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Kapitel 3 • Der klassische "RasPi"
Obwohl er im Prinzip ein komplettes Motherboard darstellt, ist der Raspberry Pi nicht größer als eine Kreditkarte. Er benötigt vergleichsweise wenig Strom und anstelle einer Festplatte kommt er mit einer einfachen SD-Karte aus. Der Pi kann an jeden Computer-Monitor mit HDMI- oder DVI-Eingang angeschlossen werden. Den Pi als "Computer" zu bezeichnen ist natürlich nicht ganz korrekt. Zu einem vollständigen Computer wie etwa einem PC gehört auch ein Bildschirm, ein Netzteil, Tastatur, Maus und ein Massenspeicher. All dies ist im Kaufpreis des Raspberry nicht enthalten. Wenn man diese unentbehrlichen Accessoires mit einrechnet, dann sieht es mit dem oft beworbenen "Computer" für kleines Geld schon wieder etwas anders aus.
Beim Raspberry Pi bekommt man also lediglich ein Motherboard. Dennoch wird der Pi sowohl von Makern und Bastlern als auch von professionellen Technikern und sogar Wissenschaftlern eingesetzt. Mit ihm lassen sich kostengünstig auch komplexe und vor allem hochinnovative Projekte umsetzen. Neben seiner umfangreichen Funktionalität als klassischer Rechner verfügt der Raspberry auch über eine GPIO-Pinleiste (für General Purpose Input Output). Damit können elektronische Bauelemente direkt angesteuert werden. Deshalb Pi bestens für die Erfassung, Auswertung und Darstellung von Sensorwerten geeignet. Aber auch die Ansteuerung von Aktoren wie Schrittmotoren oder Servos ist möglich.
Vor allem Zusammen mit der Programmiersprache Python bietet der Raspberry eine optimale Umgebung für die Umsetzung von Ideen aller Art. Im Bereich der Sensortechnik, der Robotik oder der Hausautomatisierung bietet der Pi Möglichkeiten, die früher nur teuren und aufwendigen Spezialsystemen vorbehalten waren.
Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Funktionseinheiten und Schnittstellen eines Pi 4. Wichtig ist vor allem in diesem Bild links oben zu erkennende GPIO-Pinleiste.
Abbildung 3.1: Funktionseinheiten der Raspberry Pi 4
Der Raspberry Pi 4B bietet eine vielfältige Palette von Anschlussmöglichkeiten:
• Einen USB-C-Anschluss zur Stromversorgung (5 V, 2,5 A bis 3 A, dies entspricht einer Leistungsaufnahme von bis zu 15 W). Der tatsächliche Stromverbrauch ist zumeist deutlich geringer. Er hängt stark von der CPU-Auslastung und dem Leistungsbedarf der an der Pin-Leiste oder den USB-Buchen angeschlossenen Peripherie ab.
• Je zwei USB-3.0- und zwei USB-2.0-Anschlüsse (alle im USB-A-Format).
Hier können
• USB-Sticks
• Festplatten
• SSDs
• Tastatur und Maus
• andere USB-Geräte angeschlossen werden. Allerdings ist zu beachten, dass der Pi 4 an alle vier USB-Anschlüsse zusammen maximal 1.200 mA liefern kann.
• Zwei Micro-HDMI-Ausgänge für Bild und Ton, Auflösung bis zu 3.840×2.160 Pixel (entsprechend also 4K). Ein Monitor kann selbst bei voller Auflösung mit 60 Hz angesteuert werden. Wenn zwei 4K-Monitore zugleich angeschlossen sind, sinkt die Bildfrequenz auf 30 Hz.
• Einen kombinierten Audio-Video-Ausgang für einen vierpoligen 3,5-mmKlinkenstecker. Wird das Videosignal nicht genutzt, ist das Audiosignal über einem gewöhnlichen dreipoligen 3,5-mm-Klinkenstecker verfügbar.
• Micro-SD-Slot (SDHC)
• Ethernet-Anschluss (GBit-Ethernet)
• Eine Steckerleiste mit 40 Pins mit General Purpose Input/Output Kontakten (GPIOs) sowie UART, I²C-Bus, SPI-Bus, I²S-Audio.
• Vierpolige Steckerleiste für den Anschluss einer Power-over-EthernetErweiterung (»PoE HAT«)
• Integrierten WLAN-Adapter (2,4 GHz und 5,0 GHz, IEEE 802.11ac)
• Bluetooth-Adapter (Version 5, BLE)
Der Raspberry Pi und die SD-Karte mit dem Betriebssystem werden meist nicht als fertiges Komplettsystem geliefert. Um mit dem Pi arbeiten zu können, muss das aktuelle Betriebssystem auf die die SD-Karte geladen werden. In den folgenden Abschnitten wird dargelegt, wie man dabei am besten vorgeht.
