Betriebliche Prävention (BePr)
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Seiten 377–432 | A 8833
Betriebliche Prävention
135. Jahrgang
10.23
Arbeit | Gesundheit | Unfallversicherung
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ORGANISATION | ARBEIT | GESUNDHEIT
Joerg Hensiek
Exoskelette: Noch immer nicht die perfekte Lösung für Arbeit und Arbeitsschutz
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Die Vorteile von Exoskeletten in der betrieblichen Anwendung sind durch Studien hinreichend belegt, dürfen aber nicht überschätzt werden. Die Studien zeigen darüber hinaus auch, dass die Komptabilität von Mensch und Maschine im Falle der Exoskelette noch viel Verbesserungspotenzial aufweist. Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Forschungslage sowie der sicherheitstechnischen und rechtlichen Einordnung der Technologie.
D
er Einsatz von Exoskeletten in der industriellen Produktion soll dazu beitragen, die physische Belastung der Beschäftigten beim Heben und Tragen von schweren Lasten und gebeugten Zwangshaltungen stark zu reduzieren. Aber auch einseitig belastende Tätigkeiten wie zum Beispiel langes Stehen sollen durch Exoskelette deutlich erleichtert werden. Mithilfe von Exoskeletten könnten nach Meinung einiger Experten sogar körperlich eingeschränkte Mitarbeiter in Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden, für die sie vorher nicht einsatzfähig waren. Die großen Hoffnungen für den Arbeitsschutz haben sich bislang für viele Tätigkeitsbereiche aber nicht ganz erfüllt, insbesondere bei stationären Arbeitsprozessen. [1].
Definition Exoskelette Zunächst aber zu den Grundlagen. Was sind Exoskelette eigentlich genau? Exoskelette sind am Körper getragene technische Assistenzsysteme, die ihren Trägern eine zusätzliche Stützstruktur verleihen und somit deren Muskel-Skelett-Systeme entlasten sollen. Sie werden hauptsächlich als Hebehilfe zur Vermeidung oder 384
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Reduzierung von Gesundheitsgefährdungen an Arbeitsplätzen in der Industrie sowie als Unterstützungsinstrument für diverse medizinische Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen eingesetzt. Dabei werden zwei Typen von Exoskeletten unterschieden: „aktive“ und „passive“. Passive Exoskelette unterstützen den tragenden Körper lediglich mittels mechanischer Komponenten wie Sprungfedern, Schienen und Gewichte. Entstehende Belastungen werden von der Stützstruktur aufgenommen und in Energie überführt beziehungsweise in den Boden abgeleitet. Aktive Exoskelette hingegen, die in der Industrie erst wenig eingesetzt werden, verfügen neben mechanischen Elementen über weitere Antriebskomponenten. Dabei handelt es sich entweder um elektrische oder pneumatische Antriebe. Die Bewegung mittels Gedankensteuerung beziehungsweise Gehirnströmen ist technisch auch bereits in Ansätzen möglich [2], [3].
