Wm special 2014

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kunst, kultur & politik

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EdITorIAL

WM FiEbEr -

EdITorIAL

Das sPEKtaKEl Mit ViElEN GEsichtErN

E

ndlich WM! Das wird sich manch einer gesagt haben. Auch Leute, die eigentlich wenig mit Fussball am Hut haben. Dazu gehöre auch ich. Die WM ist nicht ein Fussballfest, es ist ein Volksfest und zwar von ganz vielen Völkern. Man könnte fast sagen ein Weltfest. Ich kann mich an die WM 1994 erinnern - ich war da Kindergarten. Wir haben nur noch über die Weltmeisterschaft gesprochen. Wir haben Bildchen getauscht, Fussball gespielt und Länderflaggen auswendig gelernt. Von meinen Eltern bekam ich einen wunderschönen hellblauen Argentinien-Fussball. Seither bin ich an jeder WM für Argentinien. Wir haben in der Nachbarschaft Mini-Tourniere veranstaltet und Pokale gebastelt. Fussball geschaut haben wir wohl auch hin und wieder - daran erinnern kann ich mich aber nicht. Brasilien - zwischen Traumstränden und Armenviertel Eine Weltmeisterschaft in Brasilien ist in vieler Hinsicht speziell. Brasilien ist Rekordsieger der WM! Auch wenn Fussball aus Asien und Europa kommt, haben es die Südamerikaner mit dem Samba im Blut geschafft, fünf mal Weltmeister zu werden. Brasilien ist in den letzten Jahren vor allem als Vorzeigemodell für ein wirtschaftlich aufblühendes Schwellenland herausgestochen, hat aber auch immer wieder mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht. Brandrodung des Amazonas, die scheinbare Tatenlosigkeit bezüglich der Favelas ( Armenviertel ) und seit dem Sommer 2013 eben auch zum Teil gewalttätige Demonstrationen gegen die Fussballweltmeisterschaft. Offensichtlich stellt der Mega-Event das fünftgrösste Land der Welt vor einige Probleme. Der in Brasilien lebende Anthropologe Martin

IMPRESSUM KoNtaKt verein dieperspektive, zentralstrasse 167, 8003 zürich rEDaKtioN simon jacoby & conradin zellweger & manuel perriard & konstantin furrer & marius wenger & andrea schweizer GEstaltuNG isabella furler & sarah sbalchiero lEKtorat konstantin furrer DrucK nzz print auFlaGE 15'000 artiKEl EiNsENDEN artikel@dieperspektive.ch WErbuNG simon@dieperspektive.ch abo abo@dieperspektive.ch lEsErbriEFE leserbriefe@dieperspektive.ch GÖNNErKoNto pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen thEMa DEr NÄchstEN ausGabE dein leben ist eine app rEDaKtioNsschluss donnerstag, 3. juli 2014, 23.55 uhr

Curi erklärt im Interview (seite 26), das sei nur eine Bestätigung von Klischees und gefundenes Fressen für die Medien. Der brasilianische Fotograf Leandro Giga reiste für uns zur Baustelle des Stadions in São Paulo. Auf dieser Baustelle sind drei Bauarbeiter ums Leben gekommen (seite 16). Auch was mit den Stadien und der ganzen Infrastruktur rund um die WM nach dem Turnier geschieht, ist noch ein grosses Fragezeichen. Besonders ein Stadion in der Amazonas-Metropole Manaus erntet viel Kopfschütteln (seite 12). Die Oberflächliche Welt von Ibrahimović & Co. Fussballer sind nicht die wortgewandtesten Menschen. Bei Interviews nach den Spielen traut man regelmässig seinen Augen und Ohren nicht. Was die da ins Mikrofon labern. Dann gibt es noch diesen Schlag Fussballspieler, welche sich für Übermenschen halten. Ibrahimović tweetet regelmässig Sprüche wie: « Nothing Zlatan does is easy. That's why Zlatan does it » oder « If you can be anyone, be Zlatan ». Aber es ist ja auch nicht die Aufgabe der Spieler schlaue Dinge zu sagen. Dafür gibt es ja die Trainer. Spass bei Seite. Fussballer sind, trotzt ihrer manchmal leicht dümmlich wirkenden Art, regelrechte Superstars. Jungs hängen ihre Zimmer mit Postern von Fussballstars voll und nennen Ronaldo und Messi als ihre Vorbilder (seite 32) . Woran liegt das? Vielleicht daran, dass Fussballspiel als etwas sehr männliches gesehn wird. Es gibt Bier und Bälle. Für 90 Minuten geht es nur darum seine Lieblingsmannschaft anzufeuern. Eine männerdominierte Welt, in der Homosexualität nicht geduldet wird. Als sich der Schwedische Fussballstar Anton Hysén 2011 outete lief ein raunen durch die Fussballwelt. Als «Emanzipationsgeschichte im wichtigsten Volkssport Europas» wurde das Outing bewertet. Bedeutet das Bekanntwerden von Hyséns Homosexualität das Ende seiner Kariere? Nein. Bewegte das Outing viele Fussballstars dazu es Hyséns nachzutun? Nein. Noch immer ist es eines der grossen Tabus im Fussball, während Schwulsein anderweitig meist völlig akzeptiert ist (seite 24). Es sei denn in Ländern wie Russland und Katar. Dort finden übrigens die zwei folgenden Weltmeisterschaften nach Brasilien statt.

Hopp Schwiiz! Zugegeben, wir sind nicht die grosse Fussballnation. Ein grosses Turnier konnte die Schweizer Nati noch nie gewinnen. Eine Silbermedaille an den Olympischen Spielen 1924 war auch schon das höchste der Gefühle. Momentan sind wir immerhin auf Platz sieben der Fifa Weltrangliste, dank der herausragenden Qualifikation für die WM durfte die Schweiz für die Auslosung der Gruppenspiele im stärksten Topf Platz nehmen. Soviel zu unserer Nati. Für alle, die gerne mit ihrem Fussballwissen angeben, wir haben die grössten Irrtümer rund um Fussball und die WM aufgelistet (seite 6). Es bleibt uns die Daumen zu Drücken und kräftig in die Vuvuzela zu blasen. Aber Achtung: die Spiele finden dieses Jahr zum Teil in der Nacht statt. Da ist der Streit mit schlafbedürftigen Antifussballfans schon vorprogrammiert. Das könnte mitunter einen Grund sein, warum die Public Viewings in Zürich dieses Jahr nur ziemlich eingeschränkt möglich sind. Ein Blick nach Basel zeigt, die dürfen länger wach bleiben als wir! Anyway. Die Bars schliessen um Mitternacht, die späteren Spiele musst du zu Hause vor dem Fernseher kucken. Nicht ganz so das WM-Feeling, dass wir uns erhofft haben (seite 10). Die Fifa und ihr Zirkusdirektor Das mit der Fussballnation vorhin war nur die halbe Wahrheit. Denn nicht zuletzt der wichtigste Fussball-Mensch der Welt kommt aus der Schweiz. Sepp Blatter ist seit 1998 Präsident der Fifa. Neben Korruption wird dem Fussballkönig Narzissmus par excellence nachgesagt. Ein Fussballturnier in seinem Heimatkanton dem Wallis trägt keinen geringeren Namen als «Sepp Blatter Turnier». Aber auch dem Weltfussballverband wird so einiges vorgeworfen. Dubiose Sponsorenverträge und Steuerbefreiungen trotz Milliardenumsätzen. Wir haben das enthüllende Buch vom langjährigen Fifa-Kritiker und Journalisten Andew Jennings unter die Lupe genommen (seite 36). Auf unsere InterviewAnfrage an die Fifa bekamen wir folgende Antwort: «Es ist immer wieder erstaunlich, wie Medien, die sich nie um Fussball kümmern, vor Weltmeisterschaften plötzlich fundierte Sonderbeilagen produzieren wollen» (seite 14). Ein erstaunliches Statement von einem Weltfussball-Verband so

kurz vor dem grössten Fussballfest. Denn eigentlich sollte doch Fussball diesen Sommer in aller Munde sein. Die Bilder sollen um die Welt gehen. Fussball soll uns die vielen Konflikte der Welt vergessen lassen, uns zeigen, dass sich Länder in einem sportlichen Wettkampf messen können und auch verlieren können. Menschen sollen zum Fussball spielen animiert werden. Fussball ist ein Weltsport. Um Fussball haben sich Organisationen gebildet. Fussball ist Macht und Geld. Fussball bringt Länder zusammen und spaltet Gemüter - aber meist friedlich. Als ich kürzlich in Brasilien war, wurde ich von einem Jungen zum Fussballspiel eingeladen. Wir spielten auf einem kleinen, heruntergekommenen Feld auf einer riesigen Farm in der Nähe von São Paulo. Der weisse Farmbesitzer, die mehrheitlich dunkelhäutigen Hilfsarbeiter und einige Bauern waren schon mitten im Spiel. Ich entpupte mich relativ schnell als schlechtester Spieler auf dem Feld. Das war egal. Bald wurden Witze über den ungeschickten Gringo ( Ausländer ) gemacht. Als ich dann noch den Farmbesitzer von den Füssen fegte und ihm beinahe das Fussgelenk brach, sah ich mich schon vom Platz verbannt. Falsch gedacht. Humpelnd spielte er mir den Ball zu und scherzte, die Seleção ( Brasilianische Nationalmannschaft ) müsse sich vor der Schweizer Mannschaft offensichtlich gut in Acht nehmen. Für die Redaktion von dieperspektive

Conradin Zellweger

ILLUSTrATIon

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Simone Hörler

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InHALT

WM-SPEZIALAUSGABE

MAI – JULI 2014

6 Fussball ist wie schach, nur ohne Würfel

illustratoriNNEN uND illustratorEN DiEsEr ausGabE

Tippst du auch immer 2:1? Zehn dreiste FussballBehauptungen auf dem Prüfstand.

danke, dass Ihr Fussball schöngezeichnet habt. danke für die Farben in der Bleiwüste. danke für die visuellen rgasmen.

8 Die anarchie des Fussballschauens

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Ausrufen kann man immer, verbieten auch. die Stadt Zürich versuchts, die Fans gehen trotzdem auf die Strasse!

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Die schweigende 20 Millionen stadt

aNNa KaVVasiaDi

siMoNE hÖrlEr

JorDaN MarZuKi

MichEllE MosEr

Elefantes brancos

aus Thessaloniki. Setzt auf Griechenland. Und du so, häsch gärn Uzo?

26 Jahre alt, hat erst getscheggt, dass schon wieder Fussball-WM ist, als sie den Illu-Auftrag für « dieperspektive » bekommen hat. Ebbe ha kei Ahnig uf wer me do söll setze, isch Ängland debii?

aus Jakarta, Indonesien. orthodox cat lover. The winner of this year World Cup is north Korea. www.theballetcats.com

22 Jahre, isch nie übermässig am mitfiebere während de Spiel, da sie sowieso immer grad denn ufdr Toilette isch wenn es Tor gschosse wird. Setzt uf Holland.

WM vorbei, Fussball– touristen weg, Stadien leer. Und dann?

Fifa

seite 10

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die Fifa hat keine Freude an diesem Text :-) Vier dinge, die du über den Verband wissen solltest.

« Dank der WM schauen alle hier her »

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seite 6

seite 34

seiten 2, 30, 31

sarah sbalchiEro

isabElla FurlEr

Kennt die Intimzone der Statue von rio. *Zwinkerzwinker* Parapapipiii, setzt auf Italien.

24 Jahre jung, ist imfall auch Messi. Sie findet « Bschiissä » voll oke, wenns niemand merkt. Setzt auf Argentinien.

cover & visuelles Konzept

layout & visuelles Konzept

Konrad Stähelin befragt den Brasilienkenner Martin Curi über tote Bauarbeiter, demos, rio de Janeiro und Fussball.

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19 lass es raus!

Das superstarphänomen im Fussball Bist du einem Superstar verfallen? ronaldo oder Ibrahimovic? Hier steht alles rund um das Star-Phänomen im Fussball

das Programm und die Infos rund um die WM–Events an der Gessnerallee

23 Die ewigen Zweiten – holland will mehr

Vielleicht in amerika, aber nicht hier der Geschichtenerzähler geht rum: den Scheiss Franzosen werden wir's zeigen!

der Fotograf Leandro Giga gibt uns Einblicke in die Baustelle S ão Paolo.

30 Die WM und die schweizer

oranje! dieses Jahr wird alles anders. Corsin erklärt.

Es gibt fünf Fantypen. Welcher bist du? ( Hoffentlich nicht der Ignorant )

take me, i'm Yours! Wieso ist Homosexualität im Fussball eigentlich so ein Tabuthema?

36 Denn sie wissen was sie tun Luzia Tschirky über Sepp, die Fifa und die Korruption.

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WM– SPEZIALAUSGABE

/Fussball ist wie Schach, nur ohne Würfel

/Fussball ist wie Schach, nur ohne Würfel

im Fernsehen, im büro, in der bar: Die selbsternannten Experten laufen an der WM wieder zur hochform auf. Damit ihr gar nicht mehr hinhören müsst, wollen wir gerade noch rechtzeitig aufräumen mit den dreistesten behauptungen.

