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Interview DUTZI IJSENHOWER Drag Queen
WENIGER IST EINFACH
VON BIRGIT WITTSTOCK
Wenn Dutzi Ijsenhower ins Kino lädt, wird es auch dort wild, wo üblicherweise geschwiegen wird
Dutzi Ijsenhower, Drag Queen und Exzess-Veteranin der queeren Community, feiert mit dem Sun Dutz Film Fest ihre Rückkehr aus der Coronastarre. Ein Gespräch über die Lebensnotwendigkeit guten Feierns
Wenn Dutzi Ijsenhower überhaupt einmal sitzt, dann am liebsten erste Reihe fußfrei. Im Leben wie im Kino – derzeit während der Filmvorführungen ihres Sun Dutz Film Festes, das sie seit vergangenen September im Zweimonatsrhythmus in den Breitenseer Lichtspielen veranstaltet. Statt eines bedeutungsschweren Cineastenweiterbildungsprogramms zeigen Organisatorin Dutzi und ihre Mit-Queens Sue Philis Baker, Athene Atlas und Dr. Domi Darf Das ihre jeweiligen Lieblingstrashfilme aus verschiedenen Jahrzehnten. Davor gibt es live gesungene DragAuftritte mit Klavierbegleitung von Patrick Lammer und Gratis-Popcorn. Danach DJ, Suff und Tanz.
Seit gut 15 Jahren versorgt Ijsenhower die queere Community Wiens mit Gelegenheiten zu feiern. Sie war von Anfang an bei Rhinoplasty, der Grande Dame des Exzesses, im Club U dabei, sie war als Drag Queen die personifizierte Maßlosigkeit, und sie gab als Stand-up-Comedian beim PCCC, dem ersten Queer Comedy Club der Stadt, Gas. Wer also, wenn nicht Dutzi Ijsenhower, weiß, wie wahrer Eskapismus geht? Dutzi Ijsenhower, du bist eine geeichte Exzess-Veteranin. Dein aktuelles Projekt, das Sun Dutz Film Fest, ist in Dutzi-Maßstäben fast schon brav. Was ist passiert? DUTZI IJSENHOWER: Corona?! Wir sind alle aus der Übung. Man muss sich die Freiheit erst wieder erarbeiten, ertrinken und erfeiern. Ich bin mittlerweile auch nicht mehr die Allerjüngste und gehe nicht mehr so viel aus. Außerdem habe ich ja schon vor der Pandemie eine Pause vom Drag gemacht und bin beim Queer Comedy Club PCCC zwar mit meinem Künstlernamen Dutzi, aber out of Drag aufgetreten.
Warum eigentlich? IJSENHOWER: Auch aus Bequemlichkeit. Es dauert Stunden, bis das Make-up sitzt, und jedesmal ein neues Outfit kreieren – ich trage ja keines zweimal – ist unglaublich viel Arbeit. Ganz abgesehen davon, dass eine Nacht auf High Heels durchzutanzen nicht so lustig ist, wie es von außen aussieht. Außerdem bin ich jahrelang nur auf Events gegangen, auf denen ich auf der Bühne stand, also gearbeitet habe. Deswegen war es ganz gut, einmal eine Pause zu machen, um den Druck rauszunehmen.
Fluchthelferin
Gehört es sich eigentlich, das Alter einer Drag Queen zu verraten? Egal. Dutzi Ijsenhower ist 44, kommt ursprünglich aus der Gay- und Exzessmetropole Köln und ist Mitte der 2000er nach Wien gekommen, um die fade Stadt das queere Feiern zu lehren. Sie war von Anfang an bei der Grande Dame des Exzesses, dem Rhinoplasty im Club U dabei, und gab im Marea Alta und auf diversen anderen Bühnen der Stadt Vollgas. Nun ist sie mit dem Sun Dutz Film Festival in den Breitenseer Lichtspielen zurück und hilft, den Corona-Schatten wegzufeiern.
