FACES Österreich, Oktober 24

Page 1


HIGH

Christina
by Tanya & Zhenya Posternak
CAPTURED BY JOE CLARKE

N°10/2024

S.20

The Faces

Grace Wales Bonner, Reece Feldman, Sable Yong, Jannis Niewöhner, Audrey Diwan, Elyanna, Nigel Xavier, Willie Nelson, Margaret Qualley, Honey Balenciaga, Nick Frosst

S.36

The Hype

Fashion, Beauty, Travel, Eat&Drink

S.50

The Hype Special

Watches

S.54

Smoked Up

Photography: Patrick Walter

S.68

Graveyard Girl

Portrait: Winona Ryder

Eleganz wie aus dem Ärmel geschüttelt im Editorial von Patrick Walter. S.54
The Hype: Travel. Mögliche Risiken und Nebenwirkungen: Reisefieber. S.46
Back in Black: Unser Portrait zu Winona Ryder. S.68

S.74

Sympathy for the Denim

Interview: Nicolai Marciano

S.88

Vanity Visions

The Beauty Report FW24

S.100

Japanese Equilibrium

Interview: Nora Kato & Kikoc Veopraseut

S.108

Photography: Philip Montgomery

Du brauchst etwas Farbe im Gesicht? Unser Beauty Report verrät, welche. S.88
von Guess Jeans.
Hartes Erwachen vom amerikanischen Traum in den Fotos von Philip Montgomery.

Vielschichtige Outfits gibt es im Editorial von Valérie Mathilde. S.166

Erholung wie in einem Kunstgemälde: Willkommen im Forestis. S.150

COVER

Photography: Patrick Walter

Styling: Johannes Jorge Hölkeskamp

Hair & Make-up: Wiebke Reich

Assistance: Max Sauer

Model: Mia Strelzyk, Modelwerk

Handschuhe VINTAGE.

S.150

Peace of Mind Forestis

S.160 Alleine Los

Text: Ilija Trojanow S.166

Urban Luxe

Photography: Valérie Mathilde

S.178

WTF

Pelz S.14

Impressum

S.16

Contributors

IMPRESSUM

HERAUSGEBER

Stefan Berger – berger@faces.ch

Patrick Pierazzoli – pierazzoli@faces.ch

CHEFREDAKTEUR

Patrick Pierazzoli

VERLAGSLEITUNG

Julia Gelau

CREATIVE CONSULTANTS

Florian Ribisch

Alex Wiederin

REDAKTION

Michael Rechsteiner

Josefine Zürcher

Livia Schneckenburger

GRAFIKLEITUNG

Bianca Ugas – grafik@faces.ch

DESIGN/LAYOUT

Gian Ganter

FACES, Bertastrasse 1, CH-8003 Zürich

AUTORINNEN

Sermin Kaya, Michael Rechsteiner, Ilija Trojanow, Josefine Zürcher

FOTOS & ILLUSTRATIONEN

Susanne Kaufmann, Angela Lamprecht, Valérie Mathilde,Craig McDean, Lucretia Mettier, Philip Montgomery, Marco Trunz, Patrick Walter, Milena Zara, pa picture alliance (dpa), Launchmetrics SpotlightSM

TYPEFACES

Synt (Dinamo)

Salt Lake (Florian Ribisch)

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN DEUTSCHLAND & ÖSTERREICH

FACES Deutschland, Straßburger Straße 6D, D-10405 Berlin

Julia Gelau, Managing Director Germany & Austria – julia@faces.ch; +49 (0) 30 552 02 383

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN SCHWEIZ

Mirco Ludolini, Sales Director – ludolini@faces.ch

Monika Brändli – monika.braendli@faces.ch

Pascal Konrad – pascal.konrad@faces.ch +41 (0) 43 322 05 37

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN ITALIEN

EDICONSULT INTERNAZIONALE srl, Piazza Fontane Marose 3, I-16123 Genova milano@ediconsult.com; +39 (0) 010 583 684

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN FRANKREICH & GROSSBRITANNIEN

Helena Kawalec – helena@faces.ch; +33 (0) 6 62 53 72 00

ABONNEMENTSPREISE

FACES erscheint 8 Mal im Jahr. Einzelverkaufspreis EUR 10.– ; Jahresabo Jahresabo EUR 68.–

© Copyright 2024 Fairlane Consulting GmbH

Der FACES-Schriftzug/-Stern sind eingetragene Markenzeichen der Fairlane Consulting GmbH und dürfen nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Patrick Walter

Wie es sich für einen echten Künstler und Fotografen gehört, lässt Patrick Walter lieber seine Bilder sprechen, als zu viel über sich selbst zu verraten. Oder gar etwa selbst vor die Linse zu treten – ganz nach dem Motto „schaut selbst”. Auch sonst lebt der Fotograf sein Leben nach klaren Mottos: „love loudly“ und „lebe DEIN Leben“, lauten diese. Da können wir nur zustimmen und voller Bewunderung durch sein Editorial blättern.

MERCI

No passion to be found playing small.

Johannes Jorge Hölkeskamp

Wer wissen will, was nicht heute, sondern übermorgen im Trend liegt, muss einfach bei Stylist Johannes Jorge Hölkeskamp nachfragen, denn er weiß es bestimmt. Mode ist für Johannes so viel mehr als nur Kleidung, denn sie spiegelt Kultur und Gesellschaft wider. All diese Zusammenhänge erkennt er von Weitem. Am meisten blüht er in der HighFashion und Avantgarde auf, wo Kunst und Mode kaum mehr zu unterscheiden sind.

Wiebke Reich

Haare und Make-up gibt man gerne in Wiebkes Hände. Sie hat schließlich nicht nur über zehn Jahre Erfahrung darin, aus jedem Gesicht das Beste herauszuholen, sondern auch eine Coiffeuse-Ausbildung. Ihre Fähigkeiten reichen vom präzisen, unauffälligen Make -up wie in unserem Fashion-Editorial bis zu komplizierten Special Effects für TV-Produktionen.

Valérie

Mathilde

Seit 25 Jahren macht Valérie nichts lieber, als hinter dem Objektiv zu stehen. Den Anfang dieser Karriere, bei der nach den Werbekunden bald auch die Modeindustrie an die Tür klopfte, machte der Traum, zu reisen. Nach ihrer Hotelfachlehre verbrachte die DeutschFranzösin deshalb ein Jahr in den USA und begann danach ihre Fotografinnenausbildung. Mittlerweile wohnt sie in der Modemetropole Paris – eine gute Wahl, wenn man ein tolles Fashion-Editorial nach dem anderen ablichtet.

Marie Revelut

In ihren Adern fließt Mode: Diese diente als Inspirationsquelle und Antrieb gleicher maßen, und so studierte Marie Revelut Modedesign in Perpignan und Narbonne, um dann endlich nach Paris zu gehen, dem Modezentrum schlechthin. Dort lief es auch gleich rund mit der Karriere. Für verschiedene Magazine hat sie ihren ganz eigenen Stil als Stylistin einfließen lassen. Als Inspiration zitiert sie eine vielseitige Palette aus Poesie, Kunst, Frauen und Schönheit.

Josefine Zürcher

Sie findet nicht nur die richtigen Worte, sondern liefert auch die perfek ten Bilder. Für diese Ausgabe stellte unsere Redakteurin Josefine Zürcher unter anderem den Beauty Report zusammen und interviewte die Ipsum Alii Gründerinnen Kikoc Veopraseut und Nora Kato. Mit ihrer Fotokamera dokumentiert sie außerdem Events für die Social-Media-Kanäle und Printausgaben von FACES. Doch eigentlich sollten die Aufnahmen in einer Galerie hängen.

Work is much more fun than fun.

Pascal

Konrad

Seit bald einem Jahr sorgt Pascal Konrad als Senior Consultant mit dem wohl ansteckendsten Lachen nicht nur bei Kunden für gute Stimmung, sondern auch in unserem Team. Eigentlich müssten wir den Ostschweizer aber überreden, für uns eine Fitnesskolumne zu schreiben, trifft man ihn doch fast jeden Tag im Gym an und seine Einkaufsliste besteht aus rohem Gemüse und Unmengen an gekochten Eiern. Von irgendwo muss die ganze Energie ja kommen, mit der Pascal in allen Lebensbereichen Vollgas gibt.

Mirco Ludolini

Wer seinen Kater Julio Casablanca tauft, der kann ja nur cool sein. Wir würden unseren Head of Business Development & Partnerships aber nicht nur für die kreativste Namensgebung mit Preisen überhäufen. In folgenden Disziplinen würde er ebenfalls Trophäen absahnen: Schlagfertigster Mitarbeiter mit den unterhaltsamsten Geschichten, höchste Toleranz für scharfes Essen, totale Stilsicherheit von Haar bis Schuh. Und natürlich Verkaufstalent, sorgt er schließlich dafür, dass bei uns am richtigen Ort die Kasse klingelt.

surprise with luxury

YOU CAN’T GO WRONG WITH THE MOST EXQUISITE VOUCHER OUT THERE.

SWISSDELUXEHOTELS.COM get your giftonlinevoucher

Established in 1934, the Swiss Deluxe Hotels group combines 42 of Switzerland’s most iconic five-star hotels:

ANDERMATT: The Chedi Andermatt AROSA : Tschuggen Grand Hotel ASCONA : Castello del Sole, Hotel Eden Roc BAD RAGAZ : Grand Hotel Quellenhof & Spa Suites BASEL : Grand Hotel Les Trois Rois

BERN : Bellevue Palace, Hotel Schweizerhof Bern & Spa CRANS-MONTANA : Guarda Golf Hotel & Residences, LeCrans Hotel & Spa GENÈVE : Beau-Rivage, Four Seasons Hotel des Bergues, La Réserve Genève, Mandarin Oriental, Geneva GSTAAD : Gstaad Palace, Le Grand Bellevue, Park Gstaad, The Alpina Gstaad

INTERLAKEN: Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa LAUSANNE: Beau-Rivage Palace, Lausanne Palace

LE MONT-PÈLERIN : Le Mirador Resort & Spa LUGANO : Hotel Splendide Royal LUZERN : Bürgenstock Resort Lake Lucerne, Mandarin Oriental Palace, Luzern MONTREUX : Fairmont Le Montreux Palace

NEUCHÂTEL : Beau-Rivage Hotel PONTRESINA : Grand Hotel Kronenhof ST. MORITZ : Badrutt’s Palace Hotel, Carlton Hotel St. Moritz, Kulm Hotel St. Moritz, Suvretta House VEVEY: Grand Hôtel du Lac

VITZNAU : Park Hotel Vitznau ZERMATT: Grand Hotel Zermatterhof, Mont Cervin Palace, Riffelalp Resort 2222 m

ZÜRICH: Baur au Lac, La Réserve Eden au Lac, Mandarin Oriental Savoy, Zurich, The Dolder Grand, Widder Hotel

„A CHAMPAGNE SUPERNOVA IN THE SKY.“ THE FACES

GRACE WALES BONNER

FRONTRUNNER

9,58 Sekunden ist der Weltrekord im 100-Meter-Lauf. Ebenso schnell sind jeweils die neuen Sneaker-Kollektionen von Adidas x Wales Bonner ausverkauft. Auch für den kommenden Frühling ist ein Samba-Modell geplant, dessen Paillettenverzierung an der Paris Fashion Week für Augenfunkeln sorgte. Doch nicht nur kommerziell hat die Engländerin einen Lauf. Für die Kreationen ihres Labels recherchiert sie in panafrikanischer Kunst und Geschichte. Und das so fundiert, dass sie jüngst eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York City kuratierte.

Vom Laufsteg ins Museum.

REECE FELDMAN

CURLS ON FILM

Früher war Reece Feldman Laufbursche auf Filmsets und brachte dem Kameraassistenten frischen Kaffee. Heute laufen dem 26-Jährigen die großen Produktionsstudios hinterher, weil er den mächtigsten TikTok-Account Hollywoods führt. Auf diesem interviewt er Stars am Roten Teppich, begleitet Christopher Nolan zur Oscar-Verleihung und zeichnet mit Jenna Ortega um die Wette. Wer der Gen Z neue Filme schmackhaft machen will, lässt Reece kochen und kriegt Viralität serviert. Und weil er dabei so adrett gedresst ist, klopfen nun auch Marken wie Gucci an.

Hat halb Hollywood in den DMs.

SABLE YONG

VANITY FLAIR

Schönheit liegt im Auge der Betrachtenden. Im gleichen Auge steckt ein toxischer Dorn von unerreichbaren Idealen, Fotofiltern und Schlangenöl in Hautcreme-Dosen. Vieles liegt schief in der Beauty-Welt, dabei ist gerade dort die Symmetrie angeblich entscheidend. Autorin Sable Yong hat kein Skalpell, um diese gesellschaftlichen Krankheiten herauszuschneiden. Aber eine spitze Feder, um sie zu benennen. Ihre besten Essays sind jetzt im Buch „Die Hot with a Vengeance“ erschienen. Pflichtlektüre, um nicht mehr so selbstkritisch in den Spiegel zu blicken.

Benennt die Biester in der Beauty-Szene.

JANNIS NIEWÖHNER

SAGENHAFT

In Rollen, an denen sich andere nicht die Finger verbrennen wollen, läuft sich Jannis Niewöhner erst warm. Das personifizierte Böse malt er in Filmen wie „Je suis Karl“ und „Stella“ nicht in Schwarz, sondern in nuancierten Grautönen. Doch wenn es darum geht, abseits der Leinwand gegen die rechten Scharfmacher im echten Leben deutlich Stellung zu beziehen, ist der Nachwuchsstar eine der lautesten Promi-Stimmen Deutschlands. Mindestens so heldenhaft: Seine nächste Rolle als Titelfigur in der Fantasy-Großproduktion „Hagen – Im Tal der Nibelungen“.

Der Mann für die Grautöne.

UH LÀ LÀ

Ein halbes Jahrhundert bevor die Leute „ethically non monogamous“ ins Dating-Profil tippten, schlugen Emmanuelle und ihr Gatte befreundeten Paaren nach dem Dinner vor, dass man sich jetzt doch bitte zum Gruppensex ausziehen soll. Die „Emmanuelle“-Filmreihe eroberte in den 70er Jahren den Mainstream und gilt bis heute als Frankreichs erotischer Hauptexport. Zum 50-jährigen Jubiläum nimmt sich die beste Regisseurin des Landes der Figur an. Audrey Diwans Interpretation verspricht feministische Sensibilität, bittersüße Melancholie und makellose Ästhetik.

NIGEL XAVIER

JEANS GENIE

Als Wizard of Denim hexte sich Nigel Xavier im vergangenen Jahr zum Gewinner der Reality-Show „Next in Fashion“ und verzauberte unter anderem Jury-Mitglieder Gigi Hadid und Alexa Chung. Der blaue Stoff wird in seinen Händen zu Style-Gold aus Patchwork-Chic. Doch auch mit anderen Materialien verliert der Newcomer aus Atlanta nicht den Faden. Aus alten Strickdecken upcyclet der Designer knallige Ponchos und Jacken. Damit setzen wir im Winter nicht nur Farbtupfer, sondern fühlen uns auch in einem Blizzard so eingekuschelt wie bei Oma auf der Couch.

Der Mann mit dem richtig guten Stoff.

Die Sängerin lüftet den Schleier zu Arabiens Popwelt.

ELYANNA

1001 NIGHTS OUT

Sie wird zwar nie die berühmteste Persönlichkeit sein, die in Nazareth geboren wurde. Doch Eylanna steht kurz davor, der nächste globale Popstar zu werden. In der arabischen Musikwelt ist die palästinensisch-chilenische Sängerin bereits eine Sensation. Und seit ihrer Kollaboration mit Coldplay öffnet sich auch fürs westliche Publikum das Sesam. Am Coachella spielte Elyanna dessen erstes arabischsprachige Konzert. Ihre Musik wirbelt Folklore, EDM und Jazz zu einem Gefühlssturm, der nicht durch Sprache, sondern mit dem Herzen verstanden wird.

bei der Arbeit.

WILLIE

TAKE ME HOME

Der letzte Outlaw reitet in den Sonnenuntergang. Als Willie Nelson auf dem Dach vom Weißen Haus kiffte, war Jimmy Carter noch Präsident. Seither hat die Country-Ikone über 150 Studioalben aus dem Holster gefeuert. Jetzt erscheint sein neues – und es klingt nach Abschied. In „Last Leaf on the Tree“ spielt der 91-Jährige das Lied vom Tod. Furchtlos, poetisch und noch immer neugierig auf das nächste große Abenteuer. Das größte und letzte steht ihm nun bevor. Doch für den tröstenden Soundtrack in einer Welt ohne Willie Nelson hat er reichlich vorgesorgt.

Legende

Wo sie auftaucht, lauert die Gefahr. Natürlich nur im Film. Hoffentlich.

MARGARET QUALLEY

DARK MATTERS

Ein Gesicht, das man sich merken sollte? Nein, weil man es garantiert nicht vergisst. Für Quentin Tarantino zog sich Margaret Qualley die Schuhe aus und verdrehte Brad Pitt den Kopf in „Once Upon a Time in Hollywood“. Seither glänzt die Schauspielerin in einigen der spannendsten und provokantesten Filme aus jener Stadt. Oft als Verführerin, die ins Verderben lockt. In der Body-Horror-Satire „The Substance“ steigt sie als personifizierte ewige Jugend aus Demi Moores leblosem Körper empor. So schrecklich schön, dass wir nicht wegsehen wollen.

SEAN EVANS

SAUCY

In seinen Interviews bringt Sean Evans die größten Stars zum Weinen. Nicht, weil er ihnen schmerzhafte Geständnisse entlockt. Stattdessen serviert Evans in der YouTube-Talkshow „Hot Ones“ seinen Gästen Chickenwings, die mit jeder Frage schärfer werden. Wer sich so etwas antut? Unter anderem Scarlett Johansson, Lewis Hamilton, Margot Robbie und Chris Hemsworth. Doch das Millionen-Publikum schätzt nicht nur das ungewöhnliche Setting, sondern Seans fundierte Fragen und freundliche Art. Kein Wunder, hat Netflix bereits mit einem Deal angefragt.

Stars lieben ihn, Hühner hassen ihn.

The category is: Weltkarriere.

