FACES Österreich, Sommer 24

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06 2024 JUNI € 10.– FACESMAG.AT
GANNI.COM
N°06 /  2024 8

N°06/2024

S.20

The Faces

Jake Bongiovi, Caitlin Clark, Sacha Naspini, Aya Nakamura, Oobah Butler, Alyssa Carson, Anna Sawai, Paul Mescal, Wawa Gatheru, Simon Porte Jaquemus

S.32 The Hype

Fashion, Beauty, Travel, Eat&Drink

S.48 The Hype Special

Salone del Mobile

S.56 Heat Wave

Photography: Verena Knemeyer

S.66

Provoke Me Baby, One More Time

Photography: Oliviero Toscani

Gut gekleidet geht’s in die nächste Hitzewelle. S.56

Den Sommer auf einer entlegenen mexikanischen Halbinsel verbringen? Ja, bitte! S.42

Ob drinnen oder draußen – unser Special zur Mailänder Möbelmesse zeigt dir, wie wir momentan sitzen und liegen. S.48

Zwischen Avantgarde und Coolness: Das Editorial von Jakob Kotzmuth S.116

Der Kollaboration zwischen Sun Yitian und Louis Vuitton entsprang das wohl verspielteste Parfum. S.80

Für immer zeitlos: Die Fotografien von Saul Leiter. S.94

S.80

Toy Story

Sun Yitian

S.94

Time Warp

Photography: Saul Leiter

S.108

Mit Sack und Pack

Text: Ilija Trojanow

S.116

Eternal Flow

Photography: Jakob Kotzmuth

S.126

Magic Hour

Yiqing Yin

N°06 /  2024 10

Bei

ging es

COVER

Photography: Jakob Kotzmuth

Styling: Nathalie von Gordon

Art Direction, Hair & Make-up: Makeover Hamburg Model: Yang Jie, Munich Models

Shorts von JACQUEMUS. Blazer und Halskette von VICTORIA BECKHAM. Gürtel von BOTTEGA VENETA. Ohrringe von JIL SANDER.

S.130

Grão Paulo

Photography: Olaf Heine

S.142

Cool Host

Patjo do Tijolo

S.152

Photo Finnish

Photography: Kasperi Kropsu

S.166

Glistening Night

Photography: Ava Pivot

S.14

Impressum

S.16

Contributors

N°06 /  2024 12
Olaf Heine inszeniert Brasilien fernab von Karneval und Co. S.130 Oliviero Toscani nie ohne eine gehörige Portion Skandal. S.66

IMPRESSUM

HERAUSGEBER

Stefan Berger – berger@faces.ch

Patrick Pierazzoli – pierazzoli@faces.ch

CHEFREDAKTEUR

Patrick Pierazzoli

VERLAGSLEITUNG

Stefan Berger

Stellvertretung: Mirco Ludolini

CREATIVE CONSULTANTS

Florian Ribisch

Alex Wiederin

REDAKTION

Michael Rechsteiner

Josefine Zürcher

Adrienne Meyer

GRAFIKLEITUNG

Bianca Ugas – grafik@faces.ch

DESIGN/LAYOUT

Lynn Zbinden

FACES, Bertastrasse 1, CH-8003 Zürich

AUTORINNEN

Adrienne Meyer, Michael Rechsteiner, Ilija Trojanow, Marina Warth, Josefine Zürcher

FOTOS & ILLUSTRATIONEN

Olaf Heine, Stefan Imielski, Verena Knemeyer, Jakob Kotzmuth, Kasperi Kropsu, Saul Leiter Foundation, Salva López, Ava Pivot, Oliviero Toscani, pa picture alliance (dpa), Launchmetrics SpotlightSM

TYPEFACES

Synt (Dinamo)

Salt Lake (Florian Ribisch)

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN DEUTSCHLAND & ÖSTERREICH

FACES Deutschland, Straßburger Straße 6D, D-10405 Berlin

Julia Gelau, Managing Director Germany & Austria – julia@faces.ch; +49 (0) 30 552 02 383

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN SCHWEIZ Mirco Ludolini, Sales Director – ludolini@faces.ch Monika Brändli – monika.braendli@faces.ch

Pascal Konrad – pascal.konrad@faces.ch +41 (0) 43 322 05 37

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN ITALIEN EDICONSULT INTERNAZIONALE srl, Piazza Fontane Marose 3, I-16123 Genova milano@ediconsult.com; +39 (0) 010 583 684

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN FRANKREICH & GROSSBRITANNIEN

Helena Kawalec – helena@faces.ch; +33 (0) 6 62 53 72 00 ABONNEMENTSPREISE

FACES erscheint 8 Mal im Jahr. Einzelverkaufspreis EUR 10 ; Jahresabo EUR 68

© Copyright 2024 Fairlane Consulting GmbH

Der FACES-Schriftzug/-Stern sind eingetragene Markenzeichen der Fairlane Consulting GmbH und dürfen nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

PEFC/04-31-0714 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.de
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Unabhängiger Qualitätsjournalismus. Bürgerlich-liberal.

Nachrichten. Meinung. Magazin. Gedruckt. Digital. Audio. Video. Events.

Die Presse Die Presse am Sonntag Schaufenster Spectrum Fahrstil Geschichtemagazin Kulturmagazin Gesundheitsmagazin Die Presse im Ersten UniLive Private Banking Luxury Estate Luxury Living Luxury Times Ausland Europa Inland Österreich Wien Wirtschaft Finanzen Feuilleton Sport Debatte Mein Geld Rechtspanorama Geschichte Wissen & Innovation Immobilien Management & Karriere Bildung Reise
Die Presse Seit 1848
Ausland Europa Inland Österreich Wien Wirtschaft Finanzen Feuilleton Sport Debatte Mein Geld Rechtspanorama Geschichte Wissen Innovation Immobilien Management Karriere Bildung Reise Ode.

Verena Knemeyer

Wer ein Auge für Fotografie hat, findet Ästhetik überall. So inszeniert Verena Knemeyer, die ihr Handwerk in Bielefeld und Melbourne erlernt hat, längst nicht nur Mode. Seit 2016 lichtet sie auf ihren Road Trips durch die USA jedes Rathaus ab, das ihr vor die Kamera gerät. Egal ob Gebäude oder High Fashion, eines darf nie fehlen: Authentizität. Am liebsten mischt sie darum für ihre Fashion Editorials das gestellte Studio-Setting mit den spontanen Momenten draußen.

MERCI

Tough times don’t last. Tough teams do.

Eva Maria Pilartz

Berlin, Kapstadt, Marrakesch, Köln – Eva Maria Pilartz hält sich selten lange am selben Ort auf. Sie ist aber nicht etwa auf Weltreise, sondern übt ihren Beruf als Hair and Make-up Artist leidenschaftlich gerne überall auf der Welt aus. Am meisten gefällt ihr dabei die Nähe zu verschiedenen Menschen. Ob Fashion Editorial oder TV Show, sie möchte stets die individuelle Schönheit ihrer Models betonen.

Izabela Macoch

Berlin ist ihre Heimat und die Welt ihr Zuhause: Als Stylistin reist Izabela Macoch so oft von A nach B, dass sie längst mehr Meilen als Schuhe sammelt. Wenn die Berlinerin nicht gerade die coolsten Looks aus dem Hut zaubert, unterrichtet sie an der AMD Berlin, macht Yoga, meditiert oder geht so lange spazieren, bis ihr Bauch grummelt. Wohin es dann geht? Egal. Hauptsache, dort gibt es scharfes Essen.

Nathalie von Gordon

Die gebürtige Bayerin lebt und arbeitet seit 25 Jahren in Hamburg, abgesehen von kleinen Ausreißern nach Florenz, München und Offenburg. Nach einem Master in Modedesign und einigen Jahren als Moderedakteurin entschied sich Nathalie, als FreelanceStylistin zu arbeiten. So kann sie ihre Leidenschaft für Mode mit der Liebe zu Reisen und fremden Kulturen verbinden. Und wenn auch sie einmal nicht weiß, was anziehen, greift sie nach einem schneeweißen Hemd. Dieses bleibt trotz zwei Kindern ihr Lieblingsstück.

Jakob Kotzmuth

Stillstehen ist gar nichts für den österreichischen Fotografen Jakob Kotzmuth – außer natürlich, es steht gerade ein Model vor seiner Kamera. Vor drei Jahren tauschte er die Heimat gegen Hamburg, wo es ihn aber nie für allzu lange hält: Für verschiedene Projekte und Ausstellungen arbeitete er auch in London, Seoul, New York, Amsterdam, Berlin und Mallorca. Mode inszeniert er genauso leidenschaftlich wie er die Einzigartigkeit seiner Subjekte auf Porträts festhält.

N°06 /  2024 16

AUSTER HOUSE OF

CONTEMPORARY & VINTAGE OBJECTS OF DESIRE

VIENNA'S FIRST SHOPPABLE APARTMENT

@HOUSEOFAUSTER NEUBAUGÜRTEL 20/7, 1070 WIEN HOUSEOFAUSTER.COM
OPENING HOURS: THURSDAY AND FRIDAY 10 A.M. 6 P.M. | SATURDAY 10 A.M. 3 P.M.

Kasperi Kropsu

Vor einigen Jahren tauschte Kasperi das Skateboard gegen die Kamera. Seither geht der Finne nicht mehr ohne aus dem Haus –nicht einmal zum Supermarkt um die Ecke. Es gibt schließlich in seiner Heimat Helsinki auch einiges einzufangen. Gut gekleidete Menschen, die fortschreitende Gentrifizierung oder verzerrte Spiegelungen zum Beispiel. Ein perfekter Tag besteht für ihn deshalb aus ziellosem Umherspazieren. Und wenn ihm dann die nordische Tristesse doch einmal zu viel ist, zieht es ihn für neue Inspiration nach Paris.

Bianca Ugas

Ihr gutes Auge nutzt

Bianca nicht nur, um bei uns ein kreatives Layout nach dem anderen zu zaubern, sondern auch, um die besten SecondhandPieces schon von Weitem zu erspähen. Am Wochenende stöbert unsere neue Grafikleiterin nämlich am liebsten durch Flohmärkte, stets mit der Mission, ihre Vintage Designertaschensammlung um ein weiteres Prachtstück zu ergänzen. Nur im Sommer sucht man sie dort vergebens – dann weilt Bianca im heimischen Sardinien und genießt Sonne, Meer und reichlich Aperol Spritz. Welcome to the Team!

It’s what you do right now that makes a difference.

Die zehnjährige Ava Pivot hätte sich Clippings in der Wendy gewünscht, heute sind es Vogue, Elle oder FACES, die die Vita der Fotografin schmücken. Die Liebe zu Tieren sitzt der ehemaligen Profi-Reitern tief im Herzen, über die Jahre hat letzteres jedoch auch derjenigen für Fotografie Platz gemacht. Zudem schlägt Pivots Innerstes Stakkato für ihre Zwillinge, ihre beiden Weimaraner und guten Kaffee, der die Deutsche selbst durchs chaotischste Durcheinander bringt

Adrienne Meyer

Time flies when you’re having fun: Schon ist ein Jahr vergangen, seit Adrienne bei uns ihr Redaktionspraktikum gestartet hat. In dieser Zeit hat sie sich fleißig die Finger für Heft und Website wund getippt –und sich dabei mit Eiskaffee und Sushi bei Laune gehalten. Nun ist es Zeit für den nächsten Schritt: einen Master in International Relations. Auch das wird ihr meisterhaft gelingen, da sind wir uns sicher.

Lynn Zbinden

Bald kann Lynn mehrsprachig ihre ansteckend gute Laune und lustigen Anekdoten aus dem Leben einer 17-Jährigen verbreiten: Nach ihrem Grafikpraktikum bei uns verbringt sie nämlich einen Monat in Nizza, um ihr Französisch aufzubessern. Danach wird sie den ganzen Sommer lang auf ihren Rollerblades den See entlang flitzen, bevor sie ab Herbst eine Lehre als Grafikerin beginnt. Dafür wünschen wir alles Gute und viel Erfolg – wir wissen jetzt schon, dass sie das locker schaffen wird.

Ava Pivot
N°06 /  2024 18
TIMELESS PIECES FOR A CURATED WARDROBE DOCUMENTED BY ALICIA DUBUIS TALENT: ASSAN SOWE, STYLING: HANNA RUECKERT, H&M: NICOLA FISCHER DESIGNED AND MADE IN SWITZERLAND CASAVAYU.CH

„DO YOUR DANCE.“ THE FACES

N°06 /  2024 20

JERSEY BOY

„You give love a bad name“, sang Papa Jon. Doch seinen Sprössling kann der Bon-Jovi-Frontmann damit nicht gemeint haben. An der Seite seiner frisch angetrauten Gattin Millie Bobby Brown (Star der Netflix-Serie „Stranger Things“) zeigt sich Jake Bongiovi so romantisch wie die herzförmige Pralinenschachtel in einem Schwanentretboot. Das Traumpaar ist jetzt auch ein Berufsverband: Im Film „Rockbottom“ gibt das Model sein Schauspieldebüt als Sänger einer Glamrockband. Hm, vielleicht hatte Dad für die Rolle noch ein paar alte Haarspraydosen übrig.

© PICTURE ALLIANCE / IK ALDAMA
N°06 /  2024 21
Dress: schwarz, Zukunft: goldig.

CAITLIN CLARK

FEVER DREAM

Es scheint, als könnten sich die USA in diesen Tagen nicht einmal mehr darauf einigen, welche Farbe Ketchup hat. Doch wenn Caitlin Clark zum Basketball greift, staunt das ganze Land. Dank ihr erzielte das NCAA Women’s Championship Turnier die höchsten Einschaltquoten in seiner Geschichte – 18.9 Millionen Menschen verfolgten das Finale. Jetzt spielt die 22-Jährige in der Profiliga für das Team Indiana Fever und bringt die Gegnerinnen ins Schwitzen. Sportliche Rekorde? Fast alle gebrochen. Werbedeals? 28 Millionen Dollar alleine mit Nike. Swish!

© PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM / LARRY C. LAWSON N°06 /  2024 22
Das er rein geht? Sichere Wette.

Sommerlektüre? Check!

LIEBLINGSLIBRO

Koffer für den Strandurlaub schon gepackt? Scusi, der muss noch mal auf. Notfalls ein Paar Schuhe weniger mitnehmen. Denn Sacha Naspinis Roman „Hinter verschlossenen Türen“ gehört mit rein. Nach „Nives“ (bitte auch mit auf die Reise bringen, vielleicht im Handgepäck) ist es das zweite Werk des Italieners, das jetzt in deutscher Sprache erscheint. Der Autor erzählt Geschichten aus seinem Heimatland und übersetzt sie in universelle Sehnsüchte. Und tut dies so elegant, gewitzt und skurril, dass selbst Fellini dafür ins Bücherregal greifen würde.

SACHA NASPINI
© MICHELE GUERRINI N°06 /  2024 23

MISS LIBERTÉ

Wenn Idioten labern, muss Aya Nakamura umso lauter singen. Als bekannt wurde, dass Frankreichs erfolgreichster Popstar bei der olympischen Eröffnungszeremonie in Paris singt, meldeten sich tout de suite die dümmsten Stimmen zwischen Strasbourg und Biarritz. Zu wenig französisch sei die Diva, deren Eltern einst von Mali eingewandert sind. Aus der hitzigen Debatte – wahrscheinlich begleitet von hektischer Akkordeonmusik – hielt sich die Angesprochene souverän heraus. Doch mit ihrer Antwort wird sie am großen Tag gewiss den richtigen Ton treffen.

AYA NAKAMURA
© FIFOU AYA NAKAMURA N°06 /  2024 24
Vive la hair flip!

Meint es ernst, aber auf lustig.

STUNTMAN

Am königlichen Hof war es oft nur ein Hofnarr, der die unangenehmen Wahrheiten aussprechen durfte. Monarchie findet heute nur noch auf Gedenktellern statt. Doch in unserer Korpokratie treibt Oobah Butler Schabernack. Seine journalistischen Husarenritte führen den Engländer undercover ins Amazon-Logistikzentrum oder mit erfundenen Restaurants bis ganz nach oben in die TripAdvisor-Ranglisten. Nachdem seine alte Heimat Vice den Löffel abgegeben hat, schreibt der Bestsellerautor jetzt ebenso messerscharf weiter für Institutionen wie den Guardian.