» Fussball ist WiE schach. Nur ohNE WürFEl «

LUKAS PodoLSKI

TEXT Silvan Kämpfen ILLUSTrATIon Anna Kavvasiadi

A

n der WM gibt es den besten Fussball zu sehen Eigentlich wäre es ja logisch, wenn an einer Weltmeisterschaften nehmen die besten Fussballnationen der Welt teilnehmen würden. Doch weit gefehlt. Wäre dem wirklich so, dann dürften aus Asien und Afrika jeweils nur zwei Länder mitmachen statt deren fünf. Die FIFA denkt global, das ist legitim, und sie hat natürlich auch kein Interesse daran, mögliche Zukunftsmärkte zu vergraulen. So werden auch dieses Jahr die Klagen kommen, wenn es in der gesamten Vorrunde vielleicht drei gute Spiele gibt, die auch wirklich von Relevanz sind. Früher konnte man sich noch auf die nächste Europameisterschaft vertrösten. Doch leider wird jetzt die EM von 16 auf 24 Mannschaften aufgestockt, weshalb auch dort das Niveau erheblich sinken wird. Leider muss man mittlerweile sagen: Am höchsten ist die Qualitätsdichte in der Champions League. Für Normalsterbliche wird es fast unmöglich sein, an Tickets zu kommen Die Brasilianer gelten zwar als fussballverrückt. Damit meint man vor allem, dass an jeder Ecke jedes Kind mit einem Tennisball am Fuss mehr anfangen kann als die Schweizer Teenager auf der Playstation. Und ja, die Brasilianer werden den pathetischen lateinamerikanischen Patriotismus an den Tag legen und mit aller Kraft ihr Team anfeuern. Doch Schweiz-Honduras in Manaús? Iran-Nigeria in Curitiba? Belgien-Algerien in Belo Horizonte? Das interessiert in der lokalen Bevölkerung nun wirklich niemanden. Zudem werden diese Länder auch nicht von Zehntausenden von Schlachtenbummlern begleitet. Bei vielen Spielen wird es also ein Leichtes sein, auf dem Graumarkt ein Billet zu kaufen zu deutlich niedrigeren Preisen. Zudem werden auch dieses Mal bei fast jedem Spiel wieder Tausende Plätze leer bleiben, weil es die Angestellten der Sponsoren nicht für nötig empfinden, ihre Gratistickets einzulösen. Spanien und sein Tiki-Taka-Zeugs haben ausgedient Man mag es zum Gähnen finden, was die Spanier seit Jahren abliefern. Vor allem ist ihr Spiel nicht variabel. Und bei ihrem Vorzeigeklub Barcelona ging es in diesem Jahr ziemlich abwärts. Doch die Primera División hat in dieser Saison Europa wieder einmal den Stempel aufgedrückt. Und das Arsenal an neuen jungen Talenten scheint für Schnauz-Träger-Trainer Vicente Del Bosque unerschöpflich. Und jetzt läuft auch noch einer der besten Brasilianer, Diego Costa, für La Roja auf. Spanien hat die besten Spieler und funktioniert nun auch als Team. Die Iberer sind Favorit. Natürlich gehört aber auch Deutschland seit Jahren zu den besten Fussballländern der Welt und wird auch in diesem Jahr wieder um den Titel mitspielen. Daneben kann Brasilien statt am grossen Druck zu zerbrechen – die wahrscheinlichere Variante – auch von Anfang bis Ende auf einer Euphoriewelle reiten und den Heimvorteil vollends nutzen, der dieses Mal wegen des Klimas auch wirklich einer ist. Den Titel machen also wahrscheinlich Spanien, Deutschland und Brasilien unter sich aus. Darüber hinaus sind Italien und Frankreich als Turniermannschaften sicher zu allem fähig. Sollte aber am 13. Juli irgendein anderes Land den WM-Pokal in die Höhe stemmen, käme das sicherlich einer nie dagewesenen Überraschung gleich. Argentinien oder Holland fehlt vor allem in

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/Fussball ist wie Schach, nur ohne Würfel ANZEIGE

IM JUNI IM KINO der Abwehr die Qualität. Belgien, Kolumbien oder Chile sind lässige Geheimtipps für Fussball-Hipster, aber auch nicht mehr. An der WM geht es für einmal nicht ums Geld Die Heimat, der ewige Heldenstatus, die verschworene Gemeinschaft! Bitte nicht vergessen, wir reden hier von Fussball. Zwar winken an der WM keine grossen Prämien, aber das Turnier ist die beste Plattform für die ganz grossen Transfer- und Marketing-Deals wie auch für politische Ziele. Manches ist ziemlich gut belegt: etwa die Mussolini-Hörigkeit der Schiedsrichter an der WM 1934 oder die Getreide-Lieferung der argentinischen Junta an Peru, mit dem sie sich den nötigen 6:0-Sieg erkaufte. Anderes mag an Verschwörungstheorien grenzen, wirft aber berechtigte Fragen auf: Warum zum Beispiel lief Ronaldo ( für die jüngeren Jahrgänge: in Brasilien gab’s auch mal so einen ) im WM-Final 98 in seinen Nike-Schuhen auf, obwohl es ihm offensichtlich hundsmies ging? Und wie bloss kamen 2002 in Korea so krasse Fehlentscheidungen zugunsten der Gastgeber zustande? Wer die WM geniessen will, blendet solche Fragen am besten aus und stellt sie sich erst nach dem Turnier.

ganz grosse fussballerische Aufstieg des fünften Kontinents angekündigt. Die Elfenbeinküste etwa ist zuletzt immer wieder als Geheimfavorit betitelt worden. Tatsächlich erreichten seither nur Senegal (2002) und Ghana (2010) den Viertelfinal. Eine höchst bescheidene Bilanz. Korrupte Verbände, egoistische Stars, unmotivierte Trainer aus Europa: die Liste der Probleme ist lang. Trotz viel Talent wird es also auch dieses Mal nichts mit einem afrikanischen Exploit. Die Austragung einer WM lohnt sich Südafrika hat nur einen Teil der hohen Investitionen wieder einnehmen können und steht nun mit schwach ausgelasteten Stadien da. Von den wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen haben die beiden BRIC-Staaten Südafrika und Brasilien relativ viel gemeinsam. Nun könnte man meinen, in einer Fussball-Nation wie Brasilien seien wenigstens die Stadien von längerfristigem Nutzen. Doch auch das wird sich noch weisen müssen. Im Schnitt kommen in Brasilien 15000 Zuschauer zu den Spielen in der höchsten Liga. Das sind weniger als in Belgien, China oder Mexiko. Im Dschungel von Manaús wird ein Stadion errichtet, obwohl dort nur eine Drittliga-Mannschaft kickt. Dennoch kann ein Event wie die WM – wenn auch nicht von allen Seiten erwünschte – positive Effekte zeitigen und als Weckruf dienen: Es bildet sich eine Zivilgesellschaft, die nicht mehr blindem Patriotismus nacheifert und sich Gedanken macht über das Gesundheitswesen, Bildung und soziale Gerechtigkeit. Selbst ehemalige Fussball-Stars wie Romário engagieren sich nun in diesen Bereichen – « dank » der WM.

« Irgendein Land legt los wie die Feuerwehr, fertigt Australien oder den Iran mit 6:0 ab, bietet schöne Spielzüge, und die WM hat bereits ihren ersten Star-Spieler » Silvan Kämpfen

Ein guter Start ins Turnier ist die halbe Miete Es wiederholt sich bei jeder Endrunde. Irgendein Land legt los wie die Feuerwehr, fertigt Australien oder den Iran mit 6:0 ab, bietet schöne Spielzüge, und die WM hat bereits ihren ersten Star-Spieler. Die Mannschaft wird dann jeweils zum Favoriten erklärt mit der Begründung: « Die haben bisher am meisten überzeugt. » Ein regelmässiger Kandidat dafür ist Deutschland, aber auch die Holländer oder die Russen fallen häufig in diese Kategorie. Vergessen wird dabei stets, dass das Turnier erst im Achtel- oder gar erst im Viertelfinal losgeht (siehe Abschnitt 1). Die Bedeutung der Vorrunde für den Ausgang des Turniers geht gegen Null. Italien und Frankreich werden sich dort irgendwie durchgewurstelt haben gegen Costa Rica und Honduras. Doch gegen ebenbürtige Nationen werden sie wieder bereit sein wie eh und je. Ach ja: Wie ging 2010 nochmal das erste Spiel der Spanier aus? Während einer Endrunde lässt sich jeder Schrott verkaufen Kennt ihr Goleo? Das ist dieser Löwe, der keine Hose trägt und uns durch das deutsche Sommermärchen 2006 begleitete. Nun, Goleo ist pleite. Der Hersteller musste noch vor der Weltmeisterschaft Insolvenz beantragen. Goleo wollte sich partout nicht gut verkaufen. Sowas aber auch. Viel lernte man nicht daraus. Zwei Jahre später liess die Migros nach der Euro 2008 verlauten: « Euro-Produkte wie Küchenaccessoires, Bettwäsche mit Schweizer Wappen, aber auch die Euro-Maskottchen Trix und Flix verkauften sich weniger gut als erwartet. » Fazit: Selbst der homo oeconomicus ist nicht so sehr auf den Kopf gefallen, wie sich das manche Hersteller wünschen. Diesen Sommer wird das WM-Sortiment hoffentlich in eine erträgliche Grösse haben. Endlich schafft es einmal ein afrikanisches Team nach vorne Als Roger Milla 1990 Kamerun in den Viertelfinal schoss und an der Eckfahne tänzelte, schloss die Welt gleich den ganzen afrikanischen Fussball ins Herzen. Seither wird regelmässig der

ILO ILO VO N A N T H O N Y C H E N , S I N G A P U R «Anthony Chens Erstling begeistert mit Liebe, Humor und Herzlichkeit.» VA R I E T Y

Chancen haben jene Länder, von denen man die Spieler kennt Aufgepasst auf Bosnien, die haben eine Super-Mannschaft! Nicht wenig lassen sich zur Zeit zu solchen Aussagen verleiten. Sie müssen auch nicht unbedingt falsch sein. Aber die einzige Begründung dafür lautet letztlich: Die haben ein paar Spieler, die man aus der Bundesliga kennt, von Hoffenheim, Braunschweig oder Stuttgart. Nur, wer ist dieser « man »? Andere Länder können auch auf gutes Personal zählen, Chile zum Beispiel. Nur spielen die nicht in Deutschland, sondern in Italien, Spanien oder in Südamerika selber. In den dortigen Ligen wird auch ziemlich gut Fussball gespielt. Nur sieht man ihn nicht in der ARD, im ZDF oder auf Sport 1. Die Engländer sind hier die noch grössten Spezialisten. Ginge es nach ihnen, wird einfach jene Mannschaft Weltmeister, welche die meisten PremierLeague-Kicker in den Reihen hat (also England). Dem wollen wir nicht verfallen und verfahren auch während der WM stets nach dem Motto: Was ich nicht weiss, macht mich heiss. Wer keine Ahnung hat beim WM-Toto, der tippe immer schön auf 2:1 « Ja, Team A wird wahrscheinlich gewinnen. Aber Team B macht doch sicher auch noch ein Tor. Schliesslich will man ja nicht fies sein und die Zuschauer wollen ein gutes Spiel sehen. Also naheliegend: 2:1 geht’s aus. » Die Statistik lügt nicht und besagt etwas anderes: Zwar gehen tatsächlich 14,5 Prozent aller WM-Spiele 2:1 aus. Das ist aber nicht das häufigste Resultat. Dieses lautet 1:0 und erfolgt in 18,8 Prozent der Begegnungen. Schliesslich ist Italien ja auch schon viermal Weltmeister geworden. Sei’s drum: An diesen Tippspielen gewinnen eh immer die Ahnungslosen. thE END

silvan Kämpfen ist Redaktor beim ZWÖLF. Das Magazin beleuchtet den Schweizer Fussball und alles Interessante drumherum. Die WMAusgabe ist ab 26. Mai am Kiosk und auf www.zwoelf.ch erhältlich.

