Ist Monumentalität heute möglich? Welche Formen nimmt sie an? „Monumentalität“ – Eigenschaft eines künstlerischen Bildes, der ästhetischen Kategorie des Erhabenen verwandt; gesellschaftlich relevanter Inhalt, ausgedrückt in erhabener plastischer Form, durchdrungen von episch-heroischen Prinzipien und dem Pathos der Bejahung positiver Ideale. Große Sowjetenzyklopädie Die Idee der Monumentalität scheint heute endgültig überwunden. Die Geschichte der Denkmäler hat sich in die Vergangenheit verflüchtigt. Denkmäler wurden von Themenparks abgelöst – Multimediaspektakeln, die von Zeit zu Zeit bei bekannten Künstlern und Architekten in Auftrag gegeben werden, um ein vergangenes Ereignis, über das allgemeiner Konsens herrscht, zu verewigen. Diese Spektakel zeichnen sich nicht durch formale Innovationen aus, sie bieten auch keine Helden, die „große Taten“ vollbrachten; stattdessen gibt es nur unschuldige Opfer, die uns an ein „Nie wieder!“ erinnern. Außerdem gibt es diverse performative, anti-monumentale Praktiken unterschiedlicher, meist marginalisierter Gesellschaftsgruppen, die auf Interventionen in schon vorhandene Denkmalensembles abzielen. Sie machen sich über diese lustig, stellen deren Legitimität in Frage, interpretieren sie um oder zerstören ihr Erscheinungsbild im städtischen Raum und in der öffentlichen Erinnerung. Und natürlich gibt es nach wie vor die kuriosen und archaischen Fälle von Wiederbetätigung bei den Machthabern, die noch immer irgendetwas in Bronze gießen oder in Marmor meißeln lassen und dann Monstren ins Zentrum ihrer herabgekommenen Macht platzieren. Scheinbar besteht nicht mehr der geringste Zweifel daran – die Monumentalität in ihrer klassischen, erhabenen Form ist verschwunden und der heutige Mensch lebt umgeben von sinnlos gewordenen monumentalen Symbolen, die überdies aller Rituale einer lebendigen Erinnerung entledigt sind. Ist es nicht so? Hat es Sinn, irgendetwas aus dieser äußerst sinnträchtigen Tradition zu erhalten?
Fa ll № 1
Di e Vend o me S ä u l e
Der Ausgangspunkt unseres Projektes „Face to Face with the Monument“ war das Denkmal für die im Krieg gefallenen sowjetischen Befreier Wiens vom Faschismus auf dem Schwarzenbergplatz. Dieses Musterbeispiel stalinistischer Monumentalkunst, das unmittelbar nach Kriegsende errichtet wurde, ist – nach unserer Meinung – noch immer dazu geeignet, eine grundsätzliche Diskussion über die Bedeutung politischer Denkmäler und jener Formen, die heute Erinnerung an wichtige historische Ereignisse annehmen kann, anzustoßen. Seit dem Sieg über den Faschismus sind siebzig Jahre vergangen. In diesen Jahren hat sich viel verändert – die UdSSR verschwand, eine neue globalisierte Welt entstand, die sich selbst jenseits aller Formen von Ideologie positionierte und sich von jeglicher historischen Zielsetzung distanzierte. Die Rede von gesellschaftlich progressiven Idealen erscheint heute – gelinde gesagt – als naiv, allzumal viel zu lange die Ansicht vertreten wurde, all diese Ideale wären schon verwirklicht und es bedürfe nur einiger Korrekturen und Verbesserungen. Wie sich herausstellte, ist alles nicht so einfach: Die neuen Krisen des freien Marktes und der Demokratie, die Wiederkehr von Klerikalismus und Nationalismus weisen darauf hin, dass der alte Streit zwischen (angeblich) überholter, stummer Archaik und zeitgenössischer Vielstimmigkeit nach wie vor nicht entschieden ist; die Künstler sind wiederum verpflichtet, sich noch einmal in die Grundlagen zu vertiefen, um den Anforderungen ihrer eigenen Geschichte gerecht zu werden. Die sowjetischen Kriegerdenkmäler haben – für alle unerwartet – in jüngster Zeit an Aktualität gewonnen; im Zuge der Möglichkeit eines neuen kalten Krieges wurde ihnen wiederum Leben eingehaucht. Der demokratische Aufstand in der Ukraine führte drastisch vor Augen, dass auch gegenwärtig politische Konflikte mit einem Bündel unverarbeiteter historischer Traumata verknüpft sind und Ikonoklasmus nach wie vor eine unumgängliche Leidenschaft der Verwandlung darstellt; der Streit darüber, wer wirklich ein Held ist, wird dabei nach wie vor mit Waffengewalt entschieden.
Der Höhepunkt von Courbets politischer Karriere als Kommunarde war die Zerstörung der Vendome Säule, eines Denkmals für die militärischen Siege von Napoleon Bonaparte, das aus den bei der Schlacht von Austerlitz (1805) erbeuteten Kanonen gefertigt worden war. Der Maler war nicht der eigentliche Anstifter. Er hatte 1870 zur Entfernung der Säule aufgerufen, weil sie jeglichen künstlerischen Wert vermissen ließe und nur zur Verlängerung imperialistischer Kriege und Eroberungen diente, aber die tatsächliche Verordnung zu ihrer Zerstörung wurde verabschiedet, bevor Courbet in die Kommune gewählt wurde.
FALL № 2
Bronze Soldier, Tallinn, 2007
Ursprünglich war das Projekt als Versuch eines direkten Dialoges mit der Vergangenheit geplant. Unsere Anfangsidee war sehr einfach: Wir wollten eine Konstruktion errichten (eine Art Baugerüst, dessen Aussehen eine Anspielung auf Tatlins Turm darstellte), die das Denkmal für den Sowjetsoldaten umhüllen sollte; jeder Interessierte sollte es besteigen können, um dann der Statue – dem symbolischen Gast aus der Vergangenheit – direkt in die Augen zu schauen. Unsere Idee traf allerdings auf ernsthaften Widerstand – die einfache und effektvolle Geste, die Aufmerksamkeit auf das sowjetische Denkmal lenken und einen Dialog mit dem Stadtraum bewirken hätte können, wurde von der Russischen Botschaft abgelehnt. Diese ist für das Denkmal verantwortlich und ohne deren Erlaubnis ist keinerlei public art in seiner Umgebung möglich. Die Antwort der Russischen Botschaft (indirekt – des russischen Staates) war durchaus verständlich: Es darf keinerlei Dialog (vor allem keinen kritischen Dialog) mit der heiligen Vergangenheit geben. Wir mussten umdisponieren, vom Denkmal abrücken, um die geforderte Distanz einzuhalten; das führte auch zu einer Revision unserer Ideen und zu einer Präzisierung der Aufgaben einer kritischen Reflexion der Idee des Monumentalen, allzumal die Entwicklung unseres Projektes schon vor dem Hintergrund der dramatischen, militärischen Eskalation des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland erfolgte. In diesem Konflikt sehen wir, dass beide Seiten Ereignisse einer lange vergangenen, ideologisch aufgeladenen Vergangenheit für ihre politische Legitimation verwenden; wie sehr beider Identitätssuche auch an den tragischen Konflikt von Nationalsozialismus und Stalinismus gebunden ist, ohne dabei imstande zu sein, diese Erfahrung in eine Lehre von Gedenken und Vergessens zu verwandeln, auf deren Grundlage die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft erst möglich wäre. Das offenkundige Unzeitgemäße der Situation wird vor dem Hintergrund des paradigmatischen Wandels in der zeitgenössischen Denkmalpolitik besonders deutlich, allzumal dieses auf einer permanenten Neuinterpretation des Begriffes „Opfer“ beruht. Die Idee des Opfers stellt eine Herausforderung an die archaische Opposition von Sieger/Besiegter dar; an das archaische Symbol des Märtyrers – den Helden, der sich selbst für eine große Idee opfert. Das Bild der Opfer von Holocaust, Leningrader Blockade, Gulag und Holodomor verlangt grundsätzlich andere Gedenkpraktiken und neue Formen bei der Anwendung von Monumentalität.
Der Konflikt, der unter der Oberfläche der estnischen Gesellschaft gebrodelt hatte, brach Ende April 2007 aus. Unter wachsenden Spannungen siedelte die estnische Regierung den Bronzesoldaten von seiner sehr prominenten Position im Zentrum von Tallinn auf einen zweieinhalb Kilometer entfernten Militärfriedhof um. Es könnte gut sein, dass damit beabsichtigt war, die örtliche russische Bevölkerung, deren viele Mitglieder ihr Leben politisch nicht mitgestalten können und die beinahe eine eigene Kultur (mit der Statue des trauernden Soldaten in ihrem Zentrum) haben, unsichtbar zu machen. Auf diesen symbolischen Akt der Marginalisierung durch diejenigen, die an der Macht sind, folgten zwei Nächte des Aufruhrs in den Straßen von Tallinn. Glaubt man den Medien, endete alles mit einer erfolgreichen Polizeiaktion, und die Regierung gewann den Medienkrieg auch auf internationaler Ebene. Man stellte es so dar, dass die russische Bevölkerung in Estland ihr ‚wahres Gesicht‘ gezeigt habe - das heißt, die Verteidiger des Denkmals standen als bloße Kriminelle und sonst nichts da. /Kristina Norman/
Die umfangreiche und schmerzliche Diskussion über die Repräsentation der Geschichte (über Zeugenschaft und Verantwortung, den ethischen Wandel in der Gedenkpolitik, über Trauma und Trauerarbeit, die Asymmetrie der Gewalt, Vielstimmigkeit des sozialen Gedächtnisses, Universalität von Normen und die Bewertung von Verbrechen u.a.), die in Europa unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann, bleibt auch heute äußerst aktuell, ganz besonders vor dem Hintergrund der allerorts sich ausbreitenden Archaisierung des Bewusstseins. Um eine Trivialisierung der Praktiken des Monumentalen zu vermeiden, ist es sinnvoll, sich an jene „Illuminationen“ von Walter Bejamin zu erinnern, in denen dieser das Gericht der Geschichte anspricht: „Vergangenes historisch artikulieren heißt nicht, es erkennen ›wie es denn eigentlich gewesen ist‹. Es heißt, sich einer Erinnerung bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt. Dem historischen Materialismus geht es darum, ein Bild der Vergangenheit festzuhalten, wie es sich im Augenblick der Gefahr dem historischen Subjekt unversehens einstellt. Die Gefahr droht sowohl dem Bestand der Tradition wie ihren Empfängern. Für beide ist sie ein und dieselbe: sich zum Werkzeug der herrschenden Klasse herzugeben. (…) Nur dem Geschichtsschreiber wohnt die Gabe bei, im Vergangenen den Funken der Hoffnung anzufachen, der davon durchdrungen ist: auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört.“ Heute, da die Welt abermals an einer gefährlichen Grenze angelangt ist, forderte uns Walter Benjamins Prophetie dazu auf, in der Vergangenheit neue Anknüpfungspunkte zu suchen. Wenn wir ernsthaft bereit sind, uns zu erinnern und zu kämpfen, ist vor allem unabdingar, sich im Bezug zur Geschichte zu verstehen, nicht bloß zur Geschichte, sondern im Bezug zu den Kämpfen der Geschichte. Nur dann sind wir imstande, auch der wichtigsten aller Aufgaben gerecht zu werden – der „Rettung der Toten“. Nur dann bekommen all diese Berge an Stein, Marmor und Stahl, all die Gedenkhaine mit und ohne flackernde Monitore einen Sinn, nicht nur für künftige Generationen; sie werden tatsächlich auch zu einem politischen Faktor in der Veränderung der Welt. Deshalb ist es gerade heute, da sich die Gefahren verdichten, wichtig, über Formen des Monumentalen nachzudenken. Erinnern bedeutet kämpfen. Übersetzung: Erich Klein
FALL №3
Sanja Ivekovic ‘Lady Rosa of Luxembourg’, 2001
Schwabinggrad Ballett Noten zum Gedenken Einmal fragte Meister Wah-Tsi einen Soldaten, ob er die Grenze, die er zu bewachen hat, für unüberwindbar hielte. Der Soldat nahm Wah-Tsi an die Hand und sagte: Komm, ich zeige dir jetzt, wie ich in vier Stunden die ganze Grenze kontrollieren kann. Er führte ihn zu Apparaturen, die Wärme registrieren und zu solchen, die nachts Bilder machen, er zeigte ihm die Hunde und die Waffenlager und die prall gefüllte Kasse, aus der er Überläufer bezahlt. Wah-Tsi sagte zum ihm: Ich sehe nun, deine Grenze könnte unüberwindbar sein. Aber würde man dir dafür ein Denkmal setzen? Der Soldat entgegnete: Ihren Opfern wird man es nicht.
Les Statues meurent aussi Auch Statuen können sterben, wenn sie aus ihrem symbolischen Kontext herausgerissen und in den Museen aufgestellt werden. Wenn sie nicht mehr Medien eines symbolischen Tausches sind sondern zu Oberflächen der Selbstbetrachtung einer Gesellschaft gemacht werden, die Zeit nur noch als Zerfall kennt und die es selber schon kaum noch gibt. Die sich in den an den Oberflächen der Statuen erscheinenden Bildern an alte Verbindlichkeiten erinnert, deren Funktion aber mittlerweile nur noch die Kontrolle von den Prozessen ist, die unter den Oberflächen unsichtbar werden.
Gëlle Fra (dt. Goldene Frau) ist der Kosename für das Denkmal der Erinnerung, ein Mahnmal gegen den Krieg mitten im Herz der Stadt Luxemburg. Ursprünglich sollte es an die gefallen Luxemburger Soldaten erinnern, die als Freiwillige in der französischen Armee im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Aufgrund der folgenden Ereignisse wurde es jedoch auch zu einem Mahnmal gegen die Naziherrschaft. Heute erinnert es an alle Opfer von Kriegen. Im Jahr 2001 errichtete die kroatische Künstlerin Sanja Ivekovic ihre ‚Lady Rosa of Luxemburg‘ in unmittelbarer Nähe zur Gëlle Fra, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. Während der Titel der Statue auf die deutsche Philosophin und marxistische Theoretikerin Rosa Luxemburg anspielt, ist ihre Gestalt eine exakte Nachahmung der Goldenen Frau, mit dem einzigen Unterschied, dass diese schwanger ist. Die schwangere Figur der Lady Rosa bezieht sich sowohl auf die Rolle der Frau als Gebärerin wie auch auf die sexuelle Gewalt, der sie ausgesetzt ist. Einige Leute jedoch meinten, dass die Statue der zweiten Goldenen Frau die patriotische Botschaft der ursprünglichen Frau unterminierte und sogar verzerrte. Nach einer Reihe hitziger Debatten wurde Lady Rosa schließlich von ihrem Podest entfernt. /Sarah Haunert/
FALL № 4
CN N – Die Li ste der „ h ässl i chsten “ D enkm ä l e r , 2 0 1 4
Erbe des Kolonialismus La-I-Ha pflegte zu sagen: Wir haben ein Recht, hier zu sein. Wir sind hier, um den Schweiß unserer Ahnen zu genießen.
Die Ankunft, nicht die Grenze Ba-Ging hatte gehört, das Wah-Tsi der Ansicht sei, das Problem sei nicht die Grenze, sondern die Ankunft. Daher fragte sie ihn nach seiner Meinung über den Vorschlag, die Ungelernten unter den Flüchtenden vor der Flucht über die Aussichtslosigkeit ihrer Hoffnungen zu unterrichten. Wah-Tsi antwortete: Man wird diese Auskunft für ein Manöver halten.
Irreversibilität Die Geschichte folgt keinem aus Einzelschritten bestehenden Plan, sondern ist eine stochastische Angelegenheit, die von endemischen Katastrophen durchzogen ist. Am Ende einer
Tote arbeiten Wir erinnern uns dunkel: absoluter Mehrwert, Vergegenständlichung lebendiger Arbeit in den Produktionsmitteln, relativer Mehrwert, reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital, Akkumulation des Kapitals, usw. Marx nannte das Kapital „tote Arbeit“. Und ach ja: die ursprüngliche Akkumulation. Die Mobilisierung der Ausgepoverten in die Manufakturen. Der Arbeitszwang. Die notwendige räumliche Ausdehnung des vom Kapital kontrollierten Territoriums: Kolonien. Plantagen. Sklavenschiffe. Dreieckshandel. Die Babies, die auf den Sklavenschiffen geboren wurden, wurden über Bord geworfen. Am Grund des Atlantik sammeln sie sich und arbeiten an der Neuen Stadt.
Goodbye Center Der Statthalter der Metropole Bu-Han befahl seinen Beamten, die Unerwünschten unter den Ankommenden ebenso zuvorkommend abzufertigen wie die Erwünschten. Neben dem Welcome Center, das man im Norden der Stadt für jene Fremden erbaut hatte, mit deren Fertigkeiten man reich zu werden glaubte, ließ er im Süden ein Goodbye Center errichten, in das die geschickt wurden, die auszuweisen waren.
Tote erzählen „Werd ich ergrimmt sein auf die Stadt? Noch weiß ich‘s nicht“, sagt bei Aischylos die Chorführerin der Eumeniden (=Erinnyen) zu Apoll. Die Erinnyen suchen Orest heim, der seine Mutter ermordet hat, sie wollen die Bluttat rächen, Apoll will sie davon abhalten. Der hat nämlich Orest dazu ermuntert, seine Mutter Klytaimestra umzubringen, die wiederum ihren Mann und Orests Vater Agamemnon nach seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg abgeschlachtet hatte, weil der ihre Tochter Iphigenie der Göttin Artemis geopfert hatte... Die vorzeitlichen Rachegöttinnen berufen sich auf den Frevel, der außerhalb der Rechtfertigung steht, der nicht verhandelt und nur gesühnt werden kann. Das Recht Apolls ist ein abstrakter Code,
Erich Klein Drei Monate statt ein Jahr
Im Russischen Föderationsrat wird vorgeschlagen, die Ausstrahlung des amerikanischen Senders CNN in Russland einzustellen – CNN hatte in seine Liste der „hässlichsten“ Denkmäler unter anderem die Gedenkstätte „Festung von Brest“ aufgenommen. Den amerikanischen Soldaten hatte der Gesichtsausdruck des Soldaten nicht gefallen. Der Schriftsteller Andrej Astwatsaturow bemerkte dazu in Firstnews: „Es gibt die schreckliche Erfahrung, sich selbst zugunsten anderer zu opfern, eine Erfahrung, die ganz einfach nicht „schön“ dargestellt werden darf. Die Geschichte der Verteidiger der Festung von Brest gehört zu dieser Art von Erfahrung. Ich bin kein Kunsthistoriker und es ist Sache der Experten, zu beurteilen, wie gut das „Tapferkeits“-Denkmal in ästhetischer Hinsicht ist. Meiner Meinung hat es aber alle Eigenschaften, die Kunst verlangt: Trauer, Kraft und zugleich eine unglaubliche Anspannung aller Gefühle, die allen „schönen Formen“ widerstrebt und beinahe formlos bleibt.“
Geschichte, die nicht mehr das Ergebnis eines einzelnen Impulses sondern eines statistischen Prozesses ist, steht die Entropie. Der Tod ist irreversibel. Aber er ist es nicht, weil er einem Schicksal folgt. Der Tod ist auch nicht deshalb irreversibel, weil er die Folge einer einzelnen Katastrophe ist. Er ist irreversibel, weil er nicht aus einem Ereignis, sondern aus einer sehr hohen Anzahl von Einzelereignissen besteht, die in der Summe einen statistischen Prozess ergeben.
„Bleib nicht, mein Lieb, wenn Katjuscha anfängt zu singen“ Paul Celan, Russischer Frühling „Natürlich erinnere ich mich an Wien! Ich habe sie ja genommen.“ Dmitrij Schepilow, Stabsoffizier der 4. Garde-Armee
Das Denkmal zu Ehren der bei der Befreiung Wiens im April 1945 gefallenen 17000 Soldaten der Roten Armee (fünftausend Gefallene nach Schätzungen österreichischer Militärhistoriker) ist in ideologischer und interpretatorischer Hinsicht ein höchst schillerndes Gebilde. Schon die Vielzahl der Namen ist verwirrend: Befreiungsdenkmal, Siegesdenkmal, Russendenkmal, um nur die freundlicheren Bezeichnungen zu nennen. Umso mehr erstaunt der Umstand, dass es bislang keine umfassende Dokumentation der Errichtung des ersten Großbauwerks der Zweiten Republik gibt, dessen symbolische Bedeutung einschließlich seiner frühen Eröffnung am 19. August 1945 nicht hoch genug zu veranschlagen ist. Bis zur Einsicht in russische Dokumente bleibt der interessierte Betrachter weiterhin auf die mündlichen Aussagen jener sowjetischen Kriegsteilnehmer angewiesen, die möglicherweise nicht mehr als eine Baulegende ergeben. Es handelt sich um Dmitrij Trofimowitsch Schepilow, Kriegsrat der 4. Gardearmee der 3. Ukrainischen Front; Michail Alexandrowitsch Schejnfeld, Befestigungstechniker und Bauleiter des Denkmals; und Mila Intisarjan, die Witwe von Michail Awakowitsch Intisarjan, dem Bildhauer der Figur des Rotarmisten. Für die Wahl des Standortes
sei er, Dmitrij Trofimowitsch Schepilow, verantwortlich gewesen, ebenso habe er die Umbenennung des Schwarzenbergplatzes in Stalinplatz initiiert. Es spricht wenig dagegen, Dmitrij Schepilow (1905-1995) als den eigentlichen „Kopf“ der Denkmalanlage anzusehen. Schepilows Biographie verdient Beachtung: Der gelernte Ökonom meldete sich 1941 in Moskau freiwillig als sog. Opoltschenets an die Front, bei Kriegsende nahm er unter Stabsoffizieren eines wichtigen Frontabschnittes den Rang eines politischen Leiters ein. Die weiteren Stationen der im Krieg begonnenen, kometenhaften Karriere sind nicht weniger beeindruckend: Chefredakteur der Parteizeitung „Prawda“, Mitverfasser von Stalins „Fragen der Volkswirtschaft“, als dessen potentieller Nachfolger er eine Zeitlang gehandelt wurde; kurzzeitiger Außenminister der UdSSR, schließlich erfolgte der Fall nach einem von Chruschtschow aufgedeckten stalinistischen Putschversuch: Schepilow hatte sich der von Molotow und Kaganowitsch angeführten Gruppe von hohen Parteifunktionären „beigesellt“ Dmitrij Schepilow, der den Krieg im Generalsrang beendete, verstand sich ein Leben lang als besonders „kunstsinnig“; seiner Meinung nach kam das durch den Umstand zum Ausdruck, dass er für die Auswahl des Bildhauers sowie die Inschschriften des Denkmals verantwortlich gewesen wäre.
