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Masterpieces in Miniature
Schätze aus der Rosalinde and Arthur Gilbert Collection
05.03.2021 - 15.08.2021 Geben Sie bitte diesen Ausstellungsführer nach Ihrem Besuch wieder ab. Sie können den Führer auf www.divaantwerp.be einsehen.
„Wir haben schöne Dinge immer geliebt und die Sammlung wuchs einfach weiter…” Rosalinde Gilbert, 1987
Arthur und Rosalinde Gilbert am Pool, ca. 1951 © V&A Archive of Art and Design
MASTERPIECES IN MINIATURE: SCHÄTZE AUS DER ROSALINDE AND ARTHUR GILBERT COLLECTION Die Rosalinde and Arthur Gilbert Collection ist eine Hommage an hochwertige Handwerkskunst. Die Sammlung ist für ihre herrlichen goldenen und silbernen Objekte und Mikromosaiken bekannt. Entstanden ist sie in den USA, wurde dann aber Großbritannien vermacht und wird dort seit 2008 im Victoria and Albert Museum aufbewahrt. Die schönsten Stücke der Sammlung sind jetzt zum ersten Mal in einer reisenden Ausstellung zu sehen.
In den 1930er Jahren machten Arthur Gilbert (1913-2001) und seine Frau Rosalinde (1913-1995) ihr erstes Vermögen in London mit der Rosalinde Gilbert Ltd, einem Unternehmen, das Damenmode an schicke Boutiquen lieferte. Um 1945 war das Unternehmen so erfolgreich, dass sich die Gilberts, die damals erst Mitte 30 waren, in Kalifornien zur Ruhe setzen konnten. Dort waren sie auf dem amerikanischen Immobilienmarkt tätig und wurden dadurch noch reicher. Auf der Suche nach ausgefallenen Objekten für die Innenausstattung ihrer Villa in Beverly Hills entwickelten sie sich schnell zu leidenschaftlichen Sammlern.
Das Ehepaar baute eine der vollständigsten Privatsammlungen von Dekorationsobjekten des 20. Jahrhunderts auf und bestand darauf, sie mit der Öffentlichkeit zu teilen. Diese Ausstellung bietet den Besuchern die einzigartige Gelegenheit, Arthur und Rosalinde Gilberts Welt prächtiger Meisterwerke zu entdecken.
Rosalinde und Arthur Gilbert in jungen Jahren © V&A Archive of Art and Design
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Wachsskulptur von Arthur Gilbert
Toiletten-Kommode oder Schreibtisch
Los Angeles, ca. 2000
Paris, 1690-1700
Wachs, Harz, Haare, Glas, Farbe, Leder und verschiedene Textilien
Graviertes Gelbgold und Schildpatt auf einem Kern aus Nadelholz
V&A, Loan:Gilbert.1089-2008
DIVA, S75/176
Arthur Gilbert wollte im Tennisdress und in seiner typischen Haltung am Telefon verewigt werden. Er war für endlose Telefongespräche mit einem weltweiten Netz von Kunstvermittlern bekannt, ohne dabei den Zeitunterschied zu berücksichtigen, suchte fortwährend nach den besten Stücken auf dem Markt und überbot gnadenlos andere Sammler.
Über die Nutzung von Möbelstücken dieser Art ist nur wenig bekannt. Sie werden des Öfteren als Schreibtisch erwähnt, auf Gemälden jedoch auch als Toilettentisch dargestellt. Für diesen Tisch wurde die Marketerie-Technik verwendet, wobei in zwei Schichten bestehend aus Kupfer auf Schildpatt und Schildpatt auf Kupfer gearbeitet wird. Entwickelt hat diese Technik Charles Boulle (1642-1732). Als Inspirationsquelle für die Motive dienten Modellstiche von Jean Louis Bérain (1640-1711).
2 Stuhl 19. Jahrhundert Mahagoni, Beschläge aus vergoldeter Bronze, Seidenpolster, Schaumstoffpolsterung V&A, Loan:Gilbert.1079-2008
Das Haus der Gilberts im Tudor-Stil in Los Angeles © V&A Archive of Art and Design
Vergrößerungsgläser
Sonntags ging Arthur Gilbert ins Los Angeles County Museum of Arts, um seine Sammlung zu begutachten, die dort von 1975 bis 1995 bewundert werden konnte. Er lieh den Besuchern Lupen damit ihnen kein einziges Detail dieser wundersamen Kunstobjekte entgeht. Zugleicherzeit erzählte er über das Kunsthandwerk seiner geliebten Objekte, sowie über ihre Geschichte.
Modehaus
Über das Modehaus der Gilberts ist nicht viel bekannt. Diese beiden Kleidungsstücke sind die einzigen, die man bisher finden konnte. Sie wurden um 1947-1948 in London angefertigt. In dieser Zeit musste sich die britische Modebranche gleichzeitig der Rationierung in der Nachkriegszeit, sowie der Sehnsucht nach Glanz und Glamour Hollywoods stellen. Die Designer kreierten elegante, aber bezahlbare Mode mit vernünftigen Verzierungen. Sowohl das Abendkleid, als auch das Jäckchen wurden mit einem Peplum – einem Schößchen, das die Taille betont – angefertigt, ohne dafür besonders viel Stoff zu verwenden.
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Abendkleid mit Chinoiserie-Motiv
Abendjäckchen mit Schwalbenschwanz
London, ca. 1948
London, ca. 1947
Rosalinde Gilbert Ltd
Rosalinde Gilbert Ltd
Seide, besticktes Oberteil und schwarzer Rock mit Schößchen
Moiré Kunstseide
V&A, Loan:Gilbert.2-2019
V&A, Loan:Gilbert.2-2014
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„Man muss es sehen, um es zu glauben, denn man erkennt wirklich keinen Unterschied zu einem Gemälde.” Arthur Gilbert, 1998
Mikromosaik-Platte mit einer Dame und ihrem Höfling, Rom, ca. 1880-1900 © Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, als Leihgabe im Victoria and Albert Museum
DIE KUNST DER ILLUSION Arthur Gilbert hielt sich nicht für einen Kunstsammler, sondern für „einen Besessenen, der Mikromosaike sammelt”. Seine große Leidenschaft entstand 1969, als er zwei Gemälde kaufte und dachte, sie hätten kleine Risse. In Wirklichkeit handelte es sich dabei jedoch um Mosaike aus kleinsten Stückchen buntem Glas. So etwas hatte er noch nie gesehen. Die Gilberts wurden daraufhin zu engagierten Vertretern dieser vergessenen Kunstform. Sie sollen sich auch den Begriff „Mikromosaik” ausgedacht haben, um damit den Unterschied zu den traditionellen römischen Mosaiken zu verdeutlichen. Die Gilberts grasten den Kunstmarkt nach Exemplaren reichend von feinen Juwelen bis hin zu imposanten Tafelblättern ab, bauten damit eine der weltweit größten Sammlungen auf und teilten ihr Wissen in Publikationen und Ausstellungen mit einem breiten Publikum. Arthur Gilbert sammelte auch Pietre dure, sogenannte „Florentiner Mosaike” aus Hartstein, und kaufte sowohl Objekte in Museumsqualität als auch etwas alltäglichere Stücke. Um die enorme Vielfalt und die zahlreichen Facetten dieser Mosaikkunst besser belegen zu können, erwarb er manchmal sogar verschiedene Versionen des gleichen Motivs.
Nachhaltige Abbildungen
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Die in Italien entstandenen Pietre dure und Mikromosaike sollten die perfekte Illusion eines Gemäldes aus Stein oder Glas erzeugen. In Florenz wurde deshalb im 16. Jahrhundert die Galleria dei Lavori – das „Atelier” des Großherzogs – gegründet, das Handwerker dazu ermutigte, ihre technischen Fähigkeiten bis zum Äußersten zu treiben, um prächtige Meisterwerke für ihre Fürsten anzufertigen. Im 18. Jahrhundert erhielt das Studio del Mosaico Vaticano den Auftrag, verblichene Gemälde in Kirchen durch nachhaltige Abbildungen aus Glasmosaik zu ersetzen. Das Verfahren führte zu technischen Neuerungen, die sich schnell durchsetzten, um auch ein breiteres Publikum zu erreichen.
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Tafel Trinkender Kavalier Florenz, 1870-1890 Pietre dure, Holzrahmen
Platte Trinkender Kavalier Rom, 1865-1875 Gläsernes Mikromosaik, Holzrahmen
V&A, Loan:Gilbert.1060-2008
V&A, Loan:Gilbert.1056-2008
VIDEO Wie machte man das? Mikromosaik Der Handwerker in diesem Film fertigt eine moderne Kopie von einem Detail eines Mikromosaik-Tischblattes aus der Gilbert Collection an und verwendet dazu die Originaltechniken reichend von der Vorbereitung der Materialien bis hin zum Polieren des fertigen Stücks. Dauer des Films: 4:42 Minuten Ateliers von SICIS in Ravenna, 2018
Die Flora des Königreichs beider Sizilien Mikromosaik-Tisch, Michelangelo Barberi, Rom, ca.1850 © Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, als Leihgabe im Victoria and Albert Museum
Malen mit Glas Mikromosaike bestehen aus sogenannten tesserae, d. h. aus kleinen Stückchen buntem Glas. Mit Hilfe einer revolutionären Technik wird verschiedenfarbiges Glas verschmolzen und zu langen schmalen Stäben gezogen, die dann zu noch kleineren Teilstücken zerschnitten werden können. Giacomo Raffaelli richtete 1775 die erste Ausstellung samt Verkauf von Mikromosaik-Arbeiten ein. In den Jahren 1810 und 1820 brachte Antonio Aguatti tesserae in neuen Formen, Maßen und Farben auf den Markt, sodass sogar die Pinselstriche eines Malers naturgetreu nachgeahmt werden konnten.