© MTV/PA N°06 /  2024 25

SPACE ACE

Wenn unsere Urenkelkinder eines Tages ihre Fahrradtour auf dem Mars machen, werden sie vielleicht an einer Statue von Alyssa Carson vorbeiradeln. Die 23-jährige Astrobiologin bringt sich zurzeit in Stellung, als eine der ersten Menschen ihren Fuß auf den roten Planeten zu setzen. Den Wunsch, nicht nach den Sternen zu greifen, sondern auf solchen zu landen, fasste die Amerikanerin im Alter von drei Jahren. Seither hakt sie die Bedingungen im NASAQualifikationsbogen ab und ist Inspiration für junge Frauen, die in MINT-Berufen hoch hinaus wollen.

© NASA N°06 /  2024 26
Rocket Girl in Training.

Im Osten nichts Neues? Von wegen.

SCREEN QUEEN

Sie flüchtet vor Godzilla und trägt einen Kimono. Doch Anna Sawai kreuzt in ihrer TV-Karriere nicht bloß Felder ab auf der kulturellen Klischee-Bingokarte. In „Monarch: Legacy of Monsters“ führt die Japanerin als Protagonistin durch ein Kaiju-Spektakel, das menschliche Konflikte ins Zentrum rückt. Und in „Shōgun“ brilliert die Schauspielerin als feudale Hofdame, die zwischen Ost und West vermittelt. Der Erfolg des ehemaligen J-Popstars steht für ein neues Hollywood, das asiatische Traditionen zelebriert, ohne diese mit einem Gong anzukündigen.

© PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT / XAVIER COLLIN / AVALON N°06 /  2024 28

SOFTCORE

Grüner wirds nicht. Zuletzt waren es meist Schauspieler irischer Herkunft, die uns mit enigmatischen Performances vergessen ließen, dass noch Popcorn im Becher ist. Doch während Cillian Murphy den Oscar gewinnt und Barry Keoghan nackt tanzend viral geht, muss Paul Mescal wie ein verborgener Schatz gefunden werden – noch. Den Jackpot-Typus sensibel-maskulin meistert er in Filmen wie „Aftersun“ oder „All of Us Strangers“. Und als Sprecher in der Gucci-Doku „Who is Sabato de Sarno?“ will man ihn sofort für die nächste Partynacht befreunden.

PAUL MESCAL
© PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT / JULIE EDWARDS AVALON
N°06 /  2024 29
One shot of Mescal, bitte.

NATURWUNDER

Mutter Erde geht es schlecht. Doch immer mehr Töchter stehen am Krankenbett und kämpfen um ihre Genesung. So wie Wawa Gatheru. 2021 gründete die hochdekorierte Abgängerin der amerikanischen Oxford Universität die Jugendbewegung Black Girl Environmentalist. Diese setzt sich zum Ziel, von Umweltschäden besonders betroffene Women of Color verstärkt im Kampf gegen den Klimawandel einzubinden. Inzwischen lauscht nicht nur ein Millionen-Publikum auf Social Media, sondern auch Joe Bidens Regierung, die von der 25-Jährigen offiziell beraten wird.

© PICTURE ALLIANCE / NURPHOTO / IMAGE PRESS AGENCY XAVIER COLLIN N°06 /  2024 30
Am Planet retten, no big deal.

SIMON PORTE JACQUEMUS

DADDY FRAIS

Dürfen wir hier einfach so die neue Privatadresse des Designers abdrucken? Wir riskieren es: Simon Porte Jacquemus, Wolke 7, Siebter Himmel. Im Frühling wurde er mit seinem Partner Marco Maestri Vater von Zwillingen. Gleichzeitig lancierte der Franzose seine erste Brautmoden-Kollektion und hatte danach noch genug Weiß übrig, um Zendaya für ihre „Challengers“-Pressetour einzukleiden. Als ordenförmiger i-Punkt zum Glück wurde der Meister der Romantik schließlich zum Ritter der Künste und Literatur ernannt, Frankreichs höchste kulturelle Ehrung.

© PICTURE ALLIANCE / FIRST VIEW / COVER IMAGES
N°06 /  2024 31
Oh là là, ein Ritter in Sneakers.

THE HYPE

„LET’S GET EXCITED!“

N°06 /  2024 32

FASHION

Don’t try to fit in when you’re born to stand out.

It-Piece

CARGO? COOL!

Man liebt sie oder man hasst sie, verschwinden tun sie nicht: Modetrends aus den Neunzigern. Unser liebstes Stück gerade? Utility Pants! Sie kommen in allen Farben und Styles, eines darf aber nicht fehlen: Die unzähligen Taschen, in denen wir alles verstauen, was wir im Alltag so brauchen.

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CLEMENTINE DREAM

Auf Instagram postet die kanadische Künstlerin Gab Bois abstrakte Kunst, irgendwo zwischen Fiebertraum und Avantgarde. Oft im Mittelpunkt: Lebensmittel und die Natur. Mit dem Label Canapés verlässt die Kunst das Digitale und lässt sich auch im echten Leben tragen. Nach einer Tasche in Form eines Rhabarberblattes folgt in der Frühlingskollektion das wohl kreativste Paar High Heels: Mit täuschend echt aussehenden Clementinen unter den Fersen. Im leuchtendsten Orange ziehen wir alle Blicke auf uns – sofern wir Glück haben und eines der limitierten Paare ergattern können. Canapés, „Clementine Heels“, Sandalen aus Leder, ca. 555.– (canapesss.com)

N°06 /  2024 34
„Everyone looks cool in the ’90s.“
Sydney Sweeney

New Collection COASTAL LIVING

Pünktlich zur Hitzesaison kommt Lido, die neueste Kreation aus dem Hause Gucci. Bikinis, Taschen, Schuhe und Co. kommen im klassischen GucciLook daher, werden aber dank neonfarbener Details zu unseren liebsten Sommer-It-Pieces. Ob strohige Strandtaschen oder knallorange Badelatschen – das Outfit für die nächste Poolparty ist gesetzt. gucci.com

N°06 /  2024 35

Trend

RISKY BUSINESS

Warum schöne Unterwäsche tragen, wenn sie ja sowieso niemand sieht? Wer sich das schon öfter gefragt hat, freut sich bestimmt, dass auf den Laufstegen transparente Teile neue Trends setzen. Klar, alltagstauglich

sind die Stücke nicht unbedingt. Und ein bisschen Mut braucht es auch, um sich in einen durchsichtigen Stoff zu hüllen. Aber Mode macht doch genau dann am meisten Spaß, wenn sie die Grenzen austestet.

N°06 /  2024 36

GUILT-FREE STEPS

Wir alle lieben neue Sneaker – über deren Herstellung wollen wir aber meist lieber nicht allzu viele Details erfahren. Für Leder sterben Tiere, und Kunstleder besteht oft aus Plastik. Eine

nachhaltige Alternative findet man bei The Rice Society. Die Sohlen ihrer Sneaker bestehen aus Reishülsen, also Restmüll aus der Reisproduktion. Die Kreativität hört da noch nicht auf: Auch Mais, Baumwolle und

Kartoffeln kommen zum Einsatz. Folgende Grundsätze müssen bei The Rice Society eingehalten werden: Es soll nur Abfallmaterial verwendet werden, das Material muss aus Europa stammen und es muss

vegan sein. Das Ergebnis: Stylische Schuhe, die es locker mit der Konkurrenz aufnehmen können und in Sachen Nachhaltigkeit zuvorderst mitmischen. Da darf man sich schon mehr als ein Paar gönnen. thericesociety.com

the World
Unfuck
N°06 /  2024 37

BEAUTY

Fragrance is a message, a scented slogan.

Hair Trend

CAN’T BE TAMED

Goodbye, Haarbürste! Unsere Haare dürfen jetzt in alle Richtungen abstehen. Mit einer wilden Mähne genießen wir den Sommer – und gönnen unserem Haar eine wohlverdiente Pause von Glätteisen und Co. Dass nach einem Sprung ins kühle Nass die Frisur sowieso nicht mehr perfekt sitzt, kommt diesem Trend gerade gelegen.

38 N°06 /  2024

Book

PERFUME POETRY

Wenn Bilder riechen könnten… Louis Vuittons hauseigener Parfumeur

Sugardaddy oder doch Workaholic? Nein, hier geht es nicht ums Swipen auf Tinder und Co. Die Qual der Wahl haben wir trotzdem und zwar aus fast einem Dutzend Duschgels von Fugazzi. Neben den umwerfenden Düften und der Provitamin-B5-Formel, die unsere Haut geschmeidig macht, lieben wir vor allem die kreative Namensgebung: Thirsty, Nocologne und Angel Dust gehören ebenfalls zu unseren Favoriten. Fugazzi, Duschgel, 250 ml, ca. 34.–, fugazzifragrances.com

Louis Vuitton, „A Perfume Atlas“, ca. 158.–, louisvuitton.com

Jacques Cavallier Belletrud zeigt in „A Perfume Atlas“, wo auf der Welt die Schätze liegen, die einen Duft ausmachen. Von der Ernte über die Destillation bis hin zum fertigen Duft wird hier kein Schritt ausgelassen. Eine Augenweide nicht nur für Reiselieb-haberInnen, sondern auch für alle, die sich schon immer fragten, wie aus Pflanzen hinreißende Düfte werden.

New Product FRAGRANCE
FORCE
N°06 /  2024 39

Make-up Trend

New Perfume SMELLS LIKE VACATION

Birne, Mango, Zedernholz, ein Schuss Kokos und Vanille und den Spirit der legendären Paula’s Boutique auf Ibiza: Fertig ist der perfekte Sommerduft. „Cosmic“ heißt die neueste Kreation aus der Loewe-Parfümfamilie,

die in einem Flakon daherkommt, den man glatt mit einem Sonnenuntergang auf der Insel verwechseln könnte.Loewe, „Paula’s Ibiza Cosmic Eau de Parfum“, 50 ml, ca. 107.–, loewe.com

Rote Lippen waren gestern. Und normaler Lippenstift auch. Heute sind es grüne Linien, die wir auf unsere Lippen auftragen. Oder jegliche andere Formen und Farben, auf die wir gerade Lust haben. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt – wir schminken uns ganz nach dem Credo „je exzentrischer, desto besser“.

NO MORE
BOREDOM
N°06 /  2024 40

Nice to Have

OPULENCE

Der Hochsommer steht vor der Tür und der Schweiß fließt jetzt schon. Die einen spritzen sich ein bisschen Wasser ins Gesicht zur Erfrischung. Andere bevorzugen Kaviar – man gönnt sich ja sonst nichts! Ja, richtig gelesen: Die Delikatesse liegt nicht nur hübsch angerichtet auf dem Teller eines Mehrgängers, sondern auch in der leuchtend blauen

Flasche des limitierten Feuchtigkeitssprays der „Skin Caviar“-Linie von La Prairie. Also los, Augen schließen, sich auf eine Luxusyacht träumen und lossprayen!

N°06 /  2024 41
La Prairie, „Skin Caviar The Mist“, Feuchtigkeitsspray, 50 ml, ca. 190.–, laprairie.com

Places

BLUE LAGOON

Als Kind träumten wir alle vom eigenen Baumhaus. Und seit wir vom Hotel Boca de Agua in Mexiko gehört haben, ist dieser Traum wieder neu entflammt. Auf der Halbinsel Yucatan, zwischen saftigem Dschungel und kristallklarer Lagune, gliedern sich die Baumhausähnlichen Unterkünfte in die Umgebung ein. Hier wird man eins mit der Natur. Diese soll aber trotz Luxusunterkunft möglichst in Ruhe gelassen werden: 90 Prozent der Umgebung gehört zu einem Schutz- und Regenerationsprogramm. Boca de Agua, Chetumal-Cancun KM 4.5, 77963 Bacalar, Q.R., Mexiko, bocadeagua.com

TRAVEL

42 N°06 /  2024
Adventure may hurt you, but monotony will kill you.
„I quit flying years ago. I don’t want to die with tourists.“
Billy Bob Thornton

Ab nach Ibiza! Wer diesem Ruf nicht physisch folgen kann, dem schafft das Buch „Ibiza Bohemia“ Abhilfe. Dort wird der Spirit der Insel Seite für Seite so lebhaft eingefangen, dass man sich mit ein bisschen Vorstellungskraft schon fast wie am Strand fühlt.

Und damit beim Durchblättern das Kopfkino noch lebendiger flimmert, zünden wir die zum Buch passende Duftkerze an. Renu Kashyap, Maya Boyd, „Ibiza Bohemia“, Assouline, ca. 102.– und „Ibiza Bohemia“, Kerze, ca. 73.–, assouline.com

Unfuck the World LAGERFEUER

ROMANTIK

Dass Flugreisen nicht klimafreundlich sind, wissen wir alle. Campen in der Wildnis klingt da schon mehr nach Einklang mit der Natur. Campingund Outdoor-Equipment wird aber oft nicht fair und nachhaltig produziert. Eine Lösung haben die GrazerInnen Elisa Fuchs und Patrick Lenzbauer: In ihrem Online-Shop Ethicamper finden CampingenthusiastInnen alles, was sie für ein Abenteuer im Grünen brauchen –aus fairer Produktion und nachhaltigen Materialien. Da das Paar selbst gerne in der Natur unterwegs ist, kann man seinen Tipps getrost vertrauen: Die beiden vergleichen und testen jedes Produkt selbst. Nur wenn sie ein Angebot ethisch und moralisch vertreten können, landet es auch in ihrem Online-Shop. Na dann: Ethicamper durchstöbern, Rucksack packen und los! ethicamper.com

FÜR
Nice to Have REIF
DIE INSEL
N°06 /  2024 43

Liebling

CRUSH

Eigentlich wollen wir gar nicht wissen, wie grob unser Gepäck gehandhabt wird, während wir gemütlich im Flugzeug sitzen und Tomatensaft schlürfen. Dass man davon auch nichts sieht, dafür sorgen die Koffer von Crash Baggage: Die sind nämlich schon ordenttlich verbeult – und halten dank ihrer Schale aus Polycarbonat so einiges aus. Einen regelrechten Crush haben wir auf die knallgrüne Version, die in Kollaboration mit MSGM entstanden ist. So erspähen wir unser Hab und Gut als Allererste in der Gepäckausgabe. Crash Baggage x MSGM, „I Have a Crash on You“, Koffer aus Polycarbonat, ca. 440.–, crashbaggage.com

We Love

AMORE

Diesen Sommer buchen wir ein Zimmer im Windsor. Nein, nicht bei der royalen Familie in England. Auf Ligurien befindet sich nämlich das Windsor Hotel, das es in Sachen Luxus und Komfort locker mit dem britischen Schloss aufnehmen kann. Zimmer mit Meeresblick, eine hoteleigene Bar und das historische Dorf Laigueglia gleich um die Ecke – da fühlt man sich auf jeden Fall königlich. Hotel Windsor, Piazza XXV Aprile, 817053 Laigueglia, Italien, thewindsor.it

N°06 /  2024 44

New

Product

ZELTLAGER

Zelten ist romantisch –wären da nicht Ungeziefer, Schlamm und harter Untergrund. Für alle, die am liebsten das heimische Bett mit zum Outdoor-Abenteuer nehmen würden, ist „Thule Outset“ das Richtige. Das Zelt für die Anhängerkupplung bringt die Reise vom Zeltlager-Feeling schon eher in Richtung Glamping.

Es lässt sich einfach montieren, hat eine weiche integrierte Matratze und bietet einen Panoramablick.Thule, „Thule Outset“, Zelt fürAnhängerkupplung, ca. 3'900.– , thule.com

N°06 /  2024 45

EAT&DRINK

A party without cake is just a meeting.