Vier Fussball-Abende mit dem Neumarkt-Ensemble, Live-Spielen und Video-Schnipseln inkl. abtrünnigen FIFA-Praktikanten und Günter Netzers Haushälterin, falschen Maskottchen und schlechten Perücken, Leinwand und Bier. 13.06.: Spanien – Niederlande 20.06.: Schweiz – Frankreich 26.06.: Deutschland – USA 28.06.: Achtelinale Infos auf theaterneumarkt.ch

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WM– SPEZIALAUSGABE

/die Anarchie des Fussballschauens

/die Anarchie des Fussballschauens wie ich keine Regenschirme dabei haben, quetsche ich mich unters Helmhaus und wir teilen unsere Bierdosen. Sechzehnter Juni Zweitausendzehn, frühabends. Am Bahnhofsplatz geht nichts mehr. Die Trams, Busse und Autos kommen nicht mehr durch, weil Horden junger Leute dort Fussball spielen. Die Schweiz hat gerade gegen Spanien gewonnen. Elfter Juli Zweitausendzehn. Mit kollektivem Kettengerauche verteidigen wir unsere Quadratmeter im Knäuel und haben sogar noch Platz für einen Zuspätkommenden. Im orange-roten Meer wogen wir, die Hirne gefüllt mit Abseitsfallen, Fehlpfiffen, Holzfüssen, Kamikazefouls, Bananenbällen und natürlich den verzerrten Gesichtern aller angezählten sterbenden Schwäne, die im letzten Monat auf dem Weg ins Finale ihr wahres Gesicht gezeigt haben. De Jong fährt die Stollen aus, nach Neunzig stehts Nullnull, Iniesta holt aus, Stekelenburg ist geschlagen, die Furia Rioja säuft Champagner aus dem Kübel, oder Sangria. So schön es auch war, jetzt ist es vorbei.

Die anarchie des Fussballschauens. Eine Zürcher WM-Polemik TEXT Simeon Milkovski ILLUSTrATIon Michelle Moser

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iebter Juni Zweitausendundacht. Hunderte - mal mehr, mal weniger - rotweiss gekleidete Menschen sehen in eine Richtung, nach Westen, wo die Leinwand steht. Die Luft riecht nach Bier und Aschenbecher, das notorische Menschenmassensummen ist hier ein Gemisch aus Gegröl, Skandierungen und diesem kollektiven Seufzen, wenn der Pass nicht ankommt. Schweiz kickt den Ball gegen Tschechien. Es wird das Spiel sein, dass uns bei der Endabrechnung zum Gruppenletzten verdammt. Kurz vor der Pause ein Schrei, ein Zähneknirschen, und unser Nationalheld ad interim Alex Frei liegt auf der Bahre. Das Kollektiv stöhnt auf. Mehr Bier. Elfter Juni Zweitausendacht. Hunderte ziemlich rotweiss gekleidete Menschen (mittlerweile sind auch Blauweisse in unregelmässigen Abständen anzutreffen) sehen nach Westen, wo die Leinwand steht und Basel, in dessen Joggeli die Schweiz gegen die Türkei den Ball kickt. Es ist ein Spiel mit emotionaler Tiefe: win or die. Hakan Yakin bringt uns nach einer halben Stunde in Führung. Hoffnung? Regen setzt ein, Fussball wird zu Tipkick, von Pfütze zu Pfütze rollt der Ball. In Zürich scheint noch die Sonne. Nach Abpfiff ist klar – wir sind die Verlierer. Zum Weinen keine Zeit, der Himmel übernimmt dankbar die Aufgabe. Mit Wildfremden, die

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Die WM ist nicht einfach ein Wettbewerb, er ist Ereignis. Die WM ist nicht nur ein institutionalisierter Rahmen, die beste Fussballnation zu küren. Er ist ein Fest, er prägt den Sommer, in dem er stattfindet, er nimmt dem Monat vor den Schulferien seinen ätzenden Charakter. Er formt den Alltag. Es wird wieder Abseits erklärt und nicht verstanden werden müssen. Und die Mitbewohnerin, die sonst nicht mal den deutschen Nationaltorwart kennt, steht plötzlich mit dem Sixpack in der Tür und ruft « Zum Idaplatz! HOLLAND spielt gegen CHILE! ». Wann sieht man denn schonmal Chile spielen? Der World Cup führt zusammen. Das ist das Wichtigste. Und doch ist er ein Steilpass für unsere Stadt, um wieder mal zu zeigen, dass sie die unlustigste und biederste Provinz nördlich der Alpen ist, die sich noch Grossstadt schimpfen will. St. Gallen öffnet für die Spiele der Schweiz ihre AFG Arena, und das notorische gute Vorbild Basel erlaubt ihren Bars einfach, bis halb drei Uhr auch draussen zu senden. Zwar sind die Zürcher Regelungen nicht mehr ganz so absurd wie noch vor vier Jahren. Sie erinnern sich, WM live draussen ja, aber nur ohne Ton. Man stelle sich Südafrika ohne das stete Bzz der Vuvuzelas vor – zum Heulen. Einer der wenigen Fälle, in denen die Zürcher Regierung dann für einmal einlenkte, als sie gemerkt hat, dass sie diesen Irrsinn nicht mehr unter « Erlaubt ist, was nicht stört » verkaufen konnte. Wohl eher: Erlaubt ist, was nicht stört, da sowieso alles stört. Die Zürcher Regierung lässt sich zur heutigen WM sogar als überaus tole-

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URBANE GETRÄNKELIEFERUNGEN

rant zitieren. Klar, wenn ein Alternativer den Polizeichef stellt, kann er nicht wieder mit der Ton-ab-Masche daher geradelt kommen. Doch gut zwinglianisch wird Euphorie hinten angestellt, überlässt man die Grossanlässe Unternehmern wie Rolf Hiltl (Maag Halle) oder verklärt sie endgültig zu Massenkitsch (Bahnhofshalle, überhaupt erst ab den Achtelfinals). Für die Mitternachtsgruppenspiele werden WMSuchthaufen dann nach innen verbannt. Für grosse Outdooranlässe fehlt dem Gastrofilz wohl die Motivation, wie man an den kaum eingegangenen Bewerbungen ablesen kann. Auf Anfrage stellen sich die meisten Barbetreiber auf einen quasi-normalen Geschäftsgang ein: Letzte Runde auf den zweiten Abpfiff des Tages, das Mitternachtsspiel darf man sich dann zu Hause gönnen, wenn man will. Das SRF hat ja die Konzessionen.« Und überhaupt », so der lachende Gestus, « wer will denn schon Russland gegen Südkorea sehen? » Ich wette mit jedem einzelnen einen Kasten Bier, dass ich das Spiel Russland gegen Südkorea, angepfiffen um Mitternacht mittwochabends, irgendwo biernippend in der Runde mitverfolgen kann. Die WMAnarchie hat eigentlich nur einen Feind: die Schnösel und Hipster-Progressiven, die sich sowieso zu schade für solch einen Bauernevent sind. Doch die Schweiz ist ein

Volk voller Bauern und vielen dem Futbol sehr viel stärker zugeneigten Kulturen. Das kollektive Fussballgegucke alle vier Jahre entzieht sich einer nachvollziehbaren Grundlegung. Hier sind andere Kräfte am Werk, kurzlebige, hochdynamische Impulse, die die Gassen um zehn Uhr abends leer fegen oder vollpumpen. Wenn die Stadt Zürich meint, für Grabesstille auf den Strassen sorgen zu müssen, soll sie das doch tun. Wenn am 15. Juni England gegen Italien erst um Mitternacht angepfiffen wird, wird trotzdem jeder, der will, für seine Mannschaft johlen. Und muss sich dafür nicht, wie noch im 94, in eine semilegale nikotingefärbte Höhle mit kleinem Scharzweissbildschirm zurückziehen. Die einen werden vor Freude Biergläser durch die Luft schmeissen, die anderen werfen sich aus Frust durch die Fensterscheibe. Die Halbfinals werden alle erst frühestens Mitternacht abgepfiffen. Wer glaubt, die Langstrasse bliebe danach jeweils ausgestorben, kann nur im Zürcher Stadtrat walten. Es wird wieder gehupt, geprügelt, gekreischt, gesungen und auf Tramgleise gekotzt werden. Die Stadt wird wieder leben. Da hilft nicht mal mehr kein PublicViewing. thE END

simeon, Dreiundzwanzig. Philosoph, Musiker und quöllfrisch. Setzt zähneknirschend auf Deutschland und hofft auf alles andere.

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WM– SPEZIALAUSGABE /Elefantes Brancos

/Elefantes Brancos

ElEFaNtEs braNcos Was geschieht nach dem turnier mit den stadien? TEXT Konrad Stähelin FoToGrAFIE Conradin Zellweger

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ls « Weisse Elefanten » gelten an einer WM die Stadien, die für diesen einen Anlass gebaut wurden und Gefahr laufen, später kaum Verwendung zu finden. So geschehen in Südafrika, wo die Spielstätten nach der WM vor vier Jahren nur mehr nett ausschauen und im Unterhalt Millionen verschlingen. Auch Brasilien, im Gegensatz zu Südafrika ein Fussball-Land, plagt sich mit mehreren Problem-Arenen. Zwei prägnante Beispiele: Im « Estadio Mané Garrincha » von Brasilia spielt ein Zweitligist, der erfolgreichste Verein in der Dschungelmetropole Manaus ist sogar bloss viertklassig und zieht im Schnitt ein paar Hundert Fans an. Planspiele sind die Verwendung einiger Stadien für Konzerte oder Messen, in Manaus dachten Funktionäre zeitweise gar laut über eine Umfunktionierung zum Gefängnis nach. Mit einem interessanten Modell – in Europa wäre dies undenkbar – feierten die Stadionbetreiber in Brasilia während des ersten Betriebsjahres Erfolge: Drei der beliebten Klubs aus Rio (Flamengo, Fluminense, Vasco da Gama), die Anhänger im ganzen Land haben, nutzten ihr Heimrecht für Spiele im Mané Garrincha. thE END

Konrad stähelin, 24, ist freier Journalist aus Zürich.

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WM– SPEZIALAUSGABE

/Vier dinge, die Sie über die FIFA wissen sollten

/Vier dinge, die Sie über die FIFA wissen sollten

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So viel Steuern zahlt die Fifa Immer wieder geht das Gerücht herum, der als Verein organisierte Weltfussballverband zahle in Zürich keine Steuern. Das ist so nicht richtig. Gemäss Fifa-Finanzbericht bezahlte der Verband zwischen 2003 und 2010 rund eine Million Dollar in die Staatskasse. Von da an erhöhte sich die Zahl bis 2013 auf rund 17 Millionen Dollar. Der Verein bezeichnete seinen Steuerbeitrag als «freiwillig». Das ist falsch: Da er nicht steuerbefreit ist, muss er zahlen, wie jeder andere Verein auch. Ob die Fifa aus steuerrechtlichen Gründen als Verein organisiert ist, lässt sich schwer sagen. Das Zürcher Steueramt teilt auf Anfrage lediglich mit, dass Vereine einen etwas tieferen Steuersatz als Aktiengesellschaften haben (vier Prozent auf den Gewinn, statt acht Prozent) – «grundsätzlich werden sie aber gleich besteuert, wie Unternehmen.» Da nur auf den Gewinn Steuern erhoben werden, halten sich hartnäckige Gerüchte, dass die Fifa absichtlich grosse Verlust-Events durchführt und so das Geld umverteilt, damit die Steuerlast sinkt. Fragen an die Fifa: Über 1,3 Milliarden Dollar Umsatz, 72 Millionen Gewinn, 17 Millionen Steuern – lohnt es sich für die Fifa finanziell, sich als Verein zu organisieren? Schmälert die Fifa ihren Gewinn absichtlich, um weniger Steuern zu bezahlen?

Dinge, die sie über die Fifa wissen sollten TEXT Simon Jacoby ILLUSTrATIon Isabella Furler

Der Präsident möchte mit Herr Präsident angesprochen werden Joseph S. Blatter – so heisst einer der mächtigsten Männer der Welt, so heisst der allmächtige Präsident der Fifa. Der 78-jährige Walliser präsidiert den Weltverband seit 16 Jahren. Und kann nicht genug kriegen. Wahrscheinlich wird Blatter nächstes Jahr für eine weitere Amtszeit kandidieren. Man kann von ihm halten, was man will: Nicht mal seine schärfsten Kritiker können bestreiten, dass Sepp Blatter sein Handwerk versteht: Er hat die Fifa zentralisiert, als Präsident ist er praktisch unantastbar, die Kassen des Vereins sind prall gefüllt. Wenn Sie dem Fifa-Chef mal begegnen, sollten Sie folgendes wissen: Sepp Blatter möchte immer mit «Herr Präsident» angesprochen werden und ist ständig von zwei seiner wunderschönen und jungen «Assistentinnen» umgeben. Für Präsident Blatter ist der Fussball das wichtigste und grösste auf der Welt. Und in der Welt des Fussballs ist Präsident Blatter das wichtigste und grösste.

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Die Fifa – allmächtig, riesig, undurchsichtig – beschert uns alle vier Jahre wunderbare sommertage. Damit dieser Mega-Event durchgeführt werden kann, braucht es eine mächtige und gut funktionierende organisation: Die Fifa, der Weltfussballverband mit sitz in Zürich. Darüber gibt es unglaublich viel zu sagen. Wir haben vier aspekte rausgepickt und präsentieren diese in aller Kürze.