HONEY BALENCIAGA

BALLROOM

Sie stahl Beyoncé (fast) die Show. Jetzt tanzt Honey Balenciaga nach ihrem eigenen Beat. Als The Voguing Diva zählte die Tänzerin zum Hofstaat von Queen Bey und war eine Hauptattraktion auf der Renaissance World Tour. Doch die größten Bühnen der Welt reichen nicht aus, um Honeys Talente zu tragen. Sie modelt für Coach und Nike, lanciert demnächst ihre eigene Linie von High Heels und hat angeblich eine Reality-Show für Netflix abgefilmt. Und das alles mit gerade mal 23 Jahren. In dem Alter kapierten wir erst, wie man den Wäschetrockner bedient.

NICK FROSST

SINGER-PROMPTWRITER

The Good Kid sind eine okaye Indie-Rockband, die zwar an Festivals wie dem Lollapalooza auftreten. Aber in einem Zeitfenster, zu dem die Leute erst aus dem Zelt kriechen und sich fragen, wer dieser singende Schlacks im „Herr der Ringe“-Shirt ist. Nun, Nick Frosst ist nicht nur Frontmann bei The Good Kid, sondern hat ein Tech-Start-up mitgegründet, das 5,5 Milliarden Dollar wert ist. Cohere gilt als Alternative zu OpenAI und könnte das nächste große Ding am Markt werden – sofern Frosst nicht auf Tour durch die Gemeinschaftszentren Nordamerikas muss.

Geht bald entweder mit seiner Band oder Start-up durch die Decke.

THE HYPE

„SWEET DREAMS ARE MADE OF

THIS.“

FASHION

Some know it, some learn it, some never will –like an instinct.

Trend

BUBBLY

Grau, braun und schlicht kennt man von der Wintermode. Da freuen wir uns umso mehr, schlägt ein verspieltes Teil momentan hohe Wellen. Ohne einen kurzen, voluminösen Bubbleskirt geht es diesen Winter nicht. Kombinieren kann man das Stück zu allem – es ist sowieso der Mittelpunkt eines jeden Outfits.

We Love

ESSENTIALS

Handy, Portemonnaie, Schlüssel… und Lippenstift, Kaugummi, vielleicht noch ein Buch, Schreibzeug, Powerbank, Einwegkamera – man

schleppt so einiges mit, wenn man den ganzen Tag unterwegs ist. Nicht alles davon ist brauchbar, aber das ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir

unseren Kram in einer schönen Tasche lagern können. Diese finden wir garantiert bei Dorothee Schumacher. dorothee-schumacher.com

Unfuck the World DEMOCRACY NOW

Die Welt ist ein Scherbenhaufen. Wir wollen ja nicht im Pessimismus versinken, aber so fühlt es sich doch manchmal an. Mode kann zwar nicht alles retten, aber sie kann immerhin ein Zeichen setzen. Ein klares Statement gegen rechte Hetze und Hass ist in Zeiten wie den jetzigen auch nötiger denn je. Wie wir das in die Realität umsetzen? Indem wir uns das neue Shirt der Solidarity Series von Armedangels schnappen. Das Designkollektiv Studio Yukiko hat den knalligen Schriftzug entworfen, der kurz und knapp mitteilt, was jetzt zählt: Demokratie. Der gesamte Gewinn aus dem Verkauf der T-Shirts geht an den Verein „Augen auf – Zivilcourage zeigen“, der sich seit über 20 Jahren für Toleranz und Demokratiebewusstsein engagiert. Armedangels, Democracy T-Shirt, ca. 45.–, armedangels.com

Liebling BLING

Wer Pharrell hauptsächlich dank seinem Megahit „Happy“ kennt, hat einiges nachzuholen. Bei ihm zuhause stehen zwar 13 Grammy Awards, das Multitalent mischt aber auch gerne in der Modewelt mit. 2023 wurde er zu Louis Vuittons neuem Menswear

Creative Director erkoren. Und jetzt hat es ihm die Schmuckwelt angetan. Mit Tiffany hat Pharrell die Kollektion „Tiffany Titan“ lanciert, deren Ringe, Colliers und Co. mit ihren an Speerspitzen erinnernden Details Inspiration aus der griechischen Mythologie schöpften. tiffany.com

„When people think fashion is just the surface of things, I disagree very politely.“
Luca Guadagnino

New Collection

GARDEN FAIRY

Was macht denn das ewige It-Girl, Fashion-Ikone und Model Alexa Chung in einem Schrebergarten? Sie hat sich nicht etwa

ein weiteres Hobby angeeignet, sondern bleibt als Gesicht der neuen Kollektion von Barbour ihren Fashion-Roots treu.

Dafür hat sie den RockstarLook, den man von ihr von den frühen 2010er gewohnt ist, abgelegt und macht dafür inmitten von Kraut und Rüben eine gute Figur. Facettenreich war sie eben schon immer. Die Looks eignen sich aber nicht nur zum Karotten zupfen und Blumensträuße binden, sondern auch für alle anderen herbstlichen Aktivitäten. barbour.com

It

Piece

SKY HIGH

Modetrends sind gar nicht so unpraktisch, wie manche behaupten.

Diesen Winter sind zwar kurze Kleidchen und Röcke angesagt, doch frieren muss trotzdem niemand: Das ideale Schuhwerk, um den Look zu vervollständigen, sind nämlich OverkneeBoots. Die halten die Beine mindestens so warm wie Strümpfe oder eine Hose.

Nice to Have

Wir haben ihn gefunden!

Den perfekten Herbstschuh, der mehrere unserer Lieblingstrends kombiniert: In Ballerinaform, weil wir die warmen Winterboots noch nicht hervorkramen wollen, und mit reichlich Fellflausch, da es eben doch bald kälter wird. Ob lavendellila, zitronengelb oder schlicht in Schwarz, dieses plüschige Modell von Ferragamo hebt jedes Outfit aufs nächste Level. Ferragamo, Ballerina aus Shearling, ca. 760.–, ferragamo.com

Hair Trend

HYDRO HAIR

Wenn der Pony einfach nicht sitzen will und weder Haarspange noch Bürste die Strähnen bändigen können, dann ist eine Hand voll Haargel die letzte Rettung. Wilde Stufenschnitte verlieren so kein bisschen an Coolness und sitzen den ganzen Tag genau so, wie wir es wollen. Unser liebster Vorteil des Looks? Vor lauter Gel sieht niemand, ob eigentlich gerade ein Haarwaschtag ansteht.

BEAUTY

Ohne Handcreme in jeder Handtasche, auf dem Nachttisch und im Büro gehtgar nichts. Wenn die Verpackung dazu so hübsch aussieht wie bei

der Pommade Concrète von Buly, geht auch das regelmäßige Eincremen nicht vergessen. Dank Alleskönner Sheabutter bleiben Hände und Füße

We Love

FARBE BEKENNEN

Wer mutig ist, setzt die nächste Trendfarbe selbst, statt zu beobachten, was andere machen. Die gedeckten, dunklen Farben, die den Herbst dominieren, lösen nicht nur bei uns Gähnen aus.

Auch im Hause Chanel scheint man dem braungrauen Mix überdrüssig geworden zu sein. So dreht sich bei der

neuen Herbst-Winter Make-up-Kollektion alles um fliederfarbene Töne, mit denen man einen auffälligen Look auf und um die Augen zaubern kann. Zusammen mit Metallic-schimmerndem Nagellack und rot-orangen Lippenfarben ergibt sich eine Farbexplosion, die den grausten Regentag aufhellt. chanel.com

den ganzen Winter lang weich. Officine Universelle Buly, „Pommade Concrète“, Hand- und Fußcreme, 75 ml, ca. 40.–, buly1803.com

„If I hadn’t been a woman, I’d be a drag queen for sure.“
Dolly Parton
Liebling SOFT

Make-up Trend

UPSIDE DOWN

Cat Eye mal anders: Statt unsere beflügelte Linie nach oben zu ziehen, geht’s abwärts. Nur mit dem schwarzen oder gerne auch glitzrigen Kajal natürlich, denn unsere Stimmung hebt sich umso mehr, desto steiler die Wings nach unten zeigen.

Der Name sagt schon alles, da muss auch kein üppiges Design her: Icon nennt sich das DSquared2 Parfum in seinem chicen schwarzen oder weißen Flakon. Die Düfte funktionieren am besten im Duo, sollen sie doch ein Paar darstellen, das trotz Gegensätzlichkeit perfekt harmoniert.

Der Frauenduft überzeugt mit Mandarine, weißer Praline und Akigalaholz, während beim Männerduft Blutorange, Patchouli und Lavendel für betörende Momente sorgen. DSquared2 Icon pour Homme und pour Femme, 50 ml, ca. 82.–, dsquared2.com

Idol

LACED UP

Das Warten auf ein neues Album von Rihanna gleicht allmählich einem Ultramarathon. Was die Sängerin in der Zwischenzeit so treibt, gefällt uns aber mindestens so gut wie

ihre Musik. Mit ihrem Label Savage x Fenty sorgt sie für Vielfalt und Inklusion in der Lingeriewelt, in der diese Kriterien sonst nur allzu gerne übersehen werden. savagex.eu

TRAVEL

We Love

Ab in die Tasche mit dem Handy – und Hände frei für deine neue Lieblingskamera. Die Nikon Z6III eignet sich bestens als treue Wegbegleiterin, die alle Erinnerungen festhält. Kompakt genug für unterwegs ist sie die perfekte Kamera für diejenigen, die auch im Alltag überall etwas Schönes sehen. Auch wer professioneller unterwegs ist, kann sich freuen: Dank automatischer 3D-Gesichtserkennung

gelingen Porträts im Handumdrehen. Reicht einem das Standbild nicht, braucht man sich nicht extra eine Videokamera zuzulegen. Auch das Filmen kriegt die Z6III mit links hin. Wer behauptet, dass Smartphones heutzutage reichen, um gute Fotos zu machen, wird diese Aussage nach ein paar Stunden mit dieser Kamera schleunigst zurücknehmen. nikon.ch / nikon.de

ESCAPE

Je näher der Winter rückt, desto weiter träumen wir uns gegen Süden. Ein kleiner Abstecher nach Spanien, bevor die Kälte einbricht? Klingt nach einem guten Plan. Unser auserkorenes Hideaway nennt sich Palau Fugit Hotel und liegt im pittoresken Girona. Draußen gibt es viel zu entdecken – Fahrradoder Wanderwege beispielsweise. Das Interieur des Hotels ist aber so schön, dass man sich auch eine Woche drinnen verkriechen könnte. Jedes Zimmer ein Unikat, können wir uns kaum entscheiden, ob wir die dunkelgrünen Akzente, rosa Wände oder die Samtsofas am liebsten mögen. Hier lebt man eben la vida plena, wie es die GastgeberInnen nennen. Palau Fugit Hotel Carrer Bonaventura Carreras i Peralta 4 17004 Girona, Spanien palaufugit.com

„Is it weird that I’m taking my
Louis Vuitton camping?“
Jessica Simpson

Liebling SKATING AWAY

Wer die Welt am liebsten auf dem Skateboard erkundet, aber gleichzeitig viel Gepäck mitnehmen will, findet bei Floyd den perfekten Kompromiss: Die bunten Koffer rollen nämlich auf Skateboardrädern daher. Langweilig wird es mit den stabilen Gepäckstücken nie, denn sie überraschen immer wieder gerne mit neuen Farben und verschiedenen Größen. Wer komplett ausgerüstet in die Ferne verschwinden will, schnappt sich gleich noch die Tasche dazu. floyd.one

CAFÉ CULTURE

Nach einer Shoppingtour durch den schwedischen Laden Arket ist eine Verschnaufpause im hauseigenen Café Pflicht. Oder man steuert direkt an die Kaffeetheke, denn das vegetarische Bistro hat ebenso viel zu bieten wie der Store selbst. Um unsere Liebe zum nachhaltigen Café-Konzept tagtäglich auszudrücken, shoppen wir uns einmal quer durch die Arket Café-Kollektion. Von Kleidung bis Küchentüchern gibt es allerlei Hübsches und Nützliches mit detailverliebten Illustrationen. arket.com

EAT&DRINK

„Why would you eat an animal if you could just eat some chips?“

Eine für Cappuccino, eine für Tee und eine einfach so – bei der bunten Auswahl von Lola Mayeras Keramik können wir uns unmöglich

für nur eine Farbe entscheiden. Die Tassen sind ja auch genau so sehr Kunstwerk wie Gebrauchsgegenstand,

Ein Glas Orangensaft morgens, um den Tag mit einer geballten Ladung Vitamine zu starten – dafür decken wir uns vor allem im Winter mit der Zitrusfrucht ein. Dass die Orange eine Alleskönnerin ist, beweist Jamie Schler in ihrem Kochbuch, in dem von Vorspeise über Hauptgang bis Dessert die Zitrusfrucht die Hauptrolle spielt. Aufgewachsen in Florida und somit umgeben von Zitrusfrüchten aller Art, hat die Autorin früh gelernt, dass Saft nur der Anfang ist. Ob Minze, Chili oder Zimt, Meeresfrüchte oder Fleisch, Blutorange oder Süßorange – auf 200 Seiten lernt man nicht nur das Einmaleins der Orangen, sondern wird auch zum Profi in ungewöhnlichen, aber funktionierenden Kombinationen. Jamie Schler, „Orangen – Süße und herzhafte Rezepte“, ars vivendi, ca. 28.–, arsvivendi.com

denn die Französin lässt ihren Hintergrund im Modedesign auch in ihre getöpferten Kreationen fließen. lolamayeras.com

WATCHES

Ohne sie keine Fashion Week: Bella Hadid hat bestimmt schon einige Marathonstrecken auf den Laufstegen dieser Welt zurückgelegt. Als Brand Ambassador für Chopard musste das Model of the Year 2022 für einmal nicht laufen, sondern bewies ihre Fähigkeiten vor der Kamera. Dabei stiehlt sie Schmuck und Uhren des Traditionshauses mit ihrem Charme schon fast die Show. chopard.com

Ciao Bella
JOIE DE VIVRE

Retrofuturism

KLASSIKER RELOADED

Früher war nicht alles besser, aber vieles ein bisschen schöner. So bleibt die Ästhetik der Fünfzigerjahre bis heute ungeschlagen und dient quer durch Kunst, Kultur und Mode als sprudelnde Inspirationsquelle. Auf dem Höhepunkt der Dekade erschien die Referenz „6073“ von Vacheron

Constantin: Eine runde, elegante und zeitlose Uhr – und eine der ersten mit Automatikwerk. Wir sind nicht die einzigen, die das Zeitalter mit süßer Nostalgie verklären. Das Traditionshaus tut es uns gleich und bringt mit der „Fiftysix“ die ultimative Hommage an das beliebte Jahrzehnt auf den Markt. Als

„modern mit einem Retro-Touch“ beschreibt Christian Selmoni, Style und Heritage Director von Vacheron Constantin, die Uhr, die damals Marlon Brando genauso gefallen hätte wie sie heute Tom Cruise und Co. gefallen würde. Vacheron Constantin, „Fiftysix“, vacheron-constantin.com

„I can always check the time on my phone, but having a watch is so much better.“
Andy Murray

New Constellations HYPNOTIZE ME

Auf die Uhr schauen und dann sogleich vergessen, wie spät es ist – das passiert bei der „Constellation Collection“ von Omega nicht aus Schusseligkeit, sondern weil man vom Zifferblatt regelrecht hypnotisiert wird. Das Muster erinnert an die endlose Weite des Sternenhimmels. Was zählen da schon einzelne Minuten, wenn einem bei jedem Blick auf den Zeitmesser vor Augen geführt wird, wie endlos das Universum ist?

Die Kollektion eignet sich besonders für SammlerInnen. Sie kommt in drei Größen daher: 29 mm, 28 mm und 25 mm. Mit verschiedenen Farben und Materialien wie klassischem Edelstahl oder Gold und schimmernden Lederarmbändern kann man seine Uhr ganz auf den individuellen Stil anpassen. omegawatches.com

MYTHOS

Kunst gibt es nur im Museum? Nicht wenn es nach Jaeger-LeCoultre geht. Das Prestigeunternehmen hat mit einer limitierten Auflage der „Master Hybris

Allrounder

WELTPREMIERE

Aufwachen und nicht wissen, wie spät es ist, geschweige denn, welcher Tag? Passiert den Besten von uns.

Die berühmte Patek Philippe Weltzeituhr wurde zwar nicht für Hangover-Tage kreiert, sondern in den Dreißigerjahren mit dem Aufkommen transatlantischer Passagierflüge: Sie liefert die simultane und ständige Anzeige der Uhrzeiten in allen 24 Zeitzonen. Die neue Weltzeituhr „5330G-001“ geht noch einen Schritt weiter. Sie hat eine Datumsanzeige, die mit der Ortszeit synchronisiert ist. Mit diesem Schmuckstück am Handgelenk ist man weder physisch noch mental verloren.

Patek Philippe, „Weltzeituhr Referenz 5330G-001“, patek.com

Artistica Calibre 945“ die wohl kleinste Vitrine der Welt in eine Uhr eingebaut. In der Lünette sitzt nämlich ein dreidimensionaler Drache. Hinter ihm

verbirgt sich nichts weniger als eine Sternenkonstellation des Universums. Da könnte man vor lauter Staunen und über den Kosmos philosophieren

glatt vergessen, die Zeit abzulesen.

Jaeger-LeCoultre, „Master Hybris Artistica Calibre 945“, jaeger-lecoultre.com

Time Traveller

FILMREIF

Würde man 120 Jahre in die Vergangenheit reisen, müsste man sich wohl erst ein paar Tage vom Kulturschock erholen. Nicht alles aber war vor über einem Jahrhundert anders. Die unverkennbare „Santos“ von Cartier gab es nämlich schon 1904. Sie war die erste moderne Uhr, die für das Handgelenk entworfen wurde – für den Piloten Santos-Dumont, damit dieser während des Flugs die Zeit im Blick behalten konnte. Zurück in der Gegenwart trägt Schauspieltalent Jake Gyllenhaal den viereckigen Zeitmesser am Handgelenk. Einen geeigneteren Markenbotschafter gibt es wohl kaum, war er doch schon Teil eines Films über die „Santos“ unter der Regie von Seb Edwards und wirkte am „Time Project“ von Sølve Sundsbø mit, das in zwölf Kapiteln die Beziehung Cartiers zur Zeit erkundet. Cartier, „Santos“, cartier.com

SEDUCTIVE CHIC EFFORTLESS ELEGANCE SMOKED UP

Photography: Patrick Walter
Styling: Johannes Jorge Hölkeskamp
Hair & Make-up: Wiebke Reich
Assistance: Max Sauer
Model: Mia Strelzyk, Modelwerk
Body
Strumpfhose von WOLFORD. Schuhe VINTAGE.
Kleid von FILIPPA K. Schuhe von KONSTANTIN STARKE. Ring und Ketten von RIMA.
Kleid von MARCEL OSTERTAG. Stiefel von JIMMY CHOO. Schmuck von RIMA.
Mantel von DIOR. Schmuck von RIMA.

