung hoch. Arbeitnehmer, die ihrem Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen oder die Kosten der Risikoabsicherung selbst tragen, würden dann eine höhere Rendite als 14 Prozent p. a. erwarten.

Quelle: ISB, Bewertung durch BDA und BDI


2. Anwendung und Verbreitungsgrad Dass die Stärkung der Eigenkapitalausstattung ein zentrales Motiv für die Unternehmen darstellt, eine Kapitalbeteiligung anzubieten, zeigt der Anwendungsgrad der entsprechenden Modelle. So finden die Belegschaftsaktie und die GmbH-Beteiligung zusammen in 23,2 Prozent der Unternehmen, die eine Form der Kapitalbeteiligung anbieten, Anwendung. Werden zusätzlich noch die Stille Beteiligung und das Genussrecht berücksichtigt, ­sind es 62,4 Prozent (Tab. 4).

Tab. 4: Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nach Beteiligungsform Beteiligungsform

Unternehmen

Mitarbeiter absolut

%

Belegschaftsaktie

1.423.000

69,08

620

16,53

9.500

73,08

Stille Beteiligung

269.000

13,06

1.040

27,73

1.345

10,35

Genussrecht

133.000

6,46

430

11,47

1.070

8,23

Darlehen

113.000

5,49

580

15,47

450

3,46

Indirekte Beteiligung

97.000

4,71

490

13,07

475

3,65

Genossenschaft

17.000

0,83

340

9,07

40

0,31

GmbH-Beteiligung

8.000

0,39

250

6,67

120

0,92

2.060.000

100,0

3.750

100,0

12.283

100,0

Gesamt

absolut

Kapital

%

in Mio. €

%

Quelle: AGP/GIZ, Stand: 2007

Auf die Gesamtheit der Unternehmen in Deutschland bezogen fällt der Verbreitungsgrad allerdings spärlich aus. Lediglich 3.750 Unternehmen in Deutschland beteiligen ihre Mitarbeiter am Kapital. Das sind etwa 0,1 Prozent aller Unternehmen. Dabei sind schon alle Formen der ­Kapitalbeteiligung, von der Beteiligung am Fremdkapital bis hin zur ­echten Beteiligung am Eigenkapital wie den Belegschaftsaktien, berücksichtigt. Dem IAB-Betriebspanel 2005 zufolge bieten 2 Prozent der 16.000 befragten Unternehmen ­­­ Kapitalbeteiligungsmodelle an. Erwartungsgemäß existieren tendenziell eher in ­ größeren Unternehmen Kapitalbeteiligungsmodelle (7 Prozent). Kleinere und mittlere Unternehmen sind unterrepräsentiert (Tab. 5).

Tab. 5: Betriebe mit Gewinn- und Kapitalbeteiligung in Deutschland 2005 Gewinnbeteiligung Betriebsgröße

Gesamt

West

Kapitalbeteiligung Ost

Gesamt

West

Ost

2

1

Anteile in % 8

8

8

50 bis 249 Beschäftigte

23

24

20

3

3

3

250 bis 499 Beschäftigte

28

30

22

4

5

-

500 Beschäftigte und mehr

34

36

21

7

8

-

9

9

8

2

2

1

1 bis 49 Beschäftigte

Gesamt

Quelle: IAB, Stand: 2005

2

19


Mitarbeiterbeteiligung

Das liegt zum einen daran, dass der Belegschaftsaktie eine große Bedeutung zukommt, der Zugang zum Aktienmarkt allerdings für die großen Unternehmen leichter ist. Zum ­ anderen sind insbesondere die Mezzanine-Modelle wie die Stille Beteiligung häufig mit hohen ­Organisations- und Abwicklungskosten verbunden, die von den größeren Unternehmen eher geschultert werden können. Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass die Kapitalbeteiligung in Deutschland nicht besonders stark verbreitet ist. Studienergebnisse aus den Jahren 1999/2000 zeigen Deutschland im europäischen Mittelfeld.