Raspberry Pi 4 und Pico
3 .1 . Stromversorgung
Das Netzteil ist entscheidend dafür, dass der Raspberry Pi stabil und zuverlässig funktioniert. Prinzipiell könnten auch ausrangierte Smartphone-Netzteile für den Betrieb des Pi 4 verwendet werden. Allerdings kann es dabei zu schwerwiegenden Problemen kommen. Je nachdem, wie die CPU ausgelastet ist und wie viele Zusatzkomponenten wie Maus, Tastatur, USB-Sticks Kameramodul oder andere Peripherie angeschlossen sind, benötigen die Raspberry-Pi-Modelle bis zu über 15 W Leistung. Bei einer Spannung von 5 V entspricht das einer Stromstärke über 3.000 mA. Ohne externe Geräte und im Leerlauf reichen meist ca. 5 W bzw. 1.000 mA aus. Dennoch muss die Stromversorgung so ausgelegt sein, dass der Minirechner auch unter maximaler Last stabil läuft.
Falls das Netzteil zu knapp bemessen ist, treten Effekte auf, die auf dem ersten Blick nichts mit einer mangelhaften Stromversorgung zu tun haben, denn Aussetzer bei Tastatur, Maus, Bildschirm-Darstellung und Verbindungsprobleme bei LAN und WLAN können vielfältige Ursachen haben. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Stromversorgung problematisch sein könnte, ist ein Blitz-Symbol in der rechten oberen Ecke des Bildschirms.
Viele Steckernetzteile zum Laden von Smartphones und Tablets liefern keine hochstabile Spannung, da es beim Laden akkubetriebener Geräte nicht auf die Stabilität der Ausgangsspannung ankommt. Bei einem Raspberry Pi dagegen ist eine stabilisierte Betriebsspannung von 5 Volt erforderlich.
Der Raspberry Pi dagegen nimmt bei Unterspannung USB-Ports außer Betrieb. Das führt zu Fehlfunktionen einzelner USB-Geräte oder des gesamten Systems. Wenn die Mindestspannung wieder zur Verfügung steht, werden der USB-Port und die daran angeschlossene Geräte wieder in Betrieb genommen. Tastatur und Maus werden sich automatisch wieder anmelden, LAN- und WLAN-Verbindungen müssen jedoch oftmals manuell reaktiviert werden.
Grundsätzlich wird der Raspberry Pi mit einer Nominalspannung von 5,0 V am USB-Eingang mit Energie versorgt. Idealerweise sind es sogar 5,1 V weil durch Steckverbindungen und Leitungen Verluste entstehen. Zudem unterliegen Spannungsstabilisierung einer Exemplar-Streuung und geringe Schwankungen können durch die etwas größere Spannung ausgeglichen werden.
Darüber hinaus ist die sogenannte "Brown-out"-Schwelle bei Pi 4 sehr knapp bemessen. Bei dieser Spannungsgrenze starten interne Mechanismen zur Begrenzung der Stromaufnahme. Auch hier bietet eine etwas höhere Eingangsspannung mehre Sicherheitsabstand.
Neben dem Spannungspegel ist die Stromcharakteristik der zweite wichtige Parameter eines Netzteils. Im Gegensatz zu den früheren Modellen benötigt der Raspberry Pi 4 B ein USB-Netzteil mit 5,1 Volt und 3 Ampere Maximalstrom.
Neben dem Blitz-Symbol auf dem Bildschirm liefert die rote LED des Raspberry Hinweise auf Probleme mit der Stromversorgung. Im Normalfall leuchtet diese LED kontinuierlich. Wenn sie jedoch zu blinken beginnt, ist meist ein Unterspannungsproblem die Ursache.
Kapitel 3 • Der klassische "RasPi"
In diesem Falle sollte man den Gesamtstromverbrauch des Pi überprüfen. Insbesondere externe USB- Komponenten sollten dabei mit in Betracht gezogen werden.
Um die vielfältigen Probleme bei einer instabilen Energieversorgung zu vermeiden, sollte man ein speziell für den Pi 4 zugelassenes Netzteil mit einer entsprechend stabilisierten Spannung von 5,1 V verwendet werden. Die Folgende Abbildung zeigt ein solches Steckernetzteil.
Abbildung 3.2: Raspberry Pi Stecker-Netzteil
Hinweis: Raspberry-Pi-Modelle weisen unterschiedliche USB-Buchsen zur Stromversorgung auf: Bis zur 3er-Serie waren Micro-USB-Buchsen üblich. Der Raspberry Pi 4B verfügt hingegen über eine USB-C-Buchse.
3 .2 . Installation des Betriebssystems für den Raspberry Pi
Die Installation des Betriebssystems für den Pi erfolgt über einen PC mit SD-Card-Reader. Der Download wird für die wichtigsten Betriebssysteme:
• Windows
• macOS
• Ubuntu for x86 angeboten und findet sich unter https://www.raspberrypi.com/software/
Das Pi OS-Betriebssystem wird auf eine neue oder neu formatiert µSD-Karte (mindestens 16 GB) geschrieben. Im Auswahlmenü des Installers ist dabei die Option Raspberry Pi OS (32-bit) zu wählen. Danach muss man nur noch die Karte in den Pi einsetzen und booten.
Abbildung 3.3: Auswahl von Pi OS im Installer
Alternativ kann man auch SD-Karten erwerben, auf welchen das fertige Betriebssystem bereits vorinstalliert ist. Dies ist sicher die einfachste Option. Oftmals werden auch sogenannte "Bundles" angeboten, welche sowohl den RasPi selbst als auch eine passende SD-Karte mit fertigem Raspbian enthalten.
Nach dem Booten des neuen Betriebssystems müssen einige Einstellungen wie die Auswahl des Landeskategorie oder der Tastatur vorgenommen werden. Zudem kann auch der WLAN-Zugang eingerichtet werden. Das hierzu erforderliche Passwort findest sich meist auf dem heimischen WLAN-Router oder im zugehörigen Handbuch.
Für dieses Buch wurde Pi OS 11 "Bullseye" verwendete. Leider ist nicht garantiert, dass alle Programme und Hardware-Varianten auch unter früheren oder späteren Versionen von Pi OS laufen. Falls als unerwartet Fehler auftreten, sollte man daher in Betracht ziehen, auf die Pi OS Version 11 zu wechseln.
Nach dem vollständigen Start-up erscheint der graphische Desktop des Pi OS:
Abbildung 3.4: Frisch Installiertes Pi OS 11 ("Bullseye")
3 .3 . Versionen und Varianten
Für die Arbeit mit dem Pi wir immer wieder ein sogenanntes "(LX-) Terminal" benötigt. Diese wird über das kleine Symbol links unten auf dem Pi-Desktop geöffnet:
Abbildung 3.5: Öffnen des LX-Terminals
Falls bereits ein fertig installiertes System zur Verfügung steht, kann über das Terminal dessen Version über cat /etc/os-release ausgelesen werden:
PRETTY_NAME="Raspbian GNU/Linux 11 (bullseye)"
NAME="Raspbian GNU/Linux"
VERSION_ID="11"
VERSION="11 (bullseye)"
VERSION_CODENAME=bullseye
ID=raspbian
ID_LIKE=debian
HOME_URL="http://www.raspbian.org/"
SUPPORT_URL="http://www.raspbian.org/RaspbianForums"
BUG_REPORT_URL="http://www.raspbian.org/RaspbianBugs"
Damit kann im Zweifelsfall festgestellt werden, ob die gewünschte Version bereits installiert ist, oder ob ein Update durchgeführt werden muss.
3 .4 . Das Linux-Dateisystem
Beim für den Raspberry maßgeschneiderte Betriebssystem Pi OS handelt es sich um eine spezielle Linux-Version. In Linux werden viele Objekte, wie z. B. auch Schnittstellen etc. als Dateien dargestellt. Es ist daher vorteilhaft, wenn man sich zumindest einen rudimentären Überblick über das Dateisystem des Pi verschafft. Alle Dateien werden wie üblich in Ordnern in einer baumartigen Struktur gespeichert:
- {user}
- desktop
- python_games
- sonstiges_Verzeichnis
Für das "{user}"-Verzeichnis wird der bei der Installation angegeben Benutzername (Standard "Pi") verwendet. Diese Struktur ist zunächst nicht von großer Bedeutung. Später wird sie allerdings wichtig, insbesondere wenn verschiedene Dateien gesucht oder abgelegt werden müssen. In diesem Fall kann man sich am oben angegebenen Dateibaum orientieren.