Hemd, Blazer und Hose von DRYKORN. Schuhe von STUART WEITZMAN. Ohrringe von RIMA.

Blazer und Hose von DRYKORN. Schuhe von STEVE MADDEN. Kette von PEARL OCTOPUSS.Y.
Jumpsuit
Blazer
Hose von MAX MARA. Handschuhe VINTAGE. Schmuck von PEARL OCTOPUSS.Y.

GRAVEYARD GIRL ICON

Goths just wanna have fun. Winona Ryder fotografiert für AnOther Magazine und eingekleidet von Gucci.
Nach 40 Jahren Traumfabrik noch immer nicht müde.
Sie ist der viktorianische Kelch in einem Regal voll pinker Stanley Cups. Gerade weil Winona Ryder schon immer mehr Halloween als Hollywood war, ist die Schauspielerin eine Ausnahmeerscheinung in der Traumfabrik geblieben – und Schutzpatronin all jener TeenagerInnen, die auch zum Sommerpicknick im Park ein Paar schwarze Schnürstiefel überstülpen.

Text: Michael Rechsteiner

Fotos: Craig McDean

Auf einer Couch wurde sie zum ersten Mal ins Rampenlicht getragen. Doch prallte dieses ab auf einem schwarzen Strohhut, so groß wie ein Badezimmerteppich. Um den Hals trug sie eine Fotokamera, die so schwer wie ein Schiffsanker schien, doch in Wahrheit ihr Schlüssel zu dieser und zur nächsten Welt war. Winona Ryders Auftritt als Lydia Deetz im Film „Beetlejuice“ machte die damals 15-Jährige von der ersten Sekunde an zum Star. Mit rabenschwarzer Kleidung, schneeweißem Teint und lilafarbenen Augenringen etablierte sie die Farbpalette jugendlicher AußenseiterInnen auf der Kinoleinwand. Zwar hatte Hollywood zuvor schon mit dem Goth-Chic geflirtet. Doch Kunstfiguren wie Vampira und Elvira wurden nicht zu Kultdiven, indem sie seelische Abgründe offenbarten, sondern weil ihre eng geschnittenen Outfits anderweitig tief blicken ließen. Mit Lydia Deetz aber schuf Winona Ryder den Prototypen des heimlichen Happy Goths. Jemand, der sein Glück darin findet, von der Welt nicht verstanden zu werden. Dessen Sarkasmus und Schwermut als Schild dienen vor jenen Menschen, die ihren Kürbis nicht bereits im August als Fratze geschnitzt mit einer Kerze ins Fenster stellen, sondern bei Starbucks als Zuckergetränk ordern. Doch jede Abgrenzung ist auch eine Einladung für Gleichgesinnte, selbst wenn diese dadurch umso schwieriger zu finden sind. Das Internet präsentiert inzwischen jedem Sonderling einen subkulturellen Algorithmus von Wesensverwandten. In den 1980er Jahren aber fanden sich dank Lydia Deetz all jene zum vielleicht ersten Mal gesehen und verstanden, deren Freundeskreis aus einem Poster von The Cure und fünf Tassen Kaffee an einem Freitagabend bestand. TeenagerInnen wollen einzigartig sein, aber nicht alleine. Diese kleine Frau unter dem riesigen Hut gab vielen davon das Gefühl, dass es da draußen noch mehr von ihnen geben muss. Und dass einige von ihnen noch Großartiges erwartet – so wie auch Lydias Darstellerin. Denn diese unterscheidete sich zum damaligen Zeitpunkt nicht wesentlich von ihrer cineastischen Kreation.

SOMEWHERE OVER THE RAINBOW

Winona wurde 1971 auf einer Farm in, äh, Winona im Bundesstaat Minnesota geboren. Ein Jahr zuvor hatten ihre Eltern in San Francisco die Fitz Hugh Ludlow Memo-

rial Library gegründet, die damals weltweit größte Bibliothek aus Büchern über psychoaktive Drogen. Damit legten sie auch den Grundstein für eine außergewöhnliche Kindheit. Mit Babysittern wie Beat-Pionier Lawrence Ferlinghetti und LSD-Advokat Timothy Leary verbrachte Winona ihre Kindheit in einer Kommune namens Rainbow. Auf Bettlaken projizierte ihre Mutter Hollywood-Klassiker, die das junge Mädchen zwar noch nicht verstehen konnte, dabei aber eine unbändige Begeisterung für Filme entwickelte. Das anregende, alternative Umfeld machte aus Winona schon früh eine alte Seele mit jungem Geist. Dies, zusammen mit ihrem burschikosen Aussehen und Kleidungsstil, sorgte für keinen warmen Empfang an der Grundschule und später an der High School. Dem Mobbing konnte Winona zumindest zeitweise entfliehen, indem sie sich an einer Schauspielakademie einschrieb und mit 13 Jahren ihre erste Filmrolle ergatterte. Im Drama „Lucas“ debütierte sie an der Seite von Corey Haim und Charlie Sheen – den Beweisstücken A und B im Prozess, was Hollywood mit seinen Jungtalenten anrichten kann. Dessen waren sich auch Winonas Eltern bewusst. Um ihre Tochter so lange wie möglich von den Versuchungen zwischen Sunset Boulevard und Mulholland Drive fernzuhalten, zogen sie für die aufkeimende Schauspielkarriere ihres Sprösslings nicht nach Los Angeles, sondern stiegen zu jedem Casting für eine siebenstündige Autofahrt in den alten Familien-Volvo. Dieser parkierte nicht unweit von einem Studio im L.A.Stadtteil Culver City, als Winona Ryder die vielleicht wichtigste Bekanntschaft in ihrem Leben machte. Vor dem Gebäude kam die Teenagerin mit einem jungen, wirrhaarigen Kerl ins Gespräch, den sie für einen Produktionsassistenten hielt. Die beiden unterhielten sich unter anderem über den Künstler Edward Gorey und den Schauspieler Peter Lorre – Namen, bei denen längst nicht nur Winonas damalige SchulkameradInnen ahnungslos mit den Schultern zuckten. Als sie ihr Gegenüber fragte, wann dieser Regisseur namens Tim Burton auftauchen würde, gab er sich als dieser zu erkennen. Und castete das Mädchen mit den zerschnittenen Stirnfransen und Augen so groß wie Oreo Cookies auf der Stelle für seinen nächsten Film „Beetlejuice“.

Hat in Hollywood schon so manchen alten Zopf abgeschnitten.
Winona Ryders Erfolgsleiter
„Drei Dinge liebt Hollywood mehr als alles andere: Filler, Franchises und eine verdammt gute Comebackstory.“

SUICIDE BLONDES & VAMPIRE KILLERS

Nach dem Erfolg der knallbunten Horrorkomödie standen Winona alle Türen offen. Sie wählte jene, an die ihr Management am liebsten ein Vorhängeschloss gehängt hätte: „Heathers“ ist eine Satire über Teenager-Suizide und Schulhaus-Amokläufe aus einer Zeit, als man so etwas noch im Kino und nicht wöchentlich in den Nachrichten sehen konnte. Heute genießt Winonas Darstellung einer Brünette in einer Welt voller Blondinen Kultstatus. Doch damals machte das Publikum einen so weiten Bogen um „Heathers“ wie ein schlecht geschlagener Krocketball. Egal: Winonas Beharren, gegen Anraten ihrer Agenten im Film mitzuspielen, zeigte, dass die damals 16-Jährige ihren eigenen Erfolgspfad legen wollte und dieser oft auf seltsame, aber umso spannendere Abwege führte. Nur ein Jahr später feierte Winona zurück unter der Regie von Tim Burton mit „Edward Scissorhands“ erneut einen Kassenschlager. Es folgten die Jahre auf Hollywoods A-Liste. Für Francis Ford Coppola stand Winona Ryder in „Bram Stoker’s Dracula“ vor der Kamera (ein Film, den Lydia Deetz geliebt hätte). Wobei bis heute nicht klar ist, ob Keanu Reeves’ britischer Akzent oder der blutdurstige Vampirfürst der eigentliche Horror ist. In Martin Scorseses opulentem Kostümdrama „The Age of Innocence“ etablierte sich Winona endgültig als vielschichtige Schauspielerin und erhielt ihre erste Oscar-Nominierung. Und im Jahr 1999 gelang es ihr schließlich, mit „Girl, Interrupted“ nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als ausführende Produzentin ein lang gehegtes Herzensprojekt zu realisieren. Die Literaturverfilmung beschreibt die Freundschaft zweier Frauen in einer Psychiatrie und lancierte unter anderem die Karriere von Angelina Jolie.

WELCOME TO HOLLYWEIRD

Doch nicht nur auf der Leinwand geriet Winona an ihre mentalen Grenzen. Ein Jahrzehnt lang hatte sie vor den Filmkameras verbracht, aber auch vor den Objektiven der Paparazzi. Als It-Girl widerwillen, das in Second-HandKlamotten über den Roten Teppich schlurfte und inzwischen nicht nur die AußenseiterInnen auf dem Pausenplatz repräsentierte, sondern zur Symbolfigur der verloren umherirrenden Gen X hochstilisiert wurde. Winonas Liebe

BEETLEJUICE

BEETLEJUICE

Zurück auf Anfang: Winona Ryder schlüpft wieder in die Rolle, die sie einst zum Star machte. Inzwischen ist Lydia Deetz selbst Mutter einer launischen Teenagerin (Jenna Ortega). Als die Familie nach einem Todesfall für die Bestattung in die alte Heimat zurückkehrt, ruft dies auch den Geist und Bio-Exorzisten Betelgeuse (Michael Keaton) auf den Plan – dieser sucht nämlich noch immer eine Heiratswillige aus dem Reich der Lebenden. Regisseur Tim Burtons Reanimierung ist geglückt: Auch in der Fortsetzung bleiben der chaotische Charme und morbide Look des Originals haften wie feuchte Erde an einer Friedhofsschaufel.

zu Filmen war ungebrochen – ihre Liebe zur Filmindustrie und all den daran saugenden Blutegeln war hingegen komplett erodiert. Deshalb kam der folgende Non-Skandal geradezu als Erlösung: 2001 wurde Winona Ryder beim Ladendiebstahl erwischt. Kleider im Wert von über 5’000 Dollar trug sie aus einer Boutique in Beverly Hills. Was sie dazu veranlasste, daran kann sich die Schauspielerin rückblickend nicht erinnern. In Interviews nennt sie eine mögliche Mischung aus Benommenheit von Schmerzmedikamenten, stressbedingter Vergesslichkeit und dem unbewussten Wunsch, erwischt zu werden. Die Presse berichtete in einer Hysterie, als hätte Winona soeben ein drittes Flugzeug in das World Trade Center gesteuert. Sie erhielt drei Jahre Haft auf Bewährung – und eine dringend benötigte Pause von La La Land.

COMEBACK QUEEN

Drei Dinge liebt Hollywood mehr als alles andere: Filler, Franchises und eine verdammt gute Comebackstory. Ersteres hat Winona nicht nötig. Zweiterem steht sie skeptisch gegenüber (bis heute hat sie noch keinen Marvel-Film gesehen). Doch dritteres gelang ihr im Jahr 2016 mit der Serie „Stranger Things“. Auf diesem visuellen Mixtape voller 80s-Nostalgie ist Winona Ryder die Powerballade. Als besorgte und über sich hinauswachsende Mutter Joyce Byers repräsentiert sie das blutende, schlagende Herz inmitten des Mystery-Horrors. Und es ist das perfekte Wiedersehen für all jene Fans der ersten Stunde, die sich vielleicht inzwischen selber mit einer echten Lydia am Familientisch herumschlagen müssen. So ist es auch der fiktiven Miss Deetz im neuen Film „Beetlejuice Beetlejuice“ ergangen. In der lang ersehnten Fortsetzung spielt Winona Ryder an der Seite von Jenna Ortega. Jenem Nachwuchsstar, der seit der Hauptrolle in der Serie „Wednesday“ mit rabenschwarzer Kleidung, schneeweißem Teint und lilafarbenen Augenringen einer neuen Generation zeigt, wie man auf der Tanzfläche zu einem Song der Cramps die Abschlussballköniginnen dieser Welt an die Wand tanzt. Denn der von Winona Ryder einst etablierte Archetyp der abseits stehenden Sarkastikerin mit dem schwarzen Dress und Herz aus Gold blüht auch nach 30 Jahren in unserer Popkultur weiter – im Schatten und unter Dauerregen, versteht sich.

SYMPATHY FOR

Nicolai Marciano hat bei Guess Jeans die Hosen an und Großes für die Marke vor.

DENIM THE

Blaues Wunder: Model Iris Law ist eines der Marken-Testimonials.

Nicolai Marciano zählt zum amerikanischen Modeadel. Durch seine Adern fließt zwar kein blaues Blut, dafür schlägt sein Herz für Blue Jeans. Der Sohn von Guess-Mitgründer Paul Marciano hat in den vergangenen Jahren mit innovativen Kollaborationen und Veranstaltungen entscheidende Impulse im Familienunternehmen gesetzt. Jetzt lanciert der 27-Jährige als Kreativdirektor die neue Linie Guess Jeans. Zum Markeneintritt werden Flagship Stores um den ganzen Globus eröffnet, unter anderem auch in Berlin. Im Interview spricht Nicolai Marciano darüber, wie man ein junges Publikum für eine Traditionsmarke begeistert, was für Musik er uns auf ein Mixtape überspielt und welches Kleidungsstück ihn an seine Kindheit erinnert.

FACES: Gratulation zum ersten Guess Jeans Store in Berlin. Welche Überlegungen sind in das Design und die Lage des Ladens eingeflossen?

Nicolai Marciano: Das räumliche Designkonzept ist sehr konsistent mit der Welt von Guess Jeans. Wir haben das Ladendesign mit einigen lokalen Bezügen zur Berliner U-Bahn versehen. Ich interessiere mich sehr für keramische Veredelungen in Verbindung mit der Innenarchitektur, daher passte es gut, eine Hommage an die Stadt zu gestalten. Uns gefällt die Lage des Ladens; wir mögen die Mischung aus MitmieterInnen und die Gemeinschaft der Geschäfte in der Umgebung.

F: Welche Anstrengungen müssen Marken unternehmen, um KundInnen weg von Online-Shops und hin zu diesen physischen Orten zu locken?

NM: Ich glaube, der Einzelhandel wird immer ein sehr wichtiges Element sein, um eine Marke zu erleben. Der Aufbau einer digitalen Welt ist natürlich notwendig und effektiv. Aber wenn man in der Lage ist, den Verbraucher in einen physischen Raum mit dem richtigen Design, Klang, Geruch und Merchandising zu locken, dann ist das die Art von bleibendem Eindruck, den wir bei unserer nächsten Generation von VerbraucherInnen hinterlassen wollen. Besonders in unserem Fall, der Schaffung eines neuen Kapitels innerhalb des größeren Guess-Ökosystems, hebt das neue Konzept die Labels leicht voneinander ab.

F: Die kommende Guess Jeans Linie hat eine neue Technik namens Airwash eingeführt, die ökologischer und nachhaltiger ist. Wie funktioniert sie?

NM: Guess Airwash ist ein neues Denim-Produktionsverfahren, bei dem wir den Wasserverbrauch und den Einsatz von Chemikalien drastisch reduzieren, um ein sehr umweltfreundliches Kleidungsstück herzustellen. Dieses Verfahren spart im Vergleich zu einer traditionellen Stonewash-Wäsche bis zu 80% Wasser, benötigt keine giftigen Chemikalien und keine Steine im Prozess. Wir hoffen, dass sich dieses Verfahren in den kommenden Jahren in der gesamten Branche durchsetzen wird.

F: Tot oder lebendig: Welche berühmte Persönlichkeit verkörpert die Stimmung der neuen Guess Jeans Linie am besten?

NM: Lenny Kravitz wird immer eine geliebte amerikanische Ikone sein.

F: Während deines Praktikums bei Guess hast du das umfangreiche Archiv der Marke durchforstet, um ihre Geschichte kennenzulernen. Gab es einen Lieblingsfund während deiner Studien?

NM: Als ich das Guess-Archiv zum ersten Mal durchstöberte, war das eine explosionsartige Entdeckung für

Text: Michael Rechsteiner Fotos: Guess Jeans

GUESS JEANS

All the leaves are brown and the skies are grey? An solch trüben Tagen feiern wir umso mehr das Blue der Jeans. Rechtzeitig zum Herbst versetzt Guess Jeans eine neue Generation ins California Dreamin’. Die DebütKollektion umfasst Hosen, Hemden und Jacken aus Denim für Damen und Herren, zudem Klassiker wie T-Shirts, Hoodies, Bomberund Daunenjacken. Umschmeichelt von einem zeitlosen West-CoastVibe, weisen die Jeans-Modelle dank der neuartigen Airwash-Technik in eine nachhaltige Zukunft. Da fühlt man sich selbst beim verregneten Warten an der Busstation, als würde man Autostopp am Big Sur Highway machen. guessjeans.com

mich. Ich habe nicht nur eine komplette Ästhetik von Guess entdeckt, von der ich nicht wusste, dass sie existiert, sondern vor allem eine Ästhetik und einen Stil, mit dem ich mich im Alter von 17 Jahren persönlich verbunden fühlte. Ich liebte die Farbauswahl und die Grafiken. Es war eine andere Sensibilität für Spaß, die ich nie mit Guess in Verbindung gebracht hätte.

F: Nach dem Praktikum hast du den Namen Guess bei einem jüngeren Publikum etabliert. Was verstehen manche Unternehmen falsch, wenn sie versuchen, Generation Z anzusprechen?

NM: Ich glaube fest an das Geschichtenerzählen, den Aufbau von Welten und das Schaffen von Erinnerungen. Dies war immer ein Schwerpunkt meiner Initiativen für das Unternehmen und unsere neuen Bestrebungen.