Abb. 2: Deutschland im europäischen Mittelfeld 35 30 25 20 15 10 5

20

0

GB NL

F

S

B

D

GR

E A

P

I

Quelle: CRANET-Survey (1999/2000); Betriebe mit mehr als 199 Mitarbeitern, in denen mindestens 50 Prozent der Belegschaft beteiligt sind; Angaben in Prozent

Zwar ist diese Studie gesamtwirtschaftlich nicht repräsentativ, da nur Betriebe mit mehr als 199 Beschäftigten berücksichtigt werden. Sie veranschaulicht aber dennoch, dass die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland mit 10 Prozent der entsprechenden Unternehmen keineswegs weit verbreitet ist (Abb. 2). Trotz der diskutierten Vorteile der Kapitalbeteiligung und ihrer Bedeutung für die Unternehmenskultur wird diese Form der Mitarbeiterbeteiligung nur selten angewendet. Zusammenfassend können folgende Kernaussagen getroffen werden: 1.

Unter den Kapitalbeteiligungsmodellen sind jene stärker verbreitet, die zu einer höheren Eigenkapitalausstattung führen. An der Spitze liegen Belegschaftsaktien und Stille Beteiligungen.

2. In größeren Unternehmen werden häufiger Kapitalbeteiligungsmodelle angebo ten als in kleinen und mittleren Unternehmen. 3. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld, Frankreich und Groß britannien belegen in Europa die Spitzenplätze.


3. Hürden und Hindernisse Die mittlerweile schon jahrzehntelange Diskussion über die Förderung der Kapitalbeteiligung und die geringe Verbreitung in Deutschland zeigen, dass es sich bei dieser Form der Mitarbeiterbeteiligung um ein schwieriges Unterfangen handelt. Denn im Gegensatz zur Erfolgsbeteiligung ­existieren bei der Kapitalbeteiligung Umsetzungsschwierigkeiten bzw. Anwendungshindernisse:

a. Die Unternehmens- und Kapitalmarktstruktur Nicht alle Rechtsformen und Unternehmensgrößen sind für die Anwendung der Kapitalbeteiligung gleichermaßen geeignet. So ist eine Beteiligung des Mitarbeiters am Eigenkapital des Unternehmens am einfachsten und unbürokratischsten lediglich bei Kapitalgesellschaften möglich. Diese machen allerdings gerade mal ein Sechstel aller Unternehmen in Deutschland aus (Tab. 6). Bei GmbHs wird allerdings eine Beteiligung der Beschäftigten als Gesellschafter regelmäßig schon deshalb ausscheiden, weil dies einer notariell zu beurkundenden Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf. Ebenso ist die Übertragung der Gesellschaftsanteile bei Ausscheiden des Mitarbeiters notariell zu beurkunden. Vergleichsweise einfach können Beteiligungsmodelle dagegen in Aktiengesellschaften eingeführt werden. Diese machen jedoch nur 0,2 Prozent aller Unternehmen mit insgesamt lediglich etwa 2,5 Mio. Beschäftigten in Deutschland aus, was einem Anteil von rund 8 Prozent aller Arbeitnehmer entspricht. 21 Tab. 6: Unternehmen in Deutschland nach Rechtsform Einzelunternehmen

69,6 %

OHG

8,9 %

KG

3,9 %

GmbH

15,5 %

Aktiengesellschaft

0,2 %

Sonstige

1,9 %

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2005

Bei Personenunternehmen, die mehr als 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland darstellen und sich typischerweise in den unteren Größenklassen bewegen, ist eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung dagegen nur in Form einer Beteiligung über Fremd- bzw. Mischkapital möglich. In diesen Fällen kann die Stärkung des Eigenkapitals des Unternehmens nur sehr begrenzt erreicht werden. Außerdem können die mit den Mischformen verbundenen organisatorischen Regularien und Ausgestaltungselemente den eigentlichen Sinn der Kapitalbeteiligung erheblich aufweichen. Wie das Beispiel der Stillen Beteiligung anhand des RLP-Modells verdeutlicht hat, sind positive Identifikations- und Motivationseffekte auf Seiten der Beschäftigten zumindest fragwürdig. Die Stärkung und Förderung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur kann dabei auf der Strecke bleiben.


Mitarbeiterbeteiligung

b.

Staatliche Förderung

Die gesetzlichen Grundlagen und staatlichen Förderprogramme unterscheiden sich im ­europäischen Vergleich enorm. In Deutschland gibt § 19a EStG den Unternehmen die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern eine Kapitalbeteiligung verbilligt anzubieten bzw. einen Zuschuss zu dem Erwerb einer Beteiligung zu geben. Der Zuschuss ist bis zu einem Betrag von 135 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuer- und beitragsfrei (Kasten 3).