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Der Fussballverband setzt sich ein für Grundrechte «Die Welt ist von natürlicher Schönheit und kultureller Vielfalt geprägt, aber auch voller Ungerechtigkeit, da viele noch immer ihrer Grundrechte beraubt sind. Die Fifa hat deshalb die Pflicht, der Welt die Hand zu reichen und sie über den Hoffnungsträger Fussball zu berühren und zusammenzuführen.» So sieht der Fussballverband seine eigene Rolle. Das Spiel soll entwickelt werden, «wobei der völkerverbindende, erzieherische, kulturelle und humanitäre Stellenwert des Fussballs berücksichtigt werden soll.» Alle Menschen sollen teilhaben können. So will die Fifa einen globalen Beitrag zur Friedensbildung und sozialer Integration leisten. Wenn wir nach Brasilien oder Qatar schauen, kann diese Mission nicht immer optimal in die Realität umgesetzt werden: Auf den Baustellen sterben Arbeiter, Einheimische werden menschenrechtswidrig umgesiedelt, lokale Händler verlieren ihre Lebensgrundlage. Beispiel: Die Fifa vergibt Lizenzen an Grossunternehmen, die für die Verpflegung während der Weltmeisterschaft zuständig sind. Brasilianische Kleinverpfleger und Imbissstände werden weggewiesen. Anspruch und Wirklichkeit gehen nicht immer Hand in Hand.

Fragen an die Fifa: Was versteht die Fifa unter Grundrechte? Die Fifa will authentisch, integer und transparent sein. Stimmt es, dass das Gastgeberland der Fifa eine Steuerbefreiung garantieren muss? Stimmt es, dass die Bewerbung mit dem grössten Kostenvoranschlag gewinnt?

4

Die Fifa hat Geburtstag, Alles Gute! Die Fifa ist der grösste Sportverband der Welt und koordiniert den grössten Sportanlass der Welt. 1904 wurde sie in Paris gegründet, am 21. Mai 2014 wird die Fifa 110 Jahre alt – alles Gute zum Geburtstag! Der Fifa-Hauptsitz in Zürich ist die eigentliche Schaltzentrale des Weltfussballs. 209 Nationalverbände haben sich zu sechs Kontinentalverbänden zusammengeschlossen und der Verwaltung der Fifa unterstellt. Obwohl das nach föderalistischen Strukturen tönt, haben die National- und Kontinentalverbände wenig zu sagen. Alles, was mit den Weltmeisterschaften zu tun hat, entscheidet die Fifa: Trickotbestimmungen, Fernsehrechte, Verpflegung (Heineken ist das Fifa-Bier), Bälle, Vergabe der Austragungsorte, Abschaffung der Stehplätze in den Stadien… Mit dem Fussball hat die Fifa ein Konzept erschaffen, welches es ihr erlaubt, weltweit das Leben der Menschen zu beeinflussen. Und sie breitet sich immer weiter aus. Könnte man die Aktivitäten der Fifa als modernen Imperialismus bezeichnen, welcher unter dem Deckmantel des Sports versucht die Welt zu erobern? thE END

Disclaimer: Die Fragen im Text wurden der Pressestelle der Fifa zur Beantwortung vorgelegt. Leider hat der Verantwortliche Walter De Gregorio nur folgende (unverändert abgedruckte) Antworten zurückgeschickt: 1. Es ist immer wieder erstaunlich, wie Medien, die sich nie um Fussball kümmern, vor Weltmeisterschaften plötzlich fundierte Sonderbeilagen produzieren wollen. 2. Noch erstaunlicher ist, in welcher Tonlage von derlei Experten die Fragen an die FIFA gestellt werden wie in Ihrem Fall. 3. Auf Suggestivfragen gibt es keine Antworten, da die Suggestivfrage ja bereits die Antwort impliziert – wenn auch nur die Ihrige. 4. Sie dürfen das Obige abdrucken, soviel zur Transparenz.

simon Jacoby, setzt voll auf Deutschland als Weltmeister und freut sich darauf, an der WM mal alle 17 verschiedenen Fussball-Shirts passend verwenden zu können. Daneben: Co-Leiter dieperspektive, 25, blaue Augen, unsingle

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WM– SPEZIALAUSGABE

/die schweigende Millionen–Metropole

Die schweigende 20 Millionen – Metropole

/die schweigende Millionen–Metropole

Im Bau befindliche Arena Corinthians - drei Arbeiter sind bei den Bauarbeiten umgekommen.

S

« Ich kann mich noch an die Vorbereitungen der letzten sechs Weltmeisterschaften erinnern. Keine war so traurig wie diese. » Leandro Giga

TEXT Conradin Zellweger FoToGrAFIE Leandro Giga

ão Paulo hat fünf grosse Fussballclubs. Jeder der fünf Stadtclubs hat ein Stadion - alle haben sie mehr Plätze als der Zürcher Letzigrund. Die Arena Corinthians ist das Stadion wo das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien stattfindet. Im Mai - nicht mal einen Monat vor der Weltmeisterschaft steht das Stadion noch im Bau. Kranen stehen noch und Erde wird mit riesen Lastwagen angeliefert. Den Arbeitern merkt man den knappen Zeitplan nicht an. In São Paulo ist es still. Anders als in Rio de Janeiro wo die Leute den Frust über die Bedingungen der Weltmeisterschaft auf die Strasse hinausschreien und es regelmässig zu gewalttätigen Demonstrationen kommt. In São Paulo ist es still. Verdächtig still. Die Arena Corinthians wird auf die WM hin fertig sein. Die Fernsehkameras werden die lachenden Kinder zeigen, wie sie mit den Nationalhelden auf das frische Grün hinaustreten. thE END

16

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LASS ES rAUS! /das Programm

/die schweigende Millionen–Metropole

« Ich erinnere mich, dass wir als Kinder immer die Strassen bemalt haben, wenn es Richtung WM ging. Heute feiert in São Paulo niemand den nahenden Cup. » Leandro Giga

leandro Giga, begann mit 15 Jahren zu fotografieren. Heute sucht er in Bildern die Emotionen und Details, die im Alltag zu flüchtig sind um Beachtung zu finden. Ist Musiker und hat eine zwiespältige Beziehung zu seiner Heimatstadt São Paulo.

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/das Programm

/das Programm

TRYAnGLE LASS ES RAUS ! Dasdreieckige Beobachtungsfeld TRYANGLE LASS ES RAUS ! ist eine künstlerische Reaktion auf das globale Mega-Event „FIFA Fussball - Weltmeisterschaft Brasilien

untersucht die Auswirkungen des globalen

2014“. Ein mehrspuriges, interdisziplinäres Performance - Projekt, welches die Auswirkungen der WM auf die Kultur der Stadt

Mega - Events „Fussball - WM“, auf die Kultur

Zürich beobachtet und sich positioniert.

der Stadt Zürich. Zwischen den Koordinaten

BULLInGERPLATz

Südbühne - Idaplatz - Bullingerplatz, inden „Das Theater ist etwas absolut schlechtes: eine Bühne der Illusionen und der Passivität, die man zugunsten dessen aufheben

gleichzeitig zu WM-Spielen Performances

muss, was sie verbietet, zugunsten der Erkenntnis und der Handlung, der Handlung des Erkennens und der vom Wissen

bei Public Viewings statt. Starte mit uns bei

werden, wo sie aktive Teilnehmende werden, anstatt passive Voyeurs zu sein.“ Der emanzipierte Zuschauer; Jacques Rancière

BA

DE

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RS

A SS

E

WATCh FOR ThE BIKE ! KASERnEnAREAL

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der Südbühne oder:

BäCKERAnLAGE

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SEEBAHNSTRASSE

geleiteten Handlung. (...) Man braucht ein Theater ohne Zuschauer, wo die Anwesenden lernen, anstatt von Bildern verführt zu

HE RS TR AS SE

IDAPLATz

LASS ES RAUS !

23. Mai 2014 | 20 Uhr

Eröffnungsparty

SÜDBÜhnE

21 UhR

GESSnERALLEE

TRYAnGLE

17 UhR

20 UhR

Südbühne

Performances / Installationen

START: Südbühne

START: Südbühne

TRYAnGLE

12. Juni 2014 | 20.00 Uhr

STADTRAUM

Performances / Installationen

15. Juni 2014 | 17.00 Uhr

START: Südbühne

START: Südbühne

Einführung TRYAnGLE 12. Juni 2014 im Anschluss WM-Eröffnungsspiel & Tanzveranstaltung

20. Juni 2014 | 20.00 Uhr 25. Juni 2014 | 21.00 Uhr 04. Juli 2014 | 17.00 Uhr 05. Juli 2014 | 17.00 Uhr

COORDInATIOn MODEL Molly Haslund, Anja Lina Egli

08. Juli 2014 | 21.00 Uhr

SChIzOPhOnIA Séverine Urwyler

09. Juli 2014 | 21.00 Uhr

AEkE motion Dominik Fornezzi

15. Juni 2014

20. Juni 2014

25. Juni 2014

12. Juli 2014 | 21.00 Uhr

PEnTAGOn I - III

21. Juni 2014 | 20 Uhr

GESSnERALLEE

Performance - Reihe

28. Juni 2014 | 20 Uhr

Südbühne

12. Juli 2014 | 20 Uhr

COORDInATIOn MODEL Molly Haslund, Anja Lina Egli unDRIVEn WM-SPEzIAL Niklas Leifert 4. Juli 2014

8. Juli 2014

5. Juli 2014

9. Juli 2014

SPIEL UnD RITUS Ines Wuttke AEkE motion Dominik Fornezzi PERCEPTIOn BREAD Martin Schinagl

GAME

04. | 05. Juli 2014 | 24 Uhr

GESSnERALLEE

Tanzperformance

06. Juli 2014 | 20 Uhr

Südbühne

COORDInATIOn MODEL Molly Haslund, Anja Lina Egli unDRIVEn WM-SPEzIAL Niklas Leifert SPIEL UnD RITUS Ines Wuttke 12. Juli 2014

LASS ES RAUS ! FinalParty

12. Juli 2014 | 24 Uhr

GESSnERALLEE Südbühne

AEkE motion Dominik Fornezzi CIRCLE PERFORMAnCE Haslund PERCEPTIOn BREAD Martin Schinagl


WM– SPEZIALAUSGABE

/das Programm

PENTAGON I - III Die

dreiteilige

/die ewigen Zweiten – Holland will mehr

AEKE MOTION

Performance-Reihe

SCHIZOPHONIA

Trans - Projekteur Dominik Fornezzi

Die

‚PENTAGON‘ mit den Headlines „Ekstase

observiert

sammelt

- Schlachtfeld - Korruption“ spielt mit

Schauen. Experimental - Zonen werden

Fussballspiele.

Hintergründen der Fussball - WM. Die

abgesteckt,

Soundinstallation ‚SCHIZOPHONIA‘ kann

Kuratoren Dominik Fornezzi, Anja Lina

eingefangen,

Egli, der Schauspieler Nicolas Batthyany

ausgespuckt. Ein Live - Reenactment

kollektiver

und die Redaktion der Zeitung „Die

einer kulturanalytischen Messung, das der

die Haut gehen lassen. Erregte Fans

Perspektive“

Frage nachgeht, wie es zustande kommt,

erfahren durch ‚SCHIZOPHONIA‘ Zustände

den Reiz der Eventität, rauschen durch

dass ein Ich sich fühlt.

tiefer Entspannung. Die Einverleibung

temporäre Ausnahmezustände, verfolgen

www.fornezzi.com

ekstatischer Rhythmen und der eigene

durchforsten

gemeinsam

systemisch

öffentliches

kollektive

Emotionen

verwertet

und

wieder

Künstlerin

Soundscapes In

Urwyler

ausgewählter

ihrer

inneraktiven

sich jeder den akustischen Ausdruck

Körper

maiöse Hintergedanken und prügeln sich

Séverine

Emotionen

als

direkt

Resonanzraum

unter

-

beim lorentinischen „Calcio Storico“ -

meditative Fussballerfahrung.

dem historischen Fussball, ohne Regeln,

www.severineurwyler.blogspot.ch

eine

mit Fäusten.

UNDRIVEN WM-SPEZIAL

SPIEL UND RITUS

GAME Ein

Hegemonie sein. Mathias Ringgenberg

imaginären Bühne, einem Spielfeld, bei

Während sportlicher

inszeniert unter dem Motto des Spielens

dem sich die Grenzen zwischen Akteur

geraten politisch und gesellschaftlich

die Tanzperformance ‚GAME‘. Eine Gruppe

und Zuschauer aulösen. Die Szenograin

brisante

junger Männer im Austausch mit ihrem

und Performance-Künstlerin Ines Wuttke

den

Mann-Sein. Durch virtuose Etüden wird

inszeniert Ritual - Zeremonien, welche

Aufmerksamkeit.

ein

die Schnittstelle zwischen Realem und

Dem gilt es entgegenzuwirken: Ab dem

weitere

Fiktivem aufgreift und transformiert. Um

Viertelinale lädt Niklas Leifert sieben

Männlichkeitsdiskurse aufgreift. ‚GAME‘

in den rauschhaft - liminalen Zustand

Experten aus verschiedenen Städten in

ist die „Boy-Group“, die sich wieder einmal

des Fussballspiels zu gelangen, werden

sein mobiles Studio ein. Die Gespräche

Zeit nimmt, miteinander zu spielen.

gemeinsam Übergangsrituale vollzogen.

werden zeitgleich zu den Spielen per

www.ineswuttke.de

Livestream in die Südbühne übertragen.