F: Du hast Markenkollaborationen mit Musikern wie A$AP Rocky oder J Balvin lanciert. Guess war in diesem Jahr außerdem mit einem eigenen Compound beim Coachella Festival vertreten. Welche Musik gehört auf ein Nicolai Marciano Mixtape?

NM: Ich mag wirklich viele Genres und Arten von Musikje nach Moment und Ort. Mein Mixtape wäre ziemlich eklektisch, von einer Band wie Khruangbin bis hin zu Nina Kraviz und Don Toliver. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen KünstlerInnen und Musik und möchte mehr darüber erfahren.

F: Ob in der Popkultur oder in der Mode, ein Gefühl der Nostalgie - vielleicht für etwas, das man selbst gar nie erlebt hat - scheint nicht nur für die ältere, sondern auch für die jüngere Generation attraktiv zu sein. Stimmst du dem zu?

NM: Ich glaube, Nostalgie ist ein sehr attraktives Gefühl für die Menschen. Nostalgie weckt die Neugier und den Sinn für das Erzählen von Geschichten. Es ist inspirierend, in eine authentische Geschichte aus der Vergangenheit einzutauchen. Das hat etwas Verlockendes, Faszinierendes.

F: Hast du eine Kindheitserinnerung, die mit Mode oder einem bestimmten Kleidungsstück verbunden ist?

NM: Als Kind war ich immer ein großer Fan von Jordan und Nike. Von Basketballshorts bis hin zu einem neuen Paar Air Force One. Ich habe es geliebt, ein neues Paar Schuhe aufzumachen.

F: Hoffst du, dass in 50 Jahren ein anderer Marciano die Leitung von Guess übernimmt, oder siehst du das Unternehmen nicht als Familienbetrieb?

NM: Auf jeden Fall. Das Erbe dessen, was Paul und seine Brüder aufgebaut haben, fortzuführen, ist für mich und die Familie sehr wichtig. Die nächsten Generationen müssen es weiterführen.

STREET ICONS

Berlin, Zürich und Wien – drei Städte, die vor Kreativität brodeln. Gemeinsam mit Zalando haben wir uns nach Menschen umgeschaut, die dabei besonders heiß am Kochen sind: das Berliner Musiklabel und DJ-Kollektiv Tilt, Zürichs Visual- und Event-Studio Ozelot sowie Tänzerin und Choreographin Laureen Olivia Drexler aus Wien. Und wer die angesagtesten Pflaster der City bespielt, trägt dabei auch die perfekte Streetwear. Weitere Informationen zu und Interviews mit den KünstlerInnen findest du auf den OnlinePlattformen von FACES.

Photography: Milena Zara
Talents: Hamy, Ennio, Faerber, Manuel Fischer, Nadim Elhady, Laureen Olivia Drexler
Production: Nora Gottschalk & Julia Gelau
Photography Assistance: Kwame Boama
Styling: Natalia Wierzbicka
Fashion: Zalando Streetwear & Designer
Styling Assistance: Carlota Lempke
Hair & Make-up: Eleonore Ising
Hair & Grooming: Antina Christ
Location: Bluhaus Studio
ENNIO
Musiker, Teil von Tilt-Kollektiv.
Halskette privat. Shirt von DIESEL, via Zalando.
DJ, Teil von Tilt-Kollektiv. Kleid und Schuhe von GMBH. Pullover von IOANNES. Armband von MASSIMO DUTTI. Alles via Zalando.

FAERBER

DJ, Teil von Tilt-Kollektiv.

Hose, Pullover und Jacke von MM6 MAISON MARGIELA. Sneaker von MM6 MAISON MARGIELA X SALOMON. Alles via Zalando.

ENNIO

Musiker aus Berlin. Shirt von DIESEL. Jeans von FILIPPA K JEANS. Sakko von MM6 MAISON MARGIELA. Schuhe von THE ANTIPODE. Alles via Zalando.

DJ, Teil von Tilt-Kollektiv.
Ringe privat. Jeans und Pullover von IOANNES. Armband von MASSIMO DUTTI. Alles via Zalando.

MANUEL

Co-Founder

DJ,
Ozelot Studios. Ringe privat. Hemd von MM6 MAISON MARGIELA. Cap von DIESEL. Alles via Zalando.

Co-Founder Ozelot Studios.

Sweatshirt von GMBH, via Zalando.

LAUREEN

Tänzerin und Choreografin aus Wien.
Body von und Jeans von DIESEL. Rock von IOANNES. Schuhe von JEFFREY CAMPBELL. Tasche von NIKE SPORTSWEAR. Alles via Zalando.
Hinlegen, abschalten, auffrischen im Hotel Post von Susanne Kaufmann.

SOFT

NATURAL BEAUTY

Bei Susanne Kaufmann liegt man richtigob im Hotel oder in Beauty-Fragen.

Während Begriffe wie „Holistic“ und „Slow Beauty“, „non-toxische“ Inhaltstoffe und die Superpower der Pflanzen vielen noch völlig unbekannt waren, setzte die Vorarlbergerin Susanne Kaufmann auf genau diese Merkmale in ihrer Beauty-Linie. Der mittlerweile über zwanzigjährige, weltweite Erfolg gab ihr Recht: Die cleanen Produkte schafften es nicht nur in die luxuriösesten Kaufhäuser in New York, London und Paris, sondern auch ins Badezimmer der Hollywood-Stars. Gestartet hat die Bezauerin aber ursprünglich als Hotelierin im Jahr 1994, als damals 23-Jährige, die in 5. Generation das Hotel ihrer Familie übernahm. Wir trafen die Naturkosmetik-Expertin zum Interview und wollten wissen, wie sie zur Beauty-Pionierin wurde, welche Wunderwaffen es für die Haut gibt und was für sie Glück bedeutet.

Text: Sermin Kaya

Fotos: Angela Lamprecht & Susanne Kaufmann

FACES: Sie sind eigentlich aus der Hotellerie – wie kam es überhaupt dazu, dass Sie eine Beauty-Linie entwickelt haben?

Susanne Kaufmann: Ich habe ursprünglich die Hotelfachschule in der Schweiz besucht, bin wieder zurück und habe dann das Hotel (Hotel Post in Bezau, Anm.d.Red.) übernommen. Es war schon damals ein Vier-SternePlus-Hotel mit Badehaus und hatte seit den Siebzigerjahren eine Kurabteilung – soogar mit Behandlungsräumen. Ich bin also mit diesem Kurgedanken aufgewachsen. Vor allem der Liebe zu Körperpflege. Ich kann mich erinnern, wir hatten damals schon Fangopackungen und Moorbäder. Ich habe es als Kind geliebt, wenn ich bei uns in der Kurabteilung Massagen bekommen durfte. Als Hotelierin habe ich mich intensiv um das Spa-Business gekümmert, weil der Hotelbetrieb somit nicht mehr wetter- oder saisonabhängig war. Hinzu kam, dass mein Bruder, der Architekt ist, 2003 nochmal mit dem Atrium die Natur sichtbar ins Spa geholt hat. Da dachte ich „Jetzt brauchen wir Natur-

kosmetik!“. So hat es sich ergeben, dass ich, statt einer bestehenden Marke für unser Spa, selber ein Produkt entwickelt habe.

F: Zu dieser Zeit waren Naturkosmetik und auch der holistische Ansatz aber ziemlich ungewöhnlich.

SK: Ja, bei uns wurden aber genau diese Eckpfeiler gelebt: Meine Mutter, die bereits in den Siebzigerjahren eine Kurabteilung mit Badehaus im Hotel gebaut hatte. Mein Onkel, der Kurarzt war. Die alpinen Kräuter und Pflanzen, die wir schon damals für unsere Behandlungen einsetzten und deren wunderbare Wirkung wir kannten. Es ging bei uns immer schon um das Ganzheitliche: die richtige Ernährung, guten Schlaf, Bewegung, Treatments und die richtigen Produkte. Meine Liebe zu den alpinen Kräutern waren somit die Idee für die Basis. Die Zusammenarbeit mit Ingo Metzler, einem Landwirt und unserem Produzenten, auf den ich damals zuging und um sein Know-How bat, sorgte für den Startschuss. Ingo hat aus der eigenen Käseerzeugung einen kostbaren Überschuss an Molke aus guter

Heumilch. Man weiß von der Molke, dass sie besonders vitaminhaltig und mineralstoffreich ist, weshalb sie auch in einigen unserer Körperpflegeprodukte enthalten ist.

F: Wie wurden die ersten Produkte angenommen? Waren sie sofort erfolgreich?

SK: Wir haben sie anfangs nur im hauseigenen Spa und auf unserer Homepage, im Webshop, verkauft. Als dann unsere Tagescreme, damals hieß sie noch Linie T, in der Süddeutschen Zeitung abgebildet war, rief ein großer Händler aus München an. Der Rest ist Geschichte.

F: Was denken Sie, ist der Grund für den großen Erfolg der Marke?

SK: Als wir vor 20 Jahren eingestiegen sind, waren wir mit der cleanen, aber effektiven Naturkosmetik schon sehr nischig. Es gab da nur eine Handvoll Marken – aber natürlich auch nicht nur nette Kommentare. Unser Erfolg liegt bestimmt an der Qualität und der Effektivität unserer Produkte. Wir verwenden so hochwertige Wirkstoffe, das merken KonsumentInnen. Es ist alles super verträglich, auch für die sensitive Haut und riecht sehr angenehm – das ist das Feedback, das wir am meisten bekommen.

F: Den Wirkstoff Ectoin haben Sie als It-Ingredienz für 2024 ausgerufen. Weshalb?

SK: Ectoin ist für uns seit über 15 Jahren ein Kultwirkstoff. Wir waren auch lange eine der wenigen Marken, die diesen verwendet haben. Dieses Jahr ist er für uns der Inhaltsstoff des Jahres, weil er gerade überall aufpoppt. Wir arbeiten schon lange damit, weil es einfach, wenn es um Hautreparatur und Hautbarriere geht, einer der besten Stoffe für mich ist. Und natürlich gibt es auch andere Ingredients, die ich sehr gerne mag. Aber auf Ectoin, muss ich echt sagen, schwöre ich. Deshalb habe ich ein Produkt, unser neues „Ectoin Repair Serum“, ganz speziell nur ihm gewidmet.

F: Was macht Ectoin so besonders?

SK: Es ist ein Wundermittel und hilft, dass sich die Haut so schnell wie möglich wieder repariert. In der Medizin wird es hauptsächlich bei Verbrennungen eingesetzt. Ein weiteres großes Plus: Es bringt das Mikrobiom der Haut wieder ins Gleichgewicht. Ob gestresste Haut, Unruhe, Rötungen oder Schürfungen – es hilft umfassend.

F: Die Beauty-Ideale haben sich in den letzten Jahren stark geändert. Was empfinden Sie persönlich als schön?

SK: Das Allerwichtigste ist, und ich glaube, das erkennt man auch aus der deutschen Sprache: Man soll sich in seiner Haut wohlfühlen. Denn wenn du das tust, spürt das auch dein Gegenüber. Dann ist die Ausstrahlung da und ich finde, die macht bei einem Menschen so viel aus.

F: Wir leben in einer Welt, in der viele Menschen entweder ewig jung aussehen oder in Würde altern wollen. Wo stehen Sie da als Susanne Kaufmann selbst, aber auch als Marke?

SK: Also ich persönlich und auch die Marke Susanne Kaufmann stehen dafür, dass wir so gut wie möglich natürlich altern wollen. Weil jeder will uralt werden, aber keiner will alt aussehen. Das ist halt schon ein bisschen schwieriger, denn die Kollagenproduktion nimmt nun mal ab und noch gibt es keinen Jungbrunnen (lacht). Wir stehen dafür, dass man das Alter annimmt, und dass man sich so natürlich wie möglich und präventiv

pflegt. Ich sage immer zu den jungen Menschen: „Wenn ihr mit 50 anfangt, euch zu pflegen, dann ist das einfach ein bisschen spät, oder?“ Dazu gehört eben auch der holistische Ansatz. Es reicht nicht, nur eine gute Creme zu verwenden, wenn ich zum Beispiel auch meinen Körper in Bestform halten will. Da muss ich schon ein bisschen mehr tun. Und darum sagen wir immer, früh genug mit Pflege, Ernährung und Lifestyle daran arbeiten – auf das Rundumpaket kommt es an.

F: Ihre Marke wird weltweit verkauft. Welche globalen Unterschiede herrschen bei der Kaufentscheidung?

SK: Das Klima hat eine klare Auswirkung auf die Wahl der Produkte. In den skandinavischen Ländern, wo ich gerade war, ist zum Beispiel die Nourishing Rich Cream unser Bestseller. Weil die KundInnen mir da oft sagen, es war so kalt und dank unserer Creme haben sie den Winter gut überstanden. Das ist natürlich, wenn ich jetzt Hongkong hernehme, wo es eher feucht ist, genau das Gegenteil. Dort sind eher Fluids, Lotions und Gels angesagt. Und es soll ja nicht zu reichhaltig an Ölen sein. Weil klar, wenn es zu feucht ist, ist das zu viel für die Haut. In Deutschland und Österreich sind hingegen Badezusätze sehr beliebt. In Hongkong jedoch wenig, weil da es kaum Badewannen in den Wohnungen gibt. F: Ist Nachhaltigkeit in der Beauty immer noch das große Überthema, oder wie müssen Produkte zukünftig sein, damit sie erfolgreich sind?

ECTOIN REPAIR SERUM

Klinisch erwiesen: Das Serum repariert und schützt die Hautbarriere, stärkt das Mikrobiom und reduziert feine Linien dank Ectoin. Coenzym Q10 sorgt für tiefere Wirkstoffaufnahme, der schwarze JohannisbeerknospenExtrakt sorgt für mehr Elastizität und der beruhigenden Komplex aus Stockrose, Rotalgen und Alpenkräutern für einen strahlenden Teint.

ca. 140.–, susannekaufmann.com

SK: Nachhaltigkeit merken wir immer mehr, das interessiert viele. Es wird jedoch fast schon automatisch vorausgesetzt, dass sich die jeweilige Brand darum kümmert. Ein großer Trend ist aber, dass die Produkte etwas bewirken müssen. KundInnen wollen nicht nur hören oder lesen, dass sich in 14 Tagen oder vier Wochen etwas tut, sondern es muss auch bewiesen werden. Auch Männerkosmetik boomt. Als schwierig empfinde ich es, dass auch Kinder jetzt schon die Kosmetiktiegel entdecken und mit zehn oder zwölf Jahren sie haben wollen. Da muss man echt aufpassen. Aber das ist im Moment leider auch ein Trend. Und last but not least: Ganz wichtig ist die Sonne beziehungsweise Sonnenschutz, Sonnenschutz, Sonnenschutz.

F: Der Spa-Charakter ist ein deutlicher Schwerpunkt der Marke Susanne Kaufmann. Wie holt man sich das Spa am besten nach Hause?

SK: Da empfehle ich immer, dass man täglich die Abendroutine zum Beispiel mit der Abreinigung einfach etwas ausweitet, ein paar Griffe noch einbaut mit dem Gua-Sha-Stein oder Jaderoller. Wenn man sich einmal in der Woche mehr Zeit nimmt, ein Enzyme-Peeling, dann eine Maske zu machen, sich ein schönes Bad einzulassen und dabei eine Tasse Tee zu genießen – perfekt! Nach dem Baden noch den Körper mit Body Butter verwöhnen. Also mal eine Stunde für sich nehmen und sich wirklich ganz bewusst um die Haut kümmern, das ist das perfekte Home-Spa.

F: Was empfinden Sie als Luxus und Glück?

SK: Am glücklichsten bin ich immer dann, wenn ich Zeit mit der Familie und Freunden verbringen kann. Und ein gutes Essen natürlich auch, das ist bei uns ganz, ganz wichtig. Wahrscheinlich, weil ich auch Hotelier bin, liebe ich zudem Reisen, Sprachen und natürlich tolle Hotels. Grand Hotels und ihre alte Hotelierskunst, den Service eines echten Concierge und Oberkellner zu erleben, da fühle ich mich wie im siebten Himmel! (lacht)

BEAUTY REPORT Fall/Winter 2024

VANITY VISIONS

Es ist die innere Schönheit, die zählt, aber das heißt noch lange nicht, dass wir aufhören, von Make-up und Frisuren zu schwärmen. Wir können gar nicht anders, wenn wir die Beauty-Looks der neuen Saison zu Gesicht bekommen. Was wir dieses Jahr aufs Neue gelernt haben? Schönheit ist facettenreich. Mutige und unkonventionelle Looks feiern wir genauso wie den klassischen roten Lippenstift.

Redaktion: Josefine Zürcher – Fotos: Launchmetrics SpotlightSM

BEST CUT

Dieses Revival hat es uns besonders angetan, denn wir hatten ja keine Ahnung, wie cool der Topfschnitt aus unserer Kindheit aussehen kann.

SHIATZY CHEN

BEST LOOK

Wenn man Coolness in einem einzigen Look zusammenfassen müsste, wäre es diese wilde Mischung aus Pink und Rot von Marine Serre, die wir sogleich kopieren wollen.

MARINE SERRE
Manche Dinge muss man nicht neu erfinden. Ein knallroter Kussmund ist und bleibt der Hingucker schlechthin. FERRARI
Kitschig, aber wahr: Ein Lächeln ist und bleibt Accessoire Nummer eins. Facetattoos mischen aber auch ganz vorne mit.
MARINE SERRE

BEST ACCESSORY

No more bad hair days – dank diesem Look mit Seidentuch, den wir den ganzen Herbst lang tragen wollen.
ANNA SUI

Wir schichten wie wild Blush und Highlighter übereinander, um wenigstens einen halb so umwerfenden Glow zu erzielen.

CHET LO

Jedes Haar sitzt genau da, wo es muss. Wir lagern schon einmal einige Dosen Haarspray, um diese Rolle nachzuahmen.
RICHARD QUINN

BEST EYES

Ab in die Front Row mit diesen Rockstar-Smokey-Eyes.
TOM FORD

BEST BRAIDS

Präzision trifft auf Coolness – und wir wollen sogleich das Flechthandwerk erlernen. OFF-WHITE

Time to let loose: Wer sagt denn, dass Models immer ernst sein müssen?
KIKO KOSTADINOV

Funkeln darf es immer und überall. Nicht nur rund um die Augenpartie, sondern auch mitten im Gesicht.

LUTZ HUELLE

HOLISTIC

Man braucht
kein Dutzend verschiedene
Produkte, um seine Haut optimal zu pflegen.

