Biogas Journal 4_2019

Page 1

www.biogas.org

Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073

BI

| 22. Jahrgang

4_2019

GAS Journal

Das Fachmagazin der Biogas-Branche

Bezugsstrom aus Wind- und Solarenergie S. 36

Gasaufbereitung mit ionischen FlĂźssigkeiten S. 60

Kleinbiogasanlagen fĂźr Nepal S. 70

TOPTHEMA:

Alternativer Ackerbau

Adressfeld


INHALT

BIOGAS JOURNAL

| 4_2019

16 TOPTHEMA Alternativer Ackerbau EDITORIAL 3 Ihre Verkehrswende? Von Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Becker, Vizepräsident des Fachverbandes Biogas e.V.

AKTUELLES 6 Meldungen 8 Termine

16 Systemwechsel: Nicht öko, aber alternativ – mit Flächenrotte, Fermentbrühe und Komposttee Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 22 Direktsaat: weniger Erosion, mehr verfügbares Bodenwasser, vitalerer Boden Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph 26 Grün in Grün: Nachhaltiger und klimaschonender Ackerbau Von Thomas Gaul

9 Biogas-Kids 10 Innovationen aus Werkstatt und Labor Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 14 Finanzierungs- und Fördertage am 25. und 26. September in Berlin

PRAXIS 32 Pflanzenkohle im Fermenter Von Thomas Gaul 36 Wind- und Sonnenstrom für den eigenen Bedarf Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 40 Biogas mit Kleinwind Von Dierk Jensen

4

44 Strom, Wärme und Eiweißfutter Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz 48 Anlagen des Monats 50 Wegweisende Kooperation für sauberere Müllfahrzeuge Interview: Erdgas-Lkw konkurrenzfähig zum Dieselantrieb Von Eur Ing Marie-Luise Schaller 54 Herstellermeinung Rührwerksvergleich nach ISO 21630: 2007-08 bietet Bewertungsmöglichkeit Von Thomas Stemmer und Paul Thürwächter 56 Land erwärmt Stadt Von Dierk Jensen


INHALT

TITELFOTO: CARMEN RUDOLPH I FOTOS: CARMEN RUDOLPH, MARTINA BRÄSEL, GLS ZUKUNFTSSTIFTUNG ENTWICKLUNG

BIOGAS JOURNAL | 4_2019

60

WISSENSCHAFT 60 Rohgasreinigung mit ionischen Flüssigkeiten Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel

INTERNATIONAL Frankreich 64 Biomethan: feste Vergütung für 15 Jahre Von Dipl.-Ing · Dipl.-Journ. Martina Bräsel Nepal 70 Mit Biogas gegen die Abholzung Von Dipl.-Ing · Dipl.-Journ. Martina Bräsel 76 Stiftungen als Akteure im Biogassektor Von Dr. Katharina Franziska Braig, Dr. Bernhard von der Haar, Kathrin Stangl

76

VERBAND Aus der Geschäftsstelle 80 Deutsche wollen mehr Klimaschutz, aber ... Von Dr. Stefan Rauh und Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk 84 Aus den Regionalgruppen 85 Aus den Regionalbüros 90 Mehr Flexibilität wagen! Von Dr. Stefan Rauh 92 Sechs Jahre EZ-Scout beim Fachverband Biogas e.V.: Eine Erfolgsgeschichte Von Markus Fürst 94 Dreharbeiten mit dem Hackl Schorsch 96 Politik muss verlässlichere Signale ausstrahlen Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejcyk 97 20. Treffen der AG Öffentlichkeitsarbeit 98 Impressum

Beilagenhinweis: Das Biogas Journal enthält Beilagen der Firmen agrikomp, Bayernwerk, HR-Energiemanagement, Orts GmbH Maschinenfabrik, PRONOVA Analysetechnik und UNION Instruments.

5


PRAXIS / TITEL

BIOGAS JOURNAL

| 4_2019

BODEN VITALISIERENDER ACKERBAU

Ein Feld mit Grünroggen, der als Ganzpflanzensilage geerntet werden soll. Der plattgefahrene Streifen ist ein Versuch, um zu schauen, mit welcher Saattechnik die nächste Hauptfrucht direkt in den niedergedrückten Pflanzenbestand gesät werden könnte. In den USA forscht unter anderem die Universität von Wisconsin zu diesen sogenannten Cover-Crop-Systemen und erzielt damit interessante Ergebnisse. Dort wird die grüne Vorfrucht mit Messerwalzen in der Fronthydraulik des Schleppers niedergewalzt, was die Austrocknung der Vorfrucht begünstigt.

16

FOTOS: MARTIN BENSMANN

Systemwechsel: Nicht öko, aber alternativ – mit Flächenrotte, Fermentbrühe und Komposttee


PRAXIS / TITEL

BIOGAS JOURNAL | 4_2019

Immer mehr Landwirte denken über die Art und Weise, wie sie ihren Boden bewirtschaften, nach. Die Gründe dafür sind vielfältig. So zwingen lokale, regionale oder großräumige Wetterextreme mit ausgeprägten Trockenphasen ohne Niederschlag beziehungsweise im Gegensatz dazu Starkregenereignisse zum Umdenken. Des Weiteren bringen humuszehrende Fruchtfolgen die Böden an die Grenzen der Ertragsfähigkeit. Darüber hinaus erschweren Restriktionen vom Gesetzgeber hinsichtlich der Nährstoffversorgung und zunehmend auftretende Resistenzen von Kulturbegleitpflanzen, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln nur schwer bekämpft werden können, die ackerbauliche Praxis. So ist es kein Wunder, dass Landwirte ihr jahrzehntelang praktiziertes System infrage stellen und beginnen, über den Tellerrand zu schauen. Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann den trat Reber 2010 einer Ackerbau-Kooperation bei, die er jedoch schon 2015 wieder verließ. Die erhofften Synergien blieben aus und die Bodenfruchtbarkeit hatte sich weiter verschlechtert, sodass beispielsweise der Biogasanlage Reber in Schwäbisch-Hall. Getreideertrag in einem Jahr nur noch 70 Dezitonnen pro Hektar erreichte, was einen Rückgang von rund 20 Prozent bedeutete. Die ackerbauliche Entwicklung veranlasste den im positiven Sinne querdenkenden Landwirt, sich im Jahr 2013 auf die Suche nach neuem Wissen über Bodenfruchtbarkeit zu begeben. „Ich habe dann gezielt Biobetriebe mit erfolgreichem pfluglosem Ackerbau gesucht, um zu lernen, wie die ihre Bodenfruchtbarkeit aufrechterhalten. Dabei habe ich Friedrich Wenz kennengelernt, der Feldtage und Seminare zum Thema Bodengesundheit und -fruchtbarkeit durchführt. Schon der erste Informationstransfer war so intensiv, dass ich mich entschloss, am ‚Bodenkurs im Grünen‘ von September 2014 bis Juli 2015 teilzunehmen. Dietmar Näser und Friedrich Wenz (mit Wissen von Dr. Ingrid Hörner) gaben während dieser Fortbildung und auch darüber hinaus weitere entscheidende Impulse. Die Seminarreihe war eine ‚Wissensdruckbetankung‘ zum Thema Bodenfruchtbarkeit“, blickt Reber zurück. Näser und Wenz definieren den Begriff „Regenerative Landwirtschaft“ neu im Zusammenhang mit Bodenfruchtbarkeit und dem alternativen Ackerbausystem. Sie verstehen darunter die Wiederherstellung des lebend verbauten Kohlenstoffs im Boden FOTO: MICHAEL REBER