Kasten 3: Überlassung von Vermögensbeteiligungen an Arbeitnehmer § 19a (1) EStG: „Erhält ein Arbeitnehmer … Sachbezüge in Form von Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes, … ist der Vorteil steuerfrei, soweit er nicht höher als der halbe Wert der Vermögensbeteiligung … ist und insgesamt 135 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt.“ Vermögensbeteiligungen im o. a. Sinne sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt; als Sparbeiträge des Arbeitnehmers aufgrund eines Sparvertrags über Wertpapiere oder andere Vermögensbeteiligungen …

22

• … zum Erwerb von Aktien • … zum Erwerb von Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen • … zum Erwerb von Namensschuldverschreibungen des Arbeitgebers (wenn auf dessen Kosten Ansprüche des Arbeitnehmers aus der Schuldverschreibung verbürgt oder privat- rechtlich gesichert sind) • … zum Erwerb von Anteilen an Sondervermögen (Investmentanteile) • … zum Erwerb von Genussscheinen • … zur Begründung / zum Erwerb eines Geschäftsguthabens bei einer Genossenschaft • … zur Übernahme einer Stammeinlage / zum Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH • … zur Begründung / zum Erwerb einer Beteiligung als stiller Gesellschafter im Sinne des § 230 HGB • … zur Begründung / zum Erwerb einer Darlehensforderung gegen den Arbeitgeber (wenn auf dessen Kosten Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Darlehensvertrag verbürgt oder privatrechtlich gesichert sind) • … zur Begründung / zum Erwerb eines Genussrechts

Quelle: § 19a Abs. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes

Einen weiteren steuerlichen Anreiz bildet die Arbeitnehmersparzulage, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, wenn er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht und sein Einkommen die Einkommensgrenze (17.900 Euro bei Alleinstehenden, 35.800 Euro bei Zusammenveranlagung von Ehegatten) nicht überschreitet. Im Falle einer Kapitalbeteiligung beträgt die Arbeitnehmersparzulage 18 Prozent der Aufwendungen des Arbeitnehmers z. B. aufgrund eines Wertpapier-Kaufvertrags, soweit sie 400 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen (max. 72 Euro). In vielen europäischen Staaten, z. B. in Frankreich und Großbritannien, gelten hingegen weit großzügigere Regelungen (Tab. 7). Eine Ausweitung der bisherigen staatlichen Förderung in Deutschland nach § 19a EStG könnte den Verbreitungsgrad der Mitarbeiterkapitalbeteiligung erhöhen. Allerdings würde ein derartiges Vorgehen den notwendigen politischen Zielen der Haushaltskonsolidierung und des Subventionsabbaus diametral


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Mitarbeiterbeteiligung

entgegenstehen. Nicht nur, dass in Zeiten knapper Kassen neue Subventionstatbestände geschaffen werden würden. Außerdem würde sich der Staat zunehmend steuernd in Anlageentscheidungen von Arbeitnehmern einmischen.

Tab. 7: Steuerliche Förderung der Mitarbeiterbeteiligung in ausgewählten Ländern Land

Besteuerung und Sozialbeiträge

F

• Für obligatorische Gewinnbeteiligung max. 14.582 Euro beitragsfrei mit 7,6 Prozent Pauschalsteuer • Arbeitgeberzuschuss von jährlich max. 2.300 Euro je Mitarbeiter (beitragsfrei mit 7,6 Prozent Pauschalsteuer) • bzw. 4.600 Euro je Mitarbeiter (8,2 Prozent Sozialbeiträge für Arbeitgeberzuschuss über 2.300 Euro), volle Abgaben auf Arbeitgeberbeiträge über 4.600 Euro

GB

• Aktien bis 3.000 Pfund je Mitarbeiter nach 5 Jahren steuer- und beitragsfrei • Gewinne aus Share Option Plans sowie Dividenden bei Reinvestition steuer- und beitragsrei

A NL

24

1.453 Euro nach 5 Jahren steuer- und beitragsfrei

• 613 Euro bzw. 1.226 Euro in Mitarbeitersparplänen mit 15 Prozent Pauschalsteuer, Steuer entfällt bei Erwerb von Anteilen zum „fair market value“ • individueller Einkommensteuersatz auf übrige Beteiligungen • Wahlrecht zwischen vor- und nachgelagerter Besteuerung bei Aktienoptionen (seit 2001)

Quelle: Zusammenstellung der AGP

c.

