EinBlick 02/2010: Bodenschätze - Fluch oder Segen?

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EinBlick

Bodenschätze – Fluch oder Segen? Das Rohstoffgeschäft bringt Reichtum für wenige und Elend für viele

2/2010


Inhaltsverzeichnis Editorial Einführung ins Thema Rohstoffe – Bodenschätze, die Armut schaffen Rohstoffabbau und Menschenrechtsverletzungen gehen oft Hand in Hand Steuerflucht bringt Milliardenverluste für Rohstoffländer Fallbeispiele Einleitung Verschiedene Länder – gleiche Probleme

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4–7 8–11 12–14

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Demokratische Republik Kongo Minenarbeiter/innen wie Tiere behandelt

16–18

Peru Wirtschaftswachstum auf Kosten der indigenen Bevölkerung

19–21

Südafrika Kampf für Menschenrechte und bessere Lebensbedingungen

22–24

Elektronikindustrie Von der Mine zum Computer – ein undurchsichtiger Weg Fazit und Ausblick Wege hin zu einer nachhaltigen Ressourcengewinnung

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Links und Quellenhinweise

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Impressum

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Titelbild Harte und gefährliche Arbeit für wenig Geld: Kleinschürfer/innen in einer Mine im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Dieses Bild stammt aus dem Dokumentarfilm «Katanga Business» (2009) des Belgiers Thierry Michel:

www.katanga-lefilm.com


Editorial Ein Mobiltelefon benutzen, ein Fahrzeug auftanken oder einen Computer einschalten – Tätigkeiten, die oft in Verbindung stehen mit Ungerechtigkeit, Ausbeutung und der Missachtung fundamentaler Menschenrechte. Im Grundsatz kann und soll die RohstoffFörderung dem Menschen dienen. Oft sind Nutzen und Profit jedoch sehr ungleich verteilt. Nebst den normalen Nutzniesser/innen gibt es skrupellose Profiteure und auf der anderen Seite sehr viele Verlierer/innen. Zu ihnen gehören vor allem die armen Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Mit diesem EinBlick führen wir die Thematik «Wirtschaft und Menschenrechte» (EinBlick 2009) weiter. Er bietet Ihnen grundlegende Informationen zur gegenwärtigen Problematik des Rohstoffabbaus und seiner Wirkung auf die marginalisierten Bevölkerungsschichten in den Abbauregionen. Ein Thema, das bislang in der Öffentlichkeit wenig Beachtung gefunden hat. Darum haben sich Brot für alle und Fastenopfer dazu entschlossen, diese Zusammenhänge, die Rolle der transnationalen Unternehmen und die Verantwortung der Konsument/innen zum Thema der ökumenischen Kampagne 2011 zu machen. Warum zwei kirchliche Werke sich diesem wirtschaftspolitischen Thema annehmen?

Weil es um den Menschen als Geschöpf Gottes geht, dessen Würde nur zu oft mit Füssen getreten wird! Menschen werden durch ungerechte Wirtschaftsstrukturen und kriminelle Wirtschaftssyndikate ausgebeutet und ihrer fundamentalen Rechte beraubt. Regierungen, Bürokratien, Lokalfürsten, internationale Kartelle und Unternehmen unterstützen sie dabei. Oft sind die Staaten unfähig oder unwillig, griffige und gerechte Gesetze durchzusetzen. Die internationalen Firmen profitieren davon – und nicht zuletzt auch wir: Wir nutzen billige Rohstoffe für unsere Wirtschaft, unsere Elektronikgeräte, unsere Industrie. Dass damit oft Leid, Ungerechtigkeit und Tod verbunden sind, bleibt uns verborgen. Für die und mit den Armen sollen und müssen die Kirchen hinschauen. Die VaterunserBitten «Dein Reich komme, dein Wille ­geschehe» werden so zur konkreten Herausforderung: Hinschauen, aufklären, Druck auf Firmen, Handelsregeln, Regierungen erzeugen – und so dem Frieden, der Gerechtigkeit, den Menschenrechten und der Bewahrung der Schöpfung dienen. Wir hoffen, liebe Leserin, lieber Leser, dass dieser EinBlick auch Sie zum Nachdenken und zum Handeln anregt.

Antonio Hautle Direktor, Fastenopfer

Beat Dietschy Zentralsekretär, Brot für alle 3


Einführung ins Thema

Rohstoffe – Bodenschätze, die Armut ­schaffen Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer

Während die internationalen Rohstoffkonzerne Milliardengewinne machen …

Trotz der weiterhin steigenden Nachfrage nach Rohstoffen gehören die ressourcen­ reichsten Länder zu den ärmsten und kon­ fliktträchtigsten Staaten der Welt. Schwa­ che Regierungen, verbreitete Korruption und die ungezügelte Macht multinatio­ naler Unternehmen führen dazu, dass die Rechte und Ansprüche der Bevölkerung mit Füssen getreten werden. Der weltweite Wirtschaftsaufschwung der letzten zwei Jahrzehnte hat eine enorme Nachfrage nach Bodenschätzen mit sich gebracht. Aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien oder Brasilien haben durch ­i hren Nachholbedarf an wirtschaftlicher Entwicklung den weltweiten Bedarf an Roh­ stoffen vervielfacht. So stiegen etwa die chinesischen Rohstoffimporte laut einer Studie der Deutschen Bank von 1986 bis ins Jahr 4

© Thierry Michel

2006 um das Zwanzigfache an.1 Die Umsätze des Rohstoffsektors verzeichneten entsprechende Zuwachsraten. Gleichzeitig führte die neoliberale Globalisierung mit ihren deregulierenden Tendenzen zum Abbau nationaler Gesetzesschranken. Sowohl Kapital wie auch Waren fliessen heute weitgehend ungehindert zwischen Ländern und Märkten hin und her. Die kontinuierlich grosse Nachfrage und der deregulierte Zugang haben in den letzten Jahren zu einer Preisentwicklung geführt, die den Rohstoffabbau auch noch in den unzugänglichsten Gebieten rentabel macht. Eine Folge davon sind Investitionen in immer fragilere Umgebungen und Länder mit schwachen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen. Die aktuelle Abwärtsentwicklung der Rohstoffpreise als Resultat der Finanzkrise wird nur von kurzer Dauer sein. Sobald das Wachs-


tum in den industrialisierten Ländern und den Schwellenländern wieder anzieht, werden auch Rohstoffhunger und -preise wieder anziehen. Das Rennen nach Ausbeutung von noch nicht erschlossenen Gebieten wird weitergehen – mit allen problematischen Effekten, die der beschleunigte Rohstoffabbau für die betroffenen Bevölkerungen mit sich bringt. Armut trotz Ressourcenreichtum Einnahmen aus Steuern und Konzessionen für den Rohstoffabbau sind für viele Länder des Südens eine wichtige Einkommensquelle. In den lateinamerikanischen Ländern etwa machen die Einnahmen aus der Rohstoff­ industrie durchschnittlich 28 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. In Ländern wie Bolivien, Kolumbien, Panama und Venezuela gar bis zu 40 Prozent des BIP. 2 Der Ver-

kauf ihres natürlichen Reichtums und die aus­ländischen Investitionen könnten für diese Länder also Ausgangspunkt einer raschen wirtschaftlichen Entwicklung sein und die Lebensbedingungen der Menschen markant verbessern. Paradoxerweise lebt aber weiterhin ein gros­ ser Teil der Bevölkerung in vielen dieser Länder in Armut. So führen in Lateinamerika durchschnittlich 34,1 Prozent der Menschen ein Leben unter der Armutsgrenze. In stark von Rohstoffexporten abhängigen Ländern sind es zwischen 30 Prozent (Venezuela) und 64 Prozent (Bolivien). 3 Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Einnahmen aus den Roh­ stoffexporten offensichtlich nicht der breiten ­B evölkerung zugute kommen. Vielmehr verstärkt der Rohstoffreichtum die Unterentwicklung eines Landes weiter. Laut der internationalen Nichtregierungsorganisation «Revenue Watch» leben zwei Drittel der

… verdienen Kleinschürfer/innen, die auf eigenes Risiko nach Rohstoffen graben und an Zwischenhändler verkaufen, wenige Dollar am Tag. © Thierry Michel