8 Ein Habicht greift einen Hahn an Rom, ca. 1850 Platte: Giacomo Raffaelli zugeschrieben (1753-1836) Bonbondose aus Glasmikromosaik, Purpurin (Glas) und bemaltes Holz V&A, Loan:Gilbert.471-2008
9 Cupido reitet auf einer Muschel, gezogen von geflügelten Seeschlangen Rom, ca. 1805-1809 und Paris, 1809-1819 Platte: Antonio Aguatti († 1846), signiert; Schnupftabakdose: Pierre-André Montauban (aktiv 1806-1822) Glasmikromosaik, ziseliertes und maschinenbearbeitetes Gold V&A, Loan:Gilbert.474-2008
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Das ist kein Gemälde
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Die Darstellung der Natur stellte für die Kunsthandwerker, die Pietre dure und Mikromosaike anfertigten, immer die größte Herausforderung dar. Wie bildet man die subtilen Schattierungen eines Blütenblattes, einer Muschel oder des Federkleides eines Vogels ab? Für dieses Mikromosaik wurden längliche tesserae in einer unendlichen Vielzahl von Farbtönen verwendet. Um die vollendete Illusion einer glatten gemalten Oberfläche zu erzeugen, wurden die Fugen mit Farbe übermalt. Die hinter dem Pietre dure angebrachte Folie lässt die Trauben und Granatäpfel noch stärker aufleuchten.
10 Stillleben mit Obst und Blumen Rom, ca. 1840-1860 Glasmikromosaik, vergoldeter Holzrahmen V&A, Loan:Gilbert.114-2008
11 Stillleben im neoklassizistischen Stil Florenz, ca. 1890 Platte: F. Scappini, signiert Tischblatt aus Pietre dure, Tisch aus vergoldeter Bronze V&A, Loan:Gilbert.1055-2008
VIDEO Puzzle aus Hartstein Pietre dure (Florentiner Mosaik) ist der verkürzte Begriff für commessi di pietre dure bzw. „Puzzle aus harten Steinsorten”. Neue Farben waren das Ergebnis innovativer Methoden für das Schneiden, Bearbeiten und Setzen von Steinen, gewonnen aus antiken Fragmenten, sowie aus Steinen, die in der eigenen Region oder in ferner gelegenen Gebieten bis hin nach Persien abgebaut wurden. Das für diesen Schrank verwendete Motiv aus Vögeln und Blumen ist typisch florentinisch. Die Finken – auf Englisch finches – verweisen auf den ersten Eigentümer, Daniel Finch (1647-1730), den zweiten Grafen von Nottingham.
12 Schrank mit Vögeln und Blumen Florenz, ca. 1675 Galleria dei Lavori Pietre dure, Marmor, Ebenholz, Intarsien aus verschiedenen Holzarten, Palisander, vergoldete Bronze, Seide V&A, Loan:Gilbert.73-2008
Wie machte man das? Pietre dure In diesem Film fertigt ein Fachmann die moderne Kopie einer Hartstein-Tafel aus der Gilbert Collection mit der Darstellung eines Schlosses aus dem 17. Jahrhundert an und verwendet dazu die Originaltechniken: Bunte harte Steine werden geschnitten, gestaltet und in schwarzen belgischen Marmor eingelegt. Achten Sie vor allem darauf, wie halbrunde Formen aus grünem Chalcedon geschnitten und dann mit Goldstaub bedeckt werden, damit sie glänzen wie Perlmutt. Dauer des Films: 3:30 Minuten Paci Mosaici, Florenz, 2008
Kabinettschrank mit Vögeln und Blumen, Florenz, Italien, ca. 1675 © Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, als Leihgabe im Victoria and Albert Museum
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Italienische Kunst
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Während Florenz vom Ende des 16. bis ins 18. Jahrhundert den Markt der Pietre dure beherrschte, übernahm im 19. Jahrhundert zweifellos Rom die Leitung bei der Herstellung von Mikromosaiken. Für jede Disziplin wurden eigene feste Abbildungen verwendet, die voll und ganz dem Geschmack der europäischen Kunden entsprachen: Flora und Fauna, idealisierte italienische Landschaften und Monumente aus dem Alten Rom. Anfangs handelte es sich bei den Mikromosaiken ausschließlich um prestigeträchtige Maßarbeiten im Auftrag von Fürsten, danach wurden auch identische Abbildungen für reiche Touristen hergestellt, die vor Ort oder nach der Heimkehr montiert werden konnten. Mit dieser Art von Kunstwerken bewies der Eigentümer, wohlhabend und gebildet genug zu sein, um in Italien die Wunder des Alten Roms und der Renaissance zu entdecken.
Hommage an Rom Bereits seit den 1430er Jahren lebten manche Römer gezwungenermaßen zwischen den alten Ruinen. Das Forum war einmal eine Kuhweide (Campo Vaccino), andere Restanten dienten als Baumaterial. Das änderte sich jedoch in den 1740er Jahren, als man allmählich die große architektonische Bedeutung der kürzlich ausgegrabenen Stätten und Ruinen aus der Antike erkannte. Das Kolosseum wurde zum meist bewunderten Monument des Alten Roms und zu einem der beliebtesten Motive für Mikromosaike. Arthur Gilbert kaufte mindestens 11 verschiedene Abbildungen des alten Amphitheaters.
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Tag und Nacht Rom, 1853 Michelangelo Barberi (1787-1867) Schwarzer Marmor mit Mikromosaik eingelegt
Kolosseum Rom, ca. 1860 Glasmikromosaik, goldene Ziernadel V&A, Loan:Gilbert. 135-2008
V&A, Loan:Gilbert. 921-2008
15 & 16 Forum und Kolosseum Rom, ca. 1851 Domenico Moglia (ca. 1780-1862), eine Platte signiert Glasmikromosaik, Untergrund aus Marmor V&A, Loan:Gilbert.183 & 182-2008
Die Tauben des Plinius Die europäischen Künstler nutzten viele Motive, die man bei Ausgrabungen historischer Stätten an Wänden und auf Böden entdeckt hatte, als Inspirationsquelle. Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung beschrieb Plinius der Ältere eine perfekte Illusion: ein Mosaik bestehend aus einem Brunnen umgeben von Tauben. Dieses Mosaik blieb jedoch bis zu seiner Wiederentdeckung im Jahr 1737 ein Mythos. Die römischen Hersteller von Mikromosaiken wollten es noch besser machen, sodass die Szene zu einem beliebten, vielfach und in allen möglichen Formaten kopierten Motiv wurde. Arthur Gilbert erwarb mindestens sieben verschiedene Fassungen davon.
17 Platte Rom, 1800-1825 Glasmikromosaik, Untergrund aus Kupfer V&A, Loan:Gilbert.197-2008
18 Bonbondose Rom, 1815-1820 & Paris, 1819-1838 Glasmikromosaik, Schildpatt, Gold, Holz V&A, Loan:Gilbert.469-2008
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Fromme Bilder
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Das Studio del Mosaico Vaticano fertigte Mosaike für die Kirchen Roms an und war für deren Instandhaltung zuständig. Ab den 1820er Jahren stellte das Atelier auch Objekte für Laien her, die mit religiösen Darstellungen – wie beispielsweise dem Porträt des Papstes, das als Geschenk für diplomatische Zwecke diente, oder mit den Innenansichten bekannter römischen Kirchen, die bei Touristen reißenden Absatz fanden – verziert waren.
19 Innenansicht des Petersdoms Rom, 1899 Augusto Moglia († 1846), signiert und datiert Glasmikromosaik, Gestell aus Schiefer und Metall, Holzrahmen V&A, Loan:Gilbert.122-2008
20 Papst Gregorius XVI. Rom, 1839 Raffaelle Castellini (1791-1864), signiert Glasmikromosaik, Rahmen aus vergoldetem Metall V&A, Loan:Gilbert.214-2008
21 Madonna del Dito Rom, ca. 1830-1850 Luigi Moglia (aktiv ca. 1850-1870), signiert Glasmikromosaik, Ziernadel aus vergoldetem Messing, Granaten und Türkis V&A, Loan:Gilbert.153-2008
Die ländliche Gegend Italiens Im 19. Jahrhundert wollten viele ausländische Besucher Italiens Abbildungen von Arkadien kaufen. Die idealisierte, unverdorbene, von Hirten bevölkerte italienische Landschaft war in der Vergangenheit bei Malern wie Salvator Rosa (1615-1673) sehr beliebt. Aus der Vorliebe für traditionelle regionale Trachten und das Bauernleben sprach aber auch die engagierte Unterstützung einer Welle des Nationalismus, der in den 1830er Jahren Europa in Aufruhr versetzte. In Italien bezeichnete man diese Bewegung als Risorgimento.
