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tentĂźmer Nord- und Mittelitaliens gegenseitig, als Mäzene zu Ăźberbieten. Jede Region brachte ihre eigenen Malstile hervor – und so war es auch im Kunsthandwerk. Noch heute stellt sich der vermĂśgende Turiner eine piemontesische Kommode in den Salon, während der Florentiner Rechtsanwalt gewiss einen toskanischen Cassone zuhause stehen hat. Dann gibt es noch das andere Gesicht der vornehmen italienischen Wohnung. Es ist so cool wie ein Campari Soda, denn Italien ist fĂźhrend auf dem Gebiet des modernen MĂśbel-Designs, und so wohnen viele progressive Italiener auch in ihren alten Palästen – sofern sie nicht voller ErbstĂźcke sind – mit zeitgenĂśssischem Design. „Die italienische Tradition, MĂśbel zu entwerfen, beginnt im 15. Jahrhundert“, erklärt Piero Lissoni, einer der wichtigsten Designer unserer Zeit. Bis in die 1950er Jahre produzierten die meisten Firmen Italiens historistische MĂśbel. Weil sie so international nicht mithalten
konnten, entwarfen die italienischen Gestalter schlieĂ&#x;lich moderne Produkte. Die legendäre Ausstellung „The New Domestic Landscape“ von 1972 im New Yorker MoMA fĂźhrte zum Durchbruch des italienischen Designs. „Die Italiener lieben es, bella figura zu machen und haben einen angeborenen Sinn fĂźr SchĂśnheit. Gestaltung ist ihnen sogar oft wichtiger als die Funktion“, so Lissoni. Aber nie ging in Italien das moderne Design auf Kosten des historischen Erbes. Es gibt einen Konsens, das Alte zu bewundern, und das neue hinzuzufĂźgen. Das bewies die Ausstellung „Unexpected Guests. Homes of Yesteryear. Design of Today“ am Rande des diesjährigen Salone. Kurator Beppe Finessi lieĂ&#x; in die Villa Necchi Campigli, in dem Museo Poldi Pezzoli, in dem Museo Bagatti Valsecchi und in der Casa Boschi di Stefano Objekte von Philippe Starck, Jean Nouvel, Dorato Koziara und Fernando & Humberto Campana einziehen. „Schon immer gibt es in Italien einen groĂ&#x;en modernen Geist, der sich wunderbar mit der Geschichte vereinbaren lässt. Unsere Kunst ist es, die Tradition mit der Moderne zu verbinden“, sagt Lissoni. UTE STRIMMER
Š Fritz von der Schulenburg/TIA Digital Ltd
Biennale
Spanien und Portugal sind sehr verschiedene Märkte fĂźr Antiquitäten. Während die Portugiesen die MĂśbel ihrer Vorfahren schätzen und ihre Wohnungen auch so dekorieren, ist der Spanier zwar stolz auf seine Maler der Vergangenheit, aber das Mobiliar hat nicht denselben Stellenwert, erklärt Don JosĂŠ Antonio CĂĄmara, ein bekannter Antiquitätenhändler aus Madrids Galerien-Viertel Salamanca. Spanische Antiquitäten seien bei den Einheimischen zwar als Spekulations-Objekte gefragt, sagt er, doch als Einrichtungs-Gegenstände seien sie wenig beliebt. Sein Kollege Don Javier JimĂŠnez stimmt ihm zu. Der spanische Antiquitätenmarkt stagniere seit einigen Jahren, sagen beide. FrĂźher, vor 15 Jahren, waren englische MĂśbel auf der Iberischen Halbinsel gefragt, jetzt ist es eher das FranzĂśsische. Das ähnele den spanischen Stilen und lasse sich leicht mit einheimischen Objekten kombinieren. Drei der wichtigsten spanischen Stile sind mit den zeitgleichen franzĂśsischen vergleichbar: „Carlos III.“ entspricht „Louis XV.“, „Carlos IV.“ kommt „Louis XVI.“ nahe, und „Fernandino“ gleicht „Empire“. Fernandino-MĂśbel sind am beliebtesten und werden von reichen Privatleuten und von Dekorateuren nachgefragt. Echte Liebhaber und Patrioten interessieren sich fĂźr Spaniens Goldenes Zeitalter, das 16. und 17. Jahrhundert, als Spanien Weltmacht war. Der Stil fĂźr diesen Zeitraum macht keinen Gebrauch vom Namen eines KĂśnigs, sondern heiĂ&#x;t schlicht „alta ĂŠpoca“, Ăźbersetzt „hohe Epoche“. Sie geht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, als der Barock anfing. Aus dieser Zeit stammt das BargueĂąo. „Wegen seines besonderen Charakters von Luxus, Pracht und Repräsentanz ist es zweifellos das wichtigste MĂśbel, nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa“, sagt die MĂśbelhistorikerin MarĂa Paz AguilĂł, die Koryphäe auf dem Gebiet. Sie behauptet: „Der spanische Schreibtisch mit frontal aufklappbarem Deckel – und alle europäischen Experten sind dieser Meinung – diente ganz Europa als Vorbild, wobei er in späteren Jahrhunderten weiterentwickelt wurde.“ Der Ursprung des BargueĂąo ist umstritten. AguilĂł erklärt, dass es ein Produkt der Umgestaltung einer „escribanĂa“ (eines Sekretärs) und einer kleinen Truhe in ein einziges MĂśbel sei. Das neue MĂśbel war eine Symbiose aus hispanisch-muslimischen und fernĂśstlichen Elementen, die Ăźber Venedig nach Spanien gelangten. Das BargueĂąo befand sich im Besitz eines männlichen Adeligen, im BĂźro eines Notars oder wurde im Zimmer einer Frau als Frisierkommode genutzt. Oft war es aus Nussbaum gezimmert, aber reiche Kunden lieĂ&#x;en sich BargueĂąos auch aus exotischen EdelhĂślzern der Kolonien fertigen, wie Ebenholz, Palisander, Rosenholz und Mahagoni. Einige sind polychrom bemalt und sogar vergoldet. UrsprĂźnglich war das BargueĂąo niedrig, Griffe erlaubten es, das MĂśbel zu transportieren, denn es war fĂźr Reisen gedacht. Später bekam es ein Podest. Der Deckel ist kaum dekoriert, hĂśchstens versehen mit dem Wappen der Familie, einer repräsentativen Tugend oder einer Heldentat des Besitzers. Aber wer den Deckel herunter klappt, dem erĂśffnet sich ein raffiniertes Innenleben: eine architektonische Anordnung kleiner Säulen und Schubladen, prunkvoll geschmĂźckt mit Elfenbein, Muscheln und Ebenholz. Man kann in den mit Samt bedeckten Schubfächern alles anhäufen, sammeln, vergessen und irgendwann wieder entdecken. Die Besitzer selber lieĂ&#x;en sich von den Ebenisten Ăźberraschen, denn diese versteckten ab und zu
kleine religiĂśse Motive: ein Bildnis der Muttergottes, eine Miniaturkapelle, die Figur eines Heiligen. Diese stillschweigenden Schätze machen aus dem BargueĂąo das „MĂśbel der Geheimnisse“ – und bald das LieblingsmĂśbel der Spanier. In jedem Zuhause, das etwas auf sich hält, findet man ein altes BargueĂąo. Doch wird das auch so bleiben? Don Javier ist optimistisch: „Das BargueĂąo passt immer gut, auch mit modernen MĂśbeln und Kunstwerken“. Frau AguilĂł und Don JosĂŠ Antonio sind eher pessimistisch. Sowohl der Nachschub wie die Nachfrage schwächeln. Der Antiquitätenhändler erzählt, wie er vor zwei Jahren ein prachtvolles BargueĂąo im Mudejar-Stil mit Elfenbein-Einlagen bei einer Auktion erstand. Er hat es immer noch nicht verkauft. Vielleicht wird er das Juwel eines Tages einer Institution verkaufen, mit einem privaten Käufer rechnet er nicht mehr. Der Erfolg des BargueĂąo ist sein eigener Tod. ENRIQUE G DE LA G
.0%&3/& 7&3%3`/(5 (&03(*"/*4$) &/(-"/% „Das englische oder auch nur Londoner Interieur gibt es nicht mehr“, berichtet Christie's Spezialist Orlando Rock. Die Briten leben nicht mehr in „Period-Rooms“, wie es noch vor ein paar Jahren gang und gäbe war, als sei eine moderne Wohnung ein kleines Museum. „Heute haben die Leute das Selbstvertrauen, Neues und Altes und sogar Stile zu mischen“. Wenn es einen englischen Wohnstil Ăźberhaupt noch gibt, wird er heute mehr von den alten Häusern mit ihren Besonderheiten und typischen Grundrissen geprägt als von einem bestimmten Einrichtungsstil. Denn während viele Engländer in den letzten 15 Jahren ihre alten MahagonimĂśbel durch schicke DesignermĂśbel ersetzten, viktorianischen „Clutter“ verbannten, diese ĂœberfĂźlle an Nippes, Stoffen und MĂśbelchen, die einmal der Devise „my home is my castle“ ästhetische Geltung verschafften – ist die Bausubstanz von der Revolution des neuen Minimalismus unberĂźhrt geblieben. Die Mehrzahl der Engländer, und vor allem Londoner, wohnen nach wie vor in alten Häusern, die immer noch als die geräumigsten, bequemsten und schicksten gelten. Weniger betuchte Mittelschichtler leben in oft Ăźberraschend geräumigen viktorianischen Reihenhäusern mit Vor- und Hintergärtchen in den Suburbs. Die wirklich Reichen und die aristokratische Oberklasse wohnt in Stadthäusern oder stattlichen Wohnungen der georgianischen Epochen des 18. und frĂźhen 19. Jahrhunderts, die das Stadtbild der Edelviertel Mayfair oder Belgravia in London bestimmen. Wohnästhetik von der „Immobilie“ geprägt: Den alten offenen Kaminen mit ihren Einfassungen, unweigerlich Zentrum jeder britischen Wohnstube, den hohen Räumen mit ihren dezenten Stuckfassungen und Bilderleisten, den engen Fluren, fast unweigerlich WeiĂ&#x; gestrichenen TĂźren mit eingelassenen Panelen, „Sash Windows“ zum Hoch und Runterschieben, bei denen das sanfte Klappern der Bleigewichte den Kennern trotz der Einfachverglasung handwerkliche Solidität und behagliche Wohnlichkeit verspricht. Und was steht in den Wohnungen? Orlando Rock ist fĂźr „House Sales“ zuständig und weiĂ&#x; wie wenige, was sich hinter Londoner Fassaden verbirgt. Weniger, dafĂźr grandiosere MĂśbel, reichere Farben, exotischere StĂźcke. „Sogar eine gewisse Theatralik kommt zurĂźck, wie man sie in den 1990er Jahren hatte, bevor sie von der Minimalismus-Mode ver-