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ärmsten Menschen in rohstoffreichen Ländern.4 Dies hat verschiedene Gründe: Einseitige Machtverteilung Viele Staaten des Südens verfügen nicht über den Willen und die Mittel, die Tätigkeiten transnationaler Konzerne effektiv zu regulieren und zu überwachen. Schwache Regierungsführung und mangelnde Rechtsstaatlichkeit, ungenügende Vollzugsorgane und Korruption sind Gründe dafür, dass sich die Unternehmen oft in der stärkeren Verhandlungsposition befinden als die Regierungen der Rohstoffländer. Sowohl bei der Fest­ legung von Abbaurechten wie auch bei der effektiven Rohstoffgewinnung diktieren die Konzerne weitgehend die Konditionen. Hinzu kommt, dass viele Regierungen dringend auf externe Investitionen angewiesen sind. Die Preisentwicklung auf dem Rohstoffmarkt ermöglicht es ihnen, mit relativ geringem Aufwand an Kapital zu kommen und von Krediten unabhängiger zu werden. Auf die grosse Nachfrage reagieren sie deshalb mit einer Politik, die den Unternehmen sehr entgegenkommt. Mit dem Resultat, dass zwar Investitionen in die Länder fliessen, die Abgaben und Steuern der Unternehmen aber oft nur einen Bruchteil des Werts der ausgeführten Rohstoffe ausmachen (vgl. Seiten 12–14). Mit ihrer unternehmensfreundlichen Politik reduzieren die Staaten jedoch ihre Möglichkeiten, in entwicklungsrelevante Sektoren der Gesellschaft umfassend investieren zu können. Undurchsichtige Finanzflüsse Häufig sind es Zivilgesellschaft und Medien, die bei ungenügender Regierungsführung und fehlender Rechtsstaatlichkeit die Aufgabe 6

übernehmen, zusammen mit den betroffenen Gemeinden auf Mängel und Missbräuche im Bereich der Rohstoffindustrien hinzuweisen. Dies ist nicht einfach, da ihnen bezüglich Steuern und Konzessionsabgaben der Unternehmen oft die grundlegendsten Informationen fehlen. Entsprechende Daten werden von den Regierungen kaum freiwillig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Unternehmen besteht wiederum keinerlei Pflicht auszuweisen, was sie in welchem Land jeweils investiert, bezahlt und eingenommen haben. Informiert der Staat nicht transparent, hat die Bevölkerung also keine Möglichkeit in Erfahrung zu bringen, welche Gelder geflossen und ob diese vertragskonform sind (vgl. Seiten 12–14). Menschenrechtsverletzungen alltäglich Es lässt sich nachweisen, dass Staaten mit schwachen Regierungen, einer hohen Armutsquote und einer Konflikt beladenen Geschichte überproportional von Missbräuchen durch Konzerne betroffen sind. Gerade in Ländern, wo gewalttätige Übergriffe zum Definition In diesem EinBlick wird der Begriff Rohstoffsektor/Rohstoffindustrien analog zum englischen Begriff «Extractive Industries» verwendet. Damit werden Unternehmen bezeichnet, die nicht erneuerbare Ressourcen (Erdöl und Erdgas, Mineralien und Metalle) erkunden und/oder deren Ausbeutung planen und durchführen. Nicht unter diese Bezeichnung fallen Unternehmen, welche erneuerbare Ressourcen (Elektrizität, Sonnenkraft) fördern oder die Rohstoffe weiterverarbeiten.


Düstere Aussichten: Minenarbeiter in der Kipushi Mine in Katanga, DR Kongo.

Alltag gehören und der Staat selber Konfliktpartei ist, operieren transnationale Konzerne in rechtlichen Graubereichen und beeinflussen unausweichlich die Konfliktsituation mit ihren Interventionen. Die Missbräuche reichen von missachteten Landrechten bei Vertreibungen von Gemeinden oder ungenügender Abgeltung bis hin zu Trinkwasser- oder Luftverschmutzungen als Nebeneffekt des Rohstoffabbaus (vgl. Seiten 8–11). Rohstoffabbau bringt arme Gemeinden in Entwicklungsländern in einen direkten Interessenskonflikt mit Konzernen, die zu den mächtigsten der Welt zählen. Ihnen gegenüber ihre Stimmen hörbar zu machen, ist angesichts der PR-Mittel, über welche die gros­ sen Konzerne verfügen, sehr schwierig. Ausserdem schützen Staaten viel öfter die Interessen der Konzerne als diejenigen ihrer Bürger/innen – vor allem wenn diese arm sind, in abgelegenen Gebieten wohnen und Minderheiten angehören.

© Patricio Frei, Fastenopfer

Menschen und Organisationen, die sich für die Rechte der betroffenen Bevölkerung einsetzen, werden nicht selten selber zur Zielscheibe von Rufmordkampagnen, Bedrohungen und physischen Übergriffen. Viele werden aufgrund ihres Engagements gar durch staatliche oder parastaatliche Kräfte ermordet. Oft geht der Repression eine Diffamierung des Widerstands der betroffenen Bevölkerung ­voran, der soziale Protest wird kriminalisiert. Die Menschenrechte der Betroffenen bleiben auf der Strecke, während sich die Regierungen und die Unternehmen auf einen recht­ lichen Rahmen berufen können, der auf die Bedürfnisse der unternehmerischen Profitmaximierung zugeschnitten worden ist. Die Unternehmen florieren, die Regierungen weisen Wachstumsraten vor, während die Kosten auf die Schwächsten abgewälzt werden.

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Rohstoffabbau und Menschenrechts­ verletzungen gehen oft Hand in Hand Ester Wolf, Verantwortliche für das Dossier Recht auf Nahrung, Brot für alle

Ein Wandgemälde im Dorf einer indigenen Gemeinschaft ausserhalb von Guatemala City fordert den Rückzug internationaler Minenkonzerne. © Ulises Rodriguez / Keystone

Die Übernahme immenser Landflächen, grossräumige Abholzungen und die Vergif­ tung von Böden und Grundwasser zerstö­ ren bei vielen Minenprojekten die Umwelt und die Lebensgrundlage der lokalen, oft­ mals indigenen Bevölkerung. Der Kampf ge­ gen zahlreiche Menschenrechtsverletzun­ gen und für grundlegende Rechte ist jedoch schwierig und teilweise lebensgefährlich.

genteil wahr ist.» Delfino Tema, Bürgermei­ ster der Gemeinde Sipacapa weiss, wovon er spricht. Seit «Montana Explorada», eine Tochterfirma der kanadischen «Goldcorp Inc.», im westlichen Hochland von Guatemala die Marlin Mine betreibt und dort jährlich 2,5 Millionen Unzen Gold abbaut, hat sich das Leben der Gemeinden im Departement San Marcos drastisch verändert.

«Sie haben uns gesagt, dass nichts Schlechtes passieren wird. Das einzige, was komme, sei Entwicklungsfortschritt. Heute sind sich die Menschen hier bewusst, dass genau das Ge-

Krankheiten und Wassermangel

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Lebte die indigene Bevölkerung hier einst am Fusse bewaldeter Berge mit einer vielfältigen


Flora und Fauna, bestimmen heute hässliche Kraterlandschaften, gerodete Waldstriche, ausgetrocknete und verseuchte Gewässer und der tägliche Lärm der Minenaktivitäten und Lastwagen die Umgebung und das Leben der Menschen. «Seit die Mine hier ist, leiden immer mehr Kinder an Husten, Herpes und Kopfweh», erzählt der Bauer Moises Bamaca. Grund dafür ist die Verschmutzung der Gewässer mit Schwermetallen, wie die Untersuchung der Kirchlichen Kommission für Frieden und Umwelt in einer Studie belegen konnte. 5 Diese hat auch bestätigt, dass viele Häuser der Anwohner/innen durch die Beben beschädigt wurden. Das Unternehmen selbst gibt an, dass die Mine 45 000 Liter Wasser pro Minute verbraucht. Dieser enorme Wasserverbrauch hat zur Austrocknung von Gewässern und akutem Wassermangel geführt. Grundlegende Rechte missachtet Die Situation der Marlin Mine ist kein Einzelfall. Zahlreiche Experten/innen bestätigen, dass kein Industriezweig eine solch zerstörerische Auswirkung auf die Umwelt und das soziale und kulturelle Gefüge hat wie Minen im Tagbau. So werden etwa beim Abbau von Gold grosse Flächen Land abgetragen und mit flüssigem Zyanid gefüllt, um das Gold aus dem Boden zu lösen. Der Boden bleibt auf viele Jahre vergiftet und für die Landwirtschaft unbrauchbar. Weitere Folgen des Tagbaus sind die Vergiftung von Wasserquellen, die Abholzung von Wäldern und damit verbundene negative Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung, Umwelt und Klima. Damit verletzen die Minenaktivitäten grundlegende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Men-

schenrechte wie etwa das Recht auf Nahrung, Wasser, Unterkunft oder Gesundheit.6 Oft ist die lokale Bevölkerung auch direkt von Vertreibungen oder Zwangsumsiedlungen und der Zerstörung ihrer Felder und Häuser betroffen. Geltende Landrechte werden in vielen Fällen ignoriert. Angemessene Entschädigungen gibt es selten und wenn, dann bieten diese den Betroffenen kaum langfristige Perspektiven, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gleichzeitig schaffen die Minen nur wenige Arbeitsplätze. Betroffene übergangen Auch die zivilen und politischen Rechte wie das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit sowie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit werden häufig verletzt. Friedliche Proteste gegen Aktivitäten in Minen werden immer wieder gewaltsam niedergeschlagen. Morde, willkürliche Festnahmen und Drohungen durch Militär, Polizei und privates Sicherheitspersonal der Minen gehen dabei Hand in Hand mit der Kriminalisierung der Opfer und derjenigen, die sich für ihre Rechte einsetzen. Besonders oft missachtet werden auch die in verschiedenen internationalen Konvention 169 der Internationalen ­Arbeitsorganisation (ILO) Die Konvention 169 der ILO ist ein völkerrechtlich verbindliches Instrument zur Durchsetzung der Rechte indigener Völker. Ein wichtiger Punkt ist die Anerkennung der Landrechte (Artikel 14) und die Verpflichtung der Staaten, die indigene Bevölkerung bei Projekten, die sie direkt betreffen, zu konsultieren (Artikel 6.1a). www.ilo169.de

