Willi Wolf liebt die Urtümlichkeit seiner 300 Tiere zählenden Büffelherde
Der schwäbische Cowboy und die Albbüffel Das ist fr ei gesetzte Ur gewalt. Das dumpfe Donnergrollen kommt immer näher. Die Erde bebt. Am Horizont taucht eine graue Staubwolke auf, wird immer gr ößer, verdunkelt den blauen Himmel. Dann wird die schwarze Herde sichtbar. Die tr abenden Muskelberge nähern sich unaufhaltsam dem Ende der Weide. Dazwischen dirigiert ein Cowboy mit seinem Pferd die Herde. In Stiefeln, Stulpen, Jeans, Filzhut und wehendem Mantel gibt Willi Wolf die Richtung vor. Der Cowboy ist hoch zu Ross , auf seinem Appaloosamischling Jurek, in seinem Element. Das Pferd pariert jede Zuckung des Reiter s, der mit lauten Pfiffen die Her de zum Stillstand ruft. Die riesigen Wasserbüffel und die Kälber hören aufs Wort, drehen bei und bleiben langsam stehen. Westernidylle im Süden Deutschlands, auf einer Weide in
Hohenstein-Meidelstetten bei Reutlingen, am Rande des Biosphär engebiets Schwäbische Alb. Dort, wo die r aue Alb am r auesten ist, treiben Willi Wolf und seine Helfer die Tiere von der Sommerweide in den Stall. „Albabtrieb“, nennt er diesen großen Sonntag im Oktober. „Wollen wir mal r aus zur Herde fahren? “, fragt Willi Wolf ein paar Tage später bei unserem Besuch auf der Wasserbüffelranch. „Können wir nicht reiten? Das macht der Cowboy doch viel lieber“, meine ich w agemutig. „Bischt närrisch, bis ich mein Pferd gesattelt hab , dauert das eine halbe Stunde“, gibt Wolf bodenständig und ehrlich die Antwort, „und ich hab noch viel zom Due. Mir nehmen den Pick-up, aber jetzt saget mehr du zueinander.“ Moderne Westernidylle hier oben auf der Alb. Ein paar Kilometer vom Touristenrummel im Donautal
und am Bodensee entfernt, sitzen wir neben dem vor sich hin bullernden Kanonenofen am Eichentisch im Reiterstüble. Willi Wolf steckt die Reval an, kocht schwarzen Tee für sich und noch schw ärzeren Kaffee für uns. „Rauchen schadet der Gesundheit. Denk an den Marlboro-Mann“, stell ich frech in den Raum. „Ich bin 61, ich leb g’sond“, kommt lachend zurück. Besonders „g’sond“ war er vor ein paar Tagen beim Abtrieb. Das sei für ihn mal wieder das absolute Glücksgefühl gewesen. „Seine Viecher“, wie er die Büffel liebevoll nennt, um ihn herum. Er im Sattel seines Westernpferdes Jurek, die Zügel im Griff, das Lasso bereit am Sattelhorn hängend. Die Viecher können sogar eine feste Bindung zum Menschen aufbauen und sehr zutr aulich werden. Das sieht man sofort. Manchmal sind sie aber auch dickköpfig und stur. Sie tragen schlechte Behandlung sehr lange nach. Anders sieht es beim F ressen auf
Der Büffelkenner: Willi Wolf ist der Cowboy von der Alb. Bulle Antonio ist der Beschützer der kleineren Herde und hin und wieder auch das Sofa von Willi Wolf. |Bilder: Fabian Reichgruber
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Urviecher von der Alb
Die Tiere auf der Weide.