JAPANESE EQUILIBRIUM

Nora Kato (links) und Kikoc Veopraseut verfolgen das gemeinsame Ziel, minimalistische Hautpflege zu erschaffen, die funktioniert.

Retinol, BHA, Kollagen: Der Skincare-Hype ist längst von Social Media ins echte Leben übergeschwappt und wir alle haben uns ein Hautpflege-Vokabular angeeignet. Was braucht es überhaupt noch auf dem Beautymarkt? Minimalismus und einen holistischen Ansatz, finden Kikoc Veopraseut und Nora Kato. Ihre Marke Ipsum Alii besteht aus drei Produkten, die für alle Hauttypen geeignet sind. Im Interview erzählen sie, wie sie die japanische Kampo-Medizin in ihrer Kosmetik und im Alltag anwenden, warum sie gegen den Konsumwahnsinn halten wollen und weshalb Inhaltsstoffe nicht zu hundert Prozent natürlich sein müssen.

Text: Josefine Zürcher

Fotos: Lucretia Mettier

Im Zürcher Fachgeschäft für japanische Kultur und Handwerkskunst Haraiso gliedern sich die Produkte von Ipsum Alii harmonisch zwischen Seifen, Töpferei und Textilien ein. Kein Wunder also, haben die Gründerinnen Kikoc Veopraseut und Nora Kato die ruhige Oase als Ort für ein Treffen ausgesucht. Bei frischem Grüntee aus handgefertigten Keramikschalen und mit sanften Klängen im Hintergrund lässt es sich bestens über Hautpflege diskutieren. Zur Ipsum-Alii-Linie gehören die Nourishing Adaptogen Cream, eine reichhaltige Feuchtigkeitspflege, das Antioxidant Booster Serum, ein leichtes Serum für jeden Tag, und das Skin Refining Gel, das mit seinem Peelingeffekt überschüssige Hautschüppchen entfernt. Die Hautpflege wird im Labor in Osaka hergestellt und in Europa verpackt. Der eurasische Aspekt definiert nicht nur Ipsum Alii, sondern zieht sich auch durch das Leben der beiden Gründerinnen.

Noras Vater stammt aus Japan, ihre Mutter aus Deutschland. Aufgewachsen ist sie in beiden Ländern. In ihren Zwanzigern hat sie eine längere Zeit in Tokio verbracht. Kikoc ist in Frankreich aufgewachsen, hat dort und in den USA studiert und später in Singapur und Japan gelebt. Beide haben Verwandtschaft in Japan, und beide wohnen mittlerweile in Zürich. So lag es ihnen am Herzen, gewisse japanische Traditionen nach Europa zu bringen, was schließlich auch der Startschuss für die eigene Kosmetiklinie war. Der Name wurde bewusst aus dem Latein gewählt, um die Referenz zu den für die Produkte essenziellen Kräutern herzustellen. Und um den Fokus auf das Gleichgewicht zu legen: Ipsum bedeutet Selbst, Alii steht für Andere. Balance ist alles – zwischen Selbstfürsorge und seiner Umgebung und Mitmenschen, zwischen Stress und Entspannung, zwischen Körper und Geist.

Gelebter Minimalismus: Eine gute, unparfümierte Feuchtigkeitscreme eignet sich auch als Augencreme.

VAMPIRE-FACIALS:

KV: Toll, aber ich habe eine geringe Schmerztoleranz.

NK: Warum nicht? Würde ich gerne einmal probieren.

BUCCAL-FAT-REMOVAL:

KV: Ein Traum in den Zwanzigern, ein Albtraum in den Vierzigern.

NK: Genau. Früher wollte ich nämlich hohlere Wangen, jetzt will ich vollere.

FALTEN:

KV: Schöne HautErinnerungen.

NK: Kikoc hat gar keine! Ich neige zu Falten und muss

Balance ist alles: Nicht nur bei der Hautpflege, sondern auch im Alltag.

zugeben, dass ich noch lerne, diese zu akzeptieren.

SONNENBADEN:

KV: Nicht mehr, ich bekomme sofort allergiebedingte Ausschläge.

NK: Sonnenbaden nicht, aber ich bin gerne draußen aktiv und versuche darum, mich bestmöglich vor der Sonne zu schützen.

ANTI-AGING:

KV: Wird hoffentlich bald ein Ding der Vergangenheit, so dass wir uns stattdessen auf healthy aging fokussieren können.

NK: Ich mag mein Alter mittlerweile. Ich möchte einfach nicht müde aussehen, denn das macht Menschen alt.

BOTOX UND FILLER:

KV: Solange man nicht übertreibt: Warum nicht?

NK: Finde ich auch ok – es gibt aber schon ganz lustige Vorher-Nachher-Bilder auf Instagram.

DIY-BEAUTYPRODUKTEN:

KV: Ich vertraue den ExpertInnen im Labor. Qualität von Inhaltsstoffen und Formulierung ist mir zu wichtig.

NK: Ich bin da auch nicht besonders einfallsreich. Ab und zu Eiswürfel um die Augen oder ein Peeling aus Kaffee, Kokosnussöl und Meersalz.

HYALURONSÄURE:

KV: Liebe ich, wenn sie biofermentiert ist.

NK: Ich liebe den extraFeuchtigkeitsboost.

PERMANENT-MAKE-UP:

KV: Tätowierte Augenbrauen sehen nach einer Weile etwas seltsam aus.

NK: Ich mache manchmal einen permanenten Lash-Curl. Aber keine Wimpernextensions,

die sehen zu schwer aus.

SPRAYTAN:

KV: Gibt auf der ganzen Kleidung Flecken.

NK: Hab ich noch nie probiert.

MAKE-UP FÜR KINDER:

KV: Macht Spaß, aber nur für Karneval oder Partys.

NK: Meine Kinder lieben Make-up und spielen gerne mit Farben herum. Solange sie Spaß haben, lasse ich sie.

MICRONEEDLING:

KV: Vielleicht eines Tages. NK: Das könnte auch etwas für mich sein.

FACES: Inmitten des ganzen Skincare-Hypes ist es gar nicht einfach, sich zurechtzufinden. Welche Inhaltsstoffe verdienen die Aufregung und welche sind völlig überbewertet?

Nora Kato: Wir experimentieren beide gerade mit Retinol und sind sehr zufrieden. Ich verwende es zwischen unserem Serum und unserer Gesichtscreme, da es ein starker Wirkstoff ist.

Kikoc Veopraseut: Ich liebe fermentierte Inhaltsstoffe in der Hautpflege, die meiner Haut helfen, die RetinoidBehandlung (die vom Arzt verschriebene Version von Retinol) zu unterstützen, indem sie Entzündungen reduzieren und die Hautbarriere aufbauen.

NK: Kollagen ist kein überbewerteter Inhaltsstoff, aber die Art und Weise, wie es konsumiert wird (topisch oder als Nahrungsergänzung), ist umstritten. Wir wissen nicht, wie viel Kollagen tatsächlich von unserem Körper aufgenommen wird und ob dies zum Aufbau unseres eigenen Kollagens führt. Am besten ist es immer noch, unsere natürliche Kollagenproduktion zu aktivieren, indem wir Vitamin-C- und proteinreiche Lebensmittel essen und Zimt in unsere Knochenbrühe geben.

F: Gibt es also Inhaltsstoffe, die man geradezu als Wundermittel für die Haut bezeichnen könnte?

KV: Wir glauben, dass es nicht nur um einen einzelnen Wirkstoff geht, sondern um eine Kombination von Inhaltsstoffen, die eine starke Synergie miteinander haben. Das gleiche Prinzip gilt auch für die japanische Kampo-Medizin, die wir in unseren Produkten verwenden: Die Wirksamkeit einer Formel ergibt sich aus der Auswahl mehrerer Kräuter, die eine Wechselwirkung miteinander haben. Ein Beispiel für so eine Wechselwirkung ist unser Serum: Es besteht aus einer Kombination von Squalanöl auf pflanzlicher Basis und vier fermentierten Hyaluronsäuren mit unterschiedlichem Molekulargewicht. So können sie in die oberen und unteren Hautschichten eindringen. Eine der Hyaluronsäuren hat außerdem eine klebende Eigenschaft und kann die Feuchtigkeit einschließen.

F: Wie sieht eure persönliche Hautpflegeroutine aus?

NK: Ich habe sehr trockene Haut und neige bei Stress und Schlafmangel dazu, blass und ein wenig fahl auszusehen. Ich achte darauf, meine Haut mit viel Feuchtigkeit zu versorgen, und verwende normalerweise nach der Gesichtsreinigung das ganze Jahr über ein Serum und eine reichhaltige Feuchtigkeitscreme. Ich gönne mir eine kleine Gesichtsmassage, um die Blutzirkulation zu fördern und einen rosigen Teint zu bekommen. Regelmäßige Peelings sind ebenfalls hilfreich. Und einmal in der Woche tränke ich ein paar Tücher mit etwas Serum und lege sie für 15 Minuten als Maske auf mein Gesicht – ich verwöhne meine Haut gerne und sehe meine Pflegeroutine als kleine Auszeit.

KV: Unkompliziert und schnell. Ich habe Mischhaut und verwende lieber weniger Produkte. Meine Routine ist eine Mischung aus pharmazeutischen Produkten und unseren eigenen, um Irritationen zu lindern und die Haut zu nähren. Ich trage unser Serum nachts vor den Retinoiden auf, um die Hautreizungen zu beruhigen, die mit dieser Behandlung einhergehen. Tagsüber trage ich unsere Creme auf, um die Hautbarriere wiederherzustellen, und schließe immer mit LSF 50 ab. Seit ich die Retinoide verwende, peele ich mein Gesicht

seltener und lasse meine Haut einmal pro Woche nachts frei von jeglichen Produkten.

F: Wie viele Produkte verwendet ihr?

NK: Ich verwende jeden Tag eine sanfte Reinigung, unser Serum, unsere Feuchtigkeitscreme und einen Sonnenschutz. Jeden zweiten Tag arbeite ich mit einem Peeling. Momentan benutze ich auch noch ein RetinolSerum.

KV: Etwa fünf, aber nicht alle zur gleichen Zeit. Tagsüber wasche ich mein Gesicht mit Wasser, trage unsere Creme oder unser Serum auf und LSF 50. Abends wasche ich mein Gesicht mit Wasser ab, trage das Serum auf Gesicht und Hals auf, Retinol auf Pickel und die Creme um die Augen. Einmal pro Woche kommt ein Peeling dazu.

F: Wenn ihr nur ein einziges Produkt für eure Haut verwenden könntet, welches wäre das?

NK: Eine intensiv nährende und feuchtigkeitsspendende Pflege. Das ist ein absolutes Muss für mich.

KV: Um ehrlich zu sein, ein Produkt, das wir nicht haben – ein Zwei-Phasen-Serum mit LSF 50 in der Ölschicht. Ich bin nicht sicher, ob es so etwas überhaupt gibt (lacht).

F: Woher stammt euer Interesse an Beauty- und Wellnessprodukten?

KV: Meine Mutter hat als Kinderärztin einige westliche Behandlungsmethoden mit östlichen Kräuterbehandlungen ergänzt. Ich kam also früh mit verschiedenen Konzepten in Berührung. Als ich in Tokio lebte, entdeckte ich die Kraft und den Nutzen von Akupunktur in der Schwangerschaft, Shiatsu bei Muskelverspannungen und Kampo bei Schlaf- und Hautproblemen.

NK: Ich habe für internationale Marken im Luxussektor und in der Kosmetikbranche in Europa und in Japan gearbeitet. Gleichzeitig haben traditionelle japanische Rituale schon immer zu meinem Leben gehört, diese gebe ich nun auch meinen Kindern weiter.

F: Was hat euch dazu inspiriert, Ipsum Alii zu gründen? Gab es eine bestimmte Marktlücke, die ihr füllen wolltet?

NK: Dazu müssen wir etwas ausholen und erzählen, wie wir uns kennengelernt haben. Wir haben uns zum ersten Mal 2008 getroffen, als wir in Tokio lebten, bevor sich unsere Wege wieder kreuzten, als wir beide in Zürich Familien aufzogen. Ipsum Alii wurde ins Leben gerufen, nachdem wir festgestellt hatten, dass wir regelmäßig erschöpft waren – obwohl wir das Leben unserer Träume leben. Als vielbeschäftigte, berufstätige Mütter blieb uns wenig Zeit für uns selbst, was sich dann in unserem Hautzustand widerspiegelte.

KV: Wir dachten dann zurück an unzählige Momente erholsamer Ruhe während unseres Lebens in Japan –vom Eintauchen in heiße Onsen-Bäder bis zur Erkundung der Welt der Kampo-Heilkräuter, die sich positiv auf unsere Haut und unser allgemeines Wohlbefinden auswirkten.

NK: In Europa wird die Entspannung viel weniger zelebriert. In Japan gehört es zum Alltag, sich in den Hot Spas zu treffen. Wir wollten die japanischen Traditionen auch in unseren europäischen Alltag einfließen lassen.

KV: Also beschlossen wir, uns auf eine Mission einzulassen: Wir wollten unser hektisches Leben wieder ins Gleich-

gewicht bringen, Blockaden beseitigen und dafür sorgen, dass unser gesamtes System wieder zirkuliert und fließt – und gleichzeitig Japans kraftvolle Kampo-Philosophie mit einer Reihe von holistischen Hautpflegeprodukten, die ausschließlich in Japan hergestellt werden, nach Europa bringen.

F: Was ist Kampo-Medizin und wie erklärt ihr das Konzept jemandem, der noch nie davon gehört hat?

KV: Kampo ist wohl eines der bestgehüteten Geheimnisse Japans und doch ist es seit Jahrhunderten das Rückgrat des japanischen Gesundheitswesens. Es stellt einen umfassenden Heilungsansatz dar, der über die rein körperliche Behandlung hinausgeht und auch eine philosophische Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden beinhaltet. Es gibt dieses Sprichwort: Ken bi ichi nyo – Gesundheit und Schönheit sind eins. Das ist die Essenz von Kampo. Daher ist Kampo sehr stark in einem therapeutischen Ansatz der Entzündungshemmung verwurzelt, der sich auf die Philosophie konzentriert, Prävention über Heilung zu stellen. Man soll langfristig auf sich Acht geben. Ein Beispiel dazu ist ein Ekzem, unter dem meine Haut jeweils im Winter leidet. Eines Winters war ich in Japan und besuchte einen Dermatologen, der ausgebildeter Kampo-Arzt ist. Statt wie hier in Europa mir nur Cremes zur äußerlichen Behandlung zu geben, verschrieb er mir ein Heilmittel, das ich einen Monat lang einnehmen sollte und das von innen heraus wirkte. Tatsächlich war ich einen Winter lang ekzemfrei.

F: Welche Kräuter gehören zur Kampo-Medizin?

NK: Unter anderem Kurkuma, grüner Tee, Reishi-Pilz oder Chrysanthemen. Man kann daraus Tee machen oder mehr Gewürze ins Essen geben.

F: Kann man auch hier in Europa nach dieser Philosophie leben?

KV: Alle Kräuter finden wir hier im Supermarkt oder sonst in der Apotheke, wie etwa Chrysanthemen. Man kann Kampo also auch hier in Europa einfach anwenden.

NK: Der größte Unterschied zwischen östlichen und westlichen Gesundheitsvorstellungen liegt beim Essen. In Asien bevorzugt man warme, fermentierte Speisen und trinkt auch lauwarme Getränke, was besser verträglich ist. In Europa wird vermehrt roh und kalt gegessen, was für das Verdauungssystem nicht unbedingt gut ist. Ein gesunder Lebensstil ist so wichtig. Stresshormone wie Cortisol spielen eine Rolle bei Hautproblemen, ebenso Schlaf und die Verdauung. Mit Massagen, Akupunktur, Ernährung und eben den Kampo-Kräutern kann man ein gesundes Gleichgewicht im Körper herstellen, was sich auch auf den Geist auswirkt.

F: Wodurch sticht ihr in einem ziemlich gesättigten Markt heraus?

KV: Wir glauben, dass es an drei einfachen Dingen liegt, die unser Ethos kennzeichnen: sorgfältig beschaffte Zutaten, bewusste Formulierung und Produktion in kleinen Chargen. Wir beziehen unsere Phytoaktivstoffe – Kampo Kräuter – sorgfältig von japanischen Erzeugern, die einheimische Heilpflanzen anbauen. Unsere Produkte werden in einem Labor in Osaka sorgfältig formuliert, um sicherzustellen, dass Phyto- und Bioaktivstoffe in Synergie miteinander wirken, um entzündungshemmende Hautpflegeprodukte zu schaffen, die unsere Hautbarriere stärken. Schließlich produzieren

wir in kleinen und begrenzten Mengen, um eine Überproduktion zu vermeiden und den Abfall zu reduzieren.

F: Was ist etwas über Hautpflege, das ihr nicht wusstet, bevor ihr eure eigene Marke gegründet habt?

NK: Wie sehr alles miteinander verbunden ist. Wenn man Hautprobleme hat, sollte man nicht nur zur DermatologIn gehen. Es könnte hilfreicher sein, eine GastroenterologIn oder eine EndokrinologIn zu konsultieren, da Haut, Darm und Hormone so eng miteinander verbunden sind. Bei einem Ausschlag reicht es deshalb nicht immer, diesen äußerlich zu behandeln.

F: Wie lange hat es von der Idee bis zum fertigen Produkt gedauert und welchen unerwarteten Hindernissen seid ihr auf dem Weg begegnet?

KV: Anfang 2020 haben wir mit der Entwicklung unserer Produkte begonnen und im September 2022 kamen das Skin Refining Gel und die Nourishing Adaptogen Cream auf den Markt. Für das Antioxidant Booster Serum brauchten wir sogar noch ein Jahr länger. Die richtige Formulierung zu finden, hat am meisten Zeit gekostet. Es sollte japanische Kosmetik sein, aber ohne Inhaltsstoffe, die für europäische KundInnen problematisch sein können, wie zum Beispiel tierische Nebenprodukte. Auch die Tuben und Flaschen und das Design haben mehrere Anläufe gebraucht. Letztendlich ist es ein ganzheitliches Konzept – von der Rezeptur über die Verpackung bis hin zum Nachhaltigkeitskonzept – bei dem alles stimmen muss.

F: Wie wichtig ist euch die Wissenschaft bei euren Produkten?