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Verträgen festgelegten spezifischen Rechte der indigenen Bevölkerung (siehe Kasten). Viele dieser Rechte sind nicht nur in inter­ nationalen Pakten, Erklärungen und Konven­ tionen festgeschrieben, sondern auch in den nationalen Verfassungen verankert. Meist mangelt es jedoch an deren Umsetzung und am Zugang der betroffenen Menschen zu rechtlichen Mitteln für ihre Verteidigung. Staaten tragen Verantwortung Protestaktion der indigenen Gemeinschaft.

Hauptverantwortlich für die Menschenrechtsverletzungen sind die Regierungen, die die Konzessionen für die Minen vergeben. Doch auch die Unternehmen sind völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Menschenrechte zu achten.7 «Goldcorp Inc.» liess immerhin eine Studie zu den Auswirkungen der Aktivitäten in den Minen auf die Menschenrechte durchführen. Diese Studie vom Mai 2010 zeigt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch das Unternehmen auf und empfiehlt dem Konzern, von einem reaktiven zu einem proaktiven Ansatz überzugehen.8 Weltweiter Druck nötig Bereits im Jahr 2005 kritisierte der damalige Uno-Sonderberichterstatter Jean Ziegler bei

Die umstrittene Marlin Mine.

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© COPAE

© COPAE

seiner Untersuchungsreise in Guatemala, dass die Regierung die Lizenz für die Marlin Mine vergeben habe, ohne die betroffene indigene Bevölkerung ausreichend in die Verhandlungen einzubeziehen. Hierzu ist Guatemala ­jedoch gemäss der von der Regierung unterzeichneten Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) verpflichtet (siehe Kasten Seite 9). Auch das für die Umsetzung der Konvention zuständige ILO-Expert/innenkomitee sowie der Uno-Sonderberichterstatter für die Rechte der indigenen Bevölkerung kritisierten die mangelnde Konsultation und die fehlende ­Dialogbereitschaft gegenüber der Bevölkerung. Im Mai 2010 forderte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) den guatemaltekischen Staat schliesslich auf, die Aktivitäten der Marlin Mine in Guatemala zu suspendieren und konkrete Massnahmen zum Schutz der indigenen Bevölkerung zu ergreifen. Prominente Unterstützung bekam die Kommission von der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, Bischof Ramazzini sowie zahlreichen lateinamerikanischen Regierungen und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt.


Auch Unternehmen müssen ­Menschenrechte respektieren John Ruggie, Uno-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte, hat im Jahr 2008 gegenüber dem Uno-Menschenrechtsrat festgehalten, dass auch Unternehmen für die Respektierung der Menschenrechte verantwortlich sind. Die Verpflichtung des Menschenrechtsschutzes obliege zwar den Staaten. Unternehmen werden aber angehalten, bei ihren Aktivitäten mit nötiger Sorgfalt (due diligence) vorzugehen, um keine Menschenrechtsverletzungen zu begehen oder mitzuverschulden. Ruggie empfiehlt den Unternehmen eine genaue Untersuchung des Kontextes und eine vorgängige Risikoanalyse bezüglich der Rechte der betroffenen Bevölkerung. Weiter sollen die Unternehmen die Wirkung ihrer Tätigkeiten auf die Menschenrechte fortlaufend überprüfen und darüber Bericht erstatten. Zwar verfügen heute alle grossen internationalen Konzerne über Richtlinien, die ein verantwortungsbewusstes Handeln festschreiben. Sie dienen aber eher der Öffentlichkeitsarbeit als der konkreten Umsetzung. Nichtregierungsorganisationen wie Brot für alle und Fastenopfer kritisieren zudem, dass der Ansatz von Ruggie auf einem freiwilligen Engagement der Unternehmen beruht. ­A ngesichts weltweiter Vergehen von Unternehmen und deren gravierenden sozialen und ökologischen Konsequenzen greift das Prinzip der Freiwilligkeit zu wenig. Um effektive Verhaltensänderungen zu erwirken, braucht es verbindliche internationale Rechtsnormen, mit denen die Unternehmensverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können.* www.business-humanrights.org * EinBlick 1/2009, Wirtschaft und Menschenrechte. Der lange Prozess um die menschenrechtliche Verpflichtung von international tätigen Unternehmen.

Die breite Unterstützung hatte Erfolg: Ende Juni 2010 kündigte die unter Druck geratene Regierung die Suspendierung der Mine an. Drohungen bleiben Für die betroffenen Gemeinden ist dieser Entscheid ein Meilenstein. Die Lage hat sich bis anhin jedoch alles andere als normalisiert: «Es wurde uns damit gedroht, dass die Verteidigung unserer Rechte Folgen haben wird», sagt Javier de León, Präsident der «Asociación de Desarrollo Integral de San Miguel Ixtahaucan» (ADSIMI), der deshalb weiterhin auf die Unterstützung der inter­nationalen Gemeinschaft hofft. Unbegründet ist die Besorg-

nis von Javier de León nicht: Am 7. Juni 2010 wurde die Aktivistin Diodora Hernández durch einen Kopfschuss lebens­gefährlich verletzt – nachdem sie zuvor mehrmals aufgrund ihres Engagements gegen die Marlin Mine bedroht worden war. Die Polizei lässt sich mit der Aufnahme der Ermittlungen Zeit.

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Steuerflucht bringt Rohstoffländern ­Milliardenverluste Markus Brun, Leiter Entwicklungspolitik, Fastenopfer

Trotz steigender Weltmarktpreise für Roh­ stoffe verlieren die Rohstoffländer im Sü­ den jährlich Steuereinnahmen in Milliar­ denhöhe. Grund dafür sind Steuerflucht und schädliche Steuerpraktiken der inter­ nationalen Rohstoffunternehmen. Länder wie die Schweiz fördern diese Missstände, indem sie solche Praktiken tolerieren. Auf mindestens 50 Milliarden US-Dollar schätzt das renommierte britische Hilfswerk «Oxfam» die Verluste, die Entwicklungsländer jährlich durch Steuerflucht, internationalen Steuerwettbewerb und schädliche Steuerpraktiken erleiden. Das entspricht deutlich mehr als der Hälfte des Betrags, den alle ­I ndustrieländer zusammen pro Jahr für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Besonders transnationale Unternehmen verfügen über eine ganze Palette von Strategien, die es ihnen erlauben, Steuern zu sparen. Den Entwicklungsländern entgehen dadurch substanzielle Finanzmittel, die sie für Investitionen in die lokale Entwicklung dringend benötigen würden. Steuererlasse für Minenunternehmen In den Jahren zwischen 2003 und 2008 stiegen die Preise für viele Rohstoffe weltweit stetig an. Trotzdem erhöhten sich die Staatseinnahmen in den Rohstoff exportierenden Ländern nicht. Eine Studie der afrikanischen Sektion des globalen Netzwerkes für Steuergerechtigkeit «Tax Justice Network», dem auch Fastenopfer und Brot für alle angehö12