Ungeklärte Identität Exoskelette werden in sehr unterschiedlichen Anwendungsbereichen genutzt – vom Militärwesen über die Medizin bis hin zur Betriebliche Prävention 10.23
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SCHWERPUNKT Industrie. Somit ist es nur allzu verständlich, dass die sicherheitstechnischen Anforderungen an Exoskelette im Wesentlichen von ihrem Einsatzzweck bestimmt werden. Aus diesem Grund ist es bis heute aber auch strittig, was ein Exoskelett sowohl aus technischer als auch rechtlicher Perspektive eigentlich ist: eine Maschine etwa, die der EU-Maschinenrichtlinie unterworfen werden sollte? Oder ein Medizinprodukt, für das die EU-MedizinproduktRichtlinie zuständig ist? Oder fallen Exoskelette doch eher unter die PSA-Verordnung, weil sie in den Betrieben als Persönliche Schutzausrüstung getragen werden? Dieses „Identitätsproblem“ hat natürlich auch Auswirkungen auf den Arbeitsschutz, bei dem das STOP-Prinzip (Substitution, Technische Maßnahme, Organisatorische Maßnahme, Personenbezogene Maßnahme) gilt. Wie Exoskelette in das Schutzschema des STOP-Prinzips einzuordnen sind, ist aufgrund der offenen Rechtslage daher ebenfalls unklar. Offen ist insbesondere, ob es sich beim Einsatz von Exoskeletten um eine technische oder eine personenbezogene Maßnahme handelt. Dass Beschäftigte Exoskelette direkt am Körper tragen, spricht nach Meinung vieler Fachleute zunächst für eine Einordnung als Persönliche Schutzausrüstung (PSA), denn Maschine und Mensch wirken direkt zusammen, und das Gerät muss an seinen Träger persönlich angepasst werden. Das bedeutet gleichzeitig: Wenn ein Arbeitgeber Exoskelette in seinem Betrieb anwendet, dann muss er zunächst erwägen, ob der betreffende Arbeitsprozess nicht vollständig substituiert werden kann oder aber technische und organisatorische Maßnahmen der Einführung eines Exoskeletts vorgezogen werden können. Grundsätzlich aber gilt: Ein Exoskelett darf nicht als Maßnahme verwendet werden, um eine bereits festgestellte Gefährdung so zu reduzieren oder zu beseitigen, dass dadurch die Tätigkeit erst ermöglicht wird – es sei denn, es handelt sich um eine Persönliche Schutzausrüstung [1], [3].
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Zuordnung durch Hersteller Einige Experten halten es daher für sinnvoll, dass die praktische Verwendung des jeweiligen Produkts zunächst vom Hersteller als „bestimmungsgemäße Verwendung“ klar definiert werden sollte. Auf Basis dieser Ausweisung des Herstellers sollte dann das jeweilige Produkt einer bestimmten EU-Richtlinie beziehungsweise EU-Verordnung zugewiesen werden. Verständlicherweise kann es aufgrund dieser bislang unklaren rechtlichen Situation auch noch keine einschlägigen Produktnormen für Exoskelette geben. Erst bei klarer Zuordnung zum Beispiel zur EU-Maschinenrichtlinie könnten die in dieser Richtlinie formulierten Schutzziele die Grundlage bilden, um entsprechende Produktnormen und damit einhergehend technisch detailliertere Sicherheitsanforderungen zu benennen [1], [2]. Das sieht auch Ralf Schick, Leiter Sachgebiet Physische Belastungen im Fachbereich Handel und Logistik (FBHL) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), so: „Eine generelle Zuordnung von Exoskeletten zu nur einer bestimmten EU-Richtlinie ist meines Erachtens nicht zielführend, da Exoskelette an Arbeitsplätzen in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Hier muss der Hersteller in seiner Betriebsanleitung die ‚bestimmungsgemäße Verwendung‘ klar definieren [3].“
Gefährdungsbeurteilung Auch zum Thema Gefährdungen und Risiken sind noch viele Fragen offen. Mögliche Gefährdungen, die von Exoskeletten ausgehen und die bei den Anwendern/Nutzern zu physischen und teilweise auch psychischen Belastungen führen können, sind laut DGUV Fehlfunktionen der Steuerung oder eine Fehlbedienung, eine Einengung oder Fremdsteuerung, Stolper- und Sturzunfälle aufgrund Betriebliche Prävention 10.23
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des zusätzlichen Gewichts oder der ausladenden mechanischen Komponenten, eine fehlende Notbefehlseinrichtung oder eine mangelhafte ergonomische Anpassung des Exoskeletts an die Trägerperson. Experten der DGUV gehen davon aus, dass bei einem unfallartigen Ereignis das Risiko groß ist, dass die Beschäftigten vor allem aufgrund des zusätzlichen Gewichts oder den ausladenden mechanischen Komponenten schwerere Verletzungen davontragen werden als ohne Exoskelett. Eines der vorrangigen Probleme bei der Unfallprävention mit Exoskeletten ist den DGUV-Experten zufolge die Frage, wie der Träger im Falle eines Unfalls schnell und sicher aus dem Exoskelett flüchten kann. Grundsätzlich müssen alle Gefährdungspotenziale durch den Inverkehrbringenden (Hersteller, teilweise auch Händler) mithilfe von geeigneten sicherheitstechnischen Maßnahmen ausgeschlossen werden. Für mechanische Einwirkungen auf Träger von Exoskeletten, die bei der bestimmungsgemäßen Anwendung oder aufgrund einer Fehlfunktion auftreten können, könnten die biomechanischen Grenzwerte für kollaborierende Roboter nach DIN ISO TS 15066 genutzt werden [1], [2].
