ANSELM KIEFER - Werke aus der Sammlung Essl

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Anselm Kiefer

Anselm Kiefer Werke aus der Sammlung Essl


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ANSELM KIEFER WERKE AUS DER SAMMLUNG ESSL WORKS FROM THE ESSL COLLECTION


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Ausstellungsansicht / Exhibition view Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, 2011


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INHALT | CONTENT

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KARLHEINZ ESSL VORWORT | PREFACE WIELAND SCHMIED BLEIERNE MEERE UND KOSMISCHE RÄUME – AM ANFANG WAR DIE UNENDLICHKEIT GEDANKEN ÜBER DAS WERK ANSELM KIEFERS OCEANS OF LEAD AND COSMIC VASTNESS – AT THE OUTSET WAS INFINITY REFLECTIONS ON THE WORK OF ANSELM KIEFER

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BILDER MIT BILDBESCHREIBUNGEN | PLATES WITH WORK DESCRIPTION

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WERKVERZEICHNIS | LIST OF WORKS

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BIOGRAPHIE | BIOGRAPHY ANSELM KIEFER

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BIBLIOGRAPHIE | BIBLIOGRAPHY ANSELM KIEFER

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COPYRIGHTS & FOTONACHWEISE | COPYRIGHTS & PHOTO CREDITS

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IMPRESSUM | IMPRINT


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VORWORT KARLHEINZ ESSL

Es ist wohl „Liebe auf den zweiten Blick“, die meine Beziehung zum Werk von Anselm Kiefer am treffendsten bezeichnen würde. Viel früher schon hatte meine Frau das vielschichtige Œuvre des Künstlers ins Herz geschlossen. Später, aber umso heftiger trat dann meine Begeisterung hinzu, die in der Folge durch signifikante Ankäufe von Arbeiten der letzten zehn Jahre ihren Ausdruck fand. In besonders lebhafter Erinnerung ist mir der Besuch bei dem Künstler in seinem Atelier im südfranzösischen Städtchen Barjac. Der Besuch war lange vorbereitet und wurde vom Galeristen Thaddaeus Ropac begleitet. Es war im November des Jahres 2003. Vom Flughafen Marseille aus fuhren meine Frau und ich mit einem Mietauto durch die hügelige provenzalische Landschaft, vorbei an kleinen romantischen Städtchen bis nach Barjac, wo Anselm Kiefer Anfang der 1990erJahre sein Atelier eingerichtet hatte. Dort arbeitete er und lebte er gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern, die damals ein und drei Jahre alt waren. Der Arbeitsbereich von Anselm Kiefer sprengte jedes Vorstellungsvermögen. Es war dies nicht ein Atelier im herkömmlichen Sinn, sondern ein riesiges Anwesen, dessen Herzstück eine stillgelegte Weberei aus dem späten 18. Jahrhundert war. Der Künstler hatte hier ständige Zu- und Neubauten errichtet, die als Werkstätten, Ateliers oder Ausstellungshallen für Objekte dienten. Das gesamte Areal war mit Containern, Lagern von alten Eisenteilen, Lkws und Rohrgerüsten etc. übersät. Einer der Autokräne hatte eine Tragkraft von 120 Tonnen.

Besonders beeindruckten mich die Lager- und Ausstellungshallen von riesiger Dimension, die von oben mit Tageslicht belichtet wurden. Hier lagerten Kiefers großdimensionale Kunstobjekte, auf fahrbare Untergestelle montiert, um sie mühelos bewegen zu können. Bei unserem Besuch in Barjac bot sich die einzigartige Gelegenheit, den Künstler und sein Werk besser kennenzulernen. Ich war schwer beeindruckt, und mein Wunsch, aus diesem Fundus eine wichtige Arbeit für unsere Sammlung zu erwerben, steigerte sich zur fixen Idee. Im Leben eines Sammlers sind solche Gelegenheiten, sich besondere Werke aussuchen zu dürfen, beglückende Momente. Gemeinsam mit dem Künstler entschieden wir uns für eine Arbeit, die eigentlich als Installation zu bezeichnen ist. Sie umfasst zwei Teile, nämlich ein Bild mit dem Titel „Horlogium“ (Öl, Emulsion, Acryl mit Gipspflanzen auf Leinwand, 2003) mit einer Größe von 280 mal 500 Zentimetern und dazu eine Skulptur, die aus einem Stapel von Bleibüchern besteht (Gewicht 3.000 Kilogramm). Das Ensemble erhielt vom Künstler die Bezeichnung „Sternenfall“; da die Bleiskulptur mit einer großen Anzahl von Glasblättchen übersät wurde, die astronomische Nummern tragen, wie sie zur Katalogisierung der Sterne des Alls verwendet werden. Dieses wunderbare Ensemble bildete den Ausgangspunkt einer Sammlung, die sich in den darauffolgenden Jahren noch erweitern sollte. Anselm Kiefer hat Barjac inzwischen verlassen und seinen Lebens- und Schaffensmittelpunkt nach Paris verlegt. Ich hatte die Gelegenheit, den Künstler 2011

in seinem neuen Wirkungsbereich zu besuchen und war von der Dimension der Pariser Kunstwerkstätten aufs Neue überwältigt. In einer 30.000 Quadratmeter großen ehemaligen Lagerhalle, die mit Laufkränen und schwerem Hebegerät ausgestattet ist, befinden sich Werkstätten, in denen die unterschiedlichsten Teile für die Produktion der kieferschen Kunstprojekte hergestellt werden. Der Künstler, mit Fahrrad und Funkgerät ausgerüstet, ist allgegenwärtig, erteilt Anweisungen und überwacht den Fortgang der Produktion bis ins kleinste Detail. In den letzten Jahren war es mir möglich, 15 Arbeiten aus verschiedenen Werkphasen der letzten zehn Jahre zu erwerben. Die Bedeutung dieser Werkgruppe verlangt geradezu nach einer gesamtheitlichen Präsentation, die mit dieser Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Es ist mir eine große Freude, dass diese Ausstellung nunmehr zustande gekommen ist und die Zustimmung des Künstlers gefunden hat. Ich habe diese Präsentation selbst kuratiert. Dabei war es mir ein Anliegen, die Arbeiten so zu platzieren, dass jedem Werk der nötige Freiraum zugestanden wird und spannende Dialoge zwischen den Arbeiten entstehen. Darüber hinaus galt es, auch die Architektur und die Raumfolge der Galerien zu beachten. Für die Besucher soll dadurch ein spannender Parcours durch die Abfolge von Arbeiten geschaffen werden, um die Kraft, Ausstrahlung und Spiritualität der Werke spür- und erlebbar zu machen. Ich bedanke mich bei Anselm Kiefer für die Möglichkeit, im Laufe der letzten Jahre einen so beachtlichen Werkblock erwerben zu können. Ebenso bedanken möchte ich mich für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Ausstellungsprojektes. 8


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PREFACE KARLHEINZ ESSL

My relationship with the work of Anselm Kiefer is probably best described by the phrase “love at second sight”. Much earlier than I , my wife had grown fond of the artist's multi-layered oeuvre . My enthusiasm came later but all the more strongly for that, and it led me to a number of significant acquisitions of his work over the last 10 years. I have particularly vivid memories of a visit to the artist’s studio in the small town of Barjac in the south of France. The visit had been prepared long in advance with support from the gallery owner Thaddaeus Ropac. It was in November 2003. From Marseilles airport my wife and I rented a car and drove through the hilly landscape of Provence, passing romantic little towns, until we reached Barjac, where Anselm Kiefer had established his studio in the early 1990s. There he lived and worked, together with his wife and the two children, then aged one and three. The working environment of Anselm Kiefer exceeds anything one might imagine. It was not a studio in the usual sense of the term, but a giant estate at whose centre lay a former weaving mill dating from the late 18th century. The artist had continuously extended the structure and added new buildings serving as workshops, studios and exhibition halls for objects. The entire area was dotted with containers, scrap deposits, trucks and scaffolding, etc. One of the mobile cranes had a load capacity of 120 tonnes. I was particularly impressed by the storage and exhibition halls of huge dimensions, illuminated through skylights. This is where Kiefer’s large-scale art objects were stored, mounted on trolleys for easy moving.

Our visit in Barjac offered a unique opportunity to get to know the artist and his work. I was captivated, and my desire to acquire a seminal work from this stock for our collection became an idée fixe. These are electrifying moments in the life of an art collector when one has the opportunity to pick very special works of art. Together with the artist our choice fell on a piece that must actually be called an installation. It consists of two parts, one is a painting with the title Horlogium (oil, emulsion, acrylics with gypsum plants on canvas) 2003, with the dimensions of 280 x 500 cm. The second part is a sculpture consisting of a pile of lead books (weighing 3000 kg). The artist called the ensemble Falling Stars, since the lead sculpture is sprinkled with a large number of glass shards bearing astronomical numbers that are used to identify stars in the universe.

ficance of these works really calls for an en-bloc presentation to be shown to the general public in its entirety for the first time. I am delighted that we have now been able to organise this exhibition with the approval of the artist. I have curated the show myself, taking great care to place the works in such a way as to give each of them the necessary free space and to develop exciting relationships between them. We also had to take account of the architecture and the sequence of gallery rooms. We wanted to ensure that the visitors would be provided with an intriguing pathway through the exhibition that allows them to resonate with the power, atmosphere and spirituality of these works of art.

Meanwhile, Anselm Kiefer has left Barjac and made Paris the centre of his life and work. I had the opportunity to go and see the artist in his new workplace in 2011 and was once again overwhelmed by the size of his workshop premises in Paris. A former warehouse with a surface of 30,000 sq.m. equipped with track-mounted cranes and heavy lifting machinery houses the workshops in which the many different parts for Kiefer’s art projects are produced. The artist is omnipresent on a bicycle and carrying a walkie-talkie, gives instructions and supervises every little detail in the production process.

I would like to thank Anselm Kiefer for allowing me to acquire such a comprehensive group of works over recent years, and also for his support in the realisation of this exhibition project. Thanks must also go to Thaddaeus Ropac for the exemplary co-operation in this project, as well as to Arne Ehmann from Galerie Ropac. I am grateful to Prof. Peter Iden for his knowledgeable support and for accepting to give the inaugurating speech. Heartfelt thanks to Günther Oberhollenzer, who not only provided curatorial support for me, but also took care of the organisational aspects together with Anna Szöke. I would like to thank the catalogue authors, particularly Prof. Wieland Schmied, and the graphic designer of the catalogue Pablo Farassat. Last but not least my thanks go to Martin Kreitmeier and the installation team as well as to all staff members of the Essl Museum who have been involved in this project.

I had the pleasure of acquiring 15 works from different work periods over the last ten years. The signi-

I hope that many visitors will let themselves be fascinated and inspired by the work of this important artist.

This wonderful ensemble was the seed for a collection that was to grow considerably in the following years.


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Ein Dankeschön auch an Herrn Thaddaeus Ropac für die gute Zusammenarbeit bei diesem Projekt sowie an Arne Ehmann von der Galerie Ropac. Dank auch an Prof. Peter Iden für seine fachkundige Unterstützung und seine Bereitschaft, die Eröffnungsrede zu halten. Weiters ein Dankeschön meinem kuratorischen Mitarbeiter Günther Oberhollenzer, der das Projekt zusammen mit Frau Anna Szöke auch organisatorisch betreut hat. Mein Dank gilt den Katalogautoren, insbesondere Prof. Wieland Schmied, und dem Grafiker des Kataloges, Herrn Pablo Farassat. Schließlich sei Martin Kreitmeier und dem Aufbauteam gedankt, sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Essl Museums, die an diesem Projekt mitgewirkt haben. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Besucher und Besucherinnen sich vom Werk dieses bedeutenden Künstlers faszinieren und inspirieren lassen.

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BLEIERNE MEERE UND KOSMISCHE RÄUME – AM ANFANG WAR DIE UNENDLICHKEIT GEDANKEN ÜBER DAS WERK ANSELM KIEFERS WIELAND SCHMIED

„Wach im Zigeunerlager und wach im Wüstenzelt, es rinnt uns der Sand aus den Haaren dein und mein Alter und das Alter der Welt mißt man nicht mit den Jahren.“ Ingeborg Bachmann, Das Spiel ist aus „Aus der Agada ist ersichtlich, daß die Tora 2000 Jahre vor der Weltschöpfung geschaffen wurde.“ Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik „Ich bin auch ein Sediment. Ich bin etwa 2000 Jahre alt ...“ Anselm Kiefer in einem Interview 01 Die Bilder von Anselm Kiefer gehören zu den großen Ereignissen der Kunst unserer Zeit. Sie haben den Mut, sich mit einem wichtigen Thema zu beschäftigen: den Mythen der Menschen und der Geschichte des Menschen, soweit sie Mythos geworden ist, also unsere Existenz über alle rationalen Analysen hinaus betrifft. Da wir über die Fragen unseres Schicksals – woher wir kommen, warum wir hier sind, wohin wir gehen – so wenig wissen, sprechen wir von ihnen als dem Mysterium. Sich darüber Gedanken zu machen halten wir in der Regel für eine Frage der Religion, der Philosophie oder der Dichtung. Die bildende Kunst, so wird verlangt, soll möglichst frei von ihnen bleiben. Sie kann Anspielungen machen, Assoziationen auslösen und Empfindungen wecken, aber kann sie auch ein Medium des Denkens sein? Eindeutiges und Unzweifelhaftes läßt sich über letzte Fragen in der bildenden Kunst noch weniger sagen als in anderen Disziplinen des menschlichen Geistes.

Aber kann sie nicht wenigstens Aspekte dieses Mysteriums sichtbar machen? Kiefer kann es, und das mit großer Intensität – wie Cy Twombly, Antoni Tapies oder Jannis Kounellis es können – Künstler, die eine neue Sprache für sie entwickelt haben, eine Sprache der Anschauung und der Anschaulichkeit. Eine Sprache, in der sich die in den alten Menschheitsmythen beschworenen Fragen aufgreifen und auf der Ebene der bildhaften Metapher fortführen und weiterdenken lassen. Zu Ende denken kann sie niemand. Eine solche Behauptung, die auf den Rang und die Geltung eines Künstlers abzielt, bedarf einer doppelten Begründung. Diese muß zuerst Sinnhaftigkeit und Sinnfülle des Inhalts belegen, von dem die Bilder des Künstlers handeln. Sodann muß sie darlegen, daß es ihm gelungen ist, die seinen Themen adäquate Form zu finden. Denn es ist einzig und allein die Form, die darüber entscheidet, ob uns die Botschaft, die ein Bild vermitteln will, erreicht und wir sie als authentisch und darum unabweisbar aufnehmen. Inhalt ohne Form ist nicht denkbar – und umgekehrt. Wenn einer soviel will wie Anselm Kiefer – der in einem wahrhaft prometheischen Elan beständig wenn nicht die Götter so doch die vertrauten Schutzgeister der bildenden Künste herausfordert –, dann kann es nicht ausbleiben, daß sich Widerspruch erhebt und sich Mißverständnisse einstellen. Diese haben Anselm Kiefer und sein Werk von seinen Anfängen an begleitet, und ganz verschwunden sind sie bis heute nicht. Kiefers Kunst wurde schon früh von einer Woge von Mißverständnissen erfaßt, wurde von ihr – und den Auseinandersetzungen, die diese

provozierten – geradezu getragen und zeitweilig überschwemmt. Das, wovon seine Kunst so unüberhörbar sprach – ihre in all ihrer Ambivalenz höchst komplexen Inhalte, die so viel scheinbar „Anstößiges“ einschlossen –, verhinderten die Wahrnehmung der nicht ohne Kalkül und Raffinement entwickelten Form, durch welche diese zur Anschauung gebracht wurden. Die Konfrontation mit solchen Inhalten war ungewohnt, der Umgang mit dem, was sie besagten, schien tabuisiert. Und doch trafen sie den Nerv vieler Menschen nicht nur in Deutschland, sondern bald auch in Amerika, in England, Frankreich und Israel. Diese Aufnahme bedeutete für viele berufsmäßige Bedenkenträger eine Überraschung – für manche vielleicht auch einen Schock –, auf lange Sicht hat sie dazu beigetragen, Widerstände abzubauen und die Beschäftigung mit diesem Künstler und seiner Kunst zu versachlichen. 02 Anselm Kiefer hat Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Bildern deutscher Geschichte und germanischer Mythologie begonnen. Ein wahres Metapherngewitter ging auf den Betrachter nieder. Die Fülle seiner Anspielungen mußte jeden, der sich diesen Bildern unvorbereitet näherte, verwirren. Nach Kiefers Präsentation im deutschen Pavillon in den Giardini der venezianischen Biennale 1980 – neben Georg Baselitz – machte das Wort von der „Überdosis an Teutschem“ die Runde. Hermannsschlacht und Nibelungenlied, die Beschwörung deutscher Geisteshelden und die Imagination der „Walhalla“ auf dem Dachboden – das war manchen 12


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OCEANS OF LEAD AND COSMIC VASTNESS – AT THE OUTSET WAS INFINITY REFLECTIONS ON THE WORK OF ANSELM KIEFER WIELAND SCHMIED

“Awake in the gipsy camp and the desert tent, the sand runs out of our hair; your age, my age, and the age of the planet in years have no measure.” Ingeborg Bachmann, Das Spiel ist aus From The Collected Poems of Ingeborg Bachmann, translated by Peter Filkins. “The Aggadah tells us that the Torah was created 2000 years before the creation of the world.” Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik “I am a sediment, too. I'm about 2000 years old...” Anselm Kiefer in an interview

But could not art at least make some aspects of the mystery visible? Kiefer can do this, and does it with great intensity – just like Cy Twombly, Antoni Tapies or Jannis Kounellis can – artists who have developed a new language for that purpose, a language of vivid visualisation. A language that can take up the questions dealt with by the old myths of humanity and continue and develop them at the level of visual metaphors. Thinking these questions through right to the very end is something that no one can do.

The paintings of Anselm Kiefer figure among the grand moments of contemporary art. They bravely deal with a very important topic: the myths of humanity and the history of humankind, to the extent that the latter has turned into myth and thus impacts our existence over and beyond any rational analysis.

Such a statement about the rank and importance of an artist needs to be doubly justified. First of all one must furnish proof of the pertinence and wealth of meaning in the content addressed by the artist’s work. Then one must show that he succeeded in finding an adequate form for his themes. For it is form and form alone that determines whether the message a painting wants to convey actually reaches us so that we accept it as authentic and thereby irrefutable. Content without appropriate form is inconceivable – and vice versa.

Since we know so little about the questions relating to our destiny – where we come from, why we are here, where we are going – we consider them a mystery. Devoting attention to them is what we usually expect religion, philosophy or poetry to do. The visual arts, people would claim, should remain largely free of them. They can make allusions, trigger associations and awaken sensations, but can they become a medium of thought? There is surely even less that the visual arts can say unambiguously and with great certainty about these questions than the other disciplines of the human mind.

When someone wants as much as Anselm Kiefer does – an artist who with truly promethean verve continuously challenges if not the gods at least the familiar tutelary deities of the visual arts – objections will inevitably arise and misunderstandings are unavoidable. Both of these have accompanied Anselm Kiefer and his work from the beginning, and have not fully disappeared to this day. Very early on, Kiefer’s art was met by a wave of misunderstandings, and was truly swept along and at times immersed by this wave and the strife that it provoked.