22 Mercurius, Argus en Io Rom, 1800-1825 Glasmikromosaik, teilweise vergoldeter Metallrahmen V&A, Loan:Gilbert.211-2008
23, 24 & 25 Bauern in Tracht und Tauben Rom, ca. 1870 Glasmikromosaik, goldenes Armband, Anhänger und Ohrringe V&A, Loan:Gilbert.139,140,141-2008
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Aus vielen Ländern im Laufe der Jahrhunderte
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Zu den Stärken der Gilbert Collection gehören auch Mikromosaike und Pietre dure aus sehr unterschiedlichen Produktionszentren. Arthur Gilbert betonte immer wieder, dass „es beim Aufbau einer Sammlung wichtig sei, im Besitz von Beispielen verschiedener Typen einer spezifischen Disziplin zu sein.” Obwohl diese Kunstformen in den 1880er Jahren – vor allem aufgrund der hohen Herstellungskosten und der altmodischen Motive – an Beliebtheit einbüßten, kauften die Gilberts die Stücke doch, um deren Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte besser belegen zu können. Sie stellten eine einzigartige Übersicht zusammen, die – wie Arthur stolz verkündete – „bei den Besuchern sehr beliebt” war.
26 Venezianisches Mikromosaik: Die Tigerin Venedig, 1880-1910 Decio Podio (° ca. 1860), signiert Glasmikromosaik, Rahmen aus vergoldetem Holz V&A, Loan:Gilbert.170-2008
Dieses Mikromosaik – eines der ersten, die in den Besitz von Arthur Gilbert gelangten – stellt ein beliebtes Meisterwerk dar, das um 1780 gemalt wurde: die Tigress Lying Below Rocks des britischen Tiermalers George Stubbs (1724-1806). In den 1880er Jahren hatten die römischen Mosaikkünstler ihre wohlhabende Kundschaft verloren, in Venedig lebte das Handwerk jedoch aufgrund eines neuen Ansatzes und der Verwendung jüngster Techniken wieder auf.
Russisches Mikromosaik Der russische Adel und die kaiserliche Familie gehörten zu den frühen Bewunderern der römischen Mikromosaike. Sie brachten Stücke wie diesen Tisch mit dem Titel Der prächtige italienische Himmel ins Land, der im Auftrag von Zar Nikolaus I. (Regierungszeit 1825-1855) nach dessen Italienreise angefertigt wurde. Wenig später lud das Zarenhaus Mikromosaikkünstler dazu ein, in Russland Ateliers einzurichten und dort eine neue Generation von Künstlern auszubilden. Georgi Wekler, ein Schüler von Domenico Moglia, erhielt ab den 1820er Jahren Aufträge von der Zarenfamilie.
27 Chor der Kapuzinerkirche in Rom St. Petersburg, 1825 Georgi Ferdinand Wekler (1800-1861) Glasmikromosaik, Holzrahmen V&A, Loan:Gilbert.877-2008
28 Der Bauernpalast im Alexandriapark, Peterhof St. Petersburg, 1843-1850 Georgi Ferdinand Wekler (1800-1861) Glasmikromosaik, Kästchen aus Bronze V&A, Loan:Gilbert.220-2008
29 Der prächtige italienische Himmel Rom, 1845 Cavaliere Michelangelo Barberi (1787-1867) Glasmikromosaik V&A, Loan:Gilbert.894-2008
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„Ohne die große Liebe der Gilberts für Silberarbeiten wäre ihre Sammlung nie zustande gekommen.” Timothy Schroder, ehemaliger Kurator des Los Angeles County Museum of Arts, 1988
Kompottschüssel mit Deckel, Paul Storr, London, 1820-1821 © Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, als Leihgabe im Victoria and Albert Museum
GLANZ UND GRÖSSE Arthur Gilbert kaufte seine erste Silberarbeit 1969 in einem Antiquitätengeschäft auf dem Rodeo Drive in Los Angeles, als Rosalinde und er ihre neue Villa in Beverly Hills einrichteten. Beide waren von Objekten dieser Art so begeistert, dass sie schnell zu echten Spezialisten wurden. Sie lernten die bedeutendsten Silber- und Goldschmiede kennen und entwickelten ein gutes Auge für die vielen faszinierenden Techniken und Methoden zur Verzierung von Gold und Silberarbeiten. Neben britischen Silberwaren aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die den Kern ihrer Sammlung bildeten, erwarben sie auch russische, europäische, indische, sowie süd- und nordamerikanische Objekte. Das breite Spektrum an goldenen und silbernen Kunstgegenständen zeigt, wie Edelschmiede überall auf der Welt im Laufe der Jahrhunderte auf neue Sitten und Gebräuche, sowie den sich ständig ändernden Geschmack ihrer Kunden reagierten.
Grandeur und Prestige
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Silberne und goldene Kunstgegenstände sollen nicht nur beeindrucken und Bewunderung wecken, weil sie so schön, wertvoll und modisch sind, sondern auch die technischen Fähigkeiten ihrer Hersteller zum Ausdruck bringen. Glänzende Meisterwerke wie diese wurden oft als Repräsentationsgeschenk verwendet, um göttliche oder menschliche Empfänger zu ehren, bezeugten gleichzeitig aber auch Großzügigkeit und Reichtum der Geber. Beim Studium der gravierten Inschriften, Monogramme, Wappen, Familienwappen und -mottos werden auch in Vergessenheit geratene Namen wieder zum Leben erweckt. Arthur Gilbert schätzte alle diese Erzählungen sehr und wollte sie gern teilen.
Repräsentationsgeschenke Repräsentationsgeschenke dienten oft diplomatischen, finanziellen oder politischen Zwecken. Eine Staatsmacht konnte damit auf elegante Weise eine Schuld einlösen, andere Stücke hoben die strategische Bedeutung eines Ereignisses wie einer Hochzeit oder Taufe hervor. Die vorliegenden Exemplare wurden als Belohnung für militärische oder politische Leistungen vergeben. Die für die französische Regierung angefertigte Vase erinnert an die ruhmreiche Laufbahn des Marquis de Lafayette und insbesondere an seine Verdienste während der Amerikanischen Revolution. Der goldene Becher, der den Wert eines silbernen Exemplars um das Zwanzigfache überstieg, war ein angemessenes Geschenk für den zweitreichsten Mann im russischen Kaiserreich.
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Becher auf einem Fuß, ein Geschenk für Graf Pjotr Borissowitsch Scheremetew (1713-1787), Generaladjutant der russischen Armee St. Petersburg, ca. 1760 Johan Henrik Hopper (aktiv ca. 1760) Getriebenes, gegossenes, ziseliertes und graviertes Gold
Monumentale Vase, ein Geschenk für Marie Joseph Paul Yves Roch Gilbert du Motier, Marquis de Lafayette (1747-1834) Paris, 1830-1835 Silber: Jacques-Henri Fauconnier (1776-1839); Modell: Jean-Etienne Chaponnière (1801-1835) Gegossenes, getriebenes und ziseliertes vergoldetes Silber, vergoldetes Kupfer, Struktur aus Messing und Eisen
V&A, Loan:Gilbert.26,27-2008
V&A, Loan:Gilbert.2-2008
32 Ziborium mit Goldstück eines halben Ecu Antwerpen, 1715-1716 Josephus I. Hennekin (aktiv ca. 1667-1720) Gegossenes, getriebenes, graviertes, ziseliertes und offen gearbeitetes vergoldetes Silber V&A, Loan:Gilbert.98-2008
Obwohl Arthur Gilbert jüdischen Glaubens war und enge Beziehungen zu jüdischen Wohltätigkeitseinrichtungen unterhielt, sammelte er kaum jüdische Objekte. Er erwarb aber einige prächtige christliche Kunstgegenstände, Symbole einer mächtigen Kirche, die zahllose religiöse Objekte erhielt oder anfertigen ließ.
33 Gitter aus der Gottesmutter - Geburtskirche, Kiewer Höhlenkloster Kiew, ca. 1784 Gregory Chizhevsky zugeschrieben (aktiv ca. 1770-1800) Gegossenes, offen gearbeitetes, graviertes, ziseliertes Silber und vergoldetes Silber, Eisenstruktur V&A, Loan:Gilbert.97-2008
Arthur Gilbert kaufte dieses prächtige Paar Kirchengitter aus massivem Silber zu Beginn seiner Sammlung, musste es jedoch auf Wunsch seiner Frau Rosalinde in der Garage aufbewahren. Die Gitter stammen aus einem der bedeutendsten Zentren des orthodoxen Christentums in Osteuropa und waren wahrscheinlich ein Geschenk von Zarin Katharina der Großen (Regierungszeit 1762-1796).
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Schätze aus der Renaissance
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Die Gilberts besaßen unvergleichliche Schätze aus der Renaissance. Es handelte sich dabei vor allem um Trinkgefäße in einer silbernen oder goldenen Montur gefertigt aus exotischen und sehr kostbaren Materialien wie Perlbootgehäusen oder Steinbockhorn, für das der Prinzenhof in Salzburg in dieser Zeit das Exklusivrecht besaß. Die Gegenstände illustrieren nicht nur die Pracht der Natur und das Geschick des Künstlers, sondern auch Bildung und Prestige des Besitzers. Als Arthur Gilbert 2001 zum Ritter geschlagen wurde, wählte er das stilvolle Rebhuhn als Wappentier.
