Umsetzungstipp
Mini Case
Analyseleistung im geschützten Rahmen
Publikationsreihe
«Umsetzungstipps – Unterrichtsmethoden»
In unserem Vademecum «ÜberUnterrichten» haben wir die Herausforderungen kompetenzorientierter Unterrichtsmethoden vorgestellt und ein Spektrum verschiedener Unterrichtsmethoden aufgezeigt, mit denen Sie Handlungskompetenz in Ihren Unterricht integrieren.
Im Fokus stehen dabei:
> Methoden, um Lernvoraussetzungen zu schaffen
> Methoden zur Vermittlung und Sicherung von berufsrelevantem Wissen und Verständnis
> Methoden zur Vermittlung, zur Anwendung und zur Wissenssicherung von Vorgehensweisen, Fertigkeiten und Techniken
> Methoden zur Förderung und Reflexion des persönlichen, berufsbezogenen Erfahrungswissens
> Methoden zur Festigung von beruflicher Erfahrung
> Methoden, um Auswertung und Abschluss zu gestalten.
Die Umsetzungstipps knüpfen an das Vademecum an und vertiefen jeweils eine darin aufgeführte Unterrichtsmethode.
Fokus der Umsetzungstipps – sie tragen ihn bereits im Namen – ist die Umsetzung. Während im Vademecum vor allem das Was ins Zentrum gestellt wurde, so geht es in den Umsetzungstipps nun um das Wie der zentralen Unterrichtsmethoden.
Wir hoffen, Ihnen mit den Umsetzungstipps wertvolle, praxisnahe und vor allem hilfreiche Impulse für die Umsetzung der Unterrichtsmethoden geben zu können.
Mini Cases sind eine Unterrichtsmethode, in welcher kurze Beschreibungen («kleine Fallbeschreibungen») von praktischen Situationen im Hinblick auf das berufliche Handeln in der Situation analysiert werden. Das Besondere an den in den Mini Cases beschriebenen Situationen ist, dass sie erfolgsrelevant sind. Das heisst, es sind Situationen beschrieben, die ausschlaggebend für erfolgreiches berufliches Handeln sind.
Anhand von Reflexionsfragen zur praktischen Situation analysieren die Teilnehmenden bereits ausgeführte Handlungen, setzen sich mit einem möglichen Vorgehen in der aktuellen Situation auseinander oder hinterfragen ihre berufliche Rolle in der Situation. In jedem Fall trainieren die Teilnehmenden ihre Reflexionsfähigkeit und üben es, ihre Handlungen sowie die eigene berufliche Rolle kritisch zu hinterfragen und Konsequenzen abzuleiten.
Mini Cases eignen sich, um berufliche Erfahrungen zu festigen. Sie erlauben es insbesondere, die Metakognition zu fördern – speziell dann, wenn die Teilnehmenden ihre Fähigkeit zur Analyse von beruflichen Situationen in einem geschützten Rahmen trainieren sollen. Mit Mini Cases kann die Lehrperson die Teilnehmenden anhand von konkreten Fällen für typische Fehler und Herausforderungen im Berufsalltag sensibilisieren und deren Analysefähigkeit stärken.
Der Begriff «Mini Case» wird gerne für kleine Fallstudien verwendet; die wörtliche Übersetzung des Begriffs deutet bereits darauf hin. Die Methode, wie sie hier beschrieben wird, grenzt sich jedoch von klassischen (auch kleinen) Fallstudien ab, da sie sich nicht auf die Konstruktion von Lösungen konzentriert, sondern auf die Analyse der beschriebenen Situation, des Handelns und der eigenen Rolle. Bei den Mini Cases steht also die Metakognition im Zentrum.
Metakognition bedeutet, auf höherer Ebene durchgeführte Problemlösungen nochmal durchzudenken. Teilnehmende lernen also nicht nur, darüber zu reflektieren, wie sie etwas tun, sondern auch, warum sie es tun.
Man geht davon aus, dass reflektiertes Handeln in angewandten Situationen bessere Ergebnisse erzeugt als intuitives Handeln (Frey & FreyEiling 2010). Anhand von Mini Cases können die Teilnehmenden trainieren, die Gesamtsituation, den Prozess oder das eigene Verhalten zu reflektieren (Ballreich o. J.).
Folgende Literatur ermöglicht einen theoretischen Einblick in die Unterrichtsmethode:
Ballreich, R. (o. J.).
Metakognition, Problemlösen und die Dynamische Urteilsbildung.
Trigon Entwicklungsberatung. www.trigon.at
Frey, K. & FreyEiling, A. (2010).
Ausgewählte Methoden der Didaktik.
Zürich: vdf Hochschulverlag AG der ETH Zürich.
Hager, C. (o. J.).
Selbstreflexion.
Pädagogische Hochschule Wien.
Hasselhorn, M. (1992).
Task Dependency and the Role of Category Typicality and Metamemory in the Development of an Organizational Strategy.
In: Nold, Günter (Hrsg.): Lernbedingungen und Lernstrategien: welche Rolle spielen kognitive Verstehensstrukturen?
Tübingen: Narr, S. 35–63.
anforderungen an die unterrichtsmethode
In einem Mini Case steht der Aspekt der Analyse im Vordergrund. Die Methode eignet sich also für Sachverhalte, bei denen ein gewisses Handeln auf der Metaebene betrachtet werden soll.
Geht es hingegen darum, rein das Handeln in einer bestimmten Situation aufzuzeigen, sind andere Methoden wie Critical Incidents oder Handlungssimulationen geeigneter.
tipps für die entwicklung des unterrichtsmaterials
Die Vorbereitung für diese Unterrichtsmethode ist entscheidend. Die Ausgangslage und die Aufgabenstellung müssen so gewählt werden, dass sie auf das abzielen, was trainiert werden soll: die Analysefähigkeit.