NK: Wissenschaft ist uns sehr wichtig, denn wir wollen, dass unsere Hautpflege Ergebnisse liefert. Zusätzlich zu unseren Kampo-Phytoaktivstoffen verwenden wir Hautpflegebestandteile, die die neueste Biotechnologie nutzen. Ein Beispiel dafür sind die bereits erwähnten vier Hyaluronsäuren mit unterschiedlichen Molekulargewichten in unserem Serum.

F: Welche Inhaltsstoffe würdet ihr niemals in einem Produkt verwenden?

KV: Squalan aus Haifischflossen oder andere tierische Nebenerzeugnisse.

F: Wie geht ihr mit den sich ständig ändernden Trends um? Gibt es Komponenten der Hautpflege, die sich nie ändern werden?

NK: Wichtiger als Trends ist Balance: Kümmert euch auf einer ganzheitlichen Ebene um Körper und Geist –ausgewogene Ernährung, Schlaf, soziale Kontakte, Freude, Ruhe und Entspannung, Bewegung, aber auch Stress und negative Gedankenspiralen müssen im Gleichgewicht gehalten werden. Beständigkeit ist auch eine der wichtigsten Komponenten in der Hautpflegeroutine. Es braucht Zeit, um eine gesunde Haut zu erreichen und zu erhalten.

F: Was haltet ihr von den TikTok-Trends, bei denen junge Frauen ihre Hautpflege-Routine mit tonnenweise verschiedenen Produkten demonstrieren?

NK: Die Haut ist kein losgelöstes Organ, das eine Menge Cremes und andere Substanzen braucht, ohne sich um andere Körperteile oder den allgemeinen Lebensstil zu kümmern. Diese TikTok-Videos haben meistens einen ziemlichen Tunnelblick auf die Haut und konzentrieren sich zu fest auf Produkte.

F: Was würdet ihr eurer Haut niemals antun – was früher

„Wir wollten unser hektisches Leben wieder ins Gleichgewicht bringen.“
„Es braucht Zeit, um eine gesunde Haut zu erreichen und zu erhalten.“

vielleicht einmal zu eurer Routine gehört hat?

NK: Einiges: Sonnenbaden, das Haus ohne Sonnenschutz verlassen, parfümierte Hautpflegeprodukte verwenden.

KV: Dasselbe wie Nora. Außerdem habe ich in meinen Zwanzigern viel Make-up aufgetragen, um meine schwere Akne zu verbergen. Seit ich Mitte dreißig bin, benutze ich keine Foundation mehr.

F: Was sind die geläufigsten falschen Vorstellungen über Hautpflege, die ihr richtig stellen wollt?

NK: Dass nur 100 Prozent natürliche Inhaltsstoffe gute Inhaltsstoffe sind. Es gibt ein paar synthetische Inhaltsstoffe, die eine höhere Bioverfügbarkeit für die Haut haben, weniger reizend sind als ihr natürliches Gegenstück und aus nachhaltiger Produktion stammen. Wir glauben an das Sprichwort „Die Dosis macht das Gift“. Die Zusammenarbeit mit ChemikerInnen im Labor in Japan hat uns zu einer ausgewogeneren Sichtweise auf Inhaltsstoffe und Dosierung verholfen: Ein gutes Rezept ist die Summe seiner Inhaltsstoffe und Dosierung.

KV: Ein Beispiel hierfür ist Vitamin E, auch Tocopherol genannt. Es verbindet die Inhaltsstoffe und sorgt für bessere Aufnahme. Es wird durch Biotechnologie hergestellt. Aber: Es ist sehr verträglich für die Haut, für viele wahrscheinlich verträglicher als ein natürliches ätherisches Pflanzenöl.

F: Neben hochwertigen Produkten scheinen heute Botox, Filler und Co. zum Standard für schöne Haut geworden zu sein. Wie steht ihr dazu?

KV: Wenn man es mit Fillern übertreibt, sieht es ein bisschen unheimlich aus. Stimmt die Dosierung jedoch und man benutzt es, um ein paar Kleinigkeiten zu korrigieren, finde ich es völlig in Ordnung. Es ist ja nie nur ein kosmetisches Problem, sondern es fließen immer auch emotionale und psychologische Aspekte mit ein. Wenn man als Frau zu altern beginnt, möchte man vielleicht etwas von seiner Jugend bewahren. Ich bin also nicht stur dagegen.

NK: Wir wollen das Gegenstück zu dieser Explosion des Konsumverhaltens bilden. Man hat heutzutage das Gefühl, jede Gesichtspartie brauche ihr eigenes Produkt. Unsere Gesichtscreme funktioniert auch als Augencreme, da sie nicht parfümiert ist. Wir wollen das Bewusstsein der KonsumentInnen dafür schärfen.

KV: Expansion haben wir schon im Hinterkopf, aber wir wollen keine 12-Schritte-Routine. Für das Gesicht gibt es maximal ein viertes Produkt, beispielsweise einen Cleanser oder einen guten Sonnenschutz. Ansonsten können wir uns vorstellen, Nahrungsergänzungsmittel anzubieten. Natürlich alles vor dem Hintergrund der Kampo-Philosophie.

NK: Wir möchten uns ganz im Sinne der Kampo-Medizin auf ganzheitliches Wohlbefinden konzentrieren. Dazu interessieren mich auch Hormone und die Perimenopause. Das hat ebenfalls einen starken Einfluss auf die Haut. Solche für den weiblichen Körper einschneidenden Ereignisse werden generell noch zu wenig erforscht.

F: Was bringt eure Inspirationsquelle für Produkte und Design zum Sprudeln?

NK: Ganz klar das eurasische Konzept, da wir beide Eurasierinnen sind. Wir mischen traditionelle japanische Designelemente mit einem modernen europäischen Ansatz. Wir wollen also nur einen leichten Hauch von Japanischsein vermitteln, anstatt zu unverblümt zu sein. Unser Design ist sehr stark von Shibori inspiriert, dem alten japanischen Handwerk des handgefertigten Färbens.

F: Wie viel Schweiz und wie viel Japan steckt in euren Produkten?

NK: Die Rezeptur ist japanisch – aber maßgeschneidert für Europa und die Schweiz. Die Verpackung ist von Design und Funktionalität her ein Schweizer Element.

IPSUM ALII

Weg mit der Skincare-Routine, die eine ganze Stunde aus dem Tag klaut. Mit Ipsum Alii feiern Gründerinnen Kikoc Veopraseut und Nora Kato den Minimalismus. Ihre drei in Japan hergestellten Produkte sollen jeden Hauttyp bestmöglich versorgen. Dafür werden Kräuter aus der traditionellen japanischen Kampo-Medizin integriert. Von Männern bis zur Make-up-Artistin weiß die 2020 gegründete Marke ein breites Publikum anzusprechen. Kein Wunder, lautet das Credo der beiden, mehr Balance in den Alltag zu bringen. Das tut uns schließlich allen gut.

ipsum-alii-com

NK: Früher habe ich bei dem Thema ziemlich schnell geurteilt. Und plötzlich wird man selber älter, sieht die Spuren, die die Jahre hinterlassen, in seinem Gesicht und fragt sich: Gibt es eine Creme, die mir helfen kann? Ich finde, es ist für jede eine persönliche Entscheidung. Tief im Innern möchte ich aber eine Frau sein, der das alles nicht so wichtig ist und die ganz natürlich altert.

F: Inwiefern ist Japan anderen Ländern im Bereich der Hautpflege voraus und was kann Europa vom japanischen Schönheitsmarkt lernen?

KV: Die Beschaffung der Inhaltsstoffe hat höhere Qualitätsstandards. Das ähnelt anderen Handwerkskünsten in Japan. In der japanischen Küche beispielsweise ist die bewusste Auswahl jeder einzelnen Zutat die wichtigste Komponente, um ein schmackhaftes Gericht zu kreieren – dasselbe gilt für Hautpflegeformeln.

F: Welche Ziele verfolgt ihr für Ipsum Alii?

NK: Wir würden gerne weitere japanische Wellness-Philosophien integrieren, die über die Hautpflege hinausgehen. Wir arbeiten bereits mit Naoki Hattori zusammen, einem traditionellen japanischen Therapeuten in Paris. Er integriert Akupunktur in seine Gesichtsbehandlungen, um das Nervensystem des gesamten Körpers anzuregen.

F: Wird es irgendwann mehr als drei Produkte geben?

F: Helfen euch InfluencerInnen und Social Media für den Aufbau der Marke oder ist dies nicht authentisch genug?

KV: Da wir als kleine Marke nur ein geringes Marketingbudget haben, kann es uns tatsächlich helfen. Wir stecken unser gesamtes Budget in die Produktentwicklung. InfluencerInnen haben die Möglichkeit, ein Publikum zu erreichen, das wir alleine nicht erreichen würden. Fehlinformation über bestimmte Produkte oder Resultate wiederum sind weniger hilfreich. Am liebsten sind uns darum diejenigen InfluencerInnen, die die Produkte zuerst über einen längeren Zeitraum testen und erst dann darüber posten. Idealerweise zeigen sie dann auch, wie man die Produkte richtig anwendet.

F: Habt ihr ein Feedback von KundInnen, das euch besonders im Gedächtnis geblieben ist?

KV: Wir finden es toll, dass viele Paare unsere Produkte gleichermaßen verwenden und sie somit auch von Männern gerne genutzt werden. Unsere liebste Erfahrung ist wohl, dass die Visagistin Karin Westerlund aus Paris unsere Creme nicht nur persönlich benutzt, sondern sie auch professionell für Models und andere Prominente anwendet.

NK: Mich freut es außerdem, dass Menschen mit verschiedensten Hauttypen, von trocken bis fettig, bisher positives Feedback gaben.

JEWELS

Stehen sie im Rampenlicht, dann funkeln sie bis in die letzte Reihe. Die Unsterblichkeit ist ihnen bereits in der Gegenwart gewiss. Und manchmal müssen auch wir hysterisch vor Glück kreischen, wenn wir welche bereits schon aus der Ferne sehen. Nur singen können sie nicht. Also, äh, gemeint sind selbstverständlich Statementund Cocktail-Ringe. Bühne frei für einige der schönsten Exemplare.

POMELLATO, Ring aus weißen und braunen Diamanten, mit einem 3,45 Karat Tsavorit, Preis auf Anfrage.

CHANEL, „Graphic Line“, Ring aus Weißgold, Platin, Diamanten, Mandaringranat und grünem Lack, Preis auf Anfrage.

VAN CLEEF & ARPELS, „Aurigae“, Ring aus Weißgold, mit einem ovalen Saphir von 16,58 Karat, mit schwarzem Spinell und Diamanten, Preis auf Anfrage.

CARTIER, „Yasifan“, Ring aus Weißgold, mit Turmalin, Rubinen und Diamanten, Preis auf Anfrage.

MESSIKA, „So Move“, Ring mit Diamanten im Pavé- und Baguetteschliff, Preis auf Anfrage.

BUCHERER, Cocktail Ring Ombre, aus 18 Karat Roségold, mit 56 Saphiren im Rundschliff, ca. 42'000.–

BOUCHERON, „Chinha, l’aigle Tanzanite“, Ring aus 18 Karat Weißgold, mit 134 runden Diamanten, 96 runden Saphiren, 44 Baguette-Saphiren, ca. 75'800.–

CHOPARD, Ring in 18 Karat ethischem Weiß- und Gelbgold, besetzt mit einem 26,36 Karat großen gelben Diamanten im Radiant-Schliff sowie mit zwei halbmondförmigen weißen Diamanten, Preis auf Anfrage.

GUCCI, „Labirinti“, Armband mit einem 35,69 Karat Aquamarin, Paraiba-Turmalinen und grünen Turmalinen und Diamanten in Weißgold, Preis auf Anfrage.

PIAGET, Ring aus 750 /1000er Rotgold, besetzt mit 1 Spessartit im Kissenschliff, gelben Saphiren und Diamanten, einzigartige Kreation, Preis auf Anfrage.

Egal, ob Video- oder Fotokamera: Die Schauspielerinnen Harriet Herbig-Matten und Andrea Guo wissen genau, wie sie sich in Szene setzen müssen, sobald auf den Auslöser gedrückt wird. Für uns haben sie sich in die neue Herbst-WinterKollektion von Longchamp gehüllt.

Photography: Marco Trunz

Talents: Harriet Herbig-Matten & Andrea Guo

Photography Assistance: Tim Löbbert

Styling: Izabela Macoch

Fashion: Longchamp AW24

Hair & Make-up: Patricia Heck

Production: Julia Gelau

Épure aus Rindsleder in Grün

Hanteltasche
und Braun, Le Roseau M Shopper in Grün, Le Roseau S Handtasche in Celadon, Le Roseau XS Handtasche in Grün, Le Roseau Bucket Bag XS in Orange, Épune XL Shopper in Grün
Shopper XS Cabas aus Wildleder in Bordeaux

RESEADENCE

Luxuriös ausgestattet geht‘s auf ins blaue Nirgendwo.

NEW WAVE

Tiefenentspannung auf hoher See: Die Kreuzfahrtschiffe von Explora Journeys setzen neue Standards in Luxus und Nachhaltigkeit. Kunstgalerie, private Outdoor-Whirlpools, Panorama Bar? Alles an Bord. Und noch so viel mehr.

Text: Michael Rechsteiner Fotos: Explora Journeys

Im kleinen Wasser dem großen Wasser zuschauen: so

Wir beginnen mit einer Liebesgeschichte. An Bord eines Kreuzfahrtschiffes lernt der italienische Kapitän Gianluigi Aponte die schweizer Bankierstochter Rafaela Diamant Pinas kennen. Sie heiraten und Aponte gründet 1970 in Genf die Mediterranean Shipping Company. Diese ist inzwischen das weltweit größte Privatunternehmen für Schiffsreisen und erobert noch immer neue Horizonte. Zwar sind inzwischen alle Weltmeere entdeckt, doch die Art, sie zu bereisen, birgt noch immer fantastische Möglichkeiten und Herausforderungen. So bietet die MSC Group mit ihrer neuen Explora Journeys Flotte jetzt Fahrten an, wie man sie noch nicht erleben durfte. Mit umfassendem Nachhaltigkeitskonzept und innovativer Technik, die unter anderem Stickoxidemissionen um 90% reduziert, sind die Luxuskreuzer rücksichtsvolle Gäste – sowohl auf dem Ozean als auch an den Anlegeorten. Die Gäste an Bord der Explora I erwartet wiederum eine Welt, gegen die selbst Neptuns Palast wie eine rostige Thunfischdose aussehen würde. 461 Suiten –alle inklusive Meerblick – bieten eine Fünf-Sterne-Ausstattung. Darunter auch die Ocean Residencies mit privaten Terrassen und Whirlpools sowie Butler Service. Kulinarisch lässt sich die Weltreise zu Fuss machen. Sechs Restaurants – von panasiatischer Küche bis zum Steakhouse – stehen zur Auswahl und zum Nachtisch lässt sich italienisches Gelato an einer der zahlreichen Poolbars genießen. Die Kalorien wieder abtrainieren? Ein hochmodernes Gym inklusive Laufbänder mit Blick auf die Wellen steht bereit. Uns findet man aber eher im voll ausgestatteten Spa-Bereich oder in den Boutiquen von Marken wie Piaget, Cartier und Buccellati. Ideal, um sich nach einem ganz besonderen Geschenk umzuschauen. Denn wir haben so das Gefühl, dass in Zukunft auch an Bord der Explora Journeys einige Liebesgeschichten ihren Anfang nehmen, die noch Großes in der Welt auslösen können.

EXPLORA JOURNEYS

Der nächste Luxusurlaub fällt ins Wasser – auf beste Art. Im vergangenen Winter feierte die Explora I ihre erfolgreiche Jungfernfahrt. Seither ist mit der Explora II ein weiteres Kreuzfahrtschiff hinzugekommen. Die Reisen führen unter anderem über den Atlantik, durch das Mittelmeer und die Karibik. Die Fahrten dauern ein bis drei Wochen – und nehmen sich Zeit. An den meisten Anlegeorten wird über Nacht Anker geworfen, damit die Gäste die Destinationen auch in vollen Zügen genießen können. Bis 2028 werden vier weitere Schiffe zur See gelassen und vervollständigen damit die Explora Journeys Flotte.

Hautnah an der Brutalität, die für schwarze AmerikanerInnen eher Alltag als Ausnahme ist. Tulsa Arrest, Oklahoma, 2017

Gab es den sogenannten American Dream jemals, dieses ominöse Versprechen nach Chancengleichheit und Freiheit für alle? Für marginalisierte Gruppen war er nie mehr als ein fabuliertes Konstrukt. Der mexikanischamerikanische Fotojournalist Philip Montgomery hält die dunkle Kehrseite dieses Mythos fest: Rassismus, Polizeigewalt und soziale Ungleichheit inszeniert er in Schwarz-Weiß und mit einem scharfen Auge für Ästhetik und Details.

Die Aufnahmen von Philip Montgomery sind Teil des Bildbands „XL Photography 7“, veröffentlicht von der Art Collection Deutsche Börse. Sie ist eine der bedeutendsten internationalen Sammlungen zeitgenössischer Fotografie und feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen.

Fotos: Philip Montgomery, Deutsche Börse Photography Foundation
Szenen, die einem Film entsprungen sein könnten. State police, George Floyd protests, Minnesota, Mai 2020

Protest for George Floyd #5, Minnesota, May 2020

Was ist amerikanischer: Der Cowboyhut oder die Zerstörung?

Brisanz kunstvoll komponiert.

Politische
Tatma Degeyndt, Brooklyn paramedic, New York, März

Surreal wie ein Fiebertraum: Das trifft auf das Leben in Amerika genauso zu wie auf Philip Montgomerys

Fotos. Trophy room, Hurricane Harvey, Houston, Texas, 2017

in der

Körpersprache lässt die

Diese
Polizei
Nähe vermuten. Canfield Drive II, Ferguson, Missouri, August 2014

XL PHOTOGRAPHY 7: ART COLLECTION DEUTSCHE BÖRSE

Fotografiefans aufgepasst: Dieses Buch ist ein Muss für eure Sammlung. 22 KünstlerInnen, die sich den Herausforderungen von Politik und Gesellschaft widmen, füllen 188 bildgewaltige Seiten. Die Art Collection Deutsche Börse zählt international zu den bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Fotografie und umfasst mittlerweile über 2' 300 Werke von rund 160 KünstlerInnen. Seit 2019 erscheinen im Kehrer Verlag jeweils neu erworbene Positionen in Sammelbänden der Serie „XL Photography“, die nun bereits in die siebte Runde geht.