34 Bierkrug England, ca. 1600-1658 Malling Ware (zinnglasierte Keramik) (Kent), getriebenes, gegossenes, ziseliertes, offen gearbeitetes und graviertes Silber V&A, Loan:Gilbert.583-2008
35 Schiffchen Regensburg, ca. 1610 Meistermarke AP im Monogramm Getriebenes, gegossenes, ziseliertes und graviertes Silber und vergoldetes Silber, Email V&A, Loan:Gilbert.67-2008
36 Rebhuhnbecher Montur: Nürnberg, 1598-1602 Georg Rühl (aktiv ca. 1598-1625) Geschnitzt aus Perlmutt (Südostasien), gegossenes, offen gearbeitetes und ziseliertes Silber und vergoldetes Silber, Rubine und Smaragde V&A, Loan:Gilbert.6-2008
37 Habichtbecher Montur: Ulm, ca. 1600 Möglicherweise Samuel oder Hans Kassborer Geschnitzte Kokosnuss (Südostasien), gegossenes, ziseliertes und offen gearbeitetes Silber und vergoldetes Silber, besetzt mit Halbedelsteinen V&A, Loan:Gilbert.61-2008
38 Muschelbecher Montur: England oder Flandern, ca. 1585 Poliertes Gehäuse einer Meeresschnecke (Südostasien), gegossenes, offen gearbeitetes und ziseliertes vergoldetes Silber V&A, Loan:Gilbert.58-2008
39 Becher und Deckel Montur: Augsburg, 1751 Johann Jacob Adam (aktiv 1748-1791) Geschnitzt aus einem Steinbockhorn (Salzburg), getriebenes, gegossenes und ziseliertes vergoldetes Silber V&A, Loan:Gilbert.11-2008
Stillleben mit Nautilusbecher und Schüssel mit Deckel, ca. 1600-1680, Pieter van Roestraten (1629-1700) © Victoria and Albert Museum
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Kostbare Getränke
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Durch die Blüte des internationalen Handels und die wirtschaftliche Ausbeutung der europäischen Kolonien ab den 1680er Jahren gelangten immer mehr exotische Waren nach Europa. Kostbare Getränke wie Tee, Kaffee und Kakao führten zu neuen Sitten und Gebräuchen. Neben großangelegten Diners lud man auch tagsüber Gäste zum gemeinsamen Genuss dieser Luxusprodukte ein. Es wurden neue Gegenstände wie Teebüchsen und Wasserkessel zur Aufbewahrung und Zubereitung, sowie zum Servieren entwickelt. Tee war so teuer, dass die Büchsen abgeschlossen oder in verschließbaren Holzkistchen aufbewahrt werden konnten.
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Wasserkessel für Tee London, 1730-1731 Paul de Lamerie (1688-1751) Gegossenes, getriebenes, ziseliertes, repoussiertes Silber, Flechtwerk V&A, Loan:Gilbert.672-2008
41, 42 & 43 Teebüchsen London, 1747-1748 Peter Archambo (aktiv 1720-1767) Ausgeschnittenes und gelötetes, gegossenes, ziseliertes, mattiertes und graviertes Silber V&A, Loan:Gilbert.686 to 688-2008
Kakao Kakaokannen erkennt man am Knopf auf dem Deckel. Er bedeckt eine Öffnung, durch die man einen Schneebesen zum Rühren des sämigen Getränks stecken kann. Kakaotassen bestanden in den 1680er Jahren vor allem aus asiatischem Porzellan. Dieser Trend setzte sich im gesamten 18. Jahrhundert fort, obwohl inzwischen auch kostbare Exemplare europäischer Herstellung immer beliebter wurden. Bei einigen dieser Tassen handelte es sich um sogenannte Trembleuse-Tassen, die angeblich erfunden wurden, damit Menschen mit zittrigen Händen oder Reisende nichts verschütteten.
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Kakaokanne London, 1750-1751 Samuel Courtauld (1720-1765) Getriebenes, gegossenes, ziseliertes, graviertes Silber und Holzschnitzerei V&A, Loan:Gilbert.677:1, 2-2008
45 Trembleuse-Kakaotasse und Untertasse Paris, ca. 1720 Japanisches Imari-Porzellan, gegossenes, ziseliertes, offen gearbeitetes und getriebenes Silber V&A, Loan:Gilbert.872-2008
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Gäste empfangen
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Die Gilberts waren als großzügige Gastgeber luxuriöser Feste bekannt, bei denen sie ihre Gäste alten Traditionen zufolge stilvoll mit ihrem antiken Tafelsilber speisen ließen. Ab dem 16. Jahrhundert verwendete man immer häufiger Silberwaren beim Empfang von Gästen. Es gab immer mehr Feiern aller Art: Die Anzahl und Vielfalt der verwendeten silbernen Gegenstände stieg und spiegelte die Wende bei der Verteilung des Reichtums in Europa wider. Nach dem Aufkommen einer neuen Klasse von Kaufleuten in den Städten konnten sich immer mehr Kunden, die u. a. durch Sklavenhandel und Bankgeschäfte ein Vermögen gemacht hatten, silberne Gegenstände leisten. Wohl auch um ihren sozialen Status zu erhöhen, imitierten sie beim Empfang ihrer Gäste genau die neusten Sitten und Gebräuche des Hofes und des Adels. Obwohl viele silberne Objekte aufgrund der sich ändernden Bedürfnisse dem Geschmack der Zeit entsprechend zu neuen Formen umgeschmolzen wurden, gelang es den Gilberts dennoch, einige seltene, noch erhaltene Exemplare zu erwerben.
Licht und Glanz Silber diente lange dazu, das Kerzenlicht zu verstärken und widerzuspiegeln. Das Licht stammte meist von zwei Quellen im Raum. Man setzte Kerzenhalter auf Tische und Schränke und verwendete Kerzenlöscher, um die Dochte zu kürzen, damit sie nicht zu viel Rauch entwickelten. An den Wänden befestigte man Wandkerzenhalter. Von der Mitte des 17. bis Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten sich die Kerzenhalter zu stark verzierten, der Inneneinrichtung angepassten Dekorationsobjekten.
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Wandkerzenhalter, Teil eines Sets, mit dem späteren Wappen und Krönchen der Barone Foley of Kidderminster London, ca. 1717 Paul de Lamerie (1688-1751) Gegossenes, getriebenes, ziseliertes und graviertes vergoldetes Silber
Kerzenlöscher und Halter mit dem Monogramm von John Campbell, dem 2. Herzog von Argyll (1680-1743) London, 1716-1717 Kerzenlöscher: Augustin Courtauld (aktiv 1701-1751); Halter: James Fraillon (aktiv 1706-1727/1728) Gegossenes, getriebenes und graviertes vergoldetes Silber
V&A, Loan:Gilbert.716-2008
V&A, Loan:Gilbert.593-2008
Kerzenhalter und Kandelaber Kerzen waren bis in die 1820er Jahre sehr teuer. Die benutzte Anzahl diente als Hinweis auf den Wohlstand des Gastgebers. Kerzenhalter wurden paarweise oder in größeren Zusammenstellungen verwendet. Einen mehrarmigen Leuchter bezeichnet man als Kandelaber. Die Paare, die Sie hier sehen, gelten als typische Beispiele des Rokokostils aus dem 18. und des Regency-Stils aus dem 19. Jahrhundert. Sie wurden von den berühmtesten englischen Edelschmieden der damaligen Zeit angefertigt, die nicht nur Handwerker, sondern auch kluge Geschäftsleute waren und darauf achteten, dass ihre Werkstätten ausschließlich kreative Edelschmiedekunst höchster Qualität lieferten.
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Paar Kerzenhalter im Regency-Stil mit üppigem Akanthuswerk London, 1816-1817 Paul Storr (1771-1844) von Storr & Co, für Rundell, Bridge & Rundell (aktiv 1797-1843) Gegossenes, ziseliertes und graviertes vergoldetes Silber
Paar Rokoko-Kerzenhalter mit verstecktem Pfau London, 1741-1742 Paul de Lamerie (1688-1751) Gegossenes, ziseliertes und graviertes Silber V&A, Loan:Gilbert.653 & 654-2008
V&A, Loan:Gilbert.827 & 828-2008
52 Gedenkstück, ein Geschenk für George Hay, den 8. Marquis von Tweeddale (1787-1876) London, England, 1849-1850 John Samuel Hunt (1785-1865) von Hunt & Roskell (1843-1897); Entwurf: Alfred Brown (aktiv 1845-1881) Gegossenes, ziseliertes, poliertes und mattiertes Silber V&A, Loan:Gilbert.862-2008
Mit Gedenkstücken, den sogenannten Testimonials, erreichte die britische Vorliebe für monumentale Repräsentationsobjekte in der Zeit Königin Viktorias (Regierungszeit 1837-1901) ihren Höhepunkt. Dieser außergewöhnlich große Kandelaber wiegt 38 Kilo und ist eine Hommage an den Marquis von Tweeddale und seine ruhmreiche Karriere als Gouverneur von Madras in Indien. Seine Heldentaten werden hier mit denen seines berühmten Vorfahren verglichen, der im Jahr 890 die Dänen besiegte.