Studien Wie sinnvoll sind Exoskelette nun für den Einsatz in Betrieb und Einrichtung? Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin wurde vor drei Jahren die AWMF-Leitlinie „Einsatz von Exoskeletten im beruflichen Kontext zur Primär-, Sekundär-, und Tertiärprävention von arbeitsassoziierten muskuloskelettalen Beschwerden“ herausgegeben. Die beteiligten Experten werteten dabei alle wissenschaftlichen Studien weltweit zum Thema Exoskelette aus und folgerten aus der Analyse: Eine eindeutige Antwort konnte von ihnen damals immer noch nicht gegeben werden. Die Studien der vergangenen Jahre berichteten zwar häufig – jedoch nicht für jede Tätigkeit – über eine gewisse Belastungsminderung in den unterstützten Körperregionen. Aber zumindest bis zum Jahr 2020 hatte es keine einzige Langzeitstudie gegeben, sodass eine nachhaltige Präventivwirkung von Exoskeletten bis dahin noch nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte – weder von passiven Exoskeletten (ohne mechanischen Antrieb durch Elektromotor, pneumatische Abtriebe oder Sensoren) noch von aktiven Modellen (mit mechanischem Antrieb). Hinzu kam: Genauso häufig wie von den Vorteilen berichteten die analysierten Studien von potenziellen Risiken. Beschäftigte, die mit Exoskeletten gearbeitet haben, klagten häufig über Unannehmlichkeiten und sogar Beschwerden, insbesondere an den direkten Kontaktstellen, sowie von Belastungs- sowie Beanspruchungszunahmen in anderen Körperbereichen [3].
Einsatz in der Pflege Mittlerweile liegt immerhin eine genügend große Anzahl an Studien vor, die zumindest zu den kurz- und mittelfristigen Effekten von Exoskeletten in der beruflichen Anwendung klare Aussagen treffen können. Fast ausnahmslos bescheinigen die vorliegenden Studien gute Verbesserungspotenziale für eine Reihe von Tätigkeits- und Anwendungsfeldern, weisen aber in vielen Fällen immer noch auf viele Defizite der Technologie hin. So auch in einer aktuell publizierten Studie zum Einsatz im Pflegewesen durch Wissenschaftler der Charité-Universitätsmedizin Berlin, der Akademie der Gesundheit Berlin/Brandenburg und des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin, die vor allem die potenziellen Vorteile für das Muskel- und Skelettsystem, insbesondere den Rücken, der Pflegekräfte im Blick hatten [4]. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, inwieweit ein in den Bereichen der Logistik und Produktion bereits 385
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erfolgreich angewandtes aktives Exoskelett (Cray-X) für den Einsatz in der klinischen Pflege geeignet ist und welche Modifikationen daran notwendig sind, um Pflegende effektiv zu unterstützen. Bei dem Gerät handelt es sich um ein aktives Exoskelett, welches während eines Hebevorgangs (bspw. Patiententransfer) mit einer Unterstützung von bis zu 30 Kilogramm die körperliche Belastung der Nutzenden während der Ausübung ihrer Tätigkeiten reduziert. Drei Pflegende in unterschiedlichen Einrichtungen der geriatrischen Akut- und Langzeitversorgung haben an der Feldstudie teilgenommen. Die Probanden trugen das Exoskelett über mehrere Stunden in unterschiedlichen Phasen und Settings des beruflichen Pflegealltags. Es erfolgte eine Beobachtung und anschließende Befragung der Probanden mittels eines teilstandardisierten Fragebogens. Die Ergebnisse aus der Befragung nach dem Feldtest wiesen auf eine gute Unterstützung durch das Exoskelett im Bereich der Mobilisation und Positionierung von Pflegeempfangenden hin. Ergänzend konnte eine Erleichterung bei Hebetätigkeiten festgestellt werden. In den Fragebögen äußerten die Pfleger aber auch deutliche Kritik. Vor allem das hohe Gewicht und der Tragekomfort des Exoskeletts wurden als ungenügend beschrieben. Auch wurde ein flexibleres Gurtsystem, ausgerichtet an weiblichen Trägerinnen, und die Verwendung weniger rutschender sowie atmungsaktiver Gurtmaterialien vorgeschlagen. Außerdem sollten die Gurte bequemer bzw. flexibler gestaltet werden und dürfen kein Drücken, Rutschen, beispielsweise des