Tatsächlich ist Schepilow auf einer Reihe von Fotos (cf. „Die Russen in Wien – Die Befreiung Österreichs“) neben Nikanor Sachwatajew, dem Kommandanten der 4. Gardearmee, bei einer Inspektionsfahrt an verschiedenen Schauplätze Wiens sowie bei der Begehung der Baustelle des Denkmals am Schwarzenbergplatz zu sehen. Unter den Begleitern befanden sich auch Sergej Michalkow ( 1913-2009), Kinderbuchautor, mehrfacher Lenin- und Stalinpreisträger sowie El-Registan (1899-1945), ein aus Usbekistan stammenden Journalist und Dichter; gemeinsam hatten die beiden Schriftsteller den am 1. Jänner 1944 veröffentlichten neuen Text der
Denkmal des unbekannten Grenzsoldaten der auf den einzelnen Fall angewendet werden kann, das Vor-Recht der Erinnyen klebt am einzelnen und konkreten Frevel. Apoll: die Rekonstruktion von Kausalketten zu einem Text (Familientragödie). Erinnyen: die blinde Jagd nach der Spur des Realen, des Restes, der nicht in der Repräsentation aufgeht (Rache). Jede Erzählung, sei sie nun als „dokumentarische“ oder als „inszenierte“ zu lesen, stellt eine Oberfläche bereit, auf die die Protagonisten als Figuren (der AutorIn, des Publikums...) projiziert werden können. Und wie jede Projektion schließt die Erzählung das aus, was weder im Symbolischen noch im Imaginären einen Platz findet. Die Chorverse der Erinnyen sind ein in der Oberfläche der Erzählung vertikal steckender Pfahl, deren einer (parafiktionaler) Pol die Materie und deren anderer (metafiktionaler) Pol die Paranoia ist. Die Erinnyen, sich selber mit Ach und Krach unvermittelt und vollkommen frei von jeder Kontinuität (geschweige denn: Kausalität) in die Medien projizierend übersetzen die Toten in dem für sie merkwürdigen und gewalttätigen Milieu der Botschaften in eine „Identität“. Alsdann nehmen die Toten Bezug auf die erbärmliche Oberfläche der Erzählung und darüber hinaus jeder Art von Geschichtlichkeit überhaupt. Die Toten, sich einmal auf die idiotische Zeitlichkeit der menschlichen Rede eingelassen habend, scheinen vorsprachliche Muster nutzen zu können, um sich einen Kanal in die Repräsentation zu öffnen. An Aktivitäten finden sie dort nur Komprimieren und Verstopfen vor. Sie stimmen der Kette der Erzählungen nicht zu. Sie beharren auf ihrem Recht.
Über den Sieg im Krieg gegen die Verletzung der Grenze Wah-Tsi sagt: Die ultimative Fantasie des Grenzbullen ist das Maschinengewehr-Massaker. Doch der Preis für den Sieg im Krieg gegen die Verletzung der Grenze wäre eine Verlangsamung der Warenzirkulation.
Kriege, Verbrechen Da und dort ist etwas Schreckliches passiert. Es gibt keinen Beweis, nur Gerüchte, schwache Informationen, jemand hat etwas gehört, kann sich aber nicht genau erinnern, was erzählt wurde. Die Zeugenkette ist unterbrochen. Und was ist hier eigentlich passiert? War das im Rahmen von regulären Kampfhandlungen? Fanden hier hinter der Front Säuberungsaktion statt? Wo war eigentlich die Front? Gab es hier Exekutionen? Die Bevölkerung ist misstrauisch. Was wollen die Fremden hier. Das war eben der Krieg, der Krieg ist lange her, damals hat uns auch keiner
geholfen, wir brauchen jetzt die Umgehungsstraße, wir haben es satt, dass die Lastwagen durch unser Dorf rumpeln, von dem, was sie transportieren, haben wir eh nichts. Es gibt verschiedene Versionen dessen, was dort passiert ist oder was die Ursache war und wer verantwortlich, schließlich einigt man sich bzw. setzt sich die stärkste politische Kraft durch, vielleicht auch gegen eine im Grunde noch stärkere, die aber das Interesse an dieser Geschichte verloren hat. Die Toten dürfen nicht vergessen werden „sie sollen nicht umsonst gestorben sein“, es gibt eine Ausschreibung mit Wettbewerb, ein Künstler setzt sich durch, die lokale Bevölkerung wehrt sich gegen das geplante Denkmal, das Auswahlverfahren wird in Zweifel gezogen, der Künstler empört sich, man überlegt, ob die im Auswahlverfahren unterlegene Künstlerin nicht den viel besseren Entwurf vorgelegt hatte, die Sache zieht sich hin, aber irgendwann steht das Denkmal dann doch.
Beweis des Krieges La-I-Ha sagt: Wir sind nicht nur hier, weil ein Krieg stattgefunden hat, der im Übrigen vom Frieden nicht zu trennen ist. Wir sind hier als Beweis und Zeugen dieses Krieges.
Anti-Gedenken Das Gedenken hat eine zeitliche Komponente, denn im Gedenken erinnern sich die Lebenden an die Toten als zu anderer Zeit mal am Leben gewesene. Das Gedenken hat darüber hinaus eine räumliche Komponente: die Toten sind aus der Gegenwart der Lebenden ausgeschlossen und im Gedenken gebannt. Und jede räumliche Ordnung wirft die Frage nach der Kontrolle ihrer Grenzen auf. Das Gedenken ist eine Einbahnstraße, die Toten sind das Objekt des Gedenkens und die Lebenden bestenfalls sein Subjekt.
Offene Rechnungen Wah-Ben verachtete die Sozialdemokratie dafür, dass sie die Arbeiterklasse auf den Sockel der Erlöserin künftiger Generationen stellte. Nicht die Aussicht auf Befreiung, sondern die Erinnerung an die Knechtschaft nähre den Hass auf die Unterdrücker und den Willen zum Opfer, die es zum Werk der Befreiung braucht. Legende: La-i-Hah: Lampedusa in Hamburg Meister Wah-Tsi: Vassilis Tsianos Wah-Ben: Walter Benjamin Ba-Ging: Schwabinggrad Ballett
Schwabinggrad Ballett & Lampedusa in Hamburg „WE ARE THE EVIDENCE OF WAR“ Der deutsche Philosoph Walter Benjamin hat gesagt: Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Doch im Selbstbild der Europäischen Union gibt es so etwas wie Feinde nicht, die besiegt werden müssen. Es gibt nur Operationen, die auf Vereinbarungen basieren, welche auszuführen sind. Deshalb benutzt man in Europa den euphemistischen Begriff „Tragödie“ wann immer im Mittelmeer ein Flüchtlingsschiff sinkt , mit dutzenden, bisweilen hunderten von Toten. Diese Toten werden zu Opfern tragischer Ereignisse gemacht. Dass sie gefallene Soldaten in einem fortwährenden Krieg sind, der Europa von Afrika abschirmt, ist ihnen nicht vergönnt, daher gibt es kein Denkmal für sie. Man bejammert sie, doch gedenkt ihrer nicht. Aber Gedenken meint: Die Lebenden erinnern sich der Toten als derer, mit denen sie die Welt zu früheren Zeiten geteilt haben. Daher basiert diese Performance des Schwabinggrad Balletts zusammen mit Mitgliedern von Lampedusa in Hamburg auf der Idee, dass die Europäer inmitten der Überlebenden eines immer währenden Krieges leben, den der Kontinent gegen große Teile der Welt führt. Schwabinggrad Ballett ist ein aktivistisch-künstlerisches Kollektiv aus Hamburg, das sich zur Jahrtausendwende gegründet hat, um jenseits ritualisierter linker Protestformen unerwartete Situationen herzustellen. Es nutzt dafür direkte Aktion, Sloganeering, Musik, Tanz und Diskurs, seine Performances haben auf Demonstrationen und Protestcamps stattgefunden. Es ist in der Recht auf Stadt-Bewegung in Hamburg aktiv und hat – unter anderem – die deutsche Botschaft in Athen mit einem hartgekochten Ei angegriffen. Lampedusa in Hamburg ist eine selbstorganisierte politische Gruppe von Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Die Mitglieder der Gruppe kommen aus Libyen, wo sie gearbeitet haben, als die Nato den Bürgerkrieg zwischen Rebellen und Gaddafi-Regime eskalierte. Sie wurden gezwungen, das Land zu verlassen, strandeten auf Lampedusa und lebten zwei Jahre lang in verschiedenen italienischen Flüchtlingscamps bis ihnen die italienischen Behörden EU-Ausweise gaben. Als sie – unabhängig von einander – in Hamburg landeten, fingen sie an, sich zu treffen und zu organisieren, um ein Bleiberecht einzufordern. Ihre Botschaft „Wir sind hier, um zu bleiben!“ ist seither deutschlandweit aber auch international berühmt geworden.
Die Autoren des Russendenkmals sowjetischen Hymne verfasst. (Von Michalkow stammt auch der Text der aktuellen russischen Hymne aus dem Jahr 2001.) Ohne Zweifel lag es nahe, die beiden als Korrespondenten der Militärzeitung „Stalinskij Sokol“ („Stalins Falke“) nach Wien abkommandierten, hoch angesehenen Autoren, deren Bekanntschaft Schepilow im Verlauf des Krieges gemacht hatte, als Autoren für Denkmals-Inschriften zu gewinnen. Von ihnen stammen ein Text am Denkmalsockel wie die erste Strophe der Sowjethymne („Sojus nerushimy respublik swobodnych“ – „Unzerbrechliche Union freier Republiken“), dort befindet sich auch ein Gedicht von Michalkow an die Gardesoldaten, die „von den Mauern Stalingrads bis nach Wien kamen“. Die Autorschaft für die Inschrift an der Kolonnade – „Ewigen Ruhm den Soldaten der Sowjetarmee, die im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Okkupanten für die Freiheit und die Unabhängigkeit der Völker Europas gefallen sind“ – beanspruchte Dmitrij Schepilow für sich selbst.
All diese Texte bringen das für die Ideologie des späten Stalinismus
bedeutsame Motiv der Größe Russlands durch den Sieg über Hitlerdeutschland deutlich zum Ausdruck. Das Narrativ des Denkmals verknüpft Momente der realen Verlaufsgeschichte des Krieges wie den Sieg in Stalingrad, die Eroberung Wien, Totengedenken und Heldenverehrung in einem administrativen Akt (Stalins Befehl an der Stirnseite des Sockels) zu einer Apotheose der Sowjetmacht: „Von nun an soll die Fahne der Freiheit über Europa wehen!“
Die Rasanz beim Bau des „Russendenkmals“ erklärte Dmitrij Schepilow auf folgende Weise: Im Februar 1945 nach der siegreichen Schlacht am Balaton konzipiert, wurde schon bald nach Beendigung der Kampfhandlungen im April 1945 mit dem Ausheben der Baugrube begonnen, enthüllt wurde das Denkmal am 19. August 1945 in Beisein von Vertretern der provisorischen österreichischen Regierung und Delegationen der westliche Alliierten. Man habe, so Schepilow, den Verbündeten, die erst im Herbst 1945 die vertragsgemäß bestimmten Zonen Wiens bezogen, ein Beispiel für die Organisationsfähigkeit der Sowjetmacht bieten wollen. Das an der Zonengrenze von Sowjets (4. Bezirk) und Amerikaner (3. Bezirk) und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Alliierten Rat (heutiges Haus der Industrie) befindliche Denkmal kann man auch als Kriegerdenkmal im doppelten Sinn auffassen. Als Denkmal für die gefallenen Rotarmisten und als eines des in Europa heraufziehenden Kalten Krieges zwischen West und Ost.
Schejnfeld mittels einer Drehleiter der Wiener Feuerwehr in schwindelerregender Höhe das über die Figur des Rotarmisten geworfene Tuch überprüfen hatte müssen. Michail Schejnfeld wurde 1915 in Kiew geboren, absolvierte 1931 ein Kiewer Bauinstitut und meldete sich wie Schepilow am ersten Tag des Großen Vaterländischen Krieges freiwillig an die Front. Als Festungsbauingenieur war er an der Errichtung von Behelfsbrücken über Bug und Dnjepr beteiligt – Improvisationsvermögen und Verantwortungsbewusstsein, so Schejnfeld, hätten ihn offenbar in den Augen der militärischen Führung für die Bauleitung des Wiener Denkmals qualifiziert. Unmittelbar davor hatte er im ungarischen Dunaújváros ein kleineres Denkmal zu Ehren der Roten Armee errichtet. Das umfangreiche Bauvorhaben am Wiener Befreiungs-Denkmal wurde von deutschen Kriegsgefangenen, „Spezialisten“ verschiedenster Art und Wiener Baufirmen (von denen auch das Baumaterial stammte) in einer Bauzeit von nur drei Monaten durchgeführt. Nicht ohne Stolz bemerkte Schejnfeld: „In drei Monaten statt in einem Jahr!“
Der Befestigungstechniker Schejnfeld,
der nach dem Krieg auch in der UdSSR wichtige Bauleitungen innehatte, beansprucht für sich, selbst den Standort des Denkmals am Schwarzenbergplatz ausgesucht zu haben; die Errichtung einer – wie in der Sowjetarchitektur der Stalinzeit allgemein üblichen - Kolonnade habe er als Versuch verstanden, das Denkmal in das vorhandene architektonische Ensemble stilistisch einzufügen. Viel eher als dieses vielfach beschworene Grundgesetz neueren Bauens trifft auf die Denkmalanlage mit der von zwei Kampfgruppen (Autorschaft unbekannt) flankierten Kolonnade, der zentralen Figur des Rotarmisten, den schon in die Anlage einbezogenen Gräbern von Rotarmisten sowie dem davor platzierten sowjetische Panzer T-34 die Charakteristik als „Realdenkmal“ zu. (Die Gräber wurden 1955, nach dem Staatsvertrag, ebenso wie der Panzer entfernt, der Stalinplatz in Schwarzenbergplatz rückbenannt). Als Realdenkmal wurden jene sowjetischen hybriden Denkmalensembles bezeichnet, die „reale“ Kriegsrelikte wie Waffen, Panzersperren, oder ganze Panzer bis hin zu Flugzeugen mit künstlerischen Arbeiten verbinden; eine soz.-realistische Form des Gesamtkunstwerkes, an als dessen Urbild wohl das Leninmausoleum am Roten Platz zu verstehen ist. Die für Wachsoldaten oder Ehrenwachen vorgesehen Standflächen am Fuß des Denkmalsockels verweisen auf die rituelle „Erfüllung“ dieses Gesamtkunstwerkes durch alljährliche Kranzniederlegung oder Gedenkveranstaltungen, die in Wien alljährlich zur Erinnerung an die Befreiung der Stadt am 13. April zu erfolgen hatten.
Als solches verstand es teilweise auch der Bauleiter der Anlage, Eigentlicher Schöpfer der Figur des „Russen“ war der junge Moskauer Bildhauer
Michail Alexandrowitsch Schejnfeld (1915-1999), der sich an die Nervosität des Sowjetischen Kommandos am Vorabend der Denkmalenthüllung erinnerte: Die Lappalie eines nicht funktionierenden Enthüllungsmechanismus hätte in den Augen der Westmächte wohl eine Blamage bedeutet, weshalb
Michail Awakowitsch Intisarjan. Laut Erzählung seiner Witwe wurde er noch im Schützengraben, vor Überschreiten der Grenze des Dritten Reiches, der heutigen österreichisch-ungarischen Grenze, beauftragt, den Entwurf eines Denkmals zu gestalten. Weil der dafür notwendige Ton nicht zur Verfügung stand,
FALL № 5
Zu m Leben e r weckte D enkmä l er.
Pu schki ns P o em „ D e r eherne Re i ter“
Mischa Gabowitsch Sowjetische Kriegerdenkmäler: Wie ist die Geschichte von Kriegerdenkmälern zu schreiben?
Das von Alexander Puschkins 1833 verfasste Poem stellt eines der tiefsinnigsten und kühnsten sowie ein in künstlerischer Hinsicht absolut zeitgenössisches Werk des Dichters dar. Der Autor stellt mit unerhörter Kraft und Kühnheit die Widersprüche des gesellschaftlichen Lebens in aller Direktheit dar, ohne je zu versuchen, diese künstlich zu beseitigen, wo sie auch in der Wirklichkeit nicht zu beseitigen sind. Im „Ehernen Reiter“ werden zwei Kräfte auf idealtypisch bildliche Weise einander gegenüber gestellt: Der Staat, verkörpert durch das Bild von Peter d. Großen (und in der Folge auf symbolische Weise durch das lebendig werdende Denkmal des „ehernen Reiters“) und der einfache Mensch mit seinen persönlichen, privaten Interessen und Problemen, der von der Zielstrebigkeit des Staates zermalmt wird.
FALL № 6
E i n Sty li t
In einem bekannten Essay über die Denkmäler des Ersten Weltkriegs zählt der Historiker Jay Winter zu diesen unter anderem die in Großbritannien traditionell zum Gedenken an die gefallenen Soldaten eingehaltenen zwei Schweigeminuten, die nach dem Krieg entstandenen solidarischen Beziehungen zwischen Kriegsversehrten mit entstellten Gesichtern sowie die neuen Gemeinschaften derer, die Verwandte und Freunde verloren hatten. In der Tat – alles kann zu einem Denkmal werden: eine Brachfläche, ein Krankenhaus, ein Foto; eine politische Partei, ein Gesetzestext, eine alltägliche Verhaltensweise. Entscheidend sind die Intention des Autors und deren Akzeptanz durch die Adressaten, d.h. das Entstehen einer Erinnerungsgemeinschaft. Zu einem Denkmal, einem Erinnerungsort wird ein Raum, ein Gegenstand, eine Praxis durch jene, die an dem Raum vorbeispazieren, den Gegenstand benutzen oder sich die Praxis zu eigen machen. Ein „Denkmal an sich“ gibt es nicht – seine Gedenk-Eigenschaften verleiht ihm der Betrachter. Er kann es dieser Eigenschaften daher auch entledigen, ein Denkmal in ein Ex-Denkmal verwandeln, einen Erinnerungsort von einem Gemeinplatz in einen Nicht-Ort verwandeln. Und weder schiere Masse noch erbauliche oder abschreckende Aufschriften („Mein Name ist Osymandias, aller Kön’ge König – Seht meine Werke, Mächt’ge, und erbebt!“) vermögen es zu retten. In jedem Fall ist eine genaue Definition dessen, was ein Denkmal ist, ebenso schwierig wie die Unterscheidung seiner materiellen von seinen immateriellen Komponenten – denn dem Denkmal verleiht erst Sinn, was mit ihm und um es herum geschieht. Der Blick auf solche Veränderungen weist einen neuen Zugang zur Geschichte von Denkmälern im engeren Sinn – jener Gebilde aus Stein und Bronze, die wir meist mit diesem Wort bezeichnen: Statue, Ehrenmale, Gedenktafeln, Grabsteine oder Kenotaphen. Eine solche Sichtweise kann man biographisch nennen. Der Biograph eines Denkmals interessiert sich nicht nur dafür, was es über die vergangenen Ereignisse aussagt, auf die es sich bezieht, und auch nicht nur für die Perspektive der denkmalbauenden Zeitgenossen auf diese Ereignisse, er versucht auch alle Wendungen im Lebenslauf des Denkmals nachzuzeichnen: von seiner Errichtung bis zu seinem Niedergang, der Verabschiedung aus dem Dienst oder dem Ruhestand, mitunter auch bis zu seinem Zerfall und Tod. Denn ungeachtet ihrer Monumentalität und ihres Ewigkeitsanspruchs sind Denkmäler oft genug generationelle Projekte; ganz besonders trifft dies auf Kriegerdenkmäler zu, die auf Initiative
der Überlebenden errichtet wurden. Mit dem Ableben einer Generation und der Veränderung des politischen Kontexts nimmt das Interesse für die Denkmäler ab oder wandelt sich zumindest. Die grandiosesten Denkmäler, die Jahrzehnte später errichtet wurden, altern besonders rasch. Eines der weltweit größten Denkmäler, das 1913 zum hundertsten Gedenktag vollendete Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, war schon bald nur noch ein historisches Kuriosum.
Denkmäler für die sowjetischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs Distanzierte Betrachter sowjetischer Kriegerdenkmäler heben häufig deren strenge soz.-realistische Monotonie hervor; besonders deutlich erscheint diese im Vergleich zur ästhetischen Vielstimmigkeit der nordamerikanischen und westeuropäischen Denkmalmanie (nach einem Ausdruck von Erika Doss), aber auch der Skulpturen der sowjetischen Avantgarde der 1920er Jahre. Viele glauben deshalb auch, darin einen einheitlichen Plan zu erkennen, der von Moskau allen zu Kriegsende in seinem Einflussbereich befindlichen Ländern aufgedrückt und mit dem aufflammende Kult des Großen Vaterländischen Krieges Mitte der 1960er Jahre unter Breschnew wieder aufgegriffen worden sei. Tatsächlich jedoch verbergen sich hinter der auf den ersten Blick monotonen Monumentalität der Bronze- und Steinsoldaten lokale Besonderheiten, persönliche und künstlerische Ambitionen sowie vielfältige Aufgabenstellungen. Es gab keinen einheitlichen „Plan der Monumentalpropaganda“ für die Nachkriegszeit, und es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Kreml habe den Prozess des Denkmalbaus zentral gesteuert. Die maßgeblichen Teilnehmer an diesem Prozess (und den sich bisweilen entzündenden Konflikten) waren hohe Militärs, Bildhauer und Architekten, später auch die Führungen der „Bruderländer“ und Sowjetrepubliken, lokale Parteichefs und sogar Leiter einzelner Betriebe, von Bildhauerwerkstätten bis hin zu Chemiekombinaten. Die ersten sowjetischen Kriegerdenkmäler wurden außerhalb der Grenzen der UdSSR im Kielwasser der siegreichen und ausgemergelten Roten Armee erreichtet. Initiatoren waren meist Generäle, die zwei Aufgaben zu bewältigen hatten: eine logistische – Wohin mit den hunderttausenden Toten? – und eine symbolische: wie die sowjetische militärische Präsenz zementieren? Derartige Denkmäler wurden schon 1945 auf zentralen Plätzen deutscher Städte von Königsberg bis Berlin, aber auch in Wien sowie in etlichen polnischen Städten errichtet.
modellierte Intisarjan aus aufgeweichtem Brot und Speck und über einer Flasche als Sockel verschiedene Versionen eines russischen Soldaten, die dem Kriegsrat vorgelegt wurden. Seine bisherige Biographie hatte den jungen Bildhauer für den prestigereichen Auftrag kaum prädestiniert – sieht man vom Umstand ab, dass er als Student der Bildhauerei 1937 an der Montage der für die Pariser Weltausstellung geschaffenen monumentalen Plastik „Arbeiter und Kolchosbäurin“ von Wera Muchina mitgearbeitet hatte. Die Vorstellung eines Denkmal-Wettbewerbs im Schützengraben ist aber nicht ohne Reiz.
Nach Ansicht des in der 2. Republik
durch zahlreiche Politiker-Büsten und Münzentwürfe berühmt gewordenen Wiener Bildhauers und Professors am Schillerplatz Ferdinand Welz (1915-2008), der an der Arbeit beim Bronzeguss in einer Erdberger Gießerei mitarbeitete, war Intisarjan vor allem vom Denkmal vor der Rossauer Kaserne höchst beeindruckt: Das Deutschmeister-Denkmal sei das eigentliche Vorbild für das Russendenkmal gewesen. Welz verstand sich denn auch selbst als eigentlicher Schöpfer des Russen-Denkmals. Michail Intisarjan erlangte in der sowjetischen Kunstgeschichte keine weitere Bedeutung. Einzig der Umstand, dass das Denkmal am Schwarzenbergplatz als erstes und von höchster politischer Stelle sanktioniertes sowjetisches Denkmal zum Zweiten Weltkrieg einen gewissen Modellcharakter für alle weiteren vergleichbaren Denkmäler besaß, verlieh seinem Bildhauer selbst in den Augen von Großmeistern des Sozialistischen Realismus wie Lew Kerbel (Schöpfer der Marx-Denkmäler vor dem Moskauer Bolschoj Theater und in Chemnitz sowie dem letzten sowjetischen Lenindenkmal am Moskauer Oktoberplatz) oder Dmtrij Tsigal (von dem die Figur des im KZ Mauthausen ermordeten Sowjetgenerals Karbyschew stammt), einen gewissen Respekt.