Konkurrenz-

und

ausgetragen,

Differenzkampf

welcher

Public

Viewing

-

Ort

wird

Brot und Spiele sind nicht genug!

Das Opfer seiner eigenen männlichen

zur

Themen

Grossereignisse

in

Hintergrund

der

der

Regel

in

allgemeinen

www.undriven.net

COORDINATION MODEL

PERCEPTION BREAD ,PERCEPTION

BREAD`

ist

ein

KultTalkGipfel

‚COORDINATION

MODEL‘

nennt

die

CIRCLE PERFORMANCE Die

dänische

Performance

und

über

dänische Künstlerin Molly Haslund ihre

Installationskünstlerin

Hyperindividualisierung,

auf

Rädern.

partizipative Installation, bestehend aus

zeichnet

Mit

und

exakten

acht Schaukeln, die während der WM vor

Zirkeln Kreise in das ‚TRYANGLE‘. Diese

projiziert

der Südbühne steht. Der ofizielle Slogan

partizipative Performance wird zu einem

der

philosophischer gelebter

Analysen

Präsenz

moderiert

und

mit

drei

Molly

-

Haslund

überdimensionalen

Fussball-Weltmeisterschaft

tänzerischen Akt, der unser Verhältnis

Martin

Brasilien 2014 lautet: „All in one rhythm“.

zum öffentlichen Raum während der WM

Schinagl, zeitgleich zu WM-Spielen, aus

Die Installation als kritisch - spielerische

relektiert.

und um den ,PERCEPTION BREAD` -

Analogie zum Slogan ist eine Aufforderung

www.mollyhaslund.com

Tourbus.

der Künstlerin zur öffentlichen Beteiligung

www.perceptionbread.com

und Interaktion. www.mollyhaslund.com

der

österreichische

Schriftsteller

und

Filmemacher,

Entertainer

FIFA

Die ewigen Zweiten – holland will mehr TEXT

Corsin Manser

J

ohannesburg, 11. Juli 2010, 21:51 Uhr. Es läuft die 62. Minute im WM-Final zwischen Spanien und Holland. Robben schnappt sich nach einem Traumpass von Sneijder das Leder und kann alleine auf Iker Casillas losziehen. Eine Nation hält den Atem an. Auf dem Museumsplein in Amsterdam haben sich 180‘000 Supporter der Niederlande versammelt und setzen zum epischen Jubelschrei an. Doch ... es kommt ganz anders. Mit einer Glanzparade vereitelt der Spanische Schlussmann diese absolute Topmöglichkeit und hält das 0:0. Der Rest des Spiels ist bekannt. Andres Iniesta knallt in der 116. Minute per Volley die Kugel zum entscheidenden 1:0 in die Maschen und versetzt ganz Fussballholland in Schockstarre. Spanien wird Weltmeister, Holland Vizeweltmeister. Wieder einmal. Nach 1974 gegen Westdeutschland und 1978 gegen Argentinien bedeutet die Pleite gegen Spanien bereits die dritte Niederlage in einem WM-Final für die Oranjes. Noch nie konnten die Mannen aus dem Tulpenland eine WM Endrunde für sich entscheiden. Dies hat sich tief ins kollektive Fussballgedächtnis eines jeden Holländer eingebrannt und tiefe Narben hinterlassen.

« Dieses Mal soll nun alles anders werden. Einiges spricht dafür, vieles dagegen »

Dieses Mal soll nun alles anders werden. Einiges spricht dafür, vieles dagegen. Louis van Gaal, Coach der « Elftal », Corsin Manser kann vor allem im Angriff auch an dieser WM auf absolute Topstars zählen. Mit Spieler wie Robben und van Persie hat Holland nach wie vor Stürmer von absolutem Weltklasseformat in seinen Reihen. Besonders Arjen Robben zeigte bei Bayern München eine Bombensaison. Er strotzt nur so vor Selbstvertrauen. Van Persie hatte nach mehreren klasse Saisons in der Premier League heuer einen etwas schwereren Stand. Mit « nur » 12 Treffern für Manchester United blieb er diese Saison deutlich unter seinen Möglichkeiten. Dass er aber zu den allerbesten seines Metiers gehört, muss er wohl keinem mehr beweisen. Angeführt von den beiden Tormaschinen, spazierten die Holländer auch dementsprechend locker durch die WM-Qualifikation und vermochten auf ganzer Linie zu überzeugen. So weit so gut also, doch Hand aufs Herz liebe Fussballfreunde! Kennen Sie Spieler wie Martins Indi, Daryl Janmaat oder Joel Veltman? Wohl kaum. Diese jungen Herren sollen an der WM aber Knipser wie Diego Costa in die Schranken weisen. Ob der Totalumbau der Holland-Defensive erfolgreich sein wird, steht noch völlig in den Sternen. Dazu kommt der blamable Auftritt der Niederländer an der letzten EM in der Ukraine. Alle drei Spiele gingen damals verloren. Auch bei der 0:2 Niederlage im letzten Freundschaftsspiel gegen Frankreich vermochte die Van Gaal-Truppe alles andere als zu überzeugen. Salvador da Bahia, 13. Juni 2014, 16:00 Uhr. In diesem Augenblick beginnt das erste Spiel der Gruppe B. Wieder trifft Holland auf Spanien – die grosse Finalreprise von Südafrika bereits am zweiten Spieltag der WM. Die anwesenden Holland-Fans sind sich sicher, dieses Mal packen es Robben und Co. Denn in einem sind die Oranjes und ihr Anhang nämlich schon lange Weltmeister – in Sachen Optimismus! thE END

corsin Manser, ist 26 und studiert im Master Zeitgeschichte in Fribourg. Nebenbei schreibt er sich bei Watson die Finger wund und lässt bei seiner Tätigkeit als Barkeeper in der Maag Halle die Herzen seiner Kunden höher schlagen. An der WM wird der Schweiz-Holländische Doppelbürger sowohl den Oranjes als auch den Eidgenossen die Daumen drücken. 23


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“I’ve had two h i g h - p r o file Premier League football clients in the past five years who’ve been gay or bisexual and my advice has been not to make that public. For a top player to come out, I would envisage they’d be a hard man, with Here me out before you thumb of my sexuality’ When he scores, he an established reputation, and perhaps a year or two at most me down and kill me. At training, sometimes puckers up and blows kissleft in the game, so if coming out brought too much hardship, it he wore his jumper like a girl tie- es to the crowd his calender of 2007wouldn’t matter so much professionally.”

/Take Me I'm Yours

WM– SPEZIALAUSGABE

“THEY ARE MAYBE GAY

A Publication by Mathias Ringgenberg

BUT THEY AREN’T ALOWED TO SAY.”

“Do I think that’s right? Of course not,” he added. “It’s a very sad state ing it up like a bra He wore a hat 08 features him lying on the beach of affairs. But it’s a fact that homophobia in football is as strong now as with a lower in it some time ago with sand on his stomach whilst other it was 10 years ago. If you’d asked me in 2000 whether I thought we’d have a famous, openly gay footballer by 2010 I would have said yes. and came off with ‘i’m proud footballers are scoring a goal “You look across society and see openly gay people in music, movies, television, politics, the clergy, and it’s not a problem, nor in many sports. It’s not that footballers are homophobic but the fans can be vicious.”

TAKE ME I’M YOURS Sunday 17 October 2010

Coach M.L. has previously stated that in 40 years in football he has never met a homosexual and that there are no gay players. A Publication by Mathias Ringgenberg

TAKE ME I’M YOURS Sunday 28 November 2010

The Soia (Bulgaria) News Agency and 7 Dni Sport are reporting that four soccer players have been expelled from their club in Varna, Bulgaria, for having sex in the team locker room. Oficials with the MAX club discovered the four having sex with one another in the locker room. Coach G.D. has conirmed the expulsion with 7 Dni Sport, saying that the homosexual players were kicked out for damaging the club's reputation.

/Take Me I'm Yours

ITALY COACH NO TO OPENLY GAY COUPLES

thE END

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Mathias ringgenberg was born in Rio de Janeiro, Brazil, in 1986. He worked with various crafts and techniques, but was always focussing on human behavior, the analysis of minorities or a certain perspective on an event. Since February 2013, Mathias been enrolled in the course Master Scenic Arts Practice at Berne University of the Arts. In collaboration with Nils Amadeus Lange, he has written concepts and produced performances which were shown at PREMIO Switzerland at Kunsthalle Berne, Festival Les Urbaines in Lausanne and several galleries. Mathias also creates solo performances.

SEX IN THE TEAM LOCKER ROOM.

quirements of team morale. "In the current climate, two national team players could never be involved in an open relationship," he told a web-TV station. "This is not a question of culture but is more related to the fact that such a relation would create conlicts contrary to the interests of the dynamics of the group. "Imagine how a homosexual couple in football would be perceived. "Even if, socially, most people would support and understand such a situation it would nonetheless become magniied and eventually would be viewed negatively." M.L. has previously stated that in 40 years in football he has never met a homosexual and that there are no gay players. He also said that he would have no problems picking a gay player but that person would ind it hard to live as an openly gay footballer.

EXPELLED FOR GAY SEX

Rome — Italy coach M.L. on Wednesday said he would not select two players for his squad if they were openly involved in a homosexual relationship. But the veteran coach, who led Italy to World Cup glory in 2006, insisted that choice was not due to homophobia but due to the re-


WM– SPEZIALAUSGABE

/Interview mit dem Brasilienkenner Martin Curi

/Interview mit dem Brasilienkenner Martin Curi

« Dank der WM schaut plötzlich jeder hierhin » Der anthropologe Martin curi über brasiliens umgang mit Fussball und die bedeutung der WM . InTErVIEW

Konrad Stähelin, rio de Janeiro

M

artin Curi hat das I p a n e m a -Vi e r t e l als Treffpunkt für unser Gespräch ausgesucht. Weil das Glacé hier so gut ist. Noch famoser aber ist der Strand, wo sich Surfer und Volleyballer austoben, weltbekannt seit den 1960ern dank dem Bossa-Nova-Hit « The Girl from Ipanema ». Damals dominierten die Künstler das Quartier, heute wohnen und shoppen hier die besser Betuchten von Rio. Im letzten Sommer demonstrierte die junge Mittelschicht in diesen Strassen. Wer sie heute begeht, sieht Gentrifizierung, Blechlawine und Touristen. Ein Land, das sich seit der Machtübernahme der Sozialisten 2005 konstant verändert. Aktuell schaut ihm die ganze Welt dabei zu. Martin Curi, warum ist Brasilien das « Land des Fussballs », wie Sie es in Ihrem Buch beschreiben? Weil der Fussball hier allgegenwärtig ist. Am sichtbarsten ist sein Dominanz, wenn die Nationalmannschaft, die Selecão, an einer WM spielt. Dann schliessen alle Geschäfte, jede und jeder sitzt vor dem Fernseher. Die Schweizer Armee könnte in zwei Minuten das ganze Land einnehmen, keiner würde es mitkriegen. Eine WM ist der Nationalfeiermonat Brasiliens. Auch wenn die Selecão schlecht spielt? Dann tritt der Strassenköter– Komplex ein. Wie bitte? Brasilien schaute schon immer zu den Industrieländern auf, wollte modern sein, fühlte sich aber minderwertig. Wenn man Weltmeister wird, ist man auf Augenhöhe, hat die ehemaligen Kolonialherren besiegt. Wenn nicht, geht die grosse Diskussion los, wo die Probleme des Landes liegen. Man fühlt sich erniedrigt, sucht Schuldige. Ein Schriftsteller hat diese Haltung vor Jahrzehnten mit der eines Strassenköters verglichen. Warum ist nicht einfach der Trainer schuld oder die Manschaft schlecht? Über den Fussball werden gesellschaftliche Themen dramatisiert. Ein Beispiel: 1950, während der bisher einzigen Heim-WM, fühlte man sich als multikulturelles Land dem als rassistisch wahrgenommenen Rest der Welt überlegen. Auch in der Selecão spielten Spieler verschiedener