den Weiden um Meidelstetten aus. Da sind die Tiere nicht wählerisch. Neben dem Gras kauen sie an dornigen Hecken, Disteln und Brennnesseln, werden zu vierbeinigen Landschaftspflegern. Und weil das ausgedehnte Schlammbad zu den Lieblingsbeschäftigungen der Tiere gehört, die Alb aber zu den wasserärmsten Regionen Deutschlands zählt und vor allem in vergangenen Jahr sehr trocken war, hat Wolf überall Fässer mit Wasser aufgestellt. 180.000 Liter umfasst das „Dachwasser-Lager“ auf dem Hof. Mit dem Traktor bringt er das Wasser tonnenweise raus auf die Weiden. Täglich bis zu 40.000 Liter . Denn Wolf kennt die Vorlieben fürs Schlammsuhlen, weiß was seinen Tieren gut tut: „Der Büffel hat keine Schweißdrüsen, der kann nicht Schwitzen und braucht das Wasser zum Abkühlen.“ Durchs Fenster schauen wir runter in den riesigen, offenen Stall, wo ein Teil der Albbüffel friedlich grunzend herumsteht, wo die Kühe mal am frischen Heu kauen, mal an den Pfosten das dicke Fell scharren und in einer anderen Eck e die Kälber säugen. Der Dingel-Dingel-Ton des Handys unterbricht
diese Ruhe. Der Cowboy wird zum Geschäftsmann, spricht von vier Ziegen, vom Veterinäramt, legt wieder auf. Auf die vom Amt ist er gar nicht gut zu sprechen, die haben nach dem Abtrieb alle Ohrenmarken überprüft und die Weideflächen nachgemessen. Das sei ein Gener alangriff gewesen auf seine 300 Wasserbüffel, genauso wie man ihnen schon vor einem J ahr einen Rinder-Herpesvirus nachweisen wollte. Doch es w ar Büffel-Herpes. Das rettete die größte Büffelherde Deutschlands vor dem Schlachter. Und den Willi vorm Bankrott. Denn der Wert der Herde liegt bei 480.000 Euro, schätzt er und freut sich noch immer über die Sympathisanten aus dem ganzen Land, die ihre Unterstützung angeboten hatten.
Der Bulle vom tschechischen Golfplatz Solche Hilfe hätte er am Morgen auch gebr aucht, als er die halbe Herde vor der großen Flucht rettete. Durch eine offene Tür waren gut 150 Büffel getürmt. Mit den Autos hätten sie die Tiere dann
zurückgetrieben. Bis die Pferde gesattelt gewesen wären, wäre die Herde längst von Meidelstetten in Oberstetten gewesen. „Jetzt müssen wir aber raus zu den Viechern“, meint der Mann, der für die Wasserbüffel seine Angusrinderzucht mit 150 Kühen aufgegeben hat. Er habe wieder ein Alleinstellungsmerkmal gewollt. „Die Lamas haben ein zu kleines Hirn, die waren mir zu blöd“, sagt Wolf. Und aus Norddeutschland kannte er schon einen Wasserbüffelzüchter. Unter Wolfs Herde ist auch ein Bulle, der vor einem J ahr sein Leben auf dem Golfplatz in Tschechien verbracht hat. Das passe doch „zu eurem Thema“, lacht er. Die ersten der dunklen K olosse holte Wolf, nachdem er davon gehört hatte, dass in der Nähe, in Steinheim an der Murr, 300.000 Jahre alte Knochen von Wasserbüffeln gefunden wurden. 2005 nahm er die Spur bis nach Rumänien auf , wo diese noch immer als Nutztiere gehalten werden. Dort fand er Exemplare, die noch ihrem Instinkt gehorchten, die seiner Meinung nach robust, kerngesund und bestens geeignet für die Alb waren und sich
Fleisch und Wurst vom Büffel Wenn Metzgermeister Ludwig Failenschmid in seinem direkt an die mit dem Biosiegel zertifizierte Metzgerei angrenzenden Landgasthof Hirsch in Gächingen sitzt und nach dem Albbüffel gefragt wird, den er als Gulasch, Braten oder Hüfte und als Vesperplatte immer wieder auf der Karte stehen hat, gerät er sofort ins Schw ärmen: „Das Fleisch vom Albbüffel hat nicht nur einen einzigartigen, wildaromatischen Geschmack, es enthält auch besonders wenig Cholesterin“, sagt er. Aber auch die Kr äuter der Albwiesen geben dem saftig-zarten Fleisch seinen unnachahmlichen Geschmack. Dass sie damals , als die Vermarktung der Tiere von Willi Wolf begann, den banalen Wasserbüffel zum Albbüffel umgetauft hätten, sei eine geniale Idee gewesen. Genauso genial, wie nur die zehn bis zwölf Monate alten Tiere für die Weiterverarbeitung zu hochwertigem Fleisch, Wurst und bis zu Metzgermeister Ludwig Failenschmid ist der Könner in Sachen Büffelfleischverarbeitung.
