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lost voices The Blues of Youth
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Our youth has gone to the ends of the earth to die in the silence of the truth. - Louis-Ferdinand CÊline (1894 – 1961) franz. Schriftsteller und Arzt
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Penny Weiss: Comin‘ Out Maik Gerecke: Capture The Flag André Pilz: Auszug aus „Die Lieder, das Töten“ Ana Marija Muhi: Jugendknast Marcus Mohr: Ein Teil geht mit Urs Böke: In Erwartung Florian Günther: Trip in die Vergangenheit / Straßenköter Johannes Witek: Erfahrung Alex Dreppec: Voodoo Rudi Ulrich Kersten: Raum und Zeit Jim Nisbet: Nice People (engl.) Michael Zoch: Sterne kotzen Enno Ahrens: Ein vorzeigbares Mädchen
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INTERVIEWS Between Pain and Paradise: Interview with Steve-O The Beauty and the Beasts: Interview with Koren Zailckas
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AL EMPFIEHLT
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LV‘s
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ELEVEN
STORIES & POETRY
Coverimage „Awa“ and image on page 31(„Ulysse“) by Dan23. More infos at www.dan23.com. Image on Page 12 („4 AM“) by Anton Marrast Foto (Seite 20): Markus Ebersbach. Mehr unter www.galerie-ebersbach.de
WWW.ELVAU.COM
Herausgeber: Marc Mrosk, Kontakt: ElVau@gmx.de
Alle Rechte der hier aufgeführten Werke liegen bei den jeweiligen Autoren, Fotografen/ Künstlern. All stories, poems and pictures in this magazine are owned by the writers and artist named in this issue.
alle Ausgaben online unter www.issuu.com/elvau
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COMIN‘ OUT von Penny Weiss Der coolste Typ auf der High School war ein Kerl namens Robert Cullen. Er setzte sich in den Klassen immer in die letzte Reihe, tat so als würde er vertieft in seinem Schulbuch auf dem Tisch lesen, doch seine Augen wanderten über die Zeilen von Hemingway oder Miller, die auf seinem Schoß lagen. Andere rekelten ihre Gedanken über den Bürgerkrieg, er verlor sich in den Versen von Robert Frost. Diese Zeit war für mich so bescheuert romantisch, dass man es lieben musste. Diese ganze Geschichte, dieser ganze High-School Liebesquatsch. Ich malte mir aus, wie wir eines Tages aus diesem verdammten Kaff verschwinden und bis nach Kalifornien trampen würden. Unterwegs wären wir die neuen Bonny und Clyde, die reiche Snobs überfielen und Banken ausraubten. Der totale Schwachsinn. Ich sah Robert aus den Augenwinkeln immer zu, wie er so da saß und Kopfhörer unter die langen dunklen Haaren schob und in seine Ohren steckte. Zu den Liedern von Pearl Jam oder Soundgarden bewegte er sachte seine Lippen. Er war kein Rebell oder sonst irgendwie aufmüpfig, er schwebte nur einfach ganz tief versunken über seinen eigenen Abgrund und genau das imponierte mir. Wahrscheinlich suchte ich auch einfach etwas, das mir imponieren konnte. Die Mädchen schienen ihm alle egal zu sein. Manchmal befürchtete ich, er wäre schwul und selbst das hätte mich nur noch mehr zu ihm hingezogen. Es wäre eine echte Herausforderung gewesen einen vom anderen Ufer zu bekehren. Eines Tages besaß er wirklich die Frechheit mich nach einem Date zu fragen. Was war aus meinem Traum geworden? Sein Bild begann zu bröckeln. Dachte er etwa an gemeinsame Abende im Kino und Händchenhalten, während er innerlich darauf hoffte mir an die Titten grabschen zu können? Er schien immer so gleichgültig. Das war nun hinüber. Nie dachte er an die Schule, nie an die Iowa State oder an den Abschlussball. Die Welt hätte untergehen können und er hätte einfach nur eine neue CD aufgelegt und weiter gelesen. Dann war alles kaputt. Ich musste begreifen, dass er nur ein Fisch im Aquarium für mich war. Nur faszinierend, so lange eine Glasscheibe zwischen uns stand. Ich wollte mit ihm die Welt erobern und er fragt mich nach Karamelleis und Zitronenlimonade. Idiot. Eine Weile dachte ich an die Jungs, die zur Army wollten, aber Witwe mit 21 war alles andere als cool. Also kümmerte ich mich wieder um Robert, der sowieso die ganze Zeit über meine Aufmerksamkeit genoss, aber was war nun passiert? Wir verabredeten uns eines Abends vor unserer Schule, um was essen zu gehen. Ein neuer Diner hatte in der Innenstadt nähe des Einkaufszentrums eröffnet. Burger und eine Coke mit Eis. Zu diesem Treffen ist es aber nie gekommen. Ich schmiss kurz vor den Prüfungen die Schule, packte meine Sachen und nahm den Bus Richtung Westen. Naiv und verwirrt wie ich war, kam ich mit meinem Geld und meinem Ehrgeiz mal gerade über die Staatsgrenze nach Nebraska. Dort verbrachte ich zwei lange Tage in einem Motel kurz vor Omaha. Die nächste Stadt, die vor mir lag war Lincoln. Wie ich so die Straßenkarte überflog dachte ich an das Album von Bruce Springsteen und an die Morde von Charles Starkweather und Caril Ann. Ich sollte zurück nach Iowa und mit 4 Robert zusammen eine Reihe von Leuten umbringen. Damit würden wir in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen, aber eigentlich nur als Clowns, die mit
ihren Leben nichts anfangen konnten. Warum mussten andere bluten, weil wir so verdammt nutzlos waren? Eines Abends rief ich meine Mutter an, damit sie mir Geld schickt, um zurück zu kommen. Sie war richtig angefressen und drohte schon am Telefon mit einer drastischen Strafe, die, aber wie meistens ausblieb. Meinen High-School Abschluss machte ich vier Jahre später nach. In der Zwischenzeit kellnerte ich, riss Kinokarten in zwei Teile oder verkaufte Schallplatten in einem zweitklassigen Popschuppen. Robert hatte sich während meines Abstechers in ein Mädchen namens Gabriella verknallt und sie ein Jahr nach seinem Abschluss geschwängert. So weit ich weiß, leben sie heute in Des Moines. Er verkabelte Haushalte und sie gibt Gartentipps für alte Hausfrauen. Aber wen interessiert das schon? Mich nicht. Ich hab's ja mittlerweile immerhin bis nach Kalifornien geschafft. Ja, ich bin raus aus dem Kaff und hab meine Welt um 180 Grad gedreht. Na ja, vielleicht nicht ganz so weit. Was ich so mache, Mama? Wie es mir so geht? Ich kellnere ab und zu und hab mich neulich für einen Schreibkurs am L.A. City College eingeschrieben. Wahnsinn, oder? Ich werde vielleicht keine zweite Joyce Carol Oates, aber ich bin raus. Die Miete kann ich kaum zahlen, mein letzter Freund interessierte sich mehr für die Bäume im Griffith Park als für Anzeige mich und für Kinder wird es auch langsam zu spät. Aber ich bin raus. Ja, das bin ich. Was wäre, wenn ich damals Robert vor der Schule getroffen hätte? Keine Ahnung, Ma. Penny ist raus.