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Tafelsilber
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In Folge neuer Entwicklungen in der Kochkunst in Frankreich und dem Rest Europas entstand in den 1690er Jahren eine neue Esskultur. Bei großen Diners wurden immer mehr Gänge aufgetragen, für die man spezifische Serviergefäße wie Suppenterrinen, Saucieren und Gewürzsets benötigte. Diese Gegenstände wurden nicht länger auf eine Anrichte, sondern gleich auf den Tisch gestellt. Auch Weinkühler erhielten eine neue Form: Neue Halter für eine einzige Flasche kamen direkt auf den Tisch und ersetzten große, auf dem Boden stehende Kisten mit vielen Flaschen.
53 Weinkühler London, 1794-1795 James & Elizabeth Bland (aktiv 1794-ca. 1800) Getriebenes, gegossenes, ziseliertes und graviertes Silber V&A, Loan:Gilbert.861-2008
54 Suppenterrine London, 1806-1807 Paul Storr (1771-1844) für Rundell, Bridge & Rundell (aktiv 1797-1843) Getriebenes, gegossenes, ziseliertes und graviertes Silber V&A, Loan:Gilbert.784-787-2008
55 Tafelaufsatz London, 1763-1764 Thomas Pitts (aktiv 1759-1793) Getriebenes, offen gearbeitetes und gegossenes Silber V&A, Loan:Gilbert.689-2008
Der Tafelaufsatz (epergne) gehört zu den spektakulärsten Stücken des Tafelsilbers aus dem 18. Jahrhundert. Er wurde vor allem in Großbritannien verwendet. Man füllte die kleinen Körbchen mit Obst und Süßigkeiten. Einige der kleineren Körbchen konnten auch durch Kerzenhalter ersetzt werden.
Elegante Reiseartikel Als jede Reise noch eine gute Vorbereitung erforderte und Wochen oder sogar Monate dauern konnte, wenn große Entfernungen zurückgelegt werden mussten, wurden Döschen und Fläschchen aus Edelmetall zu unentbehrlichen Utensilien einer eleganten Reiseausstattung. Ab dem 17. Jahrhundert enthielt ein Toilettenset alle Accessoires für das Ankleideritual, das in dieser Zeit die erste soziale Angelegenheit des Tages war. In späteren Jahrhunderten kamen weitere persönliche Reiseutensilien wie beispielsweise diese überproportionale Flasche aus 18-karätigem Gold für hochprozentige Getränke - hinzu.
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Spitzenstücke aus einem 26-teiligen Toilettenset Augsburg, ca. 1695 Tobias Baur (ca. 1660-1735) Glas, gegossenes, getriebenes, offen gearbeitetes vergoldetes Silber und Silber, bemaltes Email V&A, Loan:Gilbert.553, 555, 567, 566, 571-2008
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Flasche für hochprozentige Getränke mit dem Monogramm „CH“ Birmingham, 1878 George Unite & Sons (ca. 1865-1928) Getriebenes und graviertes Gold V&A, Loan:Gilbert.40-2008
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„Goldene Döschen sind wirklich sinnlich, SINNLICH, man muss sie einfach in die Hand nehmen ...“ Arthur Gilbert, 1998
Goldene Schnupftabakdose mit zwei Emailporträts, Dose: John Northam, London, 1816-1817; Porträts: Frankreich, ca. 1800-1815 © Rosalinde and Arthur Gilbert Collection, als Leihgabe im Victoria and Albert Museum
PERFEKTION IM TASCHENFORMAT Die Gilberts gerieten in den Bann sogenannter objets de vertu (Objekte der Tugend), die im 18. Jahrhundert als typische Luxusobjekte galten. Es handelte sich dabei um teure Kleinode wie Porträtminiaturen aus Email, Schnupftabakdosen, Nähzeug und andere Accessoires, mit denen elegante Menschen Tag ein Tag aus prunken konnten. Arthur und Rosalinde begannen eigentlich rein zufällig mit dem Sammeln von Schnupftabakdosen und Porträtminiaturen, nachdem sie 1975 ihre erste mit zwei Emailporträts verzierte Schnupftabakdose gekauft hatten. Kaum 20 Jahre später besaßen sie jedoch bereits eine der größten Sammlungen von Schnupftabakdosen aus allen wichtigen Zentren der europäischen Edelschmiedekunst, einschließlich einiger der schönsten französischen und deutschen Exemplare. Ihre Sammlung von Emailporträts, die oft direkt auf andere in ihrem Besitz befindliche Stücke verweisen, bietet eine historische Übersicht über diese Kunstform. Arthur Gilberts Zeitgenossen erinnern sich gern daran, wie stolz er seine neusten Errungenschaften in die Hand nahm und mit großer Freude die kleinsten Details untersuchte.
Diplomatie oder Intimität 34
Da Emailporträts teure technische Höchstleistungen erforderten, dienten sie vor allem diplomatischen Zwecken. Als der französische König Ludwig XIV. (Regierungszeit 1643-1715) seinen Botschaftern und Höflingen Emailporträts von sich selbst zu schenken begann, folgte bald ganz Europa und Russland diesem Brauch. Im Laufe der Zeit wurden immer häufiger Miniaturen auf Schnupftabakdosen befestigt. Da diese aus sehr vielen verschiedenen Materialien bestehen konnten, war es möglich, damit auf feinste Nuancen der Diplomatie einzugehen. Im 18. Jahrhundert ließen viele hochrangige Kunden in England auch Emailminiaturen von Geliebten und Familienmitgliedern anfertigen.
62 Boîte à portrait Düsseldorf, ca. 1690-1695 J.M. Khaetscher (aktiv ca. 1690-1715) Emailmalerei auf Gold, Originalhänger mit Rahmen aus vergoldetem Silber und Diamanten V&A, Loan:Gilbert.294-2008
Der französische Begriff boîte à portrait (Dose mit Porträt) ist rätselhaft, da es sich bei diesen diplomatischen Geschenken nicht um Döschen, sondern um Porträts in einem mit Diamanten besetzten Rahmen handelt. Da die Edelsteine den Wert des Objekts bestimmten, durfte der Empfänger sie herausnehmen und verkaufen. Vollständig erhalten gebliebene Exemplare wie dieses sind somit äußerst selten.
Im Fokus der Politik Mit dem Porträt oder Monogramm eines Fürsten verzierte Schnupftabakdosen gehörten zu den luxuriösesten und teuersten Repräsentationsgeschenken. Der Brauch blieb erhalten, bis der Erste Weltkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts das Ende einiger Fürstenhäuser einläutete. Vor allem in England waren auch Schnupftabakdosen mit dem Wappen einer Stadt stark vertreten. Die Stadtverwaltung schenkte diese Freedom Boxes bzw. „Freiheitsdosen” ihren Ehrenbürgern, denen sie auch andere Privilegien einräumte.
63 Repräsentations-Schnupftabakdose von Napoleon I. (1769-1821) Paris und Genf, ca. 1812 Porträt: Jean-Baptiste Isabey (1767-1855), signiert und datiert; Döschen: Moulinié, Bautte & Moynier (aktiv 1808-1821) Miniatur auf Elfenbein unter Glas; ziseliertes maschinell bearbeitetes und emailliertes mehrfarbiges Gold V&A, Loan:Gilbert.456-2008
64 Repräsentations-Schnupftabakdose von Königin Viktoria (1819-1901) Hanau, 1837 Charles Colin & Sons (aktiv ca. 1825-1870) Monogramm aus Diamanten VR (Victoria Regina) unter königlicher Krone, ziseliertes und graviertes mehrfarbiges Gold V&A, Loan:Gilbert.444-2008
65 Freedom Box mit eingraviertem Londoner Wappen London, 1809-1810 Alexander James Strachan (aktiv 1799-ca. 1842/1850) Ziseliertes, maschinell bearbeitetes und mattiertes mehrfarbiges Gold V&A, Loan:Gilbert.454-2008
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Théâtre de la Guerre, 1757, Schnupftabakdose mit doppelter Öffnung Möglicherweise Berlin, 1757 Emailmalerei auf Kupfer, ziselierte vergoldete Kupferränder V&A, Loan:Gilbert.506-2008
Friedrich der Große von Preußen (Regierungszeit 1740-1786) ließ eine Reihe von Schnupftabakdosen als Propaganda für seine Heldentaten im Siebenjährigen Krieg (1757-1763) anfertigen. Einige Exemplare zierte sein gemaltes Porträt umgeben von den Ortsnamen und Daten der Schlachten, andere – wie dieses Döschen – waren mit detaillierten Landkarten der Kriegsgebiete und Truppenbewegungen versehen.