Ein Stylit (griech. στυλίτης, stylitēs, „Säulenbewohner“, von στῦλος, stylos, «Säule», ʼasṯonáyé) oder Säulenheiliger ist ein christlicher Asket in der Frühzeit des Byzantinischen Reichs, der auf Säulen lebte, predigte, fastete und betete. Styliten glaubten, dass die Kasteiung ihrer Körper die Rettung ihrer Seelen sichern sollte. Der erste Stylit war vermutlich Simeon Stylites der Ältere, der 423 in Syrien auf eine Säule kletterte und dort bis zu seinem Tod 37 Jahre später ausharrte.
So unspektakulär Intisarjans weiter Bildhauerkarriere verlief, die vor allem die russischarmenische Freundschaft zum Gegenstand hatte, so aufschlussreich ist seine für die Geschichte und Interpretation des Denkmals am Schwarzenbergplatz in den 1970er Jahren durchgeführte Ergänzung. Die Rede ist von der unmittelbar vor dem Denkmal befindlichen Übersetzung der kyrillischen, im Normalfall für österreichische Betrachter nicht verständlichen Hauptinschrift des Denkmals „Ewigen Ruhm den sowjetischen Soldaten die im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Besatzer für die Befreiung der Völker Europas gefallen sind“. Der gleichsam um „Modernisierung“ bemühte, schräg gelagerte Kubus verwandelt das Denkmal durch seinen neuen und in weniger martialischem Ton gehaltenen, entschärften Text grundlegend: „Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee die für die Befreiung Österreichs vom Faschismus gefallen sind“. Das Denkmal wird gleichsam historisiert und zu einem zeitgeschichtlichen Objekt eines Freilichtmuseums im Stadtraum. Allerdings – so die Witwe des Bildhauers, Mila Intisarjan – sei ihr Mann nicht nur vor seiner Dienstreise nach Wien eindringlich gewarnt, sondern auch während der Arbeit vor Ort von Mitarbeitern der Botschaft begleitet und auf die „Gefährlichkeit“ dieser Tätigkeit hingewiesen worden: in Österreich gebe es noch immer genügend Faschisten, die jeder Zeit einen Anschlag auf das Befreiungs-Denkmal verüben könnten. Eine Warnung, die, so Mila Intisarjan, ihr Mann nicht weiter ernst genommen habe; dies sei nur der Vorwand gewesen, um ihn auf Schritt und Tritt zu überwachen; aber immerhin habe Intisarjan wenige Jahre vor seinem allzu frühen Tod noch einige schöne Tage in Wien verbracht. Seine ursprünglichen Denkmalentwürfe und die später, nach der Wiener Skulptur angefertigten Kleinplastiken, die jahrelang in der am Stadtrand von Moskau gelegenen Datscha gelagert gewesen waren, seien von Einbrechern gestohlen worden; die ursprünglichen Modelle des Wiener Befreiungs-Denkmals aus Brot wurden von Vögeln aufgefressen. Erich Klein (geb. 1961) Publizist und Übersetzer, lebt in Wien. Kurator von Literaturveranstaltungen („Literatur im Herbst“) Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift „Wespennest“. Bücher: „Die Russen in Wien – die Befreiung Österreichs“ (1995)
Biographische Anmerkungen Die sowjetischen Kriegerdenkmäler
und Soldatenfriedhöfe sind insofern weltweit wohl einzigartig, als sie sie neben Gedenk- und Legitimationsfunktionen von Beginn an auch eine geopolitische Rolle zu erfüllen hatten. Im Unterschied zu den unter der Obhut der American Battle Monuments Commission oder der Commonwealth War Graves Commission befindlichen Friedhöfen und Gedenkstätten waren viele sowjetische Denkmäler nicht so sehr an die Familienangehörigen der Gefallene (die in äußert seltenen Fällen überhaupt die Gelegenheit hatten, die Gräber ihrer Verwandten im Ausland zu besuchen), sondern vielmehr an die lokalen Bevölkerungen adressiert. Dies ist einer der Gründe für ihre Monumentalität. Deshalb wurden sie auch in Stadtzentren errichtet, wo sie bereits vorhandene Denkmäler ersetzten oder ergänzten. Sie erinnerten die lokalen Bevölkerungen durchaus effektiv an die ungebrochene Präsenz sowjetischer Truppen, die selbst unsichtbar in Kasernen an den Stadträndern untergebracht waren. Unvermeidlich wurden diese Denkmäler (besonders wenn es sich um Panzerfahrzeuge handelte) nicht nur als Erinnerung an die sowjetischen Opfer, sondern auch als Mittel der Einschüchterung wahrgenommen. Die Veröffentlichung von Standardentwürfen für Grabdenkmäler im Jahre 1947 stellte eher eine Kodifizierung der vorhandenen Praxis als eine verpflichtende Vorschrift dar – wobei es natürlich von Anfang an ungeschriebene Regeln gab und in vielen Fällen grundlegende Entscheidungen offensichtlich auch mit Moskau abgesprochen waren. Im hohen Maße standardisiert waren zum Beispiel Denkmalsaufschriften, die meist mit wenigen Variationen die Formel „Ewiger Ruhm den im Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der sozialistischen Heimat gefallenen Helden“ wiederholten. Auch die Schöpfer der Denkmäler waren schon in dieser ersten Bauetappe sehr unterschiedlich. Die größten und am meisten symbolgeladenen Gedenkstätten wurden hauptsächlich von jungen Bildhauern und Architekten aus den russischsprachigen Teilen der UdSSR geschaffen (die von der Armeeführung großzügig mit Material und Arbeitskräften unterstützt wurden), gleichzeitig entstanden aber auch viele Denkmäler – zwar im Auftrag der Sowjetmacht, später figurierten immer häufiger lokale kommunistische Parteien als Auftraggeber – nach den Entwürfen ortsansässiger Bildhauer und Architekten. Zu diesen gehören zum Beispiel
das nach einem Projekt von Johann Tenne errichtete Ehrenmal in Berlin-Buch und das Befreiungsdenkmal in Budapest, beide aus dem Jahr 1947. Ungeachtet regionaler Unterschiede waren sowjetischen Kriegerdenkmälern in diesen Jahren relativ enge ästhetische Grenzen gesetzt. Dafür gab es eine Reihe von Gründen: Erstens arbeiteten selbst an der Peripherie vor allem Bildhauer und Architekten, die an den großen Bauprojekten der Stalinzeit in den 1930er Jahren wie dem Palast der Sowjets ausgebildet wurden und dort auch ihre Vorlieben entwickelten. Zweitens entwickelte sich die Herstellung von Denkmälern zu dieser Zeit endgültig vom künstlerischen Handwerk zum Industriezweig. In der UdSSR wurden Denkmäler immer öfter aus vorgefertigten Blöcken zusammengesetzt; an ihrer Anfertigung war eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Organisationen beteiligt. Dazu gehörten Gießereien, Steinmetzbetriebe und vor allem das 1934 gegründete Grekow-Studio für Militärkünstler. Mitte der 1960er, als der Bau von Kriegerdenkmälern auch in Russland zu einem flächendeckenden Phänomen wurde, erschloss sich dem sowjetischen Normalbürger die geopolitische Bedeutung der Denkmäler jener ersten Phase kaum noch. Für Esten, Ungarn, Österreichern, Deutschen, Tschechen oder Polen hingegen blieb sie offensichtlich. Spätestens nach der Niederschlagung der jeweiligen Aufstände und Reformbewegungen durch sowjetisches Militär – 1953 in Deutschland, 1956 in Ungarn und 1968 in Prag – sowie der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen 1981 waren für einen Großteil der jeweiligen Bevölkerungen sowjetische Panzer und Bronzesoldaten nicht mehr Erinnerung an ihre Befreiung durch die sowjetische Armee, sondern Memento der von dieser Armee ausgehenden Bedrohung. Nach 1989 entstanden einerseits zahlreiche Initiativen zur Beseitigung, Versetzung oder Umwidmung dieser sowjetischen Denkmäler, andererseits wurden sie zu Versammlungsorten für Anhänger der alten Regime, aber auch für jene, die aufrichtig einen Anstieg von Revanchismus und Neonazismus befürchteten. Als Antwort auf antisowjetische Schmierereien fand etwa im Treptower Park in Berlin im Januar 1990 eine antifaschistische Demonstration mit hunderttausenden Teilnehmern statt.
Postsowjetische Zeit Das postsowjetische Schicksal der Denkmäler für die Rotarmisten in Osteuropa wurde jedoch nicht immer durch den Gegensatz von pro- und antisowjetischen Kräften entschieden. Häufig wurde die Entscheidung über Abbau, Versetzung oder Erhalt auf lokaler Ebene gefällt und war von durchaus pragmatischen Überlegungen geprägt: Mangel an Geld für eine Versetzung (mitsamt Umbettung der Bestatteten) oder Ersetzung durch andere Denkmäler, Bedeutung als Orientierungshilfe im Stadtraum oder touristische Sehenswürdigkeit etc. Viele Denkmäler wurden in Museumsparks (Beispiele sind der Budapester Memento- und der litauische Grutas-Park) oder auf Friedhöfe verbracht; letzteres war vor allem der Fall, wenn sie Grabstätten sowjetischer Soldaten markierten. Allerdings waren solche Versetzungen nicht immer vollständig – in Budapest etwa wurden Bronzesoldat und roter Stern entfernt und das Befreiungs- so in ein Freiheitsdenkmal verwandelt. In manchen Fällen zielten die Initiativen zur Veränderung der Denkmäler auf eine Unterscheidung zwischen gefallenen Sowjetsoldaten und kommunistischer Ideologie ab: Der Brünner Vizebürgermeister René Pelán etwa entfernte im Jahr 2007 eigenhändig Hammer und Sichel vom Denkmal für die bei der Befreiung der Stadt gefallenen Rotarmisten und begründete dies damit, dass es sich dabei um ein Symbol des Kommunismus, nicht aber der Armee handle, der gegenüber sich die Stadt noch immer zu Dankbarkeit verpflichtet fühle. Dennoch wäre es falsch, von der postsowjetischen Zeit als einer Epoche des vollständigen Verschwindens der Kriegerdenkmäler zu sprechen. Im Gegenteil – in etlichen Ländern wurde vor allem in den 2000er Jahren kam die Errichtung von Denkmälern und Gedenkfriedhöfen (oder deren Restaurierung) wieder auf Touren. Aus Sowjetzeiten übrig gebliebene Denkmäler wurden zum Mittelpunkt neuer Rituale, politischer und künstlerischer Praktiken und bekamen eine neue Bedeutung. Die Motive für die Errichtung neuer Denkmäler in Russland erinnern an die Situation zu Breschnews Zeiten. Der Kult des Großen Vaterländischen Krieges ist zur Grundlage der einzigen von einer Mehrheit geteilten staatlichen Ideologie geworden. Das Verhältnis zu Symbolen und Riten dieses Kultes schwankt dabei zwischen den für solche Situationen typischen Extremen
und reicht von Enthusiasmus bis zu Spott, wobei sich beide Einstellungen manchmal überschneiden. In jedem Fall bewirkt diese Situation eine gesteigerte Nachfrage nach Denkmälern, die immer mehr nach korporativen Grundsätzen befriedigt wird: Oft sind sie im Krieg gefallenen Vertretern diverser Berufe gewidmet, Arbeitern einer bestimmten Fabrik oder Studenten einer bestimmten Hochschule; finanziert werden sie teilweise von Geschäftsleuten. Ihre Errichtung (vorzugsweise an runden Gedenktagen) wird für Erbauer wie Auftraggeber zum einträglichen Geschäft. Der Ende 2006 neu eingeführte Ehrentitel „Stadt militärischen Ruhmes“ hatte im Bereich des Gedenkstättenbaus einen ähnlichen Effekt wie in der Breschnew-Zeit der Wettkampf um den Titel „Heldenstadt“. Auch außerhalb Russlands entstehen neue Denkmäler und neue Praktiken. Der Grund dafür war wiederum der Zerfall der UdSSR, der einerseits zu einer massenhaften Emigration führte und andererseits die russischsprachigen Gemeinschaften in den früheren Sowjetrepubliken in ethnokulturelle Minderheiten verwandelte. Kriegerdenkmäler und die mit ihnen verbundenen Rituale anlässlich des Siegestages am 9. Mai wurden immer häufiger zu Symbolen für sowjetische Identität, Sowjetnostalgie oder Russentum, wobei letzteres allerdings nicht zwingend als ethnische Zuschreibung verstanden, sondern auf höchst unterschiedliche Weise interpretiert wird. Ein solches totemistisches Verhältnis zu Kriegerdenkmälern ist für große Teile der russischsprachigen Bevölkerungen der früheren Sowjetrepubliken charakteristisch. Die Feierlichkeiten am 9. Mai vor den Sowjetdenkmälern stellen oftmals das wichtigste emotionale Ereignis im Leben der russischsprachigen Gemeinschaften dieser Länder dar, hingegen spielen sie für die ethnischen Mehrheiten kaum eine Rolle und finden in nichtrussischen Massenmedien auch kaum Niederschlag. Am deutlichsten wurde die Bedeutung dieser Denkmäler im Konflikt um die Versetzung des Bronzesoldaten in Tallinn aus dem Stadtzentrum auf den Militärfriedhof. Bemerkenswert dabei ist auch, dass sowohl der Tallinner Bronzesoldat als auch das auf Befehl von Micheil Saakaschwili gesprengte Ehrenmal im georgischen Kutaissi
FALL № 7
Gramsci Monument by Thomas Hirschhorn
Das Gramsci Monument ist das vierte und letzte in Hirschhorns Serie von „Monumenten“, die er bedeutenden Schriftstellern und Denkern widmete. Er begann die Serie 1999 mit dem Spinoza Monument (Amsterdam, Niederlande), gefolgt vom Deleuze Monument (Avignon, Frankreich, 2000) und dem Bataille Monument (Kassel, Deutschland 2002). Das vierte Monument ehrt den italienischen politischen Theoretiker Antonio Gramsci (1891-1937), der mit seinen „Gefängnisnotizen“ (1926-1937) Berühmtheit erlangte. Das Gramsci Monument gründet sich auf Hirschhorns Absicht, „ eine neue Definition des Begriffs Monument einzuführen, Begegnungen zu provozieren, ein Ereignis auszulösen und Gramscis Theorie auf gegenwärtige Verhältnisse anzuwenden.“ Von Bewohnern von Forest Houses (Wohnhausanlage, Bronx, NY) errichtet, nimmt das Kunstwerk die Gestalt einer Freiluftstruktur an, die aus zahlreichen Pavillons besteht. Die Pavillons enthalten einen Ausstellungsraum mit historischen Fotografien aus dem Fondazione Istituto Gramsci in Rom, persönlichen Gegenständen aus der Casa Museo di Antonio Gramsci in Ghilarza, Italien, und eine anschließende Bibliothek mit einem Bestand von 500 Büchern von (und über) Gramsci, eine Leihgabe des D. Calandra Italian American Institute in New York. Andere Pavillons beherbergen eine Bühne, einen Werkstattbereich, eine Internetecke, ein Foyer und die Gramsci Bar - alle unter der Aufsicht von Ortsansässigen.
FALL № 8
Euromaidan, 2014
Provisorisches Denkmal mit anonymer Autorschaft “Ruhm den Helden des Majdan”. Errichtet am Ort der Konfrontation, an dem Demonstranten ums Leben kamen.
Arbeiten lokaler Bildhauer waren; zur Zeit des jeweiligen Konflikts wurden die Denkmäler allerdings nur noch als russisch oder russländisch verstanden, und zwar sowohl von jenen, die für Abbruch oder Versetzung eintraten, als auch von Seiten offizieller Vertreter Russlands. Eine vergleichbare Rolle begannen Denkmäler für Sowjetsoldaten an jenen Orten im Ausland zu spielen, an denen es eine größere Anzahl von Emigranten aus der früheren UdSSR gab – ganz besonders in Deutschland, wo viele solche Auswanderer leben und auch viele sowjetische Denkmäler stehen. Die Emigrationswelle führte aber auch dazu, dass selbst an Orten, die kein Rotarmist je betreten hatte, neue Denkmäler entstanden. Im Gedenkjahr 2005 wurde etwa in West Hollywood, dem Ort mit der nach New York größten Dichte an russischsprachiger Bevölkerung in den USA, ein relativ kleines Denkmal für sowjetische Veteranen des Zweiten Weltkriegs errichtet. Im Juni 2012 wurde im israelischen Netanja ein Denkmal zum Gedenken an den Sieg der Roten Armee über Hitler-Deutschland enthüllt. Das Denkmal entstand auf Initiative des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Autoren des Projektes waren russische Bildhauer, finanziert wurde es hauptsächlich von wohlhabenden russischen Geschäftsleuten; Wladimir Putin nahm gemeinsam mit Netanjahu an der Enthüllung teil. In beiden Fällen – sowohl in West Hollywood als auch in Netanja – steht im Zentrum der Komposition das Motiv fliegender Kraniche, charakteristisch für die sowjetische Denkmalarchitektur in den 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre. Für in der Sowjetunion oder in sowjetischen Familien sozialisierte Bürger Deutschlands, der USA oder Israels wurden die alten und neuen Denkmäler zur materiellen Bestätigung, dass der russisch-sowjetische heroische und quasireligiöse Diskurs über den Krieg weiterhin Wert besitzt, obwohl er in den neuen Aufenthaltsländern nicht nur keinerlei Anwendung findet, sondern einem Großteil seiner Bürger schlicht unbekannt und unverständlich ist. Ist die „sowjetische“ Stilistik des neuen Denkmals beim israelischen Beispiel auf die russische Beteiligung zurückzuführen, wurden die meisten der unzähligen Kriegerdenkmäler im Osten Deutschlands samt ihren Aufschriften nie verändert. Selbst Stalin-Zitate werden meist nicht einmal durch die sonst in Deutschland so beliebten Hinweistafeln mit kritischen Erklärungen zum historischen Kontext relativiert, da sich laut dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands alle sowjetischen Soldatenfriedhöfe unter dem Schutz des Bundes befinden. Neue wie alte Denkmäler werden zum Gegenstand von Symbol- und Diskurskriegen. Im Jahr 2011, wenige Tage vor dem Victory in Europe Day am 8. Mai, brachten Unbekannte Veränderungen an der Inschrift des Veteranendenkmals in West Hollywood an: Die „die Veteranen des Zweiten Weltkrieges aus der Sowjetunion“ ehrende Widmung wurde durch eine Tafel mit der Inschrift „Ewiges Gedenken und Ruhm den Siegern über den Nazismus im Zweiten Weltkrieg“ überdeckt, das Ganze sowohl in russischer Sprache als auch in fehlerhaftem Englisch. Vorkommnisse wie in Brno oder in West Hollywood werfen eine wichtige Frage auf: Wie kann die Erinnerung an die gefallenen und überlebenden Rotarmisten am adäquatesten am Leben gehalten werden? Verlangt der Respekt vor den Toten, sich ebenso respektvoll gegenüber einer Stilistik zu verhalten, die in der Nachkriegszeit zur deren Gedenken entwickelt wurde? Die offizielle russische Politik in dieser Frage, die auf jegliche Diskussion oder Veränderung der Denkmäler höchst empfindlich reagiert, konserviert de facto die spätstalinistische Poetik des Gedenkens, die vielen mittlerweile als Anachronismus erscheint. Wie alle anderen Denkmäler sagen auch diejenigen für die sowjetischen Soldaten weit mehr über ihre Schöpfer aus als über die historische Epoche, auf die sie sich beziehen. Die Denkmäler in Osteuropa tragen den Stempel der geopolitischen Situation, die sich nach Kriegsende ergeben hatte. Denkmäler auf dem Gebiet der früheren UdSSR wurden unvermeidlich zum Ausdruck eines sehr generationsspezifischen Erinnerungsentwurfs. Die Hinterfragung solcher Entwürfe ruft immer Unmut hervor. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin etwa wurde explizit mit der Absicht errichtet, eine Vision der westdeutschen AchtundsechzigerGeneration zu verewigen, die nach der deutschen Wiedervereinigung Machtpositionen besetzt hatte, wie die nationalsozialistische Vergangenheit zu „bewältigen“ sei. Während in Deutschland Kritik an diesem Diskurs (etwa wegen eine Übernahme der von den Nazis definierten Opferkategorien) Empfindsamkeiten ans Licht holt, wird im heutigen Russland das Verhältnis zu Kriegerdenkmälern in pseudoreligiösen Kategorien artikuliert: die Denkmäler sind heilig, Kritik an ihnen ist frevelhaft. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass in der Gedenkskulptur und -architektur in den letzten Jahren vermehrt religiöse (vor allem russisch-orthodoxe) Symbolik Anwendung findet. Dass es sich hierbei noch immer um eine generationsspezifische Referenz handelt, davon zeugt auch die Ablehnung stilistischer Neuerungen durch konservative Bildhauer als den ästhetischen Vorlieben der Kriegsveteranen nicht entsprechend. Dieses Argument ist an sich nicht falsch. Allerdings stellt sich auch die Frage, was mit den Denkmälern nach dem endgültigen Ableben der Veteranengeneration geschehen soll – und langfristig auch demjenigen der Generation, die in der Breschnew-Ära mit ihrem Kult des Großen Vaterländischen Krieges aufwuchs. Wie die staatliche Politik in Bezug auf Kriegerdenkmäler im heutigen Russland aussieht, demonstrierte kürzlich die Eröffnung des Föderalen Militärischen Gedenkfriedhofs im Dorf Sgonniki in der Nähe Moskaus. Seine Errichtung geht auf eine aus der Jelzin-Zeit stammende Initiative hoher Offiziere zurück, Ende der 1990er Jahre wurde der Bau beschlossen und ein Ort gefunden. Der Friedhof war als russisches Äquivalent zum US-amerikanischen Arlington gedacht, d.h. als Ort der Bestattung von Veteranen sämtlicher militärischer Operationen, aber auch von Staatsmännern bis hin zum Präsidenten. Für Russland, wo bis heute eine sehr rigorose Hierarchie der Kriege (mit dem Großen Vaterländischen Krieg an der Spitze) existiert, stellte diese Zugangsweise eine Innovation dar. Die Umsetzung war hingegen ernüchternd: Das endgültige Aussehen des Friedhofs wurde nicht durch den Wettbewerb ermittelt, sondern vom Künstler Sergej Gorjajew (1958-2013) bestimmt, der aufgrund seiner Beziehungen zum Verteidigungsministerium in die Gruppe der Planer aufgenommen worden war. Letztlich wurde der Friedhof im neoklassischen Stil gestaltet. Vor dem Eingang befinden sich Stelen, die die Heeresgattungen symbolisieren. Die zentrale Allee säumen vierundzwanzig Kriegerstatuen, die verschiedene militärhistorische Epochen darstellen – von slawischen Recken bis zu den heutigen Sondereinsatzkommandos. Für die Gestaltung des Friedhofs wurden massive, zum Teil granitvertäfelte Betonblöcke verwendet, es gibt eine ewige Flamme, eine zentral platzierte Pietà usw. Bislang wurden hauptsächlich Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges begraben: Ein unbekannter Soldat, dessen sterbliche Überreste man im Gebiet Smolensk fand, der Waffenkonstrukteur Michail Kalaschnikow sowie einer der Initiatoren des Friedhofes, Marschall Wasilij Petrow. Im Unterschied zu Arlington und zu praktisch allen Soldatenfriedhöfen weltweit unterliegt der Friedhof einer Einlasskontrolle – besucht werden kann er nur von nahen Verwandten des Toten oder im Rahmen einer organisierten Exkursion. Der russische Staat macht in Sgonniki aus freien Stücken genau das, wofür er die Regierungen der ehemaligen Schwesterrepubliken kurz zuvor noch kritisierte – für das Gedenken an Veteranen und gefallene Soldaten wurde eine Art Reservat geschaffen, das von der Gesellschaft durch Zaun und Kontrollpunkt samt Ausweispflicht abgetrennt ist. Dieser Vorgangsweise diametral entgegengesetzt sind die Aktionen einiger zeitgenössischer Künstler. Den Anfang machte vermutlich der Prager David Černý 1991, als er einen in Prag zur Erinnerung an die sowjetischen Tankisten aufgestellten Panzer rosa bemalte und einen hochgestreckten Mittelfinger darauf zeichnete. Die Regierungen Russlands und der Tschechoslowakei protestierten gegen die Aktion, und der Künstler wurde verhaftet; eine Diskussion über die Bedeutung der sowjetischen Soldaten für die Befreiung Tschechiens wurde aber dank dieser Aktion erst ausgelöst; der Panzer selbst blieb als erkennbares Symbol erhalten und wurde in ein Militärmuseum außerhalb der Stadt gebracht; 2011 wurde er anlässlich des zwanzigsten Jahrestags des Abzugs der Sowjetarmee auf ein in der Moldau verankertes Ponton gesetzt. Bemerkenswert ist auch, dass buntbemalte Panzer später an ungewöhnlichen Orten auftauchten – etwa in Kiew vor dem Eingang zum Nationalmuseum des Großen Vaterländischen Krieges, das sich im Sockel der monumentalen „Mutter Heimat“-Statue befindet. Die im Auftrag des Museums bemalten Panzer wurden zu einer Besucherattraktion. Das sicher bewegteste Leben im Ruhestand jedoch erlebte das Denkmal für die Sowjetarmee in Sofia. Auf einem Platz im Stadtzentrum 1954 enthüllt und in der postsozialistischen Zeit herabgekommen, wurde das stilistisch konventionelle Denkmal – genauer gesagt, das Hochrelief an seinem Postament, das neun Soldaten in Angriffsstellung zeigt – zur Hintergrundfläche für eine Vielzahl politischer Aktionen anonymer Künstler. Im Jahr 2011 wurden die Soldaten in amerikanische Superhelden verwandelt (Protest gegen Konsumkult), später bekamen sie Guy-Fawkes-Masken (Protest gegen das Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen), dann Pussy-RiotMützen; es wurde rosa (als Entschuldigung für die Teilnahme Bulgariens für die Niederschlagung des Prager Frühlings) und zuletzt in den Farben der ukrainischen Fahne bemalt. Gegen solche Aktionen, ja gegen jeglichen nichtsanktionierten Umgang mit den Kriegerdenkmälern wird vom offiziellen Russland üblicherweise der Vorwurf des Hooliganismus und der Schändung erhoben. Es ist jedoch keineswegs deren Absicht, die Erinnerung an die Soldaten zu beleidigen. Im Gegenteil kann man sie als ein Verfahren betrachten, die monumentalen Spuren einer längst vergangenen Epoche in den aktuellen Kontext zurückzuholen. Ohne derartige künstlerische Interventionen wären die Denkmäler dazu verdammt, dem Vergessen anheimzufallen, und schließlich absterben. Letzten Endes eröffnen „zweckentfremdende“ Formen des Gebrauchs der Denkmäler und eine bewusste Abwendung von den Intentionen ihrer Schöpfer einen Weg zu einer adäquaten, reflektierten und lebendigen Erinnerung, die sich in aktuelle öffentliche Diskussionen einfügt und von dieser nicht durch Mauern und Verbote ausgeschlossen bleibt. Andernfalls bleibt die Erinnerung monumental und zubetoniert. Mischa Gabowitsch ist Soziologe und Historiker. Er arbeitet am Einstein Forum in Potsdam, Deutschland
