Kirche und Welt 4/2017

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04/2017 MI T

Kirche und Welt

Soziologen beschreiben die religiöse Landschaft in der Schweiz

Letzte Autorität in Sachen Religion? Ich! Seite 8–9

Jesus ist Herr

Herausfordernd einfach

Zentralkonferenz in Zürich Seiten 4–5

Drei Regeln, die das Leben verändern Seite 16–17

The United Methodist Church

Persönliche Entwicklung ist auch Chefsache Philipp Nussbaumer und die «streetchurch» in Zürich Seite 22–23


INHALT

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Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa vom 8. bis 12. März in Zürich

Heidi Streiff über die Feier in Biel und Makedonien

Jesus ist Herr

«Weltgebetstag? – Für mich eine tolle Sache!»

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Der Förderverein ProJungschar

Drei Regeln, die das Leben verändern

Die Jungschar finanziell unterstützen

Herausfordernd einfach

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Kirche sein im 21. Jahrhundert

Der Vorstand beschliesst eine Neuorganistation der Zentralen Dienste

«Das Evangelium ist kein Handelsgut!»

Innovation stärken

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Soziologen beschreiben die religiöse Landschaft in der Schweiz

Wofür schlägt Dein Herz, Marc Berger?

Letzte Autorität in Sachen Religion? Ich!

Philipp Nussbaumer und die «streetchurch» in Zürich

Thesen zum Kirche-Sein in der Schweiz heute

Lernorte religiöser Vielfalt

11 Biblische Assoziationen zu den Thesen von Urs Rickenbacher

Mit Jesus im Gespräch über den Glauben

12 Tongai Chitsamatanga – ein junger Arzt mit einer klaren Vision

Knochenarbeit in Simbabwe

14 Tag der offenen Tür im Neubau der Diakonie Bethanien

Ein Haus voller Leben Kirche und Welt

Liebe, die uns aus den Kirchengebäuden treibt

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Persönliche Entwicklung ist auch Chefsache

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Kirchen-Gezwitscher Eine kleine Blütenlese aus der Timeline der EMK Schweiz auf twitter. Folgen Sie uns unter @EMKschweiz!

Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Meine Frau arbeitet als Seelsorgerin in einer neurologischen Rehaklinik. Eine Aufgabe, die auch Einblicke in eine wachsende religiöse Vielfalt gewährt. «Ich bin ein reformierter Atheist», sagte ihr neulich jemand. Eine andere Person sagte, sie sei jüdischen Glaubens, lebe das jedoch als «JuBu» – also in einer Verbindung von Judentum und Buddhismus. Daneben gibt es viele, die noch zu einer Kirche gehören, aus unterschiedlichen Gründen jedoch schon länger keinen Kontakt mehr haben. Und es gibt solche, die bewusst zu einer Kirche gehören, manche zu einer Freikirche. – Die «religiöse Landschaft» ist bunt geworden, auch in der Schweiz. Das fordert heraus. Nicht nur meine Frau bei ihrer täglichen Arbeit, sondern uns als Kirche: Wie können wir heute Jesus Christus bezeugen? Von aussen gesehen, sind wir ein «Anbieter» im vielfältigen «Markt der Möglichkeiten», der in «Konkurrenz» mit anderen «Anbietern» seine «Dienstleistung» feil bietet. Meine Frau sucht die Menschen dort auf, wo sie sind, und kommt mit ihnen über das ins Gespräch, was sie bewegt. Dann kann es schon einmal geschehen, dass jemand, der sich selbst als Atheist bezeichnet, am Sonntag plötzlich bei ihr im Gottesdienst auftaucht. «Ich bin wegen Ihnen hier», sagt er. Da ist in der Begegnung offenbar für beide Seiten Wesentliches geschehen. «Glinus» – «gläubig in unserem Sinne» – ist die Person deshalb nicht …

Sigmar Friedrich Redaktor

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ZENTRALKONFERENZ

Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa vom 8. bis 12. März in Zürich

Jesus ist Herr nur für die sehr vielseitige Gestaltung der gottesdienstlichen Feiern und der Gebetszeiten an der Zentralkonferenz verantwortlich. Sie legte auch einen umfassenden Bericht über ihre Arbeit im vergangenen Jahrviert vor und unterbreitete der Zentralkonferenz verschiedene Anträge. Darin ging es um eine Festlegung der Grundelemente methodistischer Gottesdienste (ankommen, hören, teilen, weitergehen), um die Förderung der Mahlfeier und um die Erarbeitung eines Konzepts für Pilotprojekte mit Gemeinden, die Erfahrungen mit der bewussten Gestaltung dieser elementaren Gottesdienstform und der Förderung der Mahlfeier machen wollen. Auch das gemeinsam gefeierte Abendmahl drückte die Verbundenheit aus.

 VON URS SCHWEIZER

Aus über 20 Ländern Europas, Nordamerikas und Nordafrikas hatten sich rund 110 Männer und Frauen aufgemacht, um an der Tagung der Zentralkonferenz von Mittelund Südeuropa vom 8.-12. März in Zürich teilzunehmen. Im ge meinsamen Feiern, Beraten, Austauschen und Erzählen wurde dabei ein grosser Reichtum sicht- und

von ganzem Herzen zu lieben, und der Folge, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Mit dem neuen Thema «Bietet ihnen Christus an!» baute er darauf auf. Als von Christus Ergriffene ist es – gerade auch in den Veränderungsprozessen dieser Zeit – unser Auftrag, von der Hoffnung zu reden, die in uns ist. Zuhörend, respektvoll, selbstkritisch, einladend, friedensstiftend und nahe bei den Herzen der Menschen.

erfahrbar.

Das für die Tagung gewählte Thema «Jesus ist Herr» machte deutlich, dass es über alle Verschiedenheit hinweg etwas gibt, das alle diese Menschen eint. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Bischofsbotschaft Vor vier Jahren hatte Bischof Patrick Streiff seiner Botschaft Wesleys «Kennzeichen eines Methodisten/einer Methodistin» zugrunde gelegt und vom Dreischritt der Liebe gesprochen: von der Erfahrung der Liebe Gottes zu uns, der Befähigung, Gott

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Wahlvorbereitung 2021 wird Bischof Streiff in den Ruhestand treten. Ein neuer Bischof oder eine neue Bischöfin wird dann gewählt werden. Nach längerer Diskussion beschloss die Zentralkonferenz, ihr Reglement so zu verändern, dass das Exekutivkomitee neu die Möglichkeit hat, einen transparenten Vorbereitungsprozess für die entsprechende Wahl festzulegen. Die Details eines solchen Prozesses müssen noch ausgearbeitet werden. Gottesdienste Die Arbeitsgruppe Liturgie war nicht

Soziale Grundsätze Die an der Generalkonferenz 2016 veränderten Sozialen Grundsätze sollen gemeinsam mit der EMK in Deutschland übersetzt und im Jahr 2018 dem Exekutivkomitee zur Annahme vorgelegt werden. Internationale Begegnungen Gerade im Bereich der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Frauen gibt es vielfältige grenzüberschreitende Veranstaltungen und Beziehungen. Dies macht deutlich, dass die Zentralkonferenz nicht nur eine Organisationsform ist, sondern ein lebendiger Organismus des Lernens, des Teilens und gemeinsamen Unterwegsseins. Der Mission Summit des Partnerschaftsprogramms «In Mission Together» (6. bis 8. Oktober 2017 in Prag/CZ) sowie das Europäische Methodistische Festival «Staunen!» (9. bis 13. Mai 2018 in Cuxhaven/DE) sind zwei internationale Veranstaltungen, die allen Interessierten eine solche Erfahrung ermöglichen. Wer die Verbundenheit lieber von zuhause aus leben möchte, kann noch bis Ostern 2017 auf eine erneut herausgegebene Broschüre mit Andachten aus


fast allen Ländern der Zentralkonferenz zurückgreifen (s. Box). Länderberichte Die Beratungen wurden immer wieder unterbrochen durch Länderberichte und informative Grussworte aus Nordeuropa/Baltikum, Eurasien, Grossbritannien, Portugal, Italien, Deutschland, USA. Diese liessen etwas von den Herausforderungen erahnen, mit denen die Kirche an verschiedenen Orten konfrontiert ist. Vor allem aber machten sie deutlich: Wo Menschen bereit sind, sich von der

Liebe Gottes prägen zu lassen und den manchmal schwierigeren Weg der Liebe zu gehen, kann Gott durch sie Hoffnung schenken und Leben neu erblühen lassen.