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The issues his art so stridently addressed – all that highly complex and ambivalent content which included so much that seemed to “give offence” – prevented viewers from perceiving the form, developed with painstaking method and refinement, that he employed to visualise the issues. Being confronted with such content was uncommon, and addressing the statements they made appeared to upset taboos. And yet they hit a nerve with many people, not only in Germany, but also in the US, in the UK, France and Israel. This reception came as a surprise to many professional harbingers of doubt and reservations – for some of them it may even have been a shock. In the long run it contributed to dismantling resistance and providing a more sober and objective atmosphere for exploring this artist and his art. 02 It was in the early 1970s that Anselm Kiefer started to produce images of German history and Germanic mythology. A veritable cloudburst of metaphors rained down on the viewers. The plethora of allusions was bound to confuse anyone approaching these paintings unprepared. After Kiefer's presentation in the German pavilion – next to Georg Baselitz – in the Giardini of the 1980 Venice Biennial, word went round of a “Teutonic overdose”. The Battle of the Teutoburg Forest and the Nibelung saga, evoking German spiritual heroes and imagining Valhalla up in the attic – it was simply too much for some. Even then, however, it became obvious that the artist's approach to his topics had a firm grounding in history. By this I mean he tried to burrow through many layers of time, and in so doing did not shy


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einfach zu viel. Doch schon damals wurde offenbar, daß der Blick des Künstlers auf seine Gegenstände geschichtlich fundiert war, will sagen, viele Zeitschichten zu durchdringen versuchte und dabei auch die unselige Periode des Nationalsozialismus samt seinen Wahnideen wie die von ihm ins Werk gesetzte Katastrophe des Holocaust nicht ausblendete. Konnten nach der euphemistisch als „dunkel“ apostrophierten Periode unserer Geschichte die Schauplätze jener Zeit – die von ihr ersonnenen Architekturen, aber auch bestimmte Landschaften – wie die vom Faschismus mißbrauchten Symbole – je wieder mit unschuldigem Blick angesehen werden? War danach Kunst überhaupt noch möglich? Und wenn ja, wie mußte eine solche „Kunst nach Auschwitz“ aussehen? Das waren Fragen, die sich Kiefer in seinen Bildern stellte, und die jedes seiner Bilder dem Betrachter stellt. Es mag sein, daß die Reflexion der Opfer einer Zeit, deren Sucht nach Monumentalität von einem unübersehbaren Todestrieb genährt wurde (den selbst der kostbarste Marmor nicht verkleiden konnte), Anselm Kiefer zuerst dazu brachte, nach der germanischen Überlieferung sich neben griechischen, mesopotamischen und anderen Mythen, mehr und mehr der jüdischen Mystik zuzuwenden. Jedenfalls tauchen Motive jüdischer Mystik zunehmend schon in den achtziger Jahren in seinem Werk auf, um ihn bis heute zu begleiten. Diese Motive haben Kiefers zwischen direktem Zugriff und versteckter Andeutung oszillierender Bildsprache eine Reihe neuer Impulse gegeben. Kiefers Werk hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht nur in eine kaum noch überschaubare

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Breite entwickelt, es hat zugleich an Substanz und Tiefe gewonnen, ist beständig reicher geworden. Immer mehr erweist sich Anselm Kiefer dabei als einer der imponierend intelligenten Künstler, die ihre Intelligenz vollkommen in bildnerische Strategien und ästhetische Qualitäten umzusetzen vermögen. Er zählt damit zusammen mit Georg Baselitz, Sigmar Polke und Gerhard Richter zur Quadriga der unzweifelhaft überragenden Gestalten der gegenwärtigen Kunstszene. 03 Man hat danach gefragt, ob Anselm Kiefer in seinen Bildern das fortsetzt, was einmal als Historienmalerei den obersten Rang in der Hierarchie der Künste besetzte. Wir zögern, diese Frage zu bejahen, auch wenn unstrittig ist, daß Anselm Kiefer nicht im entferntesten ein Illustrator von Geschichte genannt werden darf, wie es einmal etwa Jacques-Louis David oder Jean Auguste Dominique Ingres gewesen sind. Historienmaler in diesem Sinn konnten nicht mehr als Momentaufnahmen geben, denn sie mußten sich an bestimmte historische Konstellationen halten, die nur augenblickslang Realität wurden, in der Begegnung (einstiger und kommender) Herrscher, im Treueschwur der Verschwörer, im Todessturz des ermordeten Heros. Anselm Kiefer ist sehr viel mehr als Historienmaler. Er hat seine Suche nach Menschheitsthemen gedanklich und künstlerisch, inhaltlich und formal auf eine völlig neue Ebene der Reflexion und der Realisierung gehoben, nicht zuletzt durch die Instrumentalisierung des Gegensatzes von reiner Spiritualität und purem Material. Kiefer transzendiert die Avantgarde,

indem er einerseits nicht auf die assoziationsträchtigen Bezüge großer Themenstoffe verzichtet, sich andererseits dabei der Aussagekraft der unterschiedlichsten Elemente versichert, indem er Materialien wie Haar, Mohn, Sand, Asche, Samen, Lehm, Zweige im Gipsmantel, Textilien, in Bronze gegossene abgeblühte Sonnenblumen und vieles andere mehr als Metaphern einsetzt und für sich sprechen läßt. Gleichzeitig zeigen seine Gemälde, daß ihr Urheber Geschichte als einen unendlichen Prozeß begriffen haben möchte, als einen Prozeß, der viele zeitliche Stationen durchläuft und seine Spuren in vielen Erdund Gesteinsschichten, in Ablagerungen und Sedimenten hinterläßt, auf deren Boden wir heute stehen. „Ich denke vertikal“, sagt Anselm Kiefer, „und eine der Ebenen war der Faschismus. Doch ich sehe alle diese Schichten. Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist. Ich mache ein Loch auf und gehe hindurch." 04 Vielleicht rührt Anselm Kiefers Faszination für Bauwerke daher, daß sich an der Geschichtlichkeit ihrer Erscheinung die wechselhaften Schicksale menschlicher Geschlechter ablesen lassen, ohne daß ihre Protagonisten selbst auftreten müßten. Der erste Eindruck, den Kiefers ausgedehnte Landschaften und seine monumentalen Architekturen vermitteln, unterstrichen noch durch die gewaltigen, oft gigantomanisch wirkenden Formate ihrer Repräsentation auf Bildtafeln, ist der von Leere und Verlassenheit. Er konfrontiert uns mit verbrannter Erde, ausgedörrten Böden, aber auch mit Zonen von 14


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away from the fateful period of National Socialism and its insane ideas, including the one translated into reality by the horrors of the Holocaust. After that period in our history which euphemists prefer to call “dark”, would we ever be able to look again with innocent eyes at some of the sites and venues of that time – the architecture it conceived, but also certain landscapes – or at the symbols abused by the fascists? Was art even possible after all that? And if so, what form did such “art after Auschwitz” have to take? Those were the questions that Kiefer raised in his paintings and that each of the paintings passes on to the viewer. It may well be that reflecting on the victims of a period in which the craving for monumentality was fed by a distinctive death wish (which even the most precious marble couldn't conceal) induced Anselm Kiefer, after exploring Germanic as well as Greek, Mesopotamian and other myths, to turn his attention more and more to Jewish mysticism. At any rate, elements of Jewish mysticism started to crop up in his paintings in the 1980s and are still part of his work today. They have repeatedly given new impetus to Kiefer's pictorial language, which oscillates between direct attack and concealed allusions.

In the past three decades, Kiefer’s work has not only extended in scope to cover an unbelievably wide spectrum, it has also gained in substance and depth, has continuously grown richer. In the process, Anselm Kiefer has revealed himself more and more as one of those incredibly intelligent artists who

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manage to translate their intelligence perfectly into pictorial strategies and aesthetic qualities. Next to Georg Baselitz, Sigmar Polke and Gerhard Richter he completes the quadriga in the forefront of the contemporary art scene. 03 The question used to be asked whether Anselm Kiefer’s paintings continued a tradition that once predominated in the hierarchy of the arts, viz. history painting. One hesitates to answer in the affirmative, even if it is an indisputable fact that Anselm Kiefer must not even remotely be considered as an illustrator of history, as artists such as Jacques-Louis David or Jean Auguste Dominique Ingres once were. History painters in that latter sense could provide nothing more than snapshots, for they had to adhere to certain historical constellations, and only depicted reality at a given moment, as in an encounter between (former and future) rulers, in an oath of loyalty sworn by conspirators, or an assassinated hero’s death throes. Anselm Kiefer is a great deal more than a history painter. In his search for themes relating to humanity, he has reached a completely new level of reflection and realisation, both in his mind and on canvas, in terms of content and form. He has reached this new level not least thanks to the way in which he instrumentalises the contrast between pure spirituality and pure materiality. Kiefer transcends the avant-garde through not renouncing the wealth of associations in the grand themes, and also by harnessing the expressive power of a wide variety of elements, by including materials such as hair, poppy

seeds, sand, ashes, plant seeds, mud, twigs coated with gypsum, textiles, withered sunflowers cast in bronze and many others that serve as metaphors to speak for him. At the same time his paintings show that their creator wants to have history understood as an infinite process, one that passes through many stages in time and leaves its traces in many layers of earth and rock, in deposits and sediments that serve us as ground to stand on today. “I think vertically”, says Anselm Kiefer, “and one of the layers was fascism. But I see all the layers. In my paintings I narrate history in order to show what lies behind history. I open up a gap and step through it.” 04 Anselm Kiefer’s fascination with structures may stem from the fact that the historical content in their form permits us to read the colourful fates of communities without the need for their protagonists to appear in person. The first impression conveyed by Kiefer's vast landscapes and monumental architecture, accentuated by the huge, occasionally gargantuan, dimensions of the frames, is one of emptiness and abandonment. He confronts us with scorched earth, parched soil, but also with mud and clay, uncultivated fields with furrows that lie idle. And he shows us giant stone halls, marked by the passage of time and left to decay, deserted by humans and devoid of function, belonging to the past and almost impossible to fathom – but for the traces of unholy memories clinging to the masonry.


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Lehm und Schlamm, brachliegenden Feldern, in deren Ackerfurchen nicht mehr gesät wird. Und er zeigt uns riesige steinerne Hallen, vom Fortgang der Zeiten gezeichnet und dem Verfall preisgegeben, vom Menschen verlassen und funktionslos geworden, der Vergangenheit angehörend und beinaheschon undeutbar – wären da nicht die Spuren unheiliger Erinnerung, die noch an ihrem Mauerwerk haften. Gegen die Leere setzt Kiefer Namen in ungelenker Schreibschrift, kratzt sie in die Mauern ein, gräbt sie in Mulden zwischen Ackerfurchen, versenkt sie in die Erde. Namen von Orten, von Göttern, von Personen, von denen wir wenig mehr kennen als ihre Legende, gelegentlich ganze Gedichtzeilen, von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Ossip Mandelstamm. Und diese Namen oder Zeilen rufen andere Welten herbei, die unsere Gegenwart wie ein Rauschen von fernher durchdringen und erfüllen. Der Sinn der von Kiefer geschaffenen Räume, die immer leere Räume sind, scheint mir zu sein, uns in ihnen von vielfachen Vergangenheiten umfangen zu lassen und sie so zu Zeit-Räumen zu machen. Raum zu schaffen für das Erleben von Zeit, darum ging es Kiefer von Anfang an. Das begann mit den Dachböden, die sich durch die eingeschriebenen Namen zu Orten grenzenloser Vorstellungen weiteten, führte durch die bedrückenden steinernen Innenhöfe ins Freie einer imaginierten Vorzeit, die von der suggestiven Geborgenheit bröckelnder Lehm- und Ziegelbauten bis zu den auf das Unendliche zielenden Pyramiden reichte – schließlich hin zu den WeltenRäumen mit ihren Sternensphären und Himmelspalästen, kosmischen Manifestationen und mythischen Interpretationen, über die noch zu sprechen sein wird.

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05 An den geschichtlichen Prozessen, die Anselm Kiefer memoriert, haben die vier Elemente wesentlichen Anteil. Was Menschen gemacht haben, zerfällt zu Erde, wird von Erde bedeckt, löst sich in Luft auf, und die dunklen Wolken erinnern an nichts. Das Wasser kann – wie im Gedicht T. S. Eliots – ein tödliches Element sein, es kann aber auch Heilung bringen und Sinnbild des Unbewußten sein. Den Argonauten verspricht es die Unendlichkeit und so fahren sie wie so viele vor und nach ihnen hinaus auf das Meer, auf der Suche nach dem, was die Welt bedeutet, – für Jason war es das Goldene Vlies. Eine besondere Rolle spielt im Werk Anselm Kiefers das Feuer. Geschichte bedeutet fortwährende Verwandlung, und Feuer ist das erste Element der Verwandlung. Erinnert es nicht auch an Prometheus, der es den Göttern gestohlen haben soll, um es den Menschen zu bringen, ein fragwürdiges Geschenk? Durch Feuer ging Troja in die Geschichte ein, durch Feuer wurde die Bibliothek von Alexandria Geschichte – und gewann legendären Charakter. Feuer ist in Kiefers Bildern in mehrfacher Weise präsent: gemalt, als Asche appliziert, oder physisch als die Spur ausgebrannter – und mit anderen Materialien hinterfangener – Partien der Leinwand. Der Malerpinsel kann es – in buchstäblichem Sinn – entzünden, die Malerpalette es nähren und farbig aufleuchten lassen – wie in den Tafeln, die dem byzantinischen Bilderstreit gewidmet sind –, aus vielen Gegenständen züngelt es hervor, Nero kann es als alles erfassenden Weltenbrand entfachen und niemand es zähmen.

Das Feuer kann aber auch eine Schutzzone markieren – auf der Treppe vor der Tür zum Atelier – der Stufe zum Tempel –, in dem der Künstler haust. Kiefer kennt die Ambivalenz des Feuers: ihm ist das biblische Feuer vertraut, das brennt und doch nicht verzehrt – jedenfalls nicht den, der in ihm steht, wie der Unsichtbare im Dornbusch, von dem wir nur die Stimme vernehmen. Wohl aber ist es gefährlich für den, der sich ihm unbefugt nähert.

Kiefers Feuer-Obsession konnte in seinen Studien der jüdischen Mystik willkommene Nahrung finden. Dafür nur drei Beispiele: Moses ben Nachman (Nachmanidas) spricht von der „agadischen Äußerung, daß die Tora ursprünglich mit schwarzem Feuer auf weißem Feuer geschrieben wurde“. Der doppelte – zerstörerische wie schützende – Charakter des Feuers ist alte mystische Tradition und schon in der vorkabbalistischen Zeit bekannt. Dem MerkabaMystiker, der die Herrlichkeit der Thronwelt Gottes – den Glanz seines „Thronwagens“ – schauen will, verwandelt sich das Fleisch „in feurige Fackeln“, das Feuer droht ihn zu verzehren, doch kann er aus ihm gereinigt hervorgehen. In den Hechaloth-Büchern erfahren wir, daß die Torwächter der berühmten Himmelspaläste, zu denen uns die Seelenwanderung führt, „wie Feuersäulen um den Thron von Feuer stehen, auf dem der Schöpfer thront“. 06 Die lodernden Flammen des Feuers evozieren eine ästhetische Faszination – Ernst Jünger hat sie beschrieben –, aber was von ihm bleibt ist die erloschene Glut in einer erkalteten Brandstätte. Es bleibt 16


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As beacons challenging the emptiness, Kiefer adds names in clumsy script, scratching them into walls, burying them between furrows in a field, sinking them into the ground. Names of places, gods, people, of whom we know little more than their legends, sometimes whole lines of poems by Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Ossip Mandelstamm. And these names or lines evoke other worlds that permeate and seep into our present time like a distant rustling. It seems to me that the meaning of Kiefer’s spaces, which are always empty spaces, is for us to dwell in them and be surrounded by manifold pasts, thus turning them into time-spaces. Creating space in which time can be experienced is what Kiefer was concerned with from the outset. It started with his attics, which were expanded into places of limitless imagination by the names he inscribed in them, continued through oppressive flagstoned yards into the outdoors of an imaginary ancient era, ranging from the suggestive intimacy of crumbling adobe and brick structures to pyramids grasping for infinity. And it led to the worldscapes with their stellar sceneries and celestial palaces, cosmic manifestations and mythical interpretations, which we will have to explore a little later. 05 The historical processes which Anselm Kiefer commemorates essentially involve the four elements. What human beings created will crumble and be covered by earth, will dissolve into thin air, and the dark clouds remind us of nothing. Water can mean death – as in the poem by T. S. Eliot – but it can also heal and symbolise the unconscious. To the Argonauts it

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promises eternity, and thus many of them venture forth on the ocean looking for that which means the world to them – for Jason it was the Golden Fleece. Fire plays a special role in the work of Anselm Kiefer. History means continuous change, and fire is the paramount element of change. Does it not recall Prometheus, who is said to have stolen it from the Gods to give it to humans – a mixed blessing? Fire secured for Troy an entry in the history books, and fire it was that concluded the history of the library of Alexandria – and turned it into a legend. Fire is omnipresent in Kiefer’s work: painted, applied as ashes, or apparent through physical traces on parts of the canvas that he torched and bakked with other materials. The painter’s brush can set it alight – quite literally – the palette can feed it and make it shine with colour – as in the panels devoted to the Byzantine iconoclastic dispute – its fiery tongue protruding from many objects; Nero can ignite it as an almighty conflagration, and it will be tamed by no-one.

Three examples may suffice: Moses ben Nahman (Nahmanides) talks about the “statement in the Aggadah that the Torah was originally written with black fire on white fire”. This duality of fire – destructive and protective – is an old mystic tradition, known even from the pre-kabbalistic era. The Merkabah mystic who wants to behold the glory of god’s throne – the splendour of his “chariot” – finds his eyeballs turned into “flaming torches”. The fire threatens to consume him, but he is able to rise from it purified. From the Hekhalot books we learn that the guardian angels of the famous celestial halls, the destination of the soul’s journey, encircle the creator’s blazing throne like columns of fire. 06

Conversely, fire can also provide a protective barrier – on the staircase leading to the door of the studio – the doorstep to the temple – in which the artist dwells. Kiefer knows about the ambivalence of fire: he is familiar with biblical fire, which burns but does not consume – at least not the one it engulfs, like the invisible presence in the thornbush whose voice alone we hear. It carries potential danger, however, for someone approaching it without permission.

Dancing flames hold an aesthetic fascination – as described by Ernst Jünger – but what they leave behind are burnt ashes in a cooling fireplace. All that is left is a “black hole”. Kiefer devotes as much attention to these holes as to the fire itself. His pictorial strategy, that has elements of both secrecy and suggestiveness, can be related to the path of “negative theology” which, as early as in the days of Hellenic Gnosis, tried to describe the supreme godhead using negative terms only so as not to restrict its nature. Its attributes, as the resolutely rational Maimonides knew, can consist solely of negation. It is impossible to make any positive statement about them, as that would impair their integrity. We can only know what it is not, but never what it is. These notions were also familiar to the mystic Meister Eckhart.

Kiefer’s obsession with fire was stoked with welcome fuel through his studies of Jewish mysticism.

A similar approach can be found in the “negative thought” and “negative dialectics” of the Frankfurt


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nichts mehr als ein „schwarzes Loch“. Kiefer widmet diesen Leerstellen nicht weniger Aufmerksamkeit als dem Feuer. Wir können seine bildnerische Strategie, die ebensoviel mit Verschwiegenheit wie mit Suggestion zu tun hat, mit dem Weg der „negativen Theologie“ in Beziehung bringen, die schon in den Tagen der hellenistischen Gnosis die höchste Gottheit nur durch Verneinungen zu umschreiben versuchte, um ihr Wesen nicht einzuengen. Ihre Attribute, das wußte auch der um Rationalität bemühte Maimonides, können aus nichts denn aus Negation bestehen. Es ist nicht möglich, über sie etwas auszusagen, wir würden sonst ihren Begriff beschädigen. Wir können nur wissen, was sie nicht ist, nicht was sie ist. Das sind Gedanken, die auch Meister Eckhart vertraut waren.

um einen Krater, dessen Zentrum man nicht betreten kann.“

Ähnlich verhält es sich mit dem „negativen Denken“ und der „negativen Dialektik“ der Frankfurter Schule. Von diesem „negativen Denken“ sagte Herbert Marcuse: „Das Abwesende muß präsent gemacht werden, weil der größere Teil der Wahrheit in dem steckt, was abwesend ist.“

Im Grunde muß der Künstler die Zusammenhänge gar nicht herstellen. Er muß sie bloß erkennen, in Natur und Geschichte (und in ihren Interpretationen) aufspüren und in seiner Arbeit zur Anschauung bringen. Denn diese Zusammenhänge sind ja gegeben. Wir müssen nur lernen, sie zu sehen. Überall gibt es diese Entsprechungen. Die Welt ist voll von ihnen. Im Kleinen spiegelt sich das Große, im Mikrokosmos der Makrokosmos, der geheimen Beziehungen ist kein Ende.

Die Präsenz des Abwesenden: das ist ein Gedanke, der Kiefer ebenso beschäftigt wie der von der tatsächlichen Abwesenheit des hier und jetzt Gegenwärtigen. Gerne geht der Künstler im Sinne der kabbalistischen Lehre vor, wenn er das Eigentliche in immer neuen Einkleidungen verhüllt und das, was er zeigen will, konsequent verdunkelt – um dann die Dunkelheit zu beschwören. In einer Äußerung verdeutlicht er seine Position als Künstler: “Die ganze Malerei, aber auch die Literatur und alles, was damit zusammenhängt, ist ja immer nur ein Herumgehen um etwas Unsagbares, um ein Schwarzes Loch oder

Und an anderer Stelle: „Der Künstler stellt einen Zusammenhang her, den sonst niemand herstellen kann. Er stiftet Sinn, indem er etwas Sinnloses macht ... Doch indem ich der kosmischen Sinnlosigkeit etwas gleich- oder entgegensetze, schaffe ich natürlich Sinn. Aber es ist ein sinnloser Sinn, ein Schein-Sinn ...“ 07 Sinn stiften, Zusammenhänge herstellen – das ist für Kiefer, eingestandenermaßen oder nicht, die wichtigste Aufgabe des Künstlers, auf sie muß er all seine Fähigkeiten und Energien konzentrieren.

Auf der Annahme der Möglichkeit solcher Entsprechungen ruht die ganze Kunst Anselm Kiefers. Ihr Grundprinzip ist die Möglichkeit der Wiedergabe, der Repräsentation, die eine Entsprechung in der Substanz der Sache selbst bedeutet. Die Realität, die er auf seinen Papieren, Pappen, Leinwänden, Gipsgründen, Bleifolien herstellt, muß in der Substanz der Sache etwas mit dem zu tun haben, was sie zeigt. Sie

muß wesensmäßig mehr sein als ihr Abbild oder ihre Illustration. Sie muß Substanz von ihrer Substanz besitzen, um den Betrachter zu erreichen und anzurühren. Nur so kann sie mehr sein als ihre Reflexion oder ihr Kommentar (was sie natürlich auch ist). Daher kommt die Notwendigkeit Kiefers, mit großen und immer größeren Formaten zu arbeiten. Seine Bilder wollen die Wirklichkeit dessen ergreifen – und sei es nur am „Saum ihres Mantels“ –, wovon sie sprechen. Und da diese Wirklichkeit in Kiefers Verständnis eine ungeheuere ist, muß die Geste, die sie zu fassen versucht, zwangsläufig die größte sein, an die sich denken läßt. Natürlich weiß der Künstler, daß sich die gemeinte Wirklichkeit nicht als Ganzes und schon gar nicht maßstabgetreu eins zu eins wiedergeben läßt, daß ein Gebirge nicht durch ein Gebirge zu repräsentieren ist. Außerdem ist die Realität, um die es Kiefer geht, ja primär eine geistige – sie meint unsere Vorstellung von Realität, unser Bild der Wirklichkeit samt ihren mystischen und mythischen Interpretationen. Damit ihm eine solch umfassende Repräsentation der Realität gelingt, müssen ihm zwei Konstruktionen zu Hilfe kommen, die ich mit den Begriffen Stellvertretung und Gleichgewicht bezeichnen möchte. Die Stellvertretung ermöglicht das Kleine für das Große zu nehmen, das kleine Flugzeugmodell aus Blei für die wirkliche Düsenmaschine, das Hemdchen für den Engel, der es hätte tragen können, die Sonnenblume für die Sonne usw. Das Prinzip des Gleichgewichts besagt in etwa, daß in einem Bild Geistiges und Materielles einander die Waage halten müssen, dass jeder spirituelle oder mystische Gehalt, um nicht im Winde zu verwehen, aufgewogen werden 18


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School. This is what Herbert Marcuse said about “negative thought”: “The absent must be made present because the greater part of the truth is in that which is absent.” The presence of the absent: that is an idea that intrigues Kiefer just as much as the one about the actual absence of that which is present in the here and now. The artist likes to proceed in the spirit of Kabbalistic doctrine, cloaking the essential in ever new disguises and consistently obscuring the issue he wants to depict – to then end up in evoking this obscure darkness. In one of his statements he explains his position as an artist: “All painting, but also literature and everything connected to it, represents merely the encirclement of something unspeakable, a black hole or a crater whose centre is impenetrable for us.” And on another occasion: “The artist creates an interconnection that no-one else can create. He creates meaning by doing something meaningless … And by countering or equating cosmic meaninglessness with something, I am, of course, bound to create meaning. But it is a meaningless meaning, a pseudo-meaning...” 07 Creating meaning and interconnections – whether Kiefer will admit it or not, this to him is the most important task of an artist, one on which he needs to concentrate all his skills and energies.