Übersetzung: Erich Klein
Yevgeniy Fiks Fiks and and Stamatina Stamatina Gregory Gregory Yevgeniy Denkmal für für den den Sieg Sieg im im Kalten Kalten Krieg Krieg Denkmal
Im Jahr 2012 forderten Yevgeniy Fiks Im 2012 forderten auf, Yevgeniy Fiks und Jahr ich Kunstschaffende Vorschläge und ich Kunstschaffende auf, Vorschläge für einen offenen Wettbewerb zur Gestalfür offenen Wettbewerb zur Gestaltungeinen eines öffentlichen Denkmals zum tung eines öffentlichen Denkmals zum Ausgang des Kalten Kriegs einzureichen. Ausgang des Kalten Kriegs einzureichen. Das konzeptuelle Projekt von Fiks brachDas konzeptuelle Projekt von brachte eine Erinnerungslücke der Fiks Geschichte te eineAusdruck. Erinnerungslücke der Geschichte zum Über zwei Jahrzehnte zum Ausdruck. Über zwei Jahrzehnte lang standen öffentliche Zeichen für den lang standen Zeichen für und den Kalten Krieg öffentliche wie die Berliner Mauer Kalten Krieg wie die Berliner Mauer und Sowjetdenkmäler zwischen den Polen Sowjetdenkmäler zwischen den Polen Zerstörung und Kitsch. Als Monument, Zerstörung und Kitsch. Alseigenen Monument, das im Augenblick seiner Zerdas im Augenblick seiner eigenen störung geschaffen wurde, schlossZerdie störung geschaffen wurde, schloss die Mauer die anhaltende geopolitische VorMauer anhaltende stellungdiedes Konfliktsgeopolitische linear, binär Vorund stellung des Konflikts linear, binär jetzt und endlich ein: die Kulmination eines endlich ein:gewordenen die Kulmination eines gegjetzt historisch Narrativs historisch gewordenen Narrativs gegnerischer Imperien. Doch während die nerischer Imperien. währendKondie Auswirkungen eines Doch ideologischen Auswirkungen eines ideologischen Konflikts, der seit einem halben Jahrhundert flikts, der seit einem halben Jahrhundert unter Kontrolle gehalten wird, immer unter Kontrolle gehalten immer noch Wellen in allen Formenwird, öffentlicher noch Wellen in allen Formen öffentlicher und persönlicher Erfahrungen ausstrahund Erfahrungen ausstrahlen –persönlicher von der Eindämmungsgeografie im len – von der Eindämmungsgeografie im Nahen Osten zu den narrativen StruktuNahen Osten zu den narrativen ren Hollywoods –, werden sie Struktubis jetzt ren –, werden Denkmal sie bis jetzt nichtHollywoods durch ein öffentliches genicht durch ein öffentliches Denkmal gewürdigt. würdigt.
Unser CFP fragte: Wie könnte der Begriff des Unser Wie könnte der Begriff des „Siegs“,CFP derfragte: in rückwärtsgewandten Erinnerun„Siegs“, der in rückwärtsgewandten Erinnerungen an Konflikte impliziert ist, anerkannt oder gen Konflikte werden? impliziertKönnen ist, anerkannt oder neu an interpretiert die traditioneu interpretiert werden? Können die traditionellem formalen Strukturen des Monuments und nellem Strukturen des Monuments und der ihmformalen innewohnende historische Revisionismus der innewohnende historische Revisionismus neu ihm definiert werden? In einer ironisch gemeinneu definiert werden? In einerGegensätze ironisch gemeinten Verknüpfung historischer berieten Verknüpfung Gegensätze fen wir eine Jury historischer aus drei Amerikanern undberiedrei fen wir (Vito eine Jury aus drei Amerikanern undBuckdrei Russen Acconci, Boris Groys, Susan Russen Susan Morss, (Vito VitalyAcconci, Komar, Boris ViktorGroys, Misiano andBuckNato Morss, Vitaly Viktor Misiano Nato Thompson) ein.Komar, Insgesamt erhielten wirand mehr als Thompson) ein. Insgesamt wir mehr als 200 Einreichungen; durch erhielten den Auswahlprozess 200 Einreichungen; durch den Shortlist Auswahlprozess der Jury gelangten wir zu einer von 17 der Jury gelangten wir zu einer Shortlist von 17 Kunstschaffenden. Kunstschaffenden. Dies ist ein weitergehender Prozess: Obwohl die Dies ist ein weitergehender Prozess: Obwohl die Ausschreibung und die Jurysitzungen 2013 endeAusschreibung und die Jurysitzungen endeten, arbeiten wir weiterhin mit diesen2013 17 Kunstten, arbeiten wir weiterhinund mitKollektiven diesen 17 Kunstschaffenden, Architekten an der schaffenden, an der Realisierung Architekten der Projekteund fürKollektiven eine Ausstellung. Realisierung der Projekte für eine Ausstellung. Wir hoffen, dass sich weitere Untersuchungen Wir hoffen, der dass sich weitere zum Thema Beziehung dieserUntersuchungen Projekte zu den zum der Beziehung dieser Projekte den sich Thema entwickelnden Ansätzen in Bezug aufzuErinsich entwickelnden Ansätzen in Bezug auf Erinnerung und Monumentalität den Vereinigten nerung und Monumentalität in den würden Vereinigten Staaten ergeben werden. Gleichzeitig sich Staaten ergeben werden. Gleichzeitig würden diese Untersuchungen vielleicht auf die Formsich des diese Untersuchungen vielleicht auf die Formmüsdes „Vorschlags als Ausstellung“ konzentrieren „Vorschlags als damit Ausstellung“ müssen und wären wenigerkonzentrieren durch die Analyse sen wären damit weniger durch die Analyse der und Vorschläge als durch die kuratorischen Konder Vorschläge alsselbst durchgelenkt. die kuratorischen Konzepte des Projekts zepte des Projekts selbst gelenkt. Eines dieser Konzepte bestand in der EntscheiEines dieser Konzepte inAusschreibung der Entscheidung, das Wort „Sieg“ inbestand Titel und dung, das Wettbewerb Wort „Sieg“ in Titel und Ausschreibung für den aufzunehmen. Schließlich für den Wettbewerb aufzunehmen. Schließlich entschlossen wir uns für einen Aufruf zur tieferen entschlossen wir stillschweigenden uns für einen Aufruf zur tieferen Erforschung der Akzeptanz des Erforschung stillschweigenden Akzeptanz des neoliberalen der Kapitalismus als moralischer Sieger neoliberalen Kapitalismus als moralischer in der westlichen Gesellschaft. AußerdemSieger wollin Gesellschaft. wolltender wirwestlichen den historischen RahmenAußerdem der Erinnerung ten wir denum historischen Rahmen Erinnerung erweitern, die Zeitspanne vonder mehr als zwei erweitern, die Zeitspanne als zwei Jahrzehntenum einzubeziehen, dievon seitmehr dem Ende der Jahrzehnten seit dem dem Zeitraum Ende der Sowjetunioneinzubeziehen, vergangen sinddie(d.h. Sowjetunion vergangen sind (d.h. dem Zeitraum für die Realisierung des „Sieges“). für die Realisierung des „Sieges“). Der Begriff des „Sieges“ hat auch kritische philoDer BegriffImplikationen. des „Sieges“ hat auchBenjamin kritische erklärphilosophische Walter sophische Implikationen. Walter Benjamin erklärte bekanntermaßen, dass die Materialisierung von te bekanntermaßen, dass die Materialisierung von
Erinnerungen in Form und Raum fast unweigerlich ein Narrativ der zu Lasten der unweigerlich Verlierer ist. Erinnerungen in Sieger Form und Raum fast Denkmäler eine Geschichte der Sieger, ein Narrativerzählen der Sieger zu Lasten der Verlierer ist. und diese Erzählung sich nichtder nurSieger, in der Denkmäler erzählen spiegelt eine Geschichte Beauftragung für Denkmäler und diese Erzählung spiegeltund sichihrer nichtErrichtung, nur in der sondern auch im ihres und gesamten LebenszyBeauftragung für Laufe Denkmäler ihrer Errichtung, klus, egalauch ob dieser unbegrenzt ist oderLebenszyunterbrosondern im Laufe ihres gesamten chen Öffentliche Denkmäler sind unterbroVerändeklus, wird. egal ob dieser unbegrenzt ist oder rungen gegenüber resistent: Sobald einmal grünes chen wird. Öffentliche Denkmäler sind VerändeLicht wurde und dieSobald Monumente rungengegeben gegenüber resistent: einmal stehen, grünes können sie meist nichtund mehr werden oder Licht gegeben wurde dieentfernt Monumente stehen, sind jedenfalls entfernungsresistent mit Ausnahkönnen sie meist nicht mehr entfernt– werden oder me Kapitalbauten, der Zerstörung vonAusnahImmosindvon jedenfalls entfernungsresistent – mit bilien des Wechsels einem Regime zum me vonoder Kapitalbauten, dervon Zerstörung von Immoanderen –, wobei letzterer von Fall einem in den vergangenen bilien oder des Wechsels Regime zum Monaten der früheren Sowjetunion besonders anderen –,inwobei letzterer Fall in den vergangenen auffällig Monatenist. in der früheren Sowjetunion besonders auffällig ist. In unserem gleichzeitigen Aufruf zur „Neudefinierung“ des Denkmals sowieAufruf zum expliziten GedenIn unserem gleichzeitigen zur „Neudefinieken andes denDenkmals „Sieg“ bemühten wir uns ganz bewusst, rung“ sowie zum expliziten Gedenzwischen nunmehr allgegenwärtigen, subjekken an dendem „Sieg“ bemühten wir uns ganz bewusst, tiv gelenkten und einer mehr dizwischen dem„Gegendenkmal“ nunmehr allgegenwärtigen, subjekdaktischen, Geltendmachung tiv gelenktenautoritären „Gegendenkmal“ und einerideologimehr discher Positionen zu vermitteln. Zu diesem Zweck daktischen, autoritären Geltendmachung ideologistellten wir keinezuInformationen Parametern, scher Positionen vermitteln. Zuzu diesem Zweck Ort und wir Budget bereit, sondern bezeichneten das stellten keine Informationen zu Parametern, Vorhaben lediglich als ein Projekt konzeptueller Ort und Budget bereit, sondern bezeichneten das Natur, daslediglich zu eineralsAusstellung würde. Vorhaben ein Projektführen konzeptueller Dies einer Grundregel öffentlichen Natur,liefdasnatürlich zu einer Ausstellung führen würde. Kunstschaffens zuwider, das normalerweise auf Dies lief natürlich einer Grundregel öffentlichen eine bestimmte Örtlichkeit undnormalerweise Gemeinschaft reaKunstschaffens zuwider, das auf giert, und führteÖrtlichkeit dazu, dass und wir unzählige E-Mails eine bestimmte Gemeinschaft reaerhielten, wenigstens Budget, giert, und die führte dazu, dassein wirungefähres unzählige E-Mails einen geplanten Ort für dasein Projekt oder eine Einerhielten, die wenigstens ungefähres Budget, schätzung der Wetterbedingungen erfragten. Aleinen geplanten Ort für das Projekt oder eine Einlerdings so viele Projekte erfragten. möglich, Aldie schätzungwurden der Wetterbedingungen von Anbeginn aussoformalen, budgetären oder die inlerdings wurden viele Projekte möglich, haltlichen Gründen oder aufgrund einer Mischung von Anbeginn aus formalen, budgetären oder indieser drei Gründen Motive letztlich unrealisierbar waren. haltlichen oder aufgrund einer Mischung dieser drei Motive letztlich unrealisierbar waren. Als wir diese zweihundert Vorschläge kurz sowie die der ShortlistVorschläge genauer betrachteten, Als17 wirProjekte diese zweihundert kurz sowie wurde uns klar, der dassShortlist das Modell des betrachteten, Gegendenkdie 17 Projekte genauer mals Übersetzung in Formen direkten wurde(und uns seine klar, dass das Modell des Gegendenksozialen einen in groben Umriss für mals (undEngagements) seine Übersetzung Formen direkten unsere lieferte. Wenn wir die formalen sozialenErgebnisse Engagements) einen groben Umriss für Aspekte des Modells hier der Kürze halber skizunsere Ergebnisse lieferte. Wenn wir die formalen zieren wollen – physisches befristete Aspekte des Modells hier Engagement, der Kürze halber skizDauer, betrachtergelenkte –, dann kann zieren wollen – physischesErfahrung Engagement, befristete man sagen, dass sich diese Erfahrung Aspekte eher Projekten Dauer, betrachtergelenkte –, dann kann annäherten, die durchaus institutionell sanktioman sagen, dass sich diesealsAspekte eher Projekten nierte öffentliche Kunstvorhaben in den Vereinigannäherten, die durchaus als institutionell sanktioten Staaten denkbar wären. Diesem Modell stand nierte öffentliche Kunstvorhaben in den Vereinigeine andere denkbar Gruppe wären. von zutiefst ironischen Proten Staaten Diesem Modell stand jektvorschlägen gegenüber, die die didaktischsten
und autoritären Attribute archetypischer Denkmäler den USA wie invon der zutiefst Sowjetunion aufgriffen eineinandere Gruppe ironischen Pro–jektvorschlägen überlebensgroße Formate,dieGegenständlichkeit gegenüber, die didaktischsten in Darstellung und archetypischer Betonung derDenkmäDistanz undder autoritären Attribute vom Darüber machenaufgriffen sie die in ler inBetrachter. den USA wie in derhinaus Sowjetunion Kriegsdenkmälern Ge– überlebensgroße inhärente Formate, metaphorische Gegenständlichkeit walt explizit (in einem wurde diese Gewalt in der Darstellung undFall Betonung der Distanz sogar wörtlich ungesetzt). Diesermachen Bruch zwischen vom Betrachter. Darüber hinaus sie die in Plausibilität einerseits und demmetaphorische Bestehen auf konKriegsdenkmälern inhärente Gezeptuellen Raum des Projektvorschlags alsGewalt einem walt explizit (in einem Fall wurde diese aggressiven Raum der Kritik andererseits scheint sogar wörtlich ungesetzt). Dieser Bruch zwischen auf eine tiefere Beziehung zwischen Prozess und Plausibilität einerseits und dem Bestehen auf konProvokation in derdes künstlerisch-politischen zeptuellen Raum Projektvorschlags alsImagieinem nation zu verweisen. aggressiven Raum der Kritik andererseits scheint auf eine tiefere Beziehung zwischen Prozess und Beispielsweise schlug der in New York lebende Provokation in der künstlerisch-politischen ImagiKünstler Scott eine überlebensgroße Figur nation zuDread verweisen. Ronald Reagans vor, die aus einem schwach radioaktiven Uraniumisotop (nötig Herstellung Beispielsweise schlug der in für NewdieYork lebende von Kernwaffen) bestehen in einem imposanKünstler Dread Scott eine und überlebensgroße Figur ten neoklassischen werden sollte. Ronald Reagans vor,Bau die aufgestellt aus einem schwach radioAls formale Gestaltung,(nötig die dasfürLincoln Memoriaktiven Uraniumisotop die Herstellung al andere US-amerikanische Denkmäler von vonund Kernwaffen) bestehen und in einem imposanzentraler Bedeutung imaginiert ten neoklassischen Bauwiderspiegelt, aufgestellt werden sollte. dieser Vorschlag den formalisierten Prozess der Als formale Gestaltung, die das Lincoln MemoriBeauftragung al und andere massentauglicher US-amerikanischegegenständlicher Denkmäler von Skulpturen und die täglich daran vorbeiziehenden zentraler Bedeutung widerspiegelt, imaginiert Touristenströme Akte des Verbrechens und der dieser Vorschlagals den formalisierten Prozess gedankenlosen Selbstzerstörung.gegenständlicher In einer direkBeauftragung massentauglicher ten Kritik des globalen NeoliSkulpturen und postsowjetischen die täglich daran vorbeiziehenden beralismus schlugen die Künstler Aziz + und Cucher Touristenströme als Akte des Verbrechens der ein unzugängliches Denkmal vor, In daseiner im Central gedankenlosen Selbstzerstörung. direkPark genaudes gegenüber dem Apartment vonNeoliEkaten Kritik postsowjetischen globalen terina Rybolovleva, Tochter des beralismus schlugen der die Künstler Azizrussischen + Cucher Oligarchen Dmitry Denkmal Ribolovlev, ein unzugängliches vor,errichtet das im werden Central sollte. Das Denkmal 1:1-Grundriss der Park genau gegenüberwäre demein Apartment von EkaWohnung, die für 88 der Millionen erworben terina Rybolovleva, TochterDollar des russischen worden war (zum Zeitpunkt des Projektvorschlags Oligarchen Dmitry Ribolovlev, errichtet werden das teuerste jemals in Manhattan verkaufte Apartsollte. Das Denkmal wäre ein 1:1-Grundriss der ment) – eindie ironischer Tribut an Dollar die stratosphäriWohnung, für 88 Millionen erworben schen ungezügelter PlutowordenAufstiegsambitionen war (zum Zeitpunkt des Projektvorschlags kratie. das teuerste jemals in Manhattan verkaufte Apartment) – ein ironischer Tribut an die stratosphäriDas Selbstbewusstsein dieser und anschensubversive Aufstiegsambitionen ungezügelter Plutoderer kratie.Arbeiten – ihre offene Überidentizifierung mit der erinnerungstrunkenen Heiligsprechung kapitalistischer Ideologien – steht imdieser Gegensatz zu Das subversive Selbstbewusstsein und anProjekten, die sich der Erinnerung als Möglichkeit derer Arbeiten – ihre offene Überidentizifierung annähern, spezifische Geschichten und durch den mit der erinnerungstrunkenen Heiligsprechung kaKonflikt geschaffene Subjektivitäten subjektiv zu pitalistischer Ideologien – steht im Gegensatz entdecken odersich zu der rekonstruieren. DasMöglichkeit Künstler-/ Projekten, die Erinnerung als Bibliothekarenteam und Kant aus annähern, spezifischeDolsy Geschichten und Smith durch den Washington D.C. schlug eine mobilesubjektiv Bibliothek Konflikt geschaffene Subjektivitäten zu mit Kulturzentrum vor, das Zugang zuKünstler-/ freigegeentdecken oder zu rekonstruieren. Das benen Dokumenten bieten einem/einer im Bibliothekarenteam Dolsyund undmitKant Smith aus Umgang mit Anfragen zum Freedom of Informa-
Washington D.C. schlug eine mobile Bibliothek tion Act erfahrenenvor, Bibliothekmitarbeiter/in bemit Kulturzentrum das Zugang zu freigegesetzt sollte. bieten Der Vorschlag von Sarah Kabenenwerden Dokumenten und mit einem/einer im nouse undmit Shiloh Krupar sahFreedom ein prozessbasiertes Umgang Anfragen zum of InformaDenkmal vor, bei dem durch den nuklearen Mition Act erfahrenen Bibliothekmitarbeiter/in belitarismus betroffene Personen weniger bekannte setzt werden sollte. Der Vorschlag von Sarah KaGeografien des Kalten und die nouse und Shiloh KruparKriegs sah einkartieren prozessbasiertes bis heute vor, bestehenden Denkmal bei dem Probleme durch den dokumentieren nuklearen Miwürden, der Personen Konflikt in den Bereichen litarismuswelche betroffene weniger bekannte Umweltgerechtigkeit, undkartieren Menschenrechte Geografien des KaltenArbeit Kriegs und die nach wie vor aufwirft. InProbleme diesen und andere Probis heute bestehenden dokumentieren jektvorschlägen die Besucher würden, welchekönnten der Konflikt in den vergessene Bereichen persönliche Erzählungen undund Rechtsinstrumente Umweltgerechtigkeit, Arbeit Menschenrechte zur immerInstürmischerer DatenlandnachUmschiffung wie vor aufwirft. diesen und andere Proschaften kennenlernen durch vergessene die Archijektvorschlägen könntenoder die auf Besucher tektur der geheimdienstlichen Datensammlung persönliche Erzählungen und Rechtsinstrumente geschaffene virtuelle Kreuzfahrten aufbrechen. zur Umschiffung immer stürmischerer Datenlandschaften kennenlernen oder auf durch die ArchiDiese auf der tektur Gegendenkmalsprojekte der geheimdienstlichen bestehen Datensammlung Unteilbarkeit von Darstellung undaufbrechen. Aktion oder geschaffene virtuelle Kreuzfahrten Aktivismus. Das Gegendenkmal ist vielleicht die politischste Form der öffentlichen skulpturaDiese Gegendenkmalsprojekte bestehen auf der len Gedächtnisdarstellung überhaupt – wennoder die Unteilbarkeit von Darstellung und Aktion Politik die Kunst Möglichen ist.istImvielleicht Kontext Aktivismus. Das des Gegendenkmal von „Staatsmacht“ vs.der „Freiheit des Einzelnen“, die politischste Form öffentlichen skulpturader die Propagandakriege überhaupt des Konflikts kennlen Gedächtnisdarstellung – wenn die zeichnete, verwiesenist.werden, dass Politik die sollte Kunst darauf des Möglichen Im Kontext es große Narrative gibt, die Konflikt vonspezielle „Staatsmacht“ vs. „Freiheit desden Einzelnen“, überdauert haben, um in anderen, andauernden – der die Propagandakriege des Konflikts kenntatsächlichen wie ideologischen – Kriegen weiterzeichnete, sollte darauf verwiesen werden, dass geführt zu werden. Offensichtliche sind es spezielle große Narrative gibt, dieBeispiele den Konflikt hier die zynische von Idealen– überdauert haben,Instrumentalisierung um in anderen, andauernden rund um Feminismus, Gender und Gleichstellung tatsächlichen wie ideologischen – Kriegen weiterder Geschlechter alsOffensichtliche Motive militärischer Aggresgeführt zu werden. Beispiele sind sion durch die USA, während dieselben in hier die zynische Instrumentalisierung vonIdeale Idealen den StaatenGender selbst und schleichend unterrundVereinigten um Feminismus, Gleichstellung drückt werden, oder derzeitigen Bemühungen der Geschlechter als die Motive militärischer Aggresder nuklearen Landschaften sionUS-Regierung, durch die USA,ihre während dieselben Ideale in und Bombentestgelände im Westen als Tourisden Vereinigten Staaten selbst schleichend untermusattraktionen zu die vermarkten, eine neue drückt werden, oder derzeitigendieBemühungen Identität des Staats ihre als Pionier verantwortungsder US-Regierung, nuklearen Landschaften vollen Umweltschutzes vermitteln Wenn und Bombentestgelände im Westensollen. als Tourisdiese narrativen Versuche nicht indie Frage musattraktionen zu vermarkten, einegestellt neue werden, sie sich als eineverantwortungsproblematische Identität könnten des Staats als Pionier ideologische Unterstützung der Plausibilität vollen Umweltschutzes vermitteln sollen. dieser Wenn Gegendenkmäler als sanktionierte öffentdiese narrativen Versuche nicht inFormen Frage gestellt licher Kunst erweisen. werden, könnten sie sich als eine problematische ideologische Unterstützung der Plausibilität dieser Es sollte auch gesagt werden, dass das GegenGegendenkmäler als sanktionierte Formen öffentdenkmal selbst eine Absorption dematerialisierter licher Kunst erweisen. Kunstpraktiken seit dem Konzeptualismus der sechziger Jahre gesagt – einschließlich sozialer arEs sollte auch werden, dass das und Gegenbeitsbasierter – darstellt, insbesondere denkmal selbstPraktiken eine Absorption dematerialisierter da diese Praktiken früher vom Staat Kunstpraktiken seit beginnen, dem Konzeptualismus der oder durchJahre Gemeinschaften erbrachte Dienstleisechziger – einschließlich sozialer und arstungen zu ersetzen, die –in darstellt, den immer stärker als beitsbasierter Praktiken insbesondere Unternehmen organisierten, die lokalen Ökonomida diese Praktiken beginnen, früher vom Staat en Initiativen erbrachte nicht mehr haltbar oderverdrängenden durch Gemeinschaften Dienstleisind. Wenn also die Taktiken subversiver Bestätistungen zu ersetzen, die in den immer stärker als gung und Ironie inhärent selbstbeschränkend sind, Unternehmen organisierten, die lokalen Ökonomimüssen wir uns dannInitiativen mit bloß nachbessernden Enen verdrängenden nicht mehr haltbar gagementprozessen zufriedengeben? Oder kann sind. Wenn also die Taktiken subversiver Bestätider Gefolge des Gedenkens an den Krieg gungsich undim Ironie inhärent selbstbeschränkend sind, eröffnende imaginative Raum einen produktimüssen wir uns dann mit bloß nachbessernden Enven Raum für den praktischen wie ideologischen gagementprozessen zufriedengeben? Oder kann Kampf der sichliefern? im Gefolge des Gedenkens an den Krieg eröffnende imaginative Raum einen produktiven Raum für den praktischen wie ideologischen Kampf liefern? Übersetzung: Sigrid Szabó Übersetzung: Sigrid Szabó Stamatina Gregory ist Kurator und Kunsthistoriker. Sie ist derzeit Stamatina Gregory KuratorAssound ciate Dean der School Art an der Kunsthistoriker. Sie ist of derzeit AssoCooper Union. ciate Dean der School of Art an der Cooper Union. Yevgeniy Fiks wurde in Moskau im Jahre 1972 geboren undinlebt und arbeitet Yevgeniy Fiks wurde Moskau im Jahin 1972 New geboren York seitund 1994. viele re lebtFiks undhat arbeitet Projekte zum seit Thema derFiks Post-Sowjetin New York 1994. hat viele Dialog, inzum den Westen produziert. Projekte Thema der Post-SowjetDialog, in den Westen produziert. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von Storefront Art and Architecture Grafik: Mit for freundlicher Genehmigung von Storefront for Art and Architecture
So much to kill me kill p turn heart i and prepare to
Anna Ak
o do today: emory, pain, into a stone, d yet live again.