Liebling

SWEET TREAT

Japan kann mehr als Sushi, das ist klar. Die süssen Mochis sind längst auch bei uns ein Desserthit –besonders an heißen Tagen. Am liebsten wühlen wir uns durchs Sortiment von Little Moons, wo es uns die drei Sorten Belgian Chocolate, Passionfruit Mango und Yuzu Lemon besonders angetan haben. Auch Peta wurde auf die drei veganen Kreationen aufmerksam und hat diese sogleich mit dem Peta Vegan Food Award ausgezeichnet. Für eine süße Erfrischung braucht’s schließlich kein Tierleid. littlemoons.com

N°06 /  2024 46
„I really only drink water and coffee. I’m not really a big juice person.“

Reneé Rapp

Unfuck the World DIZZY ON CAFFEINE

Wir lieben ihn, unseren morgendlichen Kaffee. Manche von uns so sehr, dass sie ohne ihn kaum aus dem Bett kommen. Dass die magische Bohne leider oft unter weniger magischen Umständen geerntet wird, hinterlässt aber einen noch bittereren Beigeschmack als der stärkste Espresso. Gut gibt es Unternehmen wie Tropical Mountains, das dafür sorgt, dass der Kaffeeanbau unter fairen Bedingungen geschieht. Seit 2012

wachsen an einem entlegenen Ort in Peru nicht nur feinste Kaffeebohnen, sondern das GründerInnenPaar setzt sich auch für die Entwicklung der Region ein, beispielsweise für Schulen, Arbeitsplätze und befahrbare Straßen. So genießen wir unseren morgendlichen Wachmacher ohne schlechtes Gewissen –und spazieren gleich ein paar Mal öfter zur Kaffeemaschine. tropicalmountains.com

Kaum hatte Chet Sharma seinen Doktortitel in Physik in der Tasche, realisierte er, dass er sich doch in der Küche wohler fühlt als im Labor. Zum Glück! Denn mittlerweile ist er aus der Londoner Food-Szene nicht mehr wegzudenken. In seinem Restaurant Bibi gibt es indisches Essen in all seinen Facetten –und mit einem modernen Twist. Vorbei sind die Zeiten, in denen man nur das Curry vom Takeaway um die Ecke kannte. bibirestaurant.com

We Love CHEF CLEVER
N°06 /  2024 47

SALONE DEL MOBILE

Outdoors

SONNENZEIT

Wer drinnen die schönsten Designermöbel sammelt, aber draußen auf klapprigen Plastikstühlen sitzt, sollte sich schnellstens die neue Outdoorkollektion von Boffi De Padova anschauen. Die beiden Kollektionen „Afternoons“ und „Honoré“ bieten alles, um den Garten oder die Terrasse in ein sonniges Freiluftwohnzimmer zu verwandeln. Dank innovativen Materialien wie wasserabweisenden Stoffen und schnelltrocknendem Polyurethanschaum hinterlässt auch das ein oder andere Sommergewitter keine Spuren. boffidepadova.com

An empty room is a story waiting to be written.
48 N°06 /  2024

Dream Team

FUTURE NOSTALGIA

Wie bringt man den gemütlichen Lieblingssessel, der etwas verstaubt und durchgesessen in der Ecke steht, in die Zukunft? Indem man Modedesigner Tiziano Guardini sowie Architekt und Designer Luigi Ciuffreda ans Werk lässt. Für B&B Italia haben die beiden Jungtalente „Narinari“ kreiert, der in unserem Wohnzimmer sofort zum neuen

IN STYLE

Lieblingsplatz wird. Seine ungewöhnliche Form regt die Fantasie an und erinnert an geschickt gefaltetes Origami oder einen landenden Vogel – aber bestimmt nicht an den alten Fernsehsessel, den wir sogleich aus unserem Heim verbannen.

B&B Italia, „Narinari“, Sessel, ca. 3’220.–, bebitalia.com

Manche lassen sich nur schwer zum Sport motivieren. Die richtige Playlist, das passende Outfit und doch schleppen wir uns nur halb begeistert ins Gym. Was bisher fehlte, ist Ausrüstung, die so stylish ist, dass wir unser Wohnzimmer sofort in ein Fitnessstudio umwandeln wollen. Die Bank mit Stauraum für Hanteln von Technogym hat sich für das 40-Jahre-Jubiläum einem Makeover unterzogen: 40 DesignerInnen durften sich austoben, um der Technogym Bench ihren ganz persönlichen Touch zu verleihen. An wilden Mustern, Farben und Texturen wurde nicht gespart. Ob Fransen, Leder oder Graffiti – man könnte glatt vergessen, dass es sich hier um Sportequipment und nicht um Kunst handelt. Am liebsten wollen wir sie alle sammeln. Und dann klappt es auch mit dem GymLifestyle. technogym.com

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Kunstvoll

AUF DEM TEPPICH BLEIBEN

Bei komplett mit Teppich gepflasterten Wohnräumen packt uns das nackte Grauen, bei kalten Füßen aber ebenso. Ein bisschen Wolle unter den Zehen muss also sein. Das Modell „Kanji“ von Rimadesio gefällt uns so gut, dass wir uns kaum trauen, es mit Möbeln zu verdecken. Also nichts wie Schuhe aus, Socken aus, hinlegen und an die Decke starren. rimadesio.it

Collection

WELTREISE

Giorgio Armani wäre gerne Regisseur geworden. Die Mode- und Designwelt ist jedoch froh, hat es ihn nicht hinter die Kamera verschlagen. Cineastisch ausleben konnte er sich an der Mailänder Möbelmesse trotzdem. Denn dort

öffnete er die Tore zum Palazzo Orsini, dem historischen Hauptsitz von Armani. Ein Rundgang durch die Räume fühlt sich an wie eine filmische Reise in ferne Länder. „Echoes of the World“ nennt der Designer die

neue Armani/Casa Kollektion, die uns mitnimmt nach Japan, China, Marokko und in alle anderen Länder, die Armanis Inspirationsquelle zum Sprudeln bringen. armani.com

New
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ICONIC

Vom venezianischen Palazzo über ein Restaurant in Aspen bis zum Haus in Bel Air: Innenarchitekt Giampiero Tagliaferri hinterlässt in jedem Raum seine persönliche Handschrift. Seine beiden Heimatstädte Mailand und Los Angeles spiegeln sich im Design wider, denn gerne trifft klassische italienische Schönheit auf kalifornischen Modernismus. Man nehme dazu noch eine Prise Nostalgie und fertig ist „Pattie“, Tagliaferris Design für Minotti. Schwungvolle Linien und die üppige Polsterung erinnern an die Siebzigerjahre – eine Zeit, die am diesjährigen Salone del Mobile besonders oft als Inspirationsquelle diente. Minotti, „Pattie“, Sessel, ca. 7’120.–, minotti.com

The Star
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Ihm gehen weder das Lachen noch die Designideen jemals aus: Giampiero Tagliaferri.

Film ab: 90 Jahre Designgeschichte lassen sich besser in Bildern als mit Worten zusammenfassen.

Jubiläum

MADE IN ITALY

90 Jahre muss man feiern! Wie soll man sie aber literarisch zusammenfassen in einer zunehmend lesefaulen Welt? Indem man sich am Kino orientiert. Vor neun Dekaden gründeten Angelo und Giuseppina Molteni ihr Unternehmen. Das Buch „Molteni Mondo: An Italian Design Story“ zelebriert die kreativen Jahrzehnte. Und soll beim Durchblättern an einen Film erinnern,

der die lange Erfolgsgeschichte der Marke erzählt Spencer Bailey „Molteni Mondo: An Italian Design Story“, Rizzoli New York, ca. 85.–, molteni.it

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CAMPING INDOORS

Bei Klappstühlen denkt erst einmal niemand an erstklassiges Design. Vielmehr sehen wir Festivals und Campingplätze vor unserem geistigen Auge. Flexform überzeugt uns vom Gegenteil und macht die praktische OutdoorSitzgelegenheit zum Star des Wohnzimmers. Mit bequemem Leder und elegant geschwungenem Design kann der faltbare Stuhl mit jedem gemütlichen Sessel mithalten. So bringt man das Campingfeeling direkt in die eigenen vier Wände. Minus Hitze, Mücken und Schlamm. Dafür mit einer großen Portion Stil. flexform.it

SEEING RED

Zeit für ein WohnzimmerMakeover: Wir wollen alles rot. Und zwar in „Rosso Ancora“, wie sich der Farbton nennt, der am Salone del Mobile für Aufregung sorgte. Gucci hat nämlich fünf seiner legendären Designs aus vergangenen Jahrzehnten in den knalligen Farbton

getaucht und für die Gegenwart neu konzipiert. Die Kollektion „Ancora“ ehrt damit nicht nur zeitlose Designklassiker, sondern soll auch den Start der neuen Ära mit Creative Director Sabato de Sarno markieren. gucci.com

Ruby
Platzsparend
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Cozy LIGHTS ON

Interiordesignfans, die ihre Inspiration am liebsten online suchen, wissen es längst: Das sogenannte „Big Light“ hat ausgeknipst. Auf Social Media wurde es zum viralen Trend, grelles, ungemütliches Deckenlicht nicht mehr zu benutzen

und stattdessen das Wohnzimmer mit wärmeren, kleineren Lichtquellen zu füllen. Servomuto war an der Mailänder Möbelmesse die richtige Anlaufstelle für alle, die dem Lampentrend hoffnungslos verfallen sind. servomuto.it

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„Design is so simple. That’s why it’s so complicated.“
Paul Rand

Formvollendet

HINSETZEN, BITTE

Wir verbringen durchschnittlich etwa neun Stunden am Tag sitzend. Aus gesundheitlicher Sicht ist das bedenklich. Für DesignliebhaberInnen jedoch ist es eine gute Ausrede, in genügend Sitzgelegenheiten zu investieren. Wenn es nach DesignerInnen geht, können diese immer wieder optimiert werden. Die Kollektion „Ipanema“ von Poliform ist nämlich um ein Modell reicher, das dank dünner Lederpolsterung und angepasster Rückenlehne dazu verleitet, den Sitzdurchschnitt in die Höhe zu jagen. Auf zehn Stunden tägliches Sitzen sollten wir es so locker schaffen. poliform.it

Eklektisch (R)ETRO

Minimalismus war gestern. Üppige Blumenmuster waren vorgestern, genauer gesagt in den Sechzigern und Siebzigern – und sind

jetzt wieder mit voller Pracht zurück. Zumindest bei Etro. Der Sessel „Quiltana“ verzaubert uns mit einer gehörigen

Portion Vintage Charme. Die geschwungene Form verleiht dem Retrostück die nötige Prise Modernität. etro.com

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RADIANT BREEZE MARINE CLASS

Photography: Verena Knemeyer, Double T Photographers Styling: Heike Heldsdörfer Hair & Make-up: Eva Maria Pilartz, 21 Agency Assistance: Darren Virret Model: Lisa Helene, ICE Models
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Anzug von SÉZANE. Schuhe von COPENHAGEN.

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Kleid von JOSEPH. Sonnenbrille von ESCADA.
Rock und Blazer von BAUM UND PFERDGARTEN.
Hose und Bluse von LORO PIANA. Bluse von JOSEPH. Hose von 7 FOR ALL MANKIND. Sonnenbrille von SAINT LAURENT.
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Kleid von JOSEPH. Weste von GUESS.
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Kleid und Schuhe von FERRAGAMO. Blazer von JOSEPH.

PROVOKE ME BABY, ONE MORE TIME

SCANDAL N°06 /  2024 66

Der Provokateur selbst anno 1973: Das Jahr, in dem Oliviero Toscani mit einer Werbekampagne für die italienische Marke Jesus Jeans erste Skandalluft schnupperte.

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Bekannte Gesichter wie Sängerin Beth Ditto fühlten sich wohl vor Toscanis Kamera.

How much is too much?

Schwierig zu sagen, wenn man Oliviero Toscanis Fotografien für Benetton anschaut, auf denen antirassistische Messages genauso Platz finden wie Porträts von verurteilten Mördern.

Tod, Sexualität, Migration –der Meister der Provokation hat vor keinem Tabuthema Halt gemacht. Er war „woke“, bevor es zum umstrittenen Begriff wurde –und sammelte Kritik und Bewunderung gleichermaßen.

Im Museum für Gestaltung in Zürich ist nun die erste umfassende Retrospektive seines Schaffens zu sehen.

Text: Josefine Zürcher Fotos: Oliviero Toscani / Museum für Gestaltung Zürich

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Ist das noch Werbung? Die blutige Kleidung eines gefallenen Soldaten aus dem Bosnienkrieg, abgebildet auf einem Benetton-Plakat.

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In Partylaune: Toscani dokumentierte die wilde Feierszene des New Yorker Limelight-Clubs.

Ob bekannte Gesichter wie hier Künstler Keith Haring oder zufällig angetroffene Menschen auf der Straße: Toscani liebt Porträts.

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Simple Fotos, in die man einiges hineinlesen kann: So funktioniert Toscanis Provokation. N°06 /  2024 75
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Von Andy Warhol bis Mick Jagger machten sie alle Halt vor Toscanis Linse.
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Die wohl skandalträchtigste Benetton-Kampagne, die den öffentlichen Diskurs zum Thema Aids startete.

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Täglich öffnen wir Social Media und lassen uns vom Strudel des Scrollens verschlucken. Dort treffen wir zwischen der Selbstdarstellung und den inspirierenden Zitaten auch auf die Grausamkeiten, die in der Welt so passieren. Zu den hochglanzpolierten Selfies gesellen sich dann Bilder von Kriegstoten – und unser Gehirn muss alles in Sekundenschnelle irgendwo einordnen und verarbeiten. Selbst das akribische Kuratieren des eigenen Algorithmus schützt nicht vor grotesken News. Einzelne besorgte Stimmen werfen ab und zu das Wort Desensibilisierung in die Runde, aber groß ist der Aufschrei nicht – oder wir sind alle sehr gut darin, die offensichtlichen Missstände in die hinterste, dunkelste Ecke unserer Gefühlswelt zu verbannen. Wenn uns Schlagzeilen und Schreckensbilder kaum mehr berühren, dann lässt uns auch ein Werbeplakat mit Schockmessage kalt, oder?

ZWISCHEN HEDONISMUS UND GESELLSCHAFTSKRITIK

Dass Werbung, die Modeindustrie und gesellschaftliche Missstände einst ein Dream Team waren für KünstlerInnen, die eine Reaktion vom Publikum wollen, bewies Oliviero Toscani während Jahrzehnten. Er hat zusammengeführt, was eigentlich nicht zusammengehört. Aber von vorn: 1961 startet Toscani an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute Zürcher Hochschule der Künste) in der Fotoklasse. Noch als Student gewinnt er einen Wettbewerb und wird nach New York eingeflogen. Er arbeitet an ersten Modeshootings und taucht parallel in die StreetPhotography-Szene ein. Vor allem die Black Community und die wilde Partykultur haben es dem Italiener angetan: Er lichtet exzentrische PartygängerInnen in den legendären New Yorker Clubs Limelight und Studio 54 ab, porträtiert schwarze AmerikanerInnen. Und schließt mit keinem geringeren als Andy Warhol Freundschaft, den er ebenfalls immer wieder vor seiner Kamera inszeniert. Während in den Medien heutzutage eifrig über Rassismus, Wokeness und Identitätspolitik gestritten wird, als wären es brandneue Themen des 21. Jahrhunderts, hat Toscani stets einfach gehandelt. So überzeugt er 1972 L’Uomo Vogue, in einem Heft ausschließlich People of Color abzubilden. Dies gelingt ihm, weil er sein Material zu spät einreicht und das Magazin so gar keine andere Wahl hat. Toscani war auf seine Art „woke“, bevor der Begriff totdiskutiert und jeglicher Bedeutung entleert wurde. Rassismus, Migration, Geschlechtsidentität – die heißen Themen von heute haben Toscani immer interessiert. Sexuell befreite Menschen waren für ihn ein beliebtes Sujet genauso wie Ausbeutung, Kinderarbeit und Krankheit. Hedonismus und Gesellschaftskritik gehen bei Toscani Hand in Hand.

IM RADIKALISIERUNGSRAUSCH

1982 beginnt Toscanis Benetton-Ära. Die Anfänge sind fast brav, denn immerhin ist die Benetton-Kleidung noch auf den Kampagnen zu sehen. Schnell kristallisiert

Provokation! Nacktheit! Und alle heiklen Themen von Rassismus bis hin zu Aids: Es gibt kaum etwas Kontroverses, das Oliviero Toscani in seiner Fotografie nicht thematisiert hat. Das Museum für Gestaltung Zürich zeigt die erste umfassende Retrospektive seines Schaffens und bringtdenSkandalfotografen dorthin zurück, wo seine Reise ihren Lauf nahm: Der heute 82-Jährige war ab 1961 in der Fotoklasse der heutigen Zürcher Hochschule der Künste. Die Ausstellung beinhaltet über 500 Bilder – von seinen Anfängen in New York über die provokanten Benetton-Kampagnen bis hin zu seinen zahlreichen Porträts von Menschen aus aller Welt ist alles dabei.

Oliviero Toscani: Fotografie und Provokation, Museum für Gestaltung Zürich

Ausstellungsstrasse 60, 8005 Zürich 12. April bis 15. September 2024 museum-gestaltung.ch

sich aber heraus, dass Toscani mit der Marke mehr will, als Mode zu bewerben. Ab 1989 ist auf den Benetton-Kampagnen gar keine Mode mehr zu sehen. Eine nackte schwarze Frau, die ein weißes Baby stillt, ein Priester und eine Nonne beim innigen Kuss: Provokation ist längst Toscanis zweiter Vorname. Seine Kampagnen sind ein Mittel, Themen an die Gesellschaft zu tragen, über die sonst nicht berichtet wird. Immer weiter entfernen sich so die Mode und das Objekt von der Kamera. Die blutverschmierte Kleidung eines Gefallenen aus dem Bosnienkrieg, das magersüchtige Model Isabelle Caro, das wenige Jahre nachdem das Foto aufgenommen wurde, verstarb, ausgebeutete Kinder bei der Arbeit: Ist das überhaupt noch Werbung? Und wenn ja, wofür?