ren, analysierte die Ursachen für die sinkenden Steuereinnahmen. Dabei wurde deutlich, dass die Regierungen den Minenkompanien enorme Steuererleichterungen und Abgabenerlasse gewährt hatten – unter anderem in der von der Weltbank genährten Hoffnung, sich im Steuerwettbewerb eine bessere Ausgangslage für die eigenen Standorte zu sichern. Viele Verträge mit Minenunternehmen sind geheim und die Besitzverhältnisse oft schwer durchschaubar, denn meist gehören sie Unterfirmen von transnationalen Konzernen. Die Rechnungslegungsstandards sind so wenig harmonisiert, dass bei «kreativen» Buchhaltungspraktiken verschiedenste Möglichkeiten bestehen, um etwa Gewinne als Verluste auszuweisen und so Steuern zu sparen. Verluste im Kongo – Gewinne in der Schweiz Im Jahr 1980 machte der Minensektor in der Demokratischen Republik Kongo 25 Prozent der Steuereinnahmen und des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. Fünfundzwanzig Jahre später lieferte der Minensektor gerade noch 27 Millionen US-Dollar an die Staatskasse, was 2,4 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen entspricht. Der Anteil am BIP ist gar um den Faktor 100 geschrumpft.9 Gründe für den drastischen Einnahmenrückgang gibt es viele: die Kleptokratie des Diktators Mobutu Sese Seko, die instabile politische Situation nach seinem Wegputsch im Jahr 1997, die Kriegsökonomie im Osten des Landes, die weit verbreitete Korruption, die marode Infrastruk-


tur, die Volatilität der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und andere. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Intransparenz im Rohstoff- und Minensektor im Allgemeinen und die Steuervermeidungspraktiken transnationaler Konzerne im Besonderen. Traurige Berühmtheit erlangte der Steuerbetrugsskandal des in der Schweiz ansässigen Holzgrosshandelsunternehmens «Danzer». «Greenpeace»10 zeigte im Jahr 2008 in einer detaillierten Studie auf, wie «Danzer» und dessen Tochterunternehmen «Siforco» und «IFO» im Kongo grosse Verluste, in der Schweiz jedoch hohe Gewinne auswiesen. Gemäss «Greenpeace» verloren die beiden kongolesischen Staaten allein durch «Danzers» Steuervermeidungspraktiken beinahe acht Millionen Euro. Diese Sum-

me entspricht den Kosten von Impfungen für 700 000 kongolesische Kinder oder fünfzig Mal dem Gesamtbudget des Umweltministeriums der Demokratischen Republik Kongo. Interne Verrechnungspraktiken Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden inzwischen 60 Prozent des Welthandels konzernintern abgewickelt. Bei diesen internen Handelsaktivitäten von Waren, Rohstoffen und Lebensmitteln, aber auch von Dienstleistungen, können Mutterkonzerne und Tochterunternehmen Verrechnungspreise untereinander manipulieren. Gemäss Gesetzesvorschriften müssten solche Geschäfte unter marktüblichen Preisen abge-

Trotz riesiger Gewinne wies das Schweizer Holzhandelsunternehmen «Danzer» im Abbauland Kongo grosse Verluste aus. © Markus Mauthe / Greenpeace / Keystone

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wickelt werden – dies entspricht jedoch nicht der gängigen Praxis. Schweiz leistet Beihilfe Diese verbreitete Tatsache führt dazu, dass reiche Industriestaaten wie die Schweiz auf der einen Seite Hilfe leisten in Form von Zahlungen für die Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite tolerieren sie jedoch, dass bei ihnen ansässige Konzerne den Ländern des Südens dringend notwendige ent­ wicklungs­relevante Steuergelder entziehen.

Die Schweiz toleriert schädliche Steuerpraktiken. © Rebecca Blackwell / Keystone

Solchen Machenschaften gilt es vehement entgegenzutreten, zum Beispiel indem trans­ nationale Konzerne zu mehr Transparenz gezwungen werden. Dazu müssten sie ihre Rechnungslegung nach Ländern (das so genannte «Country by Country Reporting»11) lückenlos offen legen. Sie müssten dabei angeben, in welchen Ländern sie und ihre Tochterfirmen tätig sind, unter welchen Namen sie dort auftreten und welche Finanzergebnisse sie in den jeweiligen Ländern erzielt haben. Auch die an die Behörden bezahlten Steuern am jeweiligen Standort, die Gehaltskosten und die Anzahl der Mitarbeitenden müssten aufgeführt werden. Solche Vorschriften kön14

nen national (auch in der Schweiz) und international eingeführt werden. Dazu braucht es aber den politischen Willen der Industrieund Schwellenländer.

Tansania – Bodenschätze machen nur ausländische Firmen reich Tansania ist mit einem geschätzten Goldvermögen von 39 Milliarden US-Dollar Afrikas drittgrösster Goldproduzent. Von diesem Segen profitiert die einfache Bevölkerung jedoch wenig. Grosszügige Steuer­ erlasse und geschickte Steuervermeidungspraktiken haben dem Staat (konservativ geschätzt) zwischen den Jahren 1997 und 2005 Steuereinbussen von über 265 Millionen US-Dollar beschert. Dem Parlament wurde im Jahr 2007 ein Bericht vorgelegt, der bestätigt, dass der Minensektor in derselben Periode einen Gesamtverlust von über einer Milliarde US- Dollar ausgewiesen habe – und das bei steigenden Rohstoffpreisen. Vertreter/innen des Minensektors rechtfertigen sich immer wieder damit, neue Arbeitsplätze geschaffen und die Lebens­ umstände der Menschen im Umfeld der Minen verbessert zu haben. In Wahrheit verloren über 400 000 im Kleinstabbau schürfende Personen ihre Existenzgrundlage, während die grossen Minenunternehmen von 1990 bis 2000 nur gerade 10 000 neue Arbeitsplätze schufen. 10 Prozent der Stellen sind von nicht afrikanischen Ausländern besetzt, denen Tansania grosszügige Steuererlasse gewährt.12


Fallbeispiele

Verschiedene Länder – gleiche Probleme Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer

Fehlende Mitsprache der betroffenen Be­ völkerung, Menschenrechtsverletzungen und eine Politik im Interesse des Kapitals sind feste Konstanten beim Rohstoffab­ bau, wie folgende Fallbeispiele illustrieren. Brot für alle und Fastenopfer unterstützen Gemeinden dabei, sich zu organisieren und sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren. Rohstoffprojekte variieren in ihrer Planung und Durchführung teilweise erheblich – abhängig vom Rohstoff, dem Investitionsvolumen, den geologischen Gegebenheiten oder den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es gibt aber auch Phänomene, die bei allen Projekten zu beobachten sind. So werden etwa die Rechte der betroffenen lokalen Gemeinschaften systematisch dem Profitstreben der Unternehmen untergeordnet. Die folgenden Fallbeispiele aus der Demokratischen ­Republik Kongo, aus Südafrika und Peru zeigen auf, dass die Bevölkerungen kaum jemals in die Planungs- und Entscheidungsprozesse der Rohstoffunternehmen einbezogen werden, obwohl ihre Mitsprache im internationalen Recht festgeschrieben ist. Auch die Staaten verletzen ihre völkerrechtlich verbindlichen Schutzpflichten, indem sie nicht Willens oder fähig sind, sich für die Interessen der Bevölkerung einzusetzen. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass stets die vom Rohstoffabbau betroffene Bevölkerung die sozialen Kosten zu tragen hat. Meist befindet sie sich in einer schwachen

Trostloses Leben im Umfeld einer Mine in Indien. © Amnesty International

und verletzlichen Position und ist auf sich selber angewiesen. Fastenopfer und Brot für alle arbeiten in verschiedenen Ländern mit Betroffenen zusammen und unterstützen sie ­dabei, sich zu organisieren, an Informationen zu gelangen, sich zu wehren und Lösungen für die grossen Herausforderungen zu finden. Ziel ist es, den verletzlichen Gruppen gegenüber den ungleich mächtigeren Akteuren zu einer besseren Verhandlungsposition zu verhelfen. Damit werden der Rohstoffabbau und viele der damit verbundenen Konsequenzen zwar nicht verunmöglicht, doch die Chance wächst, dass die Bedürfnisse der Betroffenen stärker berücksichtigt werden. 15


Demokratische Republik Kongo

Minenarbeiter/innen wie Tiere behandelt Patricio Frei, Verantwortlicher Öffentlichkeitsarbeit, Fastenopfer

Früher gab es für die Minenarbeiter in Kolwezi Maismehl und Schulen, heute sind sie auf sich alleine gestellt. © Patricio Frei / Fastenopfer