Basically, the artist does not even have to create the interconnections, he merely needs to discern them,

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discover them in nature and history (with their interpretations) and make them visible in his work. For, these interconnections already exist, we just have to learn to perceive them. These equivalences exist everywhere. The world is full of them. The large is reflected in the small, the macrocosm in the microcosm; there is no end to the secret relationships. The assumption that such equivalences are possible is the basis for all of Anselm Kiefer’s art. He works on the basic principle that there is a possibility of portrayal, of representation, which means a substantial correspondence with the constituent elements of a subject matter. The reality he creates on paper, cardboard, canvas, gypsum ground and lead foil needs to have a substantial connection to the issue it addresses. It has to be more closely related to it than being merely a portrait or illustration. It has to share substance with the issue in order to reach and touch the viewer. Only in this way can it be more than a mere reflection or commentary (which it is as well, of course). Hence the need for Kiefer to work in ever larger formats. His paintings aspire to grasp the reality of the issue they address – even if they just catch it by the “hem of its garment”. And since Kiefer understands this reality as being vast and immense, the gesture through which he tries to grasp it must necessarily be the largest gesture imaginable. The artist knows, of course, that the reality he addresses cannot be depicted in its entirety, let alone in full scale, that a mountain range cannot be represented by a mountain range. Moreover, the reality Kiefer aims at is primarily non-physical – it relates to our ideas and perception of reality, including all its mystical and mythical interpretations.

For such comprehensive representation of reality to succeed, Kiefer needs to employ two concepts that I would like to call substitution and equilibrium. The substitution principle permits him to use the small to represent the large, the small leaden scale model of a plane to replace an actual jet aircraft, the little smock standing for the angel that might have worn it, the sunflower for the sun, etc. The equilibrium principle demands more or less that the material and the non-material sides of a painting need to be in balance, that any spiritual or mystical content, so as not to be gone with the wind, needs to be balanced by the weight of a crude, hardly worked-on but judiciously chosen and placed material that hints at its origin but otherwise denies any symbolical interpretation. In other words: the more complex the content the artist strives to express, the more comprehensive the formal effort of coping with it needs to be. (In the process, the selection and arrangement of the materials used are already part of the formal level.) When asked about the correspondence between large and small, Kiefer likes to refer to the British mystic Robert Fludd (1574-1637), a physician and reputed member of the secret society of Rosicrucians. His main work De utriusque cosmi, which makes an attempt to explain the universe by means of a kind of mystical alchemy, carries the correspondence between the micro- and the macrocosm already in its title. This book contains the sentence “every Plant has its Related Star in the Sky” which, as Kiefer emphasises, inspired him to grandiose paintings of a “flower sky”. Again, we will find parallels of such correspondences in Jewish mysticism which says that every letter


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muß durch das Gewicht des kruden, kaum bearbeiteten und dennoch überlegt gewählten und genau plazierten Materials, das auf seine Herkunft verweist und sich im übrigen jeder sinnbildlichen Deutung entzieht. Anders gesagt: je komplexer der zur Aussage drängende Inhalt ist, desto umfassender muß die formale Anstrengung ausfallen, ihn zu bewältigen und in den Griff zu bekommen. (Dabei gehören Auswahl und Arrangement des eingesetzten Materials durchaus schon in den Bereich der Form.) Wenn es um die Entsprechung des Großen und Kleinen geht, dann verweist Kiefer mit Vorliebe auf den englischen Mystiker Robert Fludd (1574-1637), der Arzt war und dem Geheimbund der Rosenkreuzer angehört haben soll. Sein Hauptwerk „De utriusque cosmi“, welches das Universum mittels einer Art mystischer Alchemie zu erklären unternimmt, trägt diese Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos schon im Titel. Darin findet sich der von Kiefer mit Nachdruck zitierte Satz: „every Plant has his Related Star in the Sky“, der ihn zu großartigen Bildern eines „Blumenhimmels“ inspiriert hat. Wiederum werden wir der Parallele einer solchen Entsprechung in der jüdischen Mystik begegnen. In ihr ist davon die Rede, daß sich jeder Buchstabe der Tora auf einen bestimmten, zur Zeit ihrer Offenbarung im Umkreis Mose lebenden Menschen bezöge, dessen Seele sich in ihm widerspiegeln würde. So sagt Moses Cordovero (1522 – 1570), mit dem die kabbalistische Tradition in Safed beginnt, jeder einzelnen der 600.000 heiligen Seelen (die der Zahl der Juden beim Auszug aus Ägypten entsprechen soll) komme ein eigener, nur ihr gehöriger Bezirk der Tora zu.

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8 „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“ Mit dieser Apologie, die das Wort über alles stellt, was existiert, beginnt das Johannes-Evangelium. In gleichem Maße wie das Neue Testament ruhen die Bücher der Tora (die wir zum Alten Testament rechnen) auf dem Wort, und auch die Kabbala öffnet uns das Tor in eine Welt des Wortes. Das Wort besitzt in ihr magische Kraft. Die Kabbala ist mit dem Wortcharakter der Tora wie mit einem Fetisch umgegangen. Indem sie jedem einzelnen ihrer Buchstaben höchste Bedeutung zuschrieb, hat sie ihn mystifiziert. Gershom Scholem zitiert Rabbi Meir, einen der wichtigsten Mischna-Lehrer des zweiten Jahrhunderts: „Als ich zu Rabbi Ismael kam, fragte er mich: Mein Sohn, was ist deine Beschäftigung? Ich erwiderte ihm: Ich bin Tora-Schreiber. Da sprach er zu mir: Mein Sohn, sei vorsichtig bei deiner Arbeit, denn sie ist eine Gottesarbeit. Wenn du nur einen Buchstaben ausläßt oder einen Buchstaben zuviel schreibst, zerstörst du die ganze Welt.“ Dergleichen Äußerungen ließen sich viele zitieren. Zu ihnen ist auch der Satz des Nachmanides (um 1200) zu rechnen, der in der Tora (neben ihrem geläufigen Sinn, in welchem uns Geschichte erzählt wird und Gebote gegeben werden) als tiefere Sinnschicht eine Folge der Namen Gottes lesen wollte: „Wir besitzen eine authentische Tradition, daß die ganze Tora aus Namen Gottes besteht.“ Und der Agada dürfen wir entnehmen, daß die „Tora bereits 2000 Jahre vor der Weltschöpfung geschaffen wurde“ – was uns zurückführt zum Anfang des Johannes-Evangeliums.

Der Wortgläubigkeit der Heiligen Schriften korrespondieren ihre Bilderfeindlichkeit und die Bilderverbote, entspricht das in vielen Variationen wiederholte Diktum: “Du sollst Dir kein Bildnis machen!” Wie wir wissen, ruhte darauf die Argumentation der Ikonoklasten im byzantinischen Bilderstreit. Sie fürchteten, daß bildliche Objekte die Verehrung auf sich ziehen könnten, die allein dem dreieinigen Gott zukomme. Wenn Anselm Kiefer um 1980 in seinen Visionen des Bilderstreits diesen als einen Kampf um Leben und Tod imaginiert, dann ist das immer auch ein Plädoyer in eigener Sache. Denn in diesen Bildern, in denen die Kunst des Bilderrmachens zur Debatte steht, geht es Kiefer um alles: um den Sinn der eigenen Existenz als Künstler. Mag die Kunst fragwürdig sein und vom Scheitern bedroht – wie alles, was Menschen unternehmen –, ändert das nichts an ihrer Notwendigkeit. Auch wenn die Kunst des Bildermachens mit Zerstörung zu tun hat („Malen = Verbrennen“ heißt ein Bild von Kiefer aus dem Jahr 1974) und ihre Resultate mühsam errungen werden müssen. Die Welt des Wortes, die Heiligen Schriften, die großen Dichtungen benötigen nicht die Illumination durch die Bilder. Aber unsere Existenz wäre nicht vollständig, wenn es nicht auch die Bilder – und die Musik – gäbe, und das, was durch sie – und nur durch sie! – in die Welt kommt. Jüdische Mystik und Kabbala eröffnen in uns spirituelle Räume, die allein aus sich heraus Bestand haben. Aber wer möchte behaupten, daß ihre Welt durch die Bilder des Anselm Kiefer nicht reicher geworden ist?

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of the Torah was linked to one particular person from the circle around Moses and reflected that person’s soul. According to Moses Cordovero (1522 – 1570), who initiated the Kabbalistic tradition in Safed, each of the 600.000 holy souls (said to correspond to the number of Jews during the exodus from Egypt) had its very own part of the Torah.

history and providing commandments) had a deeper level of meaning that was a sequence of God’s names: “We possess an authentic tradition showing that the entire Torah consists of the names of God.” And the Aggadah reports that the Torah was created 2000 years before the world – which takes us back to the beginning of the Gospel of John.

through them. Jewish mysticism and the Kabbalah open up spiritual spaces in us that exist and persist in their own right. But who would dare to say that their world has not become richer through the paintings by Anselm Kiefer?

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The holy scriptures correspond not only in their belief in the word, but also in their distrust of images and the dictum one finds repeated in many variations: “Thou shalt not make for yourself an idol!” As we know, this was used as an argument by the iconoclasts in the Byzantine iconoclastic dispute. They feared that images might attract some of the adulation that was to be exclusively reserved to the trinity.

Anselm Kiefer is impressed and inspired by Germanic, Greek, Egyptian and Mesopotamian mythologies, by Gnosis and Kabbalah, the thoughts of great mystics or the verses of seminal poets – Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Ossip Mandelstamm, SaintJohn Perse – because their words, their ideas, their figures touch him and resonate with him, open horizons and awaken ideas. All these ultimately inadequate metaphors are another way of expressing that which we call inspiration. In Kiefer’s case it may be even more: to him, resonating with texts of this kind also means being transported into spaces of unknown dimensions and hearing the sound that fills these spaces. In his drawing “The Listener” - created approx. in 1902 – Alfred Kubin captured this type of inspiration in a figure that hears the music of the spheres. Such intensively felt perceptions rouse an unquenchable desire in the artist to visualise this wealth of vague sensations in a vivid and concrete manner. By inscribing individual words or whole sentences in his paintings, Kiefer turns the canvases into a sounding board for the spaces he imagines and captures for our eyes. The text and the image are mutually reinforcing and multiply the associations that occur to the viewer.

“In the beginning was the Word, and the Word was with God, and the Word was God.” With this apologia, which places the word above everything else, starts the Gospel of John. The books of the Torah (which we count among the Old Testament) are rooted in the word to the same extent as the New Testament, and the Kabbalah also opens the door to a world where the word is invested with magical power. The Kabbalah treated the word character of the Torah like a fetish. By assigning supreme significance to each of its letters it mystified this character.

Gershom Scholem quotes Rabbi Meir, one of the most important Mishnah teachers of the second century: “But when I went to Rabbi Ishmael, he said to me: ‘My son, what is your occupation?’ I told him, I am a scribe [of the Torah]. He said to me, ‘My son, be careful in your work, for your work is the work of God. If you should perhaps omit a single letter or add a single letter, you would thereby destroy the entire world.’ ” One could quote many similar statements, including a sentence by Nahmanides (around 1200), who felt that the Torah (besides its familiar purpose of recounting

When Anselm Kiefer in his visions of the iconoclastic strife, created around 1980, imagined it to be a fight to the death, this must be seen as a pro-domo plea. For Kiefer, these paintings, that address the issue of creating images, are about everything: about the meaning of his own existence as an artist. Even though art may be questionable and threatened by failure – as anything done by human beings –, this in no way detracts from its necessity. This is so even if the art of creating pictures is related to destruction [Malen = Verbrennen (Painting = Burning) is the title of a painting by Kiefer from 1974¢[]] and its outcome requires great effort to be achieved. The world of the word, the Holy Scriptures, the grand epics do not need any illumination by images. But our existence would not be complete if images – and music – did not exist and along with them that which comes into the world only – and exclusively! –

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It would be erroneous to assume that the study of old myths, mystical texts and poetry would always


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9 Wenn sich Anselm Kiefer von germanischen, griechischen, ägyptischen, mesopotamischen Mythologien, von Gnosis und Kabbala wie von den Gedanken großer Mystiker oder den Versen bedeutender Dichter – Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Ossip Mandelstamm, Saint-John Perse – beeindruckt zeigt und anregen läßt, dann, weil ihre Worte, ihre Ideen, ihre Gestalten in ihm etwas anrühren, etwas auslösen, Saiten zum Schwingen bringen, Horizonte öffnen, Vorstellungen wecken. All diese im letzten unzureichenden Metaphern sind Umschreibungen für das, was wir Inspiration nennen. Im Falle Kiefers ist es vielleicht noch mehr: die Betroffenheit von Texten dieser Art bedeutet für ihn zugleich die Entführung in Räume von unbekannter Weite und das Vernehmen eines Klanges, der diese Räume erfüllt. Alfred Kubin hat mit seinem „Horcher“ – einem Blatt von etwa 1902 – das Bild einer auf solche Weise inspirierten Figur festgehalten, einer Figur, die sphärische Klänge wahrnimmt. Eine so intensiv erfahrene Wahrnehmung ruft im Künstler unabweisbar das Bedürfnis wach, der Fülle vager Empfindungen lebendige Anschauung und konkreten Halt zu verleihen. Durch das Einschreiben einzelner Wörter oder ganzer Sätze in den Grund der Bilder werden die von Kiefer imaginierten und uns vor Augen gestellten Räume zu ihrem Resonanzboden, Schrift und Bildraum verstärken einander gegenseitig in ihrer Wirkung und vervielfachen die Assoziationen, die der Betrachter mit ihnen verbindet.

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dungen bzw. vergleichbare Inspirationen aus. Kiefers Bilder sind so unterschiedlich wie die Quellen, die sie speisen. Was seine Bilder verbindet, ist etwas sehr Persönliches, ist ein Grundgefühl großen Ernstes, das von zarter Melancholie bis zu offenbarer Trauer reicht. Immer wieder scheint es, als wollte er uns sagen: was ich Euch zeige, und was Euch wie mich anrührt, ist ein Vergangenes, das nicht wiederkehrt. Nur am Rande und nur ein wenig reicht es noch in unsere Gegenwart, und so sehr wir uns anstrengen, wir werden es nicht halten können. Uns bleibt nichts als die Entdeckung neuer Perspektiven auf die Vergänglichkeit. Die Dinge schwinden, wie Paul Cézanne sagte.

LITERATURHINWEISE Eine gute Bibliographie, die sowohl Kataloge wie Monografien (sowie Aufsätze und Interviews) umfaßt, bietet der Katalog: Anselm Kiefer, die sieben Himmels Paläste 1973 – 2001, mit einem Essay von Christoph Ransmayr und Beiträgen von Markus Brüderlin, Mark Rosenthal und Katharina Schmidt, hrsg. von Markus Brüderlin, Fondation Beyeler, Basel und Verlag Hatfe Cantz, Stuttgart 2001. Alle Kiefer-Zitate sind diesem Katalog entnommen. Autorisierte adaptierte und leicht gekürzte Version des

Es wäre falsch anzunehmen, die Vertiefung in alte Mythen, in mystische Texte und in das Werk der Dichter löste beim Künstler stets ähnliche Empfin-

Aufsatzes von Wieland Schmied für den Ausstellungskatalog „Anselm Kiefer. Am Anfang“, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg 2003, S. 24-45. 22


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trigger similar sensations or comparable inspiration. Kiefer’s paintings are as varied as the sources that feed into them. What they share is the very personal quality, an underlying feeling of great earnestness, ranging from faint melancholy to unconcealed grief. Very often it seems as though he wanted to tell us: what I am showing you, and what touches me just as much as you, is a past that will not return. Only marginally and very faintly does it permeate our present moment, and no effort in the world will help us cling on to it. All that remains for us to do is discover new perspectives on transience. Things are disappearing, as Paul Cézanne said.

LITERARY REFERENCES A good bibliography including catalogues and monographs (as well as essays and interviews) can be found in the catalogue: Anselm Kiefer, die sieben Himmels Paläste 1973 – 2001, with an essay by Christoph Ransmayr and contributions by Markus Brüderlin, Mark Rosenthal und Katharina Schmidt, ed. by Markus Brüderlin, Fondation Beyeler, Basel and Verlag Hatfe Cantz, Stuttgart 2001. All quotes by Kiefer have been taken from that catalogue. Authorised, adapted and slightly shortened version of the essay by Wieland Schmied for the exhibition catalogue “Anselm Kiefer. Am Anfang”, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg 2003, p. 24-45.

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„Kunst kann eine Erklärung der Welt liefern. Meine Bilder versuchen das.“ “Art can provide an explanation for the world. My paintings try to do that.” „Keine Kühe und keine Wolken.“ Anselm Kiefer in einem Gespräch mit Mathias Döpfner und Manfred Bissinger, in: Der Spiegel, 44/2011, S. 115.


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HORLOGIUM MELA MARESCH

Seit sich Anselm Kiefer 1994 in Barjac in Südfrankreich und später in Paris niedergelassen hat, erfährt sein Werk eine inhaltliche Wandlung. Der Ort selbst, die Natur, die Weite des Himmels und die abgeschlossene Kriegsaufarbeitung erlauben es dem Künstler, neue Themen zu entwickeln, wie etwa die Gestaltung des Kosmos. Auch Robert Fludd, einem englischen Denker des 17. Jahrhunderts, der behauptete, dass jede Pflanze auf Erden ihr Äquivalent im Himmel in Form eines Sternes habe, widmet Anselm Kiefer einen Werkzyklus. Die Pendeluhr (lat. horologium) ist ein Sternbild des Südhimmels. Eher unscheinbar, besteht es aus einer Kette von lichtschwachen Sternen, von denen nur einer heller ist als die vierte Größenklasse. Man findet es westlich des hellen Sterns Achernar, des südlichsten Sterns des Eridanus. Das Sternbild lässt sich nur von Standorten südlich des 20. Breitengrades vollständig beobachten. Im äußersten Süden von Deutschland steigt der Hauptstern des Sternbilds Pendeluhr für eine kurze Zeit und nur sehr tief über den Südhorizont. 1 Anselm Kiefer über Sternbilder: „Interessant an den Sternbildern ist doch vor allem, dass sie völlig beliebig sind. Wenn wir in den Sternenhimmel schauen, dann können wir an sich immer auch andere Bilder finden. Millionenfach können wir die erfinden. Und da zeigt sich wieder die Vielschichtigkeit des Mythischen. Und die Willkür im guten Sinne, die dazu führt, dass man Sternbilder erfinden kann, wie man will … Das führt uns zurück an den Anfang, wo wir gesagt haben, dass es keinen allgemein verbindlichen, über allem schwebenden Sinn gibt, also kein Ding an sich. Jeder muss sich seinen Sinn selbst

schaffen. Ein Künstler schafft einen Sinn und das kann man mit den Sternbildern, die ja willkürliche von Menschen gezogene Gebilde sind, assoziieren.“ 2 Im Bild „Horlogium“ schieben sich Kosmos, Materie, Raum und Zeit ineinander. Der Blick wandert über vielschichtig angelegte Materialien und Motive, wie etwa einen mittig angebrachten und weiß gefärbten getrockneten Strauch, einen gemalten und dennoch wie gemauert wirkenden Kellerabgang in der linken Bildhälfte oder eine Leiter aus hellem Gips, die von links nach rechts quer durch das ganze Bild führt. Mit Nummern versehene Sterne, von der dunklen Umgebung sich abhebende helle Flecken, sind über die ganze Bildfläche verteilt, wobei die Nummern genauso gut Telefonnummern, Sternennummern, wie sie die NASA vergibt, oder Nummern von namenlosen Kriegsopfern sein könnten. Einige der hellen Punkte sind durch Linien verbunden, aus denen sich wie bei Sternbildern geometrische Formen ergeben. Auge und Gehirn des Betrachters sind gefordert, sich entlang der Motive und des üppigen Materialauftrages im Bild Orientierung zu verschaffen. Dabei kann der Betrachter zwischen kosmischer Weite und materieller Dichte, zwischen Himmel und Erde, zerklüfteter Oberfläche und räumlicher Tiefe wählen.

Himmel, den Jakob auf seiner Flucht vor Esau von Beerscheba nach Haran in einer Traumvision erblickt. Er sieht Engel darauf hinauf- und hinabsteigen, ganz oben aber den Herrn selbst, der sich ihm als der Gott Abrahams und Isaaks zu erkennen gibt und die Verheißung von Land und reicher Nachkommenschaft erneuert. Nach dem Erwachen nennt Jakob den Ort „Bet-El“ (Haus Gottes). 3 Anselm Kiefer: „Wir werden geboren und wissen nicht, warum. Und wenn man sich nicht festhält, wenn der Kosmos einem nicht hilft, ist man verloren. Wir kommen von dort! Wir sind mit der ersten Explosion geboren. Wir bestehen aus Elementen des Kosmos. Und so tragen wir das unendlich Große genauso in uns wie das unendlich Kleine. Es ist der Mikrokosmos und der Makrokosmos. Darein versetze ich mich und dann versuche ich das, was ich fühle, mit meinen Mitteln auszudrücken.“ 4

1 Angaben entnommen aus http://de.wikipedia.org, Stichwort

Die diagonal durchs ganze Bild verlaufende Leiter hebt sich am deutlichsten vom gesamten Umfeld ab und nimmt das Motiv einer alten indischen Sternwarte auf, eines riesigen, in den Himmel führenden Treppenaufganges, der als Sonnenuhr eingesetzt wurde. In unserem Kulturkreis lässt die Leiter an die Jakobsleiter denken. Die Jakobs- oder Himmelsleiter, von der das biblische Buch Genesis erzählt, ist ein Auf- und Abstieg zwischen Erde und

„Horologium“. 2 Kunst und Gnosis. Anselm Kiefer und Thomas H. Macho im Gespräch, in: Anselm Kiefer. Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg 2003, S. 7-19, hier S. 15. 3 Die Bibel, Gen 28,11-22 (Einheitsübersetzung). 4 Anselm Kiefer, zit. nach: Anselm Kiefer – Sternenfall, 2007, www.arte.tv/de/1074676,CmC=1588754.html.