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Hautfarben friedlich zusammen, und das sogar erfolgreich, man war haushoher Favorit. Als man aber das entscheidende Spiel gegen Uruguay verlor, wurden die dunkelhäutigen brasilianischen Spieler zu Sündenböcken erklärt. Sie hatten das Volk vertreten und versagt, also hatte auch das Volk versagt. Würde Brasilien nicht Weltmeister, hätten also wieder die dunkelhäutigen Spieler Schuld? Nein, diese Diskussion über die Hautfarbe ist längst abgeflacht, sie entsprach damals dem Zeitgeist. Heute sind andere Themen aktuell. Wohl diejenigen, für die während des Confederations-Cup im letzten Juni Millionen Brasilianer auf die Strasse gingen... Genau. Auch wenn man kein Spiel verlor, war das auch so ein Moment, in dem man letztlich diskutierte: Wie soll Brasilien sein? Man brauchte dafür wieder ein Fussballturnier. Und wie soll Brasilien für die Demonstranten sein? Wenn Sie das zehn Demonstranten von damals fragten, würden Sie zehn verschiedene Antworten kriegen. Einen Grundtenor gab es aber doch: Die Wirtschaft wächst zwar seit Jahren, für genügend Ärzte, Bildung oder öffentlichen Verkehr scheint aber kein Geld vorhanden zu sein. Der Protest richtete sich ausserdem gegen die Korruption, die diesem Politiksystem immanent ist. Im Kreuzfeuer der Kritik stand Präsidentin Dilma Rousseff (Arbeiterpartei). Hängt ihre Wieder wahl im Oktober auch vom Ausgang der WM ab? Hundertprozentig, die WM wird zu einem Wahlkampfthema. Obwohl der Fussball dann nicht so wichtig ist. Die Leute hoffen, dass mit der Organisation alles klappt. Rousseff hätte die Wiederwahl dann auf sicher. Aber wie würde das Land nur vor der Welt dastehen, wenn etwas schiefginge? Als Schwellenland halt, da kann schon mal was daneben gehen. Das ist eine arrogante Haltung der Industrieländer, die mich unglaublich stört. Niemand hat die Turniere in Frankreich oder Deutschland infrage gestellt. Wenn nun Südafrika oder Brasilien die WM durchführen, müssen sie sich ständig rechtfertigen. Was sollte die ewige Frage

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/Interview mit dem Brasilienkenner Martin Curi

vor der WM, ob die Stadien rechtzeitig fertig werden? Natürlich! Da sind internationale Grossunternehmen am Werk. Als Planer und Architekten vielleicht. Die Generalunternehmer sind Brasilianer, und auf deren Baustellen sind bei Unfällen schon sieben Arbeiter gestorben. wird laut Als ob es keine Bauunfälle in Deutschland gäbe! In der gleichen Woche, wie in São Paulo der Kran aufs Stadiondach gefallen ist und zwei Arbeiter umgekommen sind, ist in Hessen ein Kran in einen Supermarkt gestürzt. Eine Frau ist gestorben. Nur hat über das erste Ereignis am nächsten Tag die ganze Welt diskutiert, nach dem anderen hat kein Hahn gekräht. Wir selektionieren die Nachrichten nach Stereotypen – der Deutsche sei so super organisiert, der Brasilianer nun mal nicht. Auf den Stadionbaustellen für die WM 2006 in Deutschland ist kein Arbeiter gestorben. Ist das Zufall? zögert Ich glaube, ja. Aber ich bin kein Ingenieur, ich kenne die Sicherheitslage auf den Baustellen nicht genau. Die internationalen Journalisten, die die Brasilianer regelmässig zur Schnecke machen, aber auch nicht. Die Welt hatte 2006 von Deutschland eine perfekt organisierte WM erwartet und erhalten. Sie hat das Land aber auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt, es vielleicht erstmals als freundlich wahrgenommen. Kann die WM ein Land verändern oder bloss dessen Image? Eine WM allein kann niemals ein Land verändern. Aber sie kann Prozesse anstossen, wie wir in Brasilien beobachten können. Und sie kann wie im Falle Deutschlands das Image eines Landes in der Welt beeinflussen. Bisher hatte der Rest der Welt von Brasilien vor allem Bilder von Strand und Lebensfreude im Kopf. Klar, wer mag das schon nicht? Ein Ziel der Regierung war auch, mit diesem Image Touristen anzulocken. Die Demonstrationen haben dem etwas hinzugefügt. Jetzt denken viele: Toll, eine letzte WM in einem demokratischen Land, bevor sie in Russland und Katar stattfindet. Werden die Leute während der WM wieder auf die Strasse gehen? Es wird bestimmt Demonstrationen geben. Die Frage ist die nach dem Ausmass: Die Luft ist nach dem ersten Mal ein wenig raus. Ausserdem haben zwar die grössten Demonstrationen während des Confederations-Cup zeitgleich mit den Partien der Selecão stattgefunden; während einer WM ist das aber undenkbar, dafür ist das Spiel zu wichtig. Und letztlich wird sich die Polizei geschickter verhalten als im letzten Sommer.

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Sie war damals ziemlich rabiat, gelinde gesagt. Die Taktik war: Tränengas schiessen und auf alles draufknüppeln, was sich bewegt. Sie hat damit noch mehr Demonstranten mobilisiert, ohne es zu wollen. Die Polizei ist laut Menschenrechtsorganisationen auch für Tausende von illegalen Zwangsumsiedlungen für Infrastrukturprojekte verantwortlich. Es wurde viel darüber geredet, dass die Polizeistrategien sich ändern müssten. Das ist ein weiterer Erfolg der WM. Ausserdem hinterlässt sie ein paar Infrastrukturprojekte, zwölf Stadien und ein grosses Loch in der Staatskasse. Sie ist mit bis zu 33 Milliarden Reais (rund 12 Milliarden Franken) die teuerste der Geschichte. Und das in einem Land, in dem laut Weltbank einer von fünf Einwohnern arm ist. Ohne die Ausgaben verteidigen zu wollen, bemühe ich hier einen Vergleich des brasilianischen Sportministers Aldo Rebelo: Eine WM ist wie eine Hochzeit. Nicht jeder hat das Glück, ein solches Fest schmeissen zu dürfen. Wenn er also an der Reihe ist, lädt er unglaublich viele Leute ein und gibt viel Geld dafür aus. Denn an der Party werden wichtige Kontakte geknüpft. Deswegen muss ich an meiner Hochzeit doch nicht gleich ein Jahresgehalt verprassen. Im Konzert der Grossen ist Brasilien ein Schwergewicht, das Land fühlte sich aber zu wenig wahrgenommen. Nun schaut jeder hierhin. Nochmals: Man hätte es billiger haben können.

Klar, hätte man. Aber warum war die Hochzeit von William und Kate so beeindruckend? Weil geprotzt wurde. Der Sport hat für die Imagearbeit von Ländern eine wichtige Aufgabe übernommen. Wer meint, es wäre besser für ein Land, ein solches Turnier nicht zu übernehmen, liegt falsch. Ausserdem haben in der Vergangenheit immer diejenigen Bewerber den Zuschlag für die WM erhalten, die den höchsten Kostenvoranschlag gemacht hatten. Damit merkt die Fifa, dass dort am meisten Geld fliessen wird. Wer sich umhört, der merkt: In Brasilien ist das öffentliche Bild des Weltverbandes ziemlich beschädigt. Nachdem sie den Zuschlag erhalten hatten, dachten die Brasilianer, sie dürften nun eine WM nach ihren Vorstellungen organisieren. Sie haben bald gemerkt: Nicht wir machen die WM, die Fifa macht sie. Sie hat nun das Bild eines Imperialisten, eines kapitalistischen Eindringlings, der nicht einmal Steuern bezahlt. Wie würde die WM ausschauen, wenn Brasilien sie organisiert hätte? Natürlich ist ein grosser Teil der Fanwünsche Fantasie. Stehplätze zum Beispiel hätten auch brasilianische Organisatoren nicht zugelassen. Was aber wirklich kritisch gesehen wird, ist die grossräumige Abgrenzung der Stadien. Einerseits können ambulante Händler ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Weiter hatten aber sogar Anwohner Probleme, in ihre Wohnungen zu gelangen oder Freunde nach Hause einzuladen. Die Fifa hätte da mehr Fingerspitzengefühl zeigen können.

gib din

däzue

thE END

Konrad stähelin, 24, ist freier Journalist aus Zürich.

Martin curi Der 38-jährige Deutsche ist Anthropologe und Autor und lebt seit 2002 in Rio de Janeiro. Er forscht am brasilianischen Nationalmuseum zum Einfluss der Fussball-Weltmeisterschaft 2014 auf die Gesellschaft. Er ist mit einer Brasilianerin verheiratet. Nach der Biographie « Friedenreich – Das vergessene Genie » 2009; (Verlag die Werkstatt, 128 s.) publizierte Curi 2013 « Brasilien - Land des Fussballs » (Verlag die Werkstatt, 352 s.)

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WM– SPEZIALAUSGABE

/die WM und die Schweizer

/die WM und die Schweizer

Die WM und die schweizer TEXT Marius Wenger ILLUSTrATIon Simone Hörler

Der Fussballliebhaber

G

emäss Wikipedia gilt die Fussball-WM als zweitwichtigstes Sportereignis der Welt, direkt nach den Olympischen Spielen. Dass das Quatsch ist, weiss hierzulande jedes Kind. Die Fussball-Weltmeisterschaft ist erstens definitiv das allerwichtigste Sportereignis der Welt und zweitens definitiv mehr als nur ein sportliches Grossereignis ist. An der Fussball-WM kommt hierzulande keiner vorbei, während einem Monat ist sie omnipräsent und beeinflusst das tägliche Leben von uns allen, ob wir nun wollen oder nicht. Selbst die paar Wenigen, die versuchen der WM zu entwischen, müssen sich dazu dermassen anstrengen, dass auch sie nicht mehr behaupten können, ihr Leben laufe von der WM unbeeinflusst weiter. Was geschieht also mit Schweizerinnen und Schweizern, wenn sie so plötzlich und unvorbereitet mit dem Phänomen WM konfrontiert werden? Die Reaktionen verlaufen unterschiedlich. Der Versuch einer Typisierung. Der Fussballliebhaber Für den Fussballliebhaber ist die WM-Zeit wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Die Vorfreude auf die WM beginnt jeweils vier Jahre zuvor, unmittelbar nach dem das Finalspiel des vorhergehenden Turniers abgepfiffen wurde. 64 Fussballspiele innerhalb von 31 Tagen sind für ihn das höchste der Gefühle. Auf die WM hat er sich dementsprechend auch intensivst vorbereitet. Egal, ob es um die Siegeschancen beim Spiel Elfenbeinküste gegen Japan geht, wer auf Platz 17 der ewigen Torschützenliste steht, wie der zweite Halbfinal der WM 1978 ausgegangen ist – der Fussballiebhaber weiss alles. Das Wunder von Bern scheint ihm genauso präsent wie das Stadtderby von vergangenem Sonntag. Er ist der Experte wenn es um Fussball geht, deshalb duldet er auch keinerlei Widerrede. Und wehe du versuchst ihm trotzdem klarzumachen, dass da kein Abseits war, wo er eins gesehen hat! Alles in allem ist der Fussballliebhaber aber ein friedlicher Mitmensch während der WM. (Klar, er befindet sich ja auch in einem vierwöchigen glücklichen Flash-Zustand.) Schöne Spiele und verdiente Sieger sind ihm wichtiger als der Sieg seiner Lieblingsmannschaft, und er freut sich durchaus, wenn weniger fussballaffine Freunde plötzlich Interesse für sein Ein und Alles zeigen. 1

Der gelangweilte Ultra

Der gelangweilte Ultra Für den FCZ-/FCB-/GC-/etc.-Ultra ist Fussball ebenso wie für den Fussballliebhaber Lebensinhalt. Und doch verstehen sich die beiden ganz und gar nicht. Der 2

