Biogas Journal 3_2018

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BI

Fachverband Biogas e.V.

| ZKZ 50073

| 21. Jahrgang

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GAS Journal

Das Fachmagazin der Biogas-Branche

Groko: Was energiepolitisch Chemische Grundstoffe ergänzu erwarten ist S. 30 zen Biogasproduktion S. 84

Topthema: GĂźllekleinanlagen

Ruanda: Mit Biogas gegen die Entwaldung S. 92


BIOGAS JOURNAL

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34 „Das Rührwerk ist mein Fenster in den Fermenter“ Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann

EDITORIAL 3 Anschluss halten beim Klimaschutz mit Biogas ... Dipl. Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V.

AKTUELLES

22 Abfallvergärungstag in Eltville Von Dipl.-Geograph Martin Frey 26 Energie-Update für eine erfolgreiche Energiewende Von Alexander Knebel

40 Güllekleinanlagen veredeln Wirtschaftsdünger Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 46 Güllekleinanlage ergänzt Milchproduktion Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann

28 IFAT München

6 Meldungen 8 Bücher 9 Termine 10 Biogas-Kids 12 Politik streitet um Sonderausschreibungen und Kohleausstiegsszenarien Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 18 Düngeverordnung betriebsindividuell meistern Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann

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POLITIK 30 GroKo-Energiepolitik – was uns in den nächsten drei Jahren erwartet Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt

PRAXIS 52 NawaRo-Gärprodukte richtig beproben Von Karin Luyten-Naujoks 56 Minibiogasanlage als Selbstbausatz Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph 62 Großschadenmanagement – welche Fallstricke sind zu beachten? Von Matthias D’Angelo 64 Für eine lange Lebensdauer Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel

TITELFOTO: MARTIN BENSMANN I FOTOS: MARTIN BENSMANN, CARMEN RUDOLPH, MARTIN EGBERT

INHALT


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INHALT

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INTERNATIONAL 68 Plan B fürs Stromnetz gibt es nicht Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz 72 „Tag der offenen Tür“ auf der Biogasanlage: Vorurteilen mit Offenheit begegnen Von Thomas Gaul

WISSENSCHAFT 74 Stetigkeit siegt Von Christian Dany 80 Forschen für die Wirtschaftlichkeit Von Dipl.-Ing. · Dipl.-Journ. Martina Bräsel 84 „Ziegensäure“ als Zusatzprodukt Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph

Frankreich 88 Ausbau der Biomethankapazitäten weiterhin beschleunigt Von Eur Ing Marie-Luise Schaller

PRODUKTNEWS 112 Produktnews 114 Impressum

Ruanda 92 Kleines Land mit großen Potenzialen Von Klaus Sieg

VERBAND Aus der Geschäftsstelle 100 Neue rechtliche Anforderungen für Biogasanlagen sorgen für Diskussionen Von Dr. Stefan Rauh und Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk 104 Aus den Regionalgruppen 105 Aus den Regionalbüros 110 Prozesswärme in der Industrie Von Carsten Pfeiffer (BEE)

Beilagenhinweis: Das Biogas Journal enthält Beilagen der Firmen Bioenergie Lichteneck und FCSI Aps.

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AKTUELLES

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Abfallvergärungstag in Eltville Die Biogasbranche hat, anders als in der Öffentlichkeit oft dargestellt, längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Dies zeigte einmal mehr der Abfallvergärungstag, zu dem der Fachverband Biogas zusammen mit der Gütegemeinschaft Gärprodukte nach Eltville ins Rheingau eingeladen hatte. Von Dipl.-Geograph Martin Frey

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und 120 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet verfolgten vom 12. bis 14. März Vorträge aus den Bereichen Technologie, Politik und Recht. Begleitet wurde der Abfallvergärungstag von dem GGGFachseminar 2018 sowie einer Lehrfahrt. Dr. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V., präsentierte einen Überblick über den Stand der Biogasnutzung in Deutschland sowie die politischen und rechtlichen Herausforderungen für den

derem aus den Grünen Tonnen der Privathaushalte. Ein großes Problem dabei sind Fremd- oder Störstoffe wie Glas, Metall und vor allem Kunststoff. Kunststoffe verstopfen die Anlagen und sind im Gärrest, respektive dem Gärprodukt, mehr als unerwünscht. Der bunt glitzernde Acker, vor dem in Beiträgen gewarnt wurde, wäre auch ein Alptraum für die Akzeptanz.

FOTOS: MARTIN FREY

Fremdstoffe heraushalten

Werner Rück von der Merkendorf Rück Biogas GmbH & Co. KG aus Mittelfranken berichtete von der Volumenreduktion der Gärprodukte.

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Verband und die Branche. Vor allem die Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie die Ausschreibungen standen dabei im Fokus. „Der für Biogas festgeschriebene flexible Deckel muss dringend gestrichen oder angehoben werden“, forderte da Costa Gomez. Die Branche müsse mithilfe des EEG zu neuen Geschäftsmodellen gelangen. Beispielhaft nannte er die Flexibilisierung der Strombereitstellung, die Biomethaneinspeisung sowie die Einbindung der Bioenergieerzeugung in eine Kreislaufwirtschaft. Breiten Raum nahmen daher auch die Zukunftsperspektiven ein. Da Costa Gomez berichtete am Rande der Veranstaltung: „Selbst für mich war neu hier, dass auf dem Markt offensichtlich mehr Bioabfälle vorhanden sind als das, von dem wir bislang ausgingen.“ Dies bestätigt den Verband darin, sich intensiver mit dem Thema Abfallverwertung zu beschäftigen. Inzwischen gibt es bundesweit rund 400 Abfallvergärungsanlagen. Sie beziehen ihre Substrate unter an-