MEHR ENTDECKEN Die Bischofsbotschaft 2017 steht im Internet zum Download bereit. (Kurzlink: is.gd/Botschaft_2017) Auch die Andachts-Broschüre kann im Internet heruntergeladen werden. (Kurzlink: is.gd/Andacht_2017)

WEITERE THEMEN KURZ GEFASST • Die Delegierten stimmten einer Gemeinschaftserklärung mit den methodistischen und wesleyanischen Kirchen in Europa zu, die einer an vielen Orten schon lange stattfindenden Zusammenarbeit einen offiziellen Rahmen gibt. • Das seit Jahrzehnten zu kontroversen Gesprächen und Auseinandersetzungen führende Thema der menschlichen Sexualität wurde zwar in der Bischofsbotschaft und in einem Bericht aus der Kommission «Ein Weg in die Zukunft» angesprochen, ansonsten aber nicht im Plenum diskutiert. • In der Gedächtnisfeier wurde an zehn mit der Zentralkonferenz verbundene Männer erinnert, die im letzten Jahrviert verstorben waren – auf besondere Weise an Ferenc Javor (HU), Daniel Husser (FR) und Bischof Franz W. Schäfer. • Für die Thementage 2018–2020 wurden mehrere Vorschläge eingebracht, in deren Kern es um ein- und ausschliessendes Handeln geht – in Bezug auf Kommunikation und Sprache, auf Reich und Arm sowie auf Mann und Frau.

Die Tagung fand im Zentrum Zelthof der EMK in Zürich statt.

Agenda SAMSTAG, 1. APRIL «Eintauchen» 5. Impulstag fresh expressions 9.00–16.00 Uhr Evangelisch-reformierte Landeskirche Hirschengraben 50, 8001 Zürich Kosten: CHF 100.– Infos / Anmeldung:

www.freshexpressions.ch

SAMSTAG, 8. APRIL Mit Demenzerkrankung leben Fachtgagung Leben 55 plus 9.15–16.00 Uhr Chrischona-Campus Basel Kosten: CHF 75.– Infos / Anmeldung: Fachstelle Bildung+Beratung, 044 299 30 87, bildungundberatung@emk-schweiz.ch, www.emk-bildungundberatung.ch/413 SAMSTAG, 15. APRIL Pilgern auf dem Jakobsweg Werthenstein–Willisau ab 9.45 Uhr Kosten: ab CHF 10.– Infos / Anmeldung: Fachstelle Bildung+Beratung, 044 299 30 87, bildungundberatung@emk-schweiz.ch, www.emk-bildungundberatung.ch/308 SAMSTAG, 29. APRIL Dynamo – Theologie für die Gemeindepraxis Spiritualität 9.00–17.00 Uhr EMK Zürich Zelthof Infos / Anmeldung: Fachstelle Bildung+Beratung, 044 299 30 87, bildungundberatung@emk-schweiz.ch SAMSTAG, 29. APRIL «Freiheit und Verantwortung» Studientag zu Bedeutung der Reformation heute 9.30–17.00 Uhr Theologische Hochschule Reutlingen (D) Infos / Anmeldung: Theologische Hochschule Reutlingen, 0049 7121 92590, info@th-reutlingen.de SA.–SO., 6.–7. MAI 50-Jahr-Jubiläum Ferienheim Honegg Infos:

www.ferienheim-honegg.ch

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JUNGSCHAR

ProJungschar

Der Förderverein ProJungschar

Förderverein JEMK

Die Jungschar finanziell unterstützen  VON ANNINA MEIER

Bereits über 200 Mitglieder zählt der

Förderverein

ProJungschar.

Dabei handelt es sich um Personen, die von der Tätigkeit der Jungschar EMK begeistert sind und die Arbeit finanziell unterstützen möchten. Mit den Mitgliederbeiträgen werden Projekte der Jungscharen unterstützt. 2016 konnten drei Projekte unterstützt werden.

Vor acht Jahren wurde aufgrund einer Initiative des Jungscharvorstands der Ehemaligenverein ProJungschar gegründet. Die Idee war, eine Gemeinschaft von ehemaligen aktiven LeiterInnen aufzubauen, die die aktive Jungschar unterstützen. 2015 wurden die Mitgliedsbedingungen überarbeitet, damit auch aktive LeiterInnen Mitglieder werden konnten. Seither sind die Mitgliederzahlen und entsprechend die Beiträge um mehr als das doppelte gestiegen. Dies ermöglicht ProJungschar, Projekte von Ortsjungscharen ebenso wie solche auf regionaler und schweizerischer Ebene zu unterstützen. Unterstützte Projekte Seit 2014 kommen zwei Drittel der Mitgliederbeiträge der Administrationsstelle des Jungscharsekretariats zugute. Die Aufgaben dieser Stelle

reichen von kopieren und Unterlagen Materiallager, das sie auch in ein Pfiverschicken bis hin zur Kursadmi- La mitnehmen können. nistration mit Jugend und Sport und gestalten sich dadurch sehr vielsei- Neue Anfragen tig. Die 50%-Stelle wurde geschaf- Für das Jahr 2017 hat das Organisafen, um die Fachperson Jungschar zu tionskomitee des Schnuppertages anentlasten. gefragt, ob ProJungschar den schweiMit den restlichen Einnahmen un- zerischen Schnuppertag unterstützt, terstützt der Förderverein in jedem damit den Teilnehmenden ein kleiJahr verschiedene Projekte. 2016 nes Andenken an den Tag mit auf den wurde das SchweiWeg gegeben werden zertreffen der Jungkann. Bis am 31. Mai haEin Bauwagen ben die Jungscharen noch schar finanziell unZeit, um weitere Projekte terstützt. Ebenso als mobiles einzureichen. Der Verein erhielt die JungMateriallager schar Waldkäuze ProJungschar freut sich, aus Bäretswil Unauch im laufenden Jahr terstützung. Diese baut einen alten die Jungschar finanziell unterstützen Bauwagen um zu einem fahrenden zu können.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE Verein ProJungschar, für all jene, die von der Jungschar begeistert sind und die Arbeit gerne unterstützen möchten. Mitgliederbeiträge: • Studierende: CHF 30.– • Einzelpersonen: CHF 50.– • Ehepaar: CHF 80.– Die Mitgliederbeiträge kommen neben der Finanzierung der Vereinsarbeit vollumfänglich der Jungschar EMK zugute. www.projungschar.ch >Verein >Mitgliedschaft

Mitgliederversammlung des Vereins «ProJungschar».

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AUS DEM K ABINETT

Etienne Rudolph: «Nehmen wir uns genügend Zeit, um zu überlegen, wie wir den Glauben verständlich unseren Mitmenschen sagen!»

Kirche sein im 21. Jahrhundert

«Das Evangelium ist kein Handelsgut!»  VON ETIENNE RUDOLPH

Hat die Kirche den Anschluss an die heutige Zeit verpasst? Und, falls ja, müsste sie, um «zeitgemäss» zu sein, immer den neuesten Trends hinterher laufen?

Man könnte das die «MacDonaldisierung» der Kirche nennen, bei der vier Grundregeln eine erfolgreiche Geschäftsführung versprechen: Effizienz, Berechnung, Vorhersage und Kontrolle. Warum sollte man das nicht auch auf die Kirche anwenden, um Erfolg zu haben? Bar oder Laden? Eine mögliche Konsequenz davon ist, dass die Spiritualität der ChristInnen zu einer Art «Barspiritualität» wird, die nach dem Motto funktioniert: «mischen, schütteln, probieren»! Die Kirche wandelt sich in eine Handelsgesellschaft, die sich weniger an den wahren Bedürfnisse der Glaubenden ausrichtet, als an den vermuteten Bedürfnissen ihrer KundInnen. Und schliesslich wird die Kirche so zu einem Selbstbedienungsladen, in dem die Glaubenden ihren «Einkauf» machen entsprechend ihrer eigenen

Wahl und Meinung. Wenn sie nicht mehr finden, was ihren momentanen Bedürfnissen entspricht, wechseln sie den Laden. Ein Religionssoziologe hat treffend festgestellt, dass das ein Verständnis der Kirche nach sich zieht, bei dem die Pfarrperson dann gut ist, wenn sie als ChefIn die Interessen der Kirche erfolgreich verwaltet. Gelingt das nicht, ist sie eine schlechte Pfarrperson. Komplexe Veränderungen Nun ist jedoch das Evangelium kein Handelsgut! Die PfarrerIn ist keinE GeschäftsführerIn! Glaubende sind nicht KundInnen! Der Segen ist kein Produkt! Die Kirche ist kein Unternehmen! Die Gesellschaft entwickelt sich, verändert sich und wird komplexer.

Manche fühlen sich durch diese Entwicklung entmutigt. Die Gefahr einer Abkapselung ist gross, weil wir keine Antwort finden auf diese Entwicklungen. Andere sehen hier eine gewaltige Herausforderung. Gefragt Nehmen wir uns als Kirche genügend Zeit, um zu überlegen, wie wir den Glauben auf kohärente Weise, konsequent und verständlich unseren Mitmenschen sagen? Warum ist die Kirche da, wo sie jetzt ist? Was sind die Rahmenbedingungen? Sind wir aufmerksam genug gegenüber der Welt, in der wir leben, um ihre Herausforderungen zu verstehen und eine Antwort zu wagen?

AUS DEM REISEKALENDER DES BISCHOFS IM APRIL 30.3.–2.4 6.–10.4 19.–23.4 ab 25.4.

Provisorische Jährliche Konferenz Bulgarien-Rumänien, Pleven BG Provisorische Jährliche Konferenz Serbien-Makedonien, Murtino MK Provisorische Jährliche Konferenz Ungarn, Dombovar Bischofsrat und weitere Gremien, Dallas-Fort Worth USA

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THEMA

Im Stadtbild sind die Kirchen noch markant präsent, für Glauben und Leben verlieren sie an Bedeutung.

Soziologen beschreiben die religiöse Landschaft in der Schweiz

Letzte Autorität in Sachen Religion? Ich!  VON URS RICKENBACHER

Das Lebensgefühl heute ist ein anderes als vor 50 Jahren. Werte haben sich verschoben. Die Wahlmöglichkeiten sind stark angewachsen. Die Kirche hat Konkurrenz erhalten: Einzelpersonen oder Einrichtungen

scheidungen schöpfen. In diesem Sinn leben wir heute in einer Ich-Gesellschaft.» (Stolz u.a., S. 10) Dass die Menschen mehr Selbstbestimmung erlangt haben, bedeutet auch, dass sie sich weniger von anderen (fremd)bestimmen lassen – zum Beispiel von der Kirche.

bieten ähnliches an. So beschreibt eine Studie des Soziologen Jörg Stolz

Konkurrenz für die Kirche und einiger KollegInnen (s. Box) die Zum schwindenden Einfluss der KirSituation in der Schweiz. Ein Einblick che haben zwei Faktoren beigetragen: in die Ergebnisse. Zum einen haben die Menschen mehr Möglichkeiten erhalten, wie sie ihr Le«Nie zuvor hat der einzelne Mensch ben verstehen und gestalten. Der Kireine solche Vielzahl von Entscheidun- che erwuchs Konkurrenz. Bedeugen in ganz eigener Sache treffen kön- tungsvoll ist dabei u.a. der nen, sei es in schuliWirtschaftsboom nach scher, politischer, dem zweiten Weltkrieg. Niemand darf ökonomischer, den anderen religiöse Die Menschen hatten Lebensstil betrefplötzlich mehr Geld zur Ideen aufzwingen Verfügung. Freizeitverfender, sexueller – oder auch religiöser halten und Mobilität Hinsicht. Nie zuvor hatte er so viel veränderten sich. Auch auf anderen selbst zu verantworten, so viel allein Gebieten erwuchs der Kirche Konkurzu bewältigen und zu verarbeiten, renz: Die Wissenschaft lieferte andere wenn seine Lebenspläne nicht gelan- Möglichkeiten, die Welt zu verstehen. gen. Nie zuvor schliesslich musste der Für Themen wie Sicherheit wurden Einzelne den Sinn seines Erlebens Versicherungen und der Staat zustänund Tuns so sehr aus sich selbst und dig. Rat holen sich die Menschen nicht aus den Konsequenzen seiner Ent- mehr in der Seelsorge, sondern von

PsychotherapeutInnen oder anderen professionellen BeraterInnen. Entdeckung der Vielfalt Zum anderen lässt sich ein Wertewandel beobachten: Die Selbstentfaltungswerte (Partizipation, Autonomie, Kreativität, Selbstverwirklichung etc.) gewinnen gegenüber den Pflicht- und Akzeptanzwerten (Disziplin, Gehorsam, Leistung, Treue, etc.) an Bedeutung. Mit beeinflusst wurde diese Entwicklung durch die Philosophie, aber auch durch die Globalisierung und Pluralisierung der Gesellschaft: Die eigene Weise zu denken und zu leben wird relativiert. Es gibt auch nicht nur eine mögliche Art zu glauben. Kennzeichen der Ich-Gesellschaft • Selbstbestimmung ist einer der höchsten Werte: Menschen wollen selber entscheiden • Privatisierung der Religion: Menschen sehen sich auch im Bereich Religion als letzte Autorität. Niemand darf anderen religiöse Ideen aufzwingen, auch Eltern ihren Kindern nicht. • Wahrheitsrelativismus: Niemand kann für sich beanspruchen, allein


THEMA

die ganze Wahrheit zu besitzen. • Religion wird in den Bereich der Freizeit abgedrängt, wo sie Konkurrenz von anderen Freizeitangeboten erhält. • Konsumorientierung im Bereich Religion: Menschen wählen zwischen Angeboten. Sie machen nicht, was von ihnen erwartet wird, sondern was ihnen sinnvoll scheint. • Menschen fragen nach möglichst hohem Nutzen: Religionen müssen der Gesellschaft und dem Individuum nützen, wenn sie schaden oder Freiheiten einschränken, werden sie negativ gesehen. • Es gibt ein verbreitetes Misstrauen gegenüber Institutionen. • Die Menschen haben ein grosses Mass an Verantwortung für sich selbst zu tragen. Typen des (Un)Glaubens Die Selbstbestimmung in religiösen Fragen führt zu einer bunten Vielfalt, wie Menschen ihren (Un)Glauben gestalten. Die Untersuchung von Stolz und seinen KollegInnen unterscheidet vier Grundtypen, die gewisse verbindende Merkmale aufweisen und sich noch weiter in Untertypen differenzieren lassen. • Institutionelle (17,5%): Hier handelt es sich um Menschen, denen der christliche Glaube sehr wichtig ist

und die sich mehr oder weniger regelmässig am kirchlichen Leben beteiligen. Dabei lassen sich «Etablierte» und «Freikirchliche» unterscheiden. • Alternative (13,4%): Sie glauben weniger an eine personale Gottheit, eher an unpersönliche Kräfte. In ihren Vorstellungen und Praktiken bedienen sie sich verschiedenster Traditionen und Kulturen. Sie betonen die Verbundenheit aller Dinge und legen Wert auf authentische Spiritualität. Vehement wehren sie sich gegen Bevormundung durch religiöse Institutionen. • Distanzierte (57,4%): Für sie ist Religion und Spiritualität nicht so wichtig. Viele bleiben aus einer gewissen Verbundenheit Mitglied einer Kirche, nehmen aber kaum am Gemeindeleben teil und haben eine zurückhaltende Offenheit gegenüber alternativen Praktiken wie etwa Yoga. Sie glauben an etwas Höheres. • Säkulare (11,7%): Diese Menschen leben ohne religiöse Praxis und religiöse Überzeugungen. Die einen stehen Religion, Kirche und Glaube völlig gleichgültig gegenüber. Andere sind vehemente GegnerInnen jeder Religion und religiöser Organisationen.

Das Milieu der Freikirchlichen bleibt in etwa gleich gross. Es gibt vorwiegend Wechsel innerhalb der (Frei-) Kirchen – oft nach dem Kriterium des besten «Angebots». Die Landeskirchen verlieren immer mehr Mitglieder. Hier gibt es eine Tendenz, dass Menschen im Laufe ihres Lebens oder über die Generationen hinweg immer distanzierter und dann immer säkularer werden.