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When Anselm Kiefer went to live in Barjac in southern France in 1994 and later settled in Paris, his work underwent some change. The place itself, nature, the open skies and the fact that he had completed his exploration of the war, induced the artist to develop new themes, such as the structure of the cosmos. He also devoted a cycle of works to Robert Fludd, an English scholar of the 17th century who maintained that every plant on earth had its equivalent in the sky in the form of a star. The orologium (Latin for clock) is a star constellation of the southern sky. It is an inconspicuous constellation consisting of a chain of faint stars, barely one of them brighter than fourth magnitude. It is located west of the bright Achernar, southernmost star in the constellation Eridanus. The constellation is on full view only from viewpoints south of the 20th degree of latitude. In southernmost Germany, the main star of the Horologium constellation rises briefly and only very low above the southern horizon. 1 Anselm Kiefer on star constellations: “What is interesting about star constellations is mainly the fact that they are completely random. When we look into the night sky we can always find all sorts of images. We can invent millions of them. Just another proof of the complex nature of myths. And of arbitrariness in a good sense, meaning you can invent any constellation you like.… This takes us back to the beginning where we said that there is no generally binding meaning overarching everything, there is no meaning per se. Everyone needs to craft his or her own sense. An artist creates meaning and that can be associated with star constellations, which are random man-made structures.” 2

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In the painting Horlogium, the cosmos, matter, space and time interweave. The eye roams across the manylayered image and its materials and motifs such as a centrally attached shrub painted white, a painted entrance to a basement that looks like masonry in the left half, or a ladder made from light-coloured plaster that leads across the entire picture from left to right. Numbered stars, bright spots contrasting with the dark ground, are distributed across the entire canvas. The numbers might be telephone numbers, the numbers that NASA assigns to stars, or the ID numbers of unknown war victims. Some of the bright spots are linked with lines that form geometric shapes like star constellations. It is quite a challenge to the viewer’s eye and brain to make sense of the multitude of motifs and the generous application of different materials. The viewer can choose between cosmic vastness and material density, between heaven and earth, between disjointed surfaces and threedimensional depth. The ladder that runs across the entire frame stands out most clearly from its surroundings and hints at the motif of an old Indian astronomical observatory, a giant staircase leading up to the sky that was used as a sundial. In our cultural sphere the ladder is reminiscent of Jacob's or heavens ladder, which, as recounted in Genesis, is a link between heaven and earth that appeared to Jacob in a dream during his flight from his twin brother Esau between Beersheba and Haran. On the ladder he saw angels ascending and descending, and at the top stood the Lord who introduced himself as the God of Abraham and Isaac and promised land and offspring to Jacob. Upon awakening, Jacob called the place Bethel (House of God).3

Anselm Kiefer: “We are born and don't know why. And if you do not hold onto something, if the cosmos does not help you, you are lost. We come from there! We were born with the first explosion. We consist of cosmic elements. And so we carry the infinitely vast in us just like the infinitely small. It's the microcosm and the macrocosm. That is what I reflect on, and then I try to express what I feel with my own means.” 4

1 Adapted from www.wikipedia.org, keyword Horologium. 2 Kunst und Gnosis: Anselm Kiefer und Thomas H. Macho im Gespräch, in: Anselm Kiefer. Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg 2003, p. 7-19, p. 15. (English translation by S. Watzek). 3 Adapted from Old Testament, Genesis 28,11-22. 4 Anselm Kiefer quoted from: Anselm Kiefer – Sternenfall, 2007, www.arte.tv/de/1074676,CmC=1588754.html.


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SKULPTUR MIT STERNEN, 2003 Bleib端cher, Karton, Metall, Glas Lead books, cardboard, metal, glass 170 x 160 x 140 cm

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Ausstellungsansicht / Exhibition view Essl Museum, Klosterneuburg / Wien, 2005


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SKULPTUR MIT STERNEN GÜNTHER OBERHOLLENZER

„Es gibt kein Gesetz, das gleichzeitig im Makro- und im Mikrokosmos gilt. Robert Fludd hat im 17. Jahrhundert eine solche Entsprechung auf künstlerische Weise hergestellt. Er sagte, jeder Pflanze entspreche im Himmel ein Stern. Das ist ein wunderbar poetischer, aber auch utopischer Ausspruch.“ Anselm Kiefer1 Im Dialog mit der Arbeit „Horlogium“ steht die „Skulptur mit Sternen“. Beide bilden zusammen das Kunstwerk „Sternenfall“, das auch Kiefers Werkgruppe „Sternenfall“ zugeordnet wird. Die Skulptur ist ein massiver Block aus übereinandergestapelten Bleibüchern, auf die, so scheint es, zahlreiche kleine Glasscherben – wohl Sterne – heruntergeregnet sind. Die Scherben bedecken Skulptur und Boden. Wieder mit langen Zahlenreihen versehen, lassen sie an astronomische Nummerierungen in Sternkatalogen denken. Bücher, in Bilder integriert, oft auch als imposante bleierne Skulptur, sind ein sehr häufiges Motiv in Kiefers Arbeit. Wie vergilbt oder verbrannt und dennoch unzerstörbar, als ob für die Ewigkeit gemacht, sind sie ausdrucksstarkes Sinnbild für einen kollektiven Erinnerungsspeicher der Menschheit. Der Inhalt, ob wissenschaftlich oder mythologisch, scheint verschwunden und einer materiellen Schwere gewichen. Dennoch bleiben die Bücher auch Symbol für die Dauer und das Überdauern des geschriebenen Wissens, der geschriebenen Geschichten, von Geschichten auch, die von längst Vergangenem erzählen, so wie die Sterne vor Jahrtausenden und Jahrmillionen dort waren, wo die Astronomen sie heute beobachten.

1 Menschen noch nicht reif für Atomenergie. Anselm Kiefer im Interview mit Bertram Müller, 2011, www.rp-online.de/kultur/ kunst/menschen-noch-nicht-reif-fuer-atomenergie-1.2285505. 36


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“There is no law that applies equally to the macrocosm and the microcosm. In the 17th century, Robert Fludd artificially created such a correspondence when he said that every plant had its related star in the sky. That is a wonderfully poetic, but also utopian claim.” Anselm Kiefer1 The Skulptur mit Sternen interrelates with Horlogium. Both pieces form together the art work Sternenfall, which is also attributed to the group Sternenfall by Kiefer. The sculpture is a massive block of piled up books made of lead. Numerous small shards of glass – probably stars – appear to have rained down on the books. The shards cover the sculpture and lie on the floor. Inscribed with long rows of numbers they remind one of the astronomical names of objects in the sky. Books, integrated in paintings or in the shape of an impressive leaden sculpture, are a motif often used by Kiefer in his work. Yellowed or burned in appearance and yet indestructible, as though made for eternity, they are an impressive symbol of the collective memory of humankind. The content, whether scientific or mythological, seems to have gone, replaced by a heavy materiality. Nonetheless, the books still symbolise the longevity and permanence of writtendown knowledge, of written history, of stories that recount events from a faraway past, just like the stars, which occupied the places where astronomers observe them today thousands or millions of years ago. 1 Menschen noch nicht reif für Atomenergie. Anselm Kiefer in an interview with Bertram Müller, 2011, www.rp-online.de/ kultur/kunst/menschen-noch-nicht-reif-fuer-atomenergie1.2285505.

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„Wir können nicht wissenschaftlich feststellen, woher wir kommen. Auch nicht in der Theologie, die vorgibt, eine Wissenschaft zu sein. Und deswegen gibt es Geschichten, die Mythologie, die auf eine nicht-wissenschaftliche Art etwas zu erklären versucht, und dabei weiß, dass es die letztgültige Erklärung, den Sinn, nicht gibt.“ “Science cannot tell us where we come from. Nor can theology, which purports to be a science. This is why stories exist and mythology, which tries to explain something in a non-scientific way, knowing that there is no ultimate explanation or meaning.” Kunst und Gnosis: Anselm Kiefer und Thomas H. Macho im Gespräch, in: Anselm Kiefer. Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg 2003, S. 7-19, hier S. 9.


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ICH BIN DER ICH BIN, 2006 テ僕, Emulsion, Acryl, Schellack, Brombeerstrauch auf Leinwand, hinter Glas Oil, emulsion, acrylic, shellac, brambles on canvas, behind glass 192 x 282 x 36 cm

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ICH BIN DER ICH BIN GÜNTHER OBERHOLLENZER

„Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! Mose antwortete Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte? Gott aber sagte: Ich bin mit dir; ich habe dich gesandt und als Zeichen dafür soll dir dienen: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg verehren.

Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der ,Ich-bin-da‘. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der ,Ich-bin-da‘ hat mich zu euch gesandt. Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.“ 1 So erzählt das Alte Testament im Buch Exodus die Geschichte vom brennenden Dornbusch. Gott offenbart sich Mose als der gnädige Befreier und gerechte Bundespartner des erwählten Volkes Israel, der für Judentum und Christentum zugleich Schöpfer, Richter und Erlöser der Welt ist. Ihm wird er am Berg Sinai, nachdem er die Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens befreit hat, die Zehn Gebote (oder den „Dekalog“) verkünden. In der Einheitsübersetzung wird die Antwort Gottes auf Moses Frage nach seinem Namen mit „Ich bin der ,Ich-bin-da‘“ wiedergegeben, nach der Septuaginta mit „Ich bin der Seiende“, in der Übersetzung von Martin Luther hingegen mit „Ich werde sein, der ich sein werde“. In der Schlachter-Bibel (und anderen Übersetzungen) findet sich schließlich der von Anselm Kiefer gebrauchte Wortlaut „Ich bin, der ich bin“. Im Tanach, der heiligen Schrift der Juden, steht das hebräische Wort „JHWH“, außerhalb des Judentums ausgeschrieben als „Jahwe“ oder „Jehova“. 2

Dornenzweigen, die vor einer grauschwarzen Landschaft zu einem dichten Buschgeflecht verwoben sind. In den Zweigen tanzen Flammen, aus dickem Karton ausgeschnittene rot bemalte Zungen, mit kleinen Drähten an den Ästen montiert. Der Schriftzug „ich bin der ich bin“ im linken oberen Bildrand bekräftigt die Anwesenheit Gottes, der zwar unsichtbar, aber mit dem Wort und mit Feuer gegenwärtig ist. Von Mose ist keine Spur zu sehen. An seine Stelle tritt der Betrachter. Das Feuer als Element der Verwandlung und Transformation spielt in Kiefers Werk eine besondere Rolle, ob als Asche und verbranntes Material oder, wie in diesem Fall, in gemalter Form. Das biblische Feuer brennt aber, ohne sich zu verzehren. In der christlichen Literatur wurde der brennende Dornbusch als Typos der Jungfrau Maria populär: Wie der Dornbusch, in dem Gott erscheint, brennt, aber nicht verbrennt, so trug Maria Jesus in sich, ohne zu vergehen. In seiner Ausstellung „Maria durch den Dornwald ging“ (2008, Galerie Ropac, Salzburg) beschäftigte sich Kiefer eingehend mit dem Thema der Gottesmutter und Jungfrau Maria. 1 Die Bibel, Ex 3,1-15 (Einheitsübersetzung). 2 Die Einheitsübersetzung (1962-1980) ist eine deutsche Bibelübersetzung für den römisch-katholischen Gottesdienst. Die Septuaginta (250 v. Chr.-100 n. Chr.) ist die älteste durchgehende Übersetzung der hebräischen Bibel in eine altgriechische Alltagssprache. Die Bibel von Martin Luther (1534) ist eine Übersetzung der Bibel aus der althebräischen, aramäischen und altgriechischen Sprache ins Deutsche. Die Bibel von Franz Eugen Schlachter (1905), ist in ihrer Übersetzung unter ande-

Kiefer verbildlicht diese zentrale biblische Stelle der Offenbarung Gottes mit einem Dornbusch aus echten

rem an die Lutherbibel angelehnt, weist aber an manchen Stellen sehr individuelle Übersetzungsvarianten auf. 44


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Now Moses was tending the flock of Jethro his fatherin-law, the priest of Midian, and he led the flock to the far side of the wilderness and came to Horeb, the mountain of God. There the angel of the LORD appeared to him in flames of fire from within a bush. Moses saw that though the bush was on fire yet it was not consumed. So Moses thought, ”I will go over and see this strange sight – why the bush is not burned .” When the LORD saw that he had gone over to look, God called to him from within the bush, “Moses! Moses!” And Moses said, “Here I am.” “Do not come any closer,” God said. “Take off your sandals, for the place where you are standing is holy ground.” Then he said, “I am the God of your father, the God of Abraham, the God of Isaac and the God of Jacob.” At this, Moses hid his face, because he was afraid to look at God. The LORD said, “I have indeed seen the misery of my people in Egypt. I have heard them cry out because of their slave drivers, and I am concerned about their suffering. So I have come down to rescue them from the hand of the Egyptians and to bring them up out of that country into a good and spacious land, a land flowing with milk and honey – the home of the Canaanites, Hittites, Amorites, Perizzites, Hivites and Jebusites. And now the cry of the Israelites has reached me, and I have seen the way the Egyptians are oppressing them. So now, go. I am sending you to Pharaoh to bring my people the Israelites out of Egypt.” But Moses said to God, “Who am I that I should go to Pharaoh and bring the Israelites out of Egypt?” And God said, “I will be with you. And this will be the sign to you that it is I who have sent you: When you have brought the people out of Egypt, you will worship God on this mountain.” Moses said to God, “Suppose I go to the Israelites and say to them, ‘The God of your fathers

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has sent me to you', and they ask me, ‘What is his name?’ Then what shall I tell them?” God said to Moses, “I AM WHO I AM. This is what you are to say to the Israelites: ‘I AM has sent me to you.’” God also said to Moses, “Say to the Israelites, ‘The LORD, the God of your fathers–the God of Abraham, the God of Isaac and the God of Jacob – has sent me to you.’ This is my name forever, the name you shall call me from generation to generation.” 1 This is how the story of the burning thornbush is recounted in the Old Testament in Exodus. God reveals himself to Moses as the merciful liberator and a just ally of the chosen people of Israel, as the one who is creator, judge and redeemer of the world for both Jews and Christians. After having freed the Israelites from slavery in Egypt, he will reveal the Ten Commandments (or Decalogue) to Moses on Mount Sinai. In the course of history, Bible translations have proposed different versions of the answer God gives when asked for his name by Moses. The German version used for Roman Catholic church services gives it as “I am the ‘I am here’”, the Septuaginta says “I am the one who exists”, the translation by Martin Luther is “I will be who I will be”, whereas the Schlachter Bible (and other translations) gives the wording used by Anselm Kiefer Ich bin, der ich bin (which corresponds to the traditional English rendering of “I am who I am” or “I am that I am”). The Tanach, the canon of the Hebrew bible, contains the Hebrew term YHWH, written out as Yahweh or Jehovah in nonHebrew texts. 2

against the background of a grey-black landscape. Flames dance in the branches, consisting of cardboard tongues painted red and mounted on the branches with small wires. Inscribed on the upper left margin of the frame, the words ich bin der ich bin confirm the presence of God. He may be invisible but is represented by words and fire. There is no trace of Moses - he is replaced by the viewer. Fire, as an element of transformation and change, plays a particular role in Kiefer's work, present sometimes as ashes and burnt material or, as in this case, as painted flames. The biblical fire burns without the bush being consumed. In Christian literature, the burning thornbush has become a popular symbol of the Virgin Mary: just as the thornbush, in which God is revealed, burns without being consumed, Mary carried Jesus in her womb without exhausting herself. In his exhibition Maria durch den Dornwald ging (2008, Galerie Ropac, Salzburg), Kiefer explored closely the topic of the Mother of God and Virgin Mary.

1 The Bible, Exodus, 3,1-15 (New International Version). 2 The Einheitsübersetzung (1962-1980) is a German translation of the Bible for liturgical use in Roman Catholic services. The Septuaginta (250 BC until 100 AD) is the oldest complete translation of the Hebrew Bible into Koine Greek. The Bible of Martin Luther (1534) is a translation of the Bible from ancient

Kiefer symbolises this central biblical chapter on God's revelation by a thornbush made of real-life thorn branches which are woven into a dense thicket

Hebrew, Aramaic and ancient Greek into German. The Bible of Franz Eugen Schlachter (1905) is based on the Luther Bible but contains a number of highly individual variations.


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SAMSON, 2011 テ僕, Emulsion, Acryl, Schellack, Kohle und Blei auf Fotografie auf Karton Oil, emulsion, acrylic, shellac, charcoal and lead on photograph on cardboard 102 x 165 cm

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SAMSON GÜNTHER OBERHOLLENZER

Samson gilt als der stärkste Mann im Alten Testament, und er ist vermutlich auch der gewalttätigste. Seine Geschichte spielt in der Zeit, als die Israeliten durch die Philister unterdrückt wurden. Samson oder „Simson“, wie er in der Bibel genannt wird, darf sich als Geweihter Gottes („Nasiräer“) nie das Haar und den Bart schneiden. Er ist mit übermenschlichen Kräften ausgestattet, zerreißt mit bloßen Händen einen Löwen und hat schon manchen blutigen Konflikt mit den Philistern ausgefochten, als er sich, von Gaza kommend, im Tal Sorek in die Philisterin Delila verliebt. Die Philister drängen Delila, das Geheimnis von Samsons Kraft in Erfahrung zu bringen. Delila unternimmt insgesamt vier Versuche, Samson die erwünschte Information zu entlocken. Dreimal täuscht er seine Geliebte mit falschen Angaben, erst beim vierten Mal offenbart er Delila sein Geheimnis: Die Kraft liegt in seinen Haaren. Delila verrät ihn, und während er schläft, werden ihm die Haare geschoren. Daraufhin ist es für die Philister ein Leichtes, Samson gefangen zu nehmen. Er wird geblendet und als Zwangsarbeiter zum Getreidemahlen nach Gaza gebracht. Doch sein Haar beginnt wieder zu wachsen. Als die Fürsten der Philister sich eines Tages in ihrer großen Halle versammeln, um ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darzubringen und ein Freudenfest zu feiern, holen sie Samson aus dem Gefängnis, um sich an dem Gefangenen zu belustigen. Das Buch der Richter beschreibt im Kapitel 16 das schicksalhafte Ende des Samson: „Das Haus war voll von Männern und Frauen; alle Fürsten der Philister waren da und auf dem Flachdach saßen etwa dreitausend Männer und Frauen. Sie alle wollten Simson als Spaßmacher sehen. Simson aber rief zum Herrn und sagte: Herr und Gott, denk

doch an mich und gib mir nur noch dieses eine Mal die Kraft, mein Gott, damit ich an den Philistern Rache nehmen kann, wenigstens für eines von meinen beiden Augen. Dann packte Simson die beiden Mittelsäulen, von denen das Haus getragen wurde, und stemmte sich gegen sie, gegen die eine mit der rechten Hand und gegen die andere mit der linken. Er sagte: So mag ich denn zusammen mit den Philistern sterben. Er streckte sich mit aller Kraft und das Haus stürzte über den Fürsten und über allen Leuten, die darin waren, zusammen. So war die Zahl derer, die er bei seinem Tod tötete, größer als die, die er während seines Lebens getötet hatte.“ 1 Für den israelischen Schriftsteller David Grossmann ist „Samson, der Held“, wie er jedem israelischen Schulkind geläufig ist, eine Schicksalsgestalt der aktuellen Situation Israels. „Heute, und gerade hier an diesem Ort, wird man den Gedanken nicht los, dass Samson in gewisser Weise der erste Selbstmordattentäter war. Und obwohl die Umstände seiner Tat andere waren als die der Attentate im heutigen Israel, ist es denkbar, dass sich jenes Prinzip – durch Selbstmord Rache und Mord an Unschuldigen zu verüben – im Bewusstsein der Menschen verankert hat, jenes Prinzip, das in den letzten Jahren so sehr perfektioniert worden ist.“ Der Mythos von Samson habe in der Geschichte Israels immer eine identitätsstiftende Funktion gehabt. Grossman erinnert an die legendäre Kampftruppe „Füchse Samsons“ im 1948er-Unabhängigkeitskrieg (eine Anspielung auf die Geschichte, in der Samson die Schweife einer Horde von Füchsen anzündete und die in Panik geratenen Tiere in die Felder der Philister trieb, um diese niederzubrennen), an die „Einheit Samson“ während der ersten Intifada, an das israelische Atombomben-

projekt, das von den Militärs den Namen „Samsons Entscheidung“ erhielt, aber auch an die in Israel beliebte Fitnesscenter-Kette „Samson-Institut“. 2 In der Kunstgeschichte ist besonders die Geschichte von Samson und Delila ein äußerst beliebtes Motiv: Delilas Verrat, das Schneiden der Haare und die Blendung Samsons wurden in zahlreichen spannungsreichen Darstellungen umgesetzt. In Kiefers Arbeit scheint das Augenmerk auf dem letzten Akt der Handlung zu liegen. Ein weißer Farbmantel gibt den Blick auf ein Foto frei, das eine Art Säulenhalle zeigt, vielleicht auch eine Ausgrabungsstätte. Im mittleren Bildfeld der auf braunen Karton collagierten Abbildung ist ein sonderbares längliches Eisenobjekt angebracht – ähnlich vielleicht jenem Gegenstand, mit dem Samson die Augen ausgestochen wurden. Auch in der Arbeit „Samson in Gaza“ (2011) beschäftigte sich Kiefer mit der Samson-Geschichte und erregte Aufsehen, als er ein altes Maschinengewehr auf das Werk montierte, Sinnbild für die ungeheure Kraft Samsons.