E

in solcher Landwirt, der über den Tellerrand schaut und einen Systemwechsel vollzogen hat, ist auch Michael Reber, der mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb in Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg) bewirtschaftet. Seit er 1997 den elterlichen Hof übernahm, hat er viele Wendepunkte in seinem Betriebsleiterleben bewältigen müssen. 2009 war zum Beispiel ein solches Jahr: „Aufgrund der Neueinteilung von Flächen im Rahmen der Flurneuordnung mussten wir auf 75 Prozent der Ackerflächen bei null anfangen, was die Bodenfruchtbarkeit anging. Und das, obwohl wir bis dahin schon über 20 Jahre lang pfluglosen Ackerbau gemacht hatten. Wir hatten damit gute Erfolge bezüglich Erosionsschutz, Tragfähigkeit der Böden und Bodenfruchtbarkeit insgesamt“, erklärt Reber. Im gleichen Jahr ging die Biogasanlage in Betrieb mit ursprünglich 400 Kilowatt (kW) installierte elektrische Leistung. Inzwischen verfügt die Anlage über 750 kW Bemessungsleistung. Mit der Aufnahme der Biogasproduktion und der gleichzeitigen Aufgabe der Schweinehaltung habe sich auch die Fruchtfolge auf dem Acker verändert. Von Winterraps, Winterweizen, Hafer und Wintergerste hin zu Mais, Weizen und Gerste hintereinander. Die Ernte von Silomais im Herbst unter zu nassen Bodenbedingungen sowie die Abfuhr der organischen Substanz hätten sich weiter negativ auf die Ackerflächen, bei denen es sich von der Bodenart her um lehmigen Ton und Ton handelt, ausgewirkt. Die aktuelle Fruchtfolge 2018/19 als Konsequenz: TriticaleGPS – Zwischenfruchtanbau – Silomais – Roggen-GPS/Triticale-GPS mit Sorghum und Sudangras als Zweitfrucht – (Kleegras, mehrjährig) – Silomais. Um die Arbeitsspitzen zu verteilen und auch aus Kostengrün-

durch Humusaufbau. Aber auch die Wiederherstellung der mikrobiellen Prozesse im Boden durch die Förderung der Interaktion Pflanzen – Bodenleben. Ferner geht es um die Verhinderung von Nährstoffmangelerscheinungen in pflanzlichen Produkten. In dem Verfahren dieser „Regenerativen Landwirtschaft“ sind folgende fünf Maßnahmen zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit und zum Bodenaufbau zu beachten: 1. Die Nährstoffe im Boden ins Gleichgewicht bringen und den Boden belebend düngen (Bodenchemie). 2. Den Unterboden (biologisch und mechanisch wenn nötig) lockern und mit Wurzeln stabilisieren. 3. Die Böden dauerhaft und vielfältig begrünen, um die Organismen im Boden ernähren zu können und deren Vielfalt und Anzahl zu fördern. 4. Den lebenden Bewuchs in eine sogenannte Flächenrotte bringen, die aerob abläuft. Die Rotte sollte mit Fermenten gelenkt werden. 5. Die Kulturpflanzen durch stressvermeidende, vitalisierende Behandlungen zur maximalen Syntheseleistung bringen.

17


PRAXIS / TITEL

| 4_2019

FOTOS: MARTIN BENSMANN

BIOGAS JOURNAL

Das Foto links zeigt ein Stoppelfeld nach der Ernte von Roggen-Ganzpflanzensilage. Foto Mitte: Mit dem Spaten ausgehobenes Bodenstück auf dem Roggen-GPS-Feld Mitte Mai. Der Boden ist feucht, dunkel gefärbt, gut durchwurzelt und krümelig. Foto rechts: Diese Bodenprobe wurde mit dem Spaten aus einer Fahrspur entnommen. Hier ist der Boden zwar auch feucht, dunkel gefärbt und gut durchwurzelt. Aber er ist etwas weniger krümelig und dafür zeigen sich aufgrund der Verdichtung Bodenplättchen.

Spatendiagnose – wichtig für die Bodenansprache

FOTOS: MICHAEL REBER

Flach abgefräster grüner Pflanzenbestand mit Erde vermischt locker auf dem Boden aufliegend. Vor der Fräse werden spezielle Fermente eingespritzt, die den aeroben Rotteprozess fördern sollen. Im Abstand von sieben bis zehn Tagen wird die Fläche ein zweites Mal mit der Fräse 3 bis 5 Zentimeter flach bearbeitet.

Kernpunkt aller Bemühungen sollte laut Reber sein, die Huminstoff bildenden Prozesse optimal zu unterstützen. Vor dem Systemwechsel sei aber eine Bestandsaufnahme zu machen. Mit der Spatendiagnose und der Bodensonde ist der Boden anzusprechen. Der Bodenzustand ist schriftlich festzuhalten und am besten mit Fotos zu dokumentieren. Dann sollten Bodenproben gezogen werden. Reber empfiehlt die besten und schlechtesten Schläge mit den besten und schlechtesten Bodenverhältnissen zu beproben. Die Bodenuntersuchung erfolge nach William Albrecht. Kinsey in den USA führe solche Analysen durch, die je Probe rund 120 Euro kosten. Rebers Ackerböden weisen mit 7,8 einen hohen pH-Wert auf. Obwohl nach der Analytik keine Kalkdüngung empfohlen werde, hätten die Pflanzen dennoch einen Calciumbedarf. „Der hohe pH-Wert resultiert bei uns aus einem natürlich hohen Magnesiumgehalt im Boden. Möglich wäre eine Gipsdüngung. Diese Variante ist aber recht teuer. Mit Naturgips haben wir gute Effekte erzielt, mit Gips aus der Rauchgasreinigung jedoch nicht“, informiert Reber. Neben den Nährstoffen und der Organik

18

sind Sauerstoff und Wasser für einen vitalen Boden unerlässlich. Regelmäßige Kontrollen auf Bodenverdichtungen sind vorzunehmen. Spätestens nach der Ernte sollten diese durchgeführt werden. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollte die Bodenbearbeitung geplant werden. Wenn gelockert werden muss, sollte die natürliche Schichtung im Boden beibehalten werden. Der Boden sollte aufgebrochen, aber nicht tief gemischt werden. Die anschließende Rückverfestigung des Bodens erfolgt am besten mit der Aussaat der Folgekultur in einem Arbeitsgang.

Grüne Pflanzen bringen mehr Kohlenstoff in den Boden Reber, der sich als Ackerbauer aus Leidenschaft bezeichnet, empfiehlt, einen möglichst dauergrünen Anbau zu praktizieren. Das sei wichtig für die Humusbildung, zudem könnten Zwischenfrüchte nach der Hauptfruchternte in den Sommermonaten die Sonneneinstrahlung in Ertrag (und Kohlenstoff aus der Photosynthese) umsetzen. Laut australischen Untersuchungen würden grüne Pflanzen fünf- bis sechsmal mehr Kohlenstoff in den Boden bringen, als über tote organische Substanz, wie zum Beispiel Stroh, Mist oder Gülle, möglich sei. Aber auch auf die Winterbegrünung legt der Landwirt wert. Sein Credo lautet, dass keine Fläche schwarz, also ohne Bewuchs, über den Winter daliegt. So kam

Bodenfräse mit spezieller Messeranordnung, um einen ganzflächigen Schnitt für die Flächenrotte zu erreichen. Hier im Bild ein Gerät der Firma Vortex aus Österreich.


PRAXIS / TITEL

BIOGAS JOURNAL | 4_2019

in 2017 auf den Greeningflächen die Saatmischung von DSV TerraLife MaisPro TR Greening zur Aussaat. Die darin enthaltenen Wintererbsen sowie der Inkarnatklee überwintern. Im vergangenen Jahr hat Reber auf den Greeningflächen eine von der DSV speziell zusammengestellte Sondermischung ausgesät, um saatzeitflexibel sein zu können. Auf den restlichen Flächen hat er ein Gemenge aus Grünroggen, Winterwicken und Winterrübsen gesät. Die Winterzwischenfrüchte bieten Schutz vor Wind- und Wassererosion, sie binden Nährstoffe, liefern Futter für das Bodenleben und der Aufwuchs ist als Futterreserve für die Biogasanlage geeignet. Allerdings bedeutet nach Rebers Ausführungen die Einarbeitung im Frühjahr Mehrarbeit. Die Einarbeitung beziehungsweise die Bodenbearbeitung im Frühjahr geschieht nicht unter 6 Grad Celsius Bodentemperatur. Neben den Zwischenfrüchten spielen auch Untersaaten im Ackerbausystem eine Rolle. Im Mais sät er in diesem Jahr erstmals keine Gräser mehr aus, sondern reine Sommer-Leguminosen, weil in drei von vier Jahren zur Maisernte keine Gräser mehr zu sehen waren. Die Saat ist die Mischung viterra® Bodengare Öko von der Saaten Union. „Untersaaten in Getreide-GPS sind auch machbar. In 2017 hatten wir beispielsweise auf 30 Prozent der Fläche die Mischung DSV M2 stehen“, erklärt der Landwirt.

Flächenrotte muss ohne Fäulnis ablaufen Wenn Zwischenfrüchte oder Untersaaten in den Boden eingearbeitet werden müssen, dann wird dies nach dem Prinzip der Flächenrotte praktiziert. Hierbei geht es darum, ein möglichst homogenes Pflanzen-Erde-Gemisch an der Bodenoberfläche in 3 bis 5 Zentimeter zur erreichen ohne eine sofortige Rückverfestigung. „Das Gemisch sollte locker oben auf dem Boden liegen“, rät Reber. Eine besondere Herausforderung sei die Flächenrotte bei Gras- beziehungsweise Kleegrasbeständen. Es komme dabei auf einen flachen, möglichst ganzflächigen Schnitt an mit guter Einmischung in die oberste Bodenschicht. „Bei der Flächenrotte ist es wichtig, dass es nicht zu Zersetzungsprozessen kommt, die unter Fäulnis ablaufen. Wir wollen eine aerobe Umsetzung der Pflanzenmasse in den Boden, die sauerstoffgeführt ist. Den aeroben Prozess unterstützen wir, indem wir Fermente bei der Einarbeitung der Pflanzenmasse in den Boden einsprühen. Bei den Fermenten handelt es sich um eine Flüssigkeit, in der sogenannte Effektive Mikroorganismen (EM-A) enthalten sind. Die Fermente stellen wir nach einer bestimmten Rezeptur in IBC-Containern selber her“, so der Betriebsleiter. In 2017 und 2018 wurde für die Einarbeitung des Pflanzenaufwuchses eine spezielle Fräse mit optimierten Werkzeugen verwendet. 2017 war das ein Gerät von Valentini und in 2018 von Vortex. Andere Praktiker, die die Flächenrotte in ihren Betrieb etablieren, setzen

Ein gesunder Boden ist die Basis Unsere Sommer werden immer heißer und trockener. Die Konsequenzen daraus spüre auch ich als Hobbygärtner. Umso wichtiger ist eine gute Bodenkultur. Das musste ich in den letzten Jahren auch erst lernen. Ein gesunder Boden ist das Nonplusultra! Der Unterschied im Pflanzenwachstum ist enorm. Für die Landwirte ist dies ja noch viel bedeutsamer. Und damit auch für die Betreiber von Biogasanlagen, die Energiepflanzen anbauen. Alternative Ackerbaumethoden sind ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Mit einer schonenden und konservierenden Bodenbearbeitung lässt sich die Verdunstung reduzieren und durch den gleichzeitigen Aufbau von Humus die Speicherfähigkeit von Wasser im Boden erhöhen. Eine tiefe Durchwurzelung in Kombination mit vielen Regenwurmröhren verbessert die Aufnahmekapazität von großen Niederschlagsmengen und reduziert damit auch die Gefahr der Bodenerosion. Und nicht zu vergessen: weniger Bodenbearbeitung schont die Bodenlebewesen. Regenwürmer, Asseln, Spinnen und auch Pilze fördern die Vitalität eines Bodens und damit seine Fruchtbarkeit. Es gibt viele Möglichkeiten, die Landwirtschaft immer noch ein Stück naturverträglicher zu gestalten. Viele Landwirte und BiogasanlagenBetreiber gehen hier schon mit gutem Beispiel voran. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Pfiat euch, Euer

zum Beispiel auf den sogenannten Geohobel von der Firma Rath aus Österreich. Die Fermente wurden vor der Fräse über Düsen mit einer Menge von 100 Liter pro Hektar appliziert. Zwischen dem ersten und dem zweiten Fräseinsatz liegen etwa zehn Tage. Nach dem zweiten Fräsen kann im Grunde gleich gesät werden.

Kurzscheibenegge statt Fräse „Wir haben im Frühjahr 2017 nach dem Rotteprozess eine hervorragende Bodengare vorgefunden. Die nachfolgende Maissaat zeigte einen zügigen Feldaufgang, weil der Boden unten noch feucht war. 2018 verzögerte die Flächenrotte die Maisaussaat gegenüber den Kollegen um die für die Rotte notwendigen 10 bis 14 Tage. Aufgrund der zu geringen Flächenleistung pro Stunde mit der 3-Meter-Fräse haben wir in diesem Jahr eine Kurzscheibenegge von Väderstad angeschafft, die mit gewellten Scheiben (CrossCutterDisc) ausgerüstet ist. Mit dem Gerät fahren wir ein- bis zweimal diagonal zueinander über das zu bearbeitende Feld – je nach Aufwuchssituation. Mit mindestens 15 km/h Arbeitsgeschwindigkeit erreichen wir ein gutes Pflanzen-BodenGemisch“, führt Reber weiter aus. Die Kurzscheibenegge arbeitet ebenfalls 3 bis 5 Zentimeter tief und schafft bei einer Arbeitsbreite von 4,25 Metern bis zu 7 Hektar pro Stunde. Die Fermente werden separat vor dem ersten CrossCutter-Einsatz mit der Feldspritze ausgebracht. Zwischen den ersten beiden Arbeitsgängen liegen in der Regel ebenfalls bis

19


PRAXIS / TITEL

BIOGAS JOURNAL

„Ein Prozent mehr Humus im Boden speichert rund 400.000 Liter Wasser mehr pro Hektar“ Michael Reber zu zehn Tage. Das Väderstadgerät kann sich aufgrund der einzeln aufgehängten Scheibensegmente gut an den Boden anpassen und somit auch Fahrspuren gut egalisieren.

Komposttee für Boden und Pflanze Eine weitere Innovation neben der Fermentherstellung ist im Betrieb Reber die Produktion und der Einsatz von Komposttee. Dieser wird nach Bedarf mit Spurennährstoffen versetzt. Mit diesem Produkt soll die Photosyntheseleistung maximiert und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicherung im Boden erhöht werden. Der Komposttee wird im Verhältnis 1:4 bis 1:5 mit Wasser verdünnt und nach vorherigem Filtern mit der Feldspritze ausgebracht. Das Wasser für den Komposttee, aber auch für die EM-A, wird in einem speziellen Behälter mindestens 24 Stunden vorher umgewälzt und dabei belüftet. Dadurch wird die Wasserqualität verbessert. Auf das Getreide gibt Reber etwa 30 Liter Komposttee pro Hektar zum Feldaufgang im zeitigen Frühjahr

| 4_2019

sowie nochmals 20 Liter zum Schossen – später nicht mehr. Zum Mais bringt er zweimal 30 Liter pro Hektar aus. Wobei die zweite Behandlung so spät wie möglich geschehen sollte – also bei maximal 50 Zentimeter Wuchshöhe. Die Blattbehandlung sollte aus hygienischen Gründen auf Salat und Blattgemüse unterbleiben beziehungsweise 90 Tage vor der Ernte abgeschlossen sein (ausführliche Infos zum Thema Komposttee finden Sie unter https://www.komposttee.at/komposttee-1). In den ausgegorenen Gärdünger aus der Biogasanlage mischt er im Winter 2 Liter Sauerkrautsaft pro Kubikmeter unter, den er zukauft, um den Gärdünger mit Milchsäurebakterien anzureichern. Bei der Fütterung der Biogasanlage setzt er pro Tonne Frischmasse auch 2 Kilogramm Pflanzenkohle ein. Diese wirkt sich positiv auf den Gärprozess aus und gelangt später mit dem Gärdünger auf die Felder, wo sie ebenfalls auf Dauer vitalisierend auf das Bodenleben einwirken soll. Reber betont: „Ein Prozent mehr Humus im Boden speichert rund 400.000 Liter Wasser mehr pro Hektar. Wir müssen das Ackerbausystem so verändern, dass der Niederschlag in den Boden einsickern kann und dort pflanzenverfügbar bleibt. Das heißt, dass die Verdunstungsrate minimiert werden muss.“ Im Oktober 2017 hat er zahlreiche Felder durch die CarboCert GmbH aus Bodnegg (Baden-Württemberg) beproben lassen.

Pfandsystem für Aktivkohlefilter Nutzen Sie unseren Service und unsere Dienstleistungen rund um Ihre Biogasanlage Wie beim Flaschenpfand funktioniert auch das Pfandsystem für Ihre Aktivkohlefilter – ausgelegt als Wechselfilter – schnell, sauber und günstig erfolgt der Austausch inkl. fachgerechte Entsorgung der Aktivkohle. Bei Aktivkohle24 erhalten Sie immer Bestleistung! 20

Hotline: 0201 9999 5757

www.aktivkohle24.com

Unsere Routen auf Facebook: #Aktivkohle24


PRAXIS / TITEL

BIOGAS JOURNAL | 4_2019

Hintergrund: Durch den Humusaufbau im Boden wird CO2 aus der Atmosphäre gebunden. Diese CO2-Bindung durch Aufbau und Erhaltung des Humusgehaltes lässt sich in Form von Zertifikaten verkaufen. CarboCert kümmert sich um die GPS-gestützte Probennahme und wickelt dabei als Partner auch den Geldtransfer ab. „Wir haben die Bodenproben zum Labor von Levende Jord (Dänemark) geschickt, die ebenfalls nach der Methode Albrecht die Analysen durchführen. Ist der Humusgehalt der Ausgangsprobe bestimmt, wird nach drei bis fünf Jahren erneut an derselben Stelle im Feld eine Bodenprobe gezogen und der Humusgehalt erneut bestimmt. Wenn ich beispielsweise 0,2 Prozent Humusaufbau pro Jahr schaffe, dann bekomme ich etwa 200 Euro pro Hektar über den Zertifikatehandel“, hebt Reber hervor (weitere Infos dazu unter https://www.carbocert.de/humuszertifikate). Fazit: Die positiven Veränderungen, die sich am Boden ablesen lassen, geben Michael Reber in seinem Handeln recht. Und das, obwohl er alle Hauptfrüchte als Ganzpflanzen erntet und in der Biogasanlage vergärt. Die schließt den Nährstoffkreislauf im System Acker-Energie-Acker und auch ein Teil des geernteten Kohlenstoffs gelangt mit dem Gärdünger zurück aufs Feld. Spannend ist die Frage, wie viel Humus er tatsächlich in den nächsten Jahren auf seinen Feldern anreichern kann.

Michael Reber bietet Seminare an, in denen er sein Ackerbaukonzept vermittelt. Die Veranstaltungen werden rege besucht. Hier zeigt er einer Gruppe auf einem Roggen-GPS-Feld den aufwachsenden Bestand. Der Spaten ist immer dabei, um den Boden aufgraben zu können.

Autor Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann Redakteur Biogas Journal Fachverband Biogas e.V. 0 54 09/90 69 426 martin.bensmann@biogas.org

Handeln Sie jetzt:

Mit besten Aussichten für Ihre Biogasanlage. Professionelle Vermarktung Ihrer flexiblen Stromerzeugung Zusatzerlöse durch individuellen Fahrplanbetrieb Attraktives BHKW-Contracting Langjährige Expertise im Bereich Biogas und persönliche Ansprechpartner

Fahren Sie mit uns als Energieexperte die beste Ernte für Ihre Biogasanlage ein. Interessiert? Rufen Sie uns an unter 0441 803-2299 oder schreiben Sie an virtuelleskraftwerk@ewe.de Wir freuen uns auf Sie. Willkommen bei EWE.

www.ewe.de/virtuelleskraftwerk

21


PRAXIS

BIOGAS JOURNAL

| 4_2019

Anlagen des Monats Im April haben wir mit der Bio Komp-SAS GmbH aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt erstmals eine „Anlage des Monats“ gekürt. Dies war der Startschuss für eine Kampagne, mit der der Fachverband Biogas e.V. über die sozialen Netzwerke dokumentieren will, wie wichtig und vielfältig die Biogasbranche ist. Die Abfallvergärungsanlage in Weißenfels erzeugt aus biogenen Haushaltsabfällen Energie, Kompost und flüssiges Gärprodukt. Unsere Mai-Anlage aus der Lüneburger Heide vergärt hingegen nachwachsende Rohstoffe und baut konsequent auf mehr als 10 Prozent der Maisflächen Blühpflanzen an. Und für den Juni haben wir eine bayerische Anlage ausgewählt, die bereits seit 20 Jahre am Netz ist und mittlerweile komplett flexibel und bedarfsgerecht Strom und Wärme liefert.

Passend zur Europawahl gab es eine Sonder-Auszeichnung: Zur „Biogasanlage der EU“ wurde die Biogas Wipptal aus Südtirol, die Gülle und Mist der Bergbauernhöfe verwertet und damit einen Beitrag zur ökologischen Bewirtschaftung dieser Höfe leistet. Seit 20 Jahren am Netz ist unsere Juni-Anlage der Bioenergie Hölzl GbR. Mit einer installierten Leistung von 1.700 Kilowatt (kW) läuft die Anlage komplett flexibel und wird bedarfsgerecht nach Wärmeverbrauch und Strom gesteuert. Weitere Anlagen des Monats folgen und sie alle werden via Facebook, Twitter und Homepage die Vielfalt und die Bedeutung von Biogas für so viele verschiedene Lebensbereiche darstellen.

Im Mai wurde die Biogasanlage der Bioenergie Stoetze GmbH & Co.KG in Stoetze im Kreis Uelzen in der Lüneburger Heide zur Anlage des Monats gewählt. Die elf Landwirte der Gemeinschaftsanlage haben sich freiwillig verpflichtet, auf mindestens 10 Prozent ihrer Flächen Blühpflanzen anzubauen, die Insekten und Wildtieren Lebensraum und Nahrung bieten. Damit leistet die Anlage einen wichtigen Beitrag für mehr Biodiversität und Artenschutz – und spart darüber hinaus durch die klimafreundliche Erzeugung von Strom und Wärme 6.420 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Michael Borgard und Thomas Meyer.

48

Bioenergie Hölzl GbR: Biogasanlage des Monats Juni. Die Biogasanlage ging 1999 mit einer Leistung von 160 Kilowatt ans Netz. Mittlerweile hat die Anlage 1.700 kW installierte Leistung und wird komplett flexibel und bedarfsgerecht nach Wärmeverbrauch und Strom von den Stadtwerken Rosenheim gesteuert. 30 Wohnhäuser und 4 kleine Werkstätten sind an das Fernwärmenetz angeschlossen. Foto unten: Die Betreiber Klaus (Junior, links) und Klaus Hölzl (Senior).


BIOGAS JOURNAL |

PRAXIS

4_2019

Sonderauszeichnung zur Europawahl: „Biogasanlage der EU“. Die Biogasanlage Wipptal aus Südtirol verarbeitet mit anaerober Fermentation ausschließlich Mist, Gülle und Jauche aus der Rindertierhaltung im Wipptal. Die Bauern nehmen jenen Teil der Nährstoffe zurück, die laut vorgegebenen Düngerplänen für die landwirtschaftlichen Flächen erforderlich sind. Der überschüssige Anteil, der der Biogas Wipptal verbleibt, wird in einem hochtechnischen Verfahren zu einem Dünger in Form von Konzentrat und Pellets verarbeitet und vermarktet.

Die von der Biogasanlage Wipptal produzierten Düngepellets werden beispielsweise im Weinbau eingesetzt.

Biogasanlage der Bio Komp-SAS GmbH in Weißenfels, Sachsen-Anhalt. Die Trockenfermentationsanlage vergärt Biogut aus Privathaushalten des gesamten Burgenlandkreises. Die Endprodukte sind Energie, Kompost und flüssiges Gärprodukt. Durch die deutschlandweite Aktion Biotonne ist es den Betreibern gelungen, den Störstoffanteil im Bioabfall von ungefähr 10 Prozent auf 1 Prozent zu senken.

Anlagenbetreiber Holger Kahnt.