DIE UNTERSUCHUNG Der Beitrag nimmt Bezug auf diese Untersuchung: Stolz, Jörg/Könemann, Judith/ Schneuwly Purdie, Mallory/Englberger, Thomas/Krüggeler, Michael: Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft. Vier Gestalten des (Un-)Glaubens (Beiträge zur Pastoralsoziologie, Bd. 16) Zürich 2014 Die Studie entstand im Rahmen des Schweizerischen Nationalfondsprojekts 58 «Religionen, Staat und Gesellschaft» ( www.nfp58.ch) Eine grafische Aufarbeitung der Entwicklung findet sich auf der Homepage des Bundesamtes für Statistik (Kurzlink: is.gd/bfs_religion)

Auch eine Folge der Globalisierung: Es gibt nicht nur eine Weise zu «glauben».

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THEMA

Thesen zum Kirche-Sein in der Schweiz heute

Lernorte religiöser Vielfalt  VON URS RICKENBACHER

Welche Konsequenzen haben die Veränderungen der gesellschaftlichen und religiösen Landschaft in der Schweiz für die Kirchen? Fünf Thesen.

Gedanken aus Kirche und Gesellschaft

Glauben und Weltgeschehen: ein Wider-Spruch? Was in der Welt geschieht, ist oft schrecklich, was an Nachrichten auf uns einstürmt, widersprüchlich. Wie kann man da noch glauben? Viele Zeitgenossen resignieren, geben ihre Hoffnungen auf. Doch ich finde: Es macht Sinn zu glauben. Trotzdem! Ich will den Glauben unverfroren buchstabieren, immer wieder neu, wie ein Kind. Erst recht achtsam sein, wo Himmel und Erde sich berühren, wo die Spur des Ewigen meinen Alltag kreuzt. Da verrät schon unsere Sprache, was viele andere vor uns gesucht und auch erlebt haben. Unser Wort «glauben» kommt vom althochdeutschen «gilouben» und bedeutete: für lieb halten, gutheissen. Es steht für ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Menschen. Das Geheimnis des Glaubens besteht auch heute darin, ein freundschaftliches Verhältnis zu finden – zur Schöpfung und unseren MitGeschöpfen. Alles mit Augen der Liebe betrachten. So stelle ich mir auch Gott vor: Der Schöpfer betrachtet seine geliebte Welt und spricht begeistert aus: «Es ist (sehr) gut»! Da ist ein Gegenüber, das sieht, ja die ganze Welt mit Liebe sieht. Das ist der Beginn von allem. Damit verändert sich alles. Ernst Hug

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These 1 Die Gesellschaft in der Schweiz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Die gegenwärtige Krise der Kirche(n) hat auch damit zu tun, dass sie von Vorstellungen geprägt ist, die heutigen Menschen nicht mehr entsprechen. These 2 Die Herausforderung der heutigen Zeit bewältigen wir nicht, indem wir bewahren, was früher (z.B. im 18. Jh. oder in den 1940er Jahren) funktionierte. Vielmehr kann uns die methodistische Bewegung als ein hervorragendes Beispiel dienen, wie von Gott bewegte Menschen auf die gesellschaftlichen Veränderungen ihrer Zeit mit einer angepassten Ausdrucksweise von Kirche reagierten. Diese Anpassung erfolgt durchaus kritisch unter der Leitfrage: Was gibt es von der Liebe Gottes zu allen Menschen her zu sagen? These 3 Die meisten Menschen in der Schweiz im Jahr 2017 suchen nicht einen Ort, an dem ihnen der richtige Glaube und die richtige Lebensgestaltung vermit-

telt werden, sondern Angebote, bei denen sie ihren Glauben finden und entwickeln können. Sie brauchen offene Gespräche in der Haltung: «Ich glaube das. Was glaubst du?» Kirchliche Gemeinschaften stehen vor der Herausforderung, zu Lernorten der religiösen Vielfalt zu werden. Die Ergebnisse der dialogischen Lernprozesse sind offen. These 4 In kirchlichen Angeboten muss der Individualität der Menschen mehr Rechnung getragen werden. Sie wollen Feiern mitgestalten. Was die freiwillige Mitarbeit betrifft, orientieren sie sich mehr denn je an ihren Gaben und Interessen und achten dabei auf ihr Work-Life-Balance. These 5 Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft wecken auch Sehnsüchte. Zum Beispiel suchen Menschen nach spirituellen Erlebnissen. Weil sie sich in der pluralistischen, relativistischen Welt zurechtfinden müssen, suchen sie nach Vergewisserung im eigenen Erleben. Die Vereinzelung, die in unserer Gesellschaft feststellbar ist, weckt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die endlosen Wahlmöglichkeiten bedeuten nicht nur Freiheit, sondern auch Überforderung. Darum ist Beratung gefragt, die den Menschen hilft, das Ihre zu entdecken. Kirche ist da nahe bei den Menschen, wo sie solchen Sehnsüchten begegnet.

Kirchen als Orte, an denen offene Gespräche über den Glauben stattfinden.


THEMA

Am Brunnen spricht Jesus mit der Frau über ihren Glauben und ihre Sehnsüchte. Biblische Assoziationen zu den Thesen von Urs Rickenbacher

Mit Jesus im Gespräch über den Glauben  VON SIGMAR FRIEDRICH

Johannes 4 erzählt die Geschichte einer Begegnung zwischen Jesus und einer Frau aus Samaria. Was sich in dieser Begegnung ereignet,

hunderte als adäquate Form der Verehrung Gottes galt, hat ausgedient. Wer Gott in neuer Weise erfährt, sucht und findet Formen, in denen die Beziehung zu Gott in neuer Weise gepflegt und ausgedrückt wird (vgl. v.23f.).

lässt sich gut zu den Thesen von Urs Rickenbacher (s. S.10) in Beziehung setzen.

Zu These 1 In der Erzählung sprengt Jesus auf unterschiedlichste Weise die Vorstellungen, die für seine Glaubenstradition unverrückbar schienen: Der Jude Jesus sucht die Gemeinschaft mit einer samaritanischen Frau (vgl. v.9). Der Mann Jesus spricht in aller Öffentlichkeit mit einer fremden Frau (vgl. v.27). Auch nach Gal. 3,28 überschreitet christliche Gemeinschaft die vorgegebenen Festschreibungen. Zu These 2 Joh 4,21 stellt aus Jesu Mund sowohl das Heiligtum in Samaria als auch jenes in Jerusalem in Frage. Was Jahr-

Zu These 3 Im Gespräch mit Jesus kann die Frau formulieren, was sie glaubt, und dies weiter vertiefen. Jesus «korrigiert» nicht das unzureichende Bekenntnis gegenüber seiner Person (vgl. v.19) und diskutiert nicht über abweichende Glaubenstraditionen (vgl. v.20). Er lädt die Frau ein, mehr zu entdecken, indem sie wesentlich selbst formuliert, was sie glaubt und hofft (vgl. vv.2426). Matth. 15,21-28 erzählt, wie Jesus selbst dazu lernt in einem solchen Gespräch. Zu These 4 Eine entscheidende Wendung nimmt das Gespräch, als Jesus die Frau auf ihre Situation hin anspricht (v.16f.). Dabei kommt ihre ganze Lebensnot

ans Licht: Fünf Männer haben sie entweder aus der Ehe entlassen oder sind gestorben. Der, mit dem sie jetzt zusammenlebt, verweigert ihr den rechtlichen Schutzrahmen der Ehe. Genau diese individuelle, ganz persönliche Zuwendung wird zur Keimzelle des Zeugnisses der Frau (vgl. v.29.39). Zu These 5 Im ersten Teil des Gesprächs führt Jesus die Frau dahin, dass sie ihre tiefe Sehnsucht entdecken und aussprechen kann (v.15). Die Erzählung zeigt unterschiedliche Dimensionen dieser Sehnsucht: die persönliche (v.16f.), religiöse (v.24-26) und soziale: in der Mittagshitze (vgl. v.6) gingen nur Menschen zum Brunnen, die, aus welchen Gründen auch immer, die Gemeinschaft mit den anderen meiden mussten oder meiden wollten. Nach der Begegnung mit Jesus sucht die Frau jedoch die Gemeinschaft (v.28f.). Am Ende werden ihr die anderen bestätigen, dass sie wichtig war für ihren eigenen Weg (vgl. vv.39-42).