Hosenbundes und der Beinanbindungen, oder Schwitzen begünstigen bzw. verursachen. Auch Halterungen an den Seiten rechts und links des Exoskeletts zum Greifen und Festhalten für Pflegebedürftige wurden als notwendig benannt, um deren Mobilisation oder Positionierung sicher zu gewährleisten. Schließlich wurde eine Sitzfunktion, um sich unter anderem „auf Augenhöhe“ mit den Pflegebedürftigen zu begeben und zur Erhöhung der Sitzdisziplin bei der Büroarbeit als wünschenswert angegeben. Im Hinblick auf die Nutzergruppen konnte festgestellt werden, dass der Einsatz in der Pflege vor allem in Pflegesettings erfolgen sollte, welche die Arbeit am Pflegebedürftigen über eine besonders lange Zeit hinweg beanspruchen, beispielsweise durch eine umfangreiche Grundpflege mit anschließender Behandlungspflege. Auch bei der Versorgung von adipösen, bariatrischen und in der Mobilität eingeschränkten Pflegebedürftigen erschien den Studienteilnehmern der Einsatz von Exoskeletten als sinnvoll.
Literatur [1]
Ralph Hensel-Unger, Mathias Keil et al. (2018); Chancen und Risiken für den Einsatz von Exoskeletten in der betrieblichen Praxis, in: ASU – Arbeitsmedizin – Sozialmedizin – Umweltmedizin, 53 (10), S. 654–661.
[2]
Nora Schüth, Sebastian Terstegen (2021); Arbeitsschutz für kollaborierende Roboter, in: Arbeitsschutz besser managen, 23. Aktualisierung, S. 1–28.
[3]
Joerg Hensiek (2021); Exoskelette: Heiße Luft oder eindeutig die Zukunft?, in: Sicherheitsbeauftragter, 10, S. 34–37.
[4]
Sandra Strube-Lehmann et al (2023); Pilotierung eines aktiven Exoskelettes in der stationären Akut- und Langzeitpflege, in: Neurologische Rehabilitation, 29(1), S. 56–61
[5]
Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW); Was bringen Exoskelette und Datenbrillen, auf: www.bghw.de/e-magazin/bghw-studie-was-bringen-exoskelette-und-datenbrillen
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Tipp Zu den potenziellen Risiken beim Einsatz von Exoskeletten an Arbeitsplätzen hat das IFA den Entwurf einer Arbeitshilfe zur Gefährdungsbeurteilung herausgegeben. Dieser ist abrufbar unter: www.dguv.de/ medien/ifa/de/pra/ ergonomie/gefaehrdungsbeurteilung_ exoskelette.pdf
Nur Teilunterstützung Andere aktuelle Studien deuten ebenfalls darauf hin, dass die Vorteile der Technologie noch immer nicht klar überwiegen. Wissenschaftler der Universität Innsbruck und vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der DGUV haben im Forschungsprojekt „Exo@Work“ einen Testparcours mit neun verschiedenen Arbeitsszenarien sowie weiteren Nebentätigkeiten aus der Logistikbranche entwickelt, um die Effekte des Exoskeletts auf die Bewegungsergonomie und die Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems zu untersuchen [5]. Dabei wurden Entlastungseffekte in den Phasen zwischen Heben und Absetzen einer 5 und einer 13 Kilogramm schweren Box untersucht. In Studien im Labor sowie an betrieblichen Arbeitsplätzen wurde dann die Belastung von 80 Testpersonen gemessen – sowohl unter Einsatz passiver als auch aktiver Exoskelette. Das Ergebnis: Passive und aktive Exoskelette konnten die muskuläre Belastung bei diesen Tätigkeiten tatsächlich reduzieren. Aber nur in bestimmten Bewegungsphasen wie dem Heben und Senken einer schweren Last, die das Vorbeugen des Oberkörpers erfordern. Bei Tätigkeiten, die in aufrechter Haltung ausgeführt wurden, war kein entlastender Einfluss erkennbar. Exoskelette, so folgerten die Studienmacher, unterstützen in der Belastungsspitze vorrangig nur eine Körperregion, nicht den gesamten Körper. Die Erkenntnisse der Innsbrucker Studie: Exoskelette können einen positiven Einfluss auf die Bewegungstreue beim Heben und Senken haben und dazu beitragen, dass die Muskulatur langsamer ermüdet. Dies kann den Effekt haben, dass in der Praxis weniger Fehler bei den Arbeitsaufgaben gemacht werden und sich dadurch die Arbeitsleistung erhöht. Andererseits können Exoskelette zum Beispiel das Gehen und Treppensteigen einschränken. Viele Träger nehmen sie aufgrund des Gewichts als Fremdkörper wahr.