Zusätzliches Risiko für die Beschäftigten

Bei der klassischen Kapitalbeteiligung, also der Teilhabe am Eigen- bzw. Risikokapital, r­ iskiert der einzelne Arbeitnehmer bei einer wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens sowohl seinen Arbeitsplatz als auch sein eingebrachtes Vermögen. Auch aus ­Gründen der Risikodiversifizierung ist es wenig ratsam, wenn Arbeitnehmer größere Teile ihrer ­Ersparnisse in ein Unternehmen und damit in eine einzige Vermögensanlage investieren. Eine breite Streuung des Anlageportfolios ermöglicht dagegen eine weitgehende ­Risikoimmunisierung. Das Anlagerisiko kann z. B. durch einen Insolvenzschutz für die beteiligten ­Beschäftigten eingedämmt bzw. umgangen werden. Abgesehen von der Frage, wer die Kosten der Absicherung dann übernehmen soll: Die positiven ­Effekte einer Kapitalbeteiligung im Sinne der Förderung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur werden durch ­derartige Regularien konterkariert.


Kasten 4: Das CDU-CSU-Konzept „Betriebliche Bündnisse für Soziale Kapitalpartnerschaften“ vom 29. Juni 2007 Kernelemente • Entscheidungsfreiheit für Arbeitnehmer und Betriebe • Wahlfreiheit bei der Beteiligungsform • Absicherung der Beteiligungen entsprechend ihrem Charakter • Staatliche Anreizwirkung durch - Erhöhung der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit gem. § 19a EStG von derzeit 135 Euro auf dann 500 Euro - Darüber hinaus weitere 500 Euro Bruttolohnumwandlung, die zwar der Sozialver sicherungsbeitragspflicht unterliegt, aber nachgelagert besteuert werden soll

Bewertung Die Vorschläge der Union zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung gehen in die richtige Richtung. Mit der Freiwilligkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie dem Verzicht auf eine Pflicht zur Absicherung von Verlustrisiken hat die CDU zentrale Forderungen von BDA und BDI aufgenommen. Richtig ist auch, dass von gesetzlichen Regelungen zur Insolvenzsicherung abgesehen werden soll. Mit der vorgeschlagenen steuerlichen Förderung kann die Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung vorangetrieben werden. Zu begrüßen ist, dass das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung im Unionskonzept aufgegriffen wird. Bei der nachgelagerten Besteuerung erfolgt die Besteuerung nicht bereits bei der Gewährung, sondern erst bei Verkauf der Kapitalbeteiligung.

25 Kasten 5: Das SPD-Konzept „Deutschlandfonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eckpunkte für mehr Mitarbeiterbeteiligung“ vom 26. Juni 2007 Kernelemente • Einrichtung eines überregionalen Deutschlandfonds: Einerseits erwerben die Mitarbeiter An teile an dem Fonds, andererseits stellt der Fonds diese Einlagen den entsprechenden Un ternehmen zur Verfügung • Leitung des Fonds durch ein professionelles Fondsmanagement (z. B. private Banken, KfW), welches u. a. das Rating der Unternehmen übernimmt • Verbesserung der staatlichen Förderung durch - Erhöhung des Höchstfördersatzes der Arbeitnehmersparzulage von 18 Prozent auf 20 Prozent (statt bisher 72 Euro stehen dann 80 Euro pro Jahr zur Verfügung) - Erhöhung der Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit gem. § 19a EStG von derzeit 135 Euro auf dann 240 Euro

Bewertung Das Modell der SPD enthält viele richtige Eckpunkte. Dazu gehört, dass von einer Vermengung der Mitarbeiter­ kapitalbeteiligung mit der betrieblichen und privaten Altersvorsorge abgesehen und auf grundsätzliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen verzichtet werden soll. Auch die Freiwilligkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer entspricht der Forderung von BDA und BDI. Zu kritisieren ist allerdings das Konstrukt eines so genannten Deutschlandfonds, der als Kapitalsammelstelle zwischen den beteiligten Mitarbeiter und ihren Unternehmen geschaltet werden soll. Denn durch diesen Umweg werden die eigentlichen Ziele der Mitarbeiterkapitalbeteiligung wie eine erhöhte Motivation, Identifikation und stärkere partnerschaftliche Unternehmenskultur nicht erreicht. Zu einer wirkungsvollen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung gehört es, die Mitarbeiter in vollem Umfang an der Unternehmensentwicklung zu beteiligen. Da Unternehmen zudem nur nach Maßgabe eines Ratings Mittel aus dem Deutschlandfonds erhalten, wird auch das Ziel einer umfassenden Stärkung der Eigenkapitalausstattung verfehlt.