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CAPTURE THE FLAG von Maik Gerecke Die Neugier hatte mich dazu bewogen, auf diese Demonstration zu gehen. Schwarze und braune Gestalten wanderten durch von grünen und blauen Gestalten abgesperrte Straßen. Hier und da ein Tranparent, durch Megaphone gebrüllte Parolen. Kameras zeichneten das Geschehen auf. Jeder befand sich im Vollbesitz ewig richtiger Ideale, die ein Recht mit sich bringen, jenen, der im unrechtmäßigen Besitz der ewig falschen Ideale ist, zu bekämpfen. Die einen marschierten links, die anderen marschierten rechts. Die Dritten machten „nur ihren Job“. Es war der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Ähnlich wie in der Bibel. Staatlich geregelt und bei den entsprechenden Behörden ordnungsgemäß angemeldet. Man hat ihn oft geführt in der Geschichte dieser Spezies. Weil ich zur falschen Zeit, am falschen Ort und auf der falschen Seite stand, hatte mich ein Brauner als einen Schwarzen oder wohl eher einen ungekennzeichneten Roten identifiziert, der etwas dachte, meinte und wollte, wofür er mit der Faust auf mich losgehen müsse. Ein paar Grüne hatten nicht aufgepasst, weswegen die schwarzen und braunen Kreuzzüge fälschlicherweise ineinander gelaufen waren, was aber von den Grünen augenblicklich korrigiert wurde. Ein Blauer verhinderte, dass eine Horde Brauner auf mich und ein paar Schwarze (oder was weiß ich, was sie waren) einprügelte, woraufhin wir friedlich weiterspazieren konnten. Beide Seiten schienen die jeweiligen Schläge, die sie eingesteckt hatten, als unumstößliche Beweise für die Richtigkeit ihrer Überzeugungen anzusehen. Einige Minuten später sah ich etwas aus dem Augenwinkel. Links hinter mir ging eine Frau. Zunächst vollkommen unauffällig. Sie ging aufrecht und hatte eine schwarz-weißrote Flagge in der Hand, die sie stolz und hoch erhoben zur schau stellte. Und an der anderen Hand hielt sie ein Kind. Es kann nicht älter als Sechs gewesen sein. Ein kleines Mädchen. Pflegebedürftig. Bereit, sich die Welt erklären zu lassen. Sie sah so aus, als habe sie nicht das Gefühl, auf einem entspannten Sonntagsspaziergang zu sein. Sie war ruhig, schaute unsicher gerade aus oder vorsichtig nach links oder rechts. Sie lachte nicht, spielte nicht, freute sich nicht des Wetters, der Umgebung, hatte so gar nichts von kindlicher Unbeschwertheit in ihrem Gesicht. Sie verstand nicht so recht, was hier vor sich ging. Aber sie spürte, dass es nichts Schönes war. Es dauerte nicht lange, da bemerkten es ein paar Linke und strömten sogleich von rechts herbei, an mir vorbei und zu diesem Bildnis. Sie begannen auf die Frau einzureden. Was sie denn da tue, was ihr denn einfiele, ob sie denn nicht wisse, was sie da treibe. Sie erklärten ihr ein bisschen die Welt und torpedierten ihre normativen Ideale mit anderen Normen. Aber die Frau ging einfach stur weiter. Sie ließ sich nicht beirren, schaute einfach gerade aus, sagte nichts und hielt ihre Kind an der Hand und ihre Flagge in den Wind. Hinter ihr sah ich ein paar Kerle, die nicht auf sie einredeten, sondern das Ganze nur zu beobachten schienen. Wahrscheinlich ihre Kameraden. Ich war etwa zehn, fünfzehn Meter entfernt und konnte den Blick nicht mehr von diesem Bildnis nehmen. Es war einfach so absurd! Hauptsächlich deshalb, weil es sich direkt 6
vor meinen Augen ereignete. Einer der Momente im Leben, in denen man sich fragt, ob es nicht vielleicht doch gerade die eigene Wahrnehmung war, die skurrile Dinge mit der Realität veranstaltete. Ein junger Kerl mit linken Szeneklamotten, Buttons, Nazis-Raus-Aufnähern und einer dicken Hornbrille auf der Nase – nicht älter als zwanzig – erklärte einer Frau, die mit ihrem kleinen Kind und ihrer Reichsflagge durch den schwarzen Block maschierte, wie verantwortungslos sie sich verhielt. Er ging immer näher an ihr Gesicht heran. „Nimm bitte die Flagge runter“, sagte er mit strengem Befehlston. Er sagte es immer wieder. Seine Stimme wurde dabei mit jedem Mal ernster. Aggressiver. Wohl weil sie trotz allem die Flagge einfach nicht runternehmen wollte. Andere folgten! Weitere Linke. Sie taten es dem Kamaraden gleich und irgendwann schrie der erste: „Nimm die Flagge runter!“ Dabei stand er keinen Meter von dem kleinen Mädchen entfernt – beachtete es gar nicht. Die Frau gehorchte nicht, tat, was sie die ganze Zeit tat, nämlich nichts, außer stur gerade auszugehen – zu marschieren –, ihre Reichsflagge hochzuhalten und ihr Kind an der Hand zu führen. Plötzlich legten die ersten Freiheitskämpfer Hand an die Flagge, zerrten daran. Immer mehrere strömten herbei, beteiligten sich, zogen an der Reichsflagge. Aber die Nationalsozialistin ließ einfach nicht los! Es war ihr unheimlich wichtig, an dieser Flagge festzuhalten, sie einfach nicht loszulassen. Und auch das Kind ließ sie nicht los! Ich sah zu der Kleinen herüber. Sie starrte gerade aus, wie seine Mutter auch. Es schrie nicht, es weinte nicht, es ließ die Umwelt und die Erwachsenen um sich herum keinerlei Angst an sich sichtbar werden. Es versteifte sich, so wie es sich wahrscheinlich seit Jahren innerlich, seelisch zu versteifen gelernt hatte und hielt an der Hand seiner Mutter fest. Und was bleibt einem Kind auch anderes übrig? Immer mehr linke Hände legten sich an den Flaggenstil und zerrten daran. Man wollte sie ihr entreißen. Es erschien den Leuten besonders wichtig zu sein, dass der Frau diese Flagge weggenommen wird. Wohl aus prinzipiellen Gründen. Die ersten Hände zerrten nun bald an der Frau selbst, die an ihrem Kind eben so festhielt, wie an ihrer Reichsflagge. Es wurden immer mehr und da die Frau stur auf ihre Ideale pochte, ließ sie die Flagge so lange nicht los, wie es ihr möglich war. Sie kam ins Wanken, denn es kamen immer mehr Linke von rechts herbeigeeilt und kümmerten sich um die Frau. Ein richtiges Gewühl entstand. Es wurde geschrien. Aber die Kleine gab keinen Ton von sich! Linke zerrten und zogen an der Reichsflagge, an der Frau. Kamaraden der Frau eilten herbei, zogen jetzt an Linken, die Frau hielt an den Inhalten ihrer Hände fest, stolperte, fing sich wieder, ließ immer noch nicht los. Und das Kind – mittendrin! Gerät ins Wanken. Versinkt langsam unter der sich raufenden Menschenmasse. Gibt dabei keinen Ton von sich. Es scheint in seinem kurzen Leben eine Methode entwickelt zu haben, mit der allumfassenden Idiotie der Menschen umzugehen. Immer mehr Linke stolperten und trampelten in hellem Aufruhr um das kleine Kind herum, bis ich entgültig begriffen hatte, dass ich hier im Wespennest der Verblödung gelandet war und mich nun aufmachte, um dieses Kind da irgendwie rauszuholen. 7 Doch bevor ich überhaupt richtig an diesem Menschenbrei angekommen war, packte irgendjemand das Kind und zog es aus der Menge, die kurz darauf geschlossen umfiel.
Die Frau und ein paar Linke lagen auf dem Asphalt, aber die Linken hatten die Flagge erobert. Man zerbrach sie gemeinschaftlich, zerbrach den Stil und zerriss den Stoff und plötzlich! – plötzlich schien es ganz so, als sei alles Relevante erledigt und alles Schlimme aus der Welt geschafft. Es wurde wieder ruhig! Die Frau stand auf. Die Linken standen auf, stoben auseinander! Sie kämpften nicht mehr, schrien nicht mehr, niemand sagte ein Wort und alle gingen einfach weiter ihres Weges! Die Frau bekam ihr Kind zurück und ging nun stur weiter wie gehabt. Nur eben ohne Reichsflagge. Irgendwo bog sie links ab, verließ die Linksdomäne durch eine Wand aus grünen Gestalten, um in ihre eigene zurückzukehren. Mit ihrer kleinen Tochter an der Hand. Ich schaute ihnen nach. Stillschweigend gingen sie nebeneiander her. Das Mädchen hatte schulterlanges, braunes Haar, trug ein weiß-rotes Kleid, schwarze Schühchen, reichte seiner Mutter gerade mal bis zu den Hüften. Mir war, als sei sie der einzige Mensch, den ich hier heute gesehen hatte. Und ich konnte nichts für ihn tun – kann es bis heute nicht. Alles, was mir möglich ist, ist diese lächerliche, nutzlose Geschichte.