3 .5 . Die wichtigsten Linux-Befehle
Bei der Arbeit mit dem Pi ist zu beachten, dass bei Linux zwischen Groß- und Kleinschreibung unterschieden wird. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht zu den wichtigsten Linux-Befehlen. Diese werden immer wieder benötigt, wenn man mit dem Terminal arbeitet: ls Dateien auflisten ls -l bzw. ls -lh Dateien übersichtlich inkl. Zugriffsrechten auflisten shutdown-h now Raspberry Pi herunterfahren (-h = halt) shutdown-r now Raspberry Pi neu starten (-r = restart) cd xyz in Verzeichnis xyz wechseln cd .. ein Verzeichnis höher mkdir xyz Verzeichnis erstellen (make directory) rmdir xyz Verzeichnis löschen (remove directory) nano datei Datei editieren (im Editor: Strg-o für Speichern Strg-x für Exit) rm datei Datei löschen pwd aktuelles Verzeichnis (print current workingdir), z. B. /home/pi whoami aktuellen Benutzernamen anzeigen, z. B. pi date Datum und Uhrzeit anzeigen ifconfig IP-Adresse usw. anzeigen whatis befehl Grobbeschreibung von "befehl", z. B. whatis ls man befehl ausführliche Beschreibung von befehl, z. B. man ls df / -h Speicherkartengröße anzeigen lsusb angeschlossene USB-Geräte anzeigen mv datA datB Datei verschieben oder umbenennen
Obwohl Pi OS über eine grafische Oberfläche verfügt, kommt man nicht immer umhin, auch die klassischen Linux-Befehle zu verwenden. Zumindest die elementaren Anweisungen sollten dem erfahrenen Anwender daher geläufig sein.
3 .6 . Raspberry Pi fernsteuern: Remote Desktop Eine sogenannte Remote-Desktop-Verbindung erlaubt es, von einem Rechner aus, einen anderen zu steuern. Dies ist beim Einsatz des Raspberry Pi besonders vorteilhaft, da man so auf einem zusätzlichen Monitor oder das Wechseln zwischen zwei Systeme verzichten kann.
Zwar kann man den Raspberry Pi fast ausschließlich per Konsole bedienen, einige Programme sind jedoch nur über die graphische Oberfläche (GUI) zu steuern. Der "Remote Desktop" ist auf allen modernen Windows Systemen vorhanden. Da keine zusätzliche Software erforderlich ist, bietet er sich für den Einsatz mit dem RasPi an.
Auf dem Pi muss nur ein neues Paket installiert werden: sudo apt-get install xrdp
Die wichtigsten und empfohlenen Einstellungen sind bereits vordefiniert. So kann man sich nach der Installation direkt einloggen. Entweder kann hierfür der Computername des Raspberry Pi 4 oder seine Internetadresse genutzt werden:
Abbildung 3.6: Einloggen via Remote Desktop
Auf dem Windows PC wird die Verbindung durch Starten des "Remote Desktop" hergestellt. Für Mac OS stehen dafür eine App von Microsoft und für Linux der "rdesktop" zur Verfügung.
Raspberry Pi 4 und Pico
Es ist zu beachten, dass unter Pi OS 11 ein bereits eingeloggter User nicht nochmals über Remote-Desktop eingeloggt werden kann. Gegebenenfalls muss also das Auto-Login des Systems abgeschaltet werden.
Nach dem Einloggen steht der Pi als eigenes Fenster in Windows zur Verfügung:
Abbildung 3.7: RasPi-Desktop als Windows-Fenster
Für die Arbeit mit dem Remote Desktop haben sich die folgenden Tastatur-Shortcuts als nützlich erwiesen:
• ctrl+alt+break versetzt den Remote Desktop in den full screen mode und wieder zurück in den Fenster-Modus
• Über alt+tab kann im Vollbildmodus zwischen einzelnen Anwendungen gewechselt werden
• Alt-Insert funktioniert im Fenstermodus ähnlich wie alt+tab
• Mit alt-PgDown und alt-PgUp kann im Fenstermodus ebenfalls zwischen Anwendungen gewechselt werden
Zudem kann die Copy-und-Paste-Funktion über die Systeme PC und Raspberry hinweg eingesetzt werden.
Aber nicht nur Windows-PCs können als Remote Desktops fungieren. Auch auf AndroidSmartphones oder Tablets können entsprechende Apps installiert werden. Damit sind diese Geräte dann als "drahtlose Bildschirme" nutzbar. Da für diese Anwendung keine besonders hohen Anforderungen hinsichtlich der Speicherkapazität oder der CPU-Leistung bestehen, sind auch ältere "Androiden" verwendbar. Vielleicht findet auf diese Weise so manches ältere Tablet oder Handy wieder eine sinnvolle Anwendung.
Die Remote Desktop App von Microsoft kann problemlos über den Play Store installiert werden. Nach dem Start der App kann dann z. B. der Raspberry über das "+"-Zeichen in der App aufgerufen werden. Die folgende Abbildung zeigt, wie ein älteres Tablet so als kompakter und drahtloser Bildschirm für den Pi genutzt werden kann.
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Raspberry Pi 4 und Pico