Da geht noch mehr, scheint Toscanis Devise zu sein. Dass niemand über Aids spricht, verhandelt er in einem Benetton-Plakat, das einen sterbenden Aidskranken und seine Familie zeigt. Auch dafür hagelt es Kritik, doch letztendlich leistet Toscani einen bemerkenswerten Beitrag zur Aufklärung über Aids. Sein eigenes BenettonMagazin „Colors“ widmet dem Thema eine Ausgabe, und darin geht es nicht darum, zu schockieren, sondern die Menschen darüber aufzuklären, wie sie sich vor der Krankheit schützen können.

BIS AN DIE GRENZE UND DARÜBER HINAUS

Aber darf man Menschen, die im Sterben liegen, auf einem Werbeplakat eines Modehauses abbilden? Oder arbeitende Kinder, die nicht einmal wissen, dass sie auf Plakaten in aller Welt zu sehen sind? Gibt es eine Grenze zwischen Werbung und Modefotografie, Kunst und gesellschaftlicher Aufklärung? Bei Toscani nicht, und so wird ihm immer wieder vorgeworfen, gesellschaftliche Probleme und die Schicksale einzelner Menschen für die Werbung zu instrumentalisieren. Für Toscani schien es nie Grenzen zu geben. Für Benetton schon. Nachdem Toscani im Jahr 2000 zum Tod verurteilte Insassen für eine Kampagne fotografiert, trennt sich Luciano Benetton im Streit von ihm. Zu groß ist der Unmut der Angehörigen von Opfern, als dass Benetton die Kampagne noch irgendwie hätte rechtfertigen können. Doch auch hier lässt Toscani Grenzen verschwimmen, lichtet er doch auch Menschen ab, die fälschlicherweise verurteilt wurden, und somit tatsächlich eine Opfer- und nicht eine Täterrolle einnehmen. Und trotzdem: Einen Mörder auf einem Plakat zu sehen, geht vielen einen Schritt zu weit.

Heute fragt man sich: Wo sind Toscanis NachfolgerInnen? Sind wir wirklich alle so desensibilisiert, dass Werbekampagnen ihre Skandalmagie verloren haben, oder hat sich einfach nie mehr jemand getraut – weder FotografInnen noch Brands – in den Abgründen der Menschheit zu wühlen und dem Publikum das Groteske vor Augen zu halten? Was machen wir mit Bildern, die uns nicht zum Denken anregen, die uns kaltlassen? Wir vergessen sie. Und das ist das allerletzte, was man als KünstlerIn will.

OLIVIERO TOSCANI: FOTOGRAFIE UND PROVOKATION
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ANIMALISTIC

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Text: Michael Rechsteiner Fotos: Louis Vuitton
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In ihrem Atelier hat Sun Yitian tierisch gute Ideen.
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Von der Kunstgalerie in den Kleiderschrank: Sun Yitian x Louis Vuitton.

Im Atelier von Sun Yitian wird das Massenprodukt zum Kunstobjekt. Und das Kunstobjekt ist jetzt zum Modeaccessoire vollendet worden. Die chinesische Künstlerin verrät uns, wie es zur Kollaboration mit Louis Vuitton gekommen ist – und erzählt die vielleicht wahrhaftigste Underdog-Story der Modegeschichte.

Wir beginnen mit einem Happy End. Denn wenn Sun Yitian nach ihrem Lieblingsmotiv in der neuen Pre-Fall Women’s Collection von Louis Vuitton gefragt wird, kommt eine Feel-Good-Story, für die wir uns eigentlich die Filmrechte sichern sollten. Drei Jahre ist es her, als vor dem Atelier der Künstlerin ein Hundewelpe unter das Rad eines Trucks geriet. „Ein Strassenhund, wie man sie überall in den ländlichen und urbanen Gebieten von China findet“, berichtet Yitian. Sie befreite das Tier aus seiner misslichen Lage und wurde mit einer zarten Freundschaft belohnt: „Sie wurde zur wichtigsten Begleiterin in meinem Leben. Die Hündin kam jeden Tag in mein Atelier und begleitete mich beim Malen. In ihren Augen sah ich, dass sie jemanden braucht, der sich um sie kümmert.“ Nicht nur sorgte sich Yitian fortan um ihre neue Gefährtin, sie verewigte ihren Hundeblick als Gemälde für die Bilderreihe „Peep Into Two Worlds With One Eye“. Diese dient jetzt Louis Vuitton als Grundmotiv für ein neues Sortiment von Kleidern, LederAccessoires und Parfums. So brachte es diese traurig schauende Streunerin vom Autounglück zum Luxus-Gassi um die ganze Welt. „Einst hatte sie kein Zuhause. Als sie dann auf einer Louis-Vuitton-Tasche auftauchte, empfand ich das als magisches Gefühl“, freut sich Sun Yitian. Der transformativen Kraft von Kunst wurde sich die Chinesin im jungen Alter bewusst: „Einmal bin ich nach einem Mittagsschlaf im Kindergarten aufgewacht und habe eine Prinzessin für meine KlassenkameradInnen gemalt. Mit einer Schere schnitt ich kleine Lücken in den Rock der Figur und hielt das Bild gegen die Sonne. Der Rock schien zu leuchten und die KlassenkameradInnen waren völlig überrascht und glücklich“, erinnert sich Yitian. „In diesem Moment war mein Interesse am Malen geweckt. Nach all den Jahren hat sich seit diesem Nachmittag im Kindergarten nichts geändert. Jeden Tag, wenn ich aufwache, möchte ich malen und die Leute mit meinen Bildern glücklich machen.“ Inspiration findet sie dort, wo andere nur Plunder wähnen. Knallfarbiges Plastikspielzeug, das von Fabriken in Massen herausgepumpt wird, inszeniert Yitian fotografisch als Stilleben und übersetzt dieses mit Acrylfarbe auf die Leinwand. Was wir einst als Kind in den Händen hielten, tritt jetzt als überlebensgroße Ikone in unser Bewusstsein zurück. Nicht länger als unbeschwerter Zeitvertreib, sondern Symbol für die Probleme unserer Welt: Massenproduktion, Überkonsum, Schnelllebigkeit. Doch durch die Sorgfalt und Grandezza, die Yitian ihren Motiven zuteil kommen lässt, werden diese negativen Etiketten abgerissen und das billige Banale verwan-

LOUIS VUITTON X SUN YITIAN: ANIMOGRAM

Louis Vuittons Pre-Fall Kollektion? Tierisch gut. Das Maison lanciert eine Auswahl seiner Klassiker neu mit den Designs von der chinesischen Künstlerin Sun Yitian. Taschen, Sneaker, Sandalen und diverse Accessoires werden so zur Spielwiese einer bonbonbunten Menagerie. Auch die von Nicolas Ghesquière entworfene Ready-to-Wear-Linie aus Kleidern, Mänteln, Pullovern und Röcken sorgt dafür, dass der Herbst garantiert nicht grau wird. Zudem schmücken die putzigen Kreaturen als LimitedEdition-Anhänger die Flakons der Signature Parfums „Spell On You”, „Imagination” und „Heures d‘Absence”. Mit einer solchen Gute-Laune-Offensive fällt es doch gleich viel leichter, sich vom Sommer zu verabschieden. louisvuitton.com

delt sich in strahlendes Kunsthandwerk. Lange bevor Kens Mojo Dojo Casa House im vergangenen Kinosommer unsere Feuilletons beschäftigte, regten Yitians Malibu gebräunte Puppenköpfe im Museum zum Nachdenken an. Gegenwartskunst „Made in China“ hat durch das Werk von Sun Yintian internationale Strahlkraft gewonnen. Ihre Bilder finden sich inzwischen in Museen und Kunstsammlungen Europas, Australiens und Amerikas. Und haben prominente Fans gewonnen – wie Louis Vuittons Artistic Director Nicolas Ghesquière. Als im vergangenen Herbst Yitian in der Pariser Esther Schipper Galerie ausstellte, wurde sie vom Luxusmodehaus zu einer Zusammenarbeit eingeladen. „Mir wurde eine Auslage von Stoffen gezeigt, die durch die Farben meiner Arbeiten inspiriert waren. Ebenso meine gedruckten Werke auf verschiedenen Materialien. Ich bewunderte die Kreativität und Effizienz der Marke und konnte vieles über die exquisiten Produktionstechniken lernen”, beschreibt Yitian das initiale Rendezvous.

Da sie die meiste Zeit in ihrem Atelier verbringe und dort ohnehin alle Kleider mit Farbe besudelt, legt Yitian bei ihrer persönlichen Kleiderwahl primär Wert auf Bequemlichkeit. Doch als Studentin schöner Dinge ist sie auch von Mode fasziniert. Ihre Designs nicht mehr nur an der Wand hängen zu sehen, sondern in Bewegung auf dem Laufsteg bei der Premierenshow im Long Museum von Shanghai, war ein imposantes Erlebnis: „Wenn die Musik spielt, kommt das Modell mit riesigen Tierprints auf dich zu, als ob dynamische Gemälde im Rhythmus dir entgegenschreiten. Langsam verschwinden dabei die Tierbilder und es bleiben nur abstrakte Linien und Farben übrig, die sich ineinander verschlingen”, beschreibt Yitian die Erfahrung. „Durch die ständige Rotation der Modelle verschwinden schließlich sogar die Farben und alle Entwürfe werden zu einer Art Schwarz-Weiß, einer Art Leere. In diesem Moment entsteht ein Randbereich, der eigentlich menschenleer sein sollte. Aber er ist noch immer erfüllt von Trommelschlägen, Licht, Ehrgeiz und Sehnsucht”, rundet sie den transzendentalen Moment ab. Vom Wegwerfspielzeug zum Kunstwerk zum Modeaccessoire haben die Motive von Sun Yintian einen faszinierenden Zyklus vollbracht. In jeder Instanz werden sie als Symbol mit einer neuen Bedeutung aufgeladen und auf andere Weise konsumiert. Verspielt und farbenfroh lösen sie jedoch in jeder Form beim Publikum ein spontanes Glück aus – ganz so, wie es damals nach einem Mittagsschläfchen im Kindergarten angefangen hat.

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SHAPING MATERIALS

Photography: Stefan Imielski

Creative Direction: June Tamó-Collin

Production: Snesha Bloom, Call List Production

Production Assistant: Désirée Myriam Gnaba

Styling: Lauren Isabel, Styling Assistant: Lisa Rogger

Hair & Make-up: Nina Tratavitto

Video: Santino Lanuzzo, Films for Real

Models: Alicia Johanna, Model-Management & Tereza Faltinova, Megamodel Agency

Studio: Nick Schreger, Light & Byte

Looks provided by: Globus, Fidelio, Maison Gassmann, Shop Nope, Gr8shop, Due Due, Issey Miyake

Uhr ist nicht gleich Uhr. Unter dem Motto „ SEEK BEYOND“ ist Audemars Piguet unermüdlich auf der Suche nach noch nie Dagewesenem. Jeder neue Zeitmesser soll mit innovativen Techniken, Design und Materialien überraschen – und wir staunen immer wieder aufs Neue.

ROYAL OAK MINI FROSTED GOLD IN 18 KARAT GELBGOLD, ROSÉGOLD UND WEISSGOLD, 23 MM. Top von AXEL ARIGATO. Shorts von GANNI. Hose von ACNE STUDIOS. ROYAL
OAK MINI FROSTED GOLD IN 18 KARAT WEISSGOLD, 23 MM. Top von CHET LO.
ROYAL OAK MINI FROSTED GOLD IN 18 KARAT GELBGOLD, ROSÉGOLD UND WEISSGOLD, 23 MM. Top von ISSEY MIYAKE (VINTAGE). Rock von ARMANI (VINTAGE). ROYAL OAK MINI FROSTED GOLD IN 18 KARAT GELBGOLD, 23 MM. Top von DOLCE & GABBANA (VINTAGE). Shorts von ZIMMERLI. Strümpfe von WOLFORD. Jacke von ACNE STUDIOS. Stiefel von CHRISTIAN DIOR (VINTAGE). ROYAL OAK AUTOMATIK IN 18 KARAT ROSÉGOLD, 34 MM. Top von DOLCE & GABBANA (VINTAGE). Rock von GIVENCHY. Strümpfe von CALZEDONIA. Schuhe von VERSACE.

ROYAL OAK FROSTED GOLD AUTOMATIK IN 18 KARAT GELBGOLD UND WEISSGOLD, 34 MM.

links: Top von AXEL ARIGATO. Shorts von ASCENDO. Jeans von DIESEL. Schuhe von PEDRO MIRALLES (VINTAGE).

rechts: Top von GANNI. Jeans von DOLCE & GABBANA (VINTAGE). Jeansjacke von DOLCE & GABBANA (VINTAGE). Schuhe von GIANMARCO LORENZI (VINTAGE).

ROYAL OAK FROSTED GOLD AUTOMATIK IN 18 KARAT GELBGOLD UND WEISSGOLD, 34 MM. Top von ACNE STUDIOS.

[RE]MASTER02 AUTOMATIK

LIMITIERTE EDITION VON

250 IN SANDGOLD, 41 MM.

Top von MARITHÉ + FRANÇOIS GIRBAUD (VINTAGE).

TIME WARP ICON

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Mehr FünfzigerjahreNostalgie geht kaum.

Als etwa Dreißigjähriger streifte Saul Leiter mit seiner Kamera durch das New York der Fünfzigerjahre –und hatte damals wohl nicht geahnt, dass er auch im nächsten Jahrhundert als einer der Größten seiner Kunst gilt. Eigentlich hätte er ja auch Rabbiner werden sollen. Er griff dann aber doch lieber zum Pinsel, wurde Maler und dann Fotograf und ließ die beiden Kunstformen verschmelzen wie kaum jemand zuvor.

Während andere die Welt noch größtenteils in Schwarz-Weiß sahen, experimentierte Leiter längst mit Farben, die bei ihm irgendwie mehr leuchten als bei anderen KünstlerInnen. Er etablierte sich nicht nur als Straßenfotograf, sondern setzte mit seinem unverkennbaren Stil auch neue Maßstäbe in der Modefotografie. Leiters Bilder extrahieren die Essenz der Fünfziger- und Sechzigerjahre, und trotzdem: Müsste man Zeitlosigkeit definieren, sie wäre ein Foto von Saul Leiter.

Fotos: © Saul Leiter Foundation

Links: Je länger man hinschaut, desto mehr sieht man. Rechts: Durch Saul Leiters Linse wirkt der normalste Tag wie ein Szenario aus einem Film. N°06 /  2024 96
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Eine Zeitkapsel ins Jahr 1948.
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Porträts lagen Saul Leiter genauso wie Straßenfotografie.
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Links: Harlem, 1960: Eine meisterhafte Farbkomposition.

Rechts:

Wer ein Auge fürs Detail hat, für den ist das Leben spannender.

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Links: Ein bisschen Melancholie muss sein.

Rechts: Formen und Farben verschwimmen zur abstrakten Kunst: Man sieht, dass Leiter auch Maler war.

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Anonym und doch für immer festgehalten.

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SAUL LEITER: THE CENTENNIAL RETROSPECTIVE Straßenfotografie, Modefotografie, Malerei und Aktbilder –gut ein Jahrhundert nach der Geburt von Saul Leiter bietet dieses Buch einen Querschnitt durch seine gesamte Karriere. Dank bisher unveröffentlichtem Archiv-material und Texten von WegbegleiterInnen und Fachleuten kommt man dem enigmatischen Künstler auf 350 Seiten so nah wie noch nie.

Margit Erb, Michael Parillo, Adam Harrison Levy, Michael Greenberg, Asa Hiramatsu, Lou Stoppard, „Saul Leiter: The Centennial Retrospective“, 340 Farb- und Schwarz-WeißFotografien, Thames & Hudson, ca. 66.– , thamesandhudson.com

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VAMOS

MIT SACK UND PACK

Die wahren Abenteuer erlebt man nicht mit Rollkoffer. Das ist Fakt –und mit ein Grund dafür, genau abzuwägen, was da im Schlund des Gepäcks verschwindet, während wir der Ferne entgegenfiebern wie Liebeskranke dem nächsten Kuss.

