EinBlick Nr. 1/2008
GErEchtiGkEit im klimawaNdEl
Redaktion: Miges Baumann und Mirjam Kosch
die auswirkungen der klimaerw채rmung auf den S체den und ihre Folgen f체r die globale Ern채hrung
inhalt Titelbild (Mädchen in Äthiopien, Foto: Miges Baumann) Inhalt Editorial Die globale Klimaerwärmung, Fakten und Zahlen Wirtschaftliche Auswirkungen Das Klima der Unsicherheit in Bangladesh Die Klimafrage ist auch eine Genderfrage Auswirkungen auf die Landwirtschaft Folgen für die Ernährung Agrotreibstoffe verschärfen das Klima-Problem Die Rolle der Schwellenländer im Klimawandel Klimawandel und Gesundheit Gerechtigkeit im Klimawandel – Greenhouse Development Rights Bauern und Viehzüchter in Äthiopien spüren die Klimaerwärmung seit langem Schnelles Handeln im Norden notwendig CO 2 sichtbar machen Das Kyoto-Protokoll. Und was kommt danach? Die Erde mit andern teilen Die Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit Der Spezialfonds Klima und Entwicklung von Brot für alle und Fastenopfer Das Konsumverhalten ändern Entwicklungspolitische Position von Brot für alle/Fastenopfer Quellen, weiterführende Informationen, Netzwerke Quellenverweise/Impressum
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Editorial klimawandel darf Entwicklungsanstrengungen nicht zerstören! Die Klimaerwärmung trifft jene am härtesten, die am wenigsten dazu beigetragen haben: Arme Menschen im Süden der Welt. Die Klimaproblematik ist nicht nur eine Frage möglicher Schuld, sondern vor allem eine Herausforderung der sozialen Gerechtigkeit. Menschen verschiedener Regionen und Generationen werden infolge der globalen Erwärmung mit erheblichen Einschränkungen bei der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse zu kämpfen haben und müssen mit noch grösserem Mangel an Nahrung und Trinkwasser rechnen: Die Würde von Menschen steht auf dem Spiel. Benachteiligte Menschen im Süden leiden schon heute am stärksten unter veränderten Wetterbedingungen, häufigeren Trockenheitsperioden, Stürmen oder Überschwemmungen. Vorauszusehen sind steigende Meeresspiegel, die Millionen in die Flucht treiben und damit verbunden massive Konflikte um Ressourcen, Ernteausfälle und Wasserknappheit. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich aber auch versteckter, zum Beispiel durch Landdegradation, steigende Armut oder die Zerstörung der Biodiversität. Nicht zuletzt hat die aktuelle Nahrungskrise einen Zusammen-
hang mit der Klimaerwärmung, wenn Nahrungsmittel zur Produktion von Agrotreibstoffen missbraucht werden, um den mobilitätsbedingten CO 2 -Ausstoss des industrialisierten Nordens zu reduzieren. Wir, die Hauptverursacher des Klimawandels, haben die grösste Verantwortung, schnell und umfassend zu handeln. Aus Gründen der Gerechtigkeit ist es notwendig, dass wir nicht nur unseren eigenen Ausstoss an Treibhausgasen innert einer Generation massiv verringern (Mitigation), sondern dass wir alles tun, um die Gefährdung durch den Klimawandel und dessen Auswirkungen zu mindern (Adaption). Gleichzeitig müssen wir den am meisten Betroffenen, den Armen im Süden, ermöglichen, sich weiterhin entwickeln zu können. Dazu bedarf es auch zusätzlicher Finanzmittel. Zur Bewältigung dieser Krise und zur Beseitigung weltweiter Armut muss jetzt von allen global gehandelt werden. Der Kampf gegen den Klimawandel fordert aber auch jeden Einzelnen heraus: Er kann nur erfolgreich sein, wenn wir alle unser Denken, unser Konsumverhalten und unseren Lebensstil ändern.
