2 minute read

Neuer Tatendrang

Liebe Leserin, lieber Leser,

in diesen Tagen jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum ersten Mal. Dieser Krieg hat uns wohl alle im vergangenen Jahr zunächst in eine Art Schockstarre versetzt. Dann aber hat die Zivilgesellschaft in rasanter Geschwindigkeit erneut ihre Handlungsfähigkeit bewiesen, Hilfspakete geschnürt, Geflüchteten geholfen, Integration vereinfacht und ermöglicht.

Krisentauglich, entscheidungsfreudig, schnell: Die Zivilgesellschaft mit einem starken Stiftungssektor als ihrem organisatorischen Rückgrat zeigt immer wieder ihre Unverzichtbarkeit für das Funktionieren unser aller Zusammenlebens, und es ist nur zu wünschen, dass sie dafür in Zukunft auch eine größere Aufmerksamkeit erfährt.

„Quo vadis, Stiftungswesen?“ ist der Titel unseres ersten Heftes 2023, mit dem ich meinen Einstand als Herausgeber von Stiftung&Sponsoring gebe. Im Interview kommt dazu noch einmal mein Vorgänger und überaus geschätzter Kollege beim Deutschen Stiftungszentrum, Erich Steinsdörfer, zu Wort, der nicht nur seine Erfahrungen rekapituliert, sondern auch in die Zukunft blickt. Einen „Schulterschluss von Politik und Zivilgesellschaft“ bezeichnet er dabei in aller Klarheit als „optionslos“, denn „Krise ist die neue Normalität“ (S. 6 – 8).

So ein Schulterschluss bedeutet für einen unabhängigen Stiftungssektor vor allem, dass die Politik den Stiftungen jetzt und in Zukunft genügend Raum zum Atmen gibt. Ein erster Schritt ist mit der im Juli dieses Jahres in Kraft tretenden Stiftungsrechtsreform getan. Sie wird beispielsweise kleineren Stiftungen einen Zusammenschluss erleichtern, um im schwierigen Anlageumfeld der vergangenen Jahre ihre Wirkungskräfte zu erhalten. Auch wird es künftig aus ebendiesen Gründen leichter, zunächst auf Ewigkeit angelegte Stiftungen in Verbrauchsstiftungen umzuwandeln.

Doch nach der Reform ist vor der Reform. Der Stiftungssektor muss in diesen bewegten Zeiten selbst bewegt bleiben. Gemeinsam gilt es, weiter für das Modell der Stiftung zu werben, verbesserte Rahmenbedingungen einzufordern, notwendige Gesetzesnovellen auch innerhalb des Sektors zu diskutieren, um sie dann mit aller Vehemenz von den politischen Entscheidungsträgern einzufordern. Wie viel Öffnung ist nötig, wieviel Veränderung wäre am Ende vielleicht auch kontraproduktiv? Denn zum Selbstbewusstsein des Stiftungssektors gehört auch die Überzeugung, dass das Modell der Stiftung viele Vorteile gegenüber anderen gemeinnützigen Rechtsformen besitzt. Einen sehr interessanten Vergleich dieser Rechtsformen in Deutschland hat die ausgewiesene Stiftungsrechtsexpertin Birgit Weitemeyer von der Bucerius Law School für die Roten Seiten dieser Ausgabe erstellt.

Reformen des Stiftungsrechts sind nicht nur ein deutsches Thema, sondern beschäftigen auch die Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in unserem Nachbarland Schweiz, wo die jüngste Reform bereits zum 1.1.2023 in Kraft getreten ist. Was sich dort genau geändert hat, erfahren Sie auf S. 34 f.

Es gibt viel zu tun, um den Stiftungssektor erfolgreich durch eine Welt im Digitalisierungsprozess mit volatilen Kapitalmärkten, zivilgesellschaftlichem Strukturwandel und sich überlappenden Krisen von Krieg bis Klimawandel zu führen. Der Stiftungssektor begleitet, fördert und gestaltet gesellschaftliche Transformation und muss sich gleichzeitig selbst neu gestalten und verorten. Es ist überall eine Menge Tatendrang zu spüren, sich all diesen Herausforderungen mit großer Kreativität zu stellen. Ich freue mich sehr darauf, künftig an dieser Stelle abwechselnd mit Dr. Christoph Mecking diesen Prozess begleiten zu dürfen. Packen wir es an!

Ihr Dr. Markus Heuel

Mitglied der Geschäftsleitung des Deutschen Stiftungszentrums (DSZ) im Stifterverband

This article is from: