Yoko Ono

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DIE ALCHeMISTIN I

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Foto: Enrique G de la G

Yoko Ono macht jetzt auch Kunst. Enrique G de la G traf sie in Berlin

n der Bar des Berliner Kempinski-Hotels „A Hole“. Es ist eine Scheibe aus gepanzertem empfängt mich Yoko Ono. Sie ist mittlerweiGlas mit einem Kugelschuss. Die Künstlerin lädt le fast 80 Jahre alt geworden, sieht aber aus, den Besucher ein, beide Seiten des Glases zu als wäre sie 20 Jahre jünger. Sie strahlt jubetrachten, um sich in zweierlei Rollen – die des gendliche Freude aus. Sie nippt an einem EspresAngreifers und die des Opfers – hineinzuversetso, und ihre Tasse aus Meißner Porzellan – einer zen. zufälligen Erfindung der Alchemisten – scheint Noch interessanter ist das Werk im Hinterzimmir, ein Zeichen zu sein: Mit ihrer alchemieähnmer. Es heißt „Memory of Violence“. Neun Stadtlichen Kunst versucht Yoko Ono, alles in einen pläne von Berlin hängen an den Wänden. Der goldenen Frieden zu verwandeln. Sie ist nach BerBesucher wird dazu aufgefordert, diese mit Folin gekommen, um ihre neue „Show“ – wie sie tos, Zetteln oder Dingen, die eine persönliche sagt – vorzustellen. Mit der Ausstellung will sie Erfahrung der Gewalt erzählen, zu ergänzen das Publikum dazu provozieren, über Gewalt und sie an den entsprechenden Ort auf die Karnachzudenken. Der Titel „Das Gift“ könnte klarer te zu stecken. Das Publikum wird dieses workyoko ono vor einer ihrer nicht sein. Gewalt ist für sie das Gift unserer Zeit. in-progress bearbeiten, bis am Ende eine Karte Installationen bei Haunch „Diese Welt ist voll von Gewalt, man kann die Auder Berliner Gewalt entsteht. Yoko Ono nennt of Venison, Berlin gen vor dieser Tatsache nicht verschließen“, erdiese Arbeit inoffiziell den Müllkorb: „Mit dieklärt sie. Als ich die andauernde Gewaltsituation im Nahen Ossem Aufkleben lässt du deine Wut und Ressentiments in diesem ten und Lateinamerika erwähne, verkrampft sie ihre Schultern Zimmerchen, das als Müllkorb funktioniert. Man kann sich seiund schmunzelt ganz leise. Sie spricht lieber über ihr eigenes ne Wut von der Seele schreiben und dabei zusehen, dass es Land, die Vereinigten Staaten. „Wir leben in einer sehr trauanderen auch nicht anders geht. Daraus entsteht ein Kunstrigen Zeit, wir alle sind unter Schock. In den USA waren wir werk, das niemanden kalt läßt.“ stolz darauf, ein liberales Land zu sein. Aber plötzlich ist uns Eine Frage bleibt jedoch noch übrig: Wieso kommt „Das Gift“ aufgefallen, dass dies nicht der Fall ist. Das große und großzünach Berlin, eine Stadt, in der der Frieden zwischen den wilden gige Land von einst ist wohl verschwunden. Dann kam die wirtRuinen vergangener Kriege blüht? Gerade deshalb, oder ist es schaftliche Krise. Und, drittens, die aktuelle Staatsmacht ist reiner Zufall? „In einem gewissen Sinne kannst du sagen, dass unfähig, unsere Hoffnungen zu erfüllen“. Mit einer Faust unes Zufall gewesen ist, denn ich bekam eine Einladung dazu, terstreicht sie ihre Aussage: „Pum, pum, pum! Es sind drei eine Ausstellung hier zu organisieren, und ich brauchte einharte Schläge gewesen“. prägsame Ideen. Aber auf der anderen Seite bedeutet Berlin Ihre Enttäuschung erinnert sie an ihre „Bed-in for peace“-Aksehr viel für mich. Ich bin mit der deutschen Kultur, ihrer Mution, die sie zusammen mit John Lennon während ihres Honeysik, den Gemälden und der Literatur aufgewachsen. All das war moon Ende der 1960er Jahre gegen die damalige Gewalt der während meiner Kindheit anwesend. Dann kamen der Zweite USA in Vietnam organisierte. Yoko Ono hat heute eine reifere Weltkrieg, der Kalte Krieg, und das alles, was wir schon kenStrategie entwickelt: „Wir müssen geduldig sein. Das ist das nen. Gerade wegen dieser Tradition sind die Leute hier imstanerste: Geduld lernen. Ich bin immer noch dabei. Man muss es de, meine Ausstellung bestens zu verstehen. Wenn man eine verstehen, es ist überhaupt nicht einfach, aber Fortschritte Installation vorbereitet, muss ein konzeptioneller Dialog entmacht man schon“, sagt sie mit einem Lächeln. Gewalt hat ihr stehen. Es wäre Blödsinn, etwas auszustellen, was niemand Leben geprägt. Als junge Frau überlebte sie die Luftangriffe versteht. Während ich an dieser Ausstellung arbeitete, führte der Alliierten auf Tokio in einem Bunker. Ihre zweite Scheidung ich einen inneren Dialog mit den Berlinern“. war qualvoll, vor allem als ihr Ex-Mann ihr die Tochter wegDas friedliche Berlin ist ein guter Ort, um Kunst zu bejubeln nahm. Und natürlich gehören zu ihrer Gewalt-Erfahrung auch und über Gewalt zu diskutieren. Hier hat Yoko Ono auch ihren die vier tödlichen Schüsse auf John Lennon, die noch immer in kleinen ‚Stein des Wissens’ online gestellt: „Es gibt in der zweiihren Ohren hallen, denn sie stand ja nur wenige Schritte von ten Etage der Galerie ein Werk, das jedem die Gelegenheit bieihm entfernt. tet, der Welt ein Lächeln zu schenken“. Selbst wenn sie bei einer Pressekonferenz vermeidet, über Am Ende erlaubt sich Yoko Ono einen kleinen Exkurs, der ihre John Lennon zu reden, spricht sie über ihn en petit comité sehr durchaus authentische Unruhe veranschaulicht. Berlin ist ihr gerne. Der Name Lennon ist ihr Glücksbringer, und sie macht neuer Graben, von hier aus übt sie ihre Kritik an den heutigen nun Gebrauch von ihm, um ihre Botschaft zu vermitteln. Vereinigten Staaten, die sie mit der gewalttätigen Zeit während Die sanfte Yoko Ono möchte, dass wir das Leben vom Standder Berliner Mauer vergleicht: „Damals wurden in der DDR punkt der Liebe betrachten. Immer wieder mischt sie in die harmlose Leute gejagt, heute sind einige Amerikaner hinter Symbole der Gewalt Motive der Hoffnung. Im Eingangsbereich unbescholtenen Bürgern her.“ der Galerie Haunch of Venison findet der Besucher von der DePum, pum, pum! Vierzig Jahre später lässt sich das „Bed-in for cke hängende Soldatenhelme, die voll von Puzzlestücken eines peace“ in „Berlin for peace“ umwandeln. blauen Himmels sind. Die Gewalt zerstört die individuellen Horizonte, aber der blaue Himmel bleibt. Verlässt man diesen Wald von Helmen, möchte man sich ein Stück von diesem Himmel in AUSSTELLUNG: Das Gift, Haunch of Venison, Berlin, die Hosentasche stecken. Das Hauptwerk der Ausstellung heißt bis 13. November, www.haunchofvenison.com


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