Mitarbeiterbeteiligung

Im Zusammenhang mit Forderungen nach einer größeren Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung müssen die genannten Vor- und Nachteile genau abgewogen, Schwachstellen analysiert und strukturbedingte Grenzen einer Verbreitung deutlich aufgezeigt werden. Diesbezüglich haben BDA und BDI Grundsätze für eine breitere Anwendung aufgestellt.

4. Grundsätze für eine breitere Anwendung 4.1 Beidseitige Freiwilligkeit erhalten Die Entscheidung von Unternehmen und Arbeitnehmern, Beteiligungen anzubieten bzw. anzunehmen, kann immer nur von beiden Seiten freiwillig getroffen werden. Arbeitnehmer dürfen nicht gezwungen werden, einen Teil ihres Entgelts in eine mit Verlustrisiken ­behaftete Kapitalanlage zu investieren. Eigentümer eines Unternehmens dürfen nicht gezwungen werden, Teile ihres Eigentums an andere zu verkaufen. Eine Verpflichtung zur Beteiligung darf es nicht geben – nicht durch Gesetz und auch nicht durch Tarifvertrag.

4.2 Auf Pflicht zur Risikoabsicherung verzichten a. Eigenkapitalbeteiligungen 26 Bei der klassischen Kapitalbeteiligung, der Beteiligung am Eigenkapital des ­Unternehmens, ist eine Absicherung gegen Verlustrisiken des Arbeitnehmers durch das Unternehmen wenig sinnvoll. Ihr steht bereits entgegen, dass damit der Eigenkapitalcharakter der Beteiligung verloren ginge. Eine Risikoabsicherung würde auch dem Ziel zuwiderlaufen, die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und mithin eine partnerschaftliche Unternehmenskultur zu fördern. Dieser Effekt entsteht nur, wenn die Arbeitnehmer zu ­ echten Anteilseignern werden. Dazu gehört, dass sie sowohl von den vollen Gewinnchancen profitieren als auch das Verlustrisiko mittragen. Soweit Arbeitnehmer jedoch eine solche ­Absicherung wünschen, müssen sie die entsprechenden Kosten selbst tragen. Auch Vorschläge, das Risiko des Wertverlustes durch überbetriebliche Einrichtungen abzusichern, sind aus diesem Grund nicht zielführend. Erst recht darf es keine Pflicht zu einer Risikoabsicherung von Eigenkapitalbeteiligungen geben.

b. Misch- und Fremdkapitalbeteiligungen In der Praxis existiert eine Fülle weiterer Beteilungsformen, die sich – in unterschiedlichem Maß – auch für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle eignen. Je nach Ausgestaltung variiert der Grad der Haftungsrisiken für die Anleger. So haben Mitarbeiterdarlehen eindeutig ­Fremdkapitalcharakter. Mischformen wie etwa Genussrechte und Stille Beteiligungen sind je nach Vereinbarung eher dem Fremd- oder dem Eigenkapital zuzurechnen. Aufgrund ­ dieser unterschiedlichen Formen kann es keine pauschalen Vorschriften zur ­ Risikoabsicherung geben. Insolvenzabsicherungen sollten sich auf schuldrechtliche Titel beschränken. Geeignete Absicherungen können beispielsweise über Bürgschaftsbanken organisiert werden. Aber auch hier sollte eine Mindestrisiko-


übernahme des Arbeitnehmers (Selbstbeteiligung) verlangt werden, wie dies in einschlägigen Bürgschaftsprogrammen praktiziert wird. Eine solche Sicherung ist immer auch mit Bürokratie- und Kostenaufwand verbunden, der letztlich die Rendite der Kapitalanlage schmälert. Wenn sich der Arbeitnehmer für eine Insolvenzsicherung entscheidet, dann muss er deshalb auch die Kosten bzw. Renditeminderung selbst tragen. In keinem Fall darf die Kapitalbeteiligung dazu führen, dass die Unternehmen die Kosten der Risikoabsicherung für den Mitarbeiter tragen müssen.