49


INTERNATIONAL

BIOGAS JOURNAL

| 4_2019

FRANKREICH

Der Blick in die Zukunft ist für die französischen Biogasbetreiber unsicher. Ein großes Problem sind die Planungsunsicherheiten bezüglich der Einspeisevergütung, Genehmigung und Förderung. Für die Gesellschafter ist nicht klar, wie hoch die Vergütung in Zukunft sein wird. Von links: Dr. Simone Besgen (Rytec), Bertrand, Yannick und Vincent Utard (Gesellschafter).

FRANKREICH

Biomethan: feste Vergütung für 15 Jahre

Paris

Der politische Wille zum Zubau von Biogasanlagen ist in Frankreich deutlich spürbar. So stellte Ende März 2018 das Ministerium für Energetischen und Solidarischen Wandel Maßnahmen für eine stärkere Biogasnutzung vor. Sie sind Teil des Regierungsprogramms zur Förderung Erneuerbarer Energien. Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel

I Die vom Gasnetzbetreiber RDF verschuldete Verspätung von einem Monat ging zu Lasten des Anlagenbetreibers. „Man hat leider nichts in der Hand. Es blieb uns nichts übrig, als das Gas abzufackeln“, bedauert Dr. Simone Besgen.

64

n unserem Nachbarland gibt es zurzeit rund 600 Biogasanlagen. Mehr als zwei Drittel von ihnen produzieren Biogas aus landwirtschaftlichen Rückständen und Bioabfällen, der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen ist auf 15 Prozent begrenzt. Bei den Anlageprojekten wird auf eine Verwertung mit hoher Energieausnutzung gesetzt. Zudem wird Biogas in Frankreich vorzugsweise in Biomethan umgewandelt und ins Erdgasnetz eingespeist. Von der selbstgesteckten Zielmarke, einem Anteil von 10 Prozent am Gasverbrauch bis 2030, ist das Land bislang aber noch weit entfernt. Die Förderung in Frankreich unterscheidet sich deutlich von der in Deutschland. „In Frankreich sind die Vergütungen momentan sehr gut“, weiß Dr. Simone Besgen von der Firma Rytec. Zudem gebe es neben attraktiven Biomethan- oder Stromvergütungen auch Unterstützung bei der Investition. „Die staatliche Förderorganisation ADEME vergibt Darlehen, die nicht zurückgezahlt werden müssen“, so Besgen. Diese würden

derzeit maximal 20 Prozent der Investitionssumme betragen, die Höhe werde sich aber künftig reduzieren. Die Firma Rytec ist seit über 20 Jahren in den Bereichen Biogas, Deponiegas und Erneuerbare Energien tätig. Das Unternehmen hat sich auf den französischen Markt ausgerichtet und bedient dabei vor allem das Elsass und Lothringen. „Genehmigt und gefördert werden nur Anlagen, die vornehmlich Reststoffe aus der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion und der Industrie einsetzen“, berichtet die Agraringenieurin. Damit wollen die Behörden eine sinnvolle und nachhaltige Biogasproduktion erzielen.

Kleine Einspeiseanlagen sind schon lohnend Vor allem die Konkurrenz zur Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln soll ausgeschlossen werden. Zudem wollen die Behörden eine hohe Anlagendichte, wie es sie in Deutschland in einigen Regionen gibt, verhindern. In unserem Nachbarland


BIOGAS JOURNAL | 4_2019

INTERNATIONAL

FOTOS: MARTINA BRÄSEL

Biogasanlage im Nachbardorf oder außerhalb?

Die Anlage in Scherwiller besitzt, im Vergleich zu einer deutschen Biogasanlage, gleich mehrere Besonderheiten: Sie wird ausschließlich mit Reststoffen gefüttert, dazu gehört auch Maisstroh. Das entstehende Biogas wird zum größten Teil in Biomethan umgewandelt.

wird die Biomethaneinspeisung momentan besonders stark unterstützt. Anders als in Deutschland ist dafür ein eigenes Vergütungsmodell geschaffen worden. Biomethanprojekte erhalten momentan eine feste Einspeisevergütung für 15 Jahre. Die Höhe hängt von der Größe des Projekts und dem verwendeten Substratmix ab. „Anlagen, die mindestens 100 Kubikmeter Biomethan pro Stunde produzieren, rechnen sich schon“, weiß die Fachfrau. Im Elsass gibt es 19 Biogasanlagen. Eine von ihnen realisierte die Firma Rytec im Mai 2018 in Scherwiller. „Wir haben sie schlüsselfertig für die Gesellschaft ‚SAS Méthaniseur de deux Vallées‘ geliefert“, sagt Projektleiterin Besgen. Die Gesellschaft setzt sich vor allem aus Landwirten und den Straßburger Stadtwerken (R-GDS) zusammen. Präsident Bernhard Winterhalter nennt die Gründe, warum ein deutsches Unternehmen den Auftrag erhielt: „Wir waren von dem Anlagenkonzept begeistert und hatten ein sehr gutes Gefühl“, sagt er. Das Vertrauen sei nicht enttäuscht worden: „Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und auch mit der Anlagentechnik.“ Die Anlage in Schwerwiller besitzt im Vergleich zu einer deutschen Biogasanlage gleich mehrere Besonderheiten: Sie wird ausschließlich mit Reststoffen gefüttert, dazu gehört auch Maisstroh. Anders als in Deutschland werden hier in Scherwiller weder Strom noch Wärme verkauft. Das entstehende Rohbiogas wird zum größten Teil zu Biomethan aufbereitet. Dieses wird fast ausschließlich für die Einspeisung in das Erdgasnetz verwendet. „Da eine zu-

„Maisstroh wird hier im Elsass gerne als Substrat genutzt“ Dr. Simone Besgen sätzliche Holzfeuerung verboten ist, wird ein kleiner Teil des Rohgases zur Beheizung der Anlage genutzt“, erklärt die Projektleiterin. Durch die solide Sandwichbauweise der Behälter von Drössler, die mit einer zusätzlichen Isolierung von 15 Zentimeter ausgestattet ist, sei dieser Anteil gering: „Lediglich 3,5 Prozent des Biogases werden im Jahresmittel für die Beheizung verbraucht“, so die Agraringenieurin. Die Aufreinigung des Rohbiogases geschieht mittels Druckwechseladsorption, und auch das ist unüblich: „Von den französischen Biomethananlagen verwenden fast alle Membrantechnik zur Aufbereitung“, weiß die Projektleiterin. „Unsere Biogasanlage verwertet pro Jahr rund 11.000 Tonnen landwirtschaftliche Reststoffe“, erklärt Winterhalter. Vergoren werden Maisstroh, Traubentrester und Mist, aber auch überlagerte Zwiebeln, Karotten und Ähnliches. Die Anlage wird mit allen organischen Restoffen gefüttert, die regional anfallen. „Maisstroh wird hier im Elsass gerne als Substrat genutzt“, verdeutlicht Besgen. Der Nachteil ist, dass die strukturreichen Substrate einen Zerkleinerer und eine aufwendigere Einbringtechnik erforderlich machen. Mit einer Leistung von 55 Kilowatt (kW) fällt der Zerkleinerer relativ groß aus.