Hommage an Thomas und Nathaniel Dimsdale, Impfpioniere Diese Schnupftabakdose und dieses Porträt sind eine Hommage an die ruhmreiche Laufbahn der Impfpioniere Thomas Dimsdale (1712-1800) und seines Sohnes Nathaniel (1748-1811). Nathaniel erhielt die Schnupftabakdose, nachdem er die russische Kaiserfamilie erfolgreich gegen Pocken geimpft hatte. Thomas wurde als „Baron de l'Empire” in den Adelsstand erhoben und bekleidete in Großbritannien eine hohe gesellschaftliche Stellung als Spitzenpolitiker. Um seine Leistungen gebührend zu würdigen, wurde dieses ziemlich pompöse Porträt im Jahr seines Todes bei dem berühmten Emailkünstler Henry Bone bestellt.
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Porträt von Thomas Dimsdale London, 1800 Henry Bone (1755-1834) Emailmalerei auf Kupfer, Rahmen aus Goldbronze (Legierung aus vergoldetem Kupfer)
Schnupftabakdose, ein Geschenk für Nathaniel Dimsdale Berlin oder St. Petersburg, ca. 1768 Ziseliertes Gold mit in Silber gefassten Diamanten: vier rosafarbene Diamanten auf rosa Folie, die anderen auf schwarzer Folie
V&A, Loan:Gilbert.257-2008
V&A, Loan:Gilbert.346-2008
Persönliche Schätze Großbritannien gehörte im 18. und 19. Jahrhundert zu den wichtigsten Absatzmärkten für Emailporträts. Bei diesen Schätzen handelte es sich um Auftragsarbeiten, angefertigt als Andenken an das Mitglied einer berühmten Familie oder einen geliebten Menschen wie beispielsweise eine Maitresse. Beim Weiterreichen von einer Generation zur nächsten geriet die abgebildete Person jedoch manchmal in Vergessenheit. Obwohl auf der Rückseite dieser Porträts die Inschrift Mr and Mrs Tilson angebracht wurde, handelt es sich hier wahrscheinlich um Frau Tilson und ihren Schwiegersohn Sir Robert Deane (ca. 1707-1770), der 1738 ihre Tochter geheiratet hatte.
69 Porträt von Mrs Tilson London, ca. 1720 Christian Friedrich Zincke (ca. 1683-1767) Email auf Kupfer, Rahmen mit silbernem Rand, besetzt mit Imitationssteinen, Hintergrund aus Achat V&A, Loan:Gilbert. 284-2008
70 Porträt, möglicherweise von Mr Tilson oder seinem Schwiegersohn Robert Deane London, ca. 1735-1745 Gervase Spencer (ca. 1715-1763), signiert Email auf Kupfer, Rahmen mit silbernem Rand, besetzt mit Imitationssteinen, Hintergrund aus Achat V&A, Loan:Gilbert.283-2008
71 Schnupftabakdose mit Porträt von Elisabeth, der Marquise von Conyngham, Maitresse von König George IV. von England (Regierungszeit 1820-1830) London, 1810-1812 Porträt: Henry Bone (1755-1834); Döschen: Alexander James Strachan (1774-1850) Gemalte Emailminiatur unter Glas, ziseliertes zweifarbiges Gold auf mattiertem Hintergrund V&A, Loan:Gilbert.462-2008
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Mit Steinen besetztes Necessaire, Carillon mit 7 Glocken London, ca. 1770 James Cox (ca. 1723- ca. 1792), auf dem Zifferblatt signiert Ziseliertes und gegossenes Gold, Achat, Perlen, Imitationssteine, Uhrenmechanismus und Glockenspiel V&A, Loan:Gilbert.35-2008
Ein Necessaire war ein tragbares Köfferchen mit persönlichen Utensilien wie Pinzette und Nähzeug für den täglichen Gebrauch. Im 18. Jahrhundert bezeichnete man teure Gebrauchsgegenstände dieser Art in England als Toys (Spielzeuge). James Cox war einer der bekanntesten englischen Toymakers. Sein Ruf reichte sogar bis nach China. Er verzierte seine Kreationen mit mechanischen Elementen und Spieldosen und machte daraus entzückende, überaus beliebte Kuriositäten.
Vergessene Bräuche Als diese wertvollen Stücke in Kunstsammlungen aufgenommen wurden, vergaß man ihren ursprünglichen Zweck. Es gibt nicht viele Abbildungen von einem Mann mit einer Porträtminiatur, wohl aber von Frauen: Sie trugen sie an einem Armband oder einer langen Kette. Um Taschendieben das Handwerk zu erschweren, steckten die Herren ihre Schnupftabakdose ins Jackenfutter. Frauen benutzten zu diesem Zweck einen großen, um die Taille gebundenen Beutel.
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Schal Niederlande, ca. 1750-1770 Weiße Stickerei, Baumwolle
Damenkleid Niederlande, ca. 1770-1780 Bestickter Taft, Seide
MoMu, T12/960/A116
MoMu, T12/1042/J11
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Weste Niederlande, ca. 1750-1770 Bestickter Taft, Seide, Silberlamellen und -faden MoMu, T13/491/G11
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Hüftbeutel 18. Jahrhundert Matelassé, Baumwolle MoMu, MVT 81A
Neuheiten und Modetrends Kostbare Schnupftabakdosen erfreuten sich seit den 1700er Jahren in Paris großer Beliebtheit. Anfangs waren sie nur mit Gold verziert. Nachdem die französische Gesetzgebung es jedoch erlaubte, wurden sie vollständig aus Gold hergestellt. Die Edelschmiede konnten dabei neue Techniken wie das Ziselieren, Emaillieren, Monierten in einem Rahmen usw. anwenden. Sie probierten verschiedene Materialien aus, um die Sehnsucht ihrer französischen und europäischen Kunden nach neuen Trends zu befriedigen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts produzierte Paris die größte Anzahl goldener Döschen, aber auch verschiedene andere europäische Städte entwickelten einen eigenen Stil, der bei den Kunden gut ankam. Ihre Handwerker verwendeten regionale Materialien und konkurrierten stolz mit der Pariser Mode.
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Schnupftabakdose mit Jagdszene Deutschland, ca. 1730 Offen gearbeitetes und ziseliertes Gold, geschnitztes Perlmutt, Email, glasierte Miniatur V&A, Loan:Gilbert.403-2008
Die ersten Schnupftabakdosen dieser Art wurden aus Perlmutt, Horn oder Schildpatt gefertigt, weil man der Überzeugung war, organische Materialien wären am besten zur Aufbewahrung des Tabakpulvers geeignet. In Nordeuropa pflegte man diesen Brauch bis 1730, obwohl auch dort die Döschen immer häufiger mit Gold und Email verziert wurden.
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Gold prächtig verzieren
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Das Ziselieren – die Bearbeitung der Außenseite des Metalls mit Punzen – war die am häufigsten angewandte Technik bei der Verzierung goldener Schnupftabakdosen. Mehrfarbiges Gold war eine Neuheit. Mit Metalloxiden – Kupfer für Rot, Arsen oder Stahl für Blau, Silber für Grün und Weiß, Eisen für Gelb – konnte man verschiedenfarbige Goldlegierungen erzeugen. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte die Familie Kirstenstein eine virtuose Technik, bei der durch die Kombination von Ziselieren und Repoussieren – der Bearbeitung der Innenseite des Metalls mit Punzen – lebendige Szenen im Hochrelief entstanden.
78 Schnupftabakdose mit Blumen und Strahlenkranz Paris, 1755-1756 Jean Ducrollay (1710-1787) Gold, in Silber und Gold gefasste Rubine und Diamanten V&A, Loan:Gilbert.328-2008
79 Schnupftabakdose mit Trophäen für Musik und Gartenbau Paris, 1768-1769 François-Guillaume Tiron (aktiv 1747-1776) Gold V&A, Loan:Gilbert.379-2008
80 Schnupftabakdose mit Jagdszenen Straßburg und Genf, ca. 1826-1831 Tafeln: Jacques-Frédéric Kirstenstein (1765-1838), signiert; Döschen: Bautte & Moynier (1826-1831) Goldene Tafeln unter Glas, Rahmen aus Gold und Email V&A, Loan:Gilbert.458-2008
Neuheiten aus Email Goldschmiede malten zuerst direkt mit Email auf Gold, um Figuren im Hochrelief noch besser hervortreten zu lassen. Die Emailliertechnik Basse-taille (Füllemail), bei der Figuren im Flachrelief mit durchsichtigem Email bedeckt wurden, entstand erst etwas später. Nach einiger Zeit begann man dann, Emailgemälde wie Miniaturen mit Blumen, Interieurs, ländliche Szenen oder neoklassizistische Motive en plein – d. h. direkt – auf dem glatten goldenen Untergrund anzubringen. Ab den 1760er Jahren kamen fast jedes Jahr neue Farben hinzu, sodass sogar natürliche Materialien wie Perlmutt und polierte Steine mit Email nachgeahmt werden konnten.