Vergleich passive und aktive Maschinen Das IFA selbst führte darüber hinaus eine eigene Studie zur Wirkungsweise und dem Tragekomfort von Exoskeletten durch [5]. Dabei testeten sechs Frauen und sechs Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf einem Parcours die Effekte von passiven und aktiven Exoskeletten auf das Muskel-Skelett-System. Sie mussten unterschiedlich schwere Lasten (Gewichte von 10 und 20 Kilogramm) anheben, halten und absetzen sowie ihren Rumpf ohne und mit Last (10 Kilogramm) nach vorn beugen. Die biomechaBetriebliche Prävention 10.23
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SCHWERPUNKT nischen Messungen zeigten, dass Exoskelette je nach System den Körper beim Beugen und Aufrichten unterschiedlich stark unterstützen: Passive Exoskelette entlasteten beim Beugen stärker als beim Aufrichten, aktive dagegen unterstützten je nach Regelungseinstellung variabel und teilweise sogar mit einer größeren Wirkung als die passiven. Mit anderen Worten: Die Entlastungswirkung von Exoskeletten, die den Rumpf unterstützten, trat nur bei gebeugter Rumpfhaltung ein. Auffällig war auch, dass sowohl passive als auch aktive Exoskelette nicht zeitgleich mit der Muskulatur ihre Spitzenkraft erreichten. Im ersten Moment beim Anheben einer Last müssen die Rückenmuskeln die Spitzenbelastung weiterhin selbst tragen, folgerten die IFA-Forscher. Exoskelette leisten ihnen zufolge nur eine Teilunterstützung, die in den am IFA durchgeführten Studien zwischen 10 und 30 Prozent der maximalen Gesamtbelastung erreichte. Die menschliche Muskelkraft blieb also entscheidend. Hinzu kam, dass für manche Teilnehmende das Tragen eines Exoskeletts unangenehm war, weil es am Körper Reibung und Druck erzeugte.
Weiterer Entwicklungsbedarf Exoskelette sind noch kein Allheilmittel. Sie unterstützen den Menschen teilweise schon recht gut, der Mensch muss mit seiner
Muskelkraft aber noch immer den Großteil der Leistung erbringen. Hinzu kommt, dass Exoskelette immer nur für bestimmte Arbeitssituationen eingesetzt werden können. Besonders problematisch sind die Unannehmlichkeiten, die viele Träger bei ihrer Anwendung beklagen. Hier ist die Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen. Die Kompatibilität zwischen Exoskelett und Mensch muss sich deutlich verbessern, wenn die Technologie bei den Beschäftigten in Zukunft auf eine höhere Akzeptanz treffen soll.
Dr. Joerg Hensiek, promovierter Politikwissenschaftler, ist freiberuflicher Journalist, Redakteur und PR-Berater. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen im betrieblichen Arbeitsund Gesundheitsschutz, in der beruflichen Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen und der Berufsausbildung in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Forstund Holzwirtschaft im Allgemeinen. E-Mail: joerg.hensiek@googlemail.com
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