Caccini LA LIBERAZIONE
Clemens Flick | Ilaria Lanzino Premiere 06. OKTOBER 2022 in der KAMMEROPER
Janáček DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
Giedrė Šlekytė | Stefan Herheim Premiere 15. OKTOBER 2022 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E
Rossini LA GAZZA LADRA
Antonino Fogliani | Tobias Kratzer Premiere 16. NOVEMBER 2022 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E Martín y Soler L’ARBORE DI DIANA
Rubén Dubrovsky | Rafael R. Villalobos Premiere 03. DEZEMBER 2022 in der KAMMEROPER
Menotti AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER
Magnus Loddgard | Stefan Herheim Premiere 15. DEZEMBER 2022 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E Offenbach LA PÉRICHOLE
Jordan de Souza | Nikolaus Habjan Premiere 16. JÄNNER 2023 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E
Eötvös DER GOLDENE DRACHE
Walter Kobéra | Jan Eßinger Premiere 14. FEBRUAR 2023 in der KAMMEROPER
Händel BELSHAZZAR
Christina Pluhar | Marie-Eve Signeyrole Premiere 20. FEBRUAR 2023 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E
Weber DER FREISCHÜTZ
David Marton Premiere 22. MÄRZ 2023 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E Weinberg DER IDIOT
Michael Boder | Vasily Barkhatov Premiere 28. APRIL 2023 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E
Berg LULU
Maxime Pascal | Marlene Monteiro Freitas
Premiere 27. MAI 2023 im MUSEUMSQUARTIER | Halle E
Ein gemeinsames Projekt von Wiener Festwochen und Theater an der Wien
Korngold DIE STUMME SERENADE
Ingo Martin Stadtmüller | Dirk Schmeding Premiere 05. JUNI 2023 in der KAMMEROPER
22/23
Intendanz Stefan Herheim
NUR SCHEISSE!
Du hast nun wieder Blut geleckt? IJSENHOWER: Ja, weil gutes Feiern lebensnotwendig ist. Wer weiß, wie lange es noch geht? Deshalb müssen wir die Feste jetzt feiern, wie sie fallen, oder besser gesagt: Wie wir sie hinschmeißen! Die Leute wollen wieder etwas spüren und den Alltag vergessen – feiern eben. I’m dealing with escapism here! Auch wenn viele behaupten, ausgehen wäre nur alberner Hedonismus mit nichts dahinter – nein! Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass es für Geist und Seele ganz wichtig ist, sich auch einmal selbst zu vergessen und wild zu feiern. Selbst, wenn es nur für einen Abend ist.
Warum feiert die queere Community so viel besser? IJSENHOWER: Queer sein konnte lange nur im Geheimen ausgelebt werden. Im geschützten Raum eines queeren Spaces geht dann plötzlich auch für uns, was für andere Normalität ist: Man kann ganz man selbst sein und muss sich nicht verstecken. Sobald wir endlich Raum zur Entfaltung haben, kommt unsere bunte, freizügige Seite, die wir in einem Queer Space nicht unterdrücken müssen, zum Vorschein. Das sind Momente echter Freiheit.
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„Ich hab’ mir angewöhnt, zu allem, was nett, niedlich und sexy ist, Dutzi zu sagen. Irgendwann habe ich mich dann selbst so genannt“, sagt Dutzi Ijsenhower Als Kunstfigur in Drag darf Dutzi alles: Sie ist wild, sassy und exzessiv. Bloß gegen High-HeelSchmerzen ist sie nicht immun
Fotos: Privat, Marija Sabanovic, Lee Paehler Du kamst aus der Schwulen- und Karnevalshochburg Köln Mitte der 2000er-Jahre nach Wien. Das war damals nicht für schillernde Exzesse berühmt. IJSENHOWER: Wien war so viel grauer, kleiner, es war so viel weniger los als heute! Die große U4-Zeit und die H.A.P.P.Y.-Partys habe ich knapp verpasst. Deshalb gab es auch diese Leerstelle, die wir mit dem Rhinoplasty im Club U gefüllt haben. Ich wollte Wien einfach schwuler und karnevalistischer machen: Was bietet sich da besser an, als Drag Queen zu werden und eigene Events zu veranstalten?
Welche war die exzessivste Party? IJSENHOWER: „Less Dress More Fun“ im brut war wild. Man zahlte so viel Eintritt, wie man Kleidungsstücke anhatte. Aber „Klub Mutti“ war definitiv das Exzessivste, was wir gefeiert haben. Wir haben im Keller vom Marea Alta Rosettenbingo gespielt und dabei Mutti eine Kette aus dem Arsch gezogen, auf deren Perlen wir – wie beim Bingo halt üblich – Zahlen und Buchstaben geschrieben hatten. „Wer hat B4?!“ Wenn auf meinen Veranstaltungen Gästinnen oben ohne tanzen, weiß ich, dass sich alle wohlfühlen und ordentlich Spaß haben. Was ich jetzt mit dem Sun Dutz Film Fest mache, ist zwar weniger exzessiv, aber es wird trotzdem als Community gefeiert. Danach zieht man für den richtigen Exzess weiter auf eine andere Party.
