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Heute machen wir mal Dienst nach
Gesellscha : Nadia Shehadeh will den Kapitalismus mit Faulheit und Solidarität in die Knie zwingen
Das äußere Erscheinungsbild trügt o , auch bei Büchern. Äußerst selten gehen ein flottes Cover als Werbemaßnahme und die Botscha , die zwischen den Buchdeckeln steht, so perfekt zusammen wie im Fall von Nadia Shehadehs vergnüglichem Manifest „Anti-Girlboss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen“.
„Was störst du mich, elender Ausbeuter?“, scheint die gründlich gechillt wirkende und gleichzeitig latent aggressiv dreinblickende Cover-Katze zu sagen. Kann dieses Haustier das neoliberale Wirtscha ssystem zu Fall bringen?
Wohl kaum. Mit Faulheit allein ist es natürlich nicht getan. Aber bei aller popkulturellen Leichtigkeit und lässigem Aufgreifen von Internetsprache hat die deutsche Soziologin Shehadeh in ihrem Buch über weite Strecken recht, wenn sie für mehr Freizeit und weniger Overachievertum plädiert.
Kopfnicken und Schmunzeln begleiten die Lektüre. Kaum eine Arbeit sei so dringend, dass man sie sofort verrichten müsste, rät die Autorin. „Wenn es also heute etwas gibt, das du auf morgen verschieben kannst: Nur zu. Solange keine_r stirbt und du nicht im Gefängnis landest, kann es so schlimm nicht sein!“
Oder, aus feministischer Sicht: „Dass Frauen, die keine Kinder haben, vielleicht auch keine Karriere haben möchten, scheint eine komplett absurde Idee zu sein. Richtig faule Frauen? Frauen, die nur machen, was sie müssen? Oder sogar weniger? Kann es die geben? Ich vermute: Sie existieren wahrscheinlich noch nicht in Massen, aber sie machen sich auf den Weg. Und das ist gut so.“
Der Begri ff Girlboss war vor ein paar Jahren kurz im Trend. Karrierefrauen mit Social-Media-Präsenz führten vor, dass alles möglich ist. Shehadeh geht ihren Geschichten nach: Sie waren als Chefs genauso schlimm wie cholerische Männer und stammten in der Regel schon aus gutem Hause.
In jeder Erwerbsbiografie spielt auch der Background eine Rolle. Nadia Shehadeh war zwar in der Schule das „Ausländerkind“, wie sie ausführt, aber ein strebsames, deren 1968 aus dem Westjordanland nach Deutschland gekommener Vater es geschafft hat und als Gemeindearzt hohes Ansehen genoss. Ihre Herkun beschreibt sie als relativ privilegiert.
Mit einer neoliberalen Ausprägung von Feminismus kann sie dennoch überhaupt nichts anfangen. Vom Erfolg einiger weniger Frauen hätten nur genau diese etwas, so Shehadeh. Sie plädiert stattdessen für mehr „Sisterhood“ und Solidarität. Und: Lieber ö er Dienst nach Vorschri machen und mehr private Interessen kultivieren als ausbrennen!
SEBASTIAN FASTHUBER
Licht und Schatten der Selbstoptimierung