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CONNEXIO

Impressum Zeitschrift der Evangelisch-methodistischen Kirche in der Schweiz: Erscheint monatlich Redaktor: Sigmar Friedrich Redaktionsgruppe: Martina Läubli, Michael Schwaller Redaktionsadresse: Kirche und Welt, Postfach, 8021 Zürich 1 Telefon 044 299 30 85 redaktor@emk-schweiz.ch Abonnement: Schweiz: CHF 54.– (für Mitglieder und Freunde der EMK freiwillig) Ausland: CHF 75.– Postcheckkonto: EMK Schweiz, Zeitschrift Kirche und Welt, 8004 Zürich, 80-23018-5 Adressänderung/Abbestellung: Zentralverwaltung EMK Postfach, 8021 Zürich 1 Tel. 044 299 30 80, Fax 044 299 30 89 Mail: zentralverwaltung@emk-schweiz.ch Anzeigenverwaltung: Jordi AG – das Medienhaus Christian Aeschlimann Aemmenmattstrasse 22, 3123 Belp Telefon 031 818 01 25 Telefax 031 819 38 54 E-Mail: inserate.kuw@emk-schweiz.ch Insertionsschluss für 05/2017: 10.4.2017 Grafik + Gestaltung: P+S Werbung AG, 8184 Bachenbülach www.pswerbung.ch Druck / Vertrieb: Jordi AG – das Medienhaus, 3123 Belp www.jordibelp.ch Kirche und Welt wird klimaneutral hergestellt: www.preservecreation.ch Bildnachweise: S.1,9 unslpash, pexels.com S.2 Plaßmann, gemeindebrief.de S.3,7,18 KuW S.4,5 Üllas Tankler S.6,11-17,22-23 zVg S.8 annca, pixabay.com S.10 nickelbabe, pixabay.com S.11 Dieter Schütz, pixelio.de S.19 strecosa, pixabay.com

Tongai Chitsamatanga mit seiner Frau und ihren Kindern.

Tongai Chitsamatanga – ein junger Arzt mit einer klaren Vision

Knochenarbeit in Simbabwe  VON THOMAS HANIMANN

Tongai Chitsamatanga, ein 36-jähriger Arzt in Simbabwe, will Kinder mit verkrüppelten Füssen zum Laufen bringen. Nach einer Zeit als Arzt in einem Missionsspital spezialisiert er sich darum jetzt auf Knochen und Knöchelchen.

Der frühe Tod einer seiner Schwestern hat bei Tongai Chitsamatanga zum Entscheid beigetragen, Arzt zu werden. Bald nach seinem Studienabschluss arbeitete er 2006 bis 2012 zusammen mit seiner Frau Mercy Gaza im EMK-Missionsspital in Mutambara, 380 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Harare. Das Spital liegt in einer ländlichen Gegend und bietet die einzige medizinische Grundversorgung in einem Distrikt mit rund 130 000 Einwohnern. Ein Land in Not Es waren vor allem viele Aids-Patien-

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ten, die Chitsamatanga im Spital medizinisch versorgte. Angesichts der extrem hohen Sterblichkeit bei der Geburt hat das Team in Mutambara auch vielen Müttern und Kindern das Leben gerettet. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Situation in Simbabwe rapide verschlechtert. Viele Ärzte sehen keine Zukunft mehr und wandern aus. Chitsamatanga will bleiben. Im Gespräch mit ihm merkt man seine realistische und doch sehr positive Lebenshaltung: Die Ansprüche inmitten dieses Leids seien hoch. Nur wenig könne getan werden. Er habe im Beruf gelernt, das Mitleid keinen Sinn mache für die Arbeit; hingeben brauche es ein gesundes Einfühlungsvermögen. So könne man besser einschätzen, was Not tue, und richtig darauf reagieren. Kinder können wieder springen 2012 hat sich Chitsamatanga entschieden, das Spital zu verlassen und


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sich auf Knochenchirurgie zu spezia- auf Gott. «Beten fängt schon an, bevor lisieren. Mit einer Operation und dir die Probleme über den Kopf wacheiner sechswöchigen Besen», sagt er. In seihandlung können Kinder nem Glauben, seiner Die Kinder mit schwer entstellten Liebe zur Familie leiden nicht Knochen, etwa mit Klumpund der Zuwendung füssen, wieder zu gesunnur körperlich zu den Nachbarn beginnt für den begabden Kindern werden. Das fasziniert ihn besonders. ten Arzt aus Sim«Es geht hier um Kinder, die wegen babwe die Veränderung, die ihrer Invalidität nicht nur körperlich schliesslich auch die ganze Gesellleiden. Sie sind auch oft von ihrem so- schaft erreichen wird. zialen Umfeld geächtet und werden diskriminiert», sagt Chitsamatanga. SIE KÖNNEN HELFEN! Ein grosses Projekt Seine Vision ist, in Harare zusammen mit seiner Frau, die sich auf Gynäkologie spezialisiert hat, eine Praxis aufzubauen und im Spital in Harare sowie im EMK-Missionsspital in Nyadiri orthopädische Operationen durchzuführen. Doch Ärzte haben keinen Lohn, der zum Überleben reicht. Patienten können Operationen nicht bezahlen. Spitäler besitzen Material nicht und die Medikamente fehlen. Dennoch ist der junge Arzt überzeugt, dass ihm sein grosses Projekt Schritt für Schritt gelingen wird. Dabei zählt er auf die Unterstützung seiner Frau, auf die EMK-Gemeinde und vor allem

Begabten jungen Menschen aus EMK-Partnerkirchen das Studium zu ermöglichen, ist eine wichtige Investition in die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft. Connexio führt zu diesem Zweck einen Stipendienfonds.

Informationen: www.connexio.ch, 044 299 30 70 Spenden: EMK in der Schweiz Connexio, Zürich PC 87-537056-9 IBAN: CH52 0900 0000 8753 7056 9 BIC: PPFICHBEXXX

Das Mutambara-Spital leistet medizinische Grundversorgung für 130 000 Personen.

Angetippt Sommerlager für Kinder und Jugendliche werden derzeit in Albanien und Makedonien geplant. Am Schweizertreffen der Jungscharen im Sommer 2016 haben vier junge Erwachsene aus diesen Ländern Ideen für solche Lager gesammelt. Sie sind jetzt noch auf der Suche nach Lagermaterial, mehr Informationen zur Jungschartechnik, Spielideen und Ideen für Lagerthemen. Dazu sind sie in Kontakt mit der Jungschar Schweiz. Neue Bischöfe wurden in Deutschland und in der DR Kongo gewählt. Harald Rückert wurde Mitte März von der Zentralkonferenz der deutschen EMK in Hamburg gewählt. An der Zentralkonferenz in Kamina (Kongo) wurden am 18. März drei neue Bischöfe gewählt: Daniel Oashuyaka Lunge (Zentralkongo), Kasap Owan (Süd-Kongo) und Mande Muyombo (Nord-Katanga). Zuvor war Bischof Gabriel Yemba Unda vom Bischofsgebiet Ostkongo wiedergewählt worden. «Eintauchen» werden die TeilnehmerInnen am «5. Impulstag fresh expressions» und so Menschen und ihre Sozialräume erkunden. Der Impulstag findet am 1. April in der Evangelisch-reformierte Landeskirche, Hirschengraben 50 in Zürich statt. www.freshexpressions.ch Die Leitung für das Zentrum Artos in Interlaken wird ab Anfang Oktober Mario Saladin aus Münsingen BE übernehmen. Er tritt die Nachfolge von Markus und Lea Hafner an, die Ende Oktober in den Ruhestand gehen. www.artos.ch Einen «Predigtpreis» wird der Schweizerische Evangelische Kirchenbund am 6. November zum zweiten Mal verleihen. Predigten – auch von LaienpredigerInnen – können noch bis zum 30. April eingereicht werden. www.schweizer-predigtpreis.ch

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SELBSTÄNDIGE WERKE

Tag der offenen Tür im Neubau der Diakonie Bethanien

Ein Haus voller Leben  VON NADJA KRÖNER

Nach 105 Jahren hat die Diakonie Bethanien ihren Hauptsitz vom Zürichberg nach Altstetten in den eigens errichteten 12-stöckigen Neubau verlegt. Die einzigartige Mischung der Betriebe ergibt ein Haus voller Leben – vom Säugling bis zum Hochbetagten! Am 14. Mai lädt die Diakonie Bethanien alle Interessierten Personen ein, das Haus zu besichtigen.