1 Die Bibel, Ri 16,27–30 (Einheitsübersetzung). 2 David Grossman, Löwenhonig. Der Mythos von Samson, Berlin 2006, S. 122. 48


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Samson is considered the strongest, and probably also the most violent, man in the Old Testament. His story is set in a time when the Israelites were oppressed by the Philistines. As one of God's chosen men (a Nazirite), Samson is not allowed to cut his hair. He has superhuman strength, rips a lion apart with his bare hands and has fought many a bloody fight with the Philistines. One day he goes to Gaza and falls in love with Delilah, a Philistine woman from the Sorek valley. The Philistines urge Delilah to uncover the secret of Samson’s strength, and she tries four times to talk him into telling her. Three times Samson deceives his beloved by telling her a fib, only on the fourth occasion does he reveal his true secret to Delilah: the strength lies in his hair. Delilah betrays his secret, and while he is asleep his hair is cut, which makes it easy for the Philistines to take him prisoner. He is blinded, consigned to Gaza into forced labour and put to work grinding grain. But his hair grows back, and one day when the rulers of the Philistines assemble in their temple to make a sacrifice to their god Dagon and hold a celebration in his honour, they have Samson brought from prison to mock and ridicule him. Chapter 16 in the Book of Judges describes Samson’s fateful demise. “Now the temple was crowded with men and women; all the rulers of the Philistines were there, and on the roof were about three thousand men and women watching Samson perform. Then Samson prayed to the LORD, “Sovereign LORD, remember me. Please, God, strengthen me just once more, and let me with one blow get revenge on the Philistines for my two eyes.” Then Samson reached toward the two central pillars on which the temple stood. Bracing himself against them, his right hand on the one and his left

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hand on the other, Samson said, “Let me die with the Philistines!” Then he pushed with all his might, and down came the temple on the rulers and all the people in it. Thus he killed many more when he died than while he lived.” 1 For the Israeli writer David Grossmann “Samson the hero”, as he is known to every Israeli schoolchild, is a pivotal symbol of Israel's current situation. “In the echo chamber of our own time and place there's no escaping the thought that Samson was, in a way, the first suicide killer; and although the circumstances of his deed were different from those familiar to us from the daily reality of the streets of Israel, it may be that the act itself established in human consciousness a mode of murder and revenge directed at innocent victims, which has been perfected in recent years.” The Samson myth, the author emphasises, has always provided a source of identity in the history of Israel. Grossman reminds the reader of the legendary combat unit ‘Samson’s Foxes’ in the 1948 War of Independence (an allusion to the story in which Samson sets fire to the tails of 300 foxes and turns them loose on the fields of the Philistines to burn down their grain), to the ‘Samson’ unit created during the first Palestinian intifada, the Israeli nuclear bomb project which was given the name ‘Samson’s Option’ by the military, or the popular Israeli chain of body-building clubs called ‘Samson Institute’. 2 In the history of art, the story of Samson and Delilah has always been a particularly popular motif. Delilah's betrayal, the cutting of Samson’s hair and his blinding have been portrayed in many exciting works of art. In Kiefer's picture, the focus seems to be on the final act of the story. A white coating opens at the

centre to reveal a photograph showing something like a hall with columns, perhaps an archaeological excavation site. At the centre of the photo, which has been collaged onto brown cardboard, the artist has fixed a strange oblong item made of iron – perhaps resembling the object that was used to gouge out Samson's eyes. In the painting Samson in Gaza (2011), Kiefer revisited the Samson legend, causing quite a stir by mounting an old machine gun to the canvas as a symbol of Samson's enormous strength.

1 The Bible, Judges 16:27-30 (New International Version). 2 David Grossman, Lion‘s Honey. The Myth of Samson, Edinburgh 2006.


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TBC (HÖDUR), 2007 Öl, Emulsion, Schellack, Zweige, Mistelblätter und Erde auf Holz Oil, emulsion, shellac, branches, mistletoe leaves and soil on board 286 x 140 x 8 cm

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TBC (HÖDUR) ANDREAS HOFFER

Auf einem bleiern-lehmigen Bildgrund, der zugleich sehr zart wirkt und an den kosmischen Himmel denken lässt, ist in der oberen Bildmitte eine runde Form aus Mistelzweigen montiert. Darunter steht der Bildtitel: „Hödur“. Am unteren Bildrand ist der Lehm körperhaft aufgetragen und voller Risse. Darüber ein paar dunkle Zweige, über denen in zwei Zeilen geschrieben steht: „was sagte Odin zum toten Baldur als dieser auf dem Holzstoß lag“. Anselm Kiefer verweist in dieser Bildtafel mit Symbolen und Sprache auf die Sage von den Zwillingsbrüdern Baldur und Hödur aus der nordischen Mythologie. Beide sind Söhne Odins, des Göttervaters, und seiner Gemahlin Frigg. In manchen Quellen wird Hödur als die blinde dunkle Seite Odins beschrieben, während Baldur die lichte Seite repräsentiert. Hödur ist ein blinder Gott, er wird aber auch als der beschrieben, der Menschen nur nach ihren inneren Werten beurteilt. Baldur träumte seinen eigenen Tod, woraufhin seine Mutter von jedem Lebewesen, jeder Pflanze und jedem Tier einen Eid einforderte, ihn nicht zu töten. Nur den Mistelzweig übersah Frigg, da er ihr zu unscheinbar erschien. Da Baldur nun scheinbar unverletzlich war, stellten sich die Götter im Kreis um ihn auf und schleuderten Steine, Speere und Pfeile auf ihn. Baldur blieb unverletzt. Der Halbgott Loki beschaffte sich aber voll Arglist einen Mistelzweig und gab ihn dem blinden Hödur, der seinen Bruder damit tötete. Nach dem Weltuntergang und am Beginn der neuen Weltordnung kehrten Baldur und Hödur versöhnt aus Hel, der Unterwelt, zurück.

(eigtl. „der blinde Gast“, einer der Namen des einäugigen Odin) in der Hervarar-Saga stellt. In dieser Sage lässt Gestumblindi den König Heidrek eine Reihe von Rätseln lösen, bis er ihm eine unlösbare Frage stellt: Was sagte Odin dem toten Baldur, als dieser zur Bestattung auf den Scheiterhaufen gehoben wurde? Heidrek erkennt an der Frage, die er nicht beantworten kann, dass Gestumblindi in Wahrheit Odin selbst ist, und gerät in Zorn: „Keiner weiß die Worte außer dir allein, arger Wicht, elendiger!“ Heidrek schlägt mit seinem Schwert auf Odin, dieser aber entkommt in der Gestalt eines Falken, nicht ohne Heidrek zu verfluchen. Heidrek wird bald darauf von seinen Knechten getötet.

Quellen http://de.wikipedia.org/wiki/Hoedur

Die im Bild gestellte Frage, was Odin zum toten Baldur sagte, bezieht sich auf das Rätsel, das Gestumblindi

http://de.wikipedia.org/wiki/Gestumblindi www.lokis-mythologie.de 54


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On a leaden and muddy ground, very delicate in appearance and reminiscent of cosmic skies, a round shape consisting of mistletoe twigs has been attached at the top centre of the frame . Below the twigs the title of the painting is inscribed: Hödur. On the lower edge of the canvas, the mud has been applied in a thick cracked layer. Above the mud the artist has placed a few dark twigs, superscribed by two lines of text: “was sagte Odin zum toten Baldur als dieser auf dem Holzstoß lag” (‘what did Odin say to the dead Balder as he was lying on the funeral pyre’) In this painting, Anselm Kiefer uses both symbols and words to refer to the saga of the twin brothers Balder and Hodur from Norse mythology. Both are sons of Odin, the father of the gods, and Frigg, his wife. Some sources describe Hodur as the blind dark side of Odin, while Balder represents his light side. Although Hodur is a blind god, he is also described as the one who judges people only on the basis of their inner values. Balder dreamt about his own death, whereupon his mother asked every living thing, every plant and animal to take an oath that they would not harm Balder. Frigg overlooked only the mistletoe, since it seemed too trivial to her. As Balder was now believed to be invincible, the gods assembled around him and took shots at him, the darling of the gods. And Balder actually remained unhurt because of the pledge made by all of creation. Only the mistletoe could still be a danger to him. Loki the semi-god maliciously handed a mistletoe branch to blind Hodur, who killed his twin brother with it. After the end of the world and at the beginning of the New

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World order, Balder and Hodur were reconciled as they came back from Hel, the underworld. The question as to what Odin said to the dead Balder relates to the riddle that Gestumblindi (the blind guest, one name of monocular Odin) told King Heidrek in the Hervarar saga. In this saga, Gestumblindi gives a number of riddles to King Heidrek to solve, and the last one is impossible to solve: what did Odin say in Balder’s ear before he was raised to the pyre? Heidrek cannot answer the question, and when he realises that Gestumblindi is actually Odin himself, he gets angry: “Only you know that, you monster!” Heidrek lunges at Odin with his sword, but Odin escapes in the shape of a falcon. He curses Heidrek who is killed by one of his servants.

Sources http://en.wikipedia.org/wiki/Gestumblindi http://en.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6%C3%B0r


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DIA-LYSE, 2006 テ僕, Emulsion, Schellack und Erde auf Holz / Oil, emulsion, shellac and soil on board 285 x 140 x 8 cm

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DIA-LYSE ANDREAS HOFFER

Auf einem dunklen Foto voller Lehmspuren ist im oberen Bilddrittel ein Wort eingeritzt, „Dia-Lyse“, der Bildtitel. Dicker gesprungener Lehm am unteren Bildrand bildet eine Vulkanform, aus deren Krater ein weiß bemalter Palmzweig aufsteigt; seine schlanke Form nimmt die gesamte Bildhöhe ein. Auf einer braunen geschwungenen Form in der Bildmitte ist ein rotes stoffartiges Gebilde appliziert, das an ein menschliches Organ erinnert. Darüber eine weiße Form, die einem Tropf oder Tropfen ähnelt. Alles fließt und ist in Bewegung. Das Wort lýsis (gr. Λύσις) bedeutet im Altgriechischen Lösung, Auflösung, aber auch Beendigung. Materie gerinnt in einen anderen Zustand, der Vulkan bricht aus, ein Symbol für die unbezähmbare Urgewalt der Natur, hier aber steigt daraus der unschuldig weiße Palmzweig auf, ein Friedenszeichen, statisch, verfestigt. Die Wortkombination „Dia-Lyse“ bedeutet Auflösung, in unserem Sprachgebrauch wird damit allerdings ein Blutreinigungsverfahren bezeichnet. Sind der weiße Tropfen und das rote organförmige Objekt in Verbindung damit zu sehen? Anselm Kiefer lässt den Betrachtern viel Spielraum, er bietet Bedeutungen und Assoziationen an, verbindet die Bedeutungsebenen aber nicht zu einer leicht entschlüsselbaren Erzählung. Sie stehen nebeneinander und bilden dennoch kompositorisch ein Ganzes.

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A word has been scratched at the top of a dark photograph full of muddy traces. The word is Dia-Lyse (dialysis), which is also the title of the work. At the bottom of the frame, from a cracked layer of caked mud in the shape of a volcano, rises a palm branch that has been painted white, its slender shape extending over the entire height of the image. A red fabric-like object reminiscent of a human organ has been attached to a curved brown shape at the centre. Above that, a white shape in the form of a drop or drip. Everything is flowing and in motion. In ancient Greek, the term lysis means solution, dissolution, but also termination. Matter coagulating into another state, the volcano erupting, a symbol of the indomitable power of nature. But from its depth rises the innocent white palm branch, a static and petrified symbol of peace. In combination, the terms Dia-Lyse signify dissolution, and in modern usage dialysis designates a process to clean human blood. Is this what the white drip and the red organ-like object relate to? Anselm Kiefer leaves a lot of leeway to the viewer, offering meanings and associations without, however, linking the levels of meaning to a narrative that could be easily decoded. Placed side-by-side, each existing in its own right, they add up to a compositional whole.

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STEIGEND, STEIGEND, SINKE NIEDER, 2006 テ僕, Emulsion, Schellack und Erde auf Holz Oil, emulsion, shellac and soil on board 285 x 140 x 15 cm

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STEIGEND, STEIGEND, SINKE NIEDER GÜNTHER OBERHOLLENZER

Ein Flugzeug im Sinkflug, es steuert bedrohlich auf die Erde zu: Die Flugrichtung scheint vorgegeben, das Unglück unausweichlich. Bald wird es auf der verkrusteten Erde zerschellen. Auf staubig braunem Blechgrund ist im oberen fleckigen Bildfeld ein kleines rostiges Militärflugzeug angebracht. Das extreme Hochformat, die lotrechte Position des Flugzeuges, ein zeichenhafter Strich in Richtung Boden (gestaltet durch die Überlappung zweier Malebenen) lassen die Flugrichtung unabänderlich erscheinen. Immer wieder hat Anselm Kiefer Flugobjekte geschaffen. Der Künstler ist der Ansicht, der beste Blick auf das Weltgeschehen sei die Vogelperspektive, in dem alten Traum vom Fliegen offenbare sich das Wesen jeden Voranstrebens der Menschheit. Auch Kiefers Natur- und Architekturlandschaften sind fast ausschließlich panoramaartige Weltlandschaften wie aus der Vogelperspektive gemalt.

handelte, in paradoxer Umkehrung von einem Abstieg. Die Treppe geht zugleich hinauf und hinab.

Das Gegensatzpaar im Titel der Arbeit „Steigend, steigend, sinke nieder“ lässt an Ikarus denken, an die Hybris des Menschen, übermütig stets höher hinauszuwollen, doch letztendlich zu scheitern und unterzugehen, nicht Herr über die (technischen) Errungenschaften und die damit verbundene Macht zu sein. Kiefer verwendete denselben Titel 2008 für eine Arbeit, die sich auf die Himmelspaläste der Merkaba-Mystiker bezieht („Sefer Hechaloth MERKABA Die sieben Himmelspaläste Steigend steigend sinke nieder“). Die Merkaba-Mystik ist eine präkabbalistische jüdische Lehre, die auf der Vision und Gottesschau des Propheten Ezechiel basiert (Hes 1,4–27). Wenn die Seelen der Mystiker ihren Weg durch die sieben Hallen oder Himmelspaläste („Hechaloth“) zum höchsten Thron antraten, sprachen sie, obwohl es sich um eine Himmelswanderung 66


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An aeroplane going straight down, nose pointed threateningly towards the ground: the outcome seems preordained, an accident inevitable. Very soon it will crash on the rugged ground. The metal plate of the painting is speckled with dusty brown, and on the stained upper part a small rusty military plane has been attached. The extreme portrait format, the vertical position of the plane, a signalling line pointing to the ground (the result of the overlapping of two painting levels), make the direction in which the plane is headed seem irreversible. Anselm Kiefer has created many flying objects. The artist believes that the best angle to view what happens in the world is the bird’s eye perspective, and in the age-old dream of flying he perceives the wish of humankind to evolve and develop further. Kiefer’s natural and architectural landscapes are almost exclusively painted from a bird's eye view. The opposites in the title of the painting Steigend, steigend, sinke nieder (Rising, rising, descend ) remind one of Icarus, of the hubris of man who wants to fly higher and higher but will ultimately fail and plummet, unable to remain master over his (technical) achievements and the related power. Kiefer used the same title in 2008 for a work relating to the seven heavenly palaces of the Merkabah mystics (Sefer Hechaloth MERKABA Die sieben Himmelspaläste Steigend steigend sinke nieder). An early Christian movement, Merkabah mysticism is based on visions of the Merkabah (chariot). When it started its journey through the seven heavenly palaces to the highest throne, it was called a descent, although it was a journey to the heavens. The stairs are both ascending and descending.

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CLAUDIA QUINTA, 2005 テ僕, Emulsion, Schellack und Erde auf Fotografie auf Karton mit Draht und Bleiboot sowie Objekten Oil, emulsion, shellac, soil on photograph on cardboard with barbed wire and lead boat and objects 95 x 124 x 28 cm

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CLAUDIA QUINTA ANNA SZÖKE

Ein großes Knäuel Bandstacheldraht ist mitten auf der Leinwand platziert. Anscheinend einige Meter lang, reicht der Draht bis an die Ränder des Bildes und greift über sie hinaus. Mehrere Kartonobjekte haben sich darin verfangen. Auf den sechs zerrissenen Kartonplättchen ist ein Wechselspiel von dunklen und hellen Farben zu sehen. Die Motive darauf lassen sich nur erahnen, entstehen nur in der Fantasie des Betrachters. Ein Boot aus Blei ragt zur Hälfte aus dem Drahtgewirr heraus. Hat es sich verheddert oder bewegt es sich heraus? Wo ist der Bug, wo das Heck? Ist es vielleicht doch ein U-Boot? Zwei Antennen oder Radare sind allem Anschein nach zu erkennen. Eines liegt verbogen auf dem Rumpf. An der Seite des Wasserfahrzeuges lässt sich deutlich die Aufschrift „Claudia Quinta“ lesen. Die Römerin Claudia Quinta findet Erwähnung unter anderem in Ciceros Rede „Pro Caelio“ und beim Historiker Diodorus. Die ausführlichste Beschreibung ihrer Legende lässt sich in Ovids „Fasti“ nachlesen. Dieser schreibt über ihre bedeutende Rolle bei der Ankunft der Magna Mater, des heiligen Steins der Göttin Kybele, im Römischen Reich. Nach dem Orakel von Delphi sollte der Kult der Göttin dem Römischen Reich zum Sieg im Zweiten Punischen Krieg verhelfen. Der überführte Stein aus Asia Minor sollte im Tempel der Kybele auf dem Palatin seinen endgültigen Platz finden. Als das einlaufende Schiff in der Tibermündung auf Grund lief, trat Claudia Quinta aus der Menge hervor und betete zur Göttin, ihr Kraft zu geben, das Schiff zu befreien, um so ihre Keuschheit unter Beweis zu stellen. Wegen ihres unpassenden Haarstils und ihrer freien Zunge, so Ovid, wurde sie der Freizügigkeit bezichtigt. Tatsächlich gelang es ihr, das Schiff mit dem

heiligen Stein in den Hafen zu ziehen und so ihren guten Ruf wiederherzustellen. Können wir die Arbeit Anselm Kiefers als eine moderne Darstellung der römischen Legende von Claudia Quinta deuten? Wartet auch dieses Schiff auf Hilfe? Augenfällig ist die Auswahl des Drahtes. Bandstacheldraht oder NATO-Draht ist gefährlicher als gewöhnlicher Stacheldraht, da die rasiermesserähnlichen Schneiden stärkere Verletzungen verursachen. Im Krieg wird er auch gegen Panzer eingesetzt, weil er sich in den Panzerketten verfängt und sie blockiert. Der Vorläufer dieses Drahtes wurde bereits im Ersten Weltkrieg von Deutschland hergestellt.

Quellen Augusto Fraschetti (Hrsg.), Roman Women, Chicago 1999. Eleanor Winsor Leach, Claudia Quinta (Pro Caelio 34) and an altar to Magna Mater, in: Dictynna, 4/2007, http://dictynna.revues.org/157#text. Publius Ovidius Naso, Fasti, Book IV, hg. v. Elaine Fantham, Cambridge 1998. 72


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A large and unruly coil of razor wire has been placed on the centre of the canvas. It appears to be several metres long, reaching and running over the edges of the frame. Several cardboard objects are trapped in the wire. The five torn cardboard pieces have been painted in starkly contrasting light and dark colours, their motifs unclear and left to the imagination of the viewer. Half of a boat made of lead protrudes from the wiry thicket. Has it been stranded, or is it emerging? Is this the bow or the stern? Might it be a submarine? Two aerials or radar-like devices can be discerned, one of them bent out of shape on the hull. On its side, the vessel bears the clearly readable inscription Claudia Quinta. The Roman woman Claudia Quinta is mentioned, among other sources, in Cicero’s Pro Caelio speech and in the writings of the historian Diodorus. The most elaborate description of her legend can be found in Ovid’s Fasti. He describes the important role she played during the arrival of the Magna Mater, the holy stone of the goddess Cybele, in the Roman Empire. According to the oracle of Delphi, adopting Cybele’s cult would lead the Romans to victory in the second Punic War. Brought to Rome from Asia Minor, the holy statue was to be placed in the temple dedicated to Cybele on the Palatine Hill. When the ship delivering it ran aground on a sandbank at the mouth of the Tiber, Claudia Quinta, who was accused of being unchaste because of her daring hairstyle and bold tongue, stepped forward from the crowd and prayed to the goddess to give her the strength to pull the ship free and thus prove her chastity. Her prayer was heard and she succeeded in towing the ship with the holy statue to port and thereby established her chastity. Can we interpret Anselm Kiefer’s work as a modern

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depiction of the Roman legend of Claudia Quinta? Is the ship on this canvas waiting for help, too? What seems peculiar is the choice of wire. The razor wire or “NATO wire” is more dangerous than barbed wire, since its razor-sharp edges cause more injury. This type of wire is also used in warzones to stop tanks, as it gets tangled in their tracks and disables them. The precursor of this wire was originally produced during the First World War by Germany.

Sources Augusto Fraschetti (Ed.), Roman Women, Chicago 1999. Eleanor Winsor Leach, Claudia Quinta (Pro Caelio 34) and an altar to Magna Mater, in: Dictynna, 4/2007, http://dictynna.revues.org/157#text. Publius Ovidius Naso, Fasti, Book IV, hg. v. Elaine Fantham, Cambridge 1998.


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„Ich denke in Bildern. Dabei helfen mir Gedichte. Sie sind wie Bojen im Meer. Ich schwimme zu ihnen, von einer zur anderen; dazwischen, ohne sie, bin ich verloren. Sie sind die Haltepunkte, wo sich in der unendlichen Weite etwas zusammenballt aus dem interstellaren Staub, ein bisschen Materie im Abgrund der Antimaterie. Manchmal verdichten sich die Trümmer von Gewesenem zu neuen Worten und Zusammenhängen.“ “I think in images, and poems help me do that. They are like buoys in the sea. I swim towards them, from one buoy to the next, between them, and without them I am lost. They are the way stations where, amid the infinite vastness, something is shaped from interstellar dust, a tiny heap of matter in the chasm of antimatter. Sometimes, the debris of that which once existed is condensed into new words and relationships.” Dankesrede von Anselm Kiefer zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2008, zit. nach: | From Anselm Kiefer’s acceptance speech for the Peace Award of the German Book Trade 2008, quoted from: Anselm Kiefer. Ausgewählte Werke aus der Sammlung Grote, Ausstellungskatalog Museum Frieder Burda, Baden-Baden, Wienand Verlag, Köln 2011, S. 134-143, hier S. 135.