65

Mit dem FibreFlex-Rohr kein Problem! Die FibreFlex-Vorteile:

PN 10 +++ DRUCK HÖHEN BIS

80 METER

PN 10 +++ ISOLIERUNG WENIGER

WÄRMEVERLUST

PN 10 +++ LEISTUNG HYDRAULISCHER

VORTEIL

50+

PN 10 +++ JAHRE LEBENSDAUER

50 JAHRE

www.Fibreflex.net


INTERNATIONAL

BIOGAS JOURNAL

Aus der näheren Umgebung werden pro Jahr rund 11.000 Tonnen landwirtschaftliche Reststoffe angeliefert. Geliefert werden Maisstroh, Traubentrester und Mist, aber auch Zwiebeln und Karotten und Ähnliches.

Obwohl ein Flüssigeintrag für eine homogene Mischung sorgt, kommt es häufiger zu Verstopfungen: „Mehr als 20 Prozent Maisstroh können wir dem Substratmix nicht beigeben“, so Besgen. Im vergangenen Betriebsjahr wurden 1.200 Tonnen eingebracht. Zukünftig soll der Anteil noch weiter verringert werden. „Die Methanausbeute pro Kubikmeter ist gering“, bestätigt Winterhalter. Zudem gebe es in der Nähe genügend Alternativen. Außerdem erhöhe die Verwendung von Maisstroh den Stromverbrauch. Dieser ist aber laut Besgen insgesamt gering. „Wir haben sehr viele Frequenzumrichter eingebaut“, erklärt die Fachfrau, zudem würden Gasaufbereitung und Rührwerke sehr wenig Strom benötigen. Die Rührwerke mit dem Namen Mammut, die das schwierige

| 4_2019

Das entstehende Biogas wird zum größten Teil in Biomethan umgewandelt. Die PSA-Anlage wurde vom Energieanlagenbauer ETW Energietechnik aus Moers gebaut. Mit einer zugeschnittenen Aufbereitungskapazität von stündlich 230 bis 385 Normkubikmeter Rohbiogas ist dieses Anlagenmodell speziell für den französischen Markt entwickelt worden.

Substrat bewegen, stammen von der Firma Paulmichl. „Dieses Fermenterrührwerk besitzt einen 22-kW-Motor, der Rührflügel ist etwa 1,8 Meter lang“, sagt Eugen Schmidinger von der Firma Paulmichl. Wegen seiner „großen Stabilität“ würde es „weltweit stark nachgefragt“. „Das Rührwerk wird auf einem gelagerten Schwingungsrahmen aufgebaut, der mit speziellen Kompensatoren ausgerüstet ist“, so Schmidinger. Der Einbau erfolge ohne verschleißanfällige Boden- oder Gegenlager. „Gerade bei Maisstroh ist eine gute Durchmischung und Rezirkulation wichtig“, fügt die Projektleiterin hinzu. Verklumpungen seien nicht selten, und durch sie würde manchmal Luft ins System eingetragen. „Wenn dann nicht genug rezirkuliert wird, kann der Stickstoffanteil zu hoch werden“,

so die Agraringenieurin. Zudem seien die Heizleitungen in Boden und Wand einbetoniert. Jedes Fertigteil habe seinen eigenen Heizkreislauf. Besonders bei der Maisstrohnutzung könnten sonst die Heizschlangen im Innenraum sich mit Stroh zusetzen. Die Biomethan-Anlage wurde vom Energieanlagenbauer ETW aus Moers gebaut. „Frankreich ist in Europa aktuell einer der wichtigsten Märkte für Biomethananlagen“, bestätigt Marco Weiss, Geschäftsführer der ETW Energietechnik GmbH. Aus der Sicht von ETW ist Biomethan derzeit im Nachbarland auf dem Vormarsch. Auf der Anlage in Scherwiller hat das Unternehmen ein Kompaktmodell errichtet. Es handelt sich dabei um das Biogasaufbereitungs-System ETW SmartCycle® PSA. Das Anlagenmodell ist laut ETW speziell für den

Biogaskontor Köberle GmbH Wir können mit Druck umgehen Bullaugen für alle Einsatzfälle

Für Kernbohrung oder Futterhülse Ø300 + Ø400 mm

Auf Stahlplatte nach Kundenmaß

In Tauchhülse für Blick um die Ecke

Über-/Unterdrucksicherung ÜU-TT für Folienhauben

Über-/Unterdrucksicherung ÜU-GD für Betondecken

Zubehör: Leuchten, Rosetten, Futterhülsen, Sonnenschutzhauben, etc. 66 Weitere Komponenten: Luftdosierstationen zur Entschwefelung, Füllstandsüberwachung, Messtechnik, Warnschilder

www.biogaskontor.de • info@biogaskontor.de • Germany 89611 Obermarchtal • Tel +49(0)737595038-0


INTERNATIONAL

BIOGAS JOURNAL | 4_2019

Mehr als 20 Prozent Maisstroh kann dem Substratmix nicht beigegeben werden. Im vergangenen Betriebsjahr wurden 1.200 Tonnen eingebracht. Zukünftig soll der Anteil noch weiter verringert werden, denn die Methanausbeute pro Kubikmeter ist gering.

französischen Markt entwickelt worden. Die Aufbereitungskapazität liege bei stündlich 230 bis 385 Normkubikmeter (Nm³) Biogas. Die Biomethan-Erzeugung mittels Druckwechseladsorption könne zwischen 120 und 210 Nm3 je Stunde variiert werden. „Die Anlage überzeugt vor allem durch eine höhere Toleranz gegenüber Störstoffen im Biogas und einen sehr geringen Stromverbrauch von 0,24 kWh/m3 Biogas inklusive Nachverdichter“, fügt die Projektleiterin hinzu. Der Eigenstromverbrauch liege für die Gasaufbereitung bei einer Produktion von 120 Nm3 pro Stunde Biomethan bei 4,5 Prozent, für die gesamte Anlage bei 6,9 Prozent. Das erzeugte Biomethan wird mit einem Druck von 4 bar in das Erdgasnetz des französischen Energieversorgers GRDF

Die Rührwerke, die das schwierige Substrat bewegen, stammen von der Firma Paulmichl.