Auszug aus „DIE LIEDER, DAS TÖTEN“ von André Pilz (mit freundlicher Genehmigung des Haymon Verlags) Am dritten Tag traf ich auf eine Räuberbande. Ich wurde überrascht, als ich im Supermarkt meinen Rucksack mit Schokolade und Kekse vollstopfte, die ich der Frau bringen wollte. Der Supermarkt war abseits gelegen und versteckt, wohl nur deshalb war er noch nicht vollständig leergeräumt worden. Die Typen kamen hereingepoltert, sie sprachen nicht Deutsch, ich war mir nicht sicher, ob sie sich auf Spanisch, Italienisch oder Portugiesisch unterhielten. Ich versteckte mich hinter einem Regal, das Jagdgewehr im Anschlag. Die vier jungen Männer waren schwer bewaffnet, sie trugen automatische Waffen und Jagdmesser, schwere Schuhe, kurze Hosen und dicke Rucksäcke, ihre Gesichter waren hinter Tüchern versteckt. Da war auch eine Frau dabei, die als einzige nicht vermummt war. Sie hatte schwarze, lange Haare zu einem Rossschwanz zusammengebunden, hohe Wangenknochen, schmale Schultern, sie trug einen schwarzen Kapuzenpulli und Blue Jeans. Ich schätzte sie auf 17, 18, höchstens 19. Sie hatte etwas jungenhaftes, mit kurzen Haaren und ohne die kleinen Beulen unter ihrem Kapuzenpulli wäre ich mir nicht mehr so sicher gewesen, ob dieses Wesen ne Pussy hatte. Ich hatte Lust, aufzustehen, mich ihnen zu zeigen, mit ihnen zu reden, aber vielleicht würden sie vor Schreck das Feuer eröffnen, also blieb ich in meinem Versteck. Draußen schob sich eine Wolke vor die Sonne, und im Einkaufsmarkt wurde es mit einem Mal finster. Einer der Typen holte ein Handy aus seiner Hosentasche und führte danach ein langes Gespräch, während die anderen ihre Rucksäcke mit Essbarem 8 füllten. Er sprach aufgeregt und nervös. Als er fertig war, berieten sie sich, dann zogen sie ab.
Am Nachmittag schnappte ich mir den Doc und wir fuhren zu einer Apotheke im nächsten Ort, die wie alle Apotheken in der Sperrzone bereits geplündert und verwüstet worden war, aber der Doc kannte sich aus. Er fand, nach was ich suchte, in den Schubladen eines kleinen Hinterzimmers mit dicken Gittern an den Fenstern. Meine Ohrentropfen und die Pillen. „Ich hoffe, du weißt, wie gefährlich Oxycontin ist“, sagte er und reichte mir ein Plastiksack voller Schachteln. „Da kannst du dir die Beine absägen und spürst nichts. Aber das Zeug hat dieselbe Wirkung wie Heroin.“ „Deshalb bin ich ja so scharf darauf.“ „Ich meinte das im negativen Sinn.“ „Ich scheiß auf den negativen Sinn. Jede Minute in der Zone ist ungesund, so what?“ Der Doc war gar nicht so übel. Hatte viel erlebt, war viel rumgekommen, hatte so manche Hölle überstanden. Seine Tochter war gestorben, vor seinen Augen, als sie vier Jahre alt war. War mit ihrem Laufrad vor ein Auto gerannt. „Scheiße, Doc“, sagte ich. „Das wünsch ich nicht einmal meinem größten Feind.“ „Im Herbst sind genau 25 Jahre vergangen“, sagte er. „Aber ich kann die Bilder und Gefühle von damals jederzeit abrufen. Als wär’s letzte Woche gewesen. Alles noch da.“ Wir hatten ein ganzes Arsenal an Medikamenten dabei, als wir wieder zu Hause waren. Mein Kopf brummte, ich zerkaute eine Tablette und schloss die Augen. „Irgendwie fühlt es sich an, als wäre man hiv-positiv, wenn man von der Scheißstrahlung was abbekommen hat. Man sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange und wartet, bis sie zubeißt. Kann bald sein, kann in zehn Jahren sein.“ „Kann nie sein.“ „Ich glaube nicht an Wunder.“ „Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehn …“, fing der Doc an zu singen. Mir war nicht nach Singen. Ich erzählte ihm von der Bande. „Wir müssen uns in Acht nehmen“, sagte ich. „Nicht nur vor den Soldaten.“ „Jugendliche Banden gibt es immer wieder mal.“ „Aber selten welche mit automatischen Waffen.“ „Vielleicht sollte ich ja bei euch einziehen. Dann müsste ich nicht ständig hin und her latschen.“ Mir gefiel der Gedanke nicht, aber ich hatte das nicht zu entscheiden. Der Frau gefiel der Gedanke noch weniger. Am Abend tauchte der Doc mit zwei uralten Revolvern auf. „Möchte nicht länger unbewaffnet sein“, sagte er. „Warum brauchst du zwei?“ „Eine links, eine rechts“, sagte er und zielte mit den Dingern auf mich. „Wie John Wayne.“ Er reichte mir eine der beiden, sie waren bestimmt noch aus der Zwischenkriegszeit, schienen aber funktionstüchtig zu sein. „Weißt du, woran John Wayne gestorben ist?“ „Kugel zwischen die Augen?“ „Drehte in einem Gebiet, das Jahre zuvor für Atombombentests benutzt worden war. Viele aus der Crew starben.“ „Kugel zwischen die Augen wäre schöner gewesen.“ 9 „Cooler bestimmt.“
Er nahm die Pistole wieder an sich und posierte. Breitbeinig, die Schusswaffen in Hüfthöhe. „Wie möchtest du sterben?“, sagte er und zielte auf mich. „Nicht wie John Wayne.“ „Ich habe nicht gefragt, wie du nicht sterben willst.“ „Ich möchte nicht krank und wehrlos sein, wenn ich sterbe. Ich möchte stark sein. Gesund.“ „Warum?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Was stellst du für Fragen? Ich möchte überhaupt nicht sterben. Wer will schon sterben? Nicht einmal Selbstmörder wollen sterben. Sie ertragen nur das Leben nicht mehr. Sterben ist das kleinere Übel. Aber Sterben wollen die nicht.“ Ich steckte mir eine weitere Tablette in den Mund. Wenn schon sterben, dann im Rausch.
Der vierte Roman von André Pilz, "Die Lieder, das Töten", erscheint im Herbst 2012 im Haymon Verlag. Deutschland, Wochen nach einem Super-GAU im französischen Kernkraftwerk Cattenom: Trotz aller Bemühungen der Sicherheitskräfte ist es nicht gelungen, die radioaktiv verseuchte Sperrzone zu evakuieren. Glücksritter und Banden sind eingedrungen, plündern und verwüsten und liefern sich Scharmützel mit dem Militär. Ambros K. bekommt den Auftrag, den mutmaßlichen Terroristen Strasser in der Zone aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. In der Zone muss Ambros allerdings erfahren, dass die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen und dass nichts so zu sein scheint, wie es erst den Anschein hatte. Bald schon stellt sich Ambros die Frage, auf welcher Seite er wirklich stehen will.