Ausländische Firmen plündern die Boden­ schätze der Demokratischen Republik Kongo und beuten die Bevölkerung aus. Nun setzt sich die katholische Kirche mit Unterstützung von Fastenopfer für Gerech­ tigkeit ein. Die Strapazen dieser Nacht sind ihm ins Gesicht geschrieben. Die Schicht dauerte von gestern 17 Uhr bis heute Morgen um 7 Uhr. 14 Stunden ohne Pause. Jetzt ist Constantin Kabeya Kalombo müde und möchte schlafen gehen. Ihm brennen die Arme. Rund acht Tonnen Kupfererz haben er und sein Schichtkumpel diese Nacht in den Schmelzofen ge16

schaufelt, macht rund 4 Tonnen pro Arbeiter und Schaufel. Kabeya trägt eine Baumwolljacke, Jeans und eine Sonnenbrille. Sie bieten nicht ausreichend Schutz für die Arbeiten am 1200 Grad heissen Schmelzofen. «Die Hitze ist so gross, dass du die Kleidung nicht mehr spürst. Du spürst nur noch die Hitze in dir.» Kabeya zeigt auf eine verhornte Stelle auf seinem Handrücken: Eine der zahlreichen kleinen Verbrennungen, die er in seiner Zeit als Minenarbeiter erlitten hat. Einer seiner Kumpel hat sogar ein Auge verloren. Einmal im Jahr schickt sie das Kupferverarbeitungsunternehmen «Katanga Metals» in


Kolwezi zur medizinischen Kontrolle – zum Tierarzt. Dieser misst jedoch einzig Gewicht und Körpergrösse der Arbeiter. «Dann vergleicht er die Zahlen mit unseren Vorjahreswerten», erklärt Kabeya. Keine Alternative zur Ausbeutung Constantin Kabeya spricht ruhig, wenn er auf Suaheli die Verhältnisse in der Fabrik beschreibt. Seine Wortwahl ist gemässigt. Obschon er weiss, dass er ausgebeutet wird. Kein Zorn, keine Verbitterung. Er erzählt ohne grosse Emotionen. Denn er weiss: Das Unternehmen findet bei einer nationalen Arbeits­ losenquote von 40 Prozent problemlos Ersatz für ihn. Constantin Kabeya wirkt trotz der harten Arbeit und seinen 60 Jahren erstaunlich jung. Der Vater von 13 Kindern lebt in UZK. Das Dorf hat seinen Namen von der Zinkfabrik, die einst in der Nähe stand: Usine de Zinc de Kolwezi. Früher sei es besser gewesen, sagt Kabeya. Früher, da arbeiteten er und seine Kumpel für das staatliche Bergbauunternehmen «Gécamines». Das Unternehmen finanzierte eine Schule für die Arbeiterkinder und Maismehl für jede Familie, bei sechs Kindern zwei Säcke à 50 Kilogramm. Bis die Fabrik vor fünf Jahren in private Hände überging.

Constantin Kabeya

© Patricio Frei / Fastenopfer

62 Stunden Arbeit pro Woche sind keine Seltenheit, obwohl das kongolesische Arbeitsrecht dies verbietet. Das weiss auch Pfarrer Abbé Marcel Ngwesi Lwandanda. Er interessiert sich für Kabeyas Ausführungen. Im Dezember 2009 hat ihn der Bischof von Kolwezi zum Beobachter für Bodenschätze ernannt. Nun ist er der Vertreter der «Commission Épiscopale pour les Ressources Naturelles» (Cern), die ihm das nötige Fachwissen über den Abbau von Bodenschätzen vermittelt hat.

62-Stunden-Woche Jetzt ist alles anders. Seitdem das Unternehmen einem Inder gehört, gibt es nur noch die staatliche Schule. Die Mehlsäcke, die an die Arbeiter abgegeben werden, sind nur noch halb so gross, und auch der Lohn wurde halbiert: Im Monat gerade mal 170 US-Dollar anstatt wie früher 300 US-Dollar.

Kirche fordert Gerechtigkeit Cern wurde 2008 von der kongolesischen ­Bischofskonferenz ins Leben gerufen, um mit Unterstützung von Fastenopfer gegen Missbräuche beim Abbau von Bodenschätzen vorzugehen. Die Gewinne aus Kupfer, Koltan und anderen Erzen sollen zur Entwicklung 17


Seit «Katanga Metals» in private Hände überging, erhalten die Arbeiter/innen gerade noch die Hälfte ihres früheren Lohnes. © Patricio Frei / Fastenopfer

des Kongos beitragen. Eigentlich ist gesetzlich festgelegt, welcher Anteil des Gewinns dem Staat, der Provinz und letztlich auch der Bevölkerung zugute kommen sollte. Doch die Unternehmen machen oft falsche Angaben zu den Abbaumengen, oder das Geld versickert in den Taschen korrupter Beamter. Nun will die Kirche für Recht und Ordnung sorgen. In allen 47 Diözesen des Kongos soll sich dereinst je ein Priester mit den Bodenschätzen befassen. «Gott hat uns die Erde gegeben, damit wir dafür sorgen, dass der Reichtum für die Entwicklung der Bevölkerung genutzt wird. Stattdessen verursacht er Konflikte und Krieg», sagt Abbé Marcel. Der Pfarrer wird es nicht einfach haben, für seine Mandanten Recht zu bekommen. Kolwezi gilt als der Ort mit den grössten und ertragreichsten Minen in der ganzen Demokratischen Republik Kongo. Den wirtschaft18

lichen Interessen der hier tätigen transnationalen Konzerne können und wollen sich die lokalen Behörden nicht entziehen. So ist die Bürgermeisterin schon einmal vor Ort, wenn eine Bergbaufirma mit Bulldozern hektarweise Felder für neue Lagerhallen niederwalzt – ohne vorgängig die Kleinbauernfamilien zu informieren, die dort seit 25 Jahren ihr Gemüse angepflanzt haben. Die Rechte der Kleinbäuerinnen und der Arbeiter interessieren in Kolwezi kaum jemanden, wenn es ums grosse Geschäft geht. Abbé Marcel und die Cern versuchen, dies nun zu ändern.


Peru

Wirtschaftswachstum auf Kosten der ­indigenen Bevölkerung Daniel Hostettler, Fachverantwortlicher Menschenrechte, Fastenopfer

Das Amazonasbecken in Peru ist reich an zahlreichen Bodenschätzen. Jahrelang hat die Regierung versucht, die Rechte der in­ digenen Gemeinschaften an der Land- und Ressourcennutzung zu Gunsten von priva­ ten Investoren einzuschränken. Doch der Druck auf die Regierung, sich für bessere Lebensbedingungen und mehr Mitsprache der Indigenen einzusetzen, wächst. Am 5. Juni 2009 kam es in der Provinz ­Bagua im peruanischen Amazonasgebiet zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen ­I ndigenen und Polizeikräften. 23 Polizisten und 10 Zivilpersonen kamen dabei ums ­L eben. Den tragischen Ereignissen voran­ gegangen war eine zweijährige Auseinandersetzung zwischen der Regierung von Präsident Alan García und der indigenen Bevölkerung um den Zugang zu Land und Ressourcen in der Region. Per Dekret wollte die Regierung im Zuge ihrer radikalen Freihandelspolitik den Zugang für transnationale Konzerne zu den Rohstoffen im Amazonasgebiet vereinfachen. Dazu sollten auch die national und international verbrieften Rechte der indigenen Bevölkerung auf Mitsprache bei Verhandlungen eingeschränkt werden. Investoren vor Grundrechten Das peruanische Amazonasgebiet birgt gros­ se natürliche Reichtümer an Erzen, Erdöl, Holz und Wasser. Transnationale Konzerne

Denkmal für die Opfer der Ausschreitungen. © Ronar Espinoza / Vicariato de Jaen

sichern sich mittels Konzessionen die Ausbeutung dieser Ressourcen. Dank der hohen Weltmarktpreise stieg Peru auf diese Weise in wenigen Jahren an die Spitze der Länder ­L ateinamerikas mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Die Rechte von Kleinbauern und -bäuerinnen, indigenen Gemeinschaften und anderen Bevölkerungsgruppen haben in dieser Politik keinen Platz mehr. 19


Entsprechend haben die beachtlichen Summen, die von den Konzernen für Konzessionen und Steuern bezahlt werden, in all den Jahren des Rohstoffbooms nicht zu einer Verbesserung der ökonomischen und sozialen Perspektiven der lokalen Bevölkerung beigetragen. Im Gegenteil: Seit den 1960er Jahren hat sich die Situation der indigenen Gemeinschaften angesichts verseuchten Trinkwassers und zerstörter Anbauflächen sowie der Verbreitung neuer Krankheiten und der Zerstörung der ökologischen Vielfalt drastisch verschlechtert. Marginalisierung der Indigenen Die Kommission, die eingesetzt wurde, um die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Bagua zu untersuchen, kam denn auch zum Schluss, dass die ökonomische, soziale und kulturelle Marginalisierung der indigenen Bevölkerung den Hintergrund für die sich zunehmend radikalisierte Bewegung gegen die Regierung gebildet hatte. Die eingeschränkte Mitsprache, welche die Regierung per Dekret durchsetzen wollte, verletzt die in der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) garantierte Konsultation der indigenen Bevölkerung (vgl. Kasten Seite 9). Zwar hatte sich der peruanische Staat bis anhin ohnehin nicht um die Einhaltung dieser Garantie geschert. Aufgrund der Dekrete befürchteten die Indigenen aber, auch noch die letzte Möglichkeit zu verlieren, bei der Entwicklung ihrer Regionen mitentscheiden zu können. Eskalierter Konflikt Mitte 2008 begannen die Indigenen-Organisationen, Aktionen gegen die Regierungsbe20

Sicherheitskräfte gehen gewaltsam gegen Protestierende vor. © Thomas Quirynen / Amnesty International

schlüsse durchzuführen. Anfangs 2009 forderte die ILO den peruanischen Staat auf, die Konvention 169 einzuhalten. Und auch die Bischöfe der Amazonasregion riefen die Regierung dazu auf, die Dekrete zurückzunehmen und das indigene Recht auf Konsultation zu respektieren. Da die Regierung keinerlei Willen zeigte, sich der Frage grundsätzlich zu stellen, begannen die Indigenen-Organisationen des Amazonasgebiets Anfang April 2009 einen Generalstreik. Dieser wurde begleitet von Strassen- und Flussblockaden, der Besetzung von Landeplätzen und der Lahmlegung unternehmerischer Infrastruktur. Anfang Mai 2009 rief die Regierung den Notstand für die Region aus und entsandte zusätzliche Sicherheitskräfte. Die Spannung stieg weiter an.


Wie es genau zu den gewalttätigen Zusammenstössen vom 5. Juni kam, ist bis heute nicht abschliessend geklärt. Berichte von verschiedenen Seiten kommen zu widersprüch­ lichen Ergebnissen. Auch die Nacharbeit in vier gemischten Kommissionen brachten kaum konkrete Resultate. Laut dem «Centro Amazónico de Antropología y Aplicación Práctica» (CAAA), einer Partnerorganisation von Fastenopfer, welche die marginalisierte Bevölkerung bei Organisations- und Rechtsfragen begleitet, bleibt der Druck auf das Amazonas-Gebiet und dessen Rohstoffreichtum weiterhin bestehen, da die Vergabe von Konzessionen an transnationale Konzerne nicht gestoppt wurde.

Gesetzes, das den Indigenen gemäss ILOKonvention 169 das Recht auf Konsultation bei Projekten, die ihre Lebensweise tangieren, zuerkennt. Zwar hat Präsident García seine Unterschrift verweigert und das Gesetz an den Kongress zurückgewiesen. In einer zweiten, noch ausstehenden Abstimmung kann der Kongress dem Gesetz jedoch definitiv zustimmen. Aber auch in diesem Fall wird sich noch weisen müssen, wie das Gesetz in der Praxis ­umgesetzt wird und ob es sich bewährt. Entsprechender Druck von unten und auf internationaler Ebene wird wohl weiterhin nötig sein, um die Regierung und die Konzerne dazu zu bringen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.

Druck auf Regierung bleibt nötig Der einzige Lichtblick nach den gewalttätigen Konfrontationen ist die Verabschiedung eines

Ursache der Ausschreitungen: Die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung zu Gunsten internationaler Rohstoffkonzerne. © Thomas Quirynen / Amnesty International

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Südafrika

Kampf für Menschenrechte und bessere Lebensbedingungen Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik, Brot für alle

In der Hüttensiedlung Ikemeleng vermögen es nur wenige, ihre Kinder zur Schule zu schicken. © Miges Baumann / Brot für alle

Die «Bench Marks Foundation», eine Part­ nerorganisation von Brot für alle, kämpft im südlichen Afrika dafür, dass Minengesell­ schaften ihren Menschenrechtsverpflich­ tungen nachkommen. Sie befähigt betrof­ fene Gemeinschaften, von den Unternehmen den nötigen Beitrag zur Ver­ besserung ihrer Lebensbedingungen und zur Beendigung der Umweltzerstörung einzufordern. Phindile Boitumelo (30) steht vor einem im Boden vergrabenen Ölfass und zeigt auf den 22

Inhalt: «Das ist eine unserer Wasserstellen hier in Ikemeleng, Rustenberg. Das Wasser ist aber sehr schmutzig, und oft hat es überhaupt kein Wasser.» In der informellen Hütten- und Wellblech-Siedlung Ikemeleng wohnen ein paar tausend Menschen. Einige arbeiten in den umliegenden Minengesellschaften, viele sind arbeitslos. Die hygienischen Verhältnisse sind äusserst prekär. Wasserstellen oder Toiletten gibt es nur wenige. Das Wasser im nahegelegenen Bach ist verschmutzt und vergiftet, meistens ist er ausgetrocknet.


Die himmelschreienden hygienischen Zustände in Ikemeleng sind nur eines der Probleme der Hüttensiedlung. Umweltverschmutzung durch die sie umgebenden Platin-Minen, Luftverschmutzung durch Schmelzanlagen, Vergiftungen, Gesundheitsprobleme, fehlende Arbeitsrechte, tiefe Löhne, Landraub, ­soziale Ausgrenzung und die völlige Vernachlässigung durch die Behörden der Stadt Rustenberg gehören ebenfalls zum Alltag in Ikemeleng. Die Wellblechsiedlung ist geradezu typisch für die Situation rund um die Bergbauunternehmen in Südafrika. «95 Prozent der Jugendlichen hier sind arbeitslos», sagt Phindile, die selber einmal als Spreng-Assistentin in einer Mine gearbeitet hat. «Das bringt grosse Probleme für uns Junge. Mädchen müssen ihren Körper verkaufen und Jungen beginnen zu stehlen.» Der Grossteil der Minenarbeiter/innen komme aus dem Ausland. Sie können sich noch weniger für ihre Rechte wehren als die Einheimischen. International hörbare Stimme Phindile ist eine von zehn jungen Erwachsenen, die 2009 erstmals an einem Training im Rahmen des «Monitoring Action»-Projekts der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation «Bench Marks Foundation» (siehe Kasten) teilnehmen konnten. Die Idee des Programms ist so simpel wie bestechend: Je zwei junge arbeitslose Menschen, die von ­einer Siedlungsgemeinschaft ausgewählt werden, erhalten eine Ausbildung. Diese befähigt sie, über die Situation in ihrer Siedlung und in den Minen zu schreiben und die Berichte als Blogs im Internet zu veröffentlichen. So erhalten die Gemeinschaften erstmals eine Stimme: Berichte über Vorfälle in der Siedlung oder in den Minengesellschaften sind

Phindile Boitumelo zeigt eine Wasserstelle. © Miges Baumann / Brot für alle

sofort für die ganze Weltöffentlichkeit zugänglich. Die neue Aufgabe stärkt auch das Selbstvertrauen und die Fähigkeiten der jungen Menschen. Sie lernen, ihre Situation zu analysieren, die Hintergründe und Ursachen für die Armut und Probleme in ihrer Gemeinschaft zu verstehen und Lösungen zu formulieren. In einer zweiten Trainingsphase müssen die Monitoring-Aktivist/innen in ihrer Gemeinschaft eine Gruppe gründen, gemeinsam einen Aktionsplan formulieren und eine Aktion durchführen. Die Aktionen und allfälligen Treffen der Gruppe mit Behörden oder Vertreter/innen der Minengesellschaften werden protokolliert und via Internet veröffentlicht. Werden gemachte Vereinbarungen oder Ver23


Wellblech-Siedlung Ikemeleng. © Miges Baumann / Brot für alle

sprechungen nicht eingehalten, ist theoretisch die ganze Welt darüber informiert. Viel beachtetes Modell In Ikemeleng hat das Projekt bereits erste ­bescheidene Resultate erzielt: einige Wassertanks und Toiletten wurden aufgestellt. Sie helfen, die hygienischen Verhältnisse etwas zu verbessern. Der Weg ist jedoch noch lang und beschwerlich. Eine friedliche Demon­ stration im August 2009 wurde von der Poli-

zei gewaltsam aufgelöst. Schüsse fielen, es gab Verletzte. Obschon die Monitoring-Aktivist/innen nach der Ausbildung keine finanzielle Unterstützung erhalten, sind die Vertreter/innen der «Bench Marks Foundation» davon überzeugt, dass ihr viel beachtetes Modell in den Gemeinschaften zu Veränderungen führen kann und sie dazu befähigt, eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Behörden und Minengesellschaften einzunehmen. Die im Internet veröffentlichten Erfahrungsberichte ermöglichen es, auch international Druck gegenüber der jeweiligen Unternehmen aufzubauen. Das Ziel: die Minengesellschaften sollen ihre soziale Verantwortung und ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Arbeitenden und ihren Angehörigen in den Gemeinden wahrnehmen, damit sich das Los der Minenarbeiter/innen und die Lebensqualität in den Hüttensiedlungen verbessert.