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FÜR PAUL CELAN, 2005 Öl, Emulsion, Acryl, Kohle, Bleistift und Gips auf Leinwand Oil, emulsion, acrylic, charcoal, pencil and gypsum on canvas 190 x 280 x 50 cm

So schlafe So schlafe, und mein Aug wird offen bleiben. Der Regen füllt’ den Krug, wir leerten ihn. Es wird die Nacht ein Herz, das Herz ein Hälmlein treiben – Doch ists zu spät zum Mähen, Schnitterin. So schneeig weiß sind, Nachtwind, deine Haare! Weiß, was mir bleibt, und weiß, was ich verlier! Sie zählt die Stunden, und ich zähl die Jahre. Wir tranken Regen. Regen tranken wir. Paul Celan 1

1 Paul Celan, So schlafe, in: ders., Mohn und Gedächtnis, Stuttgart 1952, S. 56. 76


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FÜR PAUL CELAN ANDREAS HOFFER

„Ich stifte nicht Sinn, sondern die Illusion eines Sinns.“ Anselm Kiefer 1 Die Literatur ist neben den großen Mythologien eine zentrale Inspirationsquelle für den Bildkosmos von Anselm Kiefer. Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und der aus Czernowitz stammende Paul Celan, die eine kurze Zeit auch ein Liebespaar waren, sind seit den 1980er-Jahren in Kiefers Werk präsent. Er verwendet Gedichtzeilen für seine Bildtitel, schreibt sie in die Bilder ein oder gibt durch Materialien Hinweise auf einzelne Textstellen. Dabei illustriert Kiefer nicht Bachmanns und Celans Lyrik, sondern deutet nur an, verweist darauf als Hinweis auf etwas dem Bild Übergeordnetes, Sinngebendes. Es ist die Poesie der Sprache beider Autoren, die in die Gestaltung seiner oft monumentalen Materialbilder einfließt und als Inspiration weitergesponnen wird. „In meinen Bildern habe ich Paul Celan und Ingeborg Bachmann oft zusammengebracht, denn ich wusste, dass sie miteinander verbunden waren.“ 2 Paul Celan stammte aus einer jüdischen Familie in Czernowitz. Seine Eltern wurden von den Nationalsozialisten deportiert und getötet, er selbst überlebte in Rumänien und ging nach dem Krieg nach Paris. Sein berühmt gewordenes Gedicht „Todesfuge“ (Text siehe Seite 84) schrieb Celan 1944/45. 1948 wurde es auf Deutsch in seinem ersten Gedichtband „Der Sand aus den Urnen“ in Wien veröffentlicht und fand zunächst kaum Beachtung. Noch 1952, als er durch Vermittlung unter anderem von Ingeborg Bachmann das Gedicht auf einer Tagung der Gruppe 47 vortrug, wurde es von den anderen einflussreichen deutschsprachigen Literaten vehement abgelehnt, ja sogar verlacht. Der Kritikpunkt war, dass Celan dem Schrecken

der Judenverfolgung und Vernichtung durch die Schönheit seiner lyrischen Sprache nicht gerecht würde, hatte doch auch Adorno das Verdikt ausgesprochen: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“ Die zentrale, leitmotivische Metapher des Gedichts lautet „Schwarze Milch der Frühe“. Dieses Bild wird zum Sinnbild des Holocausts, ohne dass explizit von Gaskammern oder Krematorien die Rede wäre. Es setzt die nicht in Worte zu fassende Realität der massenhaften Menschenvernichtung in einem alogischen Bild um und bringt sie gerade dadurch zur Sprache. Im Gedicht bezieht Celan sich immer wieder metaphernreich auf Täter und Opfer, so werden in einer Zeile „dein goldenes Haar Margarethe, dein aschenes Haar Sulamith“ 3 nebeneinandergestellt. Die Beschäftigung Anselm Kiefers mit dem Werk Paul Celans beginnt schon in den 1980er Jahren und ist in Verbindung mit der Auseinandersetzung Kiefers mit dem Nationalsozialismus und der Schuld der Deutschen zu sehen. Kiefer befasste sich kritisch, aber niemals angepasst mit der jüngsten Vergangenheit der Deutschen. So wurde seine Fotoserie, in der er sich mit ausgestrecktem rechtem Arm und mit Breeches und Stiefeln an geschichtsträchtige Orte in Deutschland stellte, sehr kontrovers rezipiert. Die Lyrik Paul Celans ist für Anselm Kiefer zu einer wiederkehrenden Inspirationsquelle seiner Arbeit geworden, ob durch sprachliche Verweise im Bild und in Titeln oder durch das Einfügen von besonderen Materialien in den Bildern. So verweisen applizierte Haare beispielsweise meist auf die Gedichtzeile „dein goldenes Haar Margarethe, dein aschenes Haar Sulamith“ aus der „Todesfuge“, in diesem Bild wohl

aber auf das Sprachbild aus dem Gedicht „So schlafe“: „So schneeig weiß sind, Nachtwind, deine Haare! Weiß, was mir bleibt, und weiß, was ich verlier!“ In der Arbeit „Für Paul Celan“ von 2005 sehen wir eine weite Landschaft mit extrem hohem Horizont, ein Blickwinkel, den Kiefer häufig für seine großformatigen Werke anlegt. Ein schrundiger Grund, auf dem über dem Lehm das Weiß wie Asche oder Schnee liegt, lässt an ein Gräberfeld denken. Im Hintergrund sind Äste gruppiert, für Kiefer ein Verweis auf germanische Runen, die er von ihrer Vereinnahmung durch die Nazis befreien will. Dies ist ein durchaus kontrovers zu sehender künstlerischer Akt, der zeigt, wie wenig Kiefer sich auf banale Political Correctness beschränkt. Heißt doch auch ein Gedicht von Paul Celan „Des Herbstes Runengespinst“. Im Vordergrund ein weißer Stuhl, von dessen Lehne Haare herabhängen und auf dessen Sitz ein Bündel Reisig liegt und die Benutzung des Stuhls verwehrt. Auf Höhe des Reisigbündels ist dem Bild eine Zeile aus dem Gedicht „So schlafe“ von Paul Celan eingeschrieben: „Weiß, was mir bleibt, und weiß, was ich verlier!“ So sind auch in diesem Werk Kiefers Schrecknis, Tod, Asche, Verwüstung, Sprache und Schönheit der Poesie vereint.

1 Anselm Kiefer, zit. nach: www.basis-wien.at/avdt/htm/167/00065959.htm. 2 Anselm Kiefer, in: Kiefer, Celan, Bachmann: zu dritt im Gespräch, http://archive.monumenta.com/2007/index.php?option=com_content&task=view&id=27&Itemid=9. 3 Paul Celan, Todesfuge, in: ders., Mohn und Gedächtnis, Stuttgart 1952, S. 37. 80


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“I don’t produce meaning, but the illusion of meaning.” Anselm Kiefer 1 Apart from the major mythologies, literature is a central source of inspiration for the image cosmos of Anselm Kiefer. The Austrian writer Ingeborg Bachmann and the poet Paul Celan, who was born in Chernivtsi (now part of Ukraine), were lovers at one time, and both have featured in Kiefer's work since the 1980s. He uses lines from their poems in titles, writes them into the pictures, or refers to individual texts through the materials he uses. Kiefer does not illustrate the poetry of Bachmann and Celan, but hints at it, makes allusions to it as something residing at a higher level that invests the painting with meaning. It is the poetry in the language of those writers which informs the design of his often monumental material works and provides inspiration for developing them further. “In my paintings I have often brought together Paul Celan and Ingeborg Bachmann, for I knew of their relationship.” 2 Paul Celan was born into a Jewish family in Chernivtsi. His parents were deported and killed by the Nazis, but he himself survived in Romania and moved to Paris after the war. Celan wrote his famous poem Die Todesfuge (Death Fugue, see page 84) in 1944/45. In 1948, it was published in German in his first volume of poetry Der Sand aus den Ulmen in Vienna but was not greeted with enthusiasm at first. In 1952, when he was invited, through the good offices of Ingeborg Bachmann among others, to recite the poem at a meeting of the Gruppe 47, it was vehemently opposed and even ridiculed by other influential German-speaking literati. Their main point of criticism was that the beauty of Celan’s lyri-

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cal language did not do justice to the horrors of the persecution and annihilation of the Jews. Even Adorno had decreed that “to write a poem after Auschwitz is barbaric”. The central metaphor of the poem, its leitmotif, is the “black milk of daybreak”. This image becomes a symbol of the Holocaust without explicitly mentioning gas chambers or crematoria. The inconceivable reality of mass annihilation, which words are unable to convey, is converted into an alogical metaphor and thus finds its way into language. In the poem, Celan makes many metaphorical references to perpetrators and victims, as in the line that juxtaposes “your golden hair Margarete, your ashen hair Sulamith” 3 It was in the 1980s that Anselm Kiefer started to study the work of Paul Celan in connection with his exploration of National Socialism and the guilt of the German people. Anselm Kiefer dealt with the recent past of the German nation in a critical, albeit rather controversial way. His photo series, for instance, where he himself posed in breeches and boots, his right arm extended, in front of history laden sites in Germany, caused a considerable stir. For Anselm Kiefer, the poetry of Paul Celan has become a recurring source of inspiration, sometimes taking the form of words he puts on pictures and in titles, or by adding specific materials to the images. Hair that he puts on the picture, for instance, usually refers to the line “your golden hair Margarete, your ashen hair Sulamith” from Death Fugue. In the present picture it probably refers to a metaphor from the poem So schlafe: “So schneeig weiß sind, Nachtwind, deine Haare! Weiß, was mir bleibt, und weiß was ich verlier!” (Nightwind, your

hair is snow white, white! White what remains to me and white what I lose!) In the work from 2005, Für Paul Celan, we see a broad landscape with an extremely high horizon, a perspective that Kiefer often uses for his large format works. A scarred surface, white lying on the mud like ashes or snow, is reminiscent of a burial ground. In the background, branches are grouped together, for Kiefer a reference to Germanic runes, which he wants to recover from their theft by the Nazis. This is not an uncontroversial artistic act and shows how uninhibited Kiefer is by any banal ideas of “political correctness”. After all, there is a poem by Paul Celan entitled Des Herbstes Runengespinnst. In the foreground stands a white chair, hair hanging from the backrest, a bundle of twigs resting on the seat, thereby pre-empting its use for sitting. At the same level the artist has written a line from the poem So schlafe by Paul Celan “weiß was mir bleibt weiß was ich verlier”. (I know what remains to me what I will loose.) Once again, we find horror, death, ashes, devastation, language and the beauty of poetry combined in a work by Kiefer.

1 Anselm Kiefer, quotation: www.basiswien.at/avdt/htm/167/00065959.htm. 2 Anselm Kiefer, in: Kiefer, Celan, Bachmann: zu dritt im Gespräch, http://archive.monumenta.com/2007/index.php?option=com _content&task=view&id=27&Itemid=9. 3 Paul Celan, Die Todesfuge, quotation: Paul Celan, Mohn und Gedächtnis, Stuttgart, 1952, S. 37.


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FĂœR PAUL CELAN, 2004 Kohle, Sand, Haare und Fotografie auf Leinen Charcoal, sand, hair and photograph on canvas 60 x 64 x 7 cm

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FÜR PAUL CELAN

PAUL CELAN – TODESFUGE Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith

Aus: Paul Celan, Mohn und Gedächtnis, Stuttgart 1952, S. 37. © 1952 Deutsche Verlags-Anstalt München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH. 84


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„Jeder Mensch würde irrsinnig werden mit dem ganzen Wissen über den unseligen Lauf der Welt. So kommt jedes Kind in einem leeren Raum auf die Welt. Und dieser leere Raum ist gleichzeitig leer und voll: so wie leere Fabrikshallen voll sind mit den Spuren und den Geräuschen vergangener Arbeit. Jedes leere Theater ist ein Raum voller Bilder, verdichteter Worte. Die volle Leere gleicht der lauten Stille.“ “Every human being would go mad possessing full knowledge of the despicable ways of the world. As it is, every child is born into an empty space. That empty space is both empty and full: just as empty factory halls are full of traces and sounds of work once performed there. Every empty theatre is a space brimming with images and condensed words. Full emptiness is like loud silence.” Dankesrede von Anselm Kiefer zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2008, zit. nach: / From Anselm Kiefer’s acceptance speech for the Peace Award of the German Book Trade 2008, quoted from: Anselm Kiefer. Ausgewählte Werke aus der Sammlung Grote, Ausstellungskatalog Museum Frieder Burda, Baden-Baden, Wienand Verlag, Köln 2011, S. 134-143, hier S. 136.


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ROTES MEER, 2005 テ僕, Emulsion, Acryl, Kohle, Gips und Bleischiff auf Leinwand Oil, emulsion, acrylic, charcoal, plaster and lead on canvas 190 x 330 x 18 cm

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ROTES MEER ANNA SZÖKE

Ein Bleiboot hängt fast schwerelos vor der Leinwand. Blei, das Material, das die Alchemisten in Gold zu verwandeln versuchten. So weich und leicht verformbar wie Gold und dennoch nicht dieselbe funkelnde Farbe. Blei, seit der Erfindung der ersten Handfeuerwaffen das todbringende Geschoß. Ein Bleiboot hängt fast schwerelos vor der Leinwand. Es ist mit den Materialien seiner Umgebung bedeckt. Das Kriegsschiff gestrandet am Rande des Ozeans, an Land geworfen durch die Kräfte der Natur.

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A boat made of lead suspended in front of the canvas, almost as if defying gravity. Lead, the material which alchemists tried to turn into gold. As soft and easily shaped as gold, and yet not graced with the same dazzling colour. Lead, a deadly bullet ever since the invention of the first handgun. A boat made of lead suspended in front of the canvas, almost as if defying gravity. It is shrouded by the materials surrounding it. The warship perishes on the ocean's rim, banished by the forces of nature.

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THE FERTILE CRESCENT, 2009 Mischtechnik auf Leinwand Mixed media on canvas 330 x 762 x 7 cm

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THE FERTILE CRESCENT ANNA SZÖKE

Die einstmals prächtige Architektur erstreckt sich als monumentale Ruine auf einer Länge von 7,62 Metern vor dem Auge des Betrachters. Sie steigt im Zentrum der Leinwand auf und fluchtet auseinander, wie mit einem extremen Weitwinkelobjektiv für die Ewigkeit aufgenommen. Die dick aufgetragene Farbschicht suggeriert die Schwere der Steine, alle einst einzeln durch Menschenhand geformt. Das Auseinanderbrechen dieser festgefügten Strukturen wird in einem einzigen Moment vom Künstler festgehalten. Im Hintergrund der Landschaft nimmt das angrenzende Mauerwerk die Fluchten der Architektur auf und verstärkt sie durch die optische Weiterführung. Die reduzierte Farbpalette, das sich durch alle Poren der Leinwand ziehende Rotbraun, gemischt mit Ton- und Erdfarben, lässt an eine fremde Welt denken, an die brennenden Temperaturen des Mittleren Ostens. An den Konturen des Gebäudes verstärkt, verschmiert sich das Braun der Steine, als würden sie sich in der flimmernden Hitze auflösen. Die Zeit hält für einen Augenblick inne: „Natur und Zivilisation, Gegenwart und Vergangenheit rinnen durch die Sanduhr der Verwandlung. Die Zeit ist zur Haut der Dinge geworden (…).“ 1 Im vorderen Bildbereich liegen zahlreiche herausgebrochene Steine auf dem kahlen Boden. Dazwischen und daneben lassen sich kleine Plättchen mit Aufschriften wie Schilder entdecken, darauf stehen Namen wie Ur, Memphis, Damaskus, Ugarit, Byblos, Eridu, Babylon, Gaza und einige mehr. Gemeinsam ist diesen Städten ihre bedeutende Rolle in der Vergangenheit. Ur ist eine der ältesten sumerischen Stadtgründungen in Mesopotamien (heute Irak), Ugarit

war eines der wichtigsten Handelszentren von Nordsyrien, Byblos, die Hafenstadt am Mittelmeer, nördlich von Beirut, spielte während der Kreuzzüge eine besondere Rolle. Der Titel des Bildes verweist auf das bereits Entdeckte. Die Bezeichnung „The Fertile Crescent“, zu Deutsch „Der fruchtbare Halbmond“, stammt vom Archäologen James Henry Breasted und definiert das halbmondförmige Gebiet im Norden der arabischen Halbinsel. Geografisch umfasst es die Levante, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, den Westen Irans, Teile Saudi-Arabiens, Syriens, des Irak und Anatoliens sowie Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete. Eine bedeutende Rolle nimmt der fruchtbare Halbmond in der Entwicklung der Zivilisation ein, „(…) evidence suggests that tribal organization began to emerge around 13,000 years ago in the Fertile Crescent (…)“ 2. Es war unter anderem in diesen Gebieten, dass Menschen sesshaft wurden und erste Städte entstanden. Es ist nicht das erste Mal, dass Anselm Kiefer sich mit dieser Region und diesem Thema beschäftigt. Ende der 1990er Jahre reiste der Künstler in den Nahen Osten und es entstanden mit diversen Materialien überarbeitete Fotografien, zusammengefasst in Büchern mit Titeln wie „Dein und mein Alter und das Alter der Welt“, „Lieber rot als tot“ und „Ur“.

1 Heiner Bastian (Hrsg.), Anselm Kiefer. Dein und mein Alter und das Alter der Welt, erschienen im Rahmen der Ausstellung in der Gagosian Gallery, 1998, S. 8. 2 Jared Diamond, Guns, Germs and Steel, London 1998, S. 271. 98


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A token of past glory, the monumental ruin extends before the viewer’s eyes over a length of 7,62 meters. It rises at the centre of the canvas, extending outwards as if captured for eternity with a wide-angle lens. The thick layer of paint suggests the heaviness of the stone blocks, each of them shaped by a human hand at some time in the past. The breaking apart of this solid structure has been captured by the artist as though in a snapshot. In the background, the adjoining masonry mimics the vanishing lines of the building and reinforces their effect through visual continuity. The reduced colour palette, a brownish red mixed with clay that oozes through every pore of the canvas, brings to mind foreign worlds, evokes associations of searing temperatures in the Middle East. Stronger along the contours of the structure, the brown of the stone blocks is blurred as though they were dissolving in the shimmering heat. Time stands still for a moment: “Nature and civilisation, past and present are draining through the hourglass of change. Time has turned into the skin of things (...)“ In the front part of the painting, numerous stones that have broken out of the structure are lying on the bare ground. Between and next to them one discovers small plates, like badges, bearing inscriptions. Ur, Memphis, Damascus, Ugarit, Byblos, Eridu, Babylon, Gaza and a few more. What these cities have in common is the important role they played in the past. Ur is one of the oldest cities founded by the Sumerians in Mesopotamia (today Iraq); Ugarit

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was one of the most important trade centres of Northern Syria; Byblos, the Mediterranean port to the north of Beirut, featured prominently in the crusades. The title of the painting refers to what has already been discovered. Coined by the archaeologist James Henry Breasted, the designation “Fertile Crescent” relates to a crescent-shaped area north of the Arabian Peninsula. In geographic terms it includes the Levant, Mesopotamia between the two rivers Euphrates and Tigris, Western Iran, parts of Saudi Arabia, Syria, Iraq, Anatolia, Israel and the Palestinian Autonomous Territories. The Fertile Crescent was seminal for the development of civilisation - “(…) evidence suggests that tribal organization began to emerge around 13,000 years ago in the Fertile Crescent (…)” and it was in these areas that human beings settled and founded the first cities. This is not the first time that Anselm Kiefer has explored this region and theme. End of the 1990’s, the artist travelled to the Middle East and worked on the resulting photographs with various materials. He published these works in books with titles such as Dein und mein Alter und das Alter der Welt, Lieber rot als tot and Ur.

1 Heiner Bastian (Ed.), Anselm Kiefer. Dein und mein Alter und das Alter der Welt, ed. in the context of the exhibition at Gagosian Gallery, 1998, p. 8 (Engl. translation by Susanne Watzek). 2 Jared Diamond, Guns, Germs and Steel, London, 1998, p. 271.