khmatova
FALL № 9
Sc u lptu r e i n the e xpanded f i e l d Bu cha r est, 2 0 1 1
Suzana Milevska Tr i u m p h b o g e n : Die Errichtung eines Monuments ist per definitionem ein Versuch, das Erhabene zu repräsentieren. Durch die Errichtung eines Monuments wird also etwas Nicht-Repräsentierbares repräsentiert, indem an ein Ereignis, eine Persönlichkeit oder eine Tat erinnert wird. Zugleich handelt es sich dabei um etwas Negatives, da es Abwesenheit, Vergangenheit, Tod und allem voran einen bestimmten Verlust darstellen soll. Jedes Monument dient also dem Andenken an etwas ethisch Erhabenes und erinnert zugleich an den Eintritt des Todes, einer Abwesenheit oder gar eines Unheils.
In ihrer Arbeit Dacă voi nu ne vreţi, noi vă vrem [Wenn Ihr uns nicht wollt, wollen wir Euch] inszeniert Alexandra Pirici lebende Skulpturen, mit denen sie öffentliche Heldendenkmäler und Gebäude in Bukarest konfrontiert wie die umstrittene Nachbildung einer Reiterstatue von Carol I., das Denkmal für die Revolution von 1989 ( „Denkmal der Wiedergeburt“) oder den Palast des Parlaments (früher: „Haus des Volkes“). Die Künstler verkörpern die schwierige Reflexion über eine Vergangenheit, die trotz ihrer scheinbaren Unveränderlichkeit nur allzu fragwürdig ist, mit gut verwurzelten und eindrücklichen Auswirkungen auf die Gegenwart. In der unausgewogenen Beziehung zwischen ihren Körpern und dem Stein oder der Bronze gelingt es ihnen, Zweifel an den Objekten der Beziehung zu wecken, sie als die eigentlichen Geister zu entlarven. /Raluca Voinea/
Es gibt aber auch Monumente, die sehr deutlich vom politisch Erhabenen geprägt sind, da sie nicht als Kompensation für einen bestimmten Mangel oder Verlust gedacht sind, etwa für unvollständige Identitäten, unbekannte Helden oder eine unmögliche Geschichte, sondern Ereignisse oder Persönlichkeiten hochhalten, die mit Triumph, Sieg und Eroberung verbunden sind. Dieser Text beschäftigt sich mit dem Regierungsprojekt „Skopje 2014“, das die Hauptstadt von Mazedonien in den letzten Jahren in einen Gedenkpark falscher Erinnerungen verwandelt hat, die durch eine ganze Reihe von figurativen Monumenten geprägt werden. 1 „Skopje 2014“ nimmt sich wie eine melancholische Kompensation für eine Vergangenheit aus, die dieser Ort einmal gehabt hat oder niemals gehabt hat ‒ mit den Worten Derridas, wie ein Grabmal, das „auf den Tod des Dynasten ... verweist“. 2 Vonseiten der Regierung gab es beträchtliche Anreize für Künstlerinnen und Künstler, die bereit waren, eine neue imaginäre Stadt aus „falschen Erinnerungsorten” 3 mitzugestalten, eine Art 3D-Geschichtsbuch oder Themenpark unter dem Sammeltitel „Skopje 2014“, der den Großteil der öffentlichen Skulpturen, Denkmäler und Gebäude umfasst. Winston Churchills berühmter Satz, dass „der Balkan mehr Geschichte [produziert], als er verbrauchen kann“, muss heute modifiziert werden durch „Monumente“ anstelle von „Geschichte“. 4 Den Bürgerinnen und Bürgern von Mazedonien wurde der Umfang des städtebaulichen Projekts „Skopje 2014“ erst klar, als es durch den staatlich finanzierten Werbeclip „Zeitloses Mazedonien“ vorgestellt wurde, der im Februar 2010 über die lokalen und nationalen Fernsehsender lief. 5 Inmitten einer solchen Anbetung der imaginierten Vergangenheit bleibt kaum noch Raum, über das Heutige und Gegenwärtige nachzudenken – weder als relevantes Thema und als Inhalt noch als Medium oder Form. Von allen Denkmälern und Objekten, die als Teil dieses Mega-„Themenparks“ errichtet wurden, ist der Triumphbogen am symptomatischsten. 6 Ein Triumphbogen ist ein ganz besonderes Monument, das als Ort der Erinnerung an ein vergangenes siegreiches Ereignis und zugleich als Vorwegnahme aller künftig zu feiernden Siege imaginiert wird, also ein Monument, das mutmaßlich das Zusammenfallen der Zeit nach und vor dem gefeierten Ereignis bewirken wird. In gewisser Weise besteht es aus einer offenen, immer wieder neu zu schreibenden Aneinanderreihung von zahllosen Ereignissen.
FALL № 1 0 Jochen G e r z D as u ns i chtba r e D enkmal , Saa r b r ü cken , Ge r man y 1 9 9 3
Mithilfe von 61 jüdischen Gemeinden wurde eine Liste all der Jüdischen Friedhöfe zusammengestellt, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland bestanden. Die Namen dieser 2146 Friedhöfe wurden auf ebensovielen Pflastersteinen eingraviert, die aus der Gasse entfernt worden waren, die den Platz vor dem Saarbrückener Schloss quert. Ursprünglich wurde das Werk ohne Auftrag ausgeführt, heimlich und illegal. Die Steine wurden nachts entfernt und durch die gravierten ersetzt. Alle Steine wurden mit der beschrifteten Seite nach unten eingesetzt, daher ist die Inschrift unsichtbar. Im Laufe der Arbeit wurde das Kunstwerk durch das Parlament abgesegnet und der Auftrag erteilt. Der Schlossplatz vor dem Parlament wurde in Platz des unsichtbaren Mahnmals umbenannt.
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Anna Ahmatova „Das Urteil“ (aus Requiem) Ich habe heute viel zu tun: Muß die Erinnerung endgültig töten, Muß die Seele mir versteinen, Muß von neuem zu leben beginnen.
In den letzten vier Jahren war das aktuelle Kunstgeschehen in Mazedonien beherrscht von der politisch motivierten „Erneuerung“ des öffentlichen Raums in der Hauptstadt, die vor allem vom mazedonischen Kulturministerium und der Regierung der Republik Mazedonien unterstützt wird, sowie von einer sehr rigiden Kulturpolitik, die die staatlichen Kunst- und Kultureinrichtungen kontrolliert. Die Kunst- und Kulturpolitik des Landes macht keinen Hehl daraus, dass sie die Vergangenheit der Gegenwart
Jonathan Brooks Platt Ein Monument markiert immer eine Schwelle, die gleichermaßen verbindet wie trennt. Stellt dieses Monument ein kultisch verehrtes Wesen dar, vermittelt es zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen, in Ahnenkulten zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit. Im römischen Kaiserkult zieht die Schwelle des Denkmals eine Grenze zwischen den zwei Körpern, die dem unumschränkten Souverän zugeschrieben werden. Nach seinem Tod und seiner Apotheose lässt der Kaiser seine Statue zurück wie das abgeworfene Exoskelett einer Zikade (um Joseph Brodsky zu paraphrasieren) – die leere Hülle als Hinweis auf ein göttliches Wesen, das sich entfernt hat. Das Kaiserdenkmal füllt sein leeres Inneres stattdessen mit Zeit: Die dauerhafte Form und sublime Stasis der Statue suggerieren eine in sich vollkommene, vollendete Ganzheit. Verewigt in Bronze oder Marmor, wird die Herrschaft des Kaisers zum Gegenstand der Erinnerung späterer Generationen, die dem goldenen Zeitalter ihre Reverenz erweisen und es sich, soweit möglich, zum Vorbild nehmen. Diese innere Leere deutet bereits auf die Ambivalenz des modernen Monuments hin, das aufgrund des schwindenden Glaubens an Götter und Könige nicht mehr die Stein gewordene Verkörperung einer jenseitigen Vollkommenheit ist, sondern von den sehr viel irdischeren Mächten – von Nation, Geschichte, Kultur –, die eine Gemeinschaft zusammenschweißen, stummes Zeugnis ablegt. Während ein Idol seine eigene Magie atmet, reflektiert ein modernes Denkmal bloß die Massen, die es bewundern und umringen. Als im späten 19. Jahrhundert die industrialisierten, imperialistischen Mächte immer größeren Gefallen an der plastischen Darstellung ihres Ruhmes finden und damit einen regelrechten „Denkmalboom“ auslösen, beginnt auch die Leere des öffentlichen Monuments wie eine Geschwulst zu wuchern. Die bourgeoise Stadtlandschaft ist übersät mit Standbildern – so viele Meistersignifikanten einer Kultur, die immer wieder zur Leere, aus der sie entsprungen ist, zurückkehren muss, um den stetigen Fluss des urbanen Lebens mit dem historischen Narrativ zu verknüpfen. Diese
sinnentleerte inflationäre Vermehrung des Standbilds wird natürlich von denen, die einen feineren Geschmack haben (oder sich nach einem „spirituelleren“ Monumentalismus zurücksehnen), weniger goutiert. Im kanonischen kunsthistorischen Narrativ heißt es, dass die modernistische Skulptur das öffentliche Denkmal von seinem Sockel stürzt, nach Autonomie strebt und auf sich selbst Bezug nimmt, mit fragmentarischen Formen und heterogenen Materialien experimentiert, ortlos und nomadisch wird. Was aber will sie erreichen? Die gleiche Leere, nur diesmal nicht verhüllt und domestiziert, sondern offen zur Schau gestellt. Die Skulptur der Moderne steuert unbeirrbar auf einen Nullpunkt zu – auf genau jene Schwelle, an der ihre soziales, strukturelles Wesen kurz aufblitzt, um gleich wieder zu verschwinden. Wie Rosalind Krauss schreibt, ist die modernistische Skulptur in einem Niemandsland zwischen Architektur und Landschaft angelangt. Doch auch dort unterliegt sie der Logik der Schwelle. Ein Monument kann in ein architektonisches Gefüge eingebunden sein, kann vermitteln zwischen der sozialen Funktion des Gebäudes (wie z.B. eines Regierungssitzes oder einer Bildungseinrichtung) und der Autorität, die es ausstrahlt und Menschen zusammenströmen lässt. Oder es kann eine Landschaft definieren und wie ein Patchwork-Quilt einem unscheinbaren Ort (etwa einem Park oder einem öffentlichen Platz) eine gestalterische Ordnung geben, damit auch dort Menschen zusammenströmen. Da aber die Wahrnehmung dieser Funktionen zunehmend automatisiert und somit beeinträchtigt ist, werden sie von der modernistische Skulptur in der Hoffnung, eine Erneuerung zu bewirken, auf ihre pure Negativität reduziert. Unter Skulptur versteht Krauss nur mehr das, was vor einem Gebäude steht und nicht Gebäude ist oder in der Landschaft steht und nicht Landschaft ist. Trotz aller Bemühungen kann das Monument nicht gerettet werden. Dafür landen wir im „erweiterten Feld“ der Postmoderne mit ihrer eigenen umgehemmten Vermehrung von Orten und Strukturen, die auf unterschiedliche Weise versuchen, die Schwelle, die das Monument markiert, als Negativität und Paradoxon fortzuschreiben. Unterdessen schreitet der Niedergang des
Die Monumente von „Skopje 2014“ a l s P a r a d o x o n v o n Tr i u m p h u n d N i e d e r l a g e vorzieht, das Historische dem Zeitgenössischen, das Figurative und Monumentale dem Konzeptuellen und Kritischen, eine militante und nationalistische Identitätspolitik dem Multikulturellen und der Koexistenz des Anderen, das Konservative und Neoliberale dem Deliberativen und Demokratischen. »Skopje 2014« verfolgt das Ziel, der gemeinsamen Vergangenheit, die es im Übrigen nie gegeben hat (jedenfalls nicht in dieser Form), ein Denkmal zu setzen, ist jedoch zum Synonym für die Ignoranz und Respektlosigkeit der offiziellen Kulturpolitik gegenüber der zeitgenössischen Kunst geworden. Statt Kulturpolitik zu machen, haben sich die Regierungsstellen zu alles bestimmenden Chefkuratoren erhoben, ganz gleich, ob es um die Errichtung von Denkmälern für historische Persönlichkeiten und Ereignisse geht, deren Relevanz bzw. Bedeutung aus heutiger politischer Sicht hochproblematisch ist, oder um eine überkommene Ästhetik (die Antike wird etwa durch Säulen sogar an modernistischen und brutalistischen Fassaden repräsentiert, und bereits in den öffentlichen Ausschreibungen für diese Aufträge wurde eine
ANMERKUNGEN 1. In einem Wikipedia-Eintrag über „Skopje 2014” wird das Projekt als „historischer Kitsch” bezeichnet, jedoch ohne Verweis auf Hermann Brochs oder Abraham Moles‘ Konzept des „Kitsch-Menschen”, das sich mehr auf ein Verhalten als auf Kitschobjekte bezieht und damit noch relevanter sein könnte: „Skopje 2014”, Wikipedia, letzter Zugriff 15. April 2014 http://en.wikipedia.org/wiki/Skopje_2014 2. Jacques Derrida, Randgänge der Philosophie, übersetzt von Gerhard Ahrens (Frankfurt am Main: Ullstein, 1976) S. 7.
3. „Falsche Erinnerungen” sind ein bekanntes Phänomen der Psychopathologie traumatisierter Patienten: Ereignisse, die nicht stattgefunden haben, werden von den Patienten als völlig real erinnert. „Falsche Erinnerungsorte” sind eine Neuerfindung, die typisch für die nationalistischen und konservativen Regierungen der neuen Staaten in Ost- und Südosteuropa ist. Im Großen und Ganzen gehen sie auf den dringenden Wunsch ihrer neuen Regierungen zurück, sich von der kommunistischen, häufig aber auch der antifaschistischen Vergangenheit zu distanzieren.
4. Parallel zur Vermehrung der Monumente blühte auch ein neuer Diskurs über Monumente auf (“Anti-Monumente”, „Gegen-Monumente”, „BilligMonumente”, „unsichtbare Monumente”, „wartende Monumente”, um nur einige neue Kunstkonzepte anzuführen): Siehe Katarzyna MurawskaMuthesius, „Oskar Hansen and the Auschwitz „Countermemorial,“ 1958-59, letzter Zugriff 15. April 2014; Svetlana Boym, „Tatlin, or Ruinophilia”, Cabinet, Issue 28 Bones Winter 2007/08, letzter Zugriff 15. April 2014 http:// www.cabinetmagazine.org/issues/28/boym2.php. 5. http://www.youtube.com/watch?v=iybmt-iLysU 6. Zu den wenigen Ereignissen, die unter dem Triumphbogen (dessen offizieller Name „Porta Makedonija” lautet) nach seiner Errichtung 2011 (durch die unerfahrene und bis „Skopje 2014” völlig unbekannte Bildhauerin Valentina Stevanovska) stattgefunden haben, zählt ironischerweise der 4. Platz der mazedonischen Nationalmannschaft in der BasketballEuropameisterschaft und die von der Organisation „Aman” initiierten Proteste gegen hohe Stromkosten (2012).
“S owjetische Monumente im erweiterten F e l d Die modernistische Tradition, die Krauss beschreibt, ist jedoch nicht die einzig mögliche, und auch die Wahl des Begriffs Landschaft ist keineswegs so einleuchtend, wie man meinen könnte. Von dem Gedanken angetrieben, dem innovativen Potential von Robert Smithsons Earthworks gerecht zu werden, definiert Krauss die Entwicklung der Skulptur eindrucksvoll im Sinne eines strikten Natur-Kultur-Dualismus. Aber riecht diese Charakterisierung des Gegensatzes von „Gebautem“ und „Ungebautem“ nicht sehr nach einem reaktionären romantischen Rückzug vor den plebejischen, industrialisierten Horden? Selbst Benjamin Buchlohs mehr konzeptioneller Dualismus reduziert die Geschichte der post-monumentalen Skulptur zu einem Oszillieren zwischen Engagement und Rückzug, wenn er die ästhetische Produktion von Wirklichkeit (Architektur, Design) der Wirklichkeit ästhetischer Produktion (untersucht mit künstlerischen Strategien wie dem Ready-made) gegenübergestellt.
öffentlichen Denkmals unaufhaltsam voran. Die meisten Gedenkstatuen sind heute nicht viel mehr als teurer Kitsch, darüber hinaus hat sich eine neue Gegenpraxis als Norm etabliert: dem kollektiven Trauma und der Opferrolle ein Denkmal zu setzten. Die zeitgenössische Kunst wird zudem immer monumentaler, doch geht es bei dieser Tendenz weniger um die Überwindung der Krise der modernistischen Skulptur, sie ist vielmehr ein Indiz für einen aufgeblähten Markt und das Bedürfnis nach populistischen Spektakeln, um diese Verhältnisse zu legitimieren.