Bei der Konstruktion von Mini Cases lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Typen unterscheiden.
Typ 1: Reflexion über vergangene Handlungen oder Ereignisse
Die Praxissituation im Mini Case beschreibt ein Ereignis oder eine Handlung, die bereits stattgefunden hat und in irgendeiner Form negative Auswirkungen hatte. Die Teilnehmenden werden mit Reflexionsfragen dazu aufgefordert, Fehler zu erkennen und Handlungsalternativen durchzudenken, mit denen ein positiver Effekt in der Situation generiert werden könnte.
Typ 2: Reflexion aktueller Handlungen oder Ereignisse
Beim Typ 2 wird eine Praxissituation beschrieben, die von den Kandidat/innen dahingehend analysiert wird, welche Vorgehensschritte in dieser Situation sinnvoll und möglich sind. Wichtig dabei ist, dass die Praxissituation komplex ist und die gewünschte Handlungsstrategie nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Typ 3: Reflexion über Rolle und Berufsidentität
Mini Cases des Typs 3 umfassen eine kurze Praxissituation, in welcher die Kandidat/innen ihre Rolle und ihre Berufsidentität reflektieren müssen. Rollenkonformes Handeln und das Erkennen des eigenen Verantwortungsbereichs stehen hier im Zentrum. Die Praxissituation ist im Hinblick auf die Rollenausübung komplex konstruiert. Sie ermöglicht die Reflexion über die eigene Rolle und Berufsidentität.
Geeignete Fallbeschreibung
> Der Mini Case muss alle Informationen enthalten, um eine Analyse vornehmen zu können.
> Der Mini Case soll nur relevante Informationen enthalten.
> Der Mini Case muss realistisch sein, das heisst, er tritt in der Praxis auch tatsächlich auf.
> Der Mini Case muss einen problematischen Sachverhalt darstellen.
> Die Fehler dürfen nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich sein.
> Der Mini Case muss kurz, prägnant und verständlich formuliert sein.
Geeignete Reflexionsfragen
Neben den Praxissituationen sind die Reflexionsfragen entscheidend für das Gelingen der Mini Cases. Die Fragestellungen müssen metakognitive Prozesse ermöglichen. Das bedeutet, dass die Situation und die Problemlösung auf einer höheren Ebene durchdacht werden müssen. Dies kann auf verschiedene Arten erfolgen: schriftlich, mündlich, als Voroder Nachbereitungsaufgabe, strukturiert oder eher spontan.
Mögliche Aufgaben und Fragestellungen:
> Wo sehen Sie Fehler? Was könnte man in dieser Situation besser machen?
> Beurteilen Sie die Lösung unter dem Gesichtspunkt …
> Welche Merkmale der Ausgangssituationen sind für das mögliche Vorgehen entscheidend?
> Welche Verantwortlichkeiten haben Sie in der Situation?
> Welche Rollenkonflikte können Sie erkennen?
tipps für die entwicklung des unterrichtsmaterials
Musterlösung
Zu jeder Fragestellung wird ausserdem eine Musterlösung formuliert. Diese bildet eine sehr gute Leistung ab und dient den Lehrpersonen als Hilfsmittel für die Besprechung im Plenum. Wo hilfreich und sinnvoll, können in der Musterlösung auch NoGos abgebildet werden.
Um Mini Cases durchzuführen, erstellen die Lehrpersonen in der Vorbereitung Fallbeschreibungen, die die Teilnehmenden während des Unterrichts bearbeiten.
Vorbereitung
Die Fallbeschreibungen für die Mini Cases werden vorgängig zum Unterricht durch die Lehrperson erstellt. Zu jeder Fallbeschreibung werden geeignete Reflexionsfragen entwickelt.
Durchführung
Im Unterricht wird die Methode in einem ersten Schritt eingeführt. Ziel und Vorgehen sollten erläutert werden. Im Anschluss bearbeiten die Teilnehmenden die Fallbeschreibungen anhand der Fragestellungen in Einzelarbeit, im Tandem oder als Kleingruppe. Die Bearbeitung erfolgt schriftlich oder mündlich und dauert je nach Fall zwischen 5 und 15 Minuten pro Fall.
Auswertung
Anschliessend werden die Analyseergebnisse im Plenum besprochen. Die Lehrperson holt Lösungen der Teilnehmenden ein, stellt die richtige Lösung vor und erklärt sie. So kann sie noch einmal darauf hinweisen, warum bestimmte Handlungen, die im Unterricht vermittelt werden, besonders wichtig sind.
Kompetenzorientierter Unterricht auf den Punkt gebracht. Ohne Fragezeichen? Denn obschon das Vermitteln, Sichern und Anwenden von Kompetenzen in aller Munde und Bestandteil jedes zeitgemässen Unterrichtskonzepts ist, zeigen sich die Schwierigkeiten oft erst bei der Umsetzung.
In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Bildungsmassnahmen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Unterrichtsmethoden punktgenau im Unterrichtsalltag umsetzen können.
Unsere Publikationsreihe umfasst ein Spektrum von rund 40 Unterrichtsmethoden. Diese werden laufend publiziert.
Im Bereich «Metakognition fördern» bietet die Publikationsreihe Umsetzungstipps zu folgenden Unterrichtsmethoden:
Analyse eigener Praxisfälle
Mini Case Sie finden unsere Umsetzungstipps jeweils nach Erscheinen auf unserer Homepage. Möchten Sie die Umsetzungstipps lieber in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement-umsetzungstipps
Wir stellen Ihnen diese gerne regelmässig nach Erscheinen per Post zu.
Herausgeberin
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Riedtlistrasse 15a
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Autorin
Ectaveo AG
Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch
Auflage 1. Auflage, 2022
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