Michael Schneider, Geschäftsführer des VHE-Verbandes der Humus- und Erdenwirtschaft e.V., stellte daher die Frage: „Was ist zu tun, damit Fremdstoffe nicht in den Bioabfall hineingeraten?“ Generell könne im Winter, wenn wenig Grünschnitt anfällt, der Anteil bis 10 Prozent und mehr ansteigen. Akzeptabel wären vielleicht 1-2 Prozent . Da es keine gesetzlichen Obergrenzen gibt, veranlasste es ihn, vorsorglich zu warnen: „Man darf diesen Bereich auch nicht überregeln, sonst stehen die Anlagen ab Januar oder Februar still.“ Es gebe immer wieder Verbraucher, die die Biotonne als zweite Restmülltonne verwendeten. Die Sammelqualität sei noch dort am besten, wo Einsammeln und Aufbereitung aufeinander abgestimmt sind. Dennoch ist und bleibt die Situation unbefriedigend. Gier, Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Tonnenbefüller seien leider weit verbreitet. Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung seien für ein besseres Sammelverhalten zwar hilfreich, aber auch kein Allheilmittel. Schneider zeigte dazu verschiedenfarbige Biotonnen-Anhänger, die bei Verstößen auf das Fehlverhalten aufmerksam machen. Er zeigte sich aber auch überzeugt: „Am Ende helfen nur Kontrollen und Sanktionen“. Doch auch der Einsatz von Müllsheriffs sei kostspielig und belaste den Gebührenhaushalt.

Gärprodukte herstellen Das Bestreben aller Anlagenbetreiber ist neben der Strom- und Wärmeproduktion auch, möglichst hochwertige Gärprodukte zu erzielen. Besondere Anstrengungen unternimmt hier die Merkendorf Rück Biogas GmbH & Co. KG aus Mittelfranken. In ihrer Biogasanlage kommen organische Abfälle zum Einsatz und werden mittels einer Vakuumverdampfung behandelt. Dadurch halbiert sich etwa das Volumen, berichtete Be-


AKTUELLES

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FOTO: FACHVERBAND BIOGAS E.V.

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Michael Schneider, Geschäftsführer des VHE – Verband der Humus- und Erdenwirtschaft e.V., berichtete über den Umgang mit Störstoffen.

Die Substrate für die Vergärung beinhalten oftmals hohe Mengen an Störstoffen wie Plastik, die aufwendig entfernt werden müssen.

triebsleiter Werner Rück auf der Tagung. Heraus kommt ein Konzentrat, das einfacher gelagert und als Nährstoff auf die Felder ausgebracht werden kann. Dadurch gebe es weniger Ammoniak-Verluste in die Atmosphäre und Stickstoff-Auswaschung ins Grundwasser und somit höhere Erträge. In geringeren Mengen bleiben ein fester Gärrest sowie eine Ammoniumsulfatlösung (ASL) übrig, die gemeinhin als mineralischer Dünger anzusehen sei. Der Rest destilliertes Wasser sei unproblematisch als Wasch- und Spülwasser. „Unser Ziel, eine Volumenreduktion zu erreichen, erfüllt die Anlage“, zog Rück ein positives Fazit der Anstrengungen. Das gewonnene Konzentrat ermögliche, die Nährstoffe leichter aus dem Betrieb zu exportieren. Des Weiteren verringere sich so der Flächendruck, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könne reduziert werden und die Erträge auf den gedüngten Flächen fielen höher aus. Über die Europäische Düngemittelverordnung, deren Version von 2003 derzeit novelliert wird, berichtete Ramona Weiß vom Fachverband Biogas. Ziel sei, die Vermarktung der Gärprodukte innerhalb der EU zu erleichtern. „Die organischen Düngemittel sollen auf Augenhöhe mit Mineraldüngern gestellt werden.“ Der Fachverband Biogas habe hierzu über seinen europäischen Dachverband EBA eigene Anregungen in die Gesetzgebung mit eingebracht. Ramona Weiß rechnet damit, dass das Werk im Herbst 2018, spätestens Anfang 2019 verabschiedet wird. Das neue EEG betrifft mit seinem Ausschreibungsverfahren die Biogasbranche. Über die ersten Erfahrungen damit berichtete aus juristischer Perspektive Dr. Helmut Loibl von Paluka Sobola & Partner. Fallstricke gebe es vor allem beim Ausfüllen der Formulare der Bundesnetzagentur: „Es ist nicht ohne, an den Ausschreibungen teilzunehmen. Man muss sehr genau dabei arbeiten“. Mit Blick auf Abfallanlagen machte Loibl den Vorschlag, zu überprüfen, ob man nicht manche Bestandsanlagen mit einem Satelliten-BHKW ergän-

zen könne. Vorteil wäre, dass man dann für 20 Jahre eine Vergütung von 14,73 Cent erhielte und womöglich auch eine Förderung für die Mikrogasleitung beantragen könne.

Wassergefährdung ausschließen Andere rechtliche Neuerungen betreffen den Grundwasserschutz, festzumachen an der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV). Über die in Kraft getretene Bundesverordnung berichtete Dipl.-Ing. Simone von Schlichtkrull-Guse von der Biogasgemeinschaft GmbH in Westfalen-Lippe. „Generell ist zu sagen, dass Teile der AwSV nicht auf Biogasanlagen zugeschnitten sind, wie zum Beispiel die Einstufung von Stoffen“, kritisierte sie. Wer sich genauer mit dem Papier beschäftige, stehe vor dem Problem, nicht zu wissen, wie man die Abfälle und Gemische daraus in Gefährdungsklassen einordnen soll. Von Schlichtkrull-Guse: „Diese ganze Einstuferei ist in der Praxis für Gemische aus Abfälle und Gülle nicht anwendbar.“ Sie riet daher, im Zweifel zu prüfen, ob sich durch das Nichteinstufen der Stoffe tatsächlich wesentlich höhere Sicherheitsmaßnahmen bei Kofermentations-Anlagen ergeben. Auch bei der Ausbringung organischer Düngemittel ist einiges zu beachten. Hierauf wies Hans-Walter Schneichel vom Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz hin. Das Düngerecht sei hierzu umfassend geändert worden. Hierzu zählten die Düngeverordnung sowie die Einführung einer neuen Verordnung, die auf eine betriebliche Stoffstrombilanz abziele.

Lebhafte Network-Gruppen Mehrere Networkgruppen boten auf der Tagung die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens und fachlichen Austauschs. Die Themen reichten vom Fremdstoffmanagement über Gärprodukte in sensiblen Gebieten, die Anforderungen an hochwertige Abfall-

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AKTUELLES

FOTOS: FACHVERBAND BIOGAS E.V.

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Die Pelletiermaschine presst die Grasfasern, denen Kunststoffgranulat zugefügt worden ist, in Form und schneidet sie in 1-2 cm große Stücke.

vergärungsanlagen bis hin zu Biogas im zukünftigen Energiesystem sowie den Themen Düngerest und Aufbereitung. Im anschließenden Plenum wurde unter anderem hinsichtlich der Mikroplastikproblematik die Idee vorgebracht, über eine Trennung von kommunalen und gewerblichen Stoffströmen nachzudenken. Neben Strategien zu neuen Geschäftsmodellen war auch hier die Düngeverordnung ein wichtiges Thema mit erheblichem Diskussionsbedarf. Im Anschluss an die zweitägige Tagung folgte eine Exkursion zur Biogasanlage Flörsheim-Wicker der RMD Rhein-Main Deponie GmbH. Dort konnte die Bioabfallbehandlung mitsamt eines Störstoffmanagements besichtigt werden, das Prokurist Herbert Heinz am ersten Konferenztag in einem Beitrag vorgestellt hatte. Die Anlage besteht aus einem Pfropfenstromfermenter von Thöni, der sich bestens bewährt habe. „Was wir nun brauchen, ist aber eine bessere Störstoffabscheidung“, berichtete Heinz. Insgesamt habe man mit sehr vielen Störstoffen zu tun. Glücklicherweise befinde sich auch ein Biomassekraftwerk am Standort. Heinz ließ daher pointiert wissen: „Zu einer guten Abfallvergärungsanlage gehört immer auch eine gute Biomasseverbrennungsanlage.“ Die Exkursion führte zudem zur Biowert-Industrie GmbH aus Brensbach im Odenwald. Dort ist eine Biogasanlage mit einer ressourcenschonenden Faserproduktion kombiniert. Ann-Kathrin Geis berichtete über eine innovative Kreislaufwirtschaft mit Gras aus regionalem Anbau. Die Fasern aus Grassilage werden zu Dämmstoff oder zu Faserverbundwerkstoffen verarbeitet. Strom und Wärme kommen zum Großteil in der Produktion zum Einsatz.

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Aus den Grasfasern werden am Ende kundenfreundliche Pellets, aus denen sich zum Beispiel Kleiderbügel herstellen lassen.

Landwirte macht den Reiz dieser Veranstaltung aus“, so Teilnehmer Florian Mix, Vertriebsleiter der Rovi Energie AG. Attraktive Akzente setzte auch das Abendprogramm mit einer Führung durch das Kloster Eberbach und einem gemütlichen Abend in der Klosterschänke. Hier dürfte mancher Kontakt geknüpft und neue Projekte besprochen worden sein. Hatte doch Dr. Claudius da Costa Gomez gleich zu Tagungsbeginn die Zuhörer aufgerüttelt. Um sich auf die Zukunft der Biogasanlagen vorzubereiten, gebe es mehrere Arten: „Den Kopf in den Sand stecken, abwarten oder aber Entscheidungen treffen.“

Autor Dipl.-Geograph Martin Frey Fachjournalist

Positives Fazit Die sehr gut besuchte Tagung in Eltville war für die Teilnehmer ein weiterer Impuls, neue Wege für ihre Betriebe zu erkunden. „Das Miteinander der kommunalen Akteure, der großen deutschen Entsorger und der

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Von links: Frank Steenken, Projektentwickler bei bwe Energiesysteme GmbH, und Anlagenbetreiber Thomas Kamphake neben dem BHKW-Container.

Güllekleinanlagen veredeln Wirtschaftsdünger Wirtschaftsdünger vergärende Biogasanlagen erzeugen nicht nur einen geruchsärmeren Volldünger, sondern leisten einen starken Beitrag zum Klimaschutz. Diese Leistung müsste stärker honoriert werden. Zwei Betriebe zeigen exemplarisch, wozu sie in der Lage sind. Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann

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eil wir viele Flächen im Ort haben und wir dort geruchsneutralen Wirtschaftsdünger ausbringen wollen, haben wir uns für den Bau der kleinen Biogasanlage entschieden. Außerdem wollten wir ein wirtschaftliches Standbein neben der Milchproduktion schaffen“, begründet Thomas Kamphake die Investition. Darüber hinaus verschafft ihm das Gärdüngerlager neben dem Fermenter Wirtschaftsdünger-Lagerraum für insgesamt neun Monate. Thomas und seine Lebensgefährtin Anna sind die beiden Gesellschafter der 75-kW-Biogasanlage, die als Kastens Energie KG firmiert. Sie bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb im niedersächsischen Wagenfeld-Ströhen im Kreis Diepholz. Die Anlage wurde von der bwe Energiesysteme GmbH & Co.KG in Friesoythe geplant und errichtet. Anfang Fe-

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bruar 2018 begann die Anlage nach nur vier Monaten Bauzeit mit der Stromeinspeisung. 22,92 Cent pro Kilowattstunde bekommt Kamphake für den eingespeisten Strom. 560 Rinder hält der Landwirt insgesamt. Jedoch werden nur der Mist und die Gülle der 250 Kühe in die Biogasanlage eingebracht. „Wir könnten aus unserem Wirtschaftsdünger auch 120 kW elektrische Leistung realisieren“, erläutert Kamphake und ärgert sich ein wenig über die 75-kW-Vergütungsgrenze, die seiner Meinung nach nach oben geöffnet werden muss. Der in 2011 neu errichtete Kuhstall ist ein Boxenlaufstall, in dem 140 Kühe Platz finden. Die Lauffläche am Futtertisch wird mit einem Faltenschieber entmistet. Kot und Urin werden in einer Grube gesammelt. Der Laufbereich in der Stallmitte besteht aus einem Spaltenboden mit zwei voneinander getrennten Güllekanälen darunter. In den beiden Kanälen befindet sich


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„Wir wollen den Mist möglichst frisch einbringen“ Thomas Kamphake

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Fermenter: 1.100 m³ netto, Ortbeton. 16 Meter Durchmesser und 6 Meter hoch. Gärdüngerlager: 4.400 m³ netto gasdicht abgedeckt, nicht beheizt, Ortbeton. 32 Meter Durchmesser und 6 Meter hoch. Behälterdächer: Tragluftfoliendächer.

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Gärtemperatur im Fermenter: 40 bis 42 Grad Celsius Mindestens 50 Tage Verweilzeit des Gärsubstrats im Fermenter. Fütterung: 18 m³ Kuhgülle und 2,8 Tonnen Mist pro Tag.

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Rührtechnik: 1 Tauchmotorrührwerk (Zweiflügler, 17 kW, Fa. Stallkamp) und ein Paddelrührwerk (15 kW, Fa. Biogastechnik Süd) im Fermenter. Im Gärdüngerlager 2 Tauchmotorrührwerke, 17 kW jeweils – ein Rührwerk davon als Schnellläufer mit 3 Flügeln.

Kurze Wechselzeiten

BHKW: 75 kWel von Fa. 2G, Filius RO4, Liebherr-Motor. 4 Zylinder mit 8 Litern Hubraum. Eigenstromverbrauch: Ø 8 Prozent Fermenterheizung: Wandheizung, vier Kreise, Edelstahlrohre.

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Biogasanlage Kamphake: Pumpe-Feststoffdosierer mit Förderschnecken neben dem Fermenter. Neben dem Feststoffeintrag befindet sich die Mistlagerplatte.

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Henrik Snethkamp, links, und Frank Steenken auf der Treppe, die auf das Dach des Technikraums führt. Oben sind die Über-/ Unterdrucksicherungen und die Bullaugen gut erreichbar.

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jeweils ein Güllemixer. Diese homogenisieren die Gülle durch das Verrühren. Dabei bewirken die Rührwerke, dass die Gülle im Kreis zirkuliert. In den Vorgruben ist eine Pumpe installiert, die aus beiden Kanälen die Gülle ansaugt und durch eine Rohrleitung in den Fermenter pumpt. Die Pumpe wird laut Kamphake vollautomatisch angesteuert. In der Rohrleitung ist ein Durchflussmengenmesser installiert. Im alten Kuhstall ist der andere Teil der Milch gebenden Herde unterge-

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bracht. Die Laufwege bestehen dort aus Vollspaltenboden mit Güllelagerraum darunter. Die Gülle wird mittels Schlepperpumpe in bestimmten zeitlichen Abständen in die Vorgrube des neuen Stalls gepumpt. Das Verhältnis zwischen Spaltenboden- und Faltenschiebergülle beträgt 60 zu 40. Für den Gasertrag ist die Gülle von der Faltenschieber-Entmistung besser, als die Gülle vom Spaltenboden. Die tägliche Güllemenge wird auf sechs Fütterungsintervalle verteilt. Der Mist wird fünfmal am Tag eindosiert. „Wir wollen den Mist möglichst frisch einbringen. Darum wird etwa alle 14 Tage ein Stall ausgemistet. Den Mist, der nicht zerkleinert wird, kippen wir auf unsere Mistplatte neben dem Feststoffeintrag der Firma Pumpe ab. Den 12 Kubikmeter fassenden Behälter, der auf Wiegefüßen steht, befüllen wir per Radlader. Die Befüllmenge reicht dann für knapp zwei Tage“, erklärt Kamphake. Der Trockensubstanzgehalt im Fermenter liegt bei 6,5 bis 7 Prozent, im Gärdüngerlager bei etwa 5 Prozent. „Das Gärsubstrat strömt über einen untenliegenden Überlauf mit Durchflussmengenmesser in das Gärdüngerlager“, erläutert Kamphake. Mit der Mengenerfassung können wichtige Daten für die Nährstoffmeldung generiert werden. Zwischen Fermenter und Gärdüngerlager wurde ein geschlossener Technikraum geschaffen, in dem der Schaltschrank und der PC für die Anlagensteuerung und -überwachung untergebracht sind. Das Biogas enthält einen Methangehalt von 54 Prozent. Das Gas wird ausschließlich aus dem Gasraum über dem Gärdüngerlager entnommen, da die Schwefelgehalte deutlich niedriger sind als im Fermenter. Es strömt über eine 100 Meter lange Rohrleitung, die in der Erde verlegt ist. So wird das Gas gekühlt und die Feuchtigkeit fällt als Kondensat in einen Schacht.

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Kaum H2S im Gas

Bevor das Gas im Blockheizkraftwerk (BHKW) verbrannt wird, wird es im Aktivkohlefilter entschwefelt. Vor dem Filter hat das Biogas einen Schwefelwasserstoffgehalt (H2S) von 16 ppm und nach dem Filter von 1 ppm, ohne den Einsatz von Eisen-II-Chlorid. Ein fest installiertes Gasanalysegerät erfasst ständig Daten wie CH4-, H2S- und Sauerstoffgehalt, so dass die Werte jederzeit überprüft werden können. Projektentwickler Frank Steenken hebt hervor, dass bwe standardmäßig alle Anlagen mit einer vollautomatischen Steuerung ausstattet, einen Aktivkohlefilter und eine feste Gasanalyse vorsieht sowie einen langlebigen Motor installiert. Der Kunde könne sich jederzeit selber über die Visualisierung per Tablet oder Smartphone von außerhalb den Betriebszustand der Anlage anzeigen lassen und gegebenenfalls Störungen abstellen oder Änderungen vornehmen. Das verbessert die Verfügbarkeit der Gesamtanlage. Bei Bedarf können sich bwe-Mitarbeiter ebenfalls auf die Anlage einwählen und den Kunden über den 24/7-Service jederzeit unterstützen. Die installierte Software bietet auch die Möglichkeit, sich sogenannte Reports erstellen zu lassen. Darin können Daten aufgeführt werden, die als Nachweis für die neue Düngeverordnung wichtig sind und eine große Arbeitserleichterung darstellen.

Kennzahlen Biogasanlage Snethkamp Fermenter: 1.500 m³ brutto, Ortbeton. 18 Meter Durchmesser und 6 Meter hoch. Gärdüngerlager: 4.800 m³ gasdicht abgedeckt, nicht beheizt. 32 Meter Durchmesser, 6 Meter hoch. Wand: Stahlbeton-Fertigelemente. Behälterdächer: Tragluftfoliendächer. Gärtemperatur im Fermenter: 40 bis 42 Grad Celsius Rührtechnik: 2 Tauchmotorrührwerke (Schnellläufer, Zweiflügler, 17 kW, Fa. Stallkamp) im Fermenter. Im Gärdüngerlager 2 Tauchmotorrührwerke wie im Fermenter. BHKW: 75 kWel von Fa. 2G, Filius RO4, Liebherr-Motor. 4 Zylinder mit 8 Litern Hubraum. Eigenstromverbrauch: Ø 8 Prozent Fermenterheizung: Wandheizung, 4 Kreise, Edelstahlrohre.

Energieträger Bullengülle Eine ähnliche 75-kW-Biogasanlage aus dem Hause bwe Energiesysteme hat auch Henrik Snethkamp aus Ladbergen, Kreis Steinfurt (NRW), gebaut. Er betreibt die Anlage ausschließlich mit Bullengülle. Der Betrieb verfügt über etwa 1.000 Bullenmastplätze. Die Kälber werden zugekauft und mit 90 Kilogramm Gewicht eingestallt. Wenn die Tiere ihr Endgewicht von rund

800 Kilogramm erreicht haben, werden sie verkauft. Die Gülle lagert im Stall unter dem Spaltenboden. Sie wird aus verschiedenen Güllekanälen täglich mit einer Vogelsang-Drehkolbenpumpe (11 kW) über eine Entfernung von 120 Metern in den Fermenter gepumpt. 20 bis 30 m³ Gülle werden täglich, je nach Qualität, in den Fermenter gefördert. „Die Gülle von den Jung-

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Bewertung der Klimaeffizienz In Braunkohlekraftwerken werden für die Stromerzeugung 1.070 Gramm (g) Kohlendioxid-Äquivalent (CO2e) je kWh Stromerzeugung verursacht. Damit verursacht die Stromerzeugung in solchen Kraftwerken bereits 3,6 mal so viel Treibhausgasemissionen wie die Biogasanlagen der Vergleichsgruppe mit überwiegendem Energiepflanzeneinsatz (300 g CO2e je kWh Strom). Kamphake: Durch die Biogasanlage werden sogar mehr Treibhausgasemissionen vermieden, als durch sie verursacht werden (-127 g CO2e je kWh eingespeisten Strom). Das Biogas wird ausschließlich mit Rindergülle und Mist erzeugt. 60 Prozent der Gülle gelangen nach vorübergehender Lagerung unter dem Spaltenboden in die Biogasanlage. 40 Prozent der Gülle und des Mists gelangen ohne Zwischenlagerung direkt aus dem Stall in die Biogasanlage. Dadurch werden Treibhausgasemissionen bei der Gülle- und Mistlagerung vermieden. Ohne Biogasanlage könnten diese Treibhaus-

kälbern vergären wir nicht. Die wird bei Bedarf direkt in die Lagerbehälter gepumpt“, erklärt Snethkamp. Die Gülle der Mastschweine wird ebenfalls nicht vergoren. Zusätzlich zur Gülle werden Futter-

gasemissionen nicht vermieden werden. Deshalb wird diese Treibhausgasvermeidung der Biogasanlage gutgeschrieben. Sehr positiv auf die Klimabilanz wirkt sich außerdem die gasdichte Gärrestlagerung aus. Durch die Nutzung der anfallenden Wärme, zum Beispiel für die Wohnhausbeheizung, könnte die Klimabilanz zusätzlich verbessert werden. Snethkamp: In der Biogasanlage werden nur 49 g CO2e je kWh eingespeisten Strom verursacht. Das Biogas wird ausschließlich mit Rindergülle und etwas Futterresten erzeugt. 90 Prozent der Gülle gelangen nach einer Zwischenlagerung unter dem Spaltenboden und 10 Prozent der Gülle ohne Zwischenlagerung direkt in die Biogasanlage. Dadurch werden Treibhausgasemissionen bei der Güllelagerung vermieden. Ohne Biogasanlage könnten diese Treibhausgasemissionen nicht vermieden werden. Deshalb wird diese Treibhausgasvermeidung der Biogasanlage gutgeschrieben. Sehr positiv auf die Klimabilanz wirkt sich außerdem die gasdichte Gärrestlagerung aus. Im Vergleich zum Braunkohlestrom sind durch die Biogasanlage in dem Abrech-

reste im Fermenter in Biogas umgesetzt. Pro Tag sind das etwa 0,25 Tonnen. Der Edelstahlfeststoffeintrag aus dem Hause Pumpe steht auf Wiegefüßen. Die Schnecken haben einen Durchmesser von 300 Millimetern.

Güllealter beeinflusst Methangehalt im Gas

Externe Entschwefelungskolonne vor dem BHKWContainer auf der Biogasanlage Snethkamp.

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Die Verweilzeit der Gülle im Fermenter liegt zwischen 50 und 55 Tagen. Das ausgegorene Substrat fließt hier – im Gegensatz zur Kamphake-Anlage – über einen obenliegenden Überlauf in DN 300 ins Gärdüngerlager. Das Gärkraftwerk speist nach viermonatiger Bauzeit seit Ende März 2017 Strom ins Netz ein. Je nach Güllequalität schwankt der Methangehalt im Biogas zwischen 49 und 55 Prozent. „Wir ziehen das Gas nur aus dem Gärdüngerlager. Im Gasraum befindet sich ein Gewebenetz, auf dem sich die Bakterien ansiedeln, die das Gas entschwefeln. Wir blasen Luft in den Gasraum ein, wodurch der H2S-Gehalt von 300 ppm auf rund 8 ppm absinkt. Nach dem Aktivkohlefilter ist nur noch 1 ppm H2S im Gas, so dass es schadlos im BHKW verbrannt werden kann“, führt Snethkamp aus. Über eine

nungszeitraum 664 Tonnen CO2e vermieden worden (650.000 kWh mal 1,021 kg CO2e je kWh). Die Anlage hat damit so viel Treibhausgasemissionen eingespart, wie 60 Bundesbürger jährlich durchschnittlich verursachen. Je frischer die Gülle in die BGA gelangt, desto größer die Gasausbeute und desto größer die Treibhausgasvermeidung aus dem Güllekeller. Durch die Nutzung der anfallenden Wärme, zum Beispiel für die Wohnhausbeheizung, könnte die Klimabilanz zusätzlich verbessert werden.

Autor Ansgar Lasar Klimabeauftragter Landwirtschaftskammer Niedersachen Mars-la-Tour Str. 1 – 13 26121 Oldenburg Tel. 04 41/801-208 E-Mail: ansgar.lasar@lwk-niedersachsen.de www.lwk-niedersachsen.de

100 Meter lange unterirdische Kondensatstrecke wird das Gas gekühlt und entfeuchtet. Auch hier kommt die Anlage ohne den Einsatz von Eisen-II-Chlorid aus. Der Technikraum zwischen den beiden Behältern ist von oben begehbar. Eine bequeme, verzinkte Stahltreppe führt hinauf. So können die Über-/Unterdrucksicherungen einfach gewartet werden und auch die Bullaugen sind zur Sichtkontrolle leicht erreichbar. Halb um den Fermenter führt ein begehbarer Steg, der zu den Förderschnecken des Feststoffeintrags führt. „Die Anlage läuft auf Volllast, wie bwe mir das versprochen hat. Durch die einfache Handhabung der Anlage beläuft sich mein Arbeitsaufwand auf nur 15 Minuten täglich“, gibt Snethkamp an.

Autor Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann Redakteur Biogas Journal Fachverband Biogas e.V. Tel. 0 54 09/90 69 426 E-Mail: martin.bensmann@biogas.org


PRAXIS

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Minibiogasanlage als Selbstbausatz Im Thüringer BioEnergie Verbund entwickelten Forscher und Bioverfahrenstechniker ein neuartiges 2-Wege-Konzept für die Biomasseverwertung von Abfallstoffen. Das Prinzip wird jetzt mit Unterstützung durch das BMWi in einer Homevariante zur Marktreife geführt. Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph

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Biotechnologe Alexander Riedel beim Testen von Komponenten der Village-Biogasanlage im Technikum des BioEnergie Verbund e. V. in Jena.

FOTOS: CARMEN RUDOLPH

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utark leben gehört zu den großen Trends unserer Zeit. Beflügelt wird diese Idee durch die Entwicklung dezentraler Systeme, die es ermöglichen, den privaten Energiebedarf weitestgehend aus erneuerbaren Quellen abzudecken. In diesem Leistungsbereich spielt die Erzeugung von Biogas bisher jedoch nur eine untergeordnete Rolle. In China, Israel oder den USA werden zwar Mini-Gärsysteme wie Puxinbiogas oder Homebiogas angeboten. Ob sie unter heimischen Klimabedingungen funktionieren, darf allerdings bezweifelt werden, selbst wenn man die Wirtschaftlichkeit vernachlässigt und eher der Umweltgedanke im Vordergrund steht. Ansonsten kursieren im Internet etwa ein Dutzend Bastlerlösungen. „Wirklich praktikabel sind die nicht, weil die Biologie schnell kippt. Gerade bei der Konzipierung von Minianlagen, wo Faktoren wie Substratdosierung, Verweildauer oder Gärraumbelastung viel stärker auf den Gärprozess wirken, geht es nun mal nicht ohne Fachwissen“, kommentiert Mitentwickler Olaf Luschnig das Geschehen in diesem Bereich. Er vergleicht es mit einem sehr kleinen Aquarium. Hier habe man trotz weniger Fische ständig zu tun, um beispielsweise den Nitrat- oder Sauerstoffwert im grünen Bereich zu halten. Der Diplomingenieur beschäftigt sich seit vielen Jahren mit verfahrenstechnischen Fragen der Biogasproduktion und sieht hierzulande durchaus einen Markt für Anwendungen im Leistungsbereich zwischen 1,5 und 10 Kilowatt (kW) thermischer Leistung.

Umweltministerin startet VillageBiogas Luschnig forscht im 2004 gegründeten Robert-Boyle-Institut, das auf dem Gebiet der Biogas- und Bioraffinerietechnologie tätig ist. Im Institutsgebäude am Rande von Jena hat außerdem der BioEnergie Verbund e.V. seinen Sitz. Er fungiert als Projektträger und Netzwerkmanager bei der Realisierung von Vorhaben, die insbesondere über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundes finanziert werden. In der Zusammenarbeit von Institut, Verein und weiteren Firmen konnten bereits eine Reihe von Ideen in die Praxis umgesetzt werden. Dazu gehören die „intelligenten Gebäudemöbel“, bei denen Platten aus aufgeschäumten Naturfasern zum Einsatz kommen. Auf dem Forschungscampus in Jena gab kürzlich die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund den Startschuss für ein weiteres ZIM gefördertes Projekt – die Ent-

wicklung der Minibiogasanlage „VillageBiogas“ zu einem marktreifen Produkt. Das modular gestaltete System geht nach Aussage von Dr.-Ing. Christian Huck, 1. Vorsitzender des BioEnergieVerbundes, aufgrund der Verwendung erprobter Technologien weit über eine Bastellösung hinaus.

„Im unteren Leistungsbereich ist es oft sinnvoller, das Biogas direkt zu nutzen“ Dr.-Ing. Christian Huck

„Das System richtet sich schon an ernsthaft Interessierte, die auf einem gewissen technischen Niveau und über einen längeren Zeitraum Biogas aus den vor Ort verfügbaren Einsatzstoffen erzeugen wollen“, so Huck. Andererseits bestehe das Ziel nicht darin, eine bis auf die letzte Schraube durchkonstruierte Anlage als Gesamtpaket auszuliefern. Gegenwärtig werde unter der Adresse www.zukunft-autark.de eine Web-


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Einen Einsatzbereich sehen die Jenaer Akteure in Entwicklungsländern. In Containern mit drei bis sechs Village-Biogasanlagen können zunächst vor Ort Tests mit Substraten und Schulungen erfolgen. plattform erstellt. „Dort gibt es dann auch einen Onlineshop, in dem Interessenten ausführlich getestete Baugruppen erwerben und entsprechend ihren Anforderungen zusammenstellen können“, kündigt Huck an. Neben den modular kombinierbaren Fermentern, die bis 10 kW thermisch aus korrosionsbeständigen Metallfässern mit einliegenden Foliensäcken gefertigt sind und im Leistungsbereich darüber die Form eines Kubus haben, sollen in dem Shop Komponenten und Bausätze angeboten werden, die die Minibiogasanlage als Gesamtsystem komplettieren und deren Möglichkeiten wesentlich erweitern. Dazu gehören zum Beispiel Aggregate zur Substrataufbereitung, eine App zur Anlagensteuerung per Smartphone oder eine umschließende transparente Kuppel mit integrierten Solarkollektoren und PV-Modulen für die Eigenenergieversorgung. Die notwendige Wärme für den Gärprozess lässt sich alternativ mit einer Biomasseheizung bereitstellen. Die Kuppel dient gleichzeitig als Gewächshaus, beispielsweise in Form eines Hydroponic-Systems auf mehreren Etagen an den Innenwänden.

Darüber hinaus bietet der Shop spezielle Geräte zur Verwendung des erzeugten Biogases, das wegen des hier angewandten mehrstufigen Verfahrens einen Methangehalt von 70 bis 80 Prozent aufweist. „Zwar werden wir ein auf Biogasbetrieb umgerüstetes Notstromaggregat anbieten, aber gerade im unteren Leistungsbereich ist es oft sinnvoller, das Biogas direkt zu nutzen“,

erläutert Huck. Dabei denke er nicht nur an Kochen und Heizen, sondern auch an vorwiegend für den Campingbereich entwickelte, gasbetriebene Kühlschränke, Klimaanlagen oder Wärmepumpen. Die thermische Energie der VillageBiogas-Anlage in der 3,5-kW-Variante könne bereits ein Einfamilienhaus komplett mit Wärme versorgen.

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VillageBiogas in der 1,5-kW-Version im Fassdesign für den heimischen Garten mit Kuppelumhausung und Hydroponik-System.

In der Versuchsanlage im Technikum des Robert-Boyle-Instituts werden Substratgemische und Prozessabläufe unter anderem für die Optimierung von VillageBiogas getestet.

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Ab einer Leistung von 3,5 kW hat die Kleinbiogasanlage aus Jena die Form eines Kubus. Durch den modularen Aufbau ist das System zur Biogasproduktion bis zu 50 kW erweiterbar.