zwölf Monate an der Luft reifenden und dem Schweizer Bündner Fleisch ähnelnden Schink en zu nehmen. Das Büffelfleisch ist dunkler als das des Rindes , es ist leicht marmoriert und hat kurze F asern. Die Profis raten, es in der Brühe zu garen oder in der Pfanne zu braten, ihm dabei aber Zeit zu geben. Zum Kurzbraten ist der Büffel wegen des fehlenden intr amuskulären Fettes nicht geeignet. „Der Braten vom Büffel ist einfach ein wunderbares Schmorgericht“, schwärmt Ludwig Failenschmid. Dann sieht man auch die Qualität: Heutzutage schrumpfen viele Rindfleischbr aten regelrecht zusammen, weil sie Wasser abgeben, das Büffelfleisch indes geht auf. Wie gut und gesund das mit Omega3-Fettsäuren gesegnete Fleisch sei, beweise auch, dass der Darmstadter Krebsforscher Johannes Coy es in seiner Ernährungsther apie einsetzt. Für den Professor steht fest: Die Büffel haben die Evolution der Nutztiere noch nicht mitgemacht und bleiben deswegen nach wie vor in jeder Situation seelenruhig. Sie haben keinen Stress. Fleisch von gestressten Tieren sei hilfreich fürs Wachstum von Krebs.
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Urviecher von der Alb
Zum Nachkochen
So wird im Landgasthof Hirsch in Gächingen das Büffelvesper serviert. |Bild: Fabian Reichgruber
Albbüffelbraten im Heubett Die Zutaten: 800 g Fleisch, 50 g Fett, 2 EL Mehl, Suppengrün, Salz, Pfeffer, Brühe und 2 EL Tomatenmark. Die Zubereitung: Albbüffelfleisch von beiden Seiten mit Salz und Pfeffer würzen, in heißem Fett gut anbraten, Fleisch herausnehmen, Suppengrün dazugeben, gut anrösten, Tomatenmark dazugeben, würzen und kurz mitbräunen. Mit Mehl bestäuben und mit Brühe ablöschen. In den Sud noch frisches Heu geben. Beim Abgießen/Filtrieren der Brühe für die Sauce wird das Heu wieder entfernt. So bekommt der Albbüffelbraten zum Wildgeschmack noch ein unvergleichliches Heuaroma. Das Fleisch wieder dazugeben, aufkochen und abgedeckt im Ofen etwa 2 Stunden bei 160° C schmoren.
Immer erreichbar: Willi Wolf ist auch ein moderner Cowboy und übers Mobiltelefon immer und überall erreichbar.
damit für die Landschaftspflege und für den Aufbau seiner Zucht und Muttertierhaltung eigneten. Im Lastwagen kamen die 36 K ühe in Meidelstetten an, wo Bulle Attila bereits auf die Damen w artete. Weitere Tiere te folgten, auch von fo einem norddeutei schen Züchter. Weil sc Büffel bis zu 35 Bü Jahre alt werden, Ja sei die Urherde se noch immer nahezu no komplett. Viele seiko en aber schon Albbüffel mit Migr abü tionshintergrund. ti Dann baute Willi D Wolf gemeinsam mit W
dem Metzger Ludwig Failenschmid aus St. JohannGächingen die Verarbeitung und Vermarktung des Fleisches auf. Geschlachtet werden die Tiere ausschließlich im zwölf Kilometer entfernten Gächingen, so wie es sich gehört. Helmut Rauscher von der Hohensteiner Hofkäserei hat die zweite Herde , die für die Milchproduktion und den Albmozarella zuständig ist. In dieser Herde lebt auch der einzige Italiener, Bulle Berlusconi.