Solche Interpretationen vermitteln letzten Endes ein ganz bestimmtes Bild von der Hoheitsgewalt, die auf der Schwelle des Denkmals ausgeübt wird – und die auf dem nationalen Diskurs beruht, ist es doch das moderne, nationale Bewusstsein, das seine Ursprünge in der Wildnis der Negativität sucht, in der Urleere, aus der Helden kommen, um den Menschen Sprache, Gemeinschaft und Geschichte zu bringen. Markiert die skulpturale Darstellung dieser Helden die Schwelle des „Gebauten“, dann hat sie ein positives Gesicht, wie auch die Negativität der Ursprünge zu einer Leere wird, die von den Menschen (oder den Bürokraten in einem Regierungsgebäude) leicht gefüllt werden kann. Markiert sie aber das „Ungebaute“, dann ist die Leere des Monuments nur das Echo unseres eigenen Mangels. Die prototypische Szene, in der wir einem Standbild in der Natur begegnen, zeigt ein einsames, schwermütiges Wesen, das in einem Friedhof auf dem Land zwischen Grabsteinen wandelt – eine Szene durchtränkt mit Melancholie, dem Nachsinnen über die Vergänglichkeit und dem süßen Schmerz der Einsamkeit. Die Denkmäler in den zentral gelegenen Parks der bourgeoisen Hauptstädte flöten in nicht weniger süßen Tönen vom negativen Kern der nationalen Souveränität. Wenn das architektonische Monument ein Zeichen phallischer Macht ist, verkörpert das Denkmal in einer natürlichen Landschaft die Wunde der Kastration.
Neben der natürlichen Landschaft gibt es aber noch eine negative Szene: den öffentlichen Platz. Im Unterschied zum architektonischen Monument, das die Schwelle zwischen Innen und Außen markiert, vermitteln Standbilder auf öffentlichen Plätzen zwischen der pulsierenden Bewegung der Stadt und der Stasis des nicht verbauten Raumes, in dem sie stehen. Wenn sich Menschenmassen nicht mehr durch die Stadt bewegen, sondern auf öffentlichen Plätzen versammeln – um Handel zu treiben, an Feiern teilzunehmen oder eine politische Aktion durchzuführen –, definieren und besetzen sie die Leere der Souveränität nicht als einen individuellen Raum des Rückzugs und der Kontemplation, sondern als einen kollektiven Ort, der eine enorme Sprengkraft in sich trägt, da er die Möglichkeit des Diskurses, des Konflikts und der Überschreitung bietet. Die besonderen Bedingungen einer radikalen revolutionären Umwälzung in einer dynastischimperialistischen Kultur haben dazu geführt, dass Skulpturen in der Sowjetunion kaum in die freie Natur gesetzt, sondern in erster Linie auf öffentlichen Plätzen errichtet wurden. Das Ungebaute konnte nicht der Ort allen Ursprungs sein, sondern nur einer des Diskurses, der bereits historische Vorläufer hat. Die sowjetische Besetzung öffentlicher Plätze mit neuen Monumenten konnte aber nicht einfach den „Denkmalboom“ der vorrevolutionären Jahre perpetuieren (obgleich sie diesem statuarischen Exzess oft noch eins draufzusetzen schien). Die Okkupation musste auch einen modernistischen Bruch mit der Vergangenheit beinhalten, musste das öffentliche Denkmal auf eigene Weise vom Sockel stürzen, den Ort der Souveränität in Besitz nehmen, ihn freiräumen und seine klaffenden, durchlässigen Konturen immer wieder neu verhandeln (solange der revolutionäre Impuls vorhielt). Die „Heimatlosigkeit“ sowjetischer Monumente unterscheidet sich somit deutlich von jener skulpturalen Qualität, die Krauss und Buchloh beschrieben. In der Sowjetunion tendiert die Statue vor dem Zweiten Weltkrieg nicht dazu, sich auf eine Position zwischen architektonischer Funktion und kontemplativem Rückzug festzulegen. Sie sucht vielmehr den Punkt maximaler Spannung zwischen architektonischer Konstruktion – der Kanalisierung der konstituierenden Gewalt des Volkes durch Arbeit, Disziplin und Bewusstsein – und dem öffentlichen Platz, der ein Ort des ständigen Kampfes ist, unter anderem
barocke und neoklassizistische Stilrichtung gefordert und sogar vertraglich festgelegt). Eine der offensichtlichsten historischen Interventionen ist zum Beispiel der Auftrag für das Monument Gemidžii, das der nationalistischen Organisation „Schiffer von Thessaloniki“ bzw. „Attentäter von Salonica“ gewidmet ist, einer gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts im Osmanischen Reich aktiven Anarchisten-Gruppe, die auch vor Mordanschlägen und organisierten Terrorangriffen nicht zurückscheute. 7
(meist hoch zu Ross und Waffen tragend), der neue Triumphbogen konkurriert mit einem ebenfalls neuen Karussell mitten im Zentrum von Skopje.
Projekt spricht.
Während in derart problematische Projekte investiert wird, verkommen die Kunst- und Kultureinrichtungen. Getrieben von politischen Interessen und Ignoranz, ist ihre kaufmännische und künstlerische Führung ganz dem Geschmack der herrschenden Partei unterworfen und stellt zunehmend die Werte traditioneller Kunst in den Vordergrund, während die Sammlung und das Gebäude des Museums für zeitgenössische Kunst seit Jahren vernachlässigt werden. 8 Eine derart verlogene Situation, die noch dazu von keiner Institution des Landes in Frage gestellt wird, erhält zusätzliche Brisanz durch die Behauptung, es fehle an finanziellen Mitteln, um zum Beispiel auf internationalen zeitgenössischen Kunstveranstaltungen wie der Biennale von Venedig vertreten zu sein, während gleichzeitig unvorstellbare Summen in öffentliche historische Monumente und neue nationalistische Museen fließen. 9
Mit seinem Diktat der künstlerischen und visuellen Ausdrucksmittel, die leider jedes zeitgenössische Kunstwerk überdauern dürften ‒ die Objekte wurden vorwiegend in Bronze gegossen oder in Marmor gemeißelt ‒, ist „Skopje“ Ausdruck einer klaren Absage der politischen Funktionäre an jede Form von zeitgenössischer Kunst. Skulpturen von Bettlern und frivolen Frauengestalten mit entblößten Brüsten (Denkmäler für Heldinnen sucht man vergebens), Stieren, Fischen, Tänzerinnen und in menschliche Wesen verwandelten Bäumen stehen Seite an Seite mit Figuren historischer VIPs in Kampfstellung
Es gibt kaum noch staatliche Mittel für Künstlerinnen und Künstler, sie sich nicht nach den alles beherrschenden Interessen dieses Staates richten, der seine Übermacht sogar in Detailvorgaben für Stil und Erscheinungsbild der ausgeschriebenen öffentlichen Kunstwerke und Monumentalskulpturen zum Ausdruck gebracht hat. Einzelne Künstler und Künstlergruppen sind trotzdem in bescheidenem Rahmen produktiv und entwickeln ihre künstlerische Praxis weiter, wenn auch im Schatten der bronzenen Löwen, Pferde und Stiere.
Das Gesamtkonzept dieses Projekts trägt nicht die Handschrift eines künstlerischen oder architektonischen Einzelurhebers oder eines Teams, es erweckt vielmehr den Eindruck, aus einem beklemmenden Traum des Premierministers hervorgegangen zu sein, der in seinen Reden auch tatsächlich von seinem „eigenen“
Der Außerstaatlichen Kontrollkommission Barrikade, Moskau, 1998
gegen die Verdinglichung von gesellschaftlichen Kräften, wie sie vom traditionellen Monument üblicherweise propagiert wird. Die daraus resultierende Nomadisierung ist somit keine reduktionistische Strategie, um zum Nullpunkt der Skulptur zu gelangen. Das sowjetische Monument besetzt vielmehr eine unbestimmte Position des Weder/Noch, was allein dem Umstand geschuldet ist, dass es an seiner unerfüllbaren monumentalen Aufgabenstellung scheitert, nämlich ein Bild zu präsentieren, das sowohl unbeweglich und in Bewegung, ewig und temporär, Stein und Fleisch, gebaut und ungebaut ist. Diese innere Spannung kommt in vielfältiger Weise zum Ausdruck. Es gibt den von Lenin 1918 initiierten Plan zur Denkmalpropaganda, im Zuge dessen den Helden des revolutionären Kampfes und der progressiven kulturellen Traditionen ephemere – weil aus billigen Materialien gefertigte – Denkmäler errichtet wurden. Diese Statuen, die extrem kurzlebig waren, existierten in zwei Hypostasen, erstens als Kulisse für die Reden, die ihre Enthüllung begleiteten, und zweitens als Versprechen in Form eines Provisoriums, das von der prächtigen sozialistischen Stadt der Zukunft kündete. Das ephemere Monument wurde bald durch ein virtuelles ersetzt, das nicht nur viel beständiger, sondern mittels reproduzierbarer Bilder auch einfacher zu verbreiten war. Was auch immer die Gründe hinter diesem Phänomen gewesen sein mögen – Mangel an Materialien, bürokratische Unentschlossenheit, unerfüllbare Erwartungen –, die unglaubliche Vermehrung von Modellen und Entwürfen nicht ausgeführter sowjetischer Monumente, die dennoch in Ausstellungen und in der Presse in großer Aufmachung präsentiert wurden, deutet darauf hin, dass offensichtlich gar kein Interesse an einer künstlerischen Erneuerung im Bereich der skulpturalen Produktion bestand. Das signifikanteste Beispiel dieser Tendenz ist natürlich der von einer 100 Meter hohen Lenin-Statue gekrönte Palast der Sowjets, der immer wieder in der Presse, in Filmen, ja sogar auf Stadtplänen abgebildet wurde, von Briefmarken und Schokoladepapier ganz zu schweigen, und doch nie über die Baugrube hinausgewachsen ist. Die permanente Virtualität des gigantischen Lenin auf dem Dach des Palastes stellte eine subtile Ergänzung zur permanenten Ephemerität des Körpers des Führers dar, der im Mausoleum für immer auf der Schwelle zur Verwesung verharrt. Andere Denkmäler zeigen heroisch ausschreitende oder zum Angriff entschlossene Menschen, wie Ivan Šadrs Skulptur Der
Pflasterstein ist die Waffe des Proletariats. Ein heftiger Diskurs um Wirklichkeitsnähe weist ebenfalls in diese Richtung, wurde doch die menschliche Anatomie und Bewegung auch dann bis zur letzten Sehne studiert, wenn das Endprodukt „bekleidet“ sein würde (wie Sergej Merkurovs Lenin, der im Vorbereitungsstadium für den Palast der Sowjets noch nackt dargestellt war). Zu guter Letzt gibt es die große Liebe zu Statuen. Die direkten Interaktionen reichen von ekphrastischen Beschreibungen, in denen sie „lebendig“ werden, bis zu den in fotografischen Szenen und Montagen inszenierten Dialogen, wie Bilder aus dem Jahr 1937 von den Feierlichkeiten zum 100. Todestag von Puškin zeigen (Abb. 1 und 2). Eine andere Form der Interaktion findet in der Moskauer Metrostation am Revolutionsplatz statt: Weil es Glück bringen soll, haben seit der Eröffnung im Jahr 1938 unzählige Reisende die bronzenen Karyatiden und Telamonen berührt und sie so zum Glänzen gebracht. Die Lieblingsobjekte dieser ästhetischen Beziehung sind die Tiere und Kinder in den Ensembles (aus Mitleid mit den Unschuldigen, die nicht zur statuarischen Stasis verdammt sein sollten) sowie die Waffen, die einige der Revolutionäre in Händen halten (um für alle Fälle gerüstet zu sein). In jedem dieser Beispiele ist das Denkmal derart mit Energie und Spannung aufgeladen, dass einem berechtigte Zweifel an seiner starren Unbeweglichkeit kommen. Gleichzeitig wird dem Ideal der Permanenz nicht abgeschworen. Es wird eher durch das Hinzufügen fleischlicher Dynamik verkompliziert oder als einzulösendes Versprechen in eine ferne Zukunft verschoben. Auf diese Weise baut sich das sowjetische Monument unermüdlich selbst, wie es sich auch immer wieder abbaut im stetigen Bemühen, sowohl die Sphäre der architektonischen Konstruktion als auch der gewaltsamen Destruktion zu besetzen und diesen inneren Kampf auf dem öffentlichen Platz auszutragen. Aber anstatt zu diesem unmöglichen Hybrid zu werden, endet es damit, dass es weder das eine noch das andere ist. Wenn sowjetische inoffizielle Künstler und Künstlerinnen und ihre post-sowjetischen Nachfolger im Hinblick auf diese Beziehung „das Feld erweitern“, um andere Möglichkeiten zu erkunden (inmitten der völligen Automatisierung und schließlich Zerstörung der offiziellen, systemkonformen Kultur), haben die daraus resultierenden Formen wieder nur sehr wenig mit Krauss’ postmodernistischer Typologie gemein. Die russische Tradition des Aktionismus setzt sich immer wieder mit dem
denkmalerischen Erbe auseinander, wobei der Körper des Künstlers als eine Art lebende Skulptur zum Einsatz kommt (oft auf dem Roten Platz, wo sich der Ort des Diskurses und die Bastion der Macht in unmittelbarer Nähe zueinander befinden). „Vandalistische“ Akte der Aneignung von vorhandenen Statuen sind ebenfalls eine künstlerische Strategie, um das sowjetische Denkmal in seinem Schlummer zu stören, damit es zu neuem Leben erwacht und in neuer Weise spricht. Die von der Außerstaatlichen Kontrollkommission als ephemeres Monument zur Erinnerung an die Studentenrevolution von 1968 errichtete Barrikade fokussiert auf das Prinzip des öffentlichen Platzes und blockiert die Bewegung der Stadt mit aufeinandergestapelten Kunstobjekten. Die Phallus-Brücke des Kollektivs Vojna ist eine monumentale kinetische Skulptur, die einen architektonischen Ort (das Hauptquartier des russischen Inlandsgeheimdienstes) markiert und mit ihrer sexuellen Botschaft an die Vertikale der Macht ebenfalls den Verkehr zum Stehen bringt. In Moskau organisierte vor kurzem der Aktivist Il’ja Budrajtskis eine Reihe von Lectures vor einem Obelisken, in den die Namen verschiedener Revolutionäre und sozialistischer Denker eingraviert sind, der jedoch abgebaut worden war, weil man ihn durch ein Denkmal für die Romanovy ersetzen wollte, das früher an diesem Ort gestanden ist und 1918 dem Obelisken weichen musste. Mit der Versammlungen rund um den Geist eines Monuments wurden die Ziele der revolutionären Aufklärung wörtlich ausgelegt und der paradoxe Raum zwischen Errichtung und Zerstörung besetzt. Ob nun solche Praktiken politisch etwas bewirken oder nicht, man kann an sie anknüpfen und sie adaptieren. Die globale neoliberale Revolution der 1980er-Jahre hat die Volksaufstände auf die öffentlichen Plätze der Zweiten Welt outgesourct. Mauern sind gefallen, Statuen gestürzt, ein einzelner Student hat eine ganze Panzerkolonne an der Weiterfahrt gehindert. Die Euphorie dieser Momente kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass letzten Endes alles der weltweiten Expansion des Raubtierkapitalismus auf Kosten des Gesellschaftsvertrages und der Souveränität des Volkes gedient hat. Die Ambivalenz solch emanzipatorischer Stürme, die Helden vom Sockel stürzen, hat sich in der jüngsten Vergangenheit noch offensichtlicher gezeigt, von den inszenierten Feiern in Bagdad bis zu den Attacken auf Lenin-Statuen in der Ukraine. Die post-sowjetische Tradition des Aktionismus behauptet hingegen, dass der öffentliche Platz bis jetzt weder völlig vom Kapital kolonialisiert noch von der revolutionären sozialistischen Tradition – mit all ihren Misserfolgen, Kompromissen und grausamen Übergriffen – befreit worden ist. Die Frage lautet, warum sich solche Praktiken immer gegen autoritäre Regime richten müssen, die ihre Partizipation im neoliberalen System zynisch verleugnen. Es wäre interessant, den Fluss der symbolischen Macht umzukehren und das erweiterte Feld der sowjetischen Skulptur – mit all ihren Spannungen zwischen Konstruktion und Kampf, Kreation und Destruktion, statischer Form und lebendiger Bewegung – auf die Plätze und Gebäude in Amerika und Westeuropa auszudehnen. Übersetzung: Friederike Kulcsar
Jonathan Brooks Platt ist Assistenz-Professor für Russische Literatur an der Universität Pittsburh
Was uns jetzt Tag für Tag vor die Augen kommt, hat die öffentliche Meinung in Mazedonien nicht im geringsten bewegt, bis mehrere Blogger auf den unreflektierten Einsatz von Bildern auf Werbeplakaten und in Zeitschriften hingewiesen und sich kritisch über die Wirkung der neu errichteten öffentlichen Skulpturen und historischen Monumente im Zusammenspiel mit anderen visuellen Wahrzeichen Skopjes geäußert haben. Debatten über verschiedene Phänomene der visuellen Kultur sind in Mazedonien erst seit Kurzem und ausschließlich in Blogs und sozialen Netzwerken im Gang. Der virtuelle Raum ist damit zu einem sonst kaum zur Verfügung stehenden Debattenraum geworden, insbesondere für das Projekt „Skopje 2014“. 10
FALL № 1 1
Denkmal für den Aufstand
Diese Reaktionen haben meiner Ansicht nach hierzulande sowohl auf kommunaler wie auf individueller Ebene einen Bewusstseinssprung bewirkt hinsichtlich der Bedeutung der Omnipräsenz von künstlerischen und nichtkünstlerischen Bildern im eigenen Gesichtsfeld nicht nur aufgrund ihrer unmittelbaren Wirkung auf die tägliche Wahrnehmung, sondern auch wegen ihres langfristigen Einflusses auf die kulturelle, soziale, politische und ökonomische Sphäre. Den neuen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sowie individuellen oder kollektiven Blogs kam dabei die Rolle zu, spontane öffentliche Protestaktionen gegen die politische Macht organisieren zu helfen; sie erwiesen sich nämlich als die einzigen Räume, die von den Plänen des wichtigsten Architekten und Stadtplaners des Landes ‒ des Premierministers ‒ verschont geblieben waren. Der vorliegende Text wurde in hohem Maße beeinflusst von dem heute als „erster architektonischer Aufstand“ bekannten Ereignis, das bereits am 28. März 2009 stattfand. Damals kam es zu Protesten gegen den geplanten Bau einer neuen orthodoxen Kirche auf dem Hauptplatz von Skopje, den viele als Probelauf für „Skopje 2014“ ansahen. 11 In gewisser Weise eroberten sich die Blogs, Internet- und Facebook-Foren und die sozialen Netzwerke und deren Nutzerinnen und Nutzer in Mazedonien den verfügbaren virtuellen Raum und bestimmten die visuelle Kritik. Besonders bedeutsam war die Blogkritik an dem 66 Meter hohen Stahlkreuz, mit dessen Errichtung auf dem Berg Vodno außerhalb von Skopje inmitten der interethnischen Konflikte der Jahre 2001 und 2002 begonnen wurde (also lange vor „Skopje 2014“). Das nachts hell erleuchtete Kreuz veranlasste viele Blogger, Themen wie Armut und die Macht visueller Signale und Symbole, den Missbrauch religiöser Gefühle für politische Werbezwecke, interreligiöse Konflikte usw. zu diskutieren. 12 Analogien zu Szenen aus Hollywoodfilmen (besonders radikal fiel zum Beispiel der ziemlich triviale Vergleich mit dem „brennenden Kreuz“ des Ku-Klux-Klans aus) uferten oft in widersprüchliche Diskussionen und Argumentationen aus, die letztlich ähnlich klangen wie die Hetzreden, an denen sich die Debatte ursprünglich entzündet hatte. 13 Der Kirchenbau auf dem Hauptplatz löste ebenfalls eine Debatte aus, die jener über das Vodno-Kreuz glich und geprägt war von Angriffen auf die Renaissance der Religion und die Macht der neuen Christen. Der Populismus der regierenden konservativen Partei VMRO, die mit der Ankündigung des Kirchenbaus auf dem Hauptplatz vermutlich ihre Wählerschaft günstig stimmen wollte, löste fast zwangsläufig einen weiteren Blogsturm aus. Diese Debatten in der Blogosphäre bestätigen jedenfalls, dass sich die agonistische Demokratie auch in unvermuteten Medien und Räumen entfalten kann und nicht den Diskussionen der politischen Eliten vorbehalten ist. Chantal Mouffe hat auf die Unmöglichkeit hingewiesen, im öffentlichen Raum einen rationalen Konsens zu erzielen, was im deliberativ-demokratischen Modell verleugnet werde – weshalb man von einem visuellen agonistischen öffentlichen Raum sprechen könnte. 14 Hält man sich vor Augen, dass „der deliberativen Konzeption zufolge eine Entscheidung nur dann kollektiv [ist], wenn sie aus Arrangements bindender kollektiver Entscheidungen hervorgeht, die Bedingungen freien öffentlichen Räsonierens unter Gleichen, die von den Entscheidungen betroffen sind, herstellen“, 15 so wird deutlich, dass die Stimmen, die in Mazedonien öffentlich Einspruch erheben, in Entscheidungsfindungsprozessen immer noch nicht als „Gleiche“ behandelt werden. Wenn man aber darin übereinstimmt, dass sich eine Perspektive wie der „agonistische Pluralismus“ vom deliberativen Demokratiemodell darin unterscheidet, dass er „die Unmöglichkeit eines Konsenses ohne Exklusion aufdeckt“ und uns „vor der Illusion warnt, eine vollständig realisierte Demokratie könne jemals errichtet werden”, 16 so liegt auf der Hand, dass die Blogs und die sozialen Netzwerke in Mazedonien den ersten öffentlichen Raum für Dissens und demokratischen Einspruch eröffnet und damit die unerlässliche Basis für eine agonistische pluralistische Demokratie geschaffen haben – die allerdings leider noch weit davon entfernt ist, sich durchzusetzen.