Ab und zu brummt eine Bohrmaschine durch die Räume, Techniker mit Messgeräten klettern auf Leitern herum, von draussen hört man die Hammerschläge der Pflasterer. Noch ist keine Ruhe eingekehrt im Neubau der Diakonie Bethanien. Und doch konnte seit dem Umzug im November 2016 schon so etwas wie ein Alltag einziehen.

Gäste aus nah und fern Der Neubau an der Buckhauserstrasse in Altstetten beherbergt nicht nur die Verwaltung der Diakonie Bethanien. Das Stockwerk teilt sie sich mit der PHS AG, der Tochterfirma, die in der privaten Spitex tätig ist. Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich das öffentliche Quartierrestaurant «Buckhuser». Der Buckhuser ist Restaurant, Bar, Lounge und Bistro in einem. Das wissen auch die Hotelgäste zu schätzen, die ebenfalls zur neuen Kundschaft der Diakonie Bethanien gehören. Das «Placid Hotel Zurich» ist ein Vier-Sterne-Businesshotel mit einzigartiger Architektur und wundervollem Design. Der jüngste Betrieb der Diakonie Bethanien thront in den obersten drei Stockwerken des Hochhauses.

Am Ende und am Anfang Ein weiterer Betrieb im Gebäude ist das Pallivita Bethanien, ein Palliativkompetenzzentrum. Auf zwei Stockwerken werden hier schwerstkranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet. Die KiTa Bethanien Altstetten beherbergt Menschlein, die ganz am Anfang ihres Lebens stehen. Lachen, juchzen, singen und spielen ist hier Programm. Auch rund um das Haus wird es bald belebt sein. Zurzeit entsteht dort das Gartenrestaurant des Buckhuser und ein Spielplatz.

TAG DER OFFENEN TÜR Sonntag, 14. Mai 2017, 11–17 Uhr, Buckhauserstrasse 34-36, 8048 Zürich-Altstetten

Eine Facette der Gastfreundschaft der Diakonie Bethanien ist das «Placid Hotel Zurich»


FRAUENNETZWERK

Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Gemeinden der Zentralkonferenz wird der Weltgebetstag gefeiert.

Heidi Streiff über die Feier in Biel und Makedonien

«Weltgebetstag? – Für mich eine tolle Sache!»  VON HEIDI STREIFF

«O, was für ein wunderschöner Tag, um sich in Gottes Haus zu versammeln! Wir spüren die Gegenwart Gottes! Mitten in Mühsal und Leiden erfahren wir die Gegenwart des Heiligen Geistes! Seid dankbar für alles! Danke für die vollkommene Gabe,

nend. Frausein erfüllt sich in der Ehe und als sorgende Mutter, als Lebensspenderin, als verständnisvolle und emotionale Stütze des Mannes. Viele Frauen werden sexuell ausgebeutet und erleben Gewalt. Ich staune über die positive, dankbare Grundmelodie, wo doch ein Klagelied verständlich gewesen wäre!

Jesus Christus, unser Erlöser.»

In Makedonien Frauen aus den Philippinen begrüss- Der Weltgebetstag ist der einzige Anten am 3. März weltweit in 170 Län- lass, der Menschen verschiedener dern Frauen und Männer mit diesen Konfessionen am selben Tag weltweit Worten in ihrer Liturvereint und zum Beten gie zum Weltgebetsder selben Worte aufIst der Welttag. Hört man gut hin, gebetstag vom ruft. Beim Feiern spüre kann man neben den ich jedes Mal wieder Aussterben fröhlichen, dankbaren, neu diese starke, verbedroht? in tiefem Glauben an bindende Kraft. Vor ein Christus verwurzelten paar Jahren war ich anWorten auch die Töne des Leidens ver- fangs März in Makedonien. Da ich nehmen. meine deutschsprachige Liturgie dabei hatte, konnte ich problemlos dem Dankbare Töne Ablauf folgen ohne Übersetzung und Die meisten Frauen auf den philippi- verstand, was gelesen und gesprochen nischen Inseln leben ihre Rolle gedul- wurde. Das bleibt für mich ein unverdig, demütig, dienend, sich unterord- gessliches Erlebnis.

In unserer Vorbereitungsgruppe in Biel sind wir Frauen aus der katholischen und der reformierten Landeskirche, aus der Heilsarmee und der EMK. Wenn wir uns jeweils einen Morgen Zeit nehmen für die Bibelarbeit der Liturgie, kommt es zu einer bunten, vielseitigen Diskussion, in der wir etwas merken von unserem kirchlichen Hintergrund und der verschiedenen Prägung unseres Glaubens. Das ist spannend und weitet unsere Sicht. Auch für Jüngere Weltgebetstag – für mich eine tolle Sache. Aber ist er in der Schweiz nicht vom Aussterben bedroht? Vorwiegend graue Häupter sind an den Feiern zu sehen. Ich freue mich, dass das nicht überall so ist. Bilder von Ungarn, Serbien und Makedonien zeigen, dass auch jüngere Leute interessiert mitfeiern. Es ist also möglich, Junge für diese gute Sache zu gewinnen. Hoffentlich gelingt uns dies auch in der Schweiz!

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UMSCHAU

Drei Regeln, die das Leben verändern

Herausfordernd einfach

Verstorben Alice Kübler-Steimann (77) Klingenberg-Kreuzlingen am 6.2.2016 Karl Kübler (84) Klingenberg-Kreuzlingen am 3.5.2016

Aus den Anfängen des Methodismus stammen die «Allgemeinen Regeln». Sie geben einfache Ansollen. Obwohl sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, sind sie immer noch hochaktuell. Die

Marlis Baumann-Rathgeb (88) Bern am 30.12.2016 Heidi Zurbrügg (59) am 3.1.2017 Frutigen-Adelboden Albertine Burkhalter (85) Schlatt am 15.1.2017 Lony Bosshard-Kölla (92) Stäfa-Männedorf am 2.2.2017 Luise Pfister (96) Rüti-Wald-Hombrechtikon am 9.2.2017 Jörg Mathys-Preis (77) am 11.2.2017 Basel-Ost Therese Schmalhardt (50) Thun am 12.2.2017 Ursula Köhler (85) Zürich Nord am 15.2.2017 Margrit Schüepp (97) Basel Ost am 21.2.2017 Mirjam Werfeli-Stettbacher (93) Thun am 27.2.2017

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UND YOSEF HABTE

weisungen, wie ChristInnen leben

Klara Kuster (91) Rhein-Bodensee am 16.12.2017

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 VON FABIAN BAUMGARTNER

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EMK Bern-Bümpliz lud ein, sich durch diese einfachen Regeln herausfordern zu lassen.

Das England des 18. Jahrhunderts war rau. Zahlreiche soziale Probleme führten zu einem Teufelskreis der Not gerade in grösseren Städten wie London. Diese Not wurde durch Unmengen an gepanschtem Gin, der in den ärmeren Gesellschaftsschichten allgegenwärtig war, bis ins Extrem befeuert. Geistliche Orientierung Vor diesem Hintergrund entstand die junge methodistische Bewegung. Unter Anleitung John Wesleys und seines Studentenclubs versuchte sie, gegen die traurigen Umstände vorzugehen, in denen ein Grossteil der Bevölkerung lebte. Das geschah einerseits durch praktische Lebenshilfe, andererseits durch Sinnstiftung, indem das Evangelium gepredigt wurde. Die methodistische Bewegung wuch in so rasantem Tempo, dass aus den Reihen der entstandenen Kleingruppen der Wunsch laut wurde, mehr geistliche Orientierung zu erhalten. Wesley verfasste als Antwort auf diesen Wunsch die «Allgemeinen Regeln». Sie lauten: Tue nichts Böses. Tue Gutes. Bleib in der Liebe Gottes. Tun und lassen Wesley nennt in seiner Schrift einige Beispiele, wie diese Regeln zu verstehen sind. So sollen beispielsweise

Fabian Baumgartner führte in die Regeln ein.

keine Steuern hinterzogen und keine Gewalt angewendet werden. Dagegen sollen sich die MethodistInnen um Kranke kümmern, Gefangene besuchen und sich gegenseitig im Geschäftsleben unterstützen. In der Liebe Gottes wiederum bleiben wir, indem wir die «Gnadenmittel» nutzen, die uns zur Verfügung stehen, wie etwa das Gebet, das Abendmahl oder der Gottesdienst.