«Bench Marks Foundation» – eine Stiftung, die Unternehmen auf die Finger schaut Die von verschiedenen Kirchen in Südafrika gegründete Stiftung hat zum Ziel, dass die Unternehmen, speziell die Minengesellschaften im südlichen Afrika, mehr zur Entwicklung der Gesellschaft und zur Einhaltung der Menschenrechte beitragen. Arbeitsschwerpunkte der unabhängigen Nichtregierungsorganisation sind die Befähigung von Gemeinschaften rund um Minengesellschaften zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und die Verpflichtung von Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte und Umweltnormen. Mit ihren «Policy Gap»-Studien zur Situation in bestimmten Rohstoffunternehmen oder Bergbaugegenden dokumentiert die Stiftung die Lücken zwischen den beschönigenden PRAussagen von Firmen und den davon massiv abweichenden realen Zuständen vor Ort. Die «Bench Marks Foundation» ist eine von Brot für alle ­direkt unterstütze Partnerorganisation. Sie ist als wichtige Stimme im Bereich der menschenrechtlichen Verantwortung und Verpflichtungen von Unternehmen weltweit anerkannt. «Monitoring Action» ist ein Projekt der Stiftung. www.bench-marks.org.za http://sites.google.com/site/monitoringaction

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Elektronikindustrie

Von der Mine zum Computer – ein undurchsichtiger Weg Chantal Peyer, Verantwortliche für Unternehmen und Menschenrechte, Brot für alle Valérie Trachsel, Verantwortliche «High Tech – No Rights», Fastenopfer

22 Kilo Rohstoffe sind nötig für die Herstellung eines PCs. © Patrik Kummer / Brot für alle

Was verbindet Phindile Boitumelo, Bewohnerin der Wellblechsiedlung Ikemeleng in Südafrika, mit dem iPad in der Auslage eines Schweizer Warenhauses? Das Platin, ein korrosionsresistentes Edelmetall, das für elektronische Schaltungen gebraucht wird. Platin ist einer von vielen Rohstoffen aus dem afrikanischen Boden, die für die Herstellung von Handys, Computern, iPods und anderen Elektrogeräten benötigt werden. Dazu gehören auch Kupfer, Aluminium, Blei, Gold, Zink, Nickel, Zinn, Silber, Eisen, Palladium, Quecksilber und Kobalt. Rund 22 Kilo Rohstoffe braucht es für die Herstellung eines einzigen Computers und dessen Zubehör. Der Rohstoffabbau und -handel ist in der Hand von Firmen, deren Namen den Konsument/innen und oftmals auch den westlichen Markenfirmen nicht bekannt sind. Die Rohstoffindustrie ist eine undurchsichtige Branche und die Produktionskette eines Computers äusserst komplex. Die Folge davon:

Firmen wie «Apple» oder «Dell» können nicht sagen, aus welchen Minen die Metalle stammen, die sie für ihre Produktion verwenden. Damit wächst auch die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen, wie verschiedene Studien des holländischen Forschungsinstituts SOMO, einem Partner von Brot für alle, belegen.13 So wurde etwa die Mine in Bisie im Osten der «Demokratischen» Republik Kongo bis vor wenigen Jahren von einem einflussreichen Lokalherrscher geführt. Heute ist sie in den Händen von Splittergruppen der Kongolesischen Armee, die zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. Aufgrund von fehlenden Sicherheitsvorkehrungen sind schlimme Unfälle in der Mine an der ­Tagesordnung. Auch die Dörfer in der Region leiden unter den Minen: Schwermetalle, die sich im Grundwasser und in Flüssen sammeln, führen zu Krebserkrankungen, Atembeschwerden und anderen schweren Krankheiten. Wegen der vergifteten Böden verlieren die lokalen Bauern und Bäuerinnen ihre Lebensgrundlage. Für Nichtregierungsorganisationen wie Brot für alle und Fastenopfer müssen solche Missstände von der Elektronikindustrie anerkannt und jedes Glied der Produktionskette dazu angehalten werden, ihren Teil der Verantwortung für die Verbesserung der Situation zu übernehmen. Dieser Forderung werden wir mit der ökumenischen Kampagne 2011 Nachdruck verleihen (siehe Seiten 26–29). 25


Fazit und Ausblick

Wege hin zu einer nachhaltigen Ressourcen­ gewinnung Chantal Peyer, Verantwortliche für Unternehmen und Menschenrechte, Brot für alle

Das Haus dieser Frau in Papua Neuguinea wurde abgebrannt, weil die Porgera Goldmine das Land für sich beansprucht. © Amnesty International

Die Rohstoffindustrie ist geprägt von In­ teressenskonflikten zwischen lokalen ­Gemeinschaften, Regierungen und Unter­ nehmen. Menschenrechte und Umweltschutz sind dabei zweitrangig. Reformen, die zu mehr Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und einer verbesserten Transparenz bei den Finanzflüssen führen, sind daher dringend notwendig. Brot für alle und ­Fastenopfer setzen sich mit der ökumeni­ 26

schen Kampagne 2011 u.a. für folgende Massnahmen ein.

1. Einführung fairer Konsultations­ mechanismen Minenunternehmen agieren oftmals in Drittländern. Dort sind sie Gäste, die auf fremder Erde Investitionen tätigen und daraus wert-


volle Rohstoffe gewinnen. Deshalb sind sie dazu verpflichtet, für die lokalen Gemeinschaften faire und nachhaltige Lösungen zu ermöglichen. In der Realität ist dies bis anhin kaum der Fall. In Südafrika gehörten zur Zeit der Apartheid 78 Prozent des fruchtbarsten Landes der weis­ sen Bevölkerung. Für die indigenen Gemeinschaften blieben lediglich 13 Prozent kargen Landes übrig. Heute werden diese Gemeinschaften, zu denen auch Ikemeleng (Seite 22– 24) gehört, von ihren Grundstücken vertrieben, weil sie sich als äusserst ressourcenreich erwiesen haben. Die Kompensationszahlungen, die sie dafür von den Unternehmen erhalten, sind lächerlich. De facto haben die Dorfbewohner/innen keine andere Wahl als ihr Land zu verlassen, ihre Friedhöfe umzuplatzieren und Zeugen der unaufhaltsamen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu werden.

Die so genannten Konsultationen der lokalen Gemeinschaften durch die Minenunternehmen sind absolut ungenügend. Sie finden in der Regel am Abend statt, weit entfernt und schwer erreichbar für die Dorfbewohner/innen. Abgehalten werden Sie in einer sehr technischen Sprache ohne ausgewogene Vertretung aller betroffenen Gemeinden und die Meinungen unterschiedlicher Personen. Brot für alle und Fastenopfer fordern, dass keine Konzessionen an Rohstoffunternehmen vergeben werden dürfen, ohne ein vorangehendes, freies und auf umfassenden Informationen beruhendes Einverständnis («free prior and informed consent») der lokalen Gemeinschaften. Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, neue Konsultationsmechanismen einzuführen – vor, während und nach den Investitionstätigkeiten.

Die ökumenische Kampagne 2011 von Brot für alle und Fastenopfer Die Rolle der Rohstoffindustrie und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die marginalisierten Bevölkerungen in den Ländern des Südens und insbesondere in Afrika wird im Zentrum der ökumenische Kampagne 2011 von Fastenopfer und Brot für alle stehen. Nebst der Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit und von Schweizer Unternehmen für die Problematik richten sich die Werke mit ihren Forderungen in erster Linie an die Schweizer Regierung. Mit einer Unterschriftensammlung per Internet soll diese dazu aufgefordert werden, ihre Aussenwirtschaftspolitik mit ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen besser in Einklang zu bringen. Ausserdem soll sie sich im Rahmen der Gesetzgebung für die Einführung eines «Country by Country»-Reporting durch Unternehmen einsetzen sowie für die Haftbarkeit von Mutterunternehmen für Menschenrechtsverletzungen ihrer Tochtergesellschaften (vgl.Text). Durch eine breite Beteiligung an der Unterschriftensammlung kann den Forderungen ­gegenüber der Schweizer Regierung genügend Gewicht verliehen werden, um im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte endlich auch in der Schweiz zu substanziellen Resultaten zu gelangen. www.rechtaufnahrung.ch (ab Januar 2011)

