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Porträt LAURIN LEVAI Sicherheits- spezialist
DER GRENZSCHUTZ
VON ANNA GOLDENBERG
Exzess ist die Antithese des Alltags. Gewisse Regeln gelten trotzdem. Dafür sorgen Securities wie Laurin Levai
Nummer sicher
In Exzessmetropolen wie Berlin, Hamburg oder London werden Türsteher oft wie Popstars gefeiert. In Wien steht professioneller Sicherheitsdienst im Vordergrund, und den liefert Laurin Levai, 38, mit seiner Sicherheitsfirma Ante Portas, die für safer excess sorgt Laurin Levai will niemanden rauswerfen. „Das ist das Gegenteil vom Ziel eines Abends“, sagt der 38-Jährige. Aber manchmal geht es nicht anders. Levai, blaue Augen, bunt tätowierte Arme, höflicher Schnellduzer, ist Gründer und Geschäftsführer der Wiener Sicherheitsfirma Ante Portas. Während seines Studiums arbeitete der gebürtige Mödlinger erstmals selbst als Sicherheitsmann. Security, der englische Ausdruck, ist heute Branchensprech. Im Job geht es darum, den Exzess zu bewachen und darauf zu achten, dass die Feiernden sich sicher fühlen.
Levai, der Matura- und Student*innenreisen bewachte, und vor Wiener Clubs aufpasste, sieht sich eher als Ansprechperson aufseiten der Gäste. Die darauf schaut, dass Konflikte gar nicht erst entstehen und niemand rausgeworfen werden muss. „Neunzig Prozent der Arbeit ist Präventivarbeit“, sagt Levai. Wenn jemand über seine Grenzen trinkt zum Beispiel, „dann warte ich nicht, bis er die falsche Person rempelt, sondern biete ihm ein Glas Wasser an“. Hilft das nicht, wird die Person höflich gefragt, ob es nicht besser wäre, an einem anderen Tag wiederzukommen. Kommunikation sei entscheidend. Was einfacher klingt, als es ist. Denn die Aufgabe von Securities besteht darin, Grenzen zu setzen, und damit macht man sich nicht beliebt. „Zu uns kommen nicht die Pärchen, die sich auf der letzten Party kennengelernt haben, um sich zu bedanken.“ Sondern jene, die Probleme haben – oder machen.
Die Sicherheitsbranche ist hart, die Löhne sind niedrig, die Arbeitszeiten herausfordernd, die Aufgaben anstrengend und risikoreich. Der Job erfordert, in bedrohlichen Momenten die Nerven zu bewahren. „Ich deeskaliere mich dann selbst.“ Wie funktioniert das? „Ich aktiviere mein Großhirn, damit ich nicht emotional handle. Emotionen sind ein Instrument. Wenn ich schreie, dann kontrolliert.“
Was nicht allen so leicht gelingt. Die Branche zieht bisweilen Menschen an, die mit der Verantwortung einer Machtposition schlecht umgehen können. Levai versuchte, es anders zu machen. Vier Jahre nachdem er sein Studium der sozialen Arbeit abgeschlossen hatte, gründete er 2011 Ante Portas, also „Vor den Türen“. Er bemühte sich um Diversität, Frauen, ältere Menschen und Mitarbeiter*innen, die optisch nicht dem Klischee des „aufgeblasenen“ Bouncers entsprachen. Nicht
Der Mann, dem auch die Promis vertrauen: Levai beim Sichern von Schauspieler Nicolas Cage bei dessen Wien-Besuch
Laurin Levai als Sicherheitsmaskottchen der Regenbogenparade und beim Begleiten des damaligen Bundeskanzlers Christian Kern falsch verstehen, die „klassischen“ Kompetenzen wie Selbstverteidigung, die Levai selbst lange trainierte, seien immer noch wichtig. Doch besser ist, wenn Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten in einem Team arbeiten.
Dieser Trend schwappte Ende der 2000er-Jahre samt der Berliner Clubkultur nach Wien. Zwischen 2006 und 2010 gab es den Club Planetarium, 2009 eröffnete im Prater der Techno-Club Pratersauna, 2011 die Grelle Forelle. Mit der elektronischen Musik wurde auch der Wunsch nach mehr Achtsamkeit und Diversität Mainstream. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wuchs zudem die Anzahl der großen Wiener Clubs, für deren Sicherheitsbetreuung man mehr als nur eine Handvoll Mitarbeiter*innen brauchte. So wurde zunehmend an externe Firmen wie jene von Levai ausgelagert. Sie sind bei Haftungsfragen verantwortlich, wenn es beispielsweise zu Konflikten zwischen Gästen und Sicherheitspersonal kommt. Typen wie Sven Marquardt oder einst Roger Baptist, die Superstars unter den Türstehern, die im Berliner Techno-Club Berghain sowohl für körperliche Sicherheit als auch sicheren Geschmack sorgen, sucht man in Wien vergebens. Kleine Locations stellen nach wie vor oft ihre eigenen Teams an, doch die Ära der bekannten Türsteher wie U4-Legende Conny de Beauclair ist vorbei. Voll- oder Teilzeit angestellt. Rund zehn Prozent unter ihnen sind Frauen. Von den Wiener Clubs betreut Ante Portas aktuell den Volksgarten und das U4. Zudem bietet das Unternehmen bewaffneten Personenschutz an und bewacht einige Sozialeinrichtungen, etwa der Caritas. Nach Jahren, in denen er hauptsächlich nachts wach war, hat Levai sich aus dem aktiven Nachtgeschäft zurückgezogen. Er ist Geschäftsführer, arbeitet zudem als Sozialarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit und als Deeskalationstrainer. „Nebenbei“ studiert er an der Angewandten und malt abstrakte Bilder.
Wenn er von der Sicherheitsarbeit redet, kann er mitunter immer noch ein wenig emotional werden. Dann spricht er davon, dass der Exzess ein notwendiges Ventil für die Gesellschaft ist, dass er einen Raum bietet, in dem vieles möglich ist, Begegnungen, Austausch, Sex, und dass das gewaltfrei gehen kann, ja muss. „Frieden ist möglich“, sagt er mit Nachdruck und meint damit nicht nur den Club. Seine Inbrunst, man will sie ihm glauben, und kann sich doch eine Frage nicht verkneifen. Wurde er schon einmal aus einem Club geworfen?
Nachdenkpause. Dann ein Nicken. Mit Anfang zwanzig sei er einmal betrunken an der Bar eingeschlafen. „Ich wurde gebeten, das Lokal zu verlassen.“ Das hätte er umgekehrt auch so gemacht.
Gute Kommunikation ist in Sicherheitsfragen die halbe Miete – dementsprechend braucht’s Equipment