Der Fussball–Patriot

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Ultra – übrigens nicht mit dem Hooligan gleichzusetzen – lebt für seinen Klub, und insbesondere seine Fangruppierung. Er verpasst kein Auswärtsspiel seines Vereins, die andern Ultras sind seine Familie. Während der WM wird’s ihm dann aber plötzlich zu bunt. Wenn Krethi und Plethi plötzlich fussballbegeistert ist, wenn Basler und Zürcher sich nach Xherdans Führungstreffer in den Armen liegen, dann packt den Ultra schon mal die Angst, dass es zu Ende geht mit der Fankultur, für die er lebt. In dieser Kultur nämlich macht Fussball nur dann Spass wenn der eigene Verein auf dem Platz und die Mit-Ultras neben einem in der Kurve stehen. Fussball des Klubs wegen, nicht Fussball des Fussballs wegen. Ihm ist ebenso unerklärlich, dass die WM« wichtigstes Fussballereignis » genannt werden kann, wo doch sein Verein gar nicht dabei ist, und dass jemand Fussball nur der schönen Spiele wegen verfolgt. Noch schlimmer ist für den Ultra nur noch die Friede-Freude-EierkuchenStimmung, die während der WM an jeder Strassenecke mit Fernseher herrscht. Der Fussball-Patriot Den Fussball-Patrioten gibt’s in zwei verschiedenen Unterarten. Der Typische Patriot reist an alle Spiele der Schweizer Nati. Und alle Spiele heisst, dass ihm nicht nur Joggeli und Wankdorf bestens bekannt sind, sondern auch die Nationalstadien in Luxemburg, Reykjavik und Baku. Die Reisen an die Auswärtsspiele gehören zu seinen persönlichen Highlights. Manchmal plagt ihn zuerst ein mulmiges Gefühl, wenn er sieht in welche Stadt es bei der nächsten Reise geht, da es dort ja schon nicht unbedingt so sauber ist und die Einheimischen mit gegnerischen Fans weiss Gott was machen. Wenn das extra gecharterte Flugzeug dann abhebt freut er sich doch jedes Mal wie ein kleines Kind, denn er weiss, ein Flugzeug gefüllt mit seiner Spezies, da ist er sicher, und da wird die Reise bestimmt sauglatt. Praktisch, dass sich die Fussball-Patrioten leicht an ihrer Kleidung erkennen können: Rotes T-Shirt mit weissem Kreuz, rotes Sennenkäppi mit weissem Kreuz, beliebtes Accessoire sind Kuhglocken jeder Grösse. Eine WM ohne Schweiz ist für den Fussball-Patrioten wie Brot ohne Chäs. Dann ist da noch der Atypische Fussball-Patriot. Er hält sich über lange Zeit bedeckt und ist vor und nach der WM schwierig zu erkennen. Er denkt und lebt global, über Patriotismus und den Typischen Fussball-Patrioten macht er sich selbst oft lustig. Wenn dann allerdings die WM beginnt, kann er Helvetias Pfeilen nicht mehr entgehen. Er schafft es nicht länger, sein rotes T-Shirt mit weis-

sem Kreuz unter dem Hemd oder dem szenigen Pulli zu verbergen. Während er im alltäglichen Leben noch mit dem Fussballliebhaber Champions-League guckt, zeigt er während der WM dann plötzlich sein tiefstes Inneres und solidarisiert sich mit dem ihm verwandten typischen Patrioten. Der Plötzlich-Fussballfan Der Plötzlich-Fussballfan ist während der WM sehr verbreitet und in diversen Ausprägungen anzutreffen. In seinem Alltag interessiert er sich kaum für Fussball, doch kaum beginnt die WM, ist er begeisterter Fussballanhänger. In manchen Fällen wird er tatsächlich von dem in der WM-Zeit besonders potenten FussballVirus infiziert und begeistert sich plötzlich für das Spiel. Die Chancen, dass er sich von einem Tag auf den andern mit dem Fussballliebhaber besser versteht, sind hoch. Sofern der Neuinfizierte sich nicht als Experte ausgibt. Tut er dies, ist er beim Fussballliebhaber schnell untendurch. Ebenfalls wenig Respekt vom Fussballliebhaber erntet der Plötzlich-Fussballfan der zweiten Ausprägung: Um bei seinen fussballaffinen Freunden während der WM respektiert zu werden, tut er so, als würde er sich für den Fussball brennend interessieren. Er ist jeden Abend dort, wo Fussball läuft, in Tat und Wahrheit aber nicht wegen des Spiels, sondern wegen seinen Freunden, und – ganz wichtig – dem Bier. 32 Sommerabende am Stück mit seinen Freunden und 99% der ganzen Stadt auf der Gass, Bier und Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung an jeder Strassenecke, das ist für ihn das höchste der Gefühle. Wenn er ein Tor oder den Ausgang des Spiels verpasst, ist das für ihn halb so schlimm. Solang das Bier nicht ausgeht und er mit allerlei sympathischen Freunden und Fremden darüber reden kann, wie lässig doch die WM und der Fussball ist, dann geht’s ihm blendend. Dass das Aufeinandertreffen des PlötzlichFussballfans mit vielen oben beschriebenen Typen erhebliches Konfliktpotenzial enthält, muss nicht näher erläutert werden. Und die Ursache dafür ist nicht seine überdurchschnittlich grosse Liebe zum Gerstensaft. Seine Chancen auf eine friedliche und freudige WM sind dennoch gut. Das hängt damit zusammen, dass die Wahrscheinlichkeit auf einen Artgenossen zu stossen für ihn ausserordentlich hoch ist. Und Artgenossen verstehen sich in der Regel recht gut. Das kann dann unter Umständen mit der geteilten Liebe zum Gerstensaft zusammenhängen. 4

Der Plötzlich–Fussballfan

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Der Ignorant

Der Ignorant Ja, auch den gibt’s. Ihn zu finden gestaltet sich aber eher schwierig, da er sich oft (gezwungenermassen) in seine Höhle 5

zurückzieht. Für ihn ist die WM-Zeit hart, sehr hart. An allen Orten der Stadt regiert plötzlich König Fussball. Er kann kaum aus der Wohnung ohne der WM über den Weg zu laufen. Seine Freunde sprechen morgens bis nachmittags über die Spiele des Vortages, bevor sie sich abends wieder alle gemeinsam vor irgendeiner öffentlichen Glotze treffen um den 22 Männchen beim Ball-Nachrennen zuzuschauen. Normalerweise findet der Ignorant Fussball einfach langweilig, er kann nicht begreifen, wie ein so banaler Sport einen vernünftigen Menschen derart faszinieren kann. Da er dem ganzen Zirkus gut aus dem Weg gehen kann, stört er sich aber auch nicht weiter daran. Normalerweise hat er auch Freunde, die ebenso wenig für den Fussball übrig haben. Nicht so während der WM. Normalerweise haben fussballbegeisterte Freunde am nächsten Tag wieder Zeit für ihn. Nicht so während der WM. Während vier Wochen wird der Ignorant zum Fussballhasser. Nicht in der Einsamkeit zu verelenden ist nicht einfach für ihn. Noch nicht einmal fernsehen kann er so allein, denn auf jedem Kanal läuft ja... Eben. Dann ist da noch ein weiterer WMIgnorant: Es ist der Überzeugte Moralist. Ob es ihn tatsächlich gibt ist allerdings unklar, möglicherweise ist er auch eine Spezies, die jeweils just zum Anpfiff der WM ausstirbt. Er will der WM nicht aus Desinteresse entwischen, nein, er will sie gezielt boykottieren. Fussball mag er eigentlich ganz gerne, er kickt ja auch selbst in der alternativen Liga, doch die WM kann er aus moralisch-ethischen Gründen nicht unterstützen. Seinen Freunden versucht er die Party zu vermiesen, indem er ihnen immer wieder erzählt wie viele Arbeiter beim Bau der Stadien umgekommen seien, was die Fifa doch für ein korrupter, geldgieriger Verein sei und dass Coca Cola und Carlsberg, das sie – seine Freunde - während vier Wochen nonstop in sich reinkippen, elendes Kapitalistengesöff sei. Mit wenig Wirkung. Im Vorfeld der WM haben ihm viele seiner Freunde noch interessiert zugehört und seine Meinungen durchaus geteilt. Kaum wird das Eröffnungsspiel dann aber angepfiffen, stösst er auf taube Ohren. Der Bann von König WM ist stärker als der des Moralisten. Für WM-Hasser und Boykotteure ist es also schwer, die WM-Zeit erträglich zu gestalten. Die Möglichkeiten beschränken sich in etwa auf a) vor der Zivilisation fliehen, b) ebenfalls Plötzlich-Fussballfan werden (kann mit Schwerpunktlegung auf Bier -aus der lokalen Kleinbrauerei natürlich- durchaus erträglich sein) oder c) sich mit dem Ultra solidarisieren. thE END

Marius Wenger, ist Redaktions-/Verlagsmitarbeiter bei dieperspektive, und Bachelor der Politikwissenschaft.

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WM– SPEZIALAUSGABE

/Superstarphänomen im Fussball

DAS N E M O N Ä H P R A T S R E SUP

IM FUSSBALL VoN KÄMPFErN, saubErMÄNNErN uND schÖNliNGEN TEXT Andrea Schweizer ILLUSTRATION Isabella Furler

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/Superstarphänomen im Fussball

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as Qualifikationsspiel für die diesjährige Fussballweltmeisterschaft am 20. November 2013 Schweden gegen Portugal. Damals ging es darum, welches der beiden Länder sich für die Endrunde in Brasilien qualifizieren würde. Doch eigentlich drehte es sich für jeden Zuschauer nur darum, welchem der beiden Superstars man an der WM zujubeln konnte: Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic. Doch warum interessieren wir uns so sehr für die Einzelakteure? Wären die Mannschaften ohne sie nicht genau so interessant? Katja Rost, Professorin für Soziologie an der Universität Zürich, liefert dafür einen Erklärungsansatz. Bei Fussballern ist es ähnlich wie bei Schauspielern und Musikern. Wir verehren sie, da sie sozusagen unsere modernen Helden sind, welche ihren extrem hohen Status in Folge ihres hohen Talentes, guten Aussehens oder ihres Reichtums in unserer Gesellschaft erworben haben. Fan einer bestimmten Person zu sein stellt auch ein bestimmtes Selbstimage her, ist also Teil unserer Persönlichkeit. Im Unterschied zu Schauspielern und Musikern ist der Sportstar stärker an beobachtbare und messbare Leistungen und somit an Talent gekoppelt, weshalb dem Sportler seine Erfolge oft mehr gegönnt werden. Seit einigen Jahren haben wir ein paar neue Charakterköpfe, um welche sich der ganze Fussballzirkus dreht. Nach dem koksenden Maradona, dem fettleibigen Ronaldo (der Brasilianer) und dem metrosexuellen Beckham werden unsere Sympathien nun vom eingebildeten Schönling Cristiano Ronaldo (der Portugiese), dem egozentrischen Kämpfer Zlatan Ibrahimovic, dem Saubermann Lionel Messi und dem stillen Bulldozer Wayne Rooney beansprucht. Zugegeben, ich verstehe nicht viel von Fussball, von technischem Können schon gar nicht. Doch sogar mir fällt auf, dass Rooney trotz seiner rustikalen Spielart ein technischer Könner ist. Er ist sympathisch, weil er nicht sein Maul vor und nach den Spielen weit aufreisst und sich lieber auf seine offensichtlich harte Arbeit auf dem Spielfeld konzentriert. Neben dem Fussball machen auch optische Makel nicht vor dem Superstar Rooney halt, weshalb er sich vor ein paar Jahren einer Kopfhaartransplantation unterziehen musste. Mit seiner natürlichen und

Messi bezeichnet, ist Cristiano Ronaldo. bodenständigen Art ist zu erwarten, dass Ich kann mich noch gut erinnern, als mit er einen grossen Fanklub hat. Das pure 14 alle Girlies auf ihn standen und Poster Gegenteil vom bescheidenen Rooney ist von ihm tauschten. Mir ging das nie so, Zlatan Ibrahimovic. Würde man denken. für mich war er immer ein aufgeblasener Der König der Fallrückzieher scheint doch Schönling, der sich selbst für viel zu wichsehr arrogant und selbstüberzeugt rübertig hält. Als er älter wurde ( und ich auch ), zukommen. In seinem Interview mit BBC begann mir immer mehr aufzufallen, was vom letzten September spricht er zwar für ein Kämpfer er ist. Klar, wenn ein Fussschon vor allem von seinen persönlichen baller in der Halbzeitpause seine Frisur Plänen und Wünschen ( von seinen Mannändert, festigt das schon eher seinen Ruf schaften wird kaum gesprochen ), betont als Primadonna. Aber wenn er trotzdem aber auch, dass er sich durchaus bewusst in jedem Spiel eine Top-Leistung erbringt ist, dass die meisten Leute ihn als sehr arund eine Passion für seinen Beruf an den rogant einschätzen. Dies macht ihn doch Tag legt, wie ich es noch bei keinem gesegerade wieder sehr sympathisch! Doch hen habe, verdient sogar Ronaldo meinen Zlatan scheint sich durchaus bewusst zu Respekt. Sogar meine Sympathie gewonsein, wie er den Hype um seine Person nen hat er, als er im Januar beibehalten kann. Nach dem dieses Jahres zum Weltfussoben genannten Spiel verballer des Jahres gewählt kündete er selbstsicher: wurde. Als er da mit « A World Cup without seinem kleinen Sohn me is not worth wat( wer ist eigentlich die ching ». WahrscheinMutter??? ) auf der lich übertreibt er Bühne stand und damit ein wenig, weinte während auch wenn die seiner DankesreAnzahl der de, bekam sogar Fallrückzieher ich feuchte Augen. wahrscheinlich Persönlich hoffe drastisch tiefer ich also, dass Portusein wird. Für andegal Weltmeister wird, re Magie wird wohl Andrea Schweizer damit wir Ronaldo nochder argentinische Zaumals weinen sehen. berzwerg Lionel Messi sorgen. Dem Jungen von nebenan ist es von allen Fussballstars am unangenehmsten, so sehr im Rampenlicht zu stehen. Genau wie es seine braunen Augen versprechen, ist er eine treue Seele. Seit 13 spielt er für den FC Barcelona, wo er zum Meister des TikiTaka-Fussballs wurde. Was mich jedoch wundert, warum der mehrfache Weltfussandrea schweizer, baller des Jahres genau dieses Können mit 23, studiert Geschichte und Publizistik, setzt auf der Argentinischen Nationalmannschaft Italien als Weltmeister. Schaut Fussball imfall nicht nur wegen den schönen Männern. nicht umsetzen kann. So sind sie zwar an jeder Endrunde dabei, kommen aber selten über die Gruppenspiele hinaus. Natürlich kann Gewinnen und Verlieren nicht nur von einem Spieler abhängig gemacht werden und trotzdem verliert der kleine Fussballer mit einer gigantischen Ablösesumme ( 250 Millionen Euro ) ziemlich an Magie, wenn er diese nur im Umfeld des milliardenschweren FC Barcelona entfalten kann. Jemand, der sich selber selbstbewusst als ein besserer Fussballer als