81 Schnupftabakdose mit Liebespaar Stockholm, 1759 Andreas Almgren (aktiv 1746-1778) Graviertes Gold, Emailtechnik Basse-Taille V&A, Loan:Gilbert.329-2008
82 Schnupftabakdose mit Hunden Paris, 1763-1764 François-Nicolas Gérard (aktiv 1754-1790) Ziseliertes Gold, Emailtechnik en plein V&A, Loan:Gilbert.323-2008
83 Schnupftabakdose mit Putten Wien, ca. 1780 Gold: Pierre Michel Colas (1763-1781); Email: Philipp Ernst Schindler (1723-1793), signiert Ziseliertes, graviertes und mattiertes mehrfarbiges Gold, Emailtechnik en plein V&A, Loan:Gilbert.364-2008
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Experimentieren mit Materialien
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Im 18. Jahrhundert herrschte bei den Edelschmieden ein reger Wettkampf, um ständig neue Techniken und Formen zu entwickeln. Die Montur à cage war eine der gelungensten Neuheiten: ein dosenförmiges Rahmenwerk, in das man schnell und einfach gesonderte Täfelchen einsetzen konnte, um den neusten Trends zu folgen. Die Hersteller konnten mit einem breiten Spektrum an Materialien experimentieren: Lack, Perlmutt, Verre églomisé bzw. bemaltes Glas, Gouache und Porzellan. Zur Nachahmung von Lack wurden aber auch billigere Materialien wie Schildpattpuder verwendet.
84 Schnupftabakdose mit in der Kiji-Nuri-Technik aufgetragenem japanischen Lack Paris, 1774-1775 Pierre Genest de La Guérinière (aktiv 1757-1793) Tafeln aus japanischem Lack, ziseliertes mehrfarbiges Gold und mehrfarbiger goldener Rahmen V&A, Loan:Gilbert.1052-2008
85 Schnupftabakdose mit jungem Mädchen und Taube Paris, 1776-1777 Pierre-Robert Dezarot (aktiv 1775-1781) Tafeln aus Verre églomisé, Rahmenwerk aus ziseliertem, mehrfarbigem Gold V&A, Loan:Gilbert.367-2008
86 Schnupftabakdose in der Form eines Briefumschlags Ca. 1755 Hartes Porzellan bemalt mit Email, Meißener Porzellanmanufaktur, ziselierte goldene Montur, wahrscheinlich aus Dresden V&A, Loan:Gilbert.501-2008
87 Bonbondose Paris, 1764-1765 Poudre d'écaille und Schildpatt, Verzierungen aus mehrfarbigem Gold und Silber, getriebene, ziselierte und offen gearbeitete Goldmontur V&A, Loan:Gilbert.1033-2008
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Boîte à miniatures Paris, 1777-1779 Miniaturen: Atelier von Louis-Nicolas (1716-1794) und Henri-Joseph van Blarenberghe (1750-1826); Döschen: Pierre-François Drais (1726-1788) Miniaturen aus Gouache unter Glas, Gold, Perlen, Email
Schnupftabakdose mit der Szene Die Gerechtigkeit entscheidet sich für Minerva Österreichische Niederlande, ca. 1730-1750 Tafeln: Norbertus Heylbrouck (1700-1762), signiert Graviertes Perlmutt, Gold, glasierte Miniatur auf der Innenseite des Deckels
V&A, Loan:Gilbert.361-2008
V&A, Loan:Gilbert.392-2008
Ende der 1750er Jahre und in den 1760er Jahren herrschte ein neuer Trend: Schnupftabakdosen mit Miniaturgemälden in Gouache. Vor allem die Exemplare der berühmten und äußerst talentierten Familie van Blarenberghe waren sehr beliebt. Hier sehen Sie eine Jagdpartie aus dem Jahr 1740 im königlichen Wald von Compiègne, bei der ein Hirsch den Jägern entkommen konnte, weil er auf ein Strohdach geklettert war.
Sie sehen hier eine typisch nordeuropäische Schnupftabakdose. Sie erinnert uns daran, dass man ein umfangreiches Netz von – manchmal aus verschiedenen Ländern stammenden – Spezialisten benötigte, um diese Objekte anzufertigen. Norbertus Heylbrouck war ein renommierter Graveur von Perlmutt und Silber, der den Dosenmachern in Gent, Amsterdam, London und Brügge die Ziertäfelchen lieferte. Da die Dose keinen Meisterstempel trägt, wissen wir nicht genau, wo sie zusammengestellt wurde.
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Schnupftabakdose Friedrichs des Großen Berlin, ca. 1765 Geschnitzter Chrysopras, ziseliertes, offen gearbeitetes und graviertes Gold, Hartsteine, Diamanten auf Folie V&A, Loan:Gilbert.412-2008
Friedrich der Große von Preußen (Regierungszeit 1740-1786) war ein leidenschaftlicher Sammler von Schnupftabakdosen. Er soll über 300 besessen haben. Er ließ eine große, mit Diamanten besetzte Dose aus hellgrünem Chrysopras – seinem Lieblingshartstein – anfertigen und war vielleicht sogar am Entwurf beteiligt. Sie sehen hier eine der 26 Schnupftabakdosen aus seiner Sammlung, die erhalten geblieben sind. Die Gilbert Collection beherbergt fünf davon. Die größte Anzahl befindet sich jedoch in Privatbesitz außerhalb Deutschlands.
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Hartstein Hartstein war im 18. Jahrhundert ein begehrtes Material für deutsche Schnupftabakdosen. Die fast immer aus der eigenen Region stammenden Steine wurden auf verschiedene Weise gehauen, geschnitzt und eingelegt, um die natürlichen Töne und Motive besser zur Geltung zu bringen. Johann Christian Neuber (1736-1808) aus Dresden, Hofjuwelier des Königs von Sachsen, fertigte herrliche, international sehr geschätzte Objekte an. Er entwarf verfeinerte Motive aus Hartstein und Gold und kombinierte sie dann mit jüngsten europäischen Techniken wie dem Mikromosaik.
91 Schnupftabakdose mit Schmetterlingen Möglicherweise Dresden, ca. 1770 Bergkristall eingelegt mit durchsichtigem Email, ziseliertes, graviertes und mattiertes mehrfarbiges Gold V&A, Loan:Gilbert.419-2008
92 Schnupftabakdose mit Tauben aus Mikromosaik Rom und Dresden, ca. 1780 Dose: Johann Christian Neuber (1736-1808) Lapislazuli, verschiedene Arten von Hartsteinen, darunter Achat und Jaspis, gläsernes Mikromosaik, ziselierte und im Bright-Cut gravierte Goldmontur V&A, Loan:Gilbert.353-2008
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„Nicht für uns, sondern für alle …” Rosalinde & Arthur Gilbert, 1987
DIE GILBERT COLLECTION HEUTE Arthur Gilbert teilte vor seinem Tod im Jahr 2001 deutlich mit, dass seine Sammlung instand gehalten und zukünftigen Generationen zugänglich gemacht werden müsse. Das geschieht inzwischen auf verschiedene Weise u. a. durch neue Ankäufe von Objekten im Geiste der Gilberts, sowie durch zeitgenössische Stücke. Ein Konservierungsprogramm verschafft neue Einsichten in die in der Sammlung vertretenen Materialien und Techniken. Der Gilbert Trust stellte sogar einen Curator of Spoliation and Provenance an, der – zum ersten Mal in einem britischen Museum – mögliche Fälle von Nazi-Kunstraub untersuchen soll. Obwohl dieser bereits einige beunruhigende Tatsachen zutage fördern konnte, die den Gilberts nicht bekannt waren, hätte das Ehepaar, das selbst jüdischer Herkunft war, diese Forschungsarbeit sicher begrüßt. Der Gilbert Trust for the Arts und die Gilbert Foundation setzen auch die Wohltätigkeitsarbeit und das Mäzenatentum ihrer Gründer fort und unterstützen wichtige gute Zwecke in Großbritannien, Israel und Südkalifornien.
Neue Künstlergenerationen
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In den 1950er Jahren setzte sich die Opificio delle Pietre Dure in Florenz (Nachfolger der Galleria dei Lavori) ganz bewusst dafür ein, der Mosaikkunst mit Hartgestein neues Leben einzuhauchen. Sie lud junge Künstler dazu ein, Arbeiten für eine Ausstellung einzuschicken, in der vielleicht sogar die hier gezeigten Stücke zu sehen waren. Heute kennt nur noch eine Handvoll Ateliers das Geheimnis dieses virtuosen Handwerks. Die meisten Werkstätten widmen sich hauptsächlich dem Erhalt alter Stücke. Neue Arbeiten werden kaum noch angefertigt.