UMSCHAU

Neue Mitglieder Die nachfolgenden Personen sind neu «bekennende Glieder» der EMK. In einem Gottesdienst haben sie sich öffentlich zu ihrem Glauben bekannt und unterstützen die EMK in ihrem Dienst und Auftrag.

Vortrag, Tischgespräche und Austausch im Plenum wechselten sich ab.

Gemischte Erwartungen Die EMK Gemeinde Matthäus (BernBümpliz) hat, in der Überzeugung, dass diese Regeln auch heute noch relevant sind, einen Kurs unter der Leitung von Fabian Baumgartner, einem der Autoren der neuen Fassung (s. Box), angeboten. An einem Mittwochabend trafen sich zwanzig Personen mit gemischten Erwartungen zu diesem Thema. Ein Mix aus Referat, Diskussion und offenem Austausch hat die Teilnehmenden herausgefordert und genötigt, sich selber zu reflektieren. Spannende Diskussionen gab es bei jedem der drei Punkte. Die angeregteste Austauschrunde kam beim ersten Punkt zustande: tue nichts Böses. Hier wurde nicht nur über die Dinge gesprochen, die man nicht tun soll, sondern über die Dinge, die wir bereits tun. «Ist es wirklich nötig sich diesem Zeitgeist anzuschliessen, wenn es darum geht immer beschäftigt zu sein? Vielleicht müssen wir einmal über die Freizeitgestaltung reden», regte ein Teilnehmer an. Einleuchtend und mühsam In den Gruppengesprächen wurden die Meinungen nicht lange zurückgehalten. Die Teilnehmenden haben sich mitgeteilt, zugehört und voneinander gelernt. Eine Teilnehmerin sagte an der zweiten Ausgabe des Kurses, der an einem Nachmittag bei der Frauengruppe gehalten wurde: «Die Regeln Wesleys sind einleuchtend. (Nichts Böses tun, Gutes tun, in der Liebe Gottes bleiben). Die Umsetzung im Alltag

Nina Messmer Klingenberg-Kreuzlingen am 28.8.2016

wird mit aller Garantie ein bisschen mühsamer und herausfordernder.» Auf dem Bezirk Bern fanden zusätzlich in allen Gemeinden Gottesdienste zu den jeweiligen Regeln statt, um an den Kurs anzuschliessen und Sinn oder Unsinn der Regeln gemeinsam zu entdecken.

Karin Koller Herisau am 22.1.2017

Sich trauen Für den Bezirk Bern lautet das Fazit, dass wir die Herausforderung gerne annehmen und auf unserem Lebensund Glaubensweg auch heute noch von Wesleys kleiner Schrift profitieren können. Ganz nach dem Motto: Traut euch, probiert es aus!

Brigitte Stettler Solothurn am 12.3.2017

Carla Näef Georg Näf Eschlikon am 19.2.2017

NEUAUSGABE Im Rahmen eines Seminars an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) wurden die «Allgemeinen Regeln» John Wesleys in eine moderne Sprache übertragen und unter dem Titel: «Herausfordernd einfach» neu herausgegeben. Herausfordernd einfach 3 Regeln, die das Leben verändern. Die allgemeinen Regeln John Wesleys. 2016. 56 Seiten. CHF 9.20 Erhältlich zum Beispiel bei: Theologische Buchhandlung Jost AG, 031 334 03 03, info@theologische.ch

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VORSTAND

Der Vorstand beschliesst eine Neuorganisation der Zentralen Dienste

Innovation stärken  VON MAT THIAS BÜNGER

Wie können die «Zentralen Dienste» die Arbeit in den Gemeinden optimal fördern und bei der Umsetzung des Mission-Statements unterstützen? Der Vorstand der EMK hat sich mit dieser Frage beschäftigt und an seiner Sitzung Ende Februar eine Neuorganisation beschlossen.

Zu den Zentralen Diensten der EMK gehören Die Fachstelle Bildung+Beratung, Connexio, Kommunikationsbeauftragte und Redaktor «Kirche und Welt», die Takano-Fachstelle und die Zentralverwaltung. Sowohl die Einteilung der Arbeitsbereiche, als auch die Art und Weise, wie die einzelnen Zentralen Dienste arbeiten, oft massgeblich begleitet durch Ausschüsse oder Kommissionen, ist Frucht eines langen Wachstumsprozesses. Um Synergien besser nutzen und Doppelspurigkeiten vermeiden zu können, hat der Vorstand an seiner Sitzung am 24. und 25. Februar eine Neuorganisation der Zentralen Dienste der EMK Schweiz beschlossen.

Vier Bereiche Die Zentralen Dienste werden neu in vier Bereiche untergliedert: «Connexio International», «Gemeindeentwicklung», «Zentralverwaltung» und «Öffentlichkeitsarbeit / Medien». Die bisherigen Fachstellen werden thematisch den entsprechenden Bereichen zugeordnet. Die Ressorts «Schweiz-Frankreich» und «Migration», die bisher Teil von Connexio waren, gehören neu zum Bereich «Gemeindeentwicklung». Die Bereiche «Zentralverwaltung» und «Öffentlichkeitsarbeit» werden Dienstleistungen für die anderen Bereiche erbringen. Dies bedeutet, dass zum Beispiel die Sekretariate aller bisherigen Dienste bei der Zentralverwaltung zusammengefasst werden. Geschäftsleitung Geführt werden diese vier Bereiche durch BereichsleiterInnen, die zusammen mit der/dem GeschäftsführerIn die Geschäftsleitung der Zentralen Dienste bilden. Die Geschäftsleitung unterstützt den EMK-Vorstand bei der Planung, Umsetzung und Reflexion seiner Be-

Der Vorstand hat diese neue Struktur für die Zentralen Dienste beschlossen.

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schlüsse. – Bis Ende April soll die Leitungsebene der Zentralen Dienste bestimmt sein. Das neue Modell soll ab Anfang September umgesetzt werden. Mission untersützen Mit seiner Entscheidung will der EMK-Vorstand eine Kulturveränderung bewirken. Mit den personellen und finanziellen Mitteln, die aktuell zur Verfügung stehen, will er in unserer Kirche die Innovation im Sinne einer missionalen Strategie verstärken. Die Zentralen Dienste sollen so die gemeinsame Umsetzung des «Mission-Statements» fördern: Wir, die Menschen der Evangelischmethodistischen Kirche leben eine Mission: Menschen in die Nachfolge Jesu Christi führen, um so die Welt zu verändern.

FRAGEN? Für weitere Informationen wenden Sie sich an Matthias Bünger 033 222 88 24, matthias.buenger@emk-schweiz.ch


VORSTAND

EMK- Unternehmer/in

Wofür schlägt Dein Herz, Marc Berger?

Liebe, die uns aus den Kirchengebäuden treibt  VON MARC BERGER

Im Jahr 2014 trat die neue Struktur in Kraft. Dadurch konnte sich der Vorstand von materiellen Fragen lösen. Es entstand Raum zur Erarbeitung einer umfassenden, mittelfristigen Vision. Dies gibt der Arbeit im Vorstand eine sehr motivierende und dynamische Dimension des Nachdenkens und der gemeinsamen Suche nach dem Willen Gottes für seine Kirche. Bei unseren Treffen trennen uns unsere Unterschiede nicht mehr, sondern sie bereichern uns und erlauben uns, eine offene Vision für unsere Projekte und deren Umsetzung zu haben. Innerhalb des Vorstands fühle ich mich nicht als Vertreter der französischen «Minderheit», aber ich schätze den Willen, dass die geografische Dimension unserer Jährlichen Konferenz «Schweiz – Frankreich – Nordafrika» zunehmend stärker berücksichtigt wird. Die EMK in fünf Jahren erträume ich mir noch offener und einladender, für alle, Jung und Alt, Mitglieder und Freunde, aber auch – oder sogar vor allem – für diejenigen, die Gott durch seine Gnade berühren will. Ich erträume sie mir voller echter Liebe zu den Menschen, die um uns herum leben. Liebe, die uns den Menschen zugewandt aus unseren Kirchengebäuden treibt. Wir müssen keinen Kirchturm verteidigen, weder denjenigen unseres Bezirks, noch denjenigen der gesamten EMK, aber wir haben eine wunderbare Liebe zu verbreiten. Gott liebt mich! Das ist richtig, aber er liebt alle Menschen.