Text: Ilija Trojanow

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Wanderarbeiter auf einem Highway in Kalifornien (1935). Foto: © Dorothea Lange
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„Reisen wäre so einfach“, vertraut mir eine ältere Frau auf der Terrasse einer Safari-Lodge an, „wenn es nur nicht das viele Gepäck gäbe.“ Ich traue mich nicht, sie zu fragen, wieso sie denn so viel Gepäck benötige. Bei zuverlässig warmem Wetter und reichlich Gelegenheit, waschen zu lassen. Was füllt ihren Koffer derart, außer dem schwerwiegenden Missverständnis, auf Reisen den Alltag fortführen zu müssen, auch hinsichtlich der Garderobe? Wenn es einen Ratschlag gibt, den man jedem Reisenden ins Notizbuch der guten Absichten hineinschreiben sollte, dann wäre es folgender: je weniger Gepäck, desto besser. Das gilt fast immer und überall (Ausnahmen wären Reisen in die Antarktis oder nach Spitzbergen). Wer leicht reist, dem fällt das Reisen leichter. Weniger Logistik, weniger Kopfschmerzen. Nicht nur, weil man weniger zu schleppen hat, sondern auch, weil man die materiellen Sorgen zu Hause lassen kann. Was, wenn das teure Hemd Spritzer abbekommt? Was, wenn das Goldarmband jene Straßensdiebe anlockt, die angeblich überall lauern? Was immer man mitnimmt, sollte man ohne großes Bedauern verlieren können. Die Angst um den eigenen Wohlstand überwiegt meist die Freude am mitgeschleppten Komfort.

DAS PRIVILEG DES REISENS

In einer Zeit, in der sich manch einer Gedanken über das rechte Maß des täglichen Konsums macht, eignet sich eine Reise aufs Beste, die eigenen asketischen Neigungen auf die Probe zu stellen. Provisorisch, auf Zeit. Wer die Bescheidung schwer erträgt, kann ja schon wenige Wochen später in seinem begehbaren Schrank Trost suchen. Zumal wir heute in den allermeisten Regionen der Welt alles finden können, was wir benötigen, um in dem jeweiligen Land zurechtzukommen. Im Großen und Ganzen reisen ja Wohlhabendere zu Ärmeren und nicht umgekehrt. Während Slumtouren in Rio de Janeiro oder Soweto en vogue sind, gelingt es Slumbewohnern eher selten, durch die Villenviertel des Nordens zu schlendern. Insofern sollte jedem Reisenden bewusst sein, dass er oder sie eine wandelnde und gelegentlich schwitzende Verkörperung extremer sozialer Unterschiede ist und das, was ihm materiell selbstverständlich erscheint, anderswo Ausdruck unvorstellbaren Reichtums ist. Etwa die Armbanduhr von Maurice Lacroix, die einzige Uhr, die ich mir je gekauft habe (in Hongkong, wo es kilometerweit nur Uhren gibt, verpackt in den schillerndsten Farben des Sonderangebots). Ich hätte sie nie und nimmer

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„Wer mit wertvollen Objekten in die Regionen des Elends reist, erklärt sich einverstanden mit unfreiwilliger individueller Umverteilung.“

nach Marrakesch mitnehmen sollen. Nun bin ich uhrlos – aber leider nicht zeitunabhängig –, und irgendwo in Marokko hat es eine unerwartete Sause gegeben. Wer mit wertvollen Objekten in die Regionen des Elends reist, erklärt sich einverstanden mit unfreiwilliger individueller Umverteilung. Wer dem Asketischen so gar nicht zugeneigt ist, kann sich dem Neuland einkaufend nähern. Was Hosen oder Socken betrifft, ist die kulturelle Differenz zwischen, sagen wir einmal, Deutschland und Spanien nicht derart groß, dass der Besuch eines iberischen Basars locken würde. Wer aber nach Indien gelangt, sollte gleich zu Anfang eine Kurta Pajama erwerben – daher unser Wort „Pyjama“ – oder einen Lungi. Klimatisch viel angemessener als die bequemste Jeans, und der Kontakt mit Einheimischen ist im Nu hergestellt, schon beim Einkauf. Die Beratung, welches Oberteil dem Kunden am besten steht, welche Hose dazu passt, bringt einen unwillkürlich in physische Nähe zur Fremde. Die Hosen herunterlassen kann ungeheuer befreiend sein. Zumal man sich in fremder Kluft selbst anders erfährt. Da die meisten Männer in Europa durchaus nachvollziehbar keinen Rock tragen mögen – Schotten natürlich ausgenommen –, können sie es in der Fremde versuchsweise wagen, Wickelröcke wie etwa einen Lungi oder einen Sarong in schillernden Farben zu tragen. Sie würden erfahren, wie herrlich sich diese Kleidungsstücke bei heißschwülen Temperaturen anfühlen. Da können die kürzesten Shorts nicht mithalten. Oder wie wäre es mit einem Hemd, einer Bluse frisch vom Webstuhl, einer kostbar bestickten Weste – andere Länder, andere Stoffe. In einen Sari hineingeschlüpft oder einen Stetson aufgesetzt, und schon fühlt man sich verändert, dem Reiseland näher – das Spiel mit der Identität kann beginnen: Ich bin viele – oder aber unwohl, dann lässt man derartige stoffliche Anverwandlung in der Folge sein.

IN DER FERNE ZUM NEUEN ICH

Es hat seine guten Gründe, weshalb der Mensch im Urlaub dazu neigt, sich ein Ideal-Ich zusammenzuzimmern und dieses anderen zu präsentieren. Was wäre geeigneter, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen, als die urmenschliche Interaktion des Handels? Man erfährt nicht nur Wissenswertes über das Objekt der Begierde, sondern auch einiges darüber, wie sehr sich ein schlichter Einkauf in der Fremde von der Transaktion zu Hause unterscheiden kann. Haben Sie beim Kauf eines Puzzles im Laden eines bekannten oberschwäbischen Spieleherstellers bei Milchkaffee eine geschlagene Stunde mit der Verkäuferin beratschlagt, was Sie lieber nehmen sollten: Schloss Neuschwanstein birkenblattumrankt oder doch eher das niederländische Gemälde, auf dem ein Schiff sturmumtost sinkt? In Ägypten verbrachte ich, bei süßem Pfefferminztee, der aufmerksam nachgegossen wurde, anderthalb Stunden mit der Wahl eines Backgammonbretts. Der Ladenbesitzer und ich führten in seinem abenddämmrigen

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„Das Geläufige, das Bekannte stellt alle möglichen Behauptungen auf, gegen die wir uns reisend zur Wehr setzen können.“

Geschäft im Souk von Luxor einen verbalen Pas de deux auf, bei dem wir anfänglich nach guter alter Sitte so taten, als wären wir an einem Kauf beziehungsweise Verkauf überhaupt nicht interessiert. Wir unterhielten uns über Politik (heikles Thema), Musik (aufschlussreich für beide), ägyptische Leckerbissen (sehr inspirierend für meinen nächsten Cafébesuch), bis wir uns nach und nach den verschiedenen intarsierten Schönheiten widmeten, von denen sein Geschäft überquoll. Nach zähen Verhandlungen, bei denen jeder von uns sein Gesicht zu wahren hatte, schieden wir voneinander, beide höchst zufrieden mit dem Ergebnis. In Kaschmir suchte ich einen großen und wegen der dortigen Unruhen völlig leeren Teppichladen gleich zweimal auf, weil ich so beeindruckt war, dass der Verkäufer mir beim ersten Mal unter tausend Kelims genau jenen vor den Füßen ausgerollt hatte, in den ich mich sofort verliebte. Ich war entschlossen, keinen Teppich zu kaufen, nicht zuletzt, weil ich zu dem Zeitpunkt keine Wohnung hatte. Ich würde völlig falsch vorgehen, klärte mich der Mann geduldig auf, zuerst komme der Teppich, dann das Haus. Er umgarnte mich mit so vielen leichtfüßigen Komplimenten und Weisheiten, dass ich schließlich entgegen meiner Absicht und obwohl ich seine Strategie durchschaute, den Teppich doch erwarb (er liegt meinem Schreibtisch zu Füßen). Glücklicherweise muss man solche Erwerbungen heutzutage nicht mit sich herumschleppen; jede anständige HändlerIn in Asien wirft sofort den Köder aus, natürlich werde man den Schrank, Tisch, Paravent, Gartensessel und so weiter kostenfrei verschicken, egal wohin…

REISEN BEDEUTET VERÄNDERUNG

„Gepäck“ meint aber nicht nur den vertrauten, meist überflüssigen Inhalt der eigenen Koffer und Taschen, das kleine portable Heimatland gewissermaßen, sondern im übertragenen Sinne auch die mehr oder weniger stark ausgeprägten eigenen Vorurteile und Besserwissereien. Gerade diese sollten wir unterwegs in Gefahr bringen, je heftiger, desto besser! Das Geläufige, das Bekannte stellt alle möglichen Behauptungen auf, gegen die wir uns reisend zur Wehr setzen können. Im Alltag erhält ein jeder von uns selten die Gelegenheit, oberflächlichen Einordnungen und Schubladen etwas Persönlicheres, Differenzierteres entgegenzusetzen. Wir kleiden uns in tradierte Vorurteile und schotten uns dadurch ab vor der Fremde, den Fremden. Wirft man diesen Ballast ab, wird man reichlich belohnt, es kommt zu einer Begegnung zwischen der Fremde und einem selbst, und man nähert sich dem eigentlichen Ziel einer Reise: der Veränderung. Wer so reist, begibt sich auf eine Suche im Schatten des Offensichtlichen. Im Unerwarteten können wir uns von dem Päckchen, das ein jeder von uns zu tragen hat, befreien. Wenn auch gelegentlich widerwillig. Nur weniges ist unentbehrlich. Der Pass natürlich – und nicht zu vergessen eine farbige Fotokopie des Passes, bevorzugt nicht zusammen mit

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„Im Unerwarteten können wir uns von dem Päckchen, das ein jeder von uns zu tragen hat, befreien.“

dem Pass aufzubewahren – sowie ein Papierausdruck mit wichtigen Namen, Adressen und Telefonnummern. (Handys gehen kaputt oder verloren, gerade im wichtigen Moment versagt der Akku, und kein Stecker weit und breit.) Reiseerfahrene lernen ihre Passdaten auswendig, das erleichtert und beschleunigt das Ausfüllen lästiger Formulare ungemein. Verzichten würde ich auch nicht auf eine Reiseapotheke, abgestimmt auf das jeweilige Land und die eigenen Bedürfnisse. Denn bei aller Abenteuerlust und Offenheit: Mit Fieber und Schüttelfrost sollte man sich nicht radebrechend um das passende Medikament bemühen müssen. Einige Teebeutel können auch nicht schaden, denn heißes Wasser bekommt man überall, guten Tee hingegen selten (und nie auf Flügen). Zu erwähnen wären auch gut eingelaufene Schuhe. Alles andere ist überflüssig, von einigen wenigen persönlichen Notwendigkeiten abgesehen. Bei mir gehört ein Notizbuch dazu und ein mir genehmer Kugelschreiber, um ein Reisetagebuch zu verfertigen. Was man schwarz auf weiß vor sich hat, kann man nicht nur getrost nach Hause tragen, sondern es prägt sich dem Gedächtnis anders ein. Reflexionen über Stadt/Land/ Menschen vertiefen das Gesehene und Erlebte. Schon James Howell, ein Waliser, der im 17. Jahrhundert ein frühes Reisehandbuch mit dem Titel „Instructions for Forraine Travell“ verfasste, war der Meinung: „Der Stift hinterlässt die tiefsten Furchen und befruchtet und bereichert die Erinnerung mehr als alles andere.“ Wer gerne liest, wird gewiss das eine oder andere Buch einpacken oder auf seinen E-Reader laden, aber es empfiehlt sich, die ausgewählte Lektüre vor Reiseantritt zu prüfen. Schon manch einer ist in fernen Landen verzweifelt, weil der Urlaubsroman so gar nicht hielt, was der Werbetext auf dem Umschlag beziehungsweise im Internet versprach, und weit und breit kein Buchladen, der Alternativen geboten hätte. Auf einem Flug nach Neuseeland hatte ich einen dicken Science-Fiction-Schmöker eingepackt, weil ein Rezensent behauptet hatte, auf der langen Anreise nach Neuseeland habe er diesen Roman im doppelten Sinne „im Flug verschlungen“. Leider kann man sich über Geschmack nur streiten, das Buch war zäh und langweilig, der Flug zog sich in die Länge.

VON UNTERHOSEN UND BH-SCHALEN

Mit wenig Gepäck zu reisen, beschenkt einen mit der Erkenntnis, mit wie wenig man auskommen kann. In manchen Fällen auch auskommen muss, denn bei langen Wanderungen wiegt jedes Paar Schuhe nach einigen Stunden doppelt, und man wünscht sich, man hätte die drei T-Shirts, die plötzlich mehr als überflüssig wirken, brav im heimischen Schrank hängen lassen. Wenn Sie zu Fuß durch die Savanne, die Wüste oder über die Berge stapfen, ist Eitelkeit unangebracht. Aber das wissen Sie bestimmt schon selbst. Heerscharen von ReisebloggerInnen und ProfiweltenbummlerInnen bieten im Internet (oft nützliche) Tipps an zum Thema: Wie packe ich den Koffer, die Wochen-

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„Die meisten Koffer sind bei der Rückreise gewichtiger als beim Reiseantritt.“

endtasche, den Rucksack am effizientesten. Da werden die Leerräume in den Schuhen mit Socken vollgestopft, Unterhosen schmiegen sich in BH-Schalen, sämtliche Kleidungsstücke, bis auf unhandliche Sakkos, werden gerollt, jede Ecke wird aufs Beste ausgenützt. Bei Rucksackreisen wird jeder Gegenstand nicht nur auf sein Gewicht überprüft, sondern auch optimiert – jedes Gramm wiegt. Da werden Zahnbürsten abgesägt, bei Cremes die kleinsten Reisepackungen gewählt, abbaubare Bioseife ersetzt das Duschgel, Damen nehmen Slipeinlagen mit (so lassen sich Unterhosen mehrere Tage lang einigermaßen hygienisch tragen). Und Babypuder hilft nicht nur gegen das Wundreiben, sondern saugt auch Schweiß auf. Nicht nur an der Kleidung – Lycra-T-Shirts wiegen weniger als baumwollene –, an der Fußbekleidung kann ebenfalls gespart werden: Übersteigt das Gewicht auf dem Rücken nicht acht Kilogramm, sind Trailrunningoder halbhohe Light-Trekking-Schuhe völlig ausreichend. Ein Feldversuch mit US-Soldaten ergab, dass die Gewichtsersparnis beim Schuhwerk fünfmal so viel ausmacht wie eine Gewichtsersparnis auf dem Rücken. Früher hingegen nahm die geübte GlobetrotterIn gerne den halben Hausstand mit (Wallis Simpson und der Duke of Windsor waren angeblich stets mit hundert Gepäckstücken unterwegs). Man reiste mit mindestens einem Schrankkoffer, der sich im florentinischen Gucci-Museum zwar edel ausnimmt, aber auch mindestens zwei TrägerInnen erforderte – ein in Europa heute fast ausgestorbener Beruf. Auch die faltbare Badewanne, mit denen sich die feinen Herrschaften im 19. Jahrhundert belasteten, ist aus der Mode gekommen. Da man vor Ort keinesfalls mit britischem Landgutstandard rechnen konnte, denn die Unterkünfte in den Poststationen waren recht spartanisch, war man mit großem Gepäck unterwegs: eigenes Bettzeug, Geschirr, Medizin, Kleidung, und wer gern jagte, nahm gleich auch noch seine Hundemeute mit.