Andrés Blog im Internet findet Ihr unter www.liebeundgewalt.blogspot.com Mehr von André Pilz: Man Down 276 Seiten, Haymon Verlag (2010) , 19,90 Euro ISBN: 978-3852186238 No llores, mi querida - Weine nicht mein Schatz 240 Seiten, Archiv der Jugendkulturen (2005), 18 Euro, ISBN: 978-3865460318 Bataillon d'Amour: Eine Geschichte von Liebe und Gewalt 336 Seiten, Haymon Verlag (2010), 9,95 Euro ISBN: 978-3852188478
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JUGENDKNAST von Ana Marija Muhi Ich stehe mit dem Gesicht zur Wand. Ich spüre ihre Kälte an meiner Wange. Ihre Härte gibt mir Halt. Ich lehne mich an. Stehe ganz dicht an der Wand und drücke meinen ganzen Körper so nah ich kann an den grauen Zement. Ich konzentriere mich darauf, mich zu spüren und der leere Blick auf das trockene Grau, verschwimmt zu einer staubigen Raufasertapete. Ich schiele durch den Moment und plötzlich rieche ich den gestrigen Muff. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Der gelb-graue Geruch verrauchter Abende hängt in der gedanklichen Tapete fest. Ich atme aus und drücke meine Handinnenflächen gegen die Mauer. Mein Atem prallt ab und streichelt mein Gesicht. Die eingenebelten Gedanken lösen sich Stück für Stück aus der erdachten Tapete und dringen durch meine Nase in mein Inneres ein. Die Situation bekommt was Vertrautes – ich bin ganz in mir. Die vergilbten Gedankenfetzen rauschen durch meinen Körper. Sie sind schon so alt, dass ich Mühe habe, sie zeitlich zu sortieren. Ich gebe auf und lass die Zügel los. Sie tanzen durch meinen Bauch, bis mir schlecht wird, toben sich in meinem Innenleben aus und der Reflex sich zu übergeben, wird durch ihre spitzen Tritte gegen meinen Magen unterbrochen. Noch nie hat mir etwas so stechend von innen in die Magengrube geschlagen, wie dieses tosende Bild meiner Jugend, das da in mir rumort. Ich bewege langsam meine Hände und es tut gut zu spüren, wie die raue Wand an meiner Haut entlangreibt. Es ist fast so als würde die Wand mich streicheln, mich beruhigen, jetzt hier zu sein. Wie sinnlich es sein kann, wenn sich Gedanken und Atem treffen. Es ist alles gut, ich bin in Sicherheit, ich stehe hier und lehne mich an die Wand. Mittlerweile bekommt sie Körpertemperatur. Ich traue mich wieder einen Blick auf die karussell-fahrenden Gedankenfetzen zu werfen und frage mich, warum ich diese verdammten Dinger nicht zu einem klaren Bild zusammenfügen kann. Sie verschwimmen immer wieder, flattern und zittern umher und werfen im Kettenkarussell ihre Köpfe in den Nacken, um mich scheppernd auszulachen. Es hallt. Diese Gedanken an meine Jugend sind wie kleine Monster, die höhnische Grimassen schneiden, während sie sich ein Stück Fleisch aus meiner Seele reißen, um sie aufzufressen. Ich habe viele von ihnen niemals eingeladen, niemals darum gebeten, zu meinen Erinnerungen zu werden, weil ich sie nie erschaffen wollte. Doch ich hab sie leben müssen, sie zu meinen Monstern machen müssen, ohne dass ich gefragt wurde, ob ich überhaupt an Monster glaube. Ich hätte gerne einfach nur gespielt damals. Mein Spiel. Ich hätte gerne die Monster gebeten sich an die Hand zu nehmen und gemeinsam Karussell zu fahren. Ich hätte lieber mit ihnen gelacht, als sie zu hassen und mich verlacht zu fühlen. Es waren nicht meine Freunde, es waren nicht meine Feinde, es waren nicht meine Erfahrungen, es waren nicht meine Gefühle. Es waren keine spitzen Eckzähne und auch keine … im Spiel. Es waren waren bloß Gedanken. Du hast ihnen im Karussell die Ketten um den Hals gelegt, wenn du ein Monster entdeckt hast, dass keins war, weil es meins war. Ich drücke meine heiße Stirn gegen die Wand und bin mir darüber im Klaren, dass manch einer meinen Zustand besorgniserregend finden könnte. Doch ich tanze weiter mit den Monstern und habe das erste Mal das Gefühl einen
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Blick in ihre Augen erhaschen zu können. Ich zucke zusammen und bewege mich nicht. Schaue genau hin. Sie lachen mich gar nicht aus, sie leiden. Sie werfen ihre Köpfe in den Nacken und schreien um Hilfe. Wollen doch, dass ich sie endlich aus den Ketten befreie. Wollen dass ich endlich sehe, dass sie gar keine Monster sind, dass sie meine ganz eigenen Wesen sind und nicht Deine. Es ploppt, es schneidet, blutet, die Nabelschnur ist gekappt, es lebt, es überlebt. Ich sehe weiter hin. Ich hab sie ganz allein geschaffen. Ich habe sie gelebt. Ich hab sie überlebt. Es sind meine Erinnerungen, meine Gedanken. Sie tragen blau geringelte Strampelanzüge. Ich nehme ihnen die Ketten ab und plötzlich bleibt das Karussell stehen. Ruhe. Die Monster atmen durch, sehen mir staunend in die Augen, lächeln mir zu, nehmen sich in den Arm und verschwinden. Während sie sich auflösen, klart mein Bild plötzlich auf und ich sehe die Innenseite meiner Seele, an der ein paar Fleischwunden verkrusten. Ich werde sie nicht wieder aufreißen. Mittlerweile bin ich voll straffähig und kann für meine Taten verantwortlich gemacht werden. Ich öffne die Augen und gehe durch die Wand. Sie war ein Raumteiler, an dem ich keine Jugendposter aufhängen durfte. Ein grauer Zeitenteiler, der nachdem ich hindurchgegangen bin, direkt hinter mir zu bunten Stein wird, damit ich nie wieder zurückkehren kann. Ich habe den Raum gewechselt. Freigang.
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EIN TEIL GEHT MIT (Marcus Mohr) Keine weiteren Zeilen, Gedichte und Ikonisierungseintütung über das Ableben von einem aufgeschwemmten Hemingway, der den Kopf verliert Oder Kalle oder Rudi oder Olga: einem Hendrix, der an seiner Drogen, Alk, Leben – eigenen Kotze ertrinkt ein dreiseitiger Würfel einem durchlöcherten Fallada ohne Chance auf Erfolg. mit Morphiumaugen Hanno, der über die Klippen ging Reinaldo Arenas, der seinen Alkund seine einjährige Tochter gleich und Medikamentencocktail mit Schirmchen mitnahm, und Limette trank David, der sich an ´ner Trompete Foster Wallace, verschluckte, Sissy mit ihrem offenen dem sich der Teppich unter Diabetikerbein, den Füßen wegzieht die kopfüber vom Balkon stürzte, … Heinzpeter, dem ein Blutgerinnsel Kopf Sie sind alle tot, und Herz platzen machte. und wären sie das nicht, Menschen wie du hätte es nur ein breites Gähnen übrig. und ich. Ohne Promifaktor. Jedenfalls an dieser Stelle. Ohne Privilegien. Weniger als ´n Ihr habt nie Jupp kennen gelernt, Einzeiler oder? in der Tagespresse wert. Der stromerte hier jahrelang um den Block Aber authentischer als ein Schneebesen, und klaubte Kippenstummel auf, dinierte ein Nebelhorn, eine Bleistiftskizze von aus Mülltonnen und telefonierte Heinrich Zille mit einem Babyphon. Er starb im und deshalb waren wir es Alter von 49 Jahren. die mit ihnen Erfroren. über den Jordan gingen. Oder Gerdi, die alte Thekenmätresse. Eine Theke war erst besetzt, wenn Gerdi vor ihr stand. Sie trank ausgediente Soldaten, passionierte Wermutbrüder und aufgekratzte Jünglinge mit Schmerbauch untern Tisch. Sie verlor ihre Tochter an den Strich, ihren Sohn an Malteser und Korn, ihren Mann am Würgegriff des Einarmigen Banditen. Kneipier Paul war’s, der 112 wählte, nachdem sie zwei Tage ausblieb. Sie lag unterm Küchentisch, den Rocksaum unterm Kinn, 13 den aufklaffenden Mund zu einer süffisanten Fratze verzogen.
IN ERWARTUNG (Urs Böke)
TRIP IN DIE VERGANGENHEIT (Florian Günther) In der Parterrebude damals hockte ich die meiste Zeit allein herum. Ich hatte selten Arbeit, besaß ich etwas Geld, trug ich es in die Kneipe. Auch Frauen hatte ich nur selten. Und wenn sie gingen, kamen sie nie wieder. Meine Gedichte damals waren gut, besser womöglich als die von heute. Und wenn es kalt war, machte ich dasselbe mit ihnen wie Picasso mit seinen Zeichnungen: Ich heizte meinen Ofen damit ein.