Miges Baumann Leiter Entwicklungspolitik Brot für alle
Markus Brun Leiter Entwicklungspolitik Fastenopfer
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die globale klimaerwärmung, Fakten und Zahlen Die menschgemachte Klimaerwärmung ist real, hat sich in den letzten Jahren beschleunigt und wird sich weiterhin beschleunigen. Das ist das Fazit von Tausenden von Wissenschaftern, die an den Berichten des internationalen Klimarates (IPCC) mitgearbeitet haben. Die Berichte belegen:
– Das Weltklima erwärmt sich. – Es besteht ein bewiesener Zusammenhang zwischen der Konzentration von CO2 sowie anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre und der Klimaerwärmung. – Die hohe CO2 -Konzentration ist eine Folge der menschlichen Tätigkeit, das heisst, der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) und der Landnutzungsänderung. Sie überschreitet heute bei weitem die aus Eisbohrkernen bestimmten natürlichen Schwankungen der letzten 800’000 Jahre (vgl. Fig. 1). Bis zur Industrialisierung um 1850 lag die CO 2 Konzentration in der Atmosphäre bei höchstens 280 ppm (parts per million); aktuell sind es bereits über 380 ppm. 380 360 340 300
Temperaturverlauf relativ zu 1900-2000 (°C)
280 260
CO2 (ppmv)
320
240 6
220
4
200
2
180
0
-2 -4 -6 -8
-10
800
700
600
500 400 300 Alter (1000 Jahre vor heute)
200
100
0
Fig. 1: korrelation zwischen temperatur (Jouzel et al. 2007) und cO2 -konzentration1 in den letzten 800’000 Jahren Die CO2 Kurve ist aus verschiedenen Publikationen zusammengesetzt: Etheridge et al. 1996, Petit et al. 1999, Indermühle et al. 2000, Monnin et al. 2001, Siegenthaler et al. 2005, Lüthi et al. 2008.
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Der Verbrauch von Energie und damit der Ausstoss von CO 2 ist ein Spiegel für die globalen Ungleichheiten zwischen Arm und Reich. Er zeigt die bedenkenlose Verschleuderung von Ressourcen und den nicht nach-
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haltigen Lebensstil in den Ländern des Nordens. Ein durchschnittlicher Bürger Nordamerikas stiess im Jahr 2004 über sechs mal CO2 aus als ein Mensch in Afrika (vgl. Fig. 2).
t CO2Äq./Kopf Annex I: Bevölkerung 19.7%
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Nicht-Annex I: Bevölkerung 80.3%
25 20
10 5 0 0
Europa Annex II: 11,4%
USA & Kanada: 19,4%
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JANZ: 5.2% Transformationsländer Annex I: 9.7%
Durchschnitt Annex I: 16,1 t CO2-Äq./Kopf
1,000
andere Nicht-Annex I: 2.0% Mittlerer Osten: 3.8% Lateinamerika: 10.3%
Nicht-Annex I Ostasien: 17,3%
Durchschnitt Nicht-Annex I: 4,2 t CO2-Äq./Kopf Afrika: 7.8%
Südasien:13,1%
2,000 3,000 4,000 5,000 Kumulative Bevölkerung in Millionen
6,000
7,000
Fig. 2: Verteilung der regionalen Pro-kopf-treibhausgasemissionen über die Bevölkerung verschiedener ländergruppen im Jahr 2004. die Prozentangaben in den Balken zeigen den anteil einer region an den weltweiten thG-Emissionen an. (IPCC 2007, S. 44)
«Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht gleichmässig verteilt – die ärmsten Länder und Menschen werden am frühesten und am meisten leiden. Und wenn diese Schäden auftreten, wird es zu spät sein, den Prozess rückgängig zu machen. Daher sind wir gezwungen, weit in die Zukunft zu schauen.» Sir Nicolas Stern Foto: Fastenopfer 5
Der Hauptanteil der Treibhausgase stammt aus dem Verbrauch von fossilen Energien für Strom, Verkehr und Industrie. Aber auch die Landwirtschaft und die veränderte Bodennutzung (z. B. die Entwaldung) tragen zur Klimaerwärmung bei (vgl. Fig. 3). Im Vergleich zum globalen Durchschnitt tragen in der Schweiz insbesondere der Verkehr und die Haushalte überdurchschnittlich zu den Treibhausgasemissionen bei (vgl. Fig. 4.) Treibhausgase wie Methan können in CO2 Äquivalente (CO2 -eq) umgerechnet werden. Da Methan dem Klima rund 20-mal mehr schadet als CO2 , fallen auch geringere Mengen stark ins Gewicht. Seit der Industrialisierung hat die Erhöhung der CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre die globale Durchschnittstemperatur bereits um mehr als ein halbes Grad Celsius erwärmt (IPCC 2007, S.5). Für die Zeit zwischen 2000 und 2030 sagt IPPC, je nach Modell, eine Zunahme des CO 2 -Anteils in der Atmosphäre um 25 bis 90% voraus. Der Ausstoss von Treibhausgasen in heutigen oder gar
Abfall und Abwasser 2.8% Forstwirtschaft 17.4%
gesteigerten Mengen führt im 21. Jahrhundert zu einer globalen Erwärmung, die jene des 20. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich bei weitem übersteigt. Seit 1990 steigt die Temperatur um rund 0,2°C pro Jahrzehnt, und sie wird in den nächsten zwei Jahrzehnten auch dann weiter steigen, wenn die CO 2 Konzentration auf dem Niveau des Jahres 2000 stabilisiert würde (IPCC 2007, S. 12). Was nach 2030 passiert, hängt von den jetzt eingeleiteten energie- und klimapolitischen Massnahmen ab. Zum Beispiel von der Frage, ob die fossilen Brennstoffe im Energiemix weiterhin eine dominante Rolle spielen werden.