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TÖNEND WIE DES KALBS HAUT DIE ERDE, 2011 Öl, Emulsion, Acryl, Schellack, Kohle und Blei auf Leinwand Oil, emulsion, acrylic, shellac, charcoal and lead on canvas 380 x 560 x 14 cm

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TÖNEND WIE DES KALBS HAUT DIE ERDE GÜNTHER OBERHOLLENZER

Eine massive Berglandschaft türmt sich am Horizont auf, in der Ebene davor erstreckt sich eine kahle Feldlandschaft in fast endlose Ferne. Der aschfahle Boden scheint vernarbt, vielleicht verbrannt oder auch schneebedeckt im eisigen Schlaf des Winters. Die bestellten Felder wurden abgeerntet und gemäht, die Erde ruht sich aus, um im Frühjahr zu neuem Leben zu erwachen. Das graue Gebirge – ein in den neuen Arbeiten Kiefers häufig auftauchendes Motiv – erhebt sich hinter einer weißen Nebelbank. Ein auf das Bild montiertes Drahtgestell lässt an ein Stethoskop denken, und ein Holzbalken, auf dem der Titel der Arbeit eingeschrieben ist, verläuft einer Horizontlinie gleich über die Bildmitte. Die Worte „tönend wie des Kalbs Haut die Erde“ sind der Hymne „Griechenland“ des deutschen Lyrikers Friedrich Hölderlin entlehnt, ein Fragment gebliebener Entwurf, der zwischen 1800 und 1806 entstanden ist und mit den Versen beginnt: O ihr Stimmen des Geschiks, ihr Wege des Wanderers Denn an der Schule Blau, Fernher, am Tosen des Himmels Tönt wie der Amsel Gesang Der Wolken heitere Stimmung gut Gestimmt vom Daseyn Gottes, dem Gewitter. Und Rufe, wie hinausschauen, zur Unsterblichkeit und Helden; Viel sind Erinnerungen. Wo darauf Tönend, wie des Kalbs Haut Die Erde, von Verwüstungen her, Versuchungen der Heiligen Denn anfangs bildet das Werk sich Großen Gesezen nachgehet, die Wissenschaft Und Zärtlichkeit und den Himmel breit lauter Hülle nachher

Erscheinend singen Gesangeswolken. Denn fest ist der Erde Nabel. (…) 1 Der Himmel tönt unter den Gewitterwolken, die die Anwesenheit Gottes in sich bergen. Eine andere, zweite Stimme ist die Erde. Und auch sie tönt. Martin Heidegger schreibt in seiner Erläuterung des Gedichtes: „Wie das Fell der geschlagenen Trommel auf seine Weise donnernd die Trommelschläge widerhallt, so tönt auf die Schläge des Blitzes (…) hin die Erde wider. Das Tönen der Erde ist das Echo des Himmels. Im Widerhall erwidert die Erde dem Himmel ihren eigenen Gang.“ 2 Das Gedicht betont die innige Verbundenheit von Himmlischem und Göttlichem mit der Erde und uns Menschen. Mit dem Stethoskop mag der Betrachter in Anselm Kiefers Arbeit dem Klang der Erde, einem lebenden Organismus gleich, nachspüren, aber auch jenen des Himmels, der Wolken und des Windes erfühlen. Die Arbeit „tönend wie des Kalbs Haut die Erde“ ist Teil eines 2011 entstandenen Werkblocks mit dem Titel „Alkahest“. Anselm Kiefer dazu: „Der Begriff Alkahest meint, dass es eine Lösung gibt, die jeden Stoff verdünnen kann. Das ist eine Idee der Alchemisten. Die Verdünnung ist für mich natürlich etwas sehr Wichtiges. Ich lege die Bilder oft auf den Boden und schütte Wasser über sie oder schütte Wasser darüber, in dem Farbe aufgelöst ist. Ich gebe die Bilder also einer Verdünnung preis. (…) Das Wasser hat mit der Erosion zu tun. Ganze Berge und Sedimente, die sich über Jahrmillionen angelagert haben, werden durch das Wasser zum Meer getragen. Das Wasser trägt zum Kreislauf bei. Das für immer scheinende Gestein wird aufgelöst, zu Sand und Schlamm zermalmt.“ 3

1 Friedrich Hölderlin (1784–1843), Griechenland. Dritte Fassung, in: ders., Sämtliche Werke (Stuttgarter Ausgabe), Bd. 2.1, Stuttgart 1951, S. 257 f. 2 Martin Heidegger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtungen, 6., erweiterte Auflage, Frankfurt am Main 1996, S. 166. 3 Anselm Kiefer 2009, zit. nach dem Pressetext zur Ausstellung „Anselm Kiefer. Alkahest“, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg 2011. 106


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The massive mountain escarpment towers on the horizon, bare fields extend as far as the eye can see over the plain lying before it. The ashen ground seems scarred, perhaps burnt or covered by snow, caught in the icy sleep of winter. The crop has been harvested, the fields ploughed, the Earth is at rest, waiting to awaken to new life in the spring. The grey mountain range – a motif that often features in Kiefer's recent work – rises behind a white bank of fog. A wire has been mounted to the canvas, reminiscent of a stethoscope, and the title of the piece is inscribed on a wooden bar that runs along the centre of the frame like a horizon. The words – tönend wie des Kalbs Haut die Erde (ringing out, as on the calf's hide, the Earth) – are taken from the poem Griechenland, an unfinished fragment by the German poet Friedrich Hölderlin, written between 1800 and 1806. It starts with the following lines: O you voices of fate, you ways of the wanderer! For amid the blue of the school, From afar, amid the uproar of heaven Rings out like the blackbird’s song The clouds’ happy mood, well Tempered by the existence of God, the thunder-storm. And calls, like looking out, for Immortality and heroes; Memories are many. Where ringing out On it, as on the calf’s hide, The earth, proceeding from devastations, temptations of the saints, For at the beginning the work is shaped, Pursues great laws, and knowledge And tenderness and the width of heaven. Visible, sing clouds of song. For firmly fixed is the navel Of Earth (…)

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The sky rings out under the thunderstorm clouds, in which the presence of God is felt. The second voice that rings out is that of the Earth. In this explanation of the poem, Martin Heidegger wrote the following: “As the skin of the drum reverberates with a thundering voice under the beats of the drumsticks, the Earth rings out (…) under the lightning. The sound produced by Earth represents the echo of the heavens. The Earth is reverberating, responding to the heavens with its own sound.“ The poem emphasises how intimately connected the heavens and the divine are with the Earth and us human beings. The viewers might use the stethoscope in Anselm Kiefer’s work to explore the sound of the Earth, like that of a living organism, but they might also want to sense the voices of the sky, the clouds and the wind. The piece tönend wie des Kalbs Haut die Erde is part of a cycle created in 2011 under the title of Alkahest. Anselm Kiefer’s comment: “The term Alkahest signifies that there is a solution which can dilute any substance. This idea comes from the alchemists. Dilution is of course something very important for me. I often lay pictures on the floor and pour water over them, or pour on water that has paint dissolved in it. So I'm exposing them to dilution. (...) Water has to do with erosion. Whole mountains, and sediments that have accumulated over millions of years, are carried down to the sea by water. Water contributes to the cycle. Rock that looks as though it will last for ever is dissolved, crushed to sand and mud.”

1 Friedrich Hölderlin (1784-1943); Extract from Friedrich Hölderlin, Selected Poems and Fragments; Greece, Third Version, Transl. by Michael Hamburger, Penguin Classics, England 1998; pp 317. 2 Martin Heidegger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtungen, 6. erweiterte Auflage, Frankfurt am Main 1996, p. 166 (Engl. translation by Susanne Watzek). 3 Anselm Kiefer 2009, quoted from the press release on the exhibition Anselm Kiefer. Alkahest, Galerie Thaddaeus Ropac Salzburg 2011.


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NUR MIT WIND MIT ZEIT UND MIT KLANG, 2011 テ僕, Emulsion, Acryl, Schellack und Blei auf Leinwand Oil, emulsion, acrylic, shellac and lead on canvas 380 x 560 x 30 cm

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NUR MIT WIND MIT ZEIT UND MIT KLANG MELA MARESCH

Die Zeile stammt aus dem Gedicht „Exil“ aus dem Jahr 1957. Darin beschreibt Ingeborg Bachmann die Situation eines Exilanten, dem nichts außer seiner Existenz geblieben ist: „Ein Toter bin ich der wandelt / gemeldet nirgends mehr […] abgetan lange schon / und mit nichts bedacht / Nur mit Wind mit Zeit und mit Klang.“ 1

am Wandel des Lebens beteiligt. Der Mensch scheint mit einem Urwissen ausgestattet. Informationen weit über das zeitlich begrenzte Erdenleben hinaus sind in den Körperzellen gespeichert. Anselm Kiefer: „Ich glaube, dass da etwas von ganz weit herkommt. Dass die Erinnerung nicht nur in unserem Kopf, sondern tief in unseren Zellen ist.“ 3

Anselm Kiefer: „Meine Arbeit ist verbunden mit all dem, was um mich herum geschieht und mich durchdringt. Worte von Dichtern wie Bachmann, Paul Celan, Rilke oder Paul Valéry gehen in mein Werk ein. Ich lebe und kommuniziere mit ihnen. Ich bin eigentlich nur ein Durchgangsstadium.“ 2

Bücher aus Blei repräsentieren im Werk von Anselm Kiefer einen kollektiven Erinnerungsspeicher und dessen Abrufbarkeit. Mittig im oberen Bilddrittel, in den Wolken über dem Meer, ist eines dieser Bücher fixiert. Gedanken über die Existenz und die Frage, woher sie kommt und wohin sie sich entwickelt, vom Urknall bis zur Unendlichkeit, vom Einzelschicksal bis zur Geschichte von Völkern und von Staaten, alles ist in Büchern aufgeschrieben. Das Buch ist aufgeschlagen, zwei Seiten sind zu sehen. Was könnte darauf stehen?

Eine elementare Landschaft aus Wolken und Meer in unterschiedlichen Abstufungen von Grau, Blau und Weiß breitet sich vor dem Betrachter aus. Die vielschichtige Oberfläche wirkt wie aus Baumaterial geschichtetes Mauerwerk. Flüssigkeit und Wasserdampf, Wasser und Wolken, Ebbe und Flut erscheinen monumental, ein Bild, das Realitätsinszenierung, aber auch Illusionscharakter vermittelt. Die Massigkeit und Monumentalität des Materials lässt die Macht und Masse der Weltmeere erahnen. Die Natur wirkt überwältigend. Sie überdauert den Menschen und seine Lebensgeschichte. Sie bleibt bestehen, während Menschen kommen und gehen.

1 Ingeborg Bachmann, Exil, in: dies., Werke, Bd. I: Gedichte, München 1978, S. 153.

Der einzelne Mensch als kurzlebiger Gast auf der Erde mag im Hinblick auf die Ewigkeit unbedeutend wirken. In Verbindung mit allem Seienden ist der Mensch jedoch wieder bedeutungsvoll, denn er gestaltet mit seinem Dasein am Gesamten mit, ohne dass dabei Großes geschehen muss. Der Mensch bringt Erfahrung mit auf die Erde, und als Schöpfer ist er aktiv

2 „Die Liebe gibt keinen Sinn.“ Anselm Kiefer im Gespräch mit Sigrid von Fischern, 2007, www.tagesspiegel.de/kultur/dieliebe-gibt-keinen-sinn/1129952.html. 3 Künstler, um zu überleben. Anselm Kiefer im Gespräch mit Niklas Maak und Julia Voss, 2008, www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/anselm-kiefer-imgespraech-kuenstler-um-zu-ueberleben-1572588.html. 114


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The line is taken from the poem Exil from 1957. Ingeborg Bachmann describes in it the situation of an exile who has lost everything but his bare existence. “Ein Toter bin ich der wandelt / gemeldet nirgends mehr [...] abgetan lange schon / und mit nichts bedacht / Nur mit Wind mit Zeit und mit Klang.” (I am a dead man who wanders / registered nowhere […] long since given up / and provided with nothing / only with wind with time and with sound) 1 Anselm Kiefer: “My work is connected to everything that happens around me and I am permeated by the words of poets such as Bachmann, Paul Celan, Rilke or Paul Valéry. They suffuse my work and I live and communicate with them. Actually I am just a way station .” 2 A monumental cloud- and seascape in different shades of grey, blue and white spreads out before the viewer. The multi-layered surface looks like masonry composed of different construction materials. Liquids and vapour, water and clouds, high and low tides are invested with a colossal impact which conveys both a sensation of reality and an illusionary character. The sheer volume and mass of the material is a premonition of the power and volume of the oceans. Nature appears overwhelming. It outlives humans and their life stories. It persists whilst people come and go.

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any major undertaking. Human beings share their experiences with the Earth and are active creators, contributing to life’s evolving nature. Humans seem to come equipped with a kind of primordial knowledge. Body cells store information that goes far beyond the scope of an individual's limited lifespan on Earth. Anselm Kiefer: “I believe that something comes to us from afar, and that memories are not only stored in our mind, but ingrained deeply in our cells.” 3 In Anselm Kiefer's work, books made out of lead represent the collective repository of memories that can be retrieved. One of these books has been attached to the upper third of the picture in a central position in the clouds above the sea. Reflections on existence, on where it comes from and where it goes, from the big bang to infinity, from an individual's fate to the history of peoples and of nations, everything has been written down in books. Two pages of the book lie open. What might they contain?

1 Ingeborg Bachmann, Exil, in: dies., Werke Bd. I: Gedichte, München Piper 1978, p.153. English translation taken from: http://cartelgallery.com/cartel_tan.html. 2 “Die Liebe gibt keinen Sinn.” Anselm Kiefer talking to Sigrid

An individual, a transient guest on this planet, may appear insignificant within the perspective of eternity. In the context of everything that is, however, human beings are still important, for they contribute to the shape of things through their existence, which does not imply that they have to engage in

von Fischern, 2007, www.tagesspiegel.de/kultur/die-liebe-gibtkeinen-sinn/1129952.html. 3 Künstler um zu überleben. Anselm Kiefer talking to Niklas Maak and Julia Voss, 2008, www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/anselm-kiefer-imgespraech-kuenstler-um-zu-ueberleben-1572588.html.


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DIE GROSSE FRACHT MELA MARESCH

„Wo kriegt man denn um Gottes willen so viel Blei her?“ Anselm Kiefer: „Mit diesem Blei war das Dach des Kölner Doms gedeckt. Als er renoviert wurde, habe ich das Blei gekauft …“ „Das Dach des Kölner Doms?“ Kiefer: „… genau. Ist das nicht absurd? Eine gotische Kathedrale mit Blei zu decken; die himmelwärts aufstrebenden Formen mit einem hermetischen Bleideckel abzuschließen, durch den gar keine Strahlen mehr von oben dringen können.“ „Was fasziniert Sie so am Blei?“ Kiefer: „Es ist wie mit der Aura von Namen. Das Blei wirkt mehr als alle anderen Metalle auf mich. Wenn man so einem Gefühl nachforscht, erfährt man, daß Blei schon immer ein Stoff für Ideen war. In der Alchemie stand dieses Metall an der untersten Stufe des Goldgewinnungsprozesses. Blei war einerseits stumpf, schwer und mit Saturn verbunden, dem häßlichen Mann – andererseits enthält es Silber und war auch schon der Hinweis auf eine andere, geistigere Ebene.“ „In der riesigen Sumpfhalle der Ziegelei liegt ein großes Blei-Flugzeug von Ihnen im Lehm.“ Kiefer: „Genau, das meine ich. Es steht da, bleischwer und kann nicht fliegen, aber es behauptet, es könne Ideen transportieren.“ 1 In dem Bild „Die Große Fracht“ schwebt ein U-Boot aus Blei über dem aufgewühlten Meer zu Füßen einer Gebirgslandschaft. Es scheint sich vorübergehend festgefahren zu haben. Hat das Boot noch eine Wahl zwischen dem Wiederabtauchen in die Tiefen

des Meeres und dem Stranden am Fuße des Gebirges? Ist es mit schwerer Fracht beladen oder nur ein riesiger Klumpen Blei und also selbst schwere Fracht? Welche Idee wird transportiert? Handelt es sich um ein auf der Meeresoberfläche an Land treibendes Wrack? Wenn ja, wann hat die Besatzung das Boot verlassen und welche Mission sollte erfüllt werden?

als etwas Negatives. Das ist ein Zustand der Transition, des Umschwungs, der Veränderung. Mit den Steinen, die in den großen Städten von den so genannten Trümmerfrauen – heute fast schon ein mythologischer Begriff – gereinigt wurden, habe ich Häuser gebaut. Diese Trümmer waren immer der Ausgangspunkt einer Konstruktion von etwas Neuem.“ 3

Welche Fracht tragen wir Menschen mit uns, in unser Leben hinein, Bewusstes oder Unbewusstes? Welche Frachten tauchen aus den Tiefen unserer Gefühlswelten auf, wenn wir es zulassen, und wie viel Raum und Gewicht haben sie in unserer Lebenslandschaft? Wie gehen wir mit den Wrackteilen unserer Lebensgeschichten um, die unsere Erinnerung von Zeit zu Zeit an die Oberfläche schwemmt? Was aus unserer Vergangenheit wird in unsere Zukunft transportiert? Anselm Kiefer: „Trümmer sind an sich Zukunft. Weil alles, was ist, vergeht. Es gibt dieses wunderbare Kapitel bei Jesaja, in dem es heißt: Über euren Städten wird Gras wachsen. Dieser Spruch hat mich immer fasziniert, schon als Kind. Diese Poesie, die Tatsache, daß man beides zugleich sieht. Jesaja sieht die Stadt und die anderen Schichten darüber, das Gras und wieder eine Stadt, das Gras und wieder eine Stadt.“ 2 Anselm Kiefer nimmt in vielen seiner Werke Bezug auf Zerstörtes, Verlassenes, Verwittertes, Verwelktes, auf das Danach, wenn der Krieg aus ist, die Erde verbrannt, das Schiff gestrandet, die Felder unbestellt, Gebäude unbewohnt und Landschaften sich selbst überlassen.

1 „Nachts fahre ich mit dem Fahrrad von Bild zu Bild.“ Ein Werkstattgespräch mit Anselm Kiefer über seine Arbeit und seine Weltsicht mit Christian Kämmerling und Peter Pursche, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, 46/1990. 2 „Der Mensch ist böse“. Anselm Kiefer im Gespräch mit Klaus

Anselm Kiefer: „Das Haus neben uns wurde total zerbombt. Gerade diese Trümmer empfand ich nie

Dermutz, 2005, www.zeit.de/2005/10/Interv_AnselmKiefer. 3 Ebd. 122


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“Where, for heaven’s sake, does one get such a huge amount of lead?” Anselm Kiefer: “The lead was originally used to cover the roof of the cathedral in Cologne. When it was renovated I bought the lead...“ “The roof of Cologne cathedral?” Kiefer: “… that's right. Isn't that absurd? Roofing a Gothic cathedral with lead, putting a leaden lid on those structures that soar heavenwards; a hermetic lid through which nothing can diffuse upwards.” “What fascinates you about the lead?” Kiefer: “It's like the aura of names. Lead has a stronger effect on me than any other metal. When you explore such a feeling you find that lead has always been a substance that inspired ideas. In alchemy, this metal was the basis of the process for making gold. On the one hand, lead was dull, heavy and connected to Saturn, the ugly man – on the other, it contains silver and some hint of another, more spiritual level.” “In the giant soaking hall of the Ziegelei building, a huge leaden aircraft that you made is lying in the mud.” Kiefer: “That's exactly what I mean. There it stands, heavy as lead and incapable of flying, but it purports to be able to transport ideas.“ 1 In the picture Die Große Fracht, a leaden submarine is floating over the sea at the bottom of the landscape. It seems to have got stranded temporarily. Does the submarine still have a choice between diving back down into the deep and being marooned at the foot of the mountains? Is it laden with freight, or is it only a huge lump of lead and thus a heavy cargo in itself?

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What idea is being transported here? Is it a wreck drifting towards the shore on the surface of the sea? If so, when did the crew leave the vessel and what was its original mission?

the so-called Trümmerfrauen (rubble women) – a term of almost mythological significance today – is what I employed to build houses. This debris has always been the starting point of something new being conceived.” 3

What is the cargo, conscious or unconscious, that we human beings are loaded with, which we are carrying through our lives? What load will rise from the depths of our emotions when we allow it, and how much space and weight will this require in our life? How do we handle the flotsam of our life stories which memory flushes up to the surface from time to time? What does our past transport into our future? Anselm Kiefer: “Wrecks actually represent the future. Because everything that exists will eventually cease to exist. There is a wonderful chapter in Isaiah, which says: your cities will be grown over by grass. That statement has always fascinated me, even as a child. The poetry in it, the fact that you can see both at the same time. Isaiah sees the city and the other levels over it, the grass and another city, the grass and yet another city.” 2 In many of his works, Anselm Kiefer makes reference to destruction, abandonment, wilting and weathering, to what happens after the war has ended, the earth has been burned, the ship marooned, the fields unploughed, the houses deserted and the countryside left to itself.

1 “Nachts fahre ich mit dem Fahrrad von Bild zu Bild.” An interview with Anselm Kiefer on his work and his view of the world

Anselm Kiefer: “The house next to our home was bombed to the ground. I never felt that the debris was something negative. This is just a state of transition, of change, of evolution. The post-war rubble and debris from the big cities cleared up by women,

with Christian Kämmerling and Peter Pursche, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, No. 46, 1990. 2 “Der Mensch ist böse”. Anselm Kiefer talking to Klaus Dermutz 2005, www.zeit.de/2005/10/Interv_AnselmKiefer. 3 Ibid.


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„Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist. Ich mache ein Loch auf und gehe hindurch.“ “In my paintings I narrate history in order to show what lies behind history. I open up a gap and step through it.“ Anselm Kiefer zit. nach / quoted from: Wieland Schmied, Bleierne Meere und kosmische Räume – am Anfang war die Unendlichkeit, in diesem Katalog / in this catalogue, S./p. 14, 15.


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WERKVERZEICHNIS | LIST OF WORKS

HORLOGIUM, 2003

ICH BIN DER ICH BIN, 2006

SAMSON, 2011

Öl, Emulsion, Acryl auf Leinwand mit Gipspflanzen

Öl, Emulsion, Acryl, Schellack, Brombeerstrauch auf Leinwand,

Öl, Emulsion, Acryl, Schellack, Kohle und Blei auf Fotografie auf

Oil, emulsion, acrylic on canvas and plaster plants

hinter Glas

Karton

280 x 500 x 32 cm

Oil, emulsion, acrylic, shellac, brambles on canvas, behind glass

Oil, emulsion, acrylic, shellac, charcoal and lead on photograph

S./p. 27, 28/29 (Detail), 34/35 (Detail)

192 x 282 x 36 cm

on cardboard

S./p. 41, 42/43 (Detail)

102 x 165 cm

SKULPTUR MIT STERNEN, 2003

S./p. 47

Bleibücher, Karton, Metall, Glas

DIA-LYSE, 2006

Lead books, cardboard, metal, glass

Öl, Emulsion, Schellack und Erde auf Holz

NUR MIT WIND MIT ZEIT UND MIT KLANG, 2011

170 x 160 x 140 cm

Oil, emulsion, shellac and soil on board

Öl, Emulsion, Acryl, Schellack und Blei auf Leinwand

S./p. 33, 34, 35

285 x 140 x 8 cm

Oil, emulsion, acrylic, shellac and lead on canvas

S./p. 57, 58/59 (Detail)

380 x 560 x 30 cm

FÜR PAUL CELAN, 2004

S./p. 109, 110/111 (Detail), 112/113

Kohle, Sand, Haare und Fotografie auf Leinen

STEIGEND, STEIGEND, SINKE NIEDER, 2006

Charcoal, sand, hair and photograph on canvas 60 x 64 x 7 cm

Öl, Emulsion, Schellack und Erde auf Holz

DIE GROSSE FRACHT, 2011

Glasvitrine / glass case 91 x 180 x 70 cm

Oil, emulsion, shellac and soil on board

Öl, Emulsion, Acryl, Schellack und Blei auf Leinwand

S./p. 83

285 x 140 x 15 cm

Oil, emulsion, acrylic, shellac and lead on canvas

S./p. 63, 64/65 (Detail)

380 x 560 x 90 cm

FÜR PAUL CELAN, 2005

S./p. 117, 118/119 (Detail), 120/121 (Detail)

Öl, Emulsion, Acryl, Kohle, Bleistift und Gips auf Leinwand

TBC (HÖDUR), 2007

Oil, emulsion, acrylic, charcoal, pencil and gypsum on canvas

Öl, Emulsion, Schellack, Zweige, Mistelblätter und Erde auf Holz

190 x 280 x 50 cm

Oil, emulsion, shellac, branches, mistletoe leaves and soil on

S./p. 77, 78/79 (Detail)

board 286 x 140 x 8 cm

CLAUDIA QUINTA, 2005

S./p. 51, 52/53 (Detail)

Öl, Emulsion, Schellack und Erde auf Fotografie auf Karton mit Draht und Bleiboot sowie Objekten

THE FERTILE CRESCENT, 2009

Oil, emulsion, shellac, soil on photograph on cardboard with

Mischtechnik auf Leinwand

barbed wire and lead boat and objects

Mixed media on canvas

95 x 124 x 28 cm

330 x 762 x 7 cm

S./p. 69, 70/71 (Detail)

S./p. 95, 96/97 (Detail)

ROTES MEER, 2005

TÖNEND WIE DES KALBS HAUT DIE ERDE, 2011

Öl, Emulsion, Acryl, Kohle, Gips und Bleischiff auf Leinwand

Öl, Emulsion, Acryl, Schellack, Kohle und Blei auf Leinwand

Oil, emulsion, acrylic, charcoal, plaster and lead on canvas

Oil, emulsion, acrylic, shellac, charcoal and lead on canvas

190 x 330 x 18 cm

380 x 560 x14 cm

Alle Werke aus der Sammlung Essl.