Die Webplattform soll außerdem einer sich herausbildenden Community Informationen und eine Möglichkeit für den Erfahrungsaustausch bieten. So könnte das Startermodul in Form einer Tischbiogasanlage mit einem Fermentervolumen von 50 Litern in Schulen und Unis für Experimente dienen und die gesammelten Erkenntnisse etwa zu Substratmischungen oder Prozessparametern könnten auf der Plattform veröffentlicht werden. „Bildungseinrichtungen oder auch Unternehmen und Privatpersonen, die an einer solchen Zusammenarbeit interessiert sind, können sich bereits jetzt bei uns melden“, sagt Huck.

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Dr.-Ing. Christian Huck, 1. Vorsitzender des BioEnergie Verbund e.V.: „Wir sind gespannt auf die Ideen und Erweiterungsvorschläge der ersten Nutzer von VillageBiogas.“

Einen regen Wissenstransfer erwartet das Thüringer Entwicklerteam außerdem von den Nutzern der geplanten Sonderausführungen der Village-Kleinanlage, die bei speziellen Substraten nicht, wie in der Grundvariante vorgesehen, abgepresste Flüssigkeit vergären, sondern nach dem Prinzip der Trockenfermentation beziehungsweise als Pfropfenströmer arbeiten.

Basis bildet neuartiges 2-Wege-Konzept Abgesehen von den Sonderausführungen bildet ein neuartiges 2-Wege-Verfahren die Technologiebasis für VillageBiogas. „Dabei haben wir bekannte Konzepte, wie sie in den letzten Jahren an deutschen Forschungseinrichtungen entwickelt wurden, aufgegriffen, modifiziert und durch Verfahrensschritte ergänzt“, berichtet Olaf Luschnig. Der Biogasexperte erklärt das Prinzip: Zunächst werde die für die Vergärung vorgesehene feuchte Biomasse mit einem gängigen Gerät, etwa einem Schneckenseparator, abgepresst. Die Trennung am Verfahrensstart bringe gleich doppelten Nutzen. Zum einen müssten die bei der Fermentation kaum wirksamen, ligninhaltigen Feststoffe nicht unnötig durch den begrenzten Gärraum der Minianlage geschleust werden. Zum anderen können sie zu Pellets gepresst und getrocknet als Brennstoff dienen oder stofflich, etwa als Einstreu oder Zusatz für Biokunststoffe, genutzt werden. Die abgepresste Flüssigfraktion gelangt zunächst in eine pH-gesteuerte anaerobe Hydrolyse. Beim Fassdesign der Village-Biogasanlage befindet sich diese im oberen Bereich. In dieser als Batchprozess ablaufenden Reaktion bilden sich die für die Methanisierung unerlässlichen Säuren, vorwiegend Essigsäure. Nach


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Olaf Luschnig beschäftigt sich seit vielen Jahren mit verfahrenstechnischen Fragen der Biogasproduktion und sieht einen Markt für Kleinanlagen.

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der etwa drei Tage andauernden Hydrolyse gelangt die Flüssigkeit über ein Ventil in den Speicher im Mittelteil. Bevor die Flüssigkeit regelmäßig in den darunterliegenden Reaktor strömt, empfehlen die Entwickler, ein Hochenergiesubstrat zuzusetzen. „Solch ein Bio-Powerfluid, wie wir es bezeichnen, ist bei Einsatzstoffen wie Grasschnitt oder Bioabfällen hilfreich, damit der Prozess in dem kleinen Gärbehälter stabil bleibt und eine maximale Gasausbeute erreicht wird“, begründet Luschnig diesen Verfahrensschritt. Als Zusatz eigneten sich Melasse, zuckerhaltige Abwässer, Glycerin oder andere energiehaltige Flüssigkeiten. Der Fantasie der Anlagenbetreiber seien hier keine

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Grenzen gesetzt. In vielen Bereichen würden flüssige Abfälle entstehen, die besser als Bio-Powerfluid einsetzbar sind, anstatt sie teuer zu entsorgen. In dem als „Biovergaser“ bezeichneten Reaktor befinden sich Füllkörper, wodurch sich die Kontaktfläche um ein Vielfaches vergrößert. Die Füllkörper sind mit methanbildenden Bakterien beimpft. Ein gesteuertes Umpumpen bei gleichzeitiger Temperaturanhebung in einem Wärmetauscher erhöht die Methanausbeute. Das vergorene Substrat wird abgelassen und bietet sich als flüssiger Pflanzendünger an. Die Zulassung dafür steht vor dem Abschluss. Die Webplattform „Zukunft autark“ mit Onlineshop für erste Komponenten der Minianlage VillageBiogas soll in einigen Monaten freigeschaltet werden. „Dann sind wir natürlich gespannt auf die Reaktionen, aber ebenso auf die Ideen und Erweiterungsvorschläge der ersten Nutzer. Es gibt schließlich nichts, was man nicht noch verbessern könnte“, so Netzwerkmanager Huck.

Autor Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph Freier Journalist Rudolph Reportagen – Landwirtschaft, Umwelt, Erneuerbare Energien Kirchweg 10 · 04651 Bad Lausick Tel. 03 43 45/26 90 40 E-Mail: info@rudolph-reportagen.de www.rudolph-reportagen.de

In der Großversion bis 250 kW kann das 2-Wege-Konzept vor allem dort eingesetzt werden, wo große Mengen an Grünschnitt anfallen. Hier das Modell in der Anlagenvariante auf dem Gelände der Kläranlage im thüringischen Pößneck.

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