Während Aeron Bergman und Alejandra Salinas in Detroit lebten, entdeckten sie eine aufregende Geschichte über eines der öffentlichen Denkmäler der Stadt. Bewohner sehen die abstrakte Skulptur als Erinnerung an ein Massaker, den Aufstand von Detroit 1967 - ein Schlüsselmoment in der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung. Bei ihrer Recherche erfuhren die Künstler, dass die Skulptur gar nichts mit dem Aufstand zu tun hatte; vielmehr wurde sie in der 1970er-Jahren von der Stadt für den öffentlichen Park in Auftrag gegeben, um die Erinnerung an die Tragödie zu verdecken, zu glätten und auszulöschen. Auf eine einfache und eindrucksvolle Art erzählt ein trauriges Email von Jack W. Ward - dem Bildhauer dieser Skulptur - die Geschichte von einem Riss zwischen Form und Bedeutung, von der politischen Fantasie eines „leeren Gefäßes“ mit modernistischem Aussehen, das bereitwillig jeden Inhalt aufnimmt. /Text: Bergen Assembly, 2013/
FALL № 1 2
Helfende Hände
Suzana Milevska hat die erste Stiftungsprofessur für Zentral- und Südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste Wien inne (2013-2015). Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Rapp
ANMERKUNGEN 7. Angesichts des Streits zwischen Mazedonien und Griechenland um die Verwendung des Namens „Mazedonien” war auch die Errichtung eines Denkmals für Alexander den Großen mit dem vielsagenden Namen „Krieger hoch zu Ross” deutlich politisch und weniger künstlerisch oder historisch motiviert. 8. Suzana Milevska, „The Internalisation of the Discourse of Institutional Critique and the ‘Unhappy Consciousness’”, in: Evaluating and Formative Goals of Art Criticism in Recent (De)territorialized Contexts, AICA press. The International Press of the Association of the Art Critics, 2009, S. 2–6, , www.aica-int.org/IMG/pdf/SKOPJEcomplet.pdf 9. „Skopje 2014” soll mehr als 500 Million Euro verschlungen (und damit die erste offizielle Kostenschätzung von 80.000 Euro bei weitem übertroffen) haben. Wie viel Geld tatsächlich in das Projekt geflossen ist, lässt sich nicht mit offiziellen Zahlen belegen, da Daten über das Projekt nicht zugänglich sind. 10. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt umfasst theoretische und analytische Texte zur Identitätspolitik (z. B. Jasna Koteska, „Troubles with History: Skopje 2014”, Artmargins Online, letzter Zugriff 2. September 2012, http:// www.artmargins.com/index.php/2-articles/655-troubles-with-history-skopje-2014) ebenso wie Kritik an der mangelnden Transparenz der Verwendung öffentlicher Gelder, dem Fehlen demokratischer Deliberation und dem Versäumnis, Berufsverbände wie etwa die Mazedonische Architektenvereinigung einzubeziehen. 11. Bereits vor der Bekanntmachung des Projekts „Skopje 2014” gab es massive Einwände und Protestaktionen gegen den Bau der Kirche, die von vielen Studenten sowie den Organisatoren und Unterstützern vorwiegend über die häufig genützten sozialen Medien angekündigt und verbreitet wurden. 12.Antiblog „10 pricini da se otstrafi krstot na Vodno”, 10. Dezember 2006, letzter Zugriff 11. April 2008 http:// antipunkt.blogspot.com/2006/12/10.html; Vuna „Raspnati pod krstot”, 15. April 2006, letzter Zugriff 10. April 2008 http:// vuna.blog.com.mk/node/16265. 13. Die Veranstaltung Pluralism of unstable identities - Panel discussion on blogging as an alternative of the official cultural politics war eine der ersten im realen Raum durchgeführten öffentlichen Arbeitstagungen/Debatten über Blogging, die mit Beteiligung der beiden Blogger Žarko Trajanoski (Zombifikacija) und Nikola Andonovski (Schizochronia) organisiert wurde. „Translating the Self: Cultural Identities and Differences”, Internationale Konferenz über Postkoloniale Konzepte in der Kulturpolitik, 26.-27. Januar 2007, National- und Universitätsbibliothek. Organisiert durch das Visual and Cultural Research Centre, Kuratorin: Dr. Suzana Milevska, siehe den Beitrag: Schizochronia „Translating the Self”, 26. Januar 2007, letzter Zugriff 10. April 2008 http://schizochronia.blog.com.mk/node/65458. 14. Chantal Mouffe, Das Demokratische Paradox, übersetzt von Oliver Marchart (Wien: Turia & Kant, 2008/2013), S. 106. 15. Joshua Cohen, „Democracy and Liberty”, in J. Elster (ed.) Deliberative Democracy (Cambridge, MA, Cambridge University Press, 1988) 186 (zitiert nach Mouffe, a.a.O., S. 90). 16. Mouffe, a.a.O., S. 106.
Wouter Osterholt und Elke Uitentuis wandern den ganzen Tag lang mit ihrem Gerümpelkarren durch Istanbul, eine Kopie von Mehmet Aksoys vieldiskutierter Skulptur „Denkmal für die Menschheit“ obenauf, und fragen die Passanten, ob sie eine Gipsabdruck ihrer Hände machen dürfen. Askoys Skulptur wurde in der östlichen Provinz Kars errichtet und ist der türkisch-armenischen Freundschaft gewidmet. Während eines Besuchs von Ministerpräsident Recep Tayyib Erdogan in der Gegend im Jänner zeigte der Präsident auf das 35 Meter hohe Denkmal, nannte es „abartig“ und verlangte seine Entfernung. Die Stadtverwaltung von Kars brachte prompt einen Antrag auf den Abbau des Mahnmals durch, mit der Begründung, es sei ohne Genehmigung in einer geschützten Zone errichtet worden.
Pandora‘s Box of Monuments Reopened Ein Gespräch zu Denkmalpolitiken in Wien Die Plattform Geschichtspolitik arbeitet seit 2009 daran, eine breitere Diskussion über Geschichtspolitiken an der Akademie der Bildenden Künste Wien und darüber hinaus zu forcieren. Sie hat im Zuge dessen auch diverse kritische Interventionen in architektonische und räumliche geschichtspolitische Manifestationendurchgeführt. Für dieses Gespräch wurden der Zeitgeschichtler Florian Wenninger und die Kunsthistorikerin Luisa Ziaja eingeladen, gemeinsam mit Eduard Freudmann und Tatiana Kai-Browne (Plattform Geschichtspolitik) aktuelle Denkmalpolitiken in Wien aus der eigenen Involvierung heraus zu diskutieren. Moderiert von Sophie Schasiepen. SO: Tatiana und Edi, ihr habt gemeinsam mit Chris Gangl letzten Sommer mit einer Umgestaltung
des Weinheber-Denkmals auf dem Platz vor der Akademie der Bildenden Künste gefordert, dass Josef Weinhebers (1892-1945) zentrale Rolle in der nationalsozialistischen Kulturpolitik, sein Antisemitismus und die Verwobenheit seiner noch heute gefeierten „Heimat-Lyrik“ mit seiner politischen Haltung nicht weiter verschwiegen wird. Ihr habt durch die Art Eures Eingriffs – die Freilegung des grotesk massiven Fundaments, auf dem der Denkmalsockel steht – zugleich die Geschichte der staatlichen Verteidigung dieses Denkmals im postnazistischen Österreich offen gelegt; das Fundament war als Reaktion auf eine Reihe antifaschistischer Interventionen, zur Befestigung des Denkmals, noch im Jahr 1991 installiert worden. Welche Erwartungen hattet ihr an die Reaktionen auf eure Aktion?
EF: Es gab unterschiedliche Erwartungen, die sich grob in vier Perspektiven teilen lassen: zunächst an Menschen, von denen wir uns Unterstützung erwartet haben, dann an eine erweiterte kritische Öffentlichkeit, drittens an die Parteipolitik und zuständige Behörden, und viertens an Bürger_innen, die sich für die Bewahrung des Denkmals in seiner bestehenden Form einsetzen würden. Die Reaktionen der Politik haben mich am ehesten überrascht. Der Eingriff war ohne Genehmigung erfolgt. Wir hatten zwar Medien eingeladen und ein Bekenner_innenschreiben veröffentlicht, doch blieb unsere Intervention übers Wochenende relativ unbeachtet. Am Montag nach der Umgestaltung trat das Stadtgartenamt auf den Plan und schaufelte alles wieder zu. Gleichzeitig erreichte die Kunde über unsere Aktion, durch eine Agenturmeldung verbreitet, die Redaktionen der hiesigen Medien. Interessierte Journalist_innen richteten Anfragen an den zuständigen Stadtrat, der sich ad hoc positionieren musste. Verblüffenderweise nahm er für die Intervention Stellung und verkündete, dass er den Eingriff so belassen hätte, wären die Kolleg_innen vom Stadtgartenamt ihm nicht zuvor gekommen. TK: Positiv überraschend war auch, dass die Medien unsere Begrifflichkeiten übergenommen haben. Weinheber war zuvor eher als Heimatdichter und mit ähnlich verharmlosenden Bezeichnungen betitelt worden. Nach unserer Intervention wurde in fast allen Zeitungen von ihm als Nazi-Dichter gesprochen.
SO: Ihr habt Eure Intervention als künstlerische Aktion und landschaftsarchitektonische Maßnahme bezeichnet. Könnt ihr den Hintergrund dieser Begriffe erläutern?
TK: Die eher harmlose Bezeichnung als landschaftsarchitektonische Maßnahme entstand aus dem Wunsch, eine größere Öffentlichkeit anzusprechen. Dies war für uns eine strategische Entscheidung um eine Umgestaltung auch auf Dauer durchzusetzen und nicht nach kurzem Aufsehenerregen in Vergessenheit zu geraten. Gleichzeitig haben wir auch von einem „Denkmalsturm“ geredet. Wir haben also versucht, beides zu fahren: die gemäßigtere und die radikalere Rhetorik. Allgemein ist uns wichtig, dass es mit einer bloßen Kontextualisierung des Denkmals, etwa durch Anbringung einer Zusatztafel, keinesfalls getan wäre. Vielmehr bedarf es auch einer künstlerischen Umgestaltung, sofern wir Denkmäler als ästhetische Formen ernstnehmen. SO: Florian, in einem ganz anderen Rahmen warst du auch mit der Frage konfrontiert, wie radikal
oder parteipolitisch umsetzungsorientiert du die Ergebnisse eines Projektes präsentieren solltest: Du hast zwischen 2011 und 2013 in einer historischen Kommission zu den Wiener Straßennamen mitgearbeitet. Ihr habt nach einer ersten Eingrenzung 400 Personen, nach denen Verkehrsflächen und Parks in Wien benannt sind, einer genauen Recherche unterzogen. Dabei habt ihr laut Abschlussbericht untersucht, inwiefern sie „Handlungen gesetzt haben, die nach heutigen Maßstäben und demokratischen Werthaltungen eine intensive Auseinandersetzung und Prüfung vor der Auszeichnung durch eine Benennung einer Straße oder eines Parks erfordern würde“. Kannst du uns einen Einblick in die Verhandlungsprozesse geben, die es im Vorfeld und im Zuge der Ergebnispräsentation gegeben hat?
FW: Zur Vorgeschichte ist zu sagen, dass es beim Thema Straßenumbenennungen eine Art
Schlüsseldebatte gab, anhand der schon lange die Auseinandersetzungen geführt wurden: der KarlLueger-Ring. Die Diskussionen reichen hier bis in die 1950er Jahre zurück. Diese Straße im Zentrum der Stadt wurde im Juli 1934 so benannt, also zu einer Zeit als in Österreich ein faschistisches Regime regierte. Karl Lueger war einer der zentralen christlich-sozialen Säulenheiligen dieser Regierung – der Karl-Lueger-Ring war also nicht nur ein Denkmal für einen Antisemiten, er war zugleich aufgrund seiner Errichtungsgeschichte ein antidemokratisches, ein antirepublikanisches Symbol: Der Ring des 12. November, benannt nach dem Tag der Proklamation der Republik 1918, wurde getilgt. Vor der Universität benannte man ihn nach Lueger, vor dem Parlament nach einem zweiten Frontmann der Christlichsozialen, dem ehemaligen Bundeskanzler Ignaz Seipel. Nach 1945 wurde das zwar in Frage gestellt, die Große Koalition einigte sich aber auf einen Kompromiss. Der Ringabschnitt, der zu diesem Zeitpunkt nach Lueger hieß, wurde beibehalten, dafür wurde der Seipel-Ring für den Sozialdemokraten Karl Renner frei gemacht. Das Thema blieb jedoch ein zentraler kultureller Streitpunkt. Ab den 1970er Jahren flackerte die Diskussion auch innerhalb der Sozialdemokratie immer wieder auf, wurde aber ebenso regelmäßigniedergebügelt. Ab der Jahrtausendwende, als die Bundesregierung von ÖVP und FPÖ einen Außenfeind für die sozialdemokratische Stadtregierung in
Martin Krenn Von symbolischer Politik über partizipatorische Praxis zur realpolitischen Erscheinung Kunst kommt heute eine besonders wichtige Funktion bei der Aufarbeitung von Geschichte zu. Zeitgenössische künstlerische Geschichtsprojekte können eine Brücke zwischen der Vermittlung von Geschichte und dem Gedenken an ihre Ereignisse bilden. Zudem können sie darüber reflektieren, wann, wie und warum eine Gesellschaft sich mit ihrer Historie auseinandersetzt. Zeitgenössische Kunst hat sich von ihrer traditionell abbildenden und beschreibenden Rolle gelöst. Sie stellt historische Ereignisse und Personen nicht mehr einfach dar, vielmehr interveniert sie in Darstellungsmethoden, entfacht Diskurse über das Gedenken und stellt historische Symbole in Frage. Hierfür hat Kunst im Lauf der letzten Jahrzehnte spezifische institutionskritische, interventionistische und partizipatorische Methoden entwickelt. Im Brennpunkt meiner künstlerischen Arbeit stehen die historischen Auslassungen und Leerstellen offizieller Geschichtsdarstellungen. Durch künstlerische Aktionen und Interventionen werden diese Leerstellen in Bezug zu Antisemitismus, Rassismus und die defizitäre Aufarbeitung des Nationalsozialismus gestellt. Die meisten meiner Projekte werden in Kollektiven und in Kooperation mit HistorikerInnen entwickelt. Ich versuche in meiner Arbeit einerseits dem jeweiligen historischen Ereignis oder Phänomen Sichtbarkeit zu verschaffen, anderseits thematisieren meine Projekte die ideologische Funktion, welche das Phänomen des NichtErinnerns innerhalb offizieller Geschichtsdarstellungen hat.
Dieser Beitrag untersucht die Relationen zwischen Geschichtspolitik und Kunst und setzt sich dabei im Besonderen mit Interventionsmöglichkeiten auseinander. Als Beispiel hierfür wird das Projekt „Die Umgestaltung des Lueger Denkmals“ herangezogen, welches im Rahmen meiner Lehrtätigkeit an der Universität für Angewandte Kunst mit Studierenden über mehrere Semester entwickelt und umgesetzt wurde. Vorbemerkung: Drei Aspekte, die im Zusammenhang mit künstlerischen Interventionen zu Geschichtspolitik stehen Im folgenden Abschnitt möchte ich auf drei Aspekte, welchen in meinen Projekten eine besondere Rolle zukommt, näher eingehen. Von besonderem Interesse sind für mich Orte der Erinnerung, die Unterscheidung eines sozialen, kulturellen und nationalen Gedächtnisses sowie die Bedeutung von Monumenten als Manifestationen offizieller Geschichtspolitik. Orte der Erinnerung Spricht man von Orten der Erinnerung dann muss auf den französischen Historiker Pierre Nora und dessen Definition der Lieux de mémoire, der Orte der Erinnerung, verwiesen werden. Seine Definition eines Erinnerungs-Ortes basiert auf der Annahme, dass sich das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe, - auch jenes einer ganzen Nation - an bestimmten Orten kristallisiert. Folgt man Pierre Nora, dann bildet sich ein solcher Erinnerungs-Ort nicht nur an geographischen Orten. All jenes, was eine spezifische symbolische Bedeutung generiert und dabei eine identitätsstiftende Funktion für eine bestimmte soziale Gruppe und ihre Historie ausübt, kann demnach unter „lieu de mémoire“ subsumiert werden; also auch eine Veranstaltung, eine Institution, ein Buch oder ein Kunstwerk. Nora zeigt das kontinuierliche Auseinanderfallen des nationalen
Gedächtnisses in Frankreich im Laufe des 20. Jahrhunderts auf. Die Funktion nationaler Erinnerungsorte habe sich verschoben. Kam ihr in der Vergangenheit noch zu, ein kollektives Gedächtnis zu schaffen, so würde Ihre identitätsstifte Funktion immer mehr in den Hintergrund treten. Nora meint, dass die heutige Gesellschaft in einer Übergangsphase sei und dass die Beziehung zur Vergangenheit, welche die Identifikation einer Nation, einer Gruppe oder einer Person konstituiere, immer mehr an Bedeutung verliere. (vgl: Nora 1998) In einer globalisierten Welt wären dann Erinnerungsorte nur artifizielle Platzhalter für das verlorene kollektive Gedächtnis. Monumente und Statuen, die national bedeutende historische Ereignisse und Personen darstellen und zur Schaffung kollektiver Erinnerung fungieren sollen, wären somit ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubte Relikte, unauffällige Bestandteile der Stadtlandschaft. Tatsächlich lässt sich vor allem im urbanen Raum beobachten, dass in Bezug auf die Rezeption der zahlreichen Denk- und Mahnmäler eine gewisse Abgestumpftheit eingetreten ist. Das gilt allerdings nur solange bis ihnen nicht etwas Unerwartetes widerfährt: Wenn etwa einer Statue die Nase abgeschlagen wird, oder wenn ein Monument mit Farbe überschüttet wird, dann verändert das ungewohnte neue Erscheinungsbild auch die Wahrnehmung des Denkmals. Die ursprüngliche Funktion des Denkmals tritt bis zu einem gewissen Grad wieder in Kraft, es wird reaktiviert. Die Störung des Vertrauten führt dazu es wieder zu entdecken und nachzufragen, um was es sich hier eigentlich handle: Wer ist auf diesem Reiterstandbild dargestellt? Welches historische Ereignis liegt diesem Monument zu Grunde? Wer hat einst das Denkmal in Auftrag gegeben? Möglicherweise steht ein bereits fast vergessenes Objekt des urbanen Raums wieder im Mittelpunkt einer Debatte. Das Monument wird zum Symbol für eine zweite Phase der Schaffung kollektiver historischer Identität.
Die Umgestaltung des Lueger Denkmals Das soziale, kulturelle und nationale Gedächtnis Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann hat eine differenzierte Untersuchung verschiedener Gedächtnisformen vorgenommen. Sie unterscheidet zwischen dem sozialen, nationalen und kulturellen Gedächtnis, je nachdem wie lange es Bestand hat, wie stark es emotional aufgeladen ist und bis zu welchem Grade es institutionalisiert wurde. Assmanns Erklärungsmodell des sozialen Gedächtnisses kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Die Erinnerung und das historische Bewusstsein jedes Menschen ist von Erzählungen über Vorfälle und Ereignisse aus der Vergangenheit geprägt, zum Beispiel durch die Geschichten der Großeltern oder durch Begegnungen mit anderen ZeitzeugInnen. Im sozialen Gedächtnis ist vor allem mündlich weitergegebenes Wissen gespeichert. Solange ein Individuum oder eine Gruppe fortfährt, über ihre Erfahrungen zu kommunizieren, so lange bleibt das soziale Gedächtnis dieses Individuums/dieser Gruppe erhalten, es geht allerdings verloren, sobald die Menschen, die diese Erinnerung in sich tragen, nicht mehr leben. (vlg. Berndt 2012) Das nationale Gedächtnis hingegen bleibt wesentlich länger erhalten. Es dient dazu, ein nationales Bewusstsein zu formen, und es wird dadurch geprägt, dass bestimmte historische Narrative regelmäßig wiederholt werden. Die National-Geschichte basiert in erster Linie auf Mythen und ist, sowie die soziale Erinnerung, emotional aufgeladen. Aleida Assmann zeigt auf, dass nationale Erinnerung so lange weitergegeben wird, solange diese noch das Selbstbild des Kollektivs repräsentiert. Der dritte Typus des Gedächtnisses, den Assmann unterscheidet ist das kulturelle Gedächtnis. Sein Speicherort sind Bücher, Musik oder Film. Gesammelt und dokumentiert findet es sich in Büchereien, Museen und Archiven. Im Gegensatz zum nationalen Gedächtnis ist das kulturelle Gedächtnis vielschichtiger und nur stückweise der Allgemeinheit bekannt. Das kulturelle Gedächtnis unterliegt im Gegensatz zum nationalen Gedächtnis
kontinuierlicher Veränderung. Nach Assmann definiert jede Generation ihren Zugang zur Geschichte neu. Der Wechsel der Perspektive auf die deutsche Geschichte, der von der 1968er Generation vorgenommen wurde, hat „manche Verengungen des öffentlichen Geschichtsbildes korrigiert, etwa der Ausschluss der jüdischen Opfer aus dem deutschen Gedenken.“ (vlg. Berndt 2012) Monumente als Manifestationen offizieller Geschichtspolitik Monumente sind vor allem Symbole des nationalen und des kulturellen Gedächtnisses. Sie verändern sich und das was sie darstellen in der Regel nicht, auch dann nicht wenn sie nicht mehr der offiziellen Geschichtsschreibung entsprechen. Aleida Assmann schreibt in Bezug zum Problem des Umganges mit Monumenten nach einem politischer Systemwechsel: Das neue System ersetzt dabei flächendeckend das ältere. Das Problem bei diesem lückenlosen Austausch ist jedoch, dass mit der Bereinigung und Begradigung der falschen Vergangenheit auch die historischen Spuren der Erinnerung an sie gelöscht werden. (Assmann 2011: 57) Das vollständige Ersetzen und Austauschen von Symbolen ist unüblich und passiert nur unter außergewöhnlichen Umständen. Normalerweise verbleiben die alten Monumente und Statuen unangetastet, da es erstens sehr schwierig und kostenintensiv ist, sie zu zerstören und da sich die BewohnerInnen zweitens an sie gewöhnt haben und sie als einen integralen Teil ihrer Umgebung begreifen. Neben den Alternativen Affirmation und Negation bzw. dem „Errichten und Abreißen von Denkmälern [verweist Assmann noch auf einen dritten Weg:] Die Aneignung durch Historisierung. Die meisten Denkmäler früherer Epochen müssen gar nicht vom Sockel gestoßen werden, weil sie einem schleichenden Prozess der Historisierung unterliegen. Sie dürfen bleiben, weil sie nicht mehr primär als Träger von Botschaften wahrgenommen werden“. (Assmann 2011: 57)
Symbolische Politik: Das Lueger Denkmal als unscheinbarer Träger einer antisemitischen Botschaft Der Antisemitismus als Konglomerat verschiedenster Strömungen, die sich in der Christlichsozialen Partei zusammenschlossen, brachte Lueger schließlich von 1897 bis 1910 in das Amt des Wiener Bürgermeisters. Wien erlangte während seiner Amtszeit den negativen Ruf der ersten antisemitisch regierten Metropole Europas. Berüchtigt und vielzitiert ist Luegers Ausspruch: „Wer a Jud is, bestimm i“. Vergleicht man die Zitate Luegers mit Reden anderer österreichischer PolitikerInnen der Ersten und Zweiten Republik, dann stößt man auf Argumentationsmuster, welche bis heute den politischen Diskurs in Österreich prägt. Zum Andenken an Lueger wurde am Stubenring ein Denkmal, dessen Entwurf von Josef Müller bereits 1912 aus einem Wettbewerb siegreich hervorgegangen war, errichtet. Im Jahr 1922, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Wahl Luegers als Bürgermeister Wiens durch den christlich-sozialen Gemeinderatsklub, wurde das Bauvorhaben wieder aufgegriffen und forciert. Im September des Jahres 1926 wurden der neu gestaltete Platz und das Monument der Öffentlichkeit übergeben. (Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger Denkmals, 2009) Im Rahmen meiner Lehrveranstaltungsreihe “Interventionen” am Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung / Abt. Kunst und kommunikative Praxis an der Universität für Angewandte Kunst, Wien beschäftigte sich eine Seminargruppe mit künstlerischen Herangehensweisen zu geschichtspolitischen Themen. Ziel war es, als Gruppe eine Intervention zu entwickeln. Schließlich wurde entschieden, ein Projekt zum Denkmal des ehemaligen Bürgermeisters von Wien Dr. Karl Lueger zu machen. Für uns symbolisierte er weniger die Vaterfigur des modernen Wiens sondern vielmehr einen Politiker der den Antisemitismus vor der Nazi-Zeit in Wien populär gemacht hatte und nicht zufällig von Adolf Hitler in Mein Kampf als großes Vorbild genannt worden ist.