Ich träume, dass wir als Kirche mit einer neuen Dringlichkeit die Aufforderung Jesu an seine ersten Jünger hören, die auch heute noch gilt für uns: «Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern.» (Matthäus 28,19)

ZUR PERSON Marc Berger ist 50 Jahre alt, verheiratet mit Magali, 2 Kinder: Caroline (24) und Tobias (16); EMK Munster. Ich bin schüchtern, aber ich versuche, mich zu bessern. Als introvertierter, glücklicher Mensch – ja, das gibt es – habe ich Mühe, über mich selbst zu sprechen, und ich brauche Zeit, mich zu öffnen. Also, falls wir uns begegnen, zögern Sie nicht, mich bei der «Behandlung» meiner Schüchternheit zu unterstützen: Kommen Sie auf mich zu.

DIE HERZSCHLAG-SERIE In einer Reihe von Beiträgen stellen wir den Vorstand unserer JK vor und zeigen, was diese Personen in ihrem Engagement bewegt

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ZAHLSTELLE

Beratung bei Berufswahl und Bewerbung ist Teil des Angebots der «streetchurch».

Philipp Nussbaumer und die «streetchurch» in Zürich

Persönliche Entwicklung ist auch Chefsache  VON DANIELA DECK

Ein guter Chef, der ihn forderte und förderte und ihm im richtigen Moment das Zepter übergab: Darin sieht Philipp Nussbaumer einen der zwei Faktoren, die ihn in jungen Jahren in die Geschäftsleitung der streetchurch der Reformierten Kirche Zürich gebracht haben. Der zweite Faktor: ein Team, das die Vision teilt und dem Geschäftsführer den Rücken stärkt.

«Ich bin kein Einzelkämpfer», sagt Philipp Nussbaumer. «Ich brauche die Ermutigung durch das Team, die Inspiration jedes einzelnen meiner Mitarbeitenden.» Vor dreieinhalb Jahren übernahm er erst 28-jährig die Geschäftsführung der streetchurch, die sich in Zürich um die Eingliederung junger Erwachsener in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt kümmert. Vorher engagierte er sich dort seit 2009 in der Projektleitung und baute unter anderem die Life School

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auf. Diese schult junge Erwachsene (Schweizer und Migranten am Rand der Gesellschaft) von 16 bis 28 Jahren in praktischen Belangen des Alltags: Briefe schreiben, Rechnungen zahlen, Bewerbungsgespräche führen, ein Budget aufstellen, Haushalt führen. Auch Sexualpädagogik und der Umgang mit Konflikten und Emotionen gehören zum Lehrplan.

von 2,6 Mio. Franken finanziell drei weitere Standbeine: das Sozialdepartement, Gelder von Stiftungen, Fundraising (Kollekten von Landes- und Freikirchen, Privatspender/-innen sowie Einnahmen aus Arbeitsaufträgen bei Kunden) und Aktionen wie Crowdfunding im Internet.

Theologie und Management Aufgewachsen ist Philipp NussbauOhne missionarischen Ansatz mer in Kleinbasel, als Pfarrerssohn «Unser Ziel ist es, die Leute zu einem in der EMK. Nach der Matura interesgelingenden Leben zu befähigen. Da- sierte er sich für die Ausbildung zum rin sehen wir unsere AufEMK-Jugendpfarrer, gabe, die Nächstenliebe zu merkte aber: «Das Mein Herz verwirklichen, die Jesus tut mir langfristig schlägt für die keine Türen auf.» uns aufgetragen hat. Die diWirtschaft und Ein Praktikum bei akonischen Projekte der streetchurch bieten dabei der grössten Methodie Theologie keinen Anknüpfungspunkt distenkirche der zur Mission», erklärt Nussbaumer. USA verhalf ihm zur Erkenntnis, dass Die streetchurch, gegründet 2003, «theologisch fundierter Kirchenbau mit Sitz im Kreis 4, gehört zur Refor- mit professionellem Management und mierten Kirche Zürich und wurde frü- seriöser Personalführung vereinbar her fast ausschliesslich von ihr finan- ist. Das war für mich entscheidend, ziert. Heute hat sie mit einem Budget denn mein Herz schlägt sowohl für


Zahlstelle

Leidenschaft für die Menschen «In meiner Position muss man Dinge durchdenken können, die andere sich noch nicht einmal vorstellen mögen. Auch Trägerschaften sind manchmal träge, aber die Gremien müssen mitgenommen werden. Das braucht viel Nerven und Ausdauer. Entscheidend ist die Leidenschaft für die Menschen und das Projekt», ist Philipp Nussbaumer überzeugt. Er lernt sowohl aus Erfolgen wie Misserfolgen. Erstere geben Mut für einen weiteren Schritt, letztere schaffen Freiraum für Neues: «Wenn eine Tür zugeht, öffnet sich dafür eine andere.» Der Geschäftsführer ist überzeugt: «Die spirituellen Bedürfnisse von jun-

gen Menschen sind gross, doch anders als frühere Generationen erwarten sie dabei keine Antworten mehr von der Kirche. Hier setzen wir als streetchurch an. Wir leisten praktische Hilfe im Alltag und knüpfen Beziehungen.»

ZUR PERSON Philipp Nussbaumer (32) ist verheiratet mit Barbara und hat drei Kinder im Vorschulalter. Am Theologisch-diakonischen Seminar Aarau absolvierte er die Vollzeitausbildung zum Sozialdiakon. 2009 begann er bei der streetchurch in Zürich als Projektleiter zu arbeiten. Zwei Jahre später begann er parallel dazu Theologie zu studieren, brach das Studium jedoch ab, als er 2013 die Geschäftsleitung der streetchurch übernahm. Berufsbegleitend absolviert er an der Fachhochschule Nordwestschweiz seither eine Weiterbildung in «Leadership und Change Management». Derzeit schreibt er seine Masterarbeit. Hobbies: Fussball-Fan und schwimmen. Kirchenpolitisch engagiert er sich in der reformierten Synode. Er ist Mitglied der SP.

MITEINANDER ZUKUNFT GESTALTEN Wir wollen eine «Kultur der Ermöglichung» leben. Das bedeutet: Neues ausprobieren, die Freiheit haben Kirche anders zu denken als bisher. Deshalb hat die Zahlstelle dieses Jahr das Motto gewählt «miteinander Zukunft gestalten». Jeden Monat stellen wir einen Pionier oder eine Pioniertat vor. Zu Wort kommen ältere und jüngere Personen, Männer und Frauen, Pfarrer und Laien, denn Pioniergeist ist überall zu finden. www.zahlstelle.ch

SOLIDARISCH NACHHALTIG TRANSPARENT

Gebührenfreie Anlagen für jede Lebenslage.

Wirtschaft wie auch für Theologie.» Doch in der Schweiz sind die EMKBezirke klein, so dass sie neben dem Pfarrer keine Geschäftsführer brauchen respektive bezahlen können. Als die streetchurch befristet einen Projektleiter suchte, griff Nussbaumer zu. Bereut hat er das nie. Dass er seine Talente nutzen und entwickeln konnte, verdankt er (neben streetchurch-Gründer und Pfarrer Markus Giger) vor allem dem damaligen Geschäftsführer. «Mein Chef hat mir enorm viel zugetraut und Freiraum gelassen. Zugleich hat er mir die nötigen Ecksteine und Strukturen gegeben.» Nach drei Jahren baute Nussbaumer ein zweites Projekt auf: Arbeitsintegrationsprogramm für junge Erwachsene. Als sich nach fünf Jahren streetchurch die Frage nach der beruflichen Weiterentwicklung stellte, konnte Nussbaumer die Stelle als Geschäftsführer von seinem Förderer erben.

www.zahlstelle.ch


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