4.3 Vermengung mit anderen Zielsetzungen vermeiden Die Stärkung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung sollte nicht mit anderen Aufgaben vermengt werden. Jeder Politikbereich muss sich vielmehr an seinen eigenen, spezifischen ­Zielsetzungen orientieren: •

Mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung wird im Wesentlichen die Steigerung der Mitarbeitermotivation und die Stärkung der Eigenkapitalbasis angestrebt.

Bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge stehen dagegen andere Ziele im Vordergrund, wie beispielsweise die Sicherstellung, dass eingezahlte Beträge im Alter auch wirklich zur Verfügung stehen und biometrische Risiken – insbesondere die Langlebigkeit – abgesichert werden. Versuche, die Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung mit der Förderung der Altersvorsorge – etwa im Rahmen der Riester-Rente – zu kombinieren, würden deshalb nur zu komplizierten und für beide Bereiche wenig effektiven Maßnahmen führen. Denn die meisten Beteiligungsformen weisen ein Verlustrisiko auf, was bei der Riester-Förderung ausgeschlossen ist.

Der gleiche Hinweis, dass eine Vermengung mit anderen Zielsetzungen schädlich sein kann, gilt auch für Vorschläge, die Förderung der Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern mit einem Einstieg in das Bildungssparen zu verknüpfen. Denn die Beteiligung am Unternehmenskapital und mithin an Gewinn- und Verlustentwicklungen läuft dem Zweck des Bildungssparens zuwider. Schließlich können die im Unternehmen eingebrachten Eigenmittel des Mitarbeiters nicht gleichzeitig sowohl für Investitionen des Arbeitgebers als auch für Bildungszwecke des Arbeitnehmers verwendet werden. Darüber hinaus sollten etwaige Mittel, die für Zwecke der Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer zur Verfügung stehen sollen, nicht risikobehaftet sein, wie das bei Unternehmensbeteiligungen, z. B. bei Aktienkursschwankungen oder durch Insolvenz, der Fall ist.

4.4 Nachgelagerte Besteuerung einführen Da Mitarbeiterkapitalbeteiligungen klar abgrenzbar sind, können sie gut in eine sukzessiv auszubauende nachgelagerte Besteuerung investierter Einkünfte eingebaut werden. Bereits heute werden einige Einkommensbestandteile nachgelagert besteuert. Zu nennen sind hier etwa Aufwendungen für die private Altersvorsorge (Riester- und Rürup-Rente), betriebliche Altersvorsorge sowie die Besteuerung von Arbeitszeitkonten. In-

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Mitarbeiterbeteiligung

soweit bietet sich die Chance für einen Schritt in ein investitionsfreundliches Steuersystem. Deshalb sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Gewährung einer Kapitalbeteiligung durch den Arbeitgeber noch keinen Zufluss von steuerpflichtigem Arbeitslohn darstellt und die Steuerpflicht erst bei Verkauf der Kapitalbeteiligung einsetzt. Hierdurch kann eine doppelte Besteuerung der Kapitalbeteiligung selbst und der aus ihr erwachsenden Erträge verhindert werden. Anders sind Forderungen nach einer Sozialversicherungsbeitragsfreiheit von Bruttolohnumwandlungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zu bewerten. Schließlich vermeidet das Sozialversicherungsbeitragsrecht bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen schon heute jede Doppelverbeitragung. Deshalb besteht insoweit grundsätzlich kein Handlungsbedarf. Dies gilt vielmehr für die Entgeltumwandlung für betriebliche Altersvorsorge, bei der es – nach aktueller Gesetzeslage – nach 2008 regelmäßig zu einer Doppelverbeitragung kommt, weil ab dann sowohl die vom Arbeitnehmer finanzierten Aufwendungen zur betrieblichen Altersvorsorge als auch die späteren Betriebsrentenleistungen sozialversicherungsbeitragspflichtig sind. Diese Doppelverbeitragung muss verhindert und die beitragsfreie Entgeltumwandlung dauerhaft gewährleistet werden.