„Frankreich ist in Europa aktuell einer der wichtigsten Märkte für Biomethananlagen“ Marco Weiss eingespeist. „Leider haben wir vom Energieversorger eine Auflage erhalten, die energetisch sehr aufwendig ist“, so Besgen. Nach der Gasaufbereitung muss der Druck zunächst auf 6 bar erhöht, um danach erneut auf Netzdruck von 4 bar entspannt zu werden. Aus Sicht von Rytec macht das wenig Sinn. „Für diese Auflage haben wir extra einen Verdichter installieren müssen“, bedauert die Fachfrau. Diese zusätzliche Anschaffung habe die Anlagenkosten um über 100.000 Euro erhöht, zudem kämen noch Kosten für Betrieb, Wartung und einen größeren Container hinzu.

Erschwerende Regularien „Gerne hätten wir diese und anderen Themen mit dem Energieversorger GRDF besprochen“, bedauert die Projektleiterin. „Aus unserer Sicht sind manche Regularien nicht nachvollziehbar“, doch der „übermächtige“ Gasnetzbetreiber habe wenig Gesprächsbereitschaft gezeigt. So gebe es Probleme mit dem Retourgas. Das ist das Gas, das aus verschiedenen Gründen manchmal zurückgeschickt wird. „Das Retourgas ist leider odorisiert“, berichtet Besgen. Die Odorisierung dient dazu, dass man das Gas riechen kann. Für die Zuga-

DENSO GE3-5 Art.Nr. 30000512 & viele weitere Ersatzteile für Ihren MAN-Gasmotor

JETZT AKTIONSPREIS SICHERN »

67


INTERNATIONAL

Trotz Zerkleinerung und Flüssigkeitseintrag kommt es immer wieder zu Verstopfungen. Verklumpungen dieser Art sind nicht selten. Dadurch wird manchmal Luft ins System eingetragen und der Stickstoffanteil kann zu hoch ansteigen.

Die Anlage wird mit allen organischen Restoffen gefüttert, die regional anfallen. Gerade wurde Maismehl angeliefert, dass Simone Besgen durch ihre Hände rieseln lässt.

BIOGAS JOURNAL

be wird THT (Tetrahydrothiophen) genommen, das auf jeden Fall Schwefel enthält. „Wir wollten das System damit aber nicht belasten“. In Deutschland geschehe die Geruchsanreicherung meist an der Stelle, an der das Gas tatsächlich ins Netz geht. Leider sei das bei GRDF nicht der Fall. Simone Besgen erinnert sich auch noch gut an die erste Einspeisung am 28. April 2018. „An diesem Tag mussten von unserer Seite alle Anforderungen erfüllt sein und wir waren pünktlich fertig“, sagt sie. Wenn die Anlage den Test nicht bestanden hätte, wären dem Betreiber für einen weiteren Probelauf Kosten von 10.000 Euro entstanden. Allerdings sei die Verspätung von GRDF auch zu Lasten des Anlagenbetreibers gegangen. „Man hat leider keine Regressansprüche gegenüber dem Gasnetzbetreiber. Es blieb uns nichts übrig, als das Gas abzufackeln“, so die Agraringenieurin.

Stark variierende Genehmigungszeiträume Je nach Anlagengröße und Substrat sind Genehmigungszeiten zwischen drei Monaten bis zu einem Jahr vorgesehen. „Es kann aber auch deutlich länger dau-

ern“, weiß die Projektleiterin. Die Formalien könnten zudem nur mit französisch sprechenden Mitarbeitern gelöst werden. Problematisch sei auch die Mehrwertsteuerrückerstattung, hierzu gebe es „Unkenntnis an vielen Stellen“. Für Bauprojekte dieser Art ist in Frankreich eine „Decennal“ gefordert. Das ist eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene zehnjährige Gewährleistungsversicherung. In Deutschland sind maximal fünf Jahre üblich. „Wenn etwas ist, kümmert sich die Versicherung nicht um den Schaden, sondern prüft, wer verantwortlich ist, und reguliert den Rechtsstreit“, berichtet die Projektleiterin. Insgesamt sei der Verwaltungsaufwand in den Unternehmen zur Erfüllung der Vorgaben hoch und würde Zeit und Geld kosten. Aufgrund dessen sehen deutsche Unternehmen nicht selten davon ab, ihre Dienstleistungen anzubieten oder stellen diese zusätzlich in Rechnung. Besgen nennt ein Beispiel: „Für den Einsatz von Angestellten ausländischer Unternehmen gilt in Frankreich die Entsenderichtlinie. Jeder ausländische Betrieb müsse vorher Formulare ausfüllen, um für einen Mitarbeiter eine BTP-Karte zu bekommen. „Daran sind schon Baustellentermine gescheitert“, weiß die Projektleiterin. „Einige deutsche Firmen haben uns deswegen abgesagt“, so Besgen. Zudem hatte die Anlage Scherwiller vor allem am Anfang mit starken Spannungsschwankungen bei der Stromzufuhr vom Stromversorger zu kämpfen. „Die Lage hat sich gebessert, wir wissen aber nicht genau warum“, so Besgem. Vor allem in der französischen Landwirtschaft steigt das Interesse an Biogasanlagen. Dabei spielen unter anderem die strengeren Vorgaben für den Einsatz von Dünger im Rahmen der europäischen Nitratrichtlinie eine Rolle. Da die Ausbringung von Dünger zunehmend eingeschränkt wird, müssen viele Landwirte Auffangbecken und Speicher bauen. Wirtschaftlicher ist da oft ein Gemeinschaftsprojekt auf lokaler Ebene zum Bau einer Biogasanlage. „Viele Landwirte zeigen Interesse“, so Simone Besgen. Ein Problem sei aber die Planungsunsicherheit bezüglich der Einspeisevergütung, Genehmigung und Förderung, die sich ständig ändern könnten. „Es ist nicht klar, wie hoch die Vergütung in Zukunft sein wird“, bestätigt auch Anlagenbetreiber Winterhalter, doch er ist sich sicher: „Die Landwirte hier sind begeistert von Biogasanlagen und würden gerne welche bauen.“ Simone Besgen stimmt zu, denn trotz aller Unsicherheiten hat Rytec schon zwei neue Aufträge für Komplettanlagen im französischen Nachbarland in der Tasche. Autorin Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel Freie Journalistin Hohlgraben 27 · 71701 Schwieberdingen 0 71 50/9 21 87 72 braesel@mb-saj.de www.mb-saj.de

68

| 4_2019


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.