Den Blick auf den Ozean bleibe ich häßlich das Fernweh ist aus Alkohol gemacht wenn ich mich umschaue seh ich Beton Risse in Kacheln und in Biografien erst recht Ich gehe weiter ohne Signale über Asphalt keine Ampeln die stoppen alle Wege sind frei wir könnten sie gehen und verharren wie Stein bewegungslos im Laufrad aus Alltag und Wahn Es gibt keine Zuflucht die Theken sind hölzern im Irrsinn bleibe ich der einzige Stammgast deine Therapeuten-Rechnung kann ich nicht zahlen deine Währung lauert kalt hinter Wäsche Den Blick auf den Ozean bleibe ich häßlich es gibt keine Theken die Zuflucht ist Kummer diese Zeilen in Gedenken an alle die leben diese insgesamte Misere mon dieu Soviele haben das alles noch vor sich.
STRAßENKÖTER (Florian Günther) Wir waren dauernd auf Achse. Kletterten in Ruinen herum, machten Stinkefinger und schlugen uns die Knochen beim Fußballspielen kaputt. In unsere Schulbücher sahen wir nie rein. Was wir wußten, hatten uns die Knastologen im Expresso erzählt. Wir schlugen uns, flohen vor dem Alten, der mit seiner Luftdruckbüchse auf uns schoß und klauten Lakritze und Schnaps im Konsum gegenüber … Es waren gute Tage, ja. Solange wir nicht heim, zu unseren Eltern mußten.
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ERFAHRUNG (Johannes Witek) Ein junger Mensch, der mit wilden Augen und hungrigem Atem durch die Gegebenheiten hetzt, die er für das Leben hält: Immer im Ansetzen, immer kurz vorm Sprung, immer am Hetzen ... Nur sehr temporäre Linderungen seiner Hast - z.B. im Bett neben einem anderen Menschen, während gemeinsam der Schweiß auf ihrer gemeinsamen Haut trocknet, der Atem noch schnell, aber nicht mehr hungrig – für einen Augenblick. Oder ein Titel, ein Job, eine Wohnung, eine Rede, ein gewonnenes Argument -kleine Etappen, kleinere Siege. Aber nur kurz. Schon kommt wieder die Gier, die Sehnsucht, das Reißen --- "Ich will sehen!", schreit er. "Ich will fühlen!" "Ich will ERFAHRUNG!" Und auf, und weg, und wieder ist er am Rennen, am Hasten, am Grabschen ... Erfahrung ist es, was er wirklich wirklich will --- oder was er dafür hält. "Nichts schlimmer", schreit er, "als am Ende etwas verpasst zu haben!" "Nichts schlimmer", schreit es in ihm, "als am Ende Bedürfnisse zu haben, die nicht gestillt wurden, Gefühle, die nicht gefühlt, Nahrung, Sehenswürdigkeiten, Sex oder Weine, die nicht gekostet wurden!" "Ich mache es mit Frauen, Männern und Pflanzen", sagt er. "Ich will bei Geburten dabei sein und Leichen waschen, Autos auseinandernehmen und Tiere sezieren. Ich will alles wissen, was es zu wissen gibt. ALLES!“ So hetzt er durch die Gegebenheiten (die er für das Leben hält) bis plötzlich eine andere Figur sich vor uns erhebt, ein älterer, furchtbar aussehender Mensch, der in einer Ecke in Embryonalstellung kauert. Er erhebt sich und richtet ein brechendes, leeres Auge auf den jungen Hetzenden. „Du weißt nicht“, sagt der Ältere, „was du da redest. Du weißt nicht, was du da willst. Ab einem bestimmten Punkt, gibt es kein Zurück mehr. Diesen Punkt willst du nicht erreichen. Glaub mir: Es gibt Erfahrungen, die man besser ausspart.
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Es gibt Erfahrungen, die dich auf eine Art verändern, die alles verändert. Glaub mir einfach.“ „Nicht für MICH!“, schreit der Jüngere. „Niemals für mich!“ „Das hab ich auch mal gesagt“, sagt der Ältere. „Und ich weiß, welche Erfahrung DAS hier sein soll“, schreit der Jüngere. „Du willst mir sagen, dass du ich bist, in der fernen fernen Zukunft. Darauf scheiß ich! Das gibt mir nichts! Die Art Erfahrung hab ich schon gemacht. Das liegt alles schon hinter mir.“ „Gehen wir ein Stück gemeinsam?“, sagt der Ältere. „Keine Chance!“, schreit der Jüngere. „Ich reise allein.“ „Schon mal darüber nachgedacht, welche Art Erfahrung du für andere bist?“, fragt der Ältere. „Einmal! Auch das hab ich hinter mir!“, ruft der Jüngere. „Na dann“, sagt der Ältere. „Gibts noch was zu sagen?“ „Ja. Ich würde dir gern eine lange, komplexe Geschichte erzählen. Es geht um mich, meine Kindheit und wer ich wirklich bin!“, sagt der Jüngere. „Schon mal die Erfahrung gemacht, dass das jemand interessiert?“, fragt der Ältere. „Noch nicht.“ „Verstehe.“
VOODOO RUDI (Alex Dreppec) Ich spiel im Schilf mal mit dem Wolf Golf und ich surfe in dein Dorf, stopf ihm den Kopf dort in den Napf und pul' dir Schorf in den Torf. Ich hol' die Quaste aus der Kiste und die schwarze Schuhpaste und schmier' sie dir auf jede weiße Hausklaviertaste. Ich werd' im Puppenschuppen Pappattrappen mit Pappmachee zusammenpappen, dann steck' ich sie zusammen und beim Poppen wird man euch ertappen. Verdienst du gar Tadel durch unedles Gehudel dann triffst du dein Mädel mit genadelter Nudel. Ich bin Voodoo-Rudi und als Meister gepriesen denn wenn ich erkältet bin, dann musst du niesen. Ich sammel' Elchmilch im Molchkelch, ohne Riegel, ohne Zügel, ich habe keine Flügel doch ich kugel' mich vom Hügel. Mit glänzenderen Wanzen übertret' ich die Grenze, esse feister Bonzen fette Minzepflanzen zur Gänze. Ich zerdübel' voll Jubel Nobelmöbel im Nebel und hobel' (knebel') den Pöbel mit verkabeltem Säbel (übel) hat er vor Munkelgeplänkel Dünkel im Dunkeln sprenkel ich den Onkelpinkel voll mit Furunkeln. Ich bin Voodoo-Rudi und als Meister gepriesen denn wenn ich erkältet bin, dann müsst ihr niesen.