Mehr ist also immer noch mehr? IJSENHOWER: Natürlich ist mehr mehr! Das ist das ewige, offizielle Motto des Rhinoplastys: Mehr ist mehr und weniger ist einfach nur scheiße!
Das Sun Dutz Film Fest macht Sommerpause. Herbsttermine auf: breitenseer-lichtspiele.at
WENN DER WIND WEHT Luft, Wind und Atem in der Kunst
Luft umschließt die Erde wie eine Membran. Sie ist Medium des Wetters und Trägerin von Gerüchen, Geräuschen und Aerosolen. Im Kontext der Klimakrise spielen sowohl Luftverschmutzung und Stürme als auch die Windkraft als erneuerbare Energiequelle eine Rolle. Dieses elementare, zugleich unsichtbare Element visuell erfahrbar zu machen, darauf zielen die Werke der ausgewählten internationalen und österreichischen Künstler:innen ab. Von der lebensspendenden Atemluft bis hin zur zerstörerischen Kraft des Windes macht die Kunst das große Unsichtbare auf vielfältige Weise sichtbar.
ENDLICH ESPRESSO! Das Café Arabia am Kohlmarkt bis 23. Oktober
Am Wiener Kohlmarkt eröffnete 1951 das Arabia Espresso. Hinter dem Konzept stand Alfred Weiss, der bereits in der Zwischenkriegszeit den Kaffee Arabia zu einer bekannten Marke gemacht hatte. 1938 wurde der Betrieb „arisiert“, ein Jahr später trat die Familie die Flucht an. Unerschrocken kehrte sie ins Nachkriegswien zurück, und aus der restituierten Firma machte Alfred Weiss ein erfolgreiches Unternehmen. Für seine Projekte beauftragte er mehrmals den Architekten Oswald Haerdtl, der schon das Arabia Espresso als Gesamtkunstwerk gestaltet hatte. Diese Stilikone, die Marke Arabia, die so viel mehr als nur Kaffee war, und das bewegte Leben des Alfred Weiss stehen im Zentrum der Ausstellung.
Ausstellung „Serious Fun. Architektur & Spiele“ SERIOUS FUN Architektur & Spiele
Architekturspiele sind Teil unseres kulturellen und technischen Erbes. Sie sind aus Holz, Metall oder Karton, andere werden auf Computern oder Konsolen gespielt. Hybride Varianten machen aus der Stadt selbst ein Spiel und öffnen Schnittstellen zu parallelen Welten. Besucher*innen können Stadtrundgänge durch Computerspiele machen, virtuell am Londoner Immobilienmarkt teilnehmen, Puppenhäuser als schaurige Dramolette erleben oder gemeinsam mit anderen ganze Stadtviertel bauen. Spiele arbeiten nicht nur mit Architektur, sie halten ihr auch einen Spiegel vor. Die Ausstellung lädt zum Staunen, Spielen und Nachdenken ein.
100 JAHRE OSKAR WERNER Ausstellung bis 29. Jänner 2023
Genial und unverkennbar in seiner Kunst, unbestechlich und kompromisslos in seiner Haltung, sensibel und selbstzerstörerisch in seinem Sein. Anlässlich seines 100. Geburtstages am 13. November spürt die neue Ausstellung im METRO Kinokulturhaus Leben und Werk des schon zu Lebzeiten zum Mythos gewordenen Weltstars nach und präsentiert dabei auch neue, bislang unveröffentlichte Materialien aus dem vom Filmarchiv Austria aufgearbeiteten Nachlass: ein Jahrhundertkünstler im Licht der Gegenwart.
Filmarchiv Austria © KUNST HAUS WIEN 3., Untere Weißgerberstraße 13 01/712 04 91 Täglich 10–18 Uhr www.kunsthauswien.com
Museum Judenplatz 1., Judenplatz 8 So–Do 10–18 Uhr, Fr 10–17 Uhr, Sa geschlossen www.jmw.at
Architekturzentrum Wien 7., Museumsplatz 1 im MQ www.azw.at
Ausstellung: Bis 5. 9. 2022, täglich 10–19 Uhr
METRO Kinokulturhaus 1., Johannesgasse 4 Täglich 14–21 Uhr Tel. 01/512 18 03 www.fi lmarchiv.at