Wenn der Leit-Wolf die Befehle gibt
Dann sind wir mit Cowboy Willi, der schon mit 14 Jahren beschlossen hatte , Landwirt zu werden, später den Techniker für Landbau machte und mit 20 Jahren den ersten Hof pachtete , auf dem Weg zur kleineren Herde, die auf einer Wiese mitten im Wald bei Engstingen gr ast. Hofhund Gustav kennt den Weg, steht stolz auf der Ladefläche des Pickups und hält die Nase in den Wind. An der WieDie Ranch: Wie es sich gehört, stehen dort nicht nur Blockhüt- se springt er runter, wartet auf den Befehl des LeitWolfs. Wieder packt der den Weißdornstecken, ten und Ställe, sondern auch Planwagen und Hinweisschilder. steckt sich die Reval an und geht auf die Herde zu.
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Dann ruft er „K ommat! Auf kommat! Antonio komm!“. Die Rinder und Kälber, mal pechschwarz, mal dunkelbraun gefärbt, laufen auf ihn zu. „Ohne den Stecken geh ich aber nicht rein“, meint Wolf und klettert über den Zaun. Die Tiere mit den sichelförmig gebogenen Hörnern und dem kr äftigen Nacken sind sichtlich zutraulich, trotteln immer näher, knabbern ihm dann an den Jeans. Auch Antonio, der Bulle mit dem respekteinflößenden massigen Schädel und den Muskelpaketen auf den Hüften, lässt sich streicheln, verschwindet aber schnell wieder stillschweigend. „Der hat jetzt k eine Lust mehr“, meint Willi Wolf und schaut zum 750-Kilo-Koloss, der im Gr as liegt. Als dann eine der Kühe doch zu neugierig wird, kommt der Stock zum Einsatz. Ganz kurz gibt’ s einen Streichler auf die Hörner. Die Kuh hat’s kapiert. „Das ist die Chefin der Herde. Der Bulle hat nichts zu melden, der darf sie nur beschützen und beglück en“, lacht Willi W olf. Wasserbüffel seien friedliche Tiere, aber gelegentlich neigten sie auch zur Gew alt, berichtet er. Aber böse seien sie nicht, hätten Nerven wie Dr ahtseile, weil sie k eine Stresshormone haben. Da k ommt dann doch der Bauer bei ihm durch. Geschlachtet werden die Kälber nach einem Jahr. Das Fleisch ist arm an Cholesterin und nahezu fettfrei. Davon schw ärmt auch Metzger F ailenschmid, der es zu Braten, Wurst, Schinken und dem Albbüffelgöschle, der etwas anderen schwäbischen Maultasche, verarbeitet. Weil es Willi Wolf für richtig hält, gibt es von der Büffelmilch die Käsespezialitäten wie den Albzarella, das F ell wird gegerbt und zu Geldbeuteln, Gürteln oder Sitzflächen für Möbel ver arbeitet. Ob das in Kanada auch so gewesen wäre? Jenem Land, in das Willi Wolf noch vor Jahren auswandern wollte. Mit seinen Viechern lebt er die wilde Natur auf der 750 Meter hoch gelegenen Schwäbischen Alb um Hohenstein-Meidelstetten jetzt eben selbst, inklusive Westernpferd Jurek und den kanadischen Holzhäusern, dem langsam auf dem Smok ergrill gegarten Büffelfleisch und den Besuchern, die immer wieder die muskulösen Tiere bewundern. Immer getreu dem Grundsatz: „Mann geht nicht zum Wasserbüffel, der Büffel kommt zu dir und zwar freiwillig.“ Gerhard Herr
Kurzinfo Landgasthof Hirsch und Metzgerei Failenschmid Parkstraße 2 72813 St. Johann-Gächingen Tel.: +49 7122 8287-0 E-Mail: info@failenschmid.de www.failenschmid.de Stall Willi Wolf Steinhilber Straße 28 72531 Hohenstein-Meidelstetten Tel.: +49 7387 579 E-Mail: info@willi-wolf.de www.willi-wolf.de und www.albbüffel.de