Wien darstellte, begann die Sozialistische Jugend Wien (die Jugendorganisation der SPÖ), jährlich auf den Landesparteitagen einen Antrag auf Umbenennung zu stellen. Sie erreichte damit, dass die Debatte mehr und mehr zu einer identitätspolitischen Frage innerhalb der Partei wurde. Schließlich fiel 2009 die Abstimmung sehr knapp aus. Um im Wahljahr 2010 auf dem Parteitag Geschlossenheit zu demonstrieren wurden nach Möglichkeit kontroversielle Themen bereits im Vorfeld abgearbeitet – so auch im Fall Lueger-Ring. Die Sozialistische Jugend und die Parteiführung einigten sich darauf, das Thema an eine externe Kommission auszulagern. Bis heute weiß ich nicht, wie es zu der Entscheidung gekommen ist, dass nicht nur der Karl-Lueger-Ring, sondern die ganze Stadt untersucht werden sollte. Ironie der Geschichte: Den eigentlichen Streitpunkt hat die Kommission gar nicht untersucht. Der Lueger-Ring wurde noch bevor unser Abschlussbericht vorlag plötzlich in Universitätsring umbenannt. Weil mittlerweile etliche weitere hochproblematische Fälle aufgetaucht waren, hat hier wohl auch die Überlegung eine Rolle gespielt, die Sache mit einem prominenten Zugeständnis zu entschärfen, nach dem Motto: „Jetzt haben die Querulanten ihren Willen gehabt, nun ist aber Schluss. Wo kommen wir denn hin, wenn wir alles umbenennen müssten?“
EF: Gut, aber das ist Pandoras Box, oder? Die wird ja auch als solche benannt, vor allem von Personen, die von Berufs wegen dazu angehalten sind, sie geschlossen zu halten. Alle, die sich mit solchen problematischen Manifestationen im öffentlichen Raum auseinandersetzen, wissen, dass es viele von ihnen gibt und dass sie eine ziemliche Sprengkraft in sich bergen. Durch euren Bericht liegen erstmals konkrete Informationen zu problematischen Straßennamen vor und das macht einen großen Unterschied! Es ist ja angekündigt, eine solche Untersuchung auch bei Denkmälern und Gedenktafeln vorzunehmen; wir dürfen gespannt sein, ob das wirklich der Fall sein wird und wenn ja, was dann alles zu Tage kommt. FW: Ich frage mich, ob nicht mittlerweile auch bei politischen Entscheidungsträger_innen in
Österreich angekommen ist, dass es sich auszahlen kann, Pandoras Box nur ein kleines Stück weit aufzumachen, um ein paar symbolische Duftmarken zu setzen.
EF: Aber es werden doch nie proaktive Schritte von der Politik gesetzt. Jedes Zugeständnis muss von engagierten Gruppen und Einzelpersonen in substanzraubender, selbstausbeuterischer Weise über Jahre hinweg erkämpft werden. Mir scheint das Konzept, die Aufarbeitung der Nazigeschichte als politisches und touristisches Asset zu begreifen, hierzulande noch nicht angekommen zu sein. Wir hinken da den Deutschen hinterher, die sich ja quasi zu den Weltmeister_innen des Erinnerns emporgearbeitet haben. Dass es in Wien kein Holocaust-Museum gibt, ist ein bezeichnendes Beispiel dafür. LZ: Ich glaube auch, dass es eine eher graduelle Verschiebung gibt, aber sie findet durchaus
statt. Während die 1980er Jahre mit der Waldheim-Affäre einen besonders wichtigen Schritt in der Gedenkpolitik bedeutet haben, bei dem sich endlich eine Abwendung von der Opferthese durchsetzen konnte, waren die 2000er Jahre unter Schüssel eher ein Backlash. Gerade in dem sogenannten „Gedankenjahr“ 2005 gab es eine Rückkehr zu diesem Opfernarrativ, sogar mit einer gewissen Nonchalance. Schüssel sagte in einem Interview mit der NZZ: „Ich werde nie zulassen, dass man Österreich nicht als Opfer sieht.“ 2005 war ein vielfaches Gedenkjahr in Österreich – 60 Jahre Befreiung von den NationalsozialistInnen, 50 Jahre Unterzeichnung des Staatsvertrages und Abzug der Alliierten, 10 Jahre Beitritt zur EU – und bei den offiziellen Gedenkfeiern wurde die „Befreiung“ von den Alliierten weitaus stärker in den Vordergrund gerückt als die Befreiung der Konzentrationslager. Lieber hat man den Balkon des Belvedere durchs Land geschickt, auf dem, von einem Krahn in die Höhe gezogen, Schüler_innen „Österreich ist frei!“ rufen konnten. Diese visuellen Manifestationen,
die in einer Eventreihe mit dem Titel „25 Peaces“ präsentiert wurden, scheinen mir bezeichnend für die ideologische Haltung. Gleichzeitig gab es viele selbstorganisierte Gruppen, die gegen diese Form des Gedenkens protestiert haben. Die Jahre zwischen 2000 und 2005 haben einen großen Einschnitt bedeutet. Zwar hat sich seither die offizielle geschichtspolitische Haltung von der Opferthese wieder entfernt; es gibt aber auch keine große Offensive, eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes zu fordern und zu fördern. SO: 2005 warst du ja auch in verschiedene Projekten involviert. Kannst du uns über das „Monument für die Niederlage“, das du gemeinsam mit Martin Krenn, Charlotte Martinz-Turek und Nora Sternfeld realisiert hast, noch etwas erzählen? LZ: Ja, das war ein sehr temporäres Projekt: Es stand einen Tag lang, am 8. April 2005, gegenüber vom Landesgericht im Ostarrichi-Park. Formal haben wir es als fundamentalen Sockel ohne Monument errichtet – eine minimale Struktur, mit der wir auch die Frage aufwerfen wollten, welche visuelle Manifestation Gedenken annehmen sollte. Auf dem Sockel waren historische Informationen zur Zeit zwischen 1945-1947 angebracht; unser Punkt war, dass diese Jahre die einzigen waren, in denen an Volksgerichten Entnazifizierungsprozesse stattgefunden haben. Schon 1947 veränderte sich die Haltung gegenüber den sogenannten „Belasteten“. Es fielen gut 20% der Bevölkerung unter die Kategorie Parteimitglieder und Antragsteller_innen, also etwa 1 Mill. Bürger_innen; man wusste nicht, wie man damit umgehen sollte und ließ es also. Das war etwas, dem nicht gedacht wurde: es wissen noch heute kaum Leute von den Volksgerichtshöfen. Wiewohl unsere Intervention eine gewisse mediale Wahrnehmung gefunden hat, war die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit überschaubar.
SO: Wie waren die öffentlichen Diskussionen damals gelagert, besonders in Bezug auf die visuellen Manifestationen des ideologischen Backlashs, die „25 Peaces“?
LZ: Ich würde sagen, dass die zwar sehr präsent waren, dass es aber viele Menschen gab, die sich
über diese Form des Kriegsgedenkens aufgeregt haben. Es gab sogar Studien, die zu dem Schluss kamen, dass sie auch bei „jungen Leuten“, der eigentlichen Zielgruppe,nicht gut angekommen sind. Ich würde von einem ziemlich breit getragenen Konsens gegen die Veranstaltungen sprechen.
FW: Ich glaube sogar, dass es etwas positiv festgeschrieben hat: es war überraschend, wie viele Leute sich geärgert haben, dass die Befreiung keine Rolle gespielt hat, eine „Hilfe, die Russen kommen“Erzählung aber schon.
LZ: In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Wenn wir uns gegenwärtige Beispiele der Denkmalspolitik in Wien anschauen, gibt es da etwa das Deserteursdenkmal, für das auch jahrzehntelang gekämpft wurde, oder die schwerfällige Entscheidung, am Morzinplatz temporäre Kunstprojekte zum Gedenken an homosexuelle und Transgender Opfer des Nationalsozialismus stattfinden zu lassen. Eine Frage ist eben auch: Ist ein steinernes Mahnmal eine aktuelle, relevante Form des Gedenkens? Welche Formen lassen sich entwickeln, auch für eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen und zukünftigen Generationen? FW: Ich arbeite an einem Denkmal für diejenigen Männer und Frauen, die im Februar 1934 versucht haben, der Errichtung des austrofaschistischen Regimes gewaltsamen Widerstand entgegen zu setzen. Auch da stelle ich mir die Frage, wie heute so ein Ereignis sinnvoll im öffentlichen Raum dargestellt werden kann, in einer Form, die auch Kontakt ermöglicht, die kommuniziert. Besonders, da in diesem
Die Reinigung des Lueger-Denkmals, aufgenommen von der Fotoagentur Willinger, 1935
erklärte jedoch, dass er sich höchstens die Aufstellung einer kleinen Tafel vorstellen könne (was übrigens bis heute nicht passiert ist). Verhandlungen mit dem Kulturstadtratsbüro der Stadt Wien, das ursprünglich öffentlich seine Zustimmung für die Umgestaltung bekannt hatte, verliefen nach einer Absage des Denkmalschutzamtes im Sand. Die Wien-Wahlen im Jahr 2010 führten zu einer Koalition der Stadtregierung zwischen der Grünen Partei, die sich noch im Wahlkampf für eine Umgestaltung ausgesprochen hatte, und der SPÖ. Die neue Regierung unternahm allerdings vorerst nichts. Um den Diskurs weiter voranzutreiben wurde 2011 das „Arbeitsbuch zur Umgestaltung des Lueger Denkmals“ publiziert. Es enthält neben zahlreichen Gastkommentaren, welche das Projekt historisch und kunsttheoretisch kontextualisieren, alle eingereichten Entwürfe der TeilnehmerInnen. Das Buch ist auf der umfassenden Projektwebsite luegerplatz.com, auf der ebenso alle 220 Einreichungen einsehbar sind, zum Download verfügbar. Realpolitische Erscheinung: Die Umbenennung des LuegerRings in Universitätsring
Partizipatorische Praxis: Aufruf zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal Im Sinne einer Weiterführung der Idee der sozialen Plastik und als kooperatives sowie partizipatorisch konzipiertes Kunstprojekt gründete die Seminargruppe einen „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich“. Unter der Schirmherrschaft der Universität für angewandte Kunst wurde 2009/2010 ein internationaler Open Call ausgeschrieben der dazu einlud, Entwürfe zur Umgestaltung einzureichen. Bereits die Ankündigung des Open Calls löste eine breite Diskussion aus, über 50 Medienberichte im In- und Ausland (von der Süddeutschen Zeitung über den Schweizer Tagesanzeiger bis zum Jewish Daily Forward in New York) und zahlreiche Fernsehund Radioberichte verhalfen dem Projekt zu großer Popularität. Das führte zu über 220 Projektvorschlägen von KünstlerInnen sowohl aus Österreich als auch aus zahlreichen anderen Ländern.
Eine international besetzte Fachjury wählte schließlich nach langer Diskussion am 30. April 2010 den Entwurf von Klemens Wihlidal aus, der als politische Forderung an die Stadt herangetragen wurde. Das jurierte Projekt sieht einen realen Eingriff in das Erscheinungsbild des symbolträchtigen Erinnerungsortes vor: Die Statue und ein Teil des Sockels sollen um 3,5 Grad nach rechts geneigt werden. Die Wahl fiel auf diesen Entwurf, da er die Unsicherheit der Stadt Wien im Umgang mit Karl Lueger verdeutlicht und den aktuellen Stand der Diskussion aufzeigt. Durch den Eingriff wird der vertikale Charakter des Monuments gebrochen und der Mythos Luegers als Vaterfigur von Wien hinterfragt. Die Schieflage des Denkmals verweist zudem auf den problematischen Umgang der Stadt Wien mit ihrer antisemitischen Vergangenheit. Der Arbeitskreis und ein prominent besetztes UnterstützerInnenkomitee drängten von nun an auf Umsetzung. Der Entwurf wurde der Stadt Wien im Wiener Rathaus übergeben und parallel der Öffentlichkeit vorgestellt. Bürgermeister Häupl
Trotz zahlreicher, durch unser Projekt ausgelöster Medienberichte über Luegers antisemitische Vergangenheit, blieb das Denkmal bis heute von der Stadt Wien unangetastet. An anderer Stelle musste allerdings gehandelt werden und einer unserer zentralen Forderungen nachgegeben werden: Am 19. April 2012 wurde die Umbenennung eines Teilstückes der Prachtstraße Wiens, des Dr. Kar Lueger-Rings, bekannt gegeben. Nicht zufällig wurde Universitätsring gewählt, wurde es doch von der Universität Wien nicht mehr geduldet, dass ihre Adresse den Namen eines Antisemiten trug. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass, auch wenn die Umgestaltung bis jetzt noch nicht durchgesetzt werden konnte, es doch gelungen ist, mit Mitteln der Kunst Geschichtspolitik aktiv mitzugestalten und die aktuelle Debatte rund um das Gedenken zu erweitern. Das Ziel, den medialen Diskurs über den öffentlichen Raum aktiv mitzugestalten, konnte erreicht werden. Das Projekt, das an der Schnittstelle von Kunstvermittlung, Geschichte, Aktivismus und künstlerischer Praxis operiert, zeigt auf, wie sich engagierte Kunst in der Öffentlichkeit behaupten kann, aber auch wo ihr die Grenzen gesetzt werden.
Fall das kommunikative Gedächtnis nicht mehr greift: die Zeit, in der nicht darüber geredet wurde, war einfach so lang, dass die betroffene Generation mittlerweile praktisch ausgestorben ist.
LZ: Es sollte sicher immer darum gehen, sogenannte
Kontaktzonen herzustellen, darum, es in die Gegenwart zu bringen. Welche visuellen oder formal-ästhetischen Ausprägungen das findet, muss auch der Situation angepasst werden.
EF: Wir können uns aber noch so ideale Formen des
Gedenkens und der Interventionen an öffentlichen Mahnmälern ausdenken, die politische Bereitschaft zur Umsetzung ist enden wollend und mit ihr das Interesse, sich in gestalterischer Hinsicht etwas zu trauen.
TK: Mir geht es da nicht nur um einen Zwiespalt zwischen Utopie und Umsetzbarkeit. Manchmal erscheint es notwendig, irgendwo einen Stein hinzusetzen. Etwas Permanentes zu behaupten, das nicht immer wieder neu zur Debatte steht und nicht ständig durch seine Flexibilität reversibel ist. Dabei geht es mir nicht darum, Neutralität oder Objektivität zu behaupten, die bis in die Ewigkeit anhält. Im Gegenteil, es geht vielmehr darum, eine Position zu beziehen. LZ: Ja, das verstehe ich. Wichtig ist in jedem Fall, dass Denkmäler anti-erlöserisch wirken. Dass sie keine Identifikation der Täter mit den Opfern erlauben, weniger emotional, eher reflexiv funktionieren. Was Denkmäler leisten können, ist eine Markierung im Stadtraum, sie bilden eine Art Matrix, in der Erinnerungswürdiges festgehalten wird. Ich halte die Materialität für eine wichtige Dimension. Vielleicht gibt es auch gar nicht zu viele, sondern eher zu wenige dieser Manifestationen, die ja auch unsere Räume verändern, die die historischen Schichten des Ortes aufzeigen, Diskurse sichtbar machen.
Das Gespräch wurde Ende März in Wien geführt und von Sophie Schasiepen in Absprache mit den Teilnehmer_innen gekürzt und überarbeitet. Eduard Freudmann ist Künstler und beschäftigt sich zurzeit mit Kämpfen um Erinnerung, im Spannungsfeld familiärer, gegengesellschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge.
FALL № 1 3 .
Fake-Denkmal
Tatiana Kai-Brown researches and works on postcolonial and postnazistic structures in vienna / austria, as well as their intersections and the possibilities of intervention. Florian Wenninger ist Historiker, koordiniert ein Forschungsprojekt zur Repressionspolitik im Austrofaschismus 1933-1938 und forscht abseits dessen zur politischen Kulturgeschichte der Zweiten Republik. Luisa Ziaja is an art historian and a curator at 21er Haus Vienna; in her independent curatorial projects and writing she has focused on the intersections of contemporary art, politics of history, exhibition theory and practice informed by current socio-political questions. Sophie Schasiepen ist Redaktionsmitglied bei Bildpunkt, Zeitschrift der IG Bildende Kunst Österreich, und MALMOE (www.malmoe. org); sie war eine der vielen Helfer_innen bei Weinhebers Aushebung. Freilegung des unterirdischen Betonfundaments, das das Denkmal für den Nazi-Dichter Josef Weinheber am Wiener Schillerplatz befestigt. Künstlerische Intervention von Eduard Freudmann, Chris Gangl und Tatiana Kai-Browne (Plattform Geschichtspolitik) Photo: Tal Adler
Der sechsundzwanzigjährige Student der Gdansker Kunstakademie Jerzy Bohdan Szumczyk schuf eine Figurengruppe, die er am 13. Oktober 2013 neben dem „Realdenkmal“ eines T-34 Panzers aufstellte: Ein rotarmist vergewaltigt eine schwanger Polin und hält ihr eine Pistole an den Kopf. „Meine Arbeit bezieht sich gleichermaßen auf Geschichte und Sowjetarmee wie auf den T-34 Panzer, neben dem sie platziert ist. Ich bin überzeugt, dass die Skulptur den Panzer wunderbar ergänzt.“
FALL № 1 4 .
Interaktionen mit Denkmal
Literatur Assmann, A. 2011, “A wake-up call in the heart of the city” in Handbook for a Redesign of the Lueger Monument, eds. J. Hirschl, M. Krenn, L. Panholzer & et al., University of Applied arts Vienna/dept. Art and Communication Practices, Vienna, pp. 61 - 65. Berndt, C. , Constructing Memory [Homepage of Alexander von HumboldtFoundation], [Online]. Available: http://www.humboldt-foundation.de/web/kosmoshumboldtians-in-focus-94-3.html [2012, 10/12/2012]. Nora, P. 1998, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main. Martin Krenn realisiert seit 1995 Kunstprojekte an der Schnittstelle von Kunst und Aktivismus. Als Theoretiker sowie als Künstler sucht er nach Antworten auf die Fragen „Wann wird Kunst politisch?“, „Wo liegen ihre historischen Wurzeln?“ und „Wie politisch ist politische Kunst heute?“ Neben einer internationalen Ausstellungs- und Vortragstätigkeit unterrichtet Krenn seit 2006 an der Universität für angewandte Kunst Wien (Abt. KKP) Interventionistische Kunst. Seit 2012 bezieht Krenn das Vice-Chancellor‘s Research Scholarship und forscht an der University of Ulster zu oben genannten Fragen. Die aktuelle Videoarbeit und Lecture-Performance “Feld-Herren revisited” (Erstaufführung: MAK - Museum für angewandte Kunst Wien, 17.12.2013) thematisiert die historischen Wurzeln partizipatorischer und agitatorischer Kunst am Beispiel des russischen Futuristen Sergei Tretjakow und des Filmemachers Sergei Eisenstein. www.martinkrenn.net
Das Foto zeigt den Künstler Anatolij Osmolowskij bei der Besteigung des gigantischen Majakowskij-Denkmals in Moskau. Der Dichter Wladimir Majakowskij war eine symbolträchtige Gestalt der russischen Avantgardekunst der 1910/20er Jahre. Gegen Ende seines Lebens unterstützte er das herrschende Regime und beging Selbstmord. Die Sowjetmacht, die dem Dichter-Futuristen ein Denkmal errichtete, kanonisierte ihn dadurch gleichsam und erklärte ihn zum Helden der Revolution; mit der Anerkennung der Avantgarde zog sie ihm allerdings auch die Zähne und schob ihn ins Archiv ab. Osmolowskij titulierte seine Performance in Anspielung auf Jonathan Swifts Roman „Netsesjudiks Reise in das Land Brobdingnag“. Der Künstler unternahm seine Besteigung im Namen von Netsesjudik, einer von ihm selbst erfundenen Figur, deren Namen in der Kunstsprache Volapük „der Überflüssige“ bedeutet. /Konstantin Bokhorov/
Learning Mural
F I L M P R OG R A M M F estw o c h en - Z entrum The Ghosts of the Monument Viktor Gjika, Esat Ibro, David Maljkovic, Yael Bartana, Kaya Behkalam, Chto Delat, Walter Steinacher, Kristina Norman, Stefanos Tsivopoulos
What’s wrong with you stupid? Or how to explain basics to a Nazi Nikolay Oleynikov / Chto Delat
Billboard IRWIN Martin Krenn Oliver Ressler Chto Delat
monument Unser Soldat Aliona Petite Chto Delat
VORTRÄGE Erich Klein Oliver Marchart Eduard Freudmann Nora Sternfeld Jochen Gerz Alfredo Jaar
Performing the Monumental We are the Evidence of War Schwabinggrad Ballett und Lampedusa in Hamburg sleepy hollows_rollende köpfe bankleer Masses and Motets. Exercises in Political Chorality Luigi Coppola Ants at the Crossroads Ines Doujak, John Barker
A ut o r / innen : Dmitry Vilensky Fallstudien Denkmäler Erich Klein Die Autoren des Russendenkmals Mischa Gabowitsch Sowjetische Kriegerdenkmäler Jonathan Brooks Platt Sowjetische Monumente im erweiterten Feld Schwabinggrad Ballett Noten zum Gedenken Alfredo Jaar Poster Yevgeniy Fiks and Stamatina Gregory Denkmal für den Sieg des Kalten Kriegs Suzana Milevska Triumphbogen: Die Monumente von „Skopje 2014“ Ein Gespräch zu Denkmalpolitiken in Wien Pandora’s Box of Monuments Reopened Martin Krenn Die Umgestaltung des Lueger Denkmals
SOUND-WALK Looking for an Unknown Soldier (Frau Elsa and Monument) Tsaplya Olga Egorova Chto Delat
OFFENER TANZWORKSHOP The Dancing Communities – Flying Monuments Nina Gasteva Chto Delat
ost klub LIVE-KONZERTE
Diese Ausgabe erscheint anlässlich des von Chto Delat kuratierten Projekts Face to Face with the Monument im Rahmen von Wiener Festwochen / Into the City 2014
Produktion, Redaktion und Grafische Gestaltung: Dmitry Vilensky
Into the City wird kuratiert von Birgit Lurz und Wolfgang Schlag
Grafische Gestaltung (Monument Cases und Cover): Natasha Tseljuba Grafische Gestaltung Cover: Nikolay Oleynikov Architektonische Skizzen: ARGE Koeb & Pollak I Schmoeger Architektur Übersetzung (Monument Cases): Erich Klein, Kimi Lum, Evelyn Schlag Chto Delat (Was tun?) wurde 2003 von einer aus Künstlern, Kunstkritikern, Philosophen und Autoren aus Sankt Petersburg und Moskau bestehenden Arbeitsgruppe gegründet, um politische Theorie, Kunst und Aktivismus
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