S./p. 89, 90/91 (Detail)

S./p. 101, 102/103 (Detail), 104/105 (Detail)

All works from the Essl Collection. 126


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Anselm Kiefer in seinem Atelier / in his studio, Paris


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BIOGRAFIE | BIOGRAPHYN ANSELM KIEFER

1945 geboren in Donaueschingen, Deutschland 1965-1970 Studium Romanistik und Jura in Freiburg, Deutschland 1966-1968 Studium der Malerei bei Peter Dreher an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe, Außenstelle Freiburg 1969 Studium bei Horst Antes an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe bis 1993 arbeitet in Buchen, Odenwald, Deutschland bis 2007 arbeitet in Barjac, Frankreich seit 2007 lebt und arbeitet in Paris 1945 born in Donaueschingen, Germany 1965-1970 romance and law studies in Freiburg, Germany 1966-1968 Painting studies with Peter Dreher at Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, Außenstelle Freiburg 1969 studies with Horst Antes at Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe until 1993 worked in Buchen, Odenwald, Germany until 2007 worked in Barjac, France since 2007 lives and works in Paris

Der Nibelungen Leid, Galerie im GoetheInstitut, Amsterdam 1974 Malerei der verbrannten Erde, Galerie Michael Werner, Köln Heliogabal, Galerie t’Venster/Rotterdam Arts Foundation, Rotterdam

Verbrennen, verholzen, versenken, versanden, Westdeutscher Pavillon, 39. Biennale Venedig Bilder und Zeichnungen, Galerie Six Friedrich/Sabine Knust, München Anselm Kiefer, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart

1975 Bücher, Galerie Michael Werner, Köln 1976 Siegfried vergisst Brünhilde, Galerie Michael Werner, Köln 1977 Anselm Kiefer, Kunstverein, Bonn Ritt an die Weichsel, Galerie Michael Werner, Köln Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam 1978 Anselm Kiefer: Wege der Weltweisheit – die Hermannsschlacht, Galerie Maier-Hahn, Düsseldorf Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Kunsthalle, Bern

Anselm Kiefer: Holzschnitte und Bücher, Groninger Museum, Groningen Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam 1981 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York Anselm Kiefer: Bücher, Galerie Six Friedrich/Sabine Kunst, München Anselm Kiefer, Galleria Salvatore Ala, Milan Anselm Kiefer: Aquarelle 1970-1980, Kunstverein, Freiburg

Einzelausstellungen ⁄ Solo exhibitions 1969 Anselm Kiefer, Galerie am Kaiserplatz, Karlsruhe 1973 Nothung, Galerie Michael Werner, Köln

1979 Anselm Kiefer: Bücher, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam Anselm Kiefer, Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven

Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Museum Folkwang, Essen und Whitechapel Gallery, London 1982 Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York

1980 Anselm Kiefer, Kunstverein, Mannheim 128


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Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam Anselm Kiefer, Mary Boone Gallery, New York 1983 Anselm Kiefer, Henie Onstad Kunstsenter, Oslo Anselm Kiefer: Paintings and Watercolours, Anthony d’Offay Gallery, London Anselm Kiefer: Bücher und Gouachen, Hans-Thoma-Museum, Bernau 1984 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln Anselm Kiefer, Städtische Kunsthalle, Düsseldorf; ARC/Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris und The Israel Museum, Jerusalem Anselm Kiefer: Peintures 1983-1984, Musée d’Art Contemporain, Bordeaux 1985 Anselm Kiefer: Auszug aus Ägypten, Flight from Egypt, Marian Goodman Gallery, New York

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1987 Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York Anselm Kiefer, Galeria Foksal, Warschau Anselm Kiefer, The Art Institute, Chicago; Museum of Art, Philadelphia; Museum of Contemporary Art, Los Angeles und Museum of Modern Art, New York 1989 Anselm Kiefer: The High Priestess – Zweistromland, Anthony d’Offay Gallery, London

Nachtschattengewächse, Galerie Yvon Lambert, Paris 1992 Anselm Kiefer, Fuji Television Gallery, Tokio The Women of the Revolution, Anthony d’Offay Gallery, London Anselm Kiefer, Lia Rumma Gallery, Neapel 1993 Anselm Kiefer: Melancholia, Sezon Museum of Art, Tokio

Anselm Kiefer: Der Engel der Geschichte, Galerie Paul Maenz, Köln

Anselm Kiefer: Melancholia, Kyoto National Museum of Art

Anselm Kiefer: Mohn und Gedächtnis, Galeria Foksal, Warschau

Anselm Kiefer: Melancholia, Hiroshima Museum of Contemporary Art

1990 Lilith, Marian Goodman Gallery, New York Jason, The Douglas Hyde Gallery, Dublin Anselm Kiefer: Bücher 1969-1989, Kunsthalle Tübingen Kaiserring Goslar 1990: Anselm Kiefer, Mönchehaus Museum, Goslar 1991 Anselm Kiefer: Bücher 1969-1990, Kunstverein München

1995 Anselm Kiefer, Kukje Gallery, Seoul 1996 Anselm Kiefer, Centro Cultural de Arte Contemporaneo, Mexiko City Cette obscure clarté qui tombe des étoiles, Galerie Yvon Lambert, Paris I Hold All Indias in my Hand, Anthony d’Offay Gallery, London 1997 Himmel-Erde, Museo Correr, Venedig

1986 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln Anselm Kiefer: Bilder 1986-1980, Stedelijk Museum, Amsterdam

Anselm Kiefer: Bücher 1969-1990, Kunsthaus Zürich Anselm Kiefer, Neue Nationalgalerie, Berlin

Anselm Kiefer, Museo Capodimonte, Neapel


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1998 Dein und mein Alter und das Alter der Welt, Gagosian Gallery, New York Anselm Kiefer, The Museum of Modern Art, São Paulo Anselm Kiefer, Galeria Camargo Vilaça, São Paulo

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Chevirat Ha-Kelim, Chapelle Saint-Louis de la Salpêtrière, Paris Lasst tausend Blumen blühen, Anthony d’Offay Gallery, London 2001 Les Reines de France, Le Rectangle, Lyon

2004 Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Neapel I sette palazzi Celesti, Hangar Bicocca, Fondazione Pirelli, Mailand Anselm Kiefer, Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall

Woodcuts, Shoshana Wayne Gallery, Los Angeles

Lasst tausend Blumen blühen, Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark

Works on Paper, The Metropolitan Museum of Art, New York

The Seven Palaces of Heaven, Fondation Beyeler, Basel

Anselm Kiefer. Für Chlebnikov, White Cube, London

El viento, el tiempo, el silencio, Palacio Velázquez, Madrid

Anselm Kiefer, Royal Academy of Arts, London

Anselm Kiefer. Für Paul Celan, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg

Anselm Kiefer, Kukje Gallery, Seoul

Heaven and Earth, Modern Art Museum of Fort Worth, Texas; Musée d’art contemporain de Montréal, Montreal; The Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington DC und San Francisco Museum of Modern Art

1999 Stelle cadenti, Galleria d’Arte Moderna, Bologna

2002 Musikfestival Salzburg Die Frauen der Antike, Galerie Yvon Lambert, Paris Die Frauen der Antike, Galleria Lia Rumma, Mailand 2000 Anselm Kiefer, Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent

La Vie secrète des plantes, Galerie Yvon Lambert, Paris Merkaba, Gagosian Gallery, New York 2003 Kostüme und Bühnenbild: Ödipus auf Kolonos, Klaus Michael Grüber Burgtheater, Wien

Anselm Kiefer, Gagosian Gallery, New York Elektra, Teatro di San Carlo, Neapel Die Frauen der Antike, Galleria Lia Rumma, Neapel

Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg

2005 Die Frauen, Académie de France à Rome, Villa Medici, Rom

2006 Odi Navali, Galleria Lia Rumma, Neapel Dein und mein Alter und das Alter der Welt, Galleria Lorcan O’Neill, Rom Anselm Kiefer: Velimir Chlebnikov and the Sea, The Aldrich Contemporary Art Museum, Ridgefield, Connecticut Für Paul Celan, Galerie Thaddaeus Ropac und Galerie Yvon Lambert, Paris 130


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BIOGRAFIE | BIOGRAPHY

2007 Aperiatur Terra, White Cube, London

2009 Hortus philosophorum, Gagosian Gallery, Rom

Anselm Kiefer: Des Meeres und der Liebe Wellen, White Cube, London

Anselm Kiefer, Guggenheim, Bilbao Sternenfall, Grand Palais, Paris Jericho, Royal Academy of Arts, London

Karfunkelfee / The Fertile Crescent White Cube, London

Kiefer & Rembrandt, Rijksmuseum Amsterdam, Amsterdam

Artist Rooms: Anselm Kiefer, Palmsonntag, Tate Modern, London

Anselm Kiefer: Salt of the Earth, Fondazione Vedova, Venedig

Frontières, Louvre, Paris Wege der Weltweisheit / Die Frauen der Revolution, Arp Museum, Bahnhof Rolandseck, Remagen Die Große Fracht, Biblioteca San Giorgio di Pistoia, Italien Etroitssant les vaisseaux, MASS MoCA, Massachusetts 2008 Palmsonntag, Gagosian Gallery und First Baptist Church Gym, Los Angeles

2010 Palmsonntag, Art Gallery of Ontario Works on paper, Galleria Lorcan O’Neill, Rom Unfruchtbare Landschaften, Galerie Yvon Lambert, Paris

Anselm Kiefer: Ausgewählte Arbeiten aus der Sammlung Grothe, Museum Frieder Burda, Baden-Baden

Anselm Kiefer, Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek, Denmark

Anselm Kiefer: Shevirat Hakelim, Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv

Artist Rooms on Tour: Anselm Kiefer, Baltic Centre for Contemporary Art, Gateshead, UK

Anselm Kiefer: Il Mistero delle Cattedrali, White Cube, London

Anselm Kiefer: Heroische Sinnbilder, Heiner Bastian Fine Art, Berlin

Anselm Kiefer – Europa, Villa Schöningen Berlin

Maria durch den Dornwald ging, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg

Anselm Kiefer, Museum voor Schone Kunsten Antwerpen

Bücher, Céline und Heiner Bastian, Berlin

Next Year in Jerusalem, Gagosian Gallery, New York

Das Geheimnis der Farne, Kukje Gallery, Seoul Kiefer e Mao, Triennale Bovisa di Milano, Mailand

Anselm Kiefer: Alkahest, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg

2011 Anselm Kiefer dans la collection Würth, Musée Würth France Erstein, Erstein

Artist Rooms: Anselm Kiefer, Palmsonntag, Mostyn Art Gallery, Llandudno, Wales 2012 Anselm Kiefer: Werke aus der Sammlung Essl / Works from the Essl Collection, Essl Museum, Klosterneuburg / Wien


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BIBLIOGRAPHIE | BIBLIOGRAPHY ANSELM KIEFER

Monografien | Monographs (Auswahl | Selection) 2000 Bastian, Heiner (Hrsg. / Ed.). Anselm Kiefer: Ich halte alle Indien in meiner Hand (München: Schirmer/Mosel) Bastian, Heiner (Hrsg. / Ed.). Anselm Kiefer: Über euren Städten wird Gras wachsen, (München: Schirmer/Mosel) McEvilley, Thomas. Anselm Kiefer: Let a Thousand Flowers Bloom (London: Anthony d’Offay Gallery) Strasser, Catherine. Anselm Kiefer: Chevirat HaKelim (Paris: Chapelle de la Salpêtrière)

2002

2005

Coleno, Nadine. Kiefer s’attaque à la matière (Paris: Editions du Regard)

Adriani, Götz. Anselm Kiefer: Für Paul Celan (Salzburg: Galerie Thaddaeus Ropac)

Kiefer, Anselm: Merkaba (New York: Gagosian Gallery)

Auping, Michael. Anselm Kiefer: Heaven and Earth (Fort Worth: Modern Art Museum of Fort Worth)

2003

Loyrette, Henri. Anselm Kiefer: Die Frauen (Rom: Villa Medici)

Ehmann, Arne. Anselm Kiefer: Am Anfang (Salzburg: Galerie Thaddaeus Ropac) Elektra (Neapel: Teatro di San Carlo)

2006 Gallwitz, Klaus. Anselm Kiefer: The Heavenly Palaces: Merkabah (New York: Harvard University Art Museums)

2001 Arasse, Daniel. Anselm Kiefer (Paris: Editions du Regard) Kiefer, Anselm: Les Reines de France (Lyon: Le Rectangle)

Mengham, Rod und Kevin Power. Anselm Kiefer: Für Chlebnikov (London: White Cube)

Neugebauer, Claudia. The Spirit of White (Basel: Galerie Beyeler) The Secret Life of Plants (München: Schirmer/Mosel)

Kiefer, Anselm. Merkaba (Mailand: Charta) Lauterwein, Andrea. Anselm Kiefer et la poésie de Paul Celan (Paris: Editions du Regard) Philbrick, Harry. Anselm Kiefer: Velimir Chlebnikov and the Sea (Ridgefield, Conneticut: The Aldrich Contemporary Art Museum und Derneburg Publications)

2004 2007

Laursen, Steingrim und Thomas McEvilley. Anselm Kiefer: Paintings 1998-2001 (Humlebæk: Louisiana Museum of Modern Art)

Cicelyn, Eduardo. Anselm Kiefer (Neapel: Electra)

Ransmayr, Christoph. Die Sieben Himmelspaläste (Basel: Fondation Beyeler) Roe, Jae-Ryung und Kukje Hwarang. Anselm Kiefer (Seoul: Kukje Gallery)

Häußler, Harriet. Die Himmelspaläste. Der Künstler als Suchender zwischen Mythos und Mystik (Berlin) Rumma, Lia. Anselm Kiefer: I sette Palazzi Celesti (Paris: Editions du Regard) Spies, Werner und Carmen Sylvia Weber. Anselm Kiefer (Künzelsau: Swiridoff Verlag)

Assouline, Pierre. Sternenfall: Anselm Kiefer au Grand-Palais (Paris: Editions du Regard) Celant, Germano. Anselm Kiefer (Bilbao: Guggenheim Bilbao und Mailand: Skira) Dagen, Philippe. Monumenta 2007: Anselm Kiefer au Grand Palais (Paris: Editions du Regard) 132


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Howes, Graham, Anthony Bond und Norman Rosenthal. Anselm Kiefer: Aperiatur Terra (London: White Cube)

Kiefer, Anselm, Tim Marlow und Simon Schama. Karfunkelfee and The Fertile Crescent (London: White Cube)

Lauterwein, Andrea. Anselm Kiefer – Paul Celan: Myth, Mourning and Memory (New York: Thames and Hudson)

2010

Loyrette, Henri. Anselm Kiefer au Louvre (Paris: Editions du regard und Editions du Louvre)

2011 Celant, Germano. Anselm Kiefer – Salt of the Earth (Venedig: Fondazione Vedova und Skira, Mailand)

Anselm Kiefer – Die Argonauten, Ivorypress (London: Ivorypress)

Cohn, Danièle und C. Sylvia Weber. Anselm Kiefer dans la collection Würth (Künzelsau: Musée Würth France Erstein)

Alvarez, José, Daniel Arasse und Anselm Kiefer. Rencontres pour mémoire (Paris: Editions du Regard)

Kiefer, Anselm. Anselm Kiefer – Des Meeres und der Liebe Wellen (London: White Cube)

Bastian, Heiner. Anselm Kiefer – Himmelspaläste (München: Schirmer/Mosel)

Kiefer, Anselm. Notizbücher I. 1998-1999 (Berlin: Suhrkamp)

Bastian, Heiner und Norman Rosenthal. Anselm Kiefer: Europa (München: Schirmer/Mosel)

Lawrence, James. Legends in Disarray. Anselm Kiefer, Drawings from the Sonnabend Collection (New York: Craig F. Starr Gallery)

2008 Bastian, Heiner. Anselm Kiefer – Das Balder-Lied (München: Schirmer und Mosel) Guratzch, Herwig, Klaus Dermutz, Eva Karcher und Christoph Ransmayr. Objekte, Gemälde und Arbeiten auf Papier aus der Sammlung Großhaus (Köln: Verlag Walther König) Kiefer, Anselm und Klaus Dermutz. Anselm Kiefer: Maria durch ein Dornwald ging (Salzburg: Galerie Thaddaeus Ropac) Kiefer, Anselm. Das Geheimnis der Farne (Seoul, Korea: Kukje Gallery) 2009 Bonet, Juan Manuel, Peter Iden, Anselm Kiefer, Dieter Ronte und Walter Smerling Anselm Kiefer. Obres de la colleccio Grothe (Palma: Fundacío Es Baluard) Kiefer, Anselm und Klaus Dermutz. Am Anfang (Paris: Editions du Regard und Opéra National de Paris)

Dermutz, Klaus und Anselm Kiefer. Die Kunst geht knapp nicht unter (Berlin: Suhrkamp Verlag) Juul Holm, Michael und Anders Kold (Hrsg. / Ed). Anselm Kiefer (Humlebæk: Louisiana Museum of Art) Kiefer, Anselm: Works on Paper (Rom: Galleria Lorcan O'Neill) Péju, Pierre. Anselm Kiefer – Unfruchtbare Landschaften, Œuvres des années 60, Paris: Galerie Yvon Lambert und Presses du Réel, Dijon) Warner, Marina und Anselm Kiefer. Anselm Kiefer – Next Year in Jerusalem (New York: Gagosian Gallery)

Kiefer, Anselm. Anselm Kiefer – Alkahest (Salzburg: Galerie Thaddaeus Ropac) Smerling, Walter, Frieder Burda, Peter Iden, Anselm Kiefer, Dieter Ronte und Norman Rosenthal. Anselm Kiefer – Ausgewählte Arbeiten aus der Sammlung Grothe (Baden-Baden: Museum Frieder Burda, Bonn: Stiftung für Kunst und Kultur e.V. und Köln: Wienand Verlag) 2012 Essl, Karlheinz, Andreas Hoffer, Mela Maresch, Günther Oberhollenzer, Wieland Schmied und Anna Szöke. Anselm Kiefer: Werke aus der Sammlung Essl (Klosterneuburg / Wien: Essl Museum)


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COPYRIGHTS & FOTONACHWEISE / COPYRIGHTS & PHOTO CREDITS

Copyrights der abgebildeten Werke / Copyrights of the illustrated works: Für alle Werke im Besitz der Sammlung Essl / For all works in the possession of the Essl Collection © Anselm Kiefer

Fotonachweis der Werke / Foto Credits of the works: Stefan Fiedler – Salon Iris, Wien: S./p. 34/35 Ulrich Ghezzi, courtesy Galerie Thaddaeus Ropac Paris Salzburg: S./p. 2/3, 4/5, 47, 95, 96/97 (Detail), 101, 102/103 (Detail), 104/105 (Detail), 109, 110/111 (Detail), 112/113 (Detail), 117, 118/119 (Detail), 120/121 (Detail) Mischa Nawrata, Wien: S./p. 27, 28/29 (Detail), 33, 83 courtesy Galerie Thaddaeus Ropac Paris · Salzburg: S./p. 41, 42/43 (Detail), 51, 52/53 (Detail), 63, 64/65 (Detail), 69, 70/71 (Detail), 77, 78/79 (Detail), 89, 90/91 (Detail) Lothar Schnepf, Köln: S./p. 57, 58/59 (Detail)

Renate Graf: S./p. 127


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ESSL MUSEUM KUNST DER GEGENWART An der Donau-Au 1 A-3400 Klosterneuburg / Wien T:+43 (0)2243 37050 – 150 F:+43 (0)2243 37050 – 22 info@essl.museum www.essl.museum

AUSSTELLUNG | EXHIBITION KURATOR / CURATOR Karlheinz Essl CO-KURATOR / CO-CURATOR Günther Oberhollenzer AUSSTELLUNGSORGANISATION / EXHIBITION ORGANIZED BY Günther Oberhollenzer, Anna Szöke ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Erwin Uhrmann, Regina Holler-Strobl MARKETING / PUBLIC RELATIONS Barbara Royc, Katharina Unger, Lisa Grünwald, Nadine Giron, Regina Stierschneider AUSSTELLUNGSLOGISTIK / EXHIBITION LOGISTICS Leone Strizik, Martin Kreitmeier AUFBAU-TECHNIK / EXHIBITION INSTALLATION Martin Kreitmeier, Clemens Drabek, Andreas Rottenschlager, Stefan Schuster RESTAURATORISCHE BETREUUNG / IN CHARGE OF CONSERVATION Ute Kannengießer, Magdalena Duftner, Elisabeth Schlegel OFFICE MANAGEMENT Andrea Wintoniak KUNSTVERMITTLUNG / EDUCATIONAL PROGRAM Lucie Binder-Sabha, Andreas Hoffer, Markus Hübl, Mela Maresch, Maria-Theresia Moritz, Adelheid Sonderegger, Anton Sutterlüty KATALOG | CATALOGUE KATALOGREDAKTION / EDITORIAL STAFF Anna Szöke, Günther Oberhollenzer, Andreas Hoffer ARCHIV & COPYRIGHTS Ines Ratz, Renate Claudi, Eva Köhler ART DIRECTOR Pablo Farassat GRAFIK / GRAPHIC DESIGN Pablo Farassat, Elisabeth Hartmann DRUCK / PRINTER Holzhausen, Wien AUTOREN / AUTHORS Karlheinz Essl, Andreas Hoffer, Mela Maresch, Günther Oberhollenzer, Wieland Schmied, Anna Szöke ÜBERSETZUNG / TRANSLATION Susanne Watzek LEKTORAT / PROOF READING Birgit Trinker © Texte bei den Autoren / Texts with the authors © Sammlung-Essl Kunst Verwaltungs GmbH Edition Sammlung Essl ISBN 978-3-902001-65-8 Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung / This catalogue is published on the occasion of the exhibition

ANSELM KIEFER 03.02. – 29.05.2012


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Anselm Kiefer

Anselm Kiefer Werke aus der Sammlung Essl


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