AN ERINNERUNGEN NIPPEN

Die meisten Koffer sind bei der Rückreise gewichtiger als beim Reiseantritt. Der Wunsch, ein Andenken an eine wunderbare Zeit zu erstehen, ist in uns allen fast übermächtig. „Souvenirs, Souvenirs“, sang schon Bill Ramsey, „kauft sie, Leute, kauft sie ein, denn sie sollen wie das Salz in der Lebenssuppe sein.“ Ob Getöpfertes, handbestickte ungarische Taschentücher oder der klassische Hahn von Barcelos, den fast jede und jeder Portugalreisende ins heimische Dekor zu integrieren versucht und dabei ebenso scheitert wie jene, die mittels rotem Dalarna-Pferdchen ihrem Wohnzimmer einen skandinavisch schnörkellosen Touch à la Carl Larsson verpassen wollen. Wandteller, Schneegestöber mit Neuschwanstein, Tassen mit „Gruß aus Bozen“, winzige Eiffeltürme – der heutzutage überwiegend in Fernost produzierten Scheußlichkeiten gibt es inzwischen unendlich viele. Souvenirs sind Trostpreise. Das Bedürfnis nach ihnen hängt damit

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„Wer leicht reist, dem fällt das Reisen leichter.“

zusammen, dass Reisen erst daheim „ausgewertet“ werden, die Übersetzung ins persönliche Erinnerungsarchiv somit nachträglich erfolgt, nicht zuletzt im Gespräch mit FreundInnen und KollegInnen, bei einst überaus beliebten Diaabenden, die inzwischen fast ausgestorben sind (dafür in großen Hallen mit Riesenleinwand von hoch professionellen Referenten präsentiert werden). Das Durchblättern der Fotos, ob auf Papier oder digital, definiert im Nachhinein den Urlaub. Daher auch der Wunsch nach der unverzichtbaren Urlaubsbräune, selbst wenn sie nur wenige Wochen anhält. Sie verkörpert die Sehnsucht, die Auszeit der Reise möge im Alltag nachklingen. Mitbringsel aus fernen Landen werden aufgrund ähnlicher, meist unbewusster Wünsche erworben. Die Souvenirs bilden durch ihre Anwesenheit ein Langzeitecho der viel zu kurzen und viel zu schnell verblassenden Reise. Einer meiner FreundInnen besitzt eine Schale, in der eine faszinierend vielfältige Steinsammlung wohnt. Von jeder seiner Wanderungen durch alle möglichen Ecken Europas hat er sich ein Exemplar mitgebracht, und jedes birgt ganz persönliche Erinnerungen an Gipfel, Durststrecken, Begegnungen. Eine Bekannte kauft überall wunderbare Stoffe, die in Deutschland nicht erhältlich sind, schneidert sich die fantastischsten Röcke und präsentiert sich beim nächsten Wiedersehen in Lila-Petrol mit: „Heute trage ich Bhutan.“ Im Zimmer neben meiner Bibliothek steht eine Mitgifttruhe aus dem westindischen Bhuj. Sie enthält Weine aus aller Welt, auf Reisen aufgelesen und nach Hause geschleppt, weil ich mit dem Geschmack des Weins einen vergangenen Augenblick festzuhalten hoffe (was allerdings leider meist misslingt). Wenn ich eine dieser Flaschen öffne, nippe ich an meinen Erinnerungen, unternehme eine Kopfreise ganz im doppeldeutigen Sinn des Worts. Wenn die Weinflaschen alle ausgetrunken sind, ist die Truhe trügerisch leer, es also an der Zeit für einen weiteren Aufbruch, um sie erneut zu füllen, und doch ist sie voll mit mir unbekannten Sehnsüchten und Hoffnungen, so wie sie einst vollgepackt war mit der wertvollen Mitgift für die Lebens- und Ehereise. Heutzutage sollten wir am ehesten die Instrumente der digitalen Kommunikation zu Hause lassen. Wer mit seinem Smartphone reist (oder gar Tablet beziehungsweise Laptop mitschleppt), der verbringt viel zu viel Zeit damit, nach dem nächsten WLAN zu suchen und die heimischen Entwicklungen zu verfolgen. Der hat die Tür zu seinem Alltag nicht wirklich zugemacht, der lädt alle möglichen Sorgen dazu ein, ihn nach Bali zu begleiten. Fasten ist eine uralte menschliche Kulturtechnik, die auch hinsichtlich des digitalen Wunders wirkt. Als ich vor Kurzem ohne elektronisches Gerät nach Tunesien aufbrach, war ich schon nach drei Tagen so erholt, als hätte ich mich einer geistigen Kneippkur unterzogen. Außerdem war ich erstaunt, wie wenig Relevantes ich in den Nachrichten beziehungsweise auf den sozialen Medien verpasst hatte. Die Erde dreht sich ohne Pushnachrichten weiter. Und auch Informationen können schwer wiegen.

GEBRAUCHSANWEISUNG FÜRS REISEN

Reisen hat viele Gesichter – und die bekanntesten davon dreht Ilija Trojanow in seinem Buch „Gebrauchsanweisung fürs Reisen“ zum Licht. So schreibt er über Gepäck genauso fröhlich wie über die Unnötigkeit von Souvenirs, über das Reisen als Eremit und in der Gruppe, über Proviant und Durststrecken und über Zimmer mit und ohne Aussicht. Sein Werk ist etwas für alle, deren Puls in die Höhe prescht, sobald Flug, Zug oder auch nur das Hotel um die Ecke gebucht sind und es daran geht, Rucksack oder Koffer fürs große Abenteuer bereit zu machen.

Ilija Trojanow, „Gebrauchsanweisung fürs Reisen. Auch Reisen will gelernt sein.“, Piper, ca. 15.–, piper.de

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ALLURING ECLECTIC AVANT-GARDE FANTASY ETERNAL FLOW

Assistance:

Photography: Jakob Kotzmuth Styling: Nathalie von Gordon Hair & Make-up: Makeover Hamburg Art Direction: Makeover Hamburg Director: Martin Gruja, TSG Julian Hüsler
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Model: Yang Jie, Munich Models Hose von THE FRANKIE SHOP. Blazer von A.W.A.K.E. Schuhe von PROENZA SCHOULER. Ohrring von ROKH.
Top von SPORTMAX.
Shorts von JACQUEMUS. Blazer und Halskette von VICTORIA BECKHAM. Gürtel von BOTTEGA VENETA. Ohrringe von JIL SANDER. Top und Shorts von JIL SANDER. Ohrringe von ALEXANDER MCQUEEN. Top von PHILIPP LIM. Unterhose von PRADA. Armreif von ALEXANDER MCQUEEN. Kleid von SPORTMAX. Halskette von FEDERICA TOSI. Kleid von BEVZA. Ohrringe von MUGLER. Ring von ZARA. Top von PRADA. Rock von SPORTMAX. Schuhe von PROENZA SCHOULER.

SCENTUAL MAGIC

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Dominique Ropion komponiert Duftnoten.

Eine Modedesignerin und ein Meisterparfumeur gehen in eine Uhrenfabrik. Die Pointe dieses Szenarios ist die Konzeptuhr „Égérie – The Pleats of Time“. Entstanden ist das außergewöhnliche Bijou in Zusammenarbeit von Yiqing Yin und Dominique Ropion für das Traditionshaus Vacheron Constantin.

Text: Michael Rechsteiner – Fotos: Vacheron Constantin

HOUR

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Yiqing Yin orchestriert das Design.
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Haute Horlogerie x Haute Parfumerie. It‘s getting Haute in here.
„Wir müssen bereit sein, uns eine Zeit lang zu verlieren, um zu entdecken, was wir noch nicht wissen.“ – Yiqing Yin

Ein Modetrend verschwindet so schnell wie er gekommen ist. Ein Parfumduft verflüchtigt sich in Windeseile. Sie sind die Opfer der Zeit. Aber auch deren Zeugen. Wahre MeisterInnen ihres Fachs hebeln die Zahnräder der Vergänglichkeit aus und schenken der Welt Kreationen, die überdauern. Wie ein Kleid, das nicht nur über den flüchtigen Launen des Publikums schwebt, sondern auch neue Generationen inspiriert. Oder ein Geruch, der uns nach Jahren wieder lebhaft in einen Moment zurückversetzt, bevor er in unserer Erinnerung verdunstet. Zeit lässt sich nicht aufhalten. Aber manchmal, mit ganz viel Können, lässt sie sich einfangen. Für eine solche Aufgabe hat sich die Schweizer Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin an zwei Ausnahmetalente gewendet, Haute Couture Designerin Yiqing Yin und Meisterparfumeur Dominique Ropion. Ihre Expertisen sind verschmolzen in der Konzeptuhr „Égérie – The Pleats of Time“. Als weltweit erstes Modell dieser Art setzt der Zeitmesser bei Bewegungen des Handgelenks nach Zufallsprinzip einen Duft frei. Dem innovativen Konzept gibt Yiqing Yin eine exorbitante Gestalt. Die Chinesin nennt inzwischen Paris ihre Heimat, wurde 2015 als eines der jüngsten Mitglieder überhaupt in die Chambre Syndicale de la Haute Couture aufgenommen und ist seit vier Jahren mit Vacheron Constantin verbunden. Als Teil der „One of Not Many“-Kampagne repräsentiert die Haute Couturière eine Modellreihe für Damen namens „Égérie“ – und ergänzt diese nun durch eine eigene Kreation. „Ich wollte meine intuitive Kreativität in die streng geregelte Welt der Haute Horlogerie einfließen lassen und eine Uhr erschaffen, welche die Zeit freisetzt und sie in ein Objekt der Emotion verwandelt“, so Yin. Damit betrat die Modeschöpferin persönlich kreatives Neuland, fand sich in diesem aber schnell zurecht: „Als Haute Couture Designerin war ich mit den beispiellosen technischen Regularien der Uhrmacherei konfrontiert und suchte nach einem Berührungspunkt mit meinem künstlerischen Prozess, der in einer sich ständig bewegenden visuellen Erzählung im Dialog mit flexiblen Formen wurzelt.“

So offenbaren sich bei genauer Betrachtung die Gemeinsamkeiten im Handwerk von Haute Horlogerie und Haute Couture – speziell jener von Yiqing Yin, die von fließenden Formen und harmonischen Texturen geprägt ist: „Die Vereinfachung des Zifferblatts bringt das Wesentliche zum Vorschein, eine Schwingung, die durch das Faltenmuster sowohl auf der Uhr als auch auf dem Kleid verkörpert wird – wodurch ein Raum zum Atmen und der Geschmeidigkeit entsteht, der ein enormes Potenzial birgt.“ Damit sich dieser Blickfang auch einatmen lässt, wurde eine Koryphäe ihres Fachs eingeladen. Dominique Ropion war bereits an der Entwicklung von Yiqing Yins Duftkleid „Minima Naturalia“ beteiligt, das 2021 im französischen Pavillon der Weltausstellung in Dubai zu sehen war. Doch auch für den mit allen Wassern gewaschene –oder vielmehr mit allen Düften vertraute – Meisterparfumeur war die neue Aufgabe keine alltägliche: „Die Übertragung von Zeit in Duftnoten ist eine Herausforderung, die ich ebenso spannend wie komplex fand. Ich arbeite seit 2010 mit Yiqing zusammen und bin mit ihrer Detailversessenheit vertraut, die der meinen ähnlich ist. Gemeinsam haben wir Dutzende von Rohstoffen gerochen

„ÉGÉRIE

MOON PHASE“

Zwar ohne Parfum ausgestattet, doch nicht weniger dufte ist die zweite Uhr der Kollektion. Yiqing Yins künstlerische Vision setzt sich in der „Égérie Moon Phase“ fort und auch bei der Coloration legte die Designerin großen Wert auf „feminine, flüchtige Farbtöne wie die zarte Verkörperung von Tagträumen“. Neben dem Roségold und den Diamanten ist es insbesondere das Perlmuttzifferblatt, das den Blick auch dann magisch anzieht, wenn er sich nicht nach der Uhrzeit erkundigt. Die „Égérie Moon Phase“ hat drei auswechselbare Armbänder und ist limitiert auf 100 Exemplare. „Égérie Moon Phase“, ca. 43’000.–

und getestet, um die Zeit in einem Duft zu erfassen.“ Das fertige Aroma – ein chamäleonartiges Bouquet unter anderem mit Noten von Galbanum, Lavendel, YlangYlang, Orangen und Zitronen – wurde in Nanokapseln abgefüllt. Diese befinden sich in den einzelnen Bestandteilen des Armbands und versprühen das Parfum je nach Reibung mit dem Handgelenk. Dadurch wird die „Égérie – The Pleats of Time“ nicht bloß ein Stunden- und Minutenapparat, der uns von einem Termin zum nächsten scheucht. Sondern eine Zeitmaschine, die im Alltag immer wieder unverhofft unsere Sinne betört und uns vielleicht auf vergangene Augenblicke zurückbesinnen lässt. Wie die Zitrusbäume während den Spaziergängen im letzten Urlaub. Oder jener Strohblumenstrauss auf dem Küchentisch vom vergangenen Winter.

Parallel zur Uhr kreierte Yiqing Yin ein dazu korrespondierendes Haute-Couture-Kleid und rundete damit ästhetisch das Gesamtwerk ab. Der Dress aus Satin und Seidenchiffon führt das wellenartige Spiel der „Égérie – The Pleats of Time“ fort. Für die schillernde Färbung wandte die Künstlerin neue, umweltschonende Prozesse an. So ergab sich durch das Projekt die Möglichkeit für Yin, ihre künstlerischen und handwerklichen Horizonte zu erweitern: „Das Experimentieren war schon immer eine Konstante in meinem kreativen Ansatz, ein Leitprinzip. In meiner Arbeit versuche ich, Begegnungen zwischen verschiedenen Welten zu provozieren und Kollisionen zwischen verschiedenen Ausdrucksformen zu schaffen“, verrät die Designerin. In den vergangenen Jahren haben sie ihre Pfade oft ins Terrain abseits der Modewelt geführt. Mit dem Bildhauer Bastien Carré kombinierte Yiqing Yin Schattierungen und Materialien zu einem Kleid. Sie entwarf das Bühnenbild für eine Ballett-Version von „Tristian und Isolde“. Und designte das Kostüm für Hauptdarstellerin Marion Cotillard im preisgekrönten Drama „Annette“. Yins Werke kleiden nicht nur Mannequins oder fließen über den Laufsteg, sondern glänzen in Museen für Völkerkunde und Kunstgalerien rund um den Globus. „Ich mag es, mit Menschen aus Dimensionen zu arbeiten, die ich nicht beherrsche, und ich betrachte das Design – vor allem in der Haute Couture – als ein Labor, in dem ich etablierte Techniken in Frage stelle. Ich betrachte Wissen und Know-how als Werkzeuge, die fehlgeleitet werden können.“

Und wer sich verirrt, landet an Orten, an denen man noch nicht war. Glücklicherweise auch an solchen, von denen man bislang nicht wusste, sie überhaupt finden zu wollen. „Égérie – The Pleats of Time“ ist eine solche Neuentdeckung, deren Konzept spannende Möglichkeiten eröffnet. Wird ihre wohlduftende Funktion bald ebenso zur Ausstattung einer Uhr gehören wie die Datumsanzeige oder ein Tourbillon? Die Zeit, was sonst, wird es zeigen. Für Yiqing Yin hat sich das Experiment gelohnt: „Ich bin davon überzeugt, dass der Schlüssel zur Kreativität darin liegt, Risiken einzugehen und bereit zu sein, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten, um eine ständige Neuerung zu ermöglichen. Wir müssen bereit sein, uns eine Zeit lang zu verlieren, um zu entdecken, was wir noch nicht wissen.“ Ein weiser und beruhigender Ratschlag für alle, die fürchten, ihnen laufe die Zeit davon auf dem Weg zur Selbsterkenntnis.

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TROPICAL

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GRÃO PAULO

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Paddle Out, Recreio dos Bandeirantes, 2013

Karneval, knallige Farben, Lebensfreude – das ist

Brasilien. Nicht nur, dachte sich Fotograf und Regisseur Olaf Heine und entschied sich, in seinem Bildband Brasilien in Schwarz-Weiß festzuhalten.

An Emotionen haben die Fotografien nichts eingebüßt.

Abseits der stereotypen übersättigten Darstellung fängt Heine Formen in Architektur, Landschaft und Körpern ein. Seinem Brasilien wohnt inmitten der Lebhaftigkeit eine bittersüße Melancholie bei.

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Fotos: Olaf Heine
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The Alvorada Palace, (Detail), Brasília, 2011
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Girl Descending a Ramp, Brasília, 2012
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Man in Pool, Island of Ilhabela, 2011
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The Copan Building (Detail at Night), São Paulo, 2011 N°06 /  2024 138
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A Worker’s Salary, Belo Horizonte, 2011 N°06 /  2024 140

BRAZIL

Brasilien einmal anders: Keine bunten Karnevalszenen füllen dieses Buch, sondern Schwarz-Weiß-Fotografien, die die Seele des Landes ebenso authentisch einfangen.

Olaf Heine garantiert mit seinem Blick auf Brasilien Fernweh nach Südamerika.

Olaf Heine, „Brazil“, 150 Schwarz-Weiß-Fotografien, teNeues, ca. 78.–, teneues.com

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Im Hinterhof lockt viel Grün
zum Verweilen.

SUNSHINE SETTINGS BLISS

Ein Blick wie ein Goldstück. N°06 /  2024 143

Glückseligkeit kann man nicht kaufen. Gut, denn die gibt’s im Hotel Pátio do Tijolo in Lissabon zum Zimmerschlüssel mit dazu.

Die Geschwister Juan und Natalia Tubella sind per Zufall auf dieses Gebäude gestoßen, das früher einer Schreinerei Unterschlupf bot. Der Blick auf die zinnoberfarbenen Dächer der Stadt, den Fluss Tejo und die Ponte 25 de Abril lässt keine Sekunde Zweifel daran, in Lissabon seinen ganz persönlichen Happy Place gefunden zu haben.

Interview: Marina Warth – Fotos: Salva López
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Wer die Stille sucht, hat sie hier gefunden.