Landwirtschaft 11%
Abfall 6% Industrie 21%
Strom 25.9%
Landwirtschaft 13.5% Verkehr 30%
Dienstleistungen 10%
Verkehr 13.1% Industrie 19.4%
Gebäude 7.9%
Fig. 3: Quellen von treibhausgasen im Jahr 2004 (Global) (IPCC 2007) 6
Haushalte 22%
Fig. 4: Quellen von treibhausgasen im Jahr 2004 (Schweiz) (Bafu 2008)
temperaturerwärmung unter 2°c halten Die Temperaturzunahme um 2°C wird als Kipp- oder Wendepunkt angesehen. Oberhalb dieser Marke sind gravierende Änderungen des Weltklimas nicht mehr rückgängig zu machen. Einige wenige Beispiele aus der langen Reihe von Folgen: – Das Grönland-Eis schmilzt noch schneller. Ein vollständiges Abschmelzen würde den Meeresspiegel weltweit um 6m ansteigen lassen.
– Die Permafrostböden der Tundra, die riesige Mengen von Kohlenstoff binden, tauen auf und setzen Methan frei. – Meeresströme wie der Golfstrom können sich verändern oder ganz zum Stillstand kommen. – Regionale Wettermuster, wie die Monsunregen in Südasien, könnten sich plötzlich verändern, Regenwälder können austrocknen, Ökosysteme kollabieren.
Fig. 5: kipp-Punkte einer nicht mehr rückgängig zu machenden Entwicklung, welche bei einer Erwärmung von über 2°c mit hoher wahrscheinlichkeit überschritten werden (Brot für die Welt/Germanwatch 2007) Um diese Kipp-Punkte zu vermeiden, ist eine rasche Stabilisierung der CO2 -Konzentration auf 400 ppm CO 2 resp. 450 ppm CO 2 -eq nötig. Das gelingt nur, wenn der Scheitelpunkt der globalen Emissionen um 2015 erreicht ist und der CO 2 -Ausstoss bis zum Jahr 2050 global um 50 bis 85% zurückgeht
(IPCC 2007, S.57). Dies erfordert von den Industrieländern schon bis ins Jahr 2020 eine Emissionsreduktion von 25 bis 40%. Wird der Scheitelpunkt erst im Jahr 2025, also 10 Jahre später erreicht, muss die Reduktionsrate verdoppelt werden, was äusserst hohe zusätzliche Kosten nach sich zieht. 7
Foto: Markus Amrein
wirtschaftliche auswirkungen «Der Klimawandel ist das grösste Versagen des Marktes, das es je gegeben hat». Im Jahr 2006 untersuchte Sir Nicolas Stern, der ehemalige Chefökonom der Weltbank, die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung. Seine Schlussfolgerungen sorgten weltweit für Aufmerksamkeit: Ein Temperaturanstieg um 2 bis 3°C kann die Weltwirtschaft bis zu 9,1% des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) kosten. Das sind 3,7 Billionen (oder 3700 Milliarden) US$ (Stern 2006). Der 650 Seiten starke Report, den Stern im Auftrag der britischen Regierung verfasst hatte, listet mögliche Kosten im Detail auf. Die Kosten für Wetterschäden (Stürme, Orkane, Taifune, Überflutungen, Dürren und Hitzewellen) zum Beispiel steigen schon seit längerer Zeit, von 4 Mrd. $ in den 1950er Jahren auf 60 Mrd. $ im Jahr 2003. Und sie werden weiter steigen. Die UNO Umweltorganisation (UNEP) schätzt die Kosten für das Jahr 2010 auf 150 Mrd. $, ein Betrag, der sich laut Schätzung der Versicherung Munich Re innerhalb weniger Jahrzehnte verdoppeln wird. CGNU, die grösste Versicherungsgesellschaft Grossbritanniens, warnt, dass nur schon die Schäden an Immobilien so hoch ausfallen könnten, dass sie viele nationale Volkswirtschaften in die Zahlungsunfähigkeit treiben könnte.