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Dies gilt ganz besonders, weil betriebliche Altersvorsorge in gleicher Weise wie die Mitarbeiterkapitalbeteiligung für Arbeitnehmer die Chance bietet, an der Entwicklung der Unternehmens- und Kapitaleinkünfte teilzuhaben, darüber hinaus aber auch biometrische Lebensrisiken absichert, insbesondere der Alterssicherung dient und aufgrund der bestehenden Insolvenzsicherung zudem Verlustrisiken der Arbeitnehmer vermeidet. Auch in Anbetracht des sinkenden Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung und der damit wachsenden Notwendigkeit ergänzender Altersvorsorge sollte der Schwerpunkt staatlicher Förderungspolitik im Bereich der auf Alterssicherung konzentrierten Vermögensbildung liegen.

4.5 Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern Ein Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann dadurch gefördert werden, dass ­Aktiengesellschaften eine weitere Verbreitung finden. Sinnvoll sind Maßnahmen, die Gründungen von Aktiengesellschaften erleichtern und attraktiver machen, denn insbesondere Aktien eignen sich als Instrument der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. So sollten beispielsweise Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes ausgenommen werden. Mit Einführung der „kleinen Aktiengesellschaft“ im Jahr 1994, die auch eine Ein-Mann-Gründung erlaubt, war die Absicht verbunden, das Interesse an der Gründung einer Aktiengesellschaft für kleine und mittlere Unternehmen zu erhöhen. In dieselbe Richtung wirkt der so genannte „Entry Standard“, mit dem die Deutsche Börse AG seit 2005 ihren Gestaltungsspielraum nutzt, um kleinen und mittleren Unternehmen einen schnellen, einfachen und kosteneffizienten Börsengang zu ermöglichen. Für die Unternehmen bringt dieses Marktsegment Vorteile wie eine geringere Regulierung und niedrigere Transparenzanforderungen. Aus diesem Grund besteht für private Investoren aber auch ein höheres Risiko als bei regulierten Märkten. Dennoch sind mittlerweile 95 Unternehmen im „Entry Standard“ notiert. Rund die Hälfte der Neuemissionen des Jahres 2006 fiel auf dieses Börsensegment. Allerdings lässt die bislang geringe Verbreitung von Aktiengesellschaften den Schluss zu, dass die Erleichterungen bei Formalien und Vorschriften noch nicht ausreichen.


Schlusswort Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Erfolgs- oder Kapitalbeteiligungen sind neben einer Reihe weiterer innovativer arbeits- und personalpolitischer Maßnahmen wie z. B. der Gruppen- bzw. Teamarbeit, dem Abbau von Hierarchieebenen, der Dezentralisierung von Verantwortung und Entscheidungsbefugnissen oder der Flexibilisierung und Differenzierung der Arbeitsbedingungen ein Element des organisatorischen Wandels in Unternehmen. Die moderne Arbeitswelt ist durch diese Elemente bzw. deren Kombination charakterisiert. Bei zielgerichteter und adäquater Ausgestaltung wirken Mitarbeiterbeteiligungen positiv auf die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zwischen beiden Beteiligungsformen gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, die zu beachten sind. Die Erfolgsbeteiligung ist sowohl in der betrieblichen Entgeltgestaltung als auch in der Tarifpolitik vergleichsweise einfach umzusetzen und auch unter Risikoabsicherungs­ aspekten gegenüber der Kapitalbeteiligung im Vorteil. Die Kapitalbeteiligung hingegen ist zwar ebenfalls ein gutes Mittel, um die Strategie einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur zu fördern. Allerdings ist diese Beteiligungsform gleichsam diejenige, die mit einer Reihe von Stolperfallen und Hindernissen versehen ist. Sie ist daher nicht in jeder Situation und nicht für jedes Unternehmen anwendbar oder zu empfehlen. Insbesondere bei den Mischformen ist im Detail zu prüfen, inwieweit die Vorteile zum Tragen kommen und der Kerngedanke der Kapitalbeteiligung erreicht werden kann. 29 Beide Formen der Mitarbeiterbeteiligung – sowohl die Erfolgs- als auch die Kapitalbeteiligung – können bei zielführender Ausgestaltung und Umsetzung ihren Beitrag zu einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur leisten und sind auch in Kombination anwendbar. Die Entscheidung, welcher Weg dabei der beste ist, kann aber immer nur auf betrieblicher Ebene getroffen werden.


Impressum Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite StraĂ&#x;e 29 10178 Berlin www.bda-online.de www.bdi.eu Stand: Juli 2007

Gestaltung ariadne & wolf GmbH www.ariadneundwolf.de




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