« Persönlich hoffe ich also, dass Portugal Weltmeister wird, damit wir Ronaldo nochmals weinen sehen »

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WM– SPEZIALAUSGABE

/Über nazis und Hooligans im Fussball

/Über nazis und Hooligans im Fussball

Vielleicht in amerika, aber hier nicht

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TEXT Pascal Woodtli ILLUSTrATIon Jordan Marzuki

ls Remo am Abend nach Hause kam, sassen seine Frau und seine zwei Töchter bereits am Esstisch und warteten auf ihn. Er war zu spät. Während er sich entschuldigte, beziehungsweise über seinen Chef beklagte, strich er den Kleinen über ihre gelockten Köpfe. Die gute Stimmung liess er sich nicht nehmen. Er freute sich schon seit Tagen auf diesen Mittwoch. Heute war das Spiel gegen Frankreich und er ging mit einigen Kollegen ins Pub, wo man eine Leinwand installiert hatte und alle Spiele live übertrug. Nach dem Essen verschwand Remo im Schlafzimmer. Sein hellblaues Hemd zog er aus und warf es in die Ecke. Er betrachtete seinen nackten Oberkörper im Wandspiegel. Als Remos Mutter hierher zog, war er gerade mal sieben. Seinen Vater hat er bis heute nie gesehen. Remo erinnerte sich noch immer sehr gut an diese einsame Zeit, wie er sich als Stadtkind hier auf dem Land ausgeschlossen fühlte. Remo war ein schlechter Schüler und ein Aussenseiter. Schliesslich, ein paar Jahre später, fand er Freunde. Sehr spezielle Freunde. Sie hatten strikte Regeln und Parolen, aber man half sich gegenseitig und verbrachte viel Zeit miteinander. Remo war endlich Dorothee Jenny zufrieden und liess sich formen. Erst als er dann Schwierigkeiten hatte, eine Lehrstelle zu finden, realisierte er, dass seine Freunde einen Einfluss auf ihn hatten, der von anderen Menschen nicht goutiert , ja sogar gefürchtet wurde. Remo rieb sich seine Brust. Die kreisrunde Narbe sah man kaum noch. So lange war es nun schon her, dass er sich das Tattoo hatte weglasern lassen. Er war immer noch sehr kräftig und gut in Form für sein Alter. Feierlich nahm er das rote Trikot mit der weissen Neun vom Kleiderbügel. An der Strasse, wo Remo mit seiner Familie wohnte, liessen viele Leute die Nationalflagge vom Balkon hängen. Darüber freute sich Remo richtiggehend, denn er war stolz auf sein Land. Es war das beste Land, das er kannte und er fühlte sich hier geborgen. Wenn es nach ihm ginge, würde er seine Flagge permanent präsentieren. Aber irgendwann in seinem Leben hatte er akzeptieren müssen, dass es nicht salonfähig war, wenn man Nationalstolz zu offen zeigte. Vielleicht in Amerika, aber hier nicht. Dabei konnte er ihn bei so vielen Leuten wahrnehmen. Als er sich vollständig umgezogen hatte, nahm er noch den Schal von der Wand und band ihn sich um. Er hörte es klingeln. Euphorie. Das musste Sven sein, der ihn abholen kam. Er lächelte seinem verkleideten Spiegelbild noch einmal zu, dann wurde er ernst und salutierte. Den Scheiss-Franzosen werden wir’s zeigen.

« Fremdenhass ist nur deshalb so verbreitet, weil es die einfachste Form von Hass darstellt »

thE END

Pascal Woodtli ist Wirtschaftschemiestudent aus Winterthur, 25 Jahre alt und interessiert sich überhaupt nicht für Fussball.

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WM– SPEZIALAUSGABE

/denn Sie wissen was sie tun

/denn Sie wissen was sie tun

Denn sie wissen was sie tun.

« Jennings beschreibt Zürich als Stadt bezeichnet bezeichnen, verliert des grossen Geldes, rigen wurde. Der Raum er keine Minute in der die Fifa ein für Spekulatidie Nonchalance. onen, was geDabei hatte Jengemütliches zu Hause nau damit genings gar nie meint sein sollte, vor sich mit dem gefunden hat und bleibt gross. Im Aufdecken der Fifa deren Behörden mit Buch « Foul! » zeichMachenschaften zu net Jennings den Weg beschäftigen, sondern Passivität Blatters nach, immer das Thema wurde von höher, immer näher an einem Sportjournalisten glänzen »

der « Daily Mail » an ihn herangetragen.

TEXT

Luzia Tschirky

Fifa und Korruption scheinen untrennbar verbunden. Gerade vor dem Fussballhöhepunkt in brasilien drängt sich die Frage wieder auf, wie man eigentlich mit gutem Gewissen zuschauen soll. argumente gegen die Fifa gäbe es mehr als genug. und ausserdem ein ausserordentliches buch.

« Ihr Standort ist die Schweiz. Dort, wo Whistle-Blowing ein Verbrechen ist. Ihre Dokumente sind für immer geheim. Niemand wird jemals die Beweise finden. » Mit diesem Gedicht beginnt das Buch « Foul. Hinter der Fassade der Fifa: Bestechungen, Wahlbetrug, Ticket-Skandale. » Darin beschreibt der schottische Investigativjournalist Andrew Jennings, wie die Fifa in den 70-er Jahre durch illegale Machenschaften übernommen wurde und seither immer tiefer in den Strudel von Korruption hinuntersinkt. Sepp Blatter ist seit der Übernahme der Präsidentschaft 1998 so etwas, wie der Kapitän eines Schiffes, dass in Schieflage über Sümpfe driftet. Geht es nach ihm, so hätte ich dieses Buch nie lesen sollen, denn der Fifa-Präsident versuchte es per Gerichtsbeschluss in der Schweiz zu verbieten. Journalist als «Abfall » bezeichnet Sieben Jahre hat Jennings für das Buch recherchiert. Sieben Jahren, dafür braucht es mehr als Durchhaltewillen. Blatter selbst hält nicht viel von diesen « selbsternannten Investigativjournalisten », wie er sich im Interview mit Roger Schawinski abschätzig über jene äussert. Andrew Jennings ist der Star unter jenen Journalisten, die der Fifa zu Leibe rücken. Mit britischer Höflichkeit befragt er Fifa Exekutivkommiteemitglieder und selbst wenn diese vor laufender Kamera ihn als Zitat « Abfall »

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Luzia Tschirky

Mit Blatters Einstieg wurde es undurchsichtig Damals soll er darauf gesagt haben: « Nein, vergiss es. Fussball ist riesig. Es würde Jahre dauern herauszufinden, was innerhalb der Fifa läuft. » Heute ist er eine Persona non grata und nicht zugelassen an Pressekonferenzen der Fifa. Der einzige Journalist weltweit. Eine offizielle Erklärung, weswegen er diesen Konferenzen nicht beiwohnen darf, ist ihm die Fifa bis heute schuldig geblieben. Das Buch « Foul! » ist keine leichte Lektüre, was wenig erstaunt bei der akribischen Aufarbeitung intransparenter Vorgänge in einer globalen Organisation. Die Verstrickungen und Verwirrungen bei der Fifa sind derart komplex, dass mehr als einmal beim Lesen des Buches der Anhang mit Auflistung aller wichtigeren Personen und ihrer Positionen hilft. Das Buch ist aber trotz allem spannend. Der Einstieg Blatters in die Fifa 1975 wird bereits als sehr undurchsichtig beschrieben und genau auf die Zeit datiert, in der die Organisation in die Intransparenz abdriftete. Immer näher zur Macht Blatter kam über die Sportmarke Adidas, wo er als rechte Hand des Konzernleiters arbeitete, zur Fifa. Seine erste Stelle bei der Fifa, als Manager der von Coca-Cola gesponsorten Entwicklungsprogramme, steht stellvertretend für die damals neuartige Kommerzialisierung des Fussballs. Wem es heute als normal erscheint, dass für Milliarden Sponsoring Verträge mit Coca Cola und Mc Donalds abgeschlossen werden, wird spätestens bei der Lektüre klar, dass dies wenig mit den von der Fifa angepriesenen Grundsätzen zu tun hat. Blatter ist laut Jennings damals zur Fifa geholt worden, weil er als einer der Ih-

die Macht, die er selbst nach eigenen Aussagen schätzt.

Wo bleibt die Transparenz? Blatter zitiert in Interviews auf Fragen zu seiner Macht gerne Machiavelli: « Es ist nicht der Titel, sondern die Macht dahinter. » Im Falle Blatters dürfte das aktuelle Amt mit seinem Einfluss gleichbedeutend stehen. Jegliche Vorwürfe die im Buch gegen Blatter erhoben werden, dementiert dieser mit der Nennung angeblicher Verschwörungen innerhalb der Fifa gegen seine Person. Dieses Narrativ des zum Opfer gewordenen Präsidenten legt Blatter über die Jahre hinweg nicht ab. Mit seiner Recherchen versucht Jennings herauszufinden, wie hoch der Salär Blatters ist. Doch mehr als die Gesamtsummer aller im Jahr 2005 ausbezahlten Löhne von 51 Millionen Schweizer Franken, ist nicht zu erfahren. Und auch heute schweigt sich Blatter gegenüber der Öffentlichkeit bezüglich seines Entgeltes aus. Es fällt schwer die Transparenzbemühungen und « Ethikkommission » für voll zu nehmen, wenn diese grundlegende Sache nicht ein für alle mal geklärt wird. Blatter und die Fifa berufen sich dabei auf die Tradition der Schweizer Verschwiegenheit über Löhne. Es gilt die Unschuldsvermutung Die Schweiz kommt in Jennings Buch « Foul! » nicht gut weg. Er beschreibt Zürich als Stadt des grossen Geldes, in der die Fifa ein gemütliches zu Hause gefunden hat und deren Behörden mit Passivität glänzen. So zum Beispiel das Treffen mit dem Leiter der « Besonderen Staatsanwaltschaften » des Kanton Zürichs. Dies nachdem Blatter und die Fifa nach der Einstellung eines gerichtlichen Verfahrens verbreiteten, die Vorwürfe seien aufgrund

des Fehlens jeglicher Grundlage fallengelassen worden. Der Staatsanwalt Hubmann habe beim Treffen sogar ein Wörterbuch hervorgenommen, um ja zu verhindern, dass es zu einem falschen Wort kommt. Und dementiert nichtsdestotrotz die Aussage der Fifa gegenüber Jennings. Es war die fehlende Beweislage laut Aussagen des Staatsanwaltes welche eine Untersuchung der Vorwürfe unmöglich machte. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Fifa spricht in Zusammenhang mit Jennings Vorwürfen immer von « Fiktion », « unwahr », « nicht gerechtfertigt » und « unangebracht ». Keine Gründe, die für Blatter sprechen 2003 kündigte die Fifa an gegen Jennings gerichtlich vorzugehen, hat aber eine Klage nicht durchgezogen und es blieb beim Versuch sein Buch in der Schweiz verbieten zu lassen. Immer wieder taucht der « Sonnenberg » im Buch auf als Ort der düsteren Machenschaften und Schmiergeldzahlungen. Eigentlich Eigentum der Stadt Zürich wird dieser seit 1996 als « erweiterter Geschäftssitz » von der Fifa genutzt. Für 1‘500 Franken pro Jahr können Privatpersonen eine Mitgliedschaft erwerben im « Sonnenberg Fifa Club » unter dem Patronat Blatters. Laut deren Website kann vor Ort « diskutiert, gelacht und Brücken gebaut werden ». Je weiter Jennings die Fäden der Korruption spinnt, von Vergabe der Weltmeisterschaften zur nächsten Wiederwahlkampagne von Blatter, wird es immer unvorstellbarer, weswegen Schweizer Behörden nicht schon längst wirkliche Schritte unternommen haben. Regt man sich hierzulande über die « Schlechtmacherei » des Landes im Ausland auf, wäre es wohl zielführender sich zu fragen, ob es nicht fehlender Wille ist den Sonnenberg auszuleuchten. Nach der Fussballweltmeisterschaft in Brasilien wartet nächstes Jahr die Wahl des Fifa Präsidenten. Blatter hat sich im Mai für eine erneute Kandidatur entschieden. Passend dazu nennt « Zeit Online » alle Gründe, weswegen dies gut für den Fussball und die Welt ist. Unausgesprochen gibt es von Seiten der Sportjournalisten keine Gründe für Blatters erneute Kandidatur. Jennings 375 Seiten starkes Buch lassen daran auch keinen Zweifel. thE END

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