Hitzewellen wie die von 2003, bei der in Europa 70’000 Menschen starben (Robine 2007) und landwirtschaftliche Verluste von 15 Milliarden $ anfielen, werden ohne schnelle Mitigationsanstrengungen bis Mitte des Jahrhunderts zur Tagesordnung gehören. «Der Klimawandel ist das grösste Versagen des Marktes, das es je gegeben hat», steht im Stern Report. Dieses Versagen bestehe darin, dass dem CO2 kein Preis zugeordnet werde. Die Klimaerwärmung zeigt, dass wir es verpasst haben, den natürlichen Ressourcen rechtzeitig einen angemessenen Wert (und Schutz) zu geben. Viele Entwicklungsländer sind schon jetzt damit überfordert, mit den ersten Anzeichen der Klimaveränderung zurechtzukommen. In Entwicklungsländern bewirkt ein Temperaturanstieg von weniger als 1°C immense Rückschritte in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Das bedeutet für Millionen von Menschen Hunger, Durst und Not.
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Nichts-tun kostet Über die nächsten beiden Jahrhunderte hinweg wird der Klimawandel das Wohlergehen der Menschheit empfindlich schmälern. Massnahmen zur CO 2 -Reduktion, Schutzmassnahmen gegen Wetterkatastrophen und die Beseitigung von Wetterschäden werden 5 bis 20% des weltweiten Bruttosozialproduktes verschlingen. Und: Je länger wir effektive Massnahmen zur CO 2 -Reduktion hinausschieben, desto höher werden später die Kosten sein.
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das klima der Unsicherheit in Bangladesh Bangladesh ist vom Klimawandel besonders bedroht: Bei einem Anstieg des Meeresspiegels könnte bis gegen Ende des Jahrhunderts mehr als ein Fünftel des Landes einen Meter unter Wasser liegen. Von 1985 bis 1998 stiegen die Temperaturen in Bangladesh um 1°C im Mai und um 0,5°C im November. Kürzere Monsunzeiten mit viel heftigeren Regenfällen führen gleichzeitig zu Dürren und Überschwemmungen in verschiedenen Landsteilen. Kurigram in Bangladesh. Eine Landschaft wie auf einer Postkarte: Reisfelder, Kletterpflanzen, kultivierte Felder und Fruchtbäume. Vor mir erstreckt sich der majestätische Fluss Brahmapoutra und auf der anderen Seite ... Indien. Dieses Land schüttet bei seinem Nachbarn die Mehrheit seines Wassers aus, bevor dieses sich ins Meer von Bengalen stürzt. 92% des Wassers erhält Bangladesh von Tibet, Bhutan, Indien und Nepal. Kinder des angrenzenden Dorfes tollen im Wasser herum. Ich mache einen Sprung rückwärts: Das Ufer scheint eingestürzt zu sein, als ob der Fluss dort hineingebissen hätte. Weiter weg ist das Einstürzen der Erde bedrohlich. Es sind schon Spalten zu sehen. Bangladesh ist durch die Klimaerwärmung doppelt betroffen: Von Überschwemmungen wie auch von Dürre. Einerseits wird der Prozess «Verdunstung-Kondensation» durch die höheren Temperaturen intensiver. Dies verursacht stärkere Regenfälle, das Überlaufen von Flüssen und Überschwemmungen während der Monsunperiode. Durch das Schmelzen der Gletscher steigt das Meeresniveau langsam an und greift auf die tieferen Gegenden über.
Andererseits bleiben die Regenfälle in den Jahreszeiten ausserhalb vom Monsun aus, und es ist auch heisser. Das Wasser reicht nicht um die Kulturen zu bewässern, sie trocknen aus. Die Wasserläufe von Bangladesh sind ebenfalls magerer und ihre Ufer, die durch nicht gefestigte Bodensätze vom Himalaja gebildet wurden, sind von Erosionen gefährdet. Durch häufigere und stärkere Überschwemmungen wird die Erosion zusätzlich beschleunigt. Die Bewohner erzählen, dass im letzten Jahr ungefähr zwanzig Meter weggeschwemmt wurden. Sie erwarten dasselbe in diesem Jahr. Es handelt sich nicht nur um wertvolle Felder, die zerstört werden, sondern auch um Häuser und Wege. Alles, was viele anwohnende Familien besitzen. Sie überleben nur, indem sie provisorische Hütten bauen und diese ins Innere des Landes verschieben. (Céline Füri)
Durch häufigere und stärkere Überschwemmungen wird die Erosion zusätzlich beschleunigt. Foto: Céline Füri
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die klimafrage ist auch eine Genderfrage Keine Frage, der Klimawandel trifft alle. Frauen, Männer und unterschiedliche Gruppierungen im Norden wie im Süden. Die geschlechtsspezifische Rollenverteilung sowie gesellschaftliche und kulturelle Bedingungen bringen es jedoch mit sich, dass sich Naturkatastrophen wie Dürre und Überflutungen auf Männer und Frauen unterschiedlich auswirken: 55