93 Frauenporträt Florenz, ca. 1950-1960 Renato Bresci, Renzo Ciampi & Renzo Biondo (aktiv ca. 1950-1960) Pietre dure (Florentiner Mosaik), Holzrahmen V&A, Loan:Gilbert.911-2008
94 Blumenskizze Florenz, ca. 1950-1960 Renato Bresci (aktiv 1950-1960), signiert Pietre dure (Florentiner Mosaik), vergoldeter und schwarzer Holzrahmen V&A, Loan:Gilbert.918-2008
95 Goldene Dose für Visual Feast London, 2018 Silvia Weidenbach Mondstaub (3D-bedrucktes Nylon), Gold, Perlmutt und Diamanten V&A, Loan:Gilbert.1-2018
Die Schmuckdesignerin Silvia Weidenbach kombiniert die Goldschmiedekunst mit 3D-Drucken aus einem geheimen Material, das sie als „Mondstaub” bezeichnet. Nach monatelangen Studien der Sammlung schuf sie eine Reihe von Objekten für die Präsentation Visual Feast bzw. „Augenweide”. Diese Dose – ihr Meisterwerk – war der erste zeitgenössische Auftrag der Gilbert Collection, nachdem sie 2008 im V&A untergebracht worden war. So kam es zu Visual Feast Silvia Weidenbach war die erste Künstlerin in Residence der Gilbert Collection im V&A. Der Film zeigt ihre Reaktion auf die reiche Sammlung prächtiger Objekte und folgt dem kreativen Entstehungsprozess der goldenen Dose. Für Weidenbach ist sie „das Ergebnis der für die Gilbert Collection so typischen Wechselwirkung zwischen historischen und zeitgenössischen Elementen”. Dauer des Films: 3:11 Minuten 2018, Silvia Weidenbach
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DIVAS SAMMLUNG Rosalinde und Arthur Gilberts Sammelbereiche schließen nahtlos an die Sammlung von DIVA, Museum für Diamanten, Schmuck und Silber in Antwerpen an. Die Stadt ist der Ort schlechthin in Europa für Kunst und Luxusgüter, die bereits seit dem 16. Jahrhundert aus allen Himmelsrichtungen hier ein- und aufeinandertreffen. Für bestimmte Objekte aus der Gilbert Collection – insbesondere aber für die Stücke aus Antwerpen und Flandern – könnte diese Ausstellung sogar als eine Art Nachhausekommen interpretiert werden. Bei den Namen Hennekin und Heylbrouck wird Ihnen vielleicht nicht sofort ein Licht aufgehen, ihre Edelschmiedearbeiten und Gravierkunst gehörten im 17. und 18. Jahrhundert jedoch zur absoluten Spitzenklasse. Für einige Exemplare aus der DIVA-Sammlung, vor allem aber aus der Wunderkammer, hätten die Gilberts weder Kosten noch Mühe gespart, um sie ihrer Sammlung einzuverleiben, wenn sie dazu die Gelegenheit gehabt hätten. DIVA hat für seine Besucher einen interaktiven Parcours durch die Sammlungspräsentation ausgearbeitet, auf dem diese Objekte einen Dialog mit der Gilbert Collection eingehen: Rebhuhn und Eule stimmen gemeinsam ein Lied aus dem 16. Jahrhundert an, König Leopold II. und Königin Viktoria veranstalten ein gemütliches Familientreffen,... Eine französische Toilettenkommode bzw. ein Schreibtisch mit Intarsien aus dem späten 17. Jahrhundert aus DIVAs Kunstdepot hat sogar einen prominenten Platz in der Ausstellung erhalten.
DIVAS STUDIENSAMMLUNGEN Die Gilberts interessierten sich als leidenschaftliche Sammler für alles, was schön ist. Das Museum beschreitet im Rahmen seiner Sammlungspolitik auch andere Wege. DIVA baut eine für Flandern und die Niederlande repräsentative Sammlung von Diamanten, Schmuck und Silber auf und widmet seine Aufmerksamkeit dabei sowohl der Präsentation, als auch der wissenschaftlichen Forschung und pädagogischen Zwecken. Das Museum verwahrt und erschließt Archive, Zeichnungen, Stiche und Bücher zu diesen Themen. Eine Auswahl aus den erst kürzlich – auch dank der Unterstützung der König-BaudouinStiftung – erworbenen Entwürfen und Modellstichen aus dem 18. Jahrhundert schließt wunderbar an das Thema Perfektion im Taschenformat an. Die Zeichnungen und Stiche bieten einen Einblick in die Entwurfpraxis, sowie die internationale Verteilung der Modelle, die in dieser Zeit in Frankreich entstanden sind. Wenn Sie weitere Informationen benötigen oder sich in diese Materie vertiefen möchten, sollten Sie auf jeden Fall die Arbeitsweise unserer reich ausgestatteten Bibliothek kennenlernen.
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Entwurfzeichnung für ein Armband, eine Halskette, Ohrhänger, eine Brosche und eine Schnupftabakdose Frankreich oder Südliche Niederlande, ca. 1770 L. Vander Cruycen zugeschrieben (Angabe 1770-1784) Federzeichnung auf Papier mit Bleistift-Unterzeichnung
Entwurfzeichnung für drei Epauletten, zwei Broschen und eine Schnupftabakdose Frankreich oder Südliche Niederlande, ca. 1770 L. Vander Cruycen zugeschrieben (Angabe 1770-1784) Federzeichnung auf Papier mit Bleistift-Unterzeichnung
König-Baudouin-Stiftung - Fonds Léon Courtin-Marcelle Bouché, im Depot bei DIVA, B512/22/10
König-Baudouin-Stiftung - Fonds Léon Courtin-Marcelle Bouché, im Depot bei DIVA, B512/22/16
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Platte 4 mit Deckel für (Schnupftabak-)Dosen aus der Rubrik Orfèvre Bijoutier aus der Encyclopédie von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert Paris, 1751-1772 Robert Bénard (°1734) nach Jacques Raymond Luçotte (ca. 1733-1804) Kupferstich auf Papier
Entwurfzeichnung für den Deckel einer Schnupftabakdose mit der Darstellung der Venus, die Aeneas Waffen überreicht Frankreich oder Niederlande, ca. 1711-1733 Bernard Picart zugeschrieben (1673-1733) Federzeichnung auf Papier mit Bleistift-Unterzeichnung
DIVA, P2018/1/33
DIVA, P2016/1
IMPRESSUM Masterpieces in Miniature: Schätze aus der Rosalinde and Arthur Gilbert Collection. Eine Ausstellung des V&A – um die Welt reisend mit Unterstützung von der Gilbert Trust for the Arts – präsentiert im DIVA, Museum für Diamanten, Schmuck und Silber in Antwerpen, Belgien. 54
05.03.2021 - 15.08.2021
Zusammenstellung Kuratorin: Alice Minter Assistenzkuratorin: Jessica Eddie
Projektkoordination Wim Nys, Leonie Maerevoet
Szenografie Entwurf: Dries Otten, Axelle Vertommen Produktion: Marie Vandecasteele Ausstellungsbau: Solution nv Beleuchtung: Chris Pype
Texte Autoren: Alice Minter, Wim Nys Übersetzung: Sabine Reifer Schlussredaktion: An Labis, Leonie Maerevoet, Wim Nys Grafikdesign: Emma Thyssen
Leihgeber V&A London, Rosalinde and Arthur Gilbert Collection König-Baudouin-Stiftung, Fonds Léon Courtin-Marcelle Bouché MoMu Antwerpen
AG Kulturelle Einrichtungen / Kulturerbe Aufsichtsrat: Nabilla Ait Daoud, Yolande Avondroodt, Lebuin D'Haese, Omar Fahti, Luk Lemmens, Bartold Maréchal, Koen Palinckx, Tatjana Scheck, Annelies Thoelen Vorstand: Yannick Bochem, Lies Buyse, Isabelle Hernould, Milan Rutten, Wim Van Damme
DIVA Team Direktorin: Eva Olde Monnikhof Wachdienst: Marc Brosens, Annemie De Meester, Walter Geldolf, Gert Govaerts, Vanessa Gruda, Maria Janssens, Raf Lippens, Ronny Mewis, Marianne Scholten, Ilse Van De Weyer, Henk van Genderen, Sven Wendrickx Bibliothek: An Labis, Giacomo Visini Sammlung und Forschung: Inge Cloetens, Carl de Smit, Wim Nys, Kristina Valiulis, Vincent van Beek, Ann Verbecque Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Els Crollet, Suzanne de Lange, Tom Iriks, Leen Thielemans Empfang: Katelijne Decraene, Maaike Delsaerdt, Raphaël Lauwers, Soun Liekens, Lieve Van Looveren Organisation und Beziehungsmanagement: Eduard Backelant, Kelly de Rybel-van Campenhout, Stéphane Keersmaekers, Martine Nieuwenhuysen, Danielle Serré, Wim Verhulst Ausstellungen: Leonie Maerevoet, Catherine Regout, Marie Vandecasteele
Mit besonderem Dank an V&A Touring Exhibitions, V&A Publications, Tessa Murdoch, Charlotte Johnson, Wim Mertens, Team Verwaltung und Erhaltung der Stadt Antwerpen, alle Freiwilligen und Praktikanten.
Mit Unterstützung von
Abbildungen © V&A, DIVA 2021 DIVA für diese Ausgabe, alle Rechte vorbehalten Verantwortlicher Herausgeber: Eva Olde Monnikhof, Direktorin, DIVA, Gildekamersstraat 9, 2000 Antwerpen Gesetzliche Hinterlegungsnummer: D/2021/14.608/4 Disclaimer: DIVA hat versucht, alle Urheberrechte in Übereinstimmung mit der entsprechenden Gesetzgebung zu regeln. Wer glaubt, er könne Urheberrechte geltend machen, kann sich an den Verlag wenden.
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Masterpieces in Miniature Schätze aus der Rosalinde and Arthur Gilbert Collection.
Eine Ausstellung des V&A – um die Welt reisend mit Unterstützung von der Gilbert Trust for the Arts – präsentiert im DIVA, Museum für Diamanten, Schmuck und Silber in Antwerpen, Belgien. WEB
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