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RAUM UND ZEIT (Ulrich Kersten) in den Neunziger Jahren, als Telefonzellen noch ein intimer Ort gewesen sind und ich abends an die nächste Ecke ging um zu telefonieren weil es ab um Acht billiger war und sich vor den beiden Telefonzellen immer Asiaten und Araber versammelten um in ihrer Heimat anzurufen,
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jedenfalls in meinem Viertel, und trotzdem es in den Zellen meistens nach Pisse oder Bier stank und entweder die Flaschen oder die Scheiben der Zelle in Scherben am Boden lagen waren es oft Orte der Freude und des Glücks und für einen kleinen Moment ein Raum großer Emotionen, wenn man unter sich blieb, oder aber seine Fragen und Antworten wieder mit nach Hause nehmen musste weil ein betrunkener und tätowierter Typ die Zellentür aufriss und dich gnadenlos aus der Zelle prügelte weil seine Zeit keinen Aufschub duldete
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NICE PEOPLE by Jim Nisbet My Aunt Ida had a well-earned reputation for her sharp tongue. But since she was mother to five of my cousins and lived outside a diminutive town in South Carolina, twenty miles and a world away from the played-out cotton wastes where I grew up in North Carolina, I wasn't often on the receiving end of her opinion. As with handcuffs, however, once can be enough. When my first novel appeared its first page contained an infamous line, set off by itself in italics. I've always wanted to skin a woman. Even as I thought it up and before I typed it, I knew this line would haunt me for the rest of my life. As indeed it has. Ida made this discovery for herself. Hearing through the family grapevine of the book's publication, she drove forty miles and across the line dividing the two Carolinas, all the way to Charlotte, which might as well have been a full parsec away, to find a bookstore big enough to carry The Gourmet, and bought every copy they had. All five of them. Safely back in South Carolina, Aunt Ida settled into a chair with a Scotch and cigarettes and The Gourmet, ready to while away the evening reading a murder mystery, with the extra perk that this particular novel had been perpetrated onto the world by one of her very own nephews. This was a traditional or perhaps even a genetic ritual for Ida. Her mother, Miss Quintard, whom everybody called Ma-Tard, had also loved her cigarettes, her sherry, and her murder mysteries. I retain an indelible memory of Ma-Tard enthroned in her wheelchair in a cool corner of the living room of Ida's rambling house. On either side of her, a stack of paperback mystery novels rose until level with the arms of the wheelchair: all the Elerly Queens, all the Perry Masons, all the Agatha Christies, all the Nero Wolfes. A quick calculation based on twice a 28-inch wheelchair-armrest height, divided by 11/16 of an inch (the thickness of the spine of the first mystery that comes to hand on my desk, Walter Moseley's A Red Death) equals roughly eighty volumes. Always, on top of the right hand stack, there was an ashtray heaped with butts. Atop the other stack was a deck of nails, as Mickey Spillane never tired of describing them, and a book of paper matches whose folding cover advertised a local fish camp. Like all genre readers Ma-Tard had her passionate favorites -- I believe Earl Stanley Gardner was one -- and, like them too, she read indiscriminately within her chosen milieu at an alarming rate, five or six titles a week, year in and year out. Also, like many such readers, Miss Quintard could rarely differentiate between one story line and the next or the last, a curious phenomenon I had noted as a child, having voraciously consumed all the hard-boiled Matt Helm adventures, as well as those by Mickey Spillane and Arthur Conan Doyle, when I found I could never quite recall an entire plot specific to any one of them. I could remember the phosphorescent jowls of the 18 Hound of the Baskervilles, but not how Holmes and Watson discovered them. And was Moriarty in that episode at all?
Miss Quintard had moved in with her daughter and son-in-law and five of her grandchildren, there to pleasantly while away her last disabled years in reading murder mysteries, chain-smoking, sipping sherry, and talking. Like her daughter she had a fast mind, like all of us she loved to talk and to read. By grim hindsight accreditable to more contemporary forms and practices of geriatric care, Ma-Tard landed in a righteous place -- a paperback face down on the fringed plaid blanket that covered her lap, her unkempt thinning hair coronaed by tobacco smoke and the humidity of a brooding summer afternoon, her wheelchair framed by the proscenium of cheap novels, a veritable temple to the paperback revolution, with its Madonna, whose incense comprised of match sulfur, cold ashes, the musky tang of evaporating sherry, and the foetid pungency of moldering paper pulp, uniquely encouraged toward rot by the fungal Carolina ecology, whose choir consisted of mockingbirds and cicadas. Miss Quintard had passed on by the time Ida's story entered the family lore, instantly, that, only a few pages into her nephew's novel, The Gourmet, Ida recoiled in shock and horror at the language and events retailed there, and proceeded to shove that copy and its four brethren under the guest-room bed as far as possible, certainly beyond the antique enameled chamber pot, and resolutely refused ever after, no matter the prodding, to discuss the book at all, or even to mention it by name. Most of the family were under the impression that I was lucky Ida continued to talk to me. Ten years later I ran into Ida at her youngest son's second wedding, which took place at my sister's home in Bolinas, California. As we chatted about this and that aspect of the ceremony, the bride's mother appeared, introduced herself to me, and excitedly declared that she had read The Gourmet, had enjoyed it thoroughly, and was thrilled to be now related by marriage to its author. "Oh," Ida grimaced, and tapped the ash off her cigarette, "that awful book." Startled by this unexpected rebuke, the newest member of the family looked to me for salvation. "Ida," I suggested pleasantly, "don't you imagine that Miss Quintard, too, would have been proud to know that she had a mystery writer in the family?“ "Jimmy," Ida replied, "in your Ma-Tard's day, murderers were nice people."
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STERNE KOTZEN (Michael Zoch) ein kleiner kriegerischer tag inmitten geschiedener leute ein sittenstrolch am eierschaukeln im flachland vor kaufhof drei ehenutten mit wichsfleck im herzen auf den straßenbahnschienen hysterische geister bis an die zähne bewaffnet ein schneekranker himmel seit gestern nacht am sterne kotzen
EIN VORZEIGBARES MÄDCHEN (Enno Ahrens) Werde bei Bedarf hervorgeholt, artgerecht aus dem Kulturkarton; an ihm stoße ich mich nicht, hüte meinen Body für euch, den Kopf fürs Abitur; meine Claims sind abgesteckt; keine realen Experimentierfelder, um mich zu erstellen. Ich vergelte es euch, mit meinem Beerencocktail gehe nicht zu den Punks eure Grabhügel sind meine Beete, geziert der imaginäre Lustgarten mit den Früchten eurer Erwartung, zornige Tollkirschen, die aus euren Bäuchen sprießen.
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Between Pain and Paradise
Photo by Tracie Smith
AN INTERVIEW WITH STEVE-O
Here comes one of the most screwed up clowns on the planet. He fell hard – many times, been bad - even more times, spent years of heavy alcohol and drug abuse - just to come back up on his feet ready for more front and backflips - right out of hell. Recently he © 2012 by ???show published his biography. Here‘s a little talk with Steve-O (known from the MTV „Jackass“) about his life and his book: LV: How was your day so far? SO: My day has been great, I woke up at 5:00am and went surfing with a good friend. I've gone surfing every day this week and I'm loving it. LV: Sitting in jail and starting writing his memoirs about getting famous is probably one of the classic ideas of the American Dream. Is Steve-O a product of the american dream? SO: I suppose I could be considered a product of the American dream, but I've never thought of myself that way. LV: You are saying in your book that back in the days most times you needed an audience. Do you crave the solitude nowadays more often than before? SO: I wouldn't say that I crave solitude now, but I definitely don't feel the need to perform for people quite as constantly as I used to.
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LV: You moved a lot of times during your childhood. Do you still feel like a restless man? SO: Restlessness is something that I still experience quite a lot, yes. LV: Your childhood was a mixture of wealth and tragedy. This dangerous combination grabbed you again years later as a young man. In your most desperate moments after your success with Jackass how often did you remember your days back in your parents' home? SO: In my desperate moments after jackass I thought of my mother a great deal of the time, but I don't remember thinking of my childhood very much. LV: You once thought about suicide with gassing yourself in your car but you didn't have enough money for fuel to actually do it. I think this is the most ironic part in the book. Do you believe in something like fate? SO: I very much believe in fate, yes. LV: Did you get your Ringling-Bros. Clown costume back after your lost your car to the cops back in the days? SO: I never got that costume back, no, but a replica of it was made for me to wear in a scene in National Lampoon's TV: The Movie. LV: You are going to be 38 in June. When you look at younger fellas nowadays, is there one thing you totally hate about this new generations of teens? SO: I don't hate anything about kids today. What I find surprising about being almost 38 years old is that it's so similar to being a kid. I thought that being adult would cause me to think and feel differently, but it really doesn't, it's more like I never grew up. LV: Jackass might have put dangerous and crazy ideas into young people's heads but on the other hand it also might have helped people not feeling weird about being something of a freak. Would you agree? SO: I hear people tell me that a lot, and I never argue about it. LV: What would you consider more dangerous. Being a stuntman or being a drug addict? SO: I think drugs kill a lot more people than stunts do.
22 Photo by Mike Carano
LV: Who would you consider the most craziest person on the planet? SO: Maybe the guy I shared a room with in the psychiatric ward. LV: You seem to have dealt with regrets in a positive way and you certainly didn't worry about many things too much. Is this the secret of your success? SO: I'm grateful for everything I have to regret, because it made my life so bad that I finally changed for the better. LV: Who was the first person you wanted your biography to read? SO: My father and my sister, it was important to me that they read it, because I didn't want to hurt them with it. Luckily, they handled it all much better than I expected. LV: For young famous people there is sometimes a thin line between a young rebellious man who just doesn't care and a selfish young asshole who thinks he got it all. How often did you cross that line? SO: I crossed that line plenty of times. LV: What makes Steve-O cry? SO: Animal abuse. LV: What was more the reason you wrote that book. To find a way to deal with guilt and apologize or to give once again your final "fuck you" to the world? SO: I deliberately lived a crazy life because I wanted to be a memorable person. Having lived that way taught me a great deal that I think I wanted to share. LV: When you look back to all the partying, and drinking and using a lot of drugs. How clean and free from all of that do you feel now? SO: I feel very clean and free today, but only because I work to maintain that freedom. LV: What comes up next for Steve-O? Writing another book? Making another movie SO: We'll see, I filmed a new tv show and I've been doing stand up comedy. Maybe I'll stop doing stuff like that and just surf all the time, who knows? In dieser Autobiografie schildert Steve-O sein verrücktes Leben, seine Ausschweifungen, die Drogenabhängigkeit und seinen Weg zur Genesung mit dem gleichen abgedrehten Humor, den so viele Menschen an ihm mögen. Erschienen im Riva Verlag, 336 Seiten, 19,99 Euro ISBN 978-3-86883-198-6 Mehr Infos unter www.rivaverlag.de
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Photo by Eamon Hamilton
The
Beauty and the
Beasts AN INTERVIEW WITH KOREN ZAILCKAS Have a drink with me and have a read with me. Author Koren Zailckas goes deep inside a troubled heart, being dazed and being confused about the world and all its little miracles, filled with bottles of whisky and wodka, fighting with demons who doesn‘t care if tomorrow comes. How much rage and how many drinks can a life take before it collapses? Korens stories can bring you closer to the answer to that question. In the following interview she talks about books and booze – mixed with a little rage. LV: You wrote a book called “Smashed” in early 2006. It’s about your heavy abuse of alcohol druing your teenage years. When did come to the point where you said: I have to write the story down now? KZ: I was reading so many stories in the news about “girls of my generation,” and how we were drinking so much more than generations of women who’d gone before us. The authors were always suggesting that this rise in binge drinking was a result of “girl power”--because girls like me wanted to prove we could do anything boys could do, including matching them drink for drink. I thought this was nuts and really off-base. In my own experience, drinking wasn’t a competitive sport. It was often an expression of my unhappiness or my lack of confidence, particularly in social situations. I wanted to offer the young person’s perspective. Because the only people who were talking about drunk girls where shriveled, old, balding white men or people who were too far removed from the college experience. 24
LV: When you look at “Smashed” today, what comes to your mind first? KZ: Spontaneity. “Smashed” was this utterly impulsive (and compulsive) book. I wrote the whole thing in four months. I scribbled morning and night, and sometimes didn’t talk to anyone for days at a time. I couldn’t stop writing until I’d penned my first drink, my last drink, and every mortifying blackout in between. I’d recently quit drinking, so I was desperate to understand and come to terms with the large part alcohol played in my youth. Also, because I never imagined anyone would read Smashed, the writing is pretty unselfconscious. When it’s good it’s really good, and when it’s bad it’s pretty bad. But eight years later, I still proudly stand behind “Smashed.” It’s not phony, or fiddle-y, or full of itself like so much of the writing that comes out of American M.F.A. programs where young writers conform to literary fads and fashions of the moment. There’s no point in writing a polished or overly clever coming-of-age story. That’s not true to life.
LV: For people who haven’t read “Fury” yet. Why should they definitely take a look at this after they read “Smashed”? KZ: For people who relate to “Smashed”--because they were alcoholics, addicts or teenage wasters like me-- “Fury” is the next frontier in recovering from youthful excess. In abstinence, I didn’t really find it difficult to avoid alcohol. I didn’t crave booze. I didn’t fantasize about it. I did, however, find myself screwing up a lot of relationships. I was so out of touch with my emotions--repressed childhood anger in particular--that I couldn’t even recognize when I was feeling it, let alone communicate it to the people around me. “Fury” is the story from how I went from a feeling-stuffing people pleaser to the kind of raving lunatic who karate-chops cabs and cusses out old ladies. Ultimately, along the way, I learned how to trust anger, embrace it and, mostly, express the feeling appropriately.
LV: Your books deal with problems that are not unusual but still in many ways taboo. Why are some people more willing to play with the devil than others? KZ: Quite honestly, in my case, I was raised by a narcissistic mother who could, on occasion, act pretty downright demonic as a result of the childhood abuses that she herself suffered. If you grow up with the devil, some demons (alcohol, date rape, public humiliation at your own hand) doesn’t seem that hellish by comparison. I grew up in a family that didn’t really value frankness or two-way communication, so in my adult life I’m attracted to verboten topics. If people aren’t talking about something, I have this compulsive need to draw attention to the subject and figure out why.
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LV: When you hear “lost youth,” what do you think about? KZ: I think about people who were denied something crucial in their youth. They were denied affection, maybe. Or unconditional love. Or feelings of relative safety. Some weren’t allowed to be dependent on their parents. Others weren’t allowed to test their independence, question authority or express their emotions. Whatever happened, adults violated their trust. Maybe they had to take care of their parents psychologically, emotionally or, even, physically. I guess you could say the phrase makes me think of “youth” who “lost” the opportunity to be spontaneous kids--to be silly, to be show-off-y, to be stubborn, or fickle, or a poor sport. These are every kid’s rights. They’re normal and even crucial to human development. LV: What helped you most during times of drinking, inner rage and feeling just fucked up? KZ: Writing. Creativity. I feel like no matter what shitty thing happens in my life, I can always write about it. In memoir, I can try to make sense of bad luck or trauma. In fiction, I can use those strong emotions to find understanding or empathy for my characters. Either way, I can be in control of the ordeal. I’m no longer the victim or the fall guy. Or maybe I am, but I also get to be the sadist, the sage and occasionally the person who comes to my own rescue. LV: Which writers and books have been always good friends to you so far? KZ: Mary Karr, author of The Liars’ Club, Cherry and Lit, has been an incredible mentor and inspiration to me. When everyone else in my life was pushing me to go into a “safe” career, like being a dental hygienist, Marywas the first and only person who convinced me that it is possible to make a career out of creative writing. On top of that, I think she’s just the best living American memoirist. It’s hard to find another writer with more self-awareness or a better sense of humour. One gets the sense that you can’t say anything about Mary that she hasn’t copped to herself in a wonderfully hilarious and very wise way that gives other people hope. Other books I live for include Daphne Du Maurier’s “Rebecca,” Donna Tart’s “Secret History,” Nabokov’s “Lolita,” Cormac McCarthy’s “The Road.” I’m probably giving away my own dark psychology with that reading list. Oh well. Some day, some way, I’d love to write something half as perfect as any of them. LV: There were around 4 years between the realease of “Smashed” and “Fury” which was out in 2010. Does that mean people have to wait til 2014 til your next book is out? KZ: Isn’t that terrible? My process with “Fury” was really out of character. I experienced a lot of writers block because “Fury” required me to write really honestly about the screwed-up family I’d always tried to keep out of my past work. But I’m back to writing at lightning speed, and my next book (my first novel) is nearly finished. In general, I prefer to write books on a Stephen King time scale. In “On Writing,” the original Steve-O says a first draft shouldn’t take more than four months.
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LV: Where do you find your inspiration to actually sit down and write? KZ: In the best of times, writing almost feels like a biological need. Like, if I’m not working on a book, I get creative blue balls. I feel pent-up and mental, and I’ll find some other totally exhaustive, obsessive-compulsive, time-consuming project to fill my days. Like, I’ll decide to reupholster every stick of furniture in the house or put every item in our pantry into clear glass jars. Loafing causes me severe anxiety. So I guess, fear of relaxation drives me to write. Even when I’m not necessarily feeling the process, there’s always the memory of creative flow. I try to keep showing up at the same time and place every day so inspiration knows where to find me.