„XL Photography 7: Art Collection Deutsche Börse“, Kehrer, ca. 55.—, kehrerverlag.com

Horrorfilmszenario in
Eine Waldhütte mit angrenzendem Naturwunder.

PEACE OF MIND SHELTER

Angekommen am Gipfel der Erholung.

Im Forestis herrscht immer Poolwetter.

Es riecht nach Fichten, die Stille ist greifbar, der Alltag meilenweit entfernt: Im Forestis oberhalb des südtirolischen Brixen hat Entspannung oberste Priorität. Inhaberpaar Teresa und Stefan Hinteregger wollten eine Oase schaffen, in der die Gäste die Natur nicht nur sehen, sondern spüren – unter anderem dank der hauseigenen Naturküche, die hauptsächlich Zutaten aus der Umgebung verwendet. Auch ein Weltnaturerbe steht gleich vor der Haustür: Das historische Hauptgebäude wird von drei Suitentürmen mit verzaubernder Weitsicht auf die Dolomiten ergänzt.

Interview: Josefine Zürcher
Fotos: Forestis
Hoch hinaus zum Abtauchen.
„RAUS AUS DEM ALLTAG, HINEIN IN EINE NEUE WELT MIT NEUEN EINDRÜCKEN UND INSPIRATIONEN.“

FACES: Wie bist du zur Hotellerie gekommen?

Teresa Hinteregger: Die Vielfalt der Berufe, die mit der Hotellerie verbunden sind, hat mich stets fasziniert. Die Möglichkeit, überall auf der Welt arbeiten zu können, war für mich wie das Tor zur Welt. Ich habe das besonders während meiner beruflichen Stationen unter anderem in Hongkong, London und der Schweiz zu schätzen gelernt. Der Kontakt zu Menschen aus aller Welt und das Eintauchen in andere Kulturen haben mir ganz besonders geholfen, als mein Mann Stefan und ich 2017 begonnen haben, in unserer Heimat Südtirol das Forestis zu planen.

F: Wie beschreibst du das Forestis in einem Satz?

TH: Ein fantastischer Ort, an dem uns die Schönheit der Natur sprachlos macht.

F: Welche Aspekte sind bei der Planung eines Hotels am wichtigsten?

TH: Wenn man etwas Neues machen möchte, muss man natürlich wirtschaftlich denken, aber man muss auch authentisch bleiben. Viele Hoteliers denken bei der Planung ausschließlich an die Gäste. Stefan und ich haben bei der Planung bloß an uns gedacht. Wir waren beide beruflich im Ausland und reisen selbstverständlich auch viel. Deshalb haben wir uns für das Forestis immer wieder überlegt, was uns selbst am besten gefallen würde. Je mehr man in seiner Konzeptplanung an die Gäste denkt, desto unauthentischer wird sie. Das merken die Gäste am Ende selbst. Wir verstehen uns als GastgeberInnen, die in ihr Haus einladen, damit die BesucherInnen sich erholen können. Und die Gäste kommen ja nur, weil sie unsere Idee, also auch unsere Art zu leben, überzeugt. Das ist der Sinn dahinter. Das sollte jeder Hotelier, der ein neues Konzept entwickelt, bedenken: An sich denken und authentisch bleiben. Wie bin ich, wie lebe ich, wie fühle ich mich? All diese Fragen müssen in das Konzept mit einfließen, damit es stimmig wird.

F: Aus welchen drei Gründen sollten wir unbedingt ein Zimmer bei euch buchen?

TH: Der Ausblick aus unseren Suiten – wir sind auf Augenhöhe mit einem der größten Naturschauspiele, den Dolomiten: Korallenriffe, die sich im Laufe von Jahrmillionen aus dem Meer emporgehoben haben. Außer-

dem die greifbare Stille und der Schutz des Waldes. Und zu guter Letzt die hervorragende Küche unseres Küchenchefs Roland Lamprecht, die er selbst als Natur- und Waldküche charakterisiert.

F: Was macht den Beruf des Hoteliers so spannend?

TH: Für mich ist es spannend, zu sehen, was unsere Gäste aus ihrem Aufenthalt bei uns machen. Wie schnell sie hier eins mit der Natur werden und einfach genießen. Es ist völlig egal, von welchem Kontinent die Gäste kommen – sobald sie bei uns sind, sind sie tiefenentspannt. Wenn Stefan und ich abends mit den Gästen sprechen und sie von ihren Erlebnissen und Eindrücken erzählen, dann wissen wir, dass wir vieles richtig gemacht haben.

F: Woran müssen Hoteliers denken, worüber sich andere keinerlei Gedanken machen müssen?

TH: Wir sind GastgeberInnen und deshalb müssen wir stets an alles denken, was zum Wohl unserer Gäste ist. Und selbstverständlich auch an unsere MitarbeiterInnen, die gemeinsam mit uns GastgeberInnen sind. Hoteliers sind diejenigen, die alles zusammenhalten.

F: Worüber machst du dir zu viele Gedanken?

TH: Ich möchte, dass sich unsere Gäste immer wohlfühlen. Wenn sie mehr als einmal im Jahr zu uns kommen, sollen sie stets mit demselben Gefühl nach Hause fahren. Dazu brauchen wir viele wundervolle Menschen, die uns helfen – unsere MitarbeiterInnen. Wir liegen hier in einer herrlichen Alleinlage mitten in der Natur. Was für unsere Gäste ein großes Plus ist, bedeutet für uns, dass unsere MitarbeiterInnen unsere besondere Fürsorge brauchen. Hier fährst du nicht mal schnell nach Hause zur Familie. Viele kommen auch aus anderen Regionen und Ländern. Unser Mitarbeiterhaus ist darum ein kleines Forestis. Wir machen immer wieder Veranstaltungen für unsere MitarbeiterInnen. Ausund Weiterbildung liegen uns genauso am Herzen wie eine geregelte Freizeit.

F: Wie bist du als Chefin?

TH: Das wäre ja eigentlich eine Frage für die MitarbeiterInnen. Ich lege Wert auf einen vertrauensvollen und respektvollen Umgang miteinander. Wir haben unser Team gut aufgestellt. Natürlich sind Stefan und ich die Hauptverantwortlichen, aber unsere AbteilungsleiterInnen und

Bob Ross könnte es nicht schöner malen.
Da kann unser Balkonien nicht mithalten. Suiten
Schatten der Dolomiten.

KREUZFAHRTSCHIFFEN:

Mir persönlich sind es zu viele Menschen auf einem Platz und wir müssen uns sicherlich mehr Gedanken über die Nachhaltigkeit dieser Form des Reisens machen.

BUFFET-ESSEN:

Ja, beim Frühstück und wenn es so aussieht wie im Forestis. Ausgewählte lokale Produkte in kleinen Portionen, die immer wieder nach Bedarf frisch nachgereicht werden,

„HOTELIERS SIND DIEJENIGEN, DIE ALLES ZUSAMMENHALTEN.“

selbstgebackenes Brot und daneben noch warme Speisen, die à la carte angeboten werden.

TRINKGELD:

Selbstverständlich.

HUNDEN IM RESTAURANT UND IM HOTEL:

Hunde sind heute Familienmitglieder, ich kann es aber verstehen, wenn sie nicht überall Zutritt haben.

KINDERN IM RESTAURANT UND IM HOTEL:

Im Forestis sind Kinder erst ab 14 Jahren erlaubt. Es gibt heute so viele Angebote, für jeden findet sich das richtige Hotel.

ANIMATEURINNEN:

Das brauchen wir im Forestis nicht, im Gegenteil – es wäre kontraproduktiv zu unserer Philosophie und Würdigung dieses Ortes.

DRESSCODES: Wir möchten niemandem vorschreiben, wie er oder sie

sich zu kleiden hat. Passende Kleidung ergibt sich schon aus der Atmosphäre und der Umgebung.

TRIPADVISOR: Sicherlich eine Orientierungshilfe, aber man sollte sich seine Meinung auch selbst bilden.

ONLINE TRAVEL AGENCIES: Wir müssen wissen, wie wir am besten mit ihnen arbeiten.

SHARING ECONOMY: Da gibt es hervorragende Modelle.

NACHHALTIGKEIT:

Ein Muss, besonders für uns, die wir an einem Ort liegen, der uns Nachhaltigkeit abverlangt.

FACHKRAEFTEMANGEL:

Die Hotellerie gehört zu den schönsten Branchen. Man kann auf der ganzen Welt arbeiten, man lernt nie aus. Wir müssen dafür Sorge tragen, dieses Berufsbild attraktiv zu gestalten.

Das hält Teresa Hinteregger von…
Der Wald, die Therapiecouch der Natur.
„KEINE BEGEGNUNG MIT EINEM GAST GLEICHT DER ANDEREN.“

ihre Teams genießen unser Vertrauen. Wir möchten auch, dass die Stärken und der Charakter eines jeden sich bei uns entfalten können. Nur so haben wir am Ende die besten Mitarbeitenden und glückliche Gäste.

F: Was macht eine gute Gastgeberin aus?

TH: Wir haben ein internationales Publikum und als Gastgeberin muss ich mich auf jeden Gast schnell und individuell einstellen können. Keine Begegnung mit einem Gast gleicht der anderen. Außerdem überrasche ich unsere Gäste gerne, und um das zu können, muss ich gut informiert sein und gut zuhören können.

F: Welche Gäste magst du am liebsten?

TH: Gäste, die bereit sind, sich auf das Forestis und die Natur einzulassen und das genießen und wertschätzen. Das bedeutet uns viel. Manchmal komme ich an einem frühen Winterabend auf unsere Terrasse und sehe dort unsere Gäste eingehüllt in Decken am offenen Feuer, wie sie bei einem Drink oder einem Glas Wein wortlos auf die Berge blicken, die ins kitschigste Abendsonnenlicht getaucht sind. In diesen Momenten sehen unsere Gäste genau das, was auch wir sehen und schätzen.

F: Und welche Gäste rauben dir Nerven?

TH: Es gibt nur zwei Dinge, die ich nicht akzeptiere: Gäste, die sich unseren Mitarbeitenden gegenüber respektlos verhalten, und solche, die die Natur nicht wertschätzen. Aber diese Menschen verirren sich eher selten zu uns.

F: Was ist dein Anspruch an euer Hotel?

TH: Das Forestis soll unseren Gästen aus aller Welt 365 Tage im Jahr die Schönheit dieser Gegend näherbringen und ein Rückzugsort sein, an dem man einmal alles um sich herum vergessen kann. Auch deshalb arbeiten wir weiter an unserem Spa-Konzept, das auf den Lehren der Kelten beruht, die sich einst hier in Palmschoß angesiedelt hatten. Für mich ist es wichtig, dass das Forestis das widerspiegelt, was diesen Ort ausmacht: Kraft und Ruhe.

F: Wie haben sich die Ansprüche der Gäste in den vergangenen Jahren verändert?

TH: Ich habe bereits vor einigen Jahren Veränderungen bemerkt, und vieles davon hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Unsere Gäste schätzen vermehrt die Zeit, die sie mit ihren PartnerInnen, mit der Familie und Freunden verbringen und den Ort, wo sie das

FORESTIS

In den Dolomiten kann man wunderbar wandern gehen. Wenn der Sinn nach etwas mehr Entspannung steht, dann öffnet ein verstecktes Ruheparadies seine Tore: Im Forestis hat man das Weltnaturerbe und saftige Wälder von den Suiten aus im Blick. Dachterrassen sorgen für Naturnähe, Pools und Spabereich für vollkommenes Herunterfahren. Teresa und Stefan Hinteregger haben das luxuriöse Hideaway 2020 gegründet und in dieser Zeit schon fleißig die Herzen von Gästen aus aller Welt erobert. forestis.it

ungestört können. Wir schaffen auch immer wieder Erlebnisse, die bleibend sind. Zum Beispiel kann man bei unseren Tower Suiten auch unter dem Sternenhimmel übernachten. Die Daybeds werden von unserer Hausdame Tiziana und ihrem Team in ein Bett verwandelt, mit Daunenkissen und -decken. Ich denke, jeder hat als Kind einmal draußen übernachtet und fand es spannend und aufregend. Vielleicht ist es heute nicht mehr so aufregend, dafür aber romantisch, einzigartig und unvergesslich.

F: Welche Geschichte aus deinem Alltag als Gastgeberin musst du uns unbedingt erzählen?

TH: Das war gar nicht lange nach unserer Eröffnung. Mein Mann Stefan ging durch den Garten und blickte auf die Suiten Terrassen hinauf und entdeckte auf einer einen Teil eines Möbelstücks, das dort nicht hingehörte. Erst dachte Stefan, es seien unsere Handwerker in der Suite, aber es kam ganz anders. Dem Gast in der Tower Suite war es zu dunkel, wenn er die Vorhänge zu machte, er wollte nur etwas Schatten und hat kurzentschlossen Teile des Mobiliars als Sonnenschutz zweckentfremdet. Wir haben den Gast kontaktiert, die Möbelteile wieder zusammengebaut und ihm stattdessen einen Sonnenschirm auf seine Terrasse gestellt.

F: Worauf achtest du, wenn du selbst auswärts übernachtest?

TH: Wenn mein Mann und ich verreisen, achten wir darauf, dass wir unsere Privatsphäre haben, dass wir abschalten und wieder Energie tanken können. Genau wie unsere Gäste: Raus aus dem Alltag, hinein in eine neue Welt mit neuen Eindrücken und Inspirationen.

F: Was unterscheidet ein gutes von einem grandiosen Hotel?

TH: Für mich sind das die MitarbeiterInnen. Wenn ich ihre Leidenschaft für das, was sie tun, spüre, wenn sie die Gäste immer wieder überraschen, ihnen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern und den Tag einfach schöner machen, dann machen sie ein gutes zu einem grandiosen Hotel.

F: Wo steht dein eigenes Bett?

TH: Wir wohnen in einem Chalet oberhalb des Forestis, in einer von vier Wohnungen mit einem herrlichen Blick auf die Dolomiten. Wir sind also gerade so weit weg, um auch Privatsphäre zu haben, aber doch so nah, um gleich im Forestis sein zu können.

SOLO ALLEINE LOS

Wer die perfekte ReisepartnerIn noch nicht gefunden hat, sollte lieber auf eigene Faust durch unbekanntes Terrain stapfen, statt sich einer durchgetakteten Reisegruppe anschließen, die hastig vom Kreuzfahrtschiff springt und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten sprintet. Dann entdeckt man nicht nur die Umgebung, sondern auch sich selbst.

Passagiere am Hafen von Dieppe, 1950er Jahre. Foto: @ Paul Almásy
Filmende in Warschau, 1947. Foto: @ PAP

Vor einigen Jahren trat ich zum ersten Mal in meinem Leben eine organisierte Reise an. Man machte mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte: drei Wochen Kreuzfahrt, alles bezahlt, und meine einzige Aufgabe bestand darin, eine Lesung an Bord zu geben. Überdies dachte ich mir, ich sollte meine Vorurteile überprüfen, vielleicht sei ja die Art, wie KreuzfahrerInnen ihren Urlaub verbringen, schöner als von mir vermutet. Es stellte sich heraus, dass meine Vorurteile der grausigen Realität nicht das Wasser reichen konnten. Ich erlebte eine weltabgewandte Verkostung, bei der scheibchenweise so viel Fremde eingenommen wurde, dass man den Geschmack erahnen, aber auch umgehend wieder vergessen konnte.Jeder Tag war durchgetaktet: Anlandung, in die aufgereihten Busse steigen, mit einem Pulk durch die aufgebrezelten Straßen laufen, zurück aufs Schiff. Und alles eingerahmt vom Rhythmus des Buffets, dieser allmächtigen Tafel des Überflusses.

RASTLOSE REISEGRUPPEN

Eigentlich trifft der Begriff „Gruppenreise“ auf Kreuzfahrten nicht zu, eher müsste man von „Kleinstadtreisen“ sprechen: Zusammen mit Tausenden MitpassagierInnen gleitet man auf schwimmenden Neubausiedlungen, die sich in keiner Weise den äußeren Verhältnissen anpassen, durch die Welt. Meist ist man unter sich, auf hoher See, eine selbstständige Einheit, die gelegentlich – wie symbolisch – einen fremden Hafen anläuft, für einige Stunden, bevor sie sich wieder zurückzieht, ins Eigene, Behütete, Umsorgte. Die Gruppenreise verkündet weithin hörbar und sichtbar: Am besten ist es, unter seinesgleichen zu bleiben. In Mopti am Niger wanderte ich stundenlang durch die Gassen und saugte die Flüchtigkeiten auf, die sich mir boten, lauschte den vielen eigenartigen, mir unbekannten Geräuschen. Da bog ich um die Ecke und geriet ohne Vorwarnung mitten in eine Reisegruppe hinein, die aufgrund ihrer Größe Probleme hatte, durch die engen Gassen zu schlüpfen. Diese Gruppe erzeugte so viel Lärm – unvermeidbar: die Vielzahl der klickenden Fotoapparate, die Rufe des Führers, die Erregung verschiedener Stimmen –, dass die Reisenden unmöglich hören konnten, wie der Schmuck an den Ohren und Armen der Pheul-Frauen klirrte, wie der Harmattan durch die Ritzen rauschte, wie die Sandalen über den lehmigen Boden kratzten.

SCHWEIGEN IST GOLD

Grundsätzlich gilt: Reisende sollten weniger Lärm machen als die Fremde. Das ist auf Gruppenreise oft

schwer möglich. Die Stille ist ein wunderbarer Begleiter, verdeutlicht uns auf eigene Art und Weise, wie sehr sich eine Reise vom Alltag unterscheidet. Selbst wenn es sich mit dem selbst gewählten PartnerIn, dem Seelenverwandten, streckenweise wunderbar schweigen lässt, kann man Stille nur erfahren, wenn man allein unterwegs ist. Nachdem ich der Gruppe entronnen war, musste ich an Mungo Park denken, einen jungen Schotten, der vor mehr als zweihundert Jahren die Geheimnisse des Niger lüften wollte. Bei seiner ersten Expedition war er fast allein, es begleiteten ihn nur ein Dolmetscher und ein Diener. Es war eine erlebnis- und erfolgreiche Reise, über die er einen aufregenden Bericht verfasste (T. C. Boyle hat ihm in „Wassermusik“ ein literarisches Denkmal gesetzt). Bei seiner zweiten Expedition führte Mungo Park dreißig britische Soldaten ins westafrikanische Inland. Von dieser Reise kehrte er nicht zurück.