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Die Pflicht der Regierungen ist es, dafür zu sorgen, dass die ILO-Konvention 169 eingehalten wird. – Die Regierungen müssen die betreffenden Völker durch geeignete Verfahren und ­i nsbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen konsultieren, wann immer gesetzgeberische oder administrative Massnahmen, die sie unmittelbar berühren können, erwogen werden (Artikel 6a). – Die Eigentums- und Besitzrechte der betroffenen Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land sind anzuerkennen (Artikel 14). 2. Mehr Transparenz bei Finanzflüssen Die Erträge aus den Bodenschätzen kommen in den wenigsten Fällen der Bevölkerung zu Gute (Seiten 12–14). Die Gewinne machen die internationalen Rohstoffkonzerne, während die lokalen Gemeinschaften leer ausgehen. Schwache Regierungen, instabile politische Situationen, Krieg, Korruption und volatile Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sind Gründe dafür. Am meisten fällt jedoch die Steuerflucht der internationalen Rohstoffunternehmen ins Gewicht, die auf 50 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt werden (siehe Seiten 12–14). Riesige Summen, die in Gesundheits- oder Schulprogramme oder in die Entwicklung der lokalen Landwirtschaft investiert werden könnten. Um diesen Praktiken der Steuervermeidung einen Riegel zu schieben, braucht es mehr Transparenz im Rohstoffsektor. Die USA haben einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht: Am 16. Juli 2010 hat der Senat die «Dodd-Frank Wall Street»-Reform angenommen und den Consumer Protection Act genehmigt. Damit müssen künftig alle Erdöl-, 28

Gas- oder Rohstoffunternehmen öffentlich und nach Land unterteilt die Abgaben de­ klarieren, die sie an die Regierungen in den jeweiligen Abbauländern getätigt haben. Ein entscheidender rechtlicher Schritt, der es den Behörden der Entwicklungsländer, Nichtregierungsorganisationen, der Bevölkerung und Forschungsinstituten ermöglicht, Steuerflucht aufzudecken. Brot für alle und Fastenopfer fordern, dass die Schweiz dem amerikanischen Beispiel folgt und sich für entsprechende Reformen einsetzt, z.B. im Rahmen der Revision der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen. Das Parlament seinerseits soll bei der aktuellen Revision des Rechnungslegungs­ gesetzes darauf hinarbeiten, dass die Rechnungslegung nach Land («country by country reporting») integriert wird. 3. Juristische Verantwortung von ­Mutterunternehmen für ihre Tochter­ gesellschaften Gemäss Schweizerischem Handelsrecht können Mutterunternehmen für die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu ein Beispiel: Das Schweizer Unternehmen «Glencore» mit Sitz in Baar (Kanton Zug) ist im Rohstoffabbau und -handel tätig. Im Jahr 2009 belief sich der Umsatz des grössten Schweizer Unternehmens dank den Aktivitäten seiner Tochtergesellschaften weltweit auf 106 Milliarden US-Dollar. Eine der Gesellschaften hat ihren Sitz in Sambia und besitzt rund 73 Prozent der Kupfer und Kobalt-Mine in Mopani. In einem der ärmsten Länder des südlichen Afrikas ­gelegen, beschäftigt die Mine 7800 Arbeiter/innen. Hätte das Unternehmen illegale ­Ver­t reibungen, die Vergiftung von


Wo brennende Ölpipelines zum Alltag gehören: Kinder im Niger-Delta.

Flüssen, ­K inderarbeit oder ungenügende Sicherheitsvorkehrungen bei den Arbeiter/innen zu verantworten, gäbe es juristisch gesehen in der Schweiz keine Möglichkeit, das Mutterunternehmen, das seinerseits die Gewinne einsteckt, dafür verantwortlich zu machen. In der aktuellen Schweizer Gesetzgebung werden Mutterunternehmen und ihre Tochtergesellschaften als juristisch unabhängige Einheiten behandelt. Auch fehlt im Schweizerischen Handelsrecht eine Klausel, die Konzernchefs zu Massnahmen verpflichten würde, Menschenrechtsverletzungen und Verstössen gegen Umweltgesetzgebungen der Tochtergesellschaften vorzubeugen. Damit unterstützt die Schweiz multinationale Unternehmen darin, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Brot für alle und Fastenopfer fordern, dass das bestehende Schweizer Handelsrecht um folgende Pflichten ergänzt wird:

© George Osodi / Keystone

– Eine Haftpflicht für Mutterunternehmen bezüglich der Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften. – Eine Sorgfaltspflicht, welche die Unternehmensführer/innen von transnationalen Unternehmen dazu verpflichtet, Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen durch ihre Tochtergesellschaften und ihre wichtigsten Zulieferer zu ergreifen. In der Europäischen Union arbeitet eine ­Koalition von Nichtregierungsorganisationen bereits in diese Richtung. www.corporatejustice.org

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Links und Quellenhinweise Quellenhinweise 1 Deutsche Bank Research: Chinas Rohstoffhunger, Auswirkungen auf Afrika und Lateinamerika. www. dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_EN-PROD/ PROD0000000000200146.pdf 2 Christian Aid: Undermining the poor: Mineral Taxation Reforms in Latin America, 2009. Die Studie stützt sich auf den Latin America Economic Outlook 2009 der OECD. 3 ECLAC: Social Panorama of Latin America, 2008, S.9. www.eclac.cl/publicaciones/xml/3/34733/ PSI2008-SintesisLanzamiento.pdf 4 The Revenue Watch Institute: Transforming Resource Wealth into Well-Being, 2010. 5 www.resistance-mining.org 6 Uno-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (wsk-Pakt) sowie Rechtskommen­ tare Nr. 12 und Nr. 15 zum Pakt. 7 Uno-Rechtskommentar Nr. 12 zum wsk-Pakt (Artikel 20) 8 Human Rights Assessment of Goldcorp’s Marlin Mine, Mai 2010: www.hria-guatemala.com 9 http://eiti.org/DRCongo 10 Greenpeace 2008, Conning the Congo: www.green peace.org/international/en/publications/reports/ conning-the-congo 11 www.taxjustice.net/cms/upload/pdf/Bilanzierungs regeln_Country-by-Country_deutsch_08.pdf 12 Curtis M.,Lissu T., A golden opportunity: How Tanzania is failing to benefit from gold mining, Oktober 2008: www.pambazuka.org/images/articles/407/ goldenopp.pdf 13 http://somo.nl/dossiers-en/sectors/extractives/extractives

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Links Unternehmensverantwortung www.amnesty.ch www.business-humanrights.ch www.evb.ch www.humanrights.ch www.multiwatch.ch www.bench-marks.org.za www.corporatejustice.org www.icj.org www.oecdwatch.org www.transparency.org Rohstoff- und Elektronikindustrie www.fair-computer.ch www.eiti.org www.makeitfair.org www.somo.nl Weitere Partner www.cisde.org Ökumenische Kampagne 2011 www.rechtaufnahrung.ch


Impressum

Herausgeber:

Brot für alle / Fastenopfer, Bern / Luzern, September 2010

Redaktion:

Pascale Schnyder

Autor/innen:

Miges Baumann, Markus Brun, Patricio Frei, Daniel Hostettler, Chantal Peyer, Valérie Trachsel, Ester Wolf

Korrektorat:

Sylvia Garatti

Grafik:

Cavelti AG, Druck und Media, Gossau

Auflage:

8600 (deutsch), 3800 (französisch)

Bestellungen:

Brot für alle, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 63, materialstelle@bfa-ppp.ch

Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10, mail@fastenopfer.ch

Preis:

CHF 5.–


Viele Länder in Asien, Lateinamerika und Afrika verfügen über immense Bodenschätze. In den seltensten Fällen trägt dieser Reichtum zur Entwicklung der Länder bei – im Gegenteil: Die ressourcenreichsten Länder gehören oftmals zu den ärmsten und konfliktträchtigsten Staaten der Welt. Dieser EinBlick zeigt die Auswirkungen des exzessiven Rohstoffabbaus auf Menschen und Umwelt auf, beleuchtet die Problematik der Steuerflucht und der fehlenden Regulierung internationaler Rohstoffkonzerne und präsentiert Lösungsansätze, wie der Rohstoffreichtum der nationalen Entwicklung und der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen könnte.

Brot für alle ist der Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Er unterstützt rund 350 Projekte in Asien, Lateinamerika und Afrika, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Entwicklungspolitisch engagiert sich Brot für alle für ein faires internationales Weltwirtschaftssystem, für das Recht auf Nahrung, für Gerechtigkeit im Klimawandel, für soziale und ökologische Unternehmensverantwortung und für faire und transparente Finanzbeziehungen. Brot für alle, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64 www.brotfueralle.ch, bfa@bfa-ppp.ch

Fastenopfer ist das Hilfswerk der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Die 350 Projekte in 16 Ländern weltweit bauen auf die Stärkung lokaler Gemeinschaften, in denen sich Menschen zusammenschliessen und Lösungen für bessere Lebensbedingungen suchen. Fastenopfer engagiert sich auf nationaler und internationaler Ebene für bessere entwicklungspolitische Rahmenbedingungen und mehr Gerechtigkeit. Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 www.fastenopfer.ch, mail@fastenopfer.ch


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