LV: Will you keep being a writer or do you have other plans for the future? KZ: I intend to keep writing books until I’m on the other side of the grass. Whether other people will keep publishing or reading them is another question entirely. I’m kind of a lapsed Catholic, but occasionally, I find myself praying that I don’t have to return to a regular nine-to-five job. I’m pretty much totally unemployable. Before “Smashed,” I was a shit secretary. My boss would come in from a meeting and ask, “Where’s that form we talked about?” And I’d unironically reply, “Um, I don’t know. Do you remember when you last saw it? Maybe you should retrace your steps?” Thanks, Koren!
Smashed: Story of a Drunken Girlhood Viking Adult, ISBN 978-1419353239, 368 Seiten, ca. 12 Euro (nur in Englisch erhältlich)
Fury: True Tales of a Good Girl Gone Ballistic Penguin (Non-Classics), ISBN 978-0143120377 352 Seiten, 11,35 Euro (nur in Englisch erhältlich)
More about Koren Zailckas at www.korenzailckas.tumblr.com
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mit literarischem Scharfsinn analysiert unser Meisterrezensent Al Bücher, die ihm in letzter Zeit in die Hände gefallen sind…
Der König der Kurzgeschichten ist zurück oder besser gesagt, noch immer da. Ungekürzt und neu übersetzt. Über ein Raymond Carver Buch gibt es eigentlich nichts zu sagen, außer, dass es gelesen werden muss. Tut es also, ihr werdet es nicht bereuen. Raymond Carver, Beginners Fischer Verlag, ISBN 978-3100101501 , 360 Seiten, 21,99 Euro
Sie sind jung und gewissenlos, treiben was sie wollen, machen ihre ersten Erfahrungen mit Sex, Drogen und Partys. Jugendliche Kleinstadt Rebellion in Palo Alto, geschildert von Schauspieler James Franco (127 Hours). Seine Stories über das Leben als Teenager sind ehrlich und gradlinig erzählt. Einfach mal lesen. Was kann schon passieren? James Franco, Palo Alto Eichborn Verlag, ISBN 978-3847900092 , 224 Seiten, 16,99 Euro
Menschliche Abgründe in der heißen Metropole von Los Angeles. Eine Mischung aus modernem Noir und bitterböser Verliererstory. Leute mit einem empfindlichen Magen sollten vielleicht nicht weiter als Seite 20 lesen. Alle andere können eintauchen in die Tiefe der kalifornischen Hölle. Sex, Drogen und zerstörte Träume in einer whiskeyverseuchten Blutlache. Cheers, Freunde! Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Matthew Stokoe, High Life 28 Arche Verlag, ISBN 978-3716026748 , 380 Seiten, 19,95 Euro
Schon nach dem Prolog weiß man, dass man auf dem besten Wege ist, einen ganz großen Roman zu lesen. Pollocks „Handwerk“ ist ein absoluter Hammer, umgeben von einer wundervoll morbiden Stimmung mit großartig gezeichneten Figuren. Die Sinne werden geschärft, die Spannung steigt. Der Dreck des mittleren US Westens fliegt einem um die Ohren und der salzige Geschmack des heißen Blutes, das durch dieses Werk fließt lässt einen nicht mehr los. Absolut empfehlenswert! Eines der besten Bücher der letzten Jahre! Donald Ray Pollock, Das Handwerk des Teufels Liebeskind Verlag, ISBN 978-3935890854, 302 Seiten, 19,80 Euro
Das Frank Schulz mit Worten umgehen kann, dass beweist sein Debüt allemal. Es wird derb-komisch mit einem kultigen MöchteGern Detektiven, der so ein wenig die Mischung aus Herr Lehmann und einem abgewrackten Schimanski ist. Aber vorsichtig, wer einen soliden Pulp-Krimi erwartet, wird enttäuscht werden. Wer kurzweilige Unterhaltung mit Kiezkomik wünscht, kommt auf seine Kosten. Frank Schulz, Onno Viets und der Irre vom Kiez Galiani Verlag, ISBN 978-3869710389 , 366 Seiten, 19,99 Euro
Don Winslows Geschichten haben an schwülen Nachmittagen mit einer eisgekühlten Rumcolamischung noch nie geschadet. Der Autor zieht den Leser in seine Story wie ein Voodoopriester und lässt ihn schwitzen. Der Titel passt wie die Faust aufs Auge und auch davon gibt’s genug – die vielen Drahtseilläufe seiner Charaktere runden die Sache perfekt ab. Das Buch ist wahrlich ein Erlebnis, ohne Frage. Don Winslow, Die Sprache des Feuers Suhrkamp Verlag, ISBN 978-3518463505, 419 Seiten, 14,99 Euro Die junge Autorin Lisa Kränzler schafft mit der jungen Lisa Kerz eine Figur, die, wie schon so viele andere das Erwachsenwerden begreifen muss. Dies tut sie tausend Meilen von der Heimat entfernt, im kühlen Kanada. Klingt ein wenig nach Teenieschmonzette. Doch der Roman überrascht. Kein billiges Schulmädchengesülze, sondern klare Worte über eine Zeit, die manchmal so überhaupt keinen Sinn ergibt. Guter Export! Lisa Kränzler, Export A Verbrecher Verlag, ISBN 978-3943167030, 29 265 Seiten, 21,00 Euro
LV‘s
am 4. Juli ´80 in Iowa geboren. Zieht herum, schreibt Geschichten.
Penny Weiss
1983 in Hannover geboren. 2007 – 2011 Studium der Philosophie und allgemeinen Sprachwissenschaften in Göttingen. Lebt und schreibt derzeit in Berlin.
Maik Gerecke
Jahrgang ‚78. Lebt und arbeitet als Freie Autorin und Fotografin in Hannover. http://anna-maria-muhi.jimdo.com
Ana Marija Muhi
Baujahr 81, Mitherausgeber des Straßenfeger. Keine Bestseller, keine Preise, kein Intellektueller
Marcus Mohr
lebt in essen. seit 1992 kontinuierlich veröffentlichungen von hauptsächlich lyrik in fanzines, zeitschriften, anthologien, tagespresse. mehrere einzelbände, u.a. DAS LAND GEFÄHRDEN sowie STÖRUNG MENSCH. von 1995 - 2006 hrsg. der zeitschrift ratriot sowie der einzeltitelreihe ratriot-medien. laut seinem verleger "der einzige richtige ruhrpott-rimbaud."
Urs Böke
geb. 1963 in Ostberlin, ist Herausgber der Zeitschrift: "Drecksack – Lesbare Zeitschrift für Literatur". Als Autor hat er mehrere Gedichtbücher verfaßt, das letzte: "Ausgemistet - Gedichte von 1989-2011„ erschien im Verlag Peter Engstler. Weiteres unter: www.edition-luekk-noesens.de
Florian Günther
Geboren 1981. Lebt und studiert in Salzburg. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien
Johannes Witek
*1968, Gedichtband "Die Doppelmoral des devoten Despoten" (Eremiten-Presse, 2003), Hörbuch "Metakekse", u.v.a. in "Der Große Conrady" (Neuauflage 2008), W. Busch-Preis 2004. www.dreppec.de
Alex Dreppec
Jahrgang 47, Autor von zwölf Romanen und mehreren Lyrikbänden. Verlegt wurde seine Romane iu.a. in Japan, Frankreich, Italien, Polen und Russland. „Dunkler Gefährte“ wurde für den Hammett-Prize nominiert. Er lebt mit seiner Frau in San Francisco.
Jim Nisbet
geboren 1971 in Prenzlau, lebt seit 1989 in Erfurt, Tätigkeiten u.a. als Bibliotheksassistent, Galerieassistent und Grafiker.
Ulrich Kersten
*1966, nach einem abgebrochenen Studium der Philosophie, Publizistik und Romanistik u.a. tätig als Bauarbeiter, Pizzabäcker, Chemie-kalienabfüller, Rundfunkreporter, Nachtportier, Filmtexter. Dozent in den Fächern Deutsch, Englisch und Geschichte.
Michael Zoch
Jetzt in Springe/Deister lebend. Zeichnet Cartoons und malt. Veröffentlichungen von KG, Gedichten und Haikus seit 2003 durch sporadische Teilnahme an Wettbewerben/ Ausschreibungen.
Enno Ahrens
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