Minimalismus und Verspieltheit geben sich hier die Hand.

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Hier frühstückt man gerne die eine oder andere Stunde länger.

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„EIN GUTES HOTEL ERFÜLLT DIE ERWARTUNGEN, DIE ES VERKAUFT, ABER EIN HERVORRAGENDES HOTEL GEHT DARÜBER HINAUS, INDEM ES AUTHENTIZITÄT BIETET.“

FACES: Wie sind Sie zur Hotellerie gekommen?

Natalia Tubella: Die Reise zur Hotellerie war ein ziemliches Abenteuer! (lacht) Mitten in Bairro Alto im Herzen von Lissabon stießen mein Bruder Juan und ich eines Tages auf dieses wunderschöne alte Gebäude, das mich sofort in seinen Bann zog. Erst dachten wir darüber nach, es zu renovieren und einzelne Wohnungen an TouristInnen zu vermieten. Je mehr wir uns aber auf das Gebäude einließen, desto mehr wurde uns klar, was wir hier vor uns hatten. Aus dem ehemaligen „Casa das Janelas com Vista“ wurde also ein Gästehaus und aus uns damit Hoteliers.

F: Wie beschreiben Sie das Pátio do Tijolo in einem Satz?

NT: Als eine Oase im Herzen von Bairro Alto.

F: So ein Hotel aufzubauen und sich das Konzept dazu zu überlegen, ist kein einfaches Unterfangen. Können Sie uns mehr zum Prozess erzählen, der schließlich zur Eröffnung des Pátio do Tijolo geführt hat?

NT: Direkt hinter unserem ersten Hotel entdeckten wir diesen weiteren Standort, der uns perfekt für ein Boutique-Hotel vorkam. Unserem Konzept, das wir bereits im „Casa das Janelas com Vista“ beherzigen, blieben wir treu: Wir wollten eine gemütliche und zugleich für Lissabon authentische Atmosphäre schaffen, in der sich unsere Gäste wie zuhause fühlen sollten. Anstatt hunderte Zimmer gibt es bei uns nur ein paar wenige, was wiederum zum authentischen Lebensgefühl beiträgt. Das Pátio do Tijolo hat Charakter und fügt sich zudem sehr gut ins Stadtbild ein. Wir möchten, dass sich unsere Gäste entspannen und gleichzeitig in die Stadt eintauchen können, und ich glaube, das ist uns gelungen.

F: Aus welchen drei Gründen sollten wir unbedingt ein Zimmer bei Ihnen buchen?

NT: Es ist uns wichtig, einen sehr persönlichen Service anzubieten, weil wir daran glauben, dass genau dieser unerlässlich ist, um den Gästen ein unvergessliches Erlebnis liefern zu können. Unsere Mitarbeitenden sind unser wichtigstes und wertvollstes Kapital. Die Architektur unseres Gebäudes ist einzigartig und zieht jede und jeden sofort in seinen Bann. Wir legten großen Wert auf eine Symbiose mit der Nachbarschaft und ein harmonisches Zusammenspiel mit den natürlichen Elementen der städtischen Landschaft. Unser minimalistisches Design mit dem gewissen Etwas ermöglicht

es, zu entspannen und durchzuatmen. Der Blick auf die Stadt und den Fluss ist das Sahnehäubchen unserer Zimmer und wird von unseren Gästen oft als lebendes Gemälde beschrieben, das die Schönheit Lissabons zeigt.

F: Was macht Ihren Alltag in einem Hotel so besonders, und welche Aspekte nerven Sie?

NT: Dass wir Gäste aus der ganzen Welt empfangen dürfen, gibt uns die Möglichkeit, als lokale BotschafterInnen für Lissabon zu fungieren und damit den kulturellen Austasch zu fördern. Wir sind stolz darauf, dass wir unsere lebendige Kultur, unsere Geschichte und die Möglichkeiten, die die Stadt bietet, mit unseren Gästen teilen dürfen. Jeden Tag geben wir uns die größte Mühe und scheuen auch nicht die Extra-Meile, um unseren Gästen stets hervorragende Leistungen zu bieten. Dabei ist uns klar, dass es auch mal vorkommen kann, dass Erwartungen nicht erfüllt werden, und solche Momente sind sehr enttäuschend. Doch wir nutzen auch solche Erfahrungen dazu, um besser zu werden und zu wachsen.

F: Womit müssen sich Hoteliers herumschlagen, woran andere Menschen nicht einmal einen Gedanken verschwenden müssen?

NT: Unsere obersten Prioritäten sind der Kundenservice und das Übertreffen der Erwartungen unserer Gäste. Das ist ein hohes Maß an Verantwortung und verlangt nach akribischer Aufmerksamkeit für Details und ständiger Nachbereitung, um all jenen einen hervorragenden Aufenthalt zu garantieren, die bei uns übernachten. Darüber hinaus möchten wir unsere Gäste nahtlos in die Nachbarschaft und die lokale Szene integrieren und ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln, während sie bei uns wohnen.

F: Worüber machen Sie sich zu viele Sorgen?

NT: Der Klimawandel ist aufgrund seiner schädlichen Auswirkungen auf die Welt ein großes Problem. Als nachhaltiges Hotel sind wir uns bewusst, wie wichtig es ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Durch die Einführung umweltfreundlicher Praktiken und die Verpflichtung, unseren CO2-Fußabdruck zu verringern, wollen wir einen positiven Beitrag zur Umwelt leisten und unsere Auswirkungen auf den Klimawandel minimieren.

F: Sie führen zahlreiche Mitarbeitende. Wie beschreiben Sie sich selbst als Chefin?

PÁTIO DO TIJOLO

Dass das Wohl ihrer Gäste Natalia und Juan Tubella am Herzen liegt, beweisen die Geschwister, die ursprünglich aus Barcelona stammen, mit jedem Detail ihres neu eröffneten Hotels Pátio do Tijolo in Lissabon. Wo früher Holz gesägt und geschreinert wurde, befindet sich heute diese Oase, auf die die portugiesische Sonne immer ein paar extra Strahlen wirft. Im Innenhof wachsen üppige Pflanzen um die Wette, während der clever platzierte Sichtbeton ein modernes Wohngefühl erschafft. 24 Zimmer sorgen in den drei Kategorien Superior, Standard und Family mit Aussicht, Balkon und Gartenzugang dafür, dass sich die Gäste hier pudelwohl fühlen. Den Fluss Tejo im Blick und das wuselige Viertel Bairro Alto zu Füßen, stehen alle Zeichen auf Grün, damit einem unvergesslichen Aufenthalt in Lissabon nichts im Weg steht. patiodotijolo.com

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Das ist Liebe zum Detail. N°06 /  2024 149

Glücksgriff: Per Zufall ist

Tubella auf das Gebäude des heutigen Pátio do Tijolo gestoßen.

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Natalia

Das hält

Natalia Tubella von…

KREUZFAHRTSCHIFFEN:

…sind eine Invasion. Sie belasten die Umwelt und führen zu nicht nachhaltigen Tourismuspraktiken.

BUFFETS:

Zum Frühstück bevorzuge ich ein Buffet mit frischen, hochwertigen Produkten, während ich zum Abendessen lieber à la Carte esse.

ALL-INCLUSIVE:

Schrecklich. Ich mag dieses Konzept nicht, weil es das lokale Wirtschaftswachstum erstickt. Es gibt keine authentische lokale Erfahrung. All-Inclusive löscht die Identität der gesamten Umgebung aus – Menschen, Ort und sogar die Gäste.

TRINKGELD: Wenn der Service außergewöhnlich ist, sehr gerne, aber wenn es obligatorisch ist, verliert das Trinkgeld seinen Sinn.

HUNDEN IM RESTAURANT UND IM HOTEL: Ich finde das großartig, aber es kommt darauf an, ob der Ort die Voraussetzungen hat, um hundefreundlich zu sein oder nicht.

KINDERN IM RESTAURANT UND IM HOTEL: Niedlich.

ANIMATEURINNEN: Zu einer guten musikalischen Unterhaltung sage ich nicht nein.

DRESSCODES: Ein bisschen altmodisch.

TRIPADVISOR: Wir schätzen die Demokratie, die sie mit sich bringt, und wie sie uns hilft, uns an hohe Standards zu halten und uns täglich zu verbessern.

ONLINE TRAVEL AGENCIES: Großartig, weil sie ein System bieten, mit dem man alle Unterkünfte und Optionen an einem Ort und von überall aus abrufen kann.

NACHHALTIGKEIT: Ich tue mein Bestes, um einen grünen Lebensstil zu leben und ihn mit anderen zu teilen. Im Hotel versuchen wir zum Beispiel, den Gästen die Botschaft zu vermitteln, dass es keine zweite Erde gibt.

FACHKRAEFTEMANGEL: Wir brauchen die besten Fachkräfte, die mit uns und nicht nur für uns arbeiten. Wenn wir ihnen Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie sich in ihren Rollen auszeichnen können, und wenn wir sicherstellen, dass sie sich wertgeschätzt fühlen, dann sind das entscheidende Voraussetzungen dafür, dass sie gerne in unserem Unternehmen bleiben und das Wachstum fördern.

„ES SIND DIE MENSCHLICHEN VERBINDUNGEN, DIE DAS HOTELGEWERBE UNGLAUBLICH
LOHNEND UND BESONDERS MACHEN.“

NT: Ich verkörpere einen fürsorglichen Führungsstil, und es ist mir enorm wichtig, dass es allen Teammitgliedern gut geht, weil sie eine ganz entscheidende Rolle bei der Zufriedenheit unserer Gäste spielen. Als Führungskraft ist es entscheidend, mit gutem Beispiel voranzugehen und Engagement zu zeigen. Unsere Mitarbeitenden sind keine bloßen Zahlen, sondern Individuen mit individuellen Stärken und Kompetenzen. Es ist ihre menschliche Seite, die sie ausmacht, und obwohl jeder Mensch anders sein mag, haben wir alle ein gemeinsames Ziel: unseren Gästen ein erstklassiges Erlebnis zu bieten.

F: Woran erkennt man eine gute GastgeberIn?

NT: Eine gute GastgeberIn ist jemand, der Positivität ausstrahlt und sich aufrichtig um seine Gäste kümmert. Solche Menschen sorgen dafür, dass die Erwartungen der Gäste nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden, und bemühen sich, deren Wünsche und Vorlieben zu erfüllen. Der Schwerpunkt liegt auf der Gestaltung eines Erlebnisses, das den Vorstellungen des Gastes entspricht und ihm das Gefühl gibt, dass er geschätzt wird.

F: Welche Gäste bereiten Ihnen die größte Freude?

NT: Gäste, die sich auf unser Konzept einlassen, eine Verbindung zu uns aufbauen und wirklich an einer Interaktion interessiert sind. Solche Gäste beteiligen sich aktiv an dem Erlebnis, das wir bieten, haben Spaß dabei, sich auszudrücken, eigene Erfahrungen zu sammeln und diese mitzuteilen. Damit tragen sie zu einer dynamischen und anregenden Atmosphäre bei.

F: Wie schaffen es Gäste, Sie auf die Palme zu bringen?

NT: Es kann eine Herausforderung sein, wenn Gäste unser Konzept nicht ganz verstehen und Bedenken wegen kleinerer Probleme äußern. Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass es unmöglich ist, jede und jeden Einzelnen zufrieden zu stellen, und betonen, wie wichtig es ist, Menschen zu gewinnen, die mit unserer Vision übereinstimmen.

F: Was erwarten Sie von Ihrem Hotel?

NT: Ich stelle mir vor, dass das Pátio do Tijolo ein einzigartiges und unverwechselbares Hotel wird, das Anklang findet und positiv aufgenommen wird. Ich hoffe, dass sich die Gäste außerordentlich wohl fühlen und das Hotel als ihr zweites Zuhause betrachten. Angesichts der fantastischen Bewertungen und Rückmeldungen,

die wir in den vergangenen Monaten erhalten haben, können wir mit Sicherheit sagen, dass wir unsere ursprünglichen Erwartungen übertreffen.

F: Das Leben als Hotelier hält jeden Tag spannende Geschichten bereit. Welche Situation oder Begegnung ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

NT: Ich bin der festen Überzeugung, dass das schönste Gefühl für einen Hotelier die Treue seiner Gäste ist. In unserem früheren Gästehaus begrüßten wir jedes Jahr ein warmherziges und freundliches Paar, das sich von einfachen Gästen zu besonderen FreundInnen entwickelte. Das ganze Jahr über tauschten wir E-Mails und Geschenke aus und unterhielten uns bei jedem ihrer Besuche ausführlich. Sie haben bereits in unserem neuen Hotel übernachtet, und natürlich hat es ihnen gefallen! Solche menschlichen Verbindungen sind es, die das Hotelgewerbe unglaublich lohnend und besonders machen.

F: Worauf achten Sie, wenn Sie selbst auswärts übernachten?

NT: Wenn ich alleine reise, möchte ich eine Unterkunft finden, die ästhetisch ansprechend ist, auch wenn Luxus keine zwingende Voraussetzung ist. Am wichtigsten ist mir eine Atmosphäre, in der sich Alltagserfahrungen widerspiegeln und die ein Gefühl der Ausgeglichenheit vermittelt. Authentizität ist der Schlüssel zu meiner Suche, egal, ob es sich um eine rustikale Holzhütte auf dem Land oder ein modernes Hotel in einer belebten Stadt handelt. Vor allem aber steht für mich der Komfort an erster Stelle.

F: Was macht den Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Hotel?

NT: Ein gutes Hotel erfüllt die Erwartungen, die es verkauft, aber ein hervorragendes Hotel geht darüber hinaus, indem es Authentizität bietet.

F: Wenn Sie nicht im Hotel übernachten, wo schlafen Sie dann?

NT: Mein eigenes Bett ist ein bewegliches Ziel! Ich bin so etwas wie eine Nomadin, die ständig unterwegs ist, neue Orte erkundet und jeden Tag ein anderes Bett entdeckt. Manchmal in einer Weltstadt, ein anderes Mal auf dem Lande. Man könnte sagen, ich bin auf der ständigen Suche nach dem perfekten Schlaf und erkunde ein kuscheliges Bett nach dem anderen! (lacht)

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VOYEUR PHOTO FINNISH

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Fotos: Kasperi Kropsu Links:
80s-Vibe mitten im 21. Jahrhundert.
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Rechts: Ein gelber Farbtupfer in der Metrostation.
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Tristesse à la Helsinki, elegante Schuhe, verworrene Perspektiven: Willkommen in der Welt des 30-jährigen finnischen Fotografen Kasperi Kropsu. Fast zehn Jahre reiste er als gesponserter Skateboarder um die Welt, bis ihm ein verknackster Knöchel einen Strich durch die Rechnung machte. Statt durch die Straßen zu rollen, fing Kropsu an, seine Heimat auf langen Spaziergängen durch die Kameralinse zu beobachten. Ganz im Sinne der Straßenfotografie-Größen der Fünfzigerjahre dokumentiert er unsere Gesellschaft und fängt die Schönheit alltäglicher Momente digital und analog ein.

Drinnen eine warme Umarmung, draußen kalter Schneematsch.

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Die Straße dampft, den Velofahrer scheints nicht zu stören.

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Diese Frau war wohl bei der präzisesten FriseurIn der Welt.

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Was gibt es Zeitloseres als ein

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rotes Paar High Heels?
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Metro-Man in black. N°06 /  2024 160
Call me maybe? N°06 /  2024 161
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Der Anzug sitzt, die Ampel zeigt grün, let’s go.
Wer beobachtet hier wen? N°06 /  2024 163

REAL LIFE

Ob Helsinki oder Paris, wo Kasperi Kropsu mit seiner Kamera durch die Straßen schlendert, entstehen nostalgiegetränkte Fotos, die sich keiner bestimmten Zeit zuordnen lassen. Warum es in Paris einfacher ist zu fotografieren, wie er seine Hass-Liebe mit Instagram handhabt und was er von FotografInnen hält, die KI benutzen, erzählt er im Interview.

Interview: Josefine Zürcher

FACES: Was ist die Kamera deiner Wahl?

Kasperi Kropsu: Ich benutze eine Fujifilm XT-4 und ein iPhone.

F: Ein iPhone! Heißt das, dass dir die Ausrüstung weniger wichtig ist, und es vor allem darauf ankommt, ein gutes Auge für das Bild zu haben?

KK: Ein gutes Auge ist definitiv das Wichtigste. Bis zu einem gewissen Grad kann neues Equipment inspirieren oder zum Experimentieren anregen, aber eine neue Kamera kann die Fotos nicht für mich machen. Ich liebe das Zitat von Henri Cartier-Bresson: „Es ist eine Illusion, dass Fotos mit der Kamera gemacht werden. Sie werden mit dem Auge, dem Herzen und dem Kopf gemacht.“

F: Seit wann begeisterst du dich für die Fotografie?

