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Der Permafrost

Beim Lesen dieses Führers werdet ihr oft auf Hinweise bezüglich der „Eisbedingungen“ oder dem „Fortschreiten der Saison“ finden. Dies, weil wir in den letzten Jahren Zeugen einer weitgehenden und radikalen Temperaturveränderung geworden sind, die in entscheidender Weise die Bedingungen und die Sicherheit im Hochgebirge beeinflussen. Wir wollen hier nicht auf die Gründe für diesen Temperaturanstieg eingehen, da das Thema zu komplex ist und sich zu sehr von dem eigentlichen Thema dieses Buches entfernen würde; wir wollen vielmehr versuchen, euch in einfacher Weise zu erklären, welche die wichtigsten Auswirkungen dieses Phänomens auf unsere Berge sind.

Dazu wollen wir zunächst Klarheit zu ein paar wichtigen Punkten schaffen: Ihr habt doch bestimmt schon einmal vom Permafrostboden gehört, aber was genau ist das? Der Permafrost beschreibt einen bestimmten Temperaturzustand des Bodens und betrifft heute etwa 25 % der gesamten Erdoberfläche in Polargebieten, Tundren oder hohen Gebirgslagen. Als Permafrostboden wird Boden, Sediment oder Gestein definiert, das mindestens zwei Jahre Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aufweist. Hier ist es wichtig, zwischen dem aktiven, oberflächigen Permafrost, der klimatische Veränderungen direkt zu spüren bekommt, und dem tiefliegenden Permafrost zu unterscheiden, der isoliert sein und daher nie abschmelzen sollte. Der Sommer 2018 war die dritte Saison in vier Jahren, in der die sommerlichen Durchschnittstemperaturen deutlich oberhalb des normalen statistischen Durchschnitts lagen. Dieser Temperaturanstieg hat drastische Auswirkungen auf das Ambiente im Hochgebirge. Durch die hohen Temperaturen schmilzt die Permafrostschicht, die seit tausenden Jahren im Inneren einiger Strukturen des Mont Blanc Massivs liegt und deren Aufgabe es ist, die riesigen Felsblöcke, aus denen die vielen Grate und Felsnadeln bestehen, zusammenzuhalten. Neben dem Abschmelzen der Gletscher kommt es dadurch zu großen Felsabbrüchen und Absenkungen. Neben den extrem hohen Temperaturen im Sommer sind da noch die extremen Temperaturschwankungen im Winter, die die Verwitterung des Gesteins vorantreiben, bei der durch den Zyklus von Einfrieren und Auftauen des Wassers im Gestein die Felsen förmlich gesprengt werden.

In den Sommern 2018 und 2019 gab es riesige Felsstürze an Bergen, von denen man glaubte, sie seien solide und noch weit entfernt von dieser Art von Verwitterung. Am 22. August 2018 kollabierte einer der Gendarmes der Arête des Cosmiques und am 25. September 2018 stürzte ein großer Teil des Trident du Tacul zusammen, einer Felsspitze im Gebiet der Trabanten, auf der einige Kletterrouten von großem Interesse verliefen. Neben diesen zwei großen Felsstürzen gab es hunderte kleinere Abgänge, die das komplette Massiv erschüttert haben. Die laufenden Untersuchungen zur Messung dieser Phänomene (850 bedeutende Felsstürze wurden im Massiv seit 2007 registriert) unterstreichen unserer Meinung nach schockierende Tatsachen: das was unter unseren Füßen dahinschmilzt ist sehr sehr altes Eis. Man braucht nur einmal daran zu denken, dass der Felssturz auf der Nordseite der Aiguille du Midi im Jahr 2017 etwa 50.000 m3 Material verschoben wurde und dadurch Eis zum Vorschein kam, das vor 4000 Jahren entstanden ist. Und das ist noch nicht alles, auch die Eisaufschlüsse auf der Wand des Triangle du Tacul wurden datiert, das Eis entstand vor ca. 2650 Jahren. Es mag euch vielleicht unwichtig erscheinen, es ist jedoch eine Tatsache, dass wir, wenn wir auf 2000 Jahre altem Eis klettern, auf unsere historischen Reserven zurückgreifen.

Das alles, um euch darauf hinzuweisen, dass dem Felssturz am Trident du Tadul in der Nacht vom 25. September 2018, bei dem ca. 80.000 m3 Material abgingen, die beliebte Route „Lepiney“ und einige Einstiegsstellen von Routen auf der Südwand, darunter die ersten Seillängen der „Les intouchables“ zum Opfer fielen. In der Saison 2018 schien es, als würde die Lepiney geklettert, angesichts der Instabilität raten wir jedoch davon ab, in diesem Sektor zu klettern; es ist besser, ein paar Jahre zu warten, damit Zeit und Wetter die verbleibenden Wände vom Geröll befreien, zu Klettern gibt es trotzdem mehr als genug.

Der Trident vor (links) und nach (rechts) dem Felssturz.

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