Kaum etwas bestimmt das Wesen einer Reise so sehr wie die Entscheidung, ob man allein oder zusammen mit anderen aufbricht. Die Solo-Reise ist im Vergleich zur Gruppenreise derart verschieden, dass man dafür eigentlich unterschiedliche Begriffe erfinden müsste. Nicht nur wegen des Unterschieds zwischen lockerer Spontaneität und strenger Planung, zwischen der Wahrnehmung von Fremde und der Beschäftigung mit der eigenen Gruppe, sondern auch hinsichtlich der Reaktion der Einheimischen. Die Gruppe wird von diesen als logistisches Problem oder kommerzielle Gelegenheit betrachtet, der Einzelne potenziell als Mitmensch. Die Gruppe ist ein wanderndes Getto, der Einzelne ein ausbrechender WandererIn.

PRO UND CONTRA

Wie also reisen? Ziehe ich allein los oder als Paar, mit einem Kumpel oder einer Freundin, als Familie oder als TeilnehmerIn einer Gruppe (Herrenrunde, Butterfahrt, Mädelstrio oder Edelstudienreise)? Zwar erlebt man allein zweifellos am meisten, andererseits ist es schön, die Beglückungen der Reise mit seinem oder seiner Liebsten zu teilen oder mit guten FreundInnen, zudem können zwei oder noch mehr Augenpaare für einen geschärften Blick sorgen. Allein ist man ganz auf sich geworfen, kein anderer entdeckt mit, niemand macht uns aufmerksam auf Dinge, die uns entgehen. Dafür werden wir von unserer neuen Umgebung „entdeckt“, so wie wir als Paar oder als Gruppe nie entdeckt werden können, denn die in die Fremde verpflanzte Gemeinsamkeit schottet nolens volens ab. Wer allein unterwegs ist, spricht weniger. Schon die Tatsache,

„Kaum etwas bestimmt das Wesen einer Reise so sehr wie die Entscheidung, ob man allein oder zusammen mit anderen aufbricht.“

nicht oder fast nicht zu reden, verändert einen. Die vielen Kommentare, zu denen sich Reisende verleitet fühlen, versiegen. Und dieser Anmerkungsstrom ist in den seltensten Fällen voll brillanter Beobachtungen, sondern erschöpft sich neben Ahs und Ohs und „Sieh mal“ häufig im Benennen des Augenfälligen, wie Max Beerbohm in seinem berühmten Essay „Going Out for a Walk“ treffend notierte: „Wir kommen an einem Markstein vorbei, er zeigt mit seinem Spazierstock darauf und sagt: ‚Uxminster. Elf Meilen.‘ Am Fuß eines Hügels macht die Straße eine scharfe Biegung. Er deutet auf die Mauer und sagt: ‚Schritttempo fahren.‘ Ein gutes Stück vor uns auf der anderen Straßenseite entdecke ich ein kleines Schild an der Hecke. Er entdeckt es auch und hat ein Auge darauf. Und tatsächlich sagt er bald darauf wie zu erwarten: ‚Unbefugten ist das Betreten des Grundstücks verboten.‘ Armer Kerl, geistig völlig heruntergekommen.“

Wenn Alleinreisende reden, dann mit fremden Menschen. Meist müssen sie dafür die Vertrautheit der eigenen Sprache verlassen und begeben sich somit in ungeschütztes Gelände, auf dünnes Eis. Wer allein reist, ist nahbarer, weckt den Beschützerinstinkt der Menschen auf fremdem Territorium. Wer allein reist, hat diverse Rüstungen abgelegt und ist dadurch offener für berührende Begegnungen und bleibende Erfahrungen.

ICH SAGE, WO’S LANGGEHT

Im Verbund nehmen wir weniger Rücksicht auf unser Reiseland, bestärken uns gegenseitig in unseren Vorurteilen, okkupieren den öffentlichen Raum, der nicht uns gehört. Wer hat sich noch nie über Reisegruppen geärgert, die voller Selbstverständlichkeit eine Sehenswürdigkeit einnehmen, sich breitmachen, Individualreisende und Einheimische an den Rand drängen? Das ist nicht einmal böse Absicht, die Masse kann nicht anders. Sie ist niemals rücksichtsvoll. Wer allein reist, kann sich jederzeit seiner eigenen Lust und Laune spontan hingeben, kann nach links abbiegen, noch eine Stunde weitermarschieren, in einer schlichten Pension übernachten, in ein Lokal einkehren, das ausschließlich Fisch und Meeresfrüchte anbietet, mit den Hühnern aufstehen, sich ein Fahrrad ausleihen, stundenlang durchs Museum streifen, sich in ein Matatu oder eine Dala-Dala zwängen, für Wochen an ein und demselben Ort bleiben, seine Reisekasse für ein altes Schmuckstück auf den Kopf hauen – und all dies ohne langwierige Diskussionen, ohne Widerstand der ReisebegleiterInnen, einfach weil einem danach zumute ist. Angesichts des Korsetts, das

uns Gesellschaft und Sachzwänge auferlegen, öffnet eine solche Reise ein Fenster zu einem selbstbestimmten Leben. Allein kann man wenigstens einmal im Leben entschiedene, wenn auch selbstbezogene Freiheit erfahren.

AUFBRUCH INS ALLEINSEIN

Wer bisher nie allein gereist ist, sollte es einmal versuchen; man entdeckt nicht nur neue Landschaften und Horizonte, sondern auch neue Seiten an sich selbst. Man kann sich hinter niemandem verstecken, ist gelegentlich gezwungen, auf andere zuzugehen, und wird überrascht sein, wie viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in der Welt sind (nach meiner Lebenserfahrung begegnet man viel mehr Menschen, die einem helfen, als solchen, die einem schaden möchten). Und wann ließe es sich besser über den eigenen Schatten springen als unbeschwert von Alltagssorgen und der Furcht, man könnte sich lächerlich machen? Nur wenige werden gleich wagemutig ihren Jahresurlaub solo verbringen, aber ein verlängertes Wochenende könnte ein Anfang sein. Besuchen Sie eine Ausstellung, die in Ihrem Freundeskreis niemanden interessiert, und flanieren Sie anschließend durch die Stadt.

Wandern Sie ziellos durch die heimische Umgebung. Setzen Sie sich aufs Rad und fahren los, flussaufwärts den Rhein, Neckar oder Main hinauf. Fahren Sie zum Hauptbahnhof und steigen in den Zug, der an einen Ihnen unbekannten Ort fährt. Als Gesellschaft leiden wir an Vereinsamung, an einer politisch lähmenden Atomisierung, und doch reisen wir selten allein.

WEISST DU NOCH?

Andererseits ist es wunderbar, seine Erlebnisse mit einem geliebten Menschen zu teilen – nicht nur im Augenblick selbst, sondern auch beim fröhlich-sentimentalen „Weißt du noch?“ Jahre später. Man sieht anders, reist anders, ist der Gruppendynamik im Guten wie im Schlechten ausgeliefert. Gerade deswegen sollte die Entscheidung, mit wem man mehrere Wochen lang Bus, Boot oder Bett teilt, wohlüberlegt sein. So reizvoll es nach ein, zwei Gläsern an einem netten Abend erscheinen mag, mit Freunden einen Urlaub zu verbringen, die Umsetzung kann sich als weitaus weniger charmant herausstellen. So manch eine Freundschaft hat durch diese Nagelprobe schwere Blessuren davongetragen. Besonders wenn man einander bisher nur im heimischen Umfeld begegnete, in dem jeder seine feste Rolle hatte. Auf fremdem Terrain prallen häufig unterschiedliche Meinungen aufeinander, ungeahnte

„Im besten Fall kann eine Reise eine Freundschaft vertiefen.“

Befindlichkeiten treten zutage, und schon verdunkelt Missstimmung den romantischen Sonnenuntergang. Es können kleinere Eigenheiten sein, die am dritten Tag einen Schwung Briketts auf die schwelende Weißglut werfen. Zu Hause ist es nicht dramatisch, dass Paul notorisch zu spät kommt, wenn man aber mit gepackten Koffern an der Rezeption eine geschlagene Dreiviertelstunde auf ihn warten muss ... Überlegen Sie lieber zweimal, ob es wirklich ratsam ist, diesen weingeborenen Plan umzusetzen und eine längere, von Erwartungen aufgeladene Reise miteinander zu verbringen.

PARTNERSUCHE IST SCHWER

Die Frage nach dem richtigen Begleiter, der passenden Reisepartnerin ist seit je schwer zu beantworten. Schon der Dichter Petrarca hat sich vor seiner Besteigung des Mont Ventoux alle Fragen gestellt, die seitdem den Reisenden beschäftigen: „Als ich aber wegen eines Begleiters mit mir zurate ging, erschien mir, so merkwürdig es klingt, kaum einer meiner Freunde dazu geeignet: so selten ist selbst unter teuren Freunden jener vollkommenste Zusammenklang aller Wünsche und Gewohnheiten. Der eine war mir zu saumselig, der andere zu unermüdlich, der zu langsam, jener zu rasch, der zu schwerblütig, jener zu fröhlich, der endlich zu stumpfen Sinnes, jener gescheiter, als mir lieb. Beim einen schreckte mich seine Schweigsamkeit, beim anderen sein lautes Wesen, beim einen seine Schwere und Wohlbeleibtheit, beim anderen Schmächtigkeit und Körperschwäche. Beim einen machte mich kalte Gleichgültigkeit bedenklich, beim anderen wieder gar zu heißes Anteilnehmen. All das, so schwerwiegend es ist, erträgt man daheim – erträgt die Liebe doch alles, und vor keiner Belastung scheut sich die Freundschaft. Schwerer jedoch wird dies alles unterwegs. So wog mein empfindliches Gemüt, das auf eine anständige Vergnügung sann, umsichtig alle Einzelheiten gegeneinander ab, ohne damit irgendein Freundschaftsgefühl zu verletzen. Schweigend vielmehr verdammte es alles, wovon nur irgend vorauszusehen war, dass es auf der ins Auge gefassten Reise lästig werden könne. Was glaubst Du wohl? Schließlich wende ich mich um Beistand an den, der mir zunächststeht, und eröffne die Sache meinem jüngeren, meinem einzigen Bruder, den Du ja gut kennst. Frohere Botschaft hätte er nicht hören können, und er dankte mir freudig, dass er bei mir gleichzeitig die Stelle eines Freundes und eines Bruders hätte. Auch ich reise gern mit meinem Bruder, nur haben wir beide dazu viel zu selten Gelegenheit. Jeden Sommer

GEBRAUCHSANWEISUNG FÜRS REISEN

Reisen hat viele Gesichter – und die bekanntesten davon dreht Ilija Trojanow in seinem Buch „Gebrauchsanweisung fürs Reisen“ zum Licht. So schreibt er über Gepäck genauso fröhlich wie über die Unnötigkeit von Souvenirs, über das Reisen als Eremit und in der Gruppe, über Proviant und Durststrecken und über Zimmer mit und ohne Aussicht. Sein Werk ist etwas für alle, deren Puls in die Höhe prescht, sobald Flug, Zug oder auch nur das Hotel um die Ecke gebucht sind und es daran geht, Rucksack oder Koffer fürs große Abenteuer bereit zu machen.

Ilija Trojanow, „Gebrauchsanweisung fürs Reisen. Auch Reisen will gelernt sein.“, Piper, ca. 15.–, piper.de

bin ich über zehn Jahre hinweg mit meiner Tochter irgendwo in die Ferne gereist, nur wir beide, nach Brasilien und Kenia, nach Namibia und Indien. Diese Reisen haben sie – nach eigenem Bekunden – stark geprägt. Für mich stand die Beschäftigung mit der eigenen Tochter im Mittelpunkt, die Fremde war eher eine anregende Kulisse hierfür. Mit wem man reist, kann nämlich den Charakter der Reise völlig verändern. In Wellington wartete ich vor Jahren im Büro eines Autovermieters, um ein Angebot einzuholen, weil ich nach einem dortigen Literaturfest durch die Südinsel fahren wollte. Vor mir in der Schlange stand ein schlaksiger Brite, der die gleiche Absicht hatte. Kurz entschlossen haben wir uns zusammengetan. Wir wechselten uns am Steuer ab, ansonsten kommentierten wir unentwegt das Leben und die Landschaft, unsere Fantasie von der Gegenwart des anderen entzündet wie zwei chemische Elemente, die eine explosive Verbindung eingehen. Der Reisepartner – es war der Essayist George Dyer – erwies sich als ein Geschenk des Zufalls.

DIE IDEALE REISEBEGLEITUNG

Wer einmal einen passenden Reisedeckel gefunden hat, der hält an ihm fest. Zwei Freundinnen etwa, die sich im Alltag selten begegnen, weil sie in verschiedenen Städten leben, brechen zweimal im Jahr auf – als eingespieltes Team mit gemeinsamem Geldtopf (der natürlich Marie heißt), das allein zu diesem Zweck zusammenkommt. Offenbar harmonieren die beiden unterwegs so sehr, dass von einer auf Reise spezialisierten Freundschaft die Rede sein könnte.

Denn im besten Fall kann eine Reise eine Freundschaft vertiefen. Vor allem wenn die Tage aus Gemeinsamkeit, Distanz und Wiederbegegnung bestehen, sodass man sich weder auf die Füße tritt noch auf die Nerven geht. Manchmal empfindet man das Bedürfnis, sich nicht nur von der Fremde zurückzuziehen, sondern auch von den Mitreisenden. Mit einem befreundeten älteren Ehepaar fuhren wir einmal gemeinsam durch die atemberaubende Landschaften von South Dakota und Montana, in zwei RVs, „Recreation Vehicles“, auf Deutsch Wohnmobile. Wir wechselten uns ab mit dem Kochen; wenn wir wollten, trafen wir uns auf dem Rasen zwischen unseren luxuriösen Schneckenhäusern, wir lasen und schrieben in der Abgeschiedenheit unserer vier Wände, wenn es uns danach gelüstete. Es war gemeinsames Sehen und Erleben, ohne unangenehme Gefühle, einer Gruppe ausgeliefert zu sein.

GRACEFUL COZY LAYERED POISE URBAN LUXE

Photography: Valérie Mathilde
Styling: Marie Revelut
Hair: Tomoko
Make-up: Axelle Charlemagne
Model: Taylor Pelouze, Premium Models
Post Production: Omstylestudio
Hose und Kleid von ISSEY MIYAKE. Tuch von INNANGELO. Schuhe von ADIDAS. Armreifen von TUMULU.

Bodysuit von DAWEI STUDIO. Socken und Strümpfe von FALKE. Tuch von INNANGELO. Tasche von DIOR. Schuhe von MAISON ERNEST. Kapuze von BENSIMON.

Kleid und Weste von MAISON DAVID BAZZERLA. Strümpfe von FALKE. Haarschmuck von CHANEL.
Shirt von NA ERUQO. Jacke von ALAMELU. Strümpfe und Socken von FALKE. Schuhe von CHRISTIAN LOUBOUTIN. Tasche und Schal von CHANEL.
Top, Shorts, Jacke und Schuhe von DIOR. Ohrringe und Armband von PASQUALE BRUNI.

15.9. CHANTILLY ARTS ET ELEGANCE

RICHARD MILLE, CHÂTEAU DE CHANTILLY, CHANTILLY

MOTO ROYALE

Text: Michael Rechsteiner

Fotos: Richard Mille

Wenn Richard Mille ins weltberühmte Château in der Nähe von Paris einlädt, drücken wir aufs Gaspedal. Der Schweizer Luxusuhrenhersteller pflegt eine besondere Nähe zur Formel 1. Doch an diesem Sonntag suchte man nicht nach den Schnellsten, sondern nach den Schönsten. Über 900 Autos wurden auf dem malerischen Gelände des Château de Chantilly ausgestellt.

Zehn Modelle nahmen am Concours d‘Elegance teil. Am Ende kürte die Jury den Lancia Pu+Ra HPE zum Sieger in der Hauptkategorie. Mit über 28’000 BesucherInnen konnte das Chantilly Arts et Elegance

Richard Mille einen neuen Rekord verzeichnen und unterstreicht damit seine Pole Position als Auto Festival avec le petit extra.

Highlight: Der Bugatti T35C hängt auch nach 100 Jahren alle ab.

Fazit: Magnifique, wie viel Schönheit zwischen vier Räder passt.

1 Historische Kulisse, zeitlose Eleganz.

2 Die Fahrt ins Grüne hat sich gelohnt.

3 Château de Chantilly erwartet uns.

4 VRauchende Köpfe bei der Jury? Schwer zu sagen.

5 Nicht nur die Boliden sorgten für Action.

6 Auch eine einzige Pferdestärke macht enormes Tempo.

7 Eine würdige Kulisse für die Königsklasse des Rennsports.

8 Unser persönlicher Gewinner in der inoffiziellen Farbkategorie.

9 An diesem Tag der garantiert schönste Parkplatz der Welt.

10 Weit vorne im Rennen um den meisten Style.

11 Flanieren im Schlossgarten und danach etwas PS.

12 Auch das Rahmenprogramm hielt auf Trab.

13 Freie Fahrt für seltene Klassiker.

WTF 82

Echtpelz für Mode? Haarsträubend. Sagen nicht nur wir. Eine YouGov-Umfrage in zwölf Ländern ergab, dass 82% der Befragten besorgt sind über die Verwendung von Tierfell in der Bekleidungsindustrie. Fast die Hälfte gab an, Unternehmen zu bevorzugen, die auf Pelz verzichten. Da verwundert es nicht, dass gemäss Markenkompass der Tierschutzorganisation Vier Pfoten mittlerweile vier von fünf Modelabels das Material aus ihren Kreationen verbannt haben.

Grund genug, um entspannt zu schnurren? Geht so. Auch Daunen und Wolle werden oft unter grausamen Bedingungen gewonnen. Insbesondere die als „Mulesing“ bezeichnete Praxis der Lämmerverstümmelung ist in Regionen wie Australien verbreitet. Um dir den Tag nicht zu verderben, ersparen wir uns eine genauere Beschreibung. Und enden mit einer guten Nachricht: Auch dem Mulesing zeigen immer mehr Marken die kalte Schulter. Und wärmen sie mit einer human erzeugten Alternative.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.