KK: Meine frühesten Erinnerungen an die Fotografie als Kunstform starten ca. 2001. Da habe ich angefangen, Skateboard-Magazine zu kaufen. Es gab dieses kleine finnische Skateboard-Magazin Numero, und auch Thrasher und TransWorld aus den USA mochte ich gerne. Später habe ich dann audiovisuelle Kommunikation studiert, weil ich gerne Skatevideos schnitt. 2018 verknackste ich mir beim Skateboarden den Knöchel. Da habe ich mir eine Digitalkamera gekauft und angefangen zu fotografieren.

F: Deinen Stil kann man vor allem der Straßenfotografie zuordnen. War das von Anfang an dein liebstes Genre?

KK: Anfangs machte ich vor allem Fotos von meinen FreundInnen. Dann stolperte ich auf Instagram über einige alte Schwarz-Weiß-Fotos von Henri CartierBresson. Das war ein richtiger Aha-Moment, alles hat sich für mich verändert. Ich ging nach draußen, machte einen Spaziergang mit meiner Kamera – und war sofort Feuer und Flamme.

F: Welche anderen StraßenfotografInnen inspirieren dich am meisten?

KK: Die Werke von Saul Leiter haben meine Sicht auf die Welt grundlegend verändert. Kurz darauf entdeckte ich Ernst Haas, der wahrscheinlich den größten Einfluss auf mich hatte. Diese beiden sind die wichtigsten, aber es gibt noch viele mehr: Vivian Maier, André Kertész, Joel Meyerowitz, Gordon Parks, Frank Horvat, Fred Herzog. Die meisten meiner HeldInnen sind längst verstorben.

F: Kannst du einen perfekten Fotografie-Tag beschreiben? Wo und wie lange bist du unterwegs?

KK: Es gibt selten einen perfekten Tag zum Fotografieren, aber ideal ist, wenn man ohne Zeitplan umherstreifen kann: Ein bisschen spazieren, Kaffee trinken, mit FreundInnen oder Fremden plaudern… seines eigenen Glückes Schmied sein, wie man so schön sagt. Ich könnte überall auf der Welt sein und wäre glücklich, wenn ich den Tag genau so verbringen würde.

F: Hast du die Kamera immer dabei oder brauchst du manchmal eine kreative Pause?

KK: Ich habe sie tatsächlich immer dabei, sogar, wenn ich nur kurz zum Supermarkt gehe. Ich bin einfach zu besessen. Die einzigen Pausen, die ich mache, sind dann, wenn ich die Wohnung nicht verlasse. Wenn ich die Kamera zuhause ließe und dann über den schönsten Moment meines Lebens stolpern würde und diesen nicht festhalten könnte – ich glaube, ich könnte mir nie verzeihen (lacht).

F: Es gibt immer wieder Diskussionen, ob Straßenfotografie unethisch ist. Was denkst du dazu?

KK: Wenn man herumläuft und denkt: „Heute werde ich einen Haufen Leute ausbeuten, um ein bisschen fame zu bekommen“, dann geht man falsch an die Sache heran. Ich bin nicht da draußen, um Menschen zu belästigen. Mir geht es nur darum, das Leben durch den Sucher zu betrachten und zu erleben. Darin sehe ich nichts Unmoralisches. Menschen stehen in meinen Bildern ohnehin selten im Vordergrund. Sie sind eher Teil eines größeren Ensembles aus Farbe, Form, Silhouette. Außerdem denke ich, dass Fotos von echten Situationen und Emotionen in diesen künstlichen Zeiten, in denen wir leben, wichtiger sind denn je. Sie dokumentieren unsere Geschichte, ob es einem gefällt oder nicht.

F: Hast du eher positive oder negative Erfahrungen mit Menschen, die du auf der Straße fotografierst?

KK: Meistens positive. Es bemerkt selten überhaupt jemand, dass ich ein Foto von ihm gemacht habe. Nur einmal rief ein Typ so etwas wie „Ihr Fotografen seid der Abschaum der Menschheit“, nachdem ich ihn fotografiert hatte. Eine Entschuldigung wollte er nicht. Naja, life goes on!

F: Was sollen die BetrachterInnen fühlen, wenn sie deine Fotos anschauen?

KK: Sie sollen einen Hauch von einfacheren Zeiten spüren, die schon lange vorbei sind, aber immer noch irgendwie in kleinen Partikeln präsent sind.

F: Ist Straßenfotografie ein einsames Unterfangen? Oder würdest du auch mit anderen FotografInnen losziehen?

KASPERI KROPSU

Kasperi Kropsu wuchs in Oulu im Norden Finnlands auf. 2015 zog es ihn in die Hauptstadt, wo er bis heute lebt. Vor dem Fotografieren galt seine Leidenschaft dem Skateboarden, das er wegen einer Verletzung aufgab. Statt die Fotos in Skatemagazinen zu bewundern, nahm er die Kamera selbst in die Hand und begann, das Leben in Helsinki zu dokumentieren. kasperikropsu.com

KK: Die besten Fotos entstehen meistens, wenn man alleine und konzentriert ist. FreundInnen können einen ablenken. Abgesehen davon hat man mit dem Smartphone schon genug Ablenkung. Ich vernetze mich aber sonst gerne mit anderen FotografInnen, gehe mit ihnen Kaffee trinken und unterhalte mich über unsere Arbeit.

F: Du lebst in Helsinki, hast aber letztes Jahr eine Zeit in Paris verbracht. Wie unterscheiden sich die beiden Großstädte hinsichtlich der Straßenfotografie?

KK: Helsinki ist heutzutage so grau. Die Schaufenster sind modern und minimalistisch, die Autos farblos. An den Straßenecken stehen Elektroroller. Das Image einiger der erfolgreichsten finnischen Marken besteht darin, farbenfroh und fröhlich zu sein, doch davon sieht man an den Fassaden der Läden nichts mehr. Das ist aber nicht nur ein Problem in Helsinki, sondern überall auf der Welt. Gute Fotos werden so immer seltener. Man

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muss auch einiges weglassen, um die Fotos zeitlos wirken zu lassen. Es braucht ganz schön Geduld, dafür durch die Straßen zu streifen. Aber ich finde es trotzdem wichtig, seine Heimat zu dokumentieren. Wie schwierig es in Helsinki ist, gute Fotos zu machen, wurde mir aber erst in Paris bewusst. Es ist unglaublich, wie viel einfacher das Fotografieren dort ist. So viele Farben und Formen, Menschen, die sich so kleiden, dass man sie auf seinen Fotos festhalten möchte! Es war toll, endlich die Bilder machen zu können, von denen ich schon immer geträumt habe. Das Fotografieren in Helsinki fühlt sich manchmal beinahe unmöglich an. Das ist frustrierend, denn Helsinki war in den Achtzigerjahren so schön. Mittlerweile wurden die meisten Farben abgewaschen und die schönen Neonschilder abmontiert – da ist kaum mehr etwas, das das Auge ablenken kann. Paris ist ein Beispiel dafür, wie man die Geschichte seiner Stadt wertschätzen und erhalten kann, das war einfach wunderschön.

F: Was ist nebst Paris deine Traumdestination für Straßenfotografie?

KK: Kuba! Und New York natürlich... Aber eigentlich träume ich die ganze Zeit davon, wieder nach Paris zu gehen.

F: Straßenfotografie kann den sozialen Wandel dokumentieren. Hast du Veränderungen in der finnischen Gesellschaft festgestellt, die du in deinen Fotografien dokumentiert hast?

KK: Unsere Gesellschaft ist mittlerweile ziemlich langweilig zum Fotografieren. Wir sind so isoliert wie noch nie, es passiert nichts Aufregendes auf der Straße. Die Menschen ertrinken in ihren Handys, den sozialen Medien oder in Videospielen und kommen nur selten aus ihren Wohnungen heraus. Und nebenan tobt der Krieg. Irgendwie spürt man einfach, dass eine Spannung in der Luft liegt.

F: Gibt es bestimmte Stadtviertel und Gegenden in Helsinki, die dich immer wieder anziehen?

KK: Kallio, meine Heimatregion. In Finnland gibt es den sogenannten „Kaurismäki-Vibe“, Orte und Stimmungen, die den Filmen von Aki Kaurismäki ähneln. Und Kallio hat die stärksten „Kaurismäki-Vibes“. Manchmal denke ich, ich lebe in seinen Filmen, wenn ich hier herumlaufe und herumhänge. Und in Gegenden wie Töölö und Eira liebe ich die wunderschöne alte Jugendstilarchitektur.

F: Möchtest du dich auch einmal an andere Arten der Fotografie heranwagen?

KK: Seit ich die Arbeiten von Saul Leiter, William Klein, Tony Vaccaro und Frank Horvat gesehen habe, ist Modefotografie ein Traum von mir. Sie waren so kreativ, haben ihre eigene Ästhetik stark inkorporiert und so im Grunde einen ganz neuen Stil der Modefotografie erfunden.

F: Künstliche Intelligenz ist ein großes Thema, gerade in der Kunst und der Fotografie. Was hältst du davon?

„Wie schwierig es in Helsinki ist, gute Fotos zu machen, wurde mir erst in Paris bewusst.“

KK: Ich finde sie schrecklich. KI ist das Schlimmste und Unnatürlichste überhaupt. Ein Computer stiehlt die Kunst von einem Menschen und verwandelt sie in bedeutungslose und seelenlose Bilder. Da steckt null Menschlichkeit drin. Ich hoffe, es ist nur ein Trend, der schnell wieder verschwindet.

F: Was denkst du von FotografInnen, die KI verwenden?

KK: Ganz ehrlich? Sie sind faul und haben kein echtes Talent. Solche Fotografien haben ja nichts mehr mit der Welt zu tun, in der wir leben. Je weiter wir uns von der Realität entfernen, desto schlimmer wird alles.

F: Wird KI also die kreativen Branchen ruinieren?

KK: Ich glaube, das Bedürfnis nach echten menschlichen Verbindungen wird immer da sein – ein Verlangen nach Berührungen und Emotionen, die kein Computer erzeugen kann.

F: Ebenfalls kaum wegzudenken in unserer Zeit sind die sozialen Medien. Was hältst du von diesen? Sind Instagram und Co. gute Tools, um als KünstlerIn zu wachsen, oder findest du es schwierig, dich abzuheben und ein Publikum zu finden?

KK: Die sozialen Medien sind schlecht für unsere mentale Gesundheit. Wenn man ständig die Highlights anderer Leute sieht und sich mit ihnen vergleicht, vergisst man, für sich selbst zu leben. Ich vermisse die Zeit, in der sie uns noch nicht komplett vereinnahmt haben. Aber ohne Instagram hätte ich wahrscheinlich keine Karriere als Fotograf. Trotzdem ist es schwierig, aus der Masse herauszustechen, wenn die eigene Arbeit nicht wirklich einzigartig und außergewöhnlich ist. Auf dem Handy habe ich Instagram mittlerweile deinstalliert. Es ist ein Zwiespalt: Ich brauche es, um als Fotograf zu arbeiten, aber das Leben ist so viel besser ohne.

F: Wo sprudelt deine Inspirationsquelle?

KK: In den Fünfziger- bis Neunzigerjahren. Alle Fotos und Filme aus dieser Zeit inspirieren mich.

F: Was tust du, um eine kreative Blockade zu überwinden?

KK: Ich sehe mir viele Filme an und blättere in Fotobüchern. Von beidem habe ich eine Sammlung. Und in 99 Prozent der Fälle hilft ein Spaziergang.

F: Farbe oder Schwarzweiß?

KK: Meine Augen sehen immer zuerst die Farbe, wenn ich durch die Straßen schlendere. Aber Schwarz-Weiß ist gut für Momente, in denen Farben eher ablenken, und es funktioniert auch besser bei hartem Licht.

F: Analog oder digital?

KK: Digital wegen der Bequemlichkeit, analog wegen der Ästhetik. Ende letzten Jahres habe ich komplett auf digital umgestellt. Ich liebe es aber, die Welt durch die Glaslinse statt durch den Bildschirm zu sehen.

F: Welche Ziele hast du für deine kreative Zukunft?

KK: Wenn ich für den Rest meines Lebens an verschiedenen kreativen Projekten Teil sein könnte, reisen, fotografieren, Ausstellungen und Fotobücher machen könnte, wäre das ein Traum.

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WILD GLITTERY COLOR ECLIPSE GLISTENING NIGHT

Photography: Ava Pivot, B&A
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Styling: Izabela Macoch Make-up & Hair: Gabrielle Theurer, Basics Berlin Model: Sandra Martens, A Management Bustier von PRADA. Top von MAISON MARGIELA. Ohrringe von SASKIA DIEZ. Ringe von MIES NOBIS und SASKIA DIEZ.

Unterhose von OFF WHITE. Rock von RITUAL UNIONS.

Shirt von DOLCE & GABBANA.

Schuhe von STELLA MCCARTNEY.

Ohrringe von SAINT LAURENT. Ringe von MIES NOBIS.

Body von DOLCE & GABBANA. Top von JULIA BAJANOVA. Ohrringe von SWAROVSKI. Collier von GUCCI.

Unterhose und Shirt von DOLCE & GABBANA.

Schleier von RITUAL UNIONS. Ohrringe von GIVENCHY.

Blazer von BALNCIAGA. Krone von BJØRN VAN DER BERG.
Kleid von RICK OWENS. Bustier von JULIA BAJANOVA. Kleid von RITUAL UNIONS. Schuhe von STELLA MCCARTNEY. Kette von SASKIA DIEZ.

Body von GUCCI. Shoulderpiece von RITUAL UNIONS. Ohrringe von SASKIA DIEZ.

23.4. OMEGA „SPEEDMASTER

38 MM“ LAUNCH, MAILAND

JUST WATCH ME

Text: Michael Rechsteiner Fotos: Omega

Mit einem Reiseticket nach Mailand sollte man immer einen Koffer mehr mitbringen und beim Packen eine Stunde länger vor dem Kleiderschrank nachdenken. Immerhin geht es in die vielleicht bestangezogene Stadt der Welt. Und weil guter Stil nicht am Stoffsaum endet, lud Omegas Präsident und CEO Raynald Aeschlimann zur Lancierung der neuen „Speedmaster 38 mm“Uhren in die Modemetropole. Das Vorzeigemodell der Schweizer Manufaktur begleitete bereits Astronauten ins Weltall. Diesmal waren es aber die Stars, die zu Omega flogen. Naomie Harris, Barry Keoghan, Alessandra Ambrosio und weitere hochkarätige Gäste strahlten mit den hochkarätigen Uhren –52 Diamanten zieren die Lünette der acht neuen Speedmaster-Versionen –um die Wette. Kein Wunder, nahm Sänger Marco Mengoni an diesem Abend seine Sonnenbrille nicht ab.

Highlight: Gegen den Glanz der Speedmaster kam selbst Jonathan Baileys Brosche nicht an. Fazit: Die Zeit verging im Flug – und in Style.

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1 Alessandra Ambrosio 2 Jonathan Bailey 3 Naomie Harris 4 Thomas Ceccon 5 Die Uhren waren die wahren Stars des Abends 6 Hero Fiennes Tiffin 7 Miriam Leone 8 Alisha Boe 9 Raynald Aeschlimann & Barry Keoghan 10 Stefano Accorsi 11 Christa Rigozzi 12 Neues Omega „Speedmaster 38 mm“ Modell 13 Marco Mengoni 11 8 13 10 6 7 9 12 N°06 /  2024 177

39,24

„Hast du ein Zelt, gehört dir die Welt “, lautet ein altes Sprichwort, das wir soeben erfunden haben. Ein Stück Stoff mit einer Stange aufgespannt und voilà: Heim süßes Heim, egal wo auf dem Globus wir sind. Doch auch so was muss man sich erst leisten können. Das Online-Portal camping.info hat Europas Campingplätze preislich verglichen. Mit durchschnittlich 39,24 Euro pro Nacht ist Italien der teuerste Zeltparkplatz auf dem Kontinent, gefolgt von der Schweiz und Kroatien. Am günstigsten campiert es sich in Albanien mit 13,52 Euro.

Das Luxury Camp von Union Lido, Italiens Fünf-Sterne-Campingplatz bei Venedig, hat womöglich den Durchschnittspreis hoch gedrückt. Dort lässt es sich in aufgeprotzten Caravans nächtigen, die schnell mal über 700 Euro pro Nacht kosten. Inklusive Privatstrand, Zimmerservice und Concierge. Wir wollen schließlich auch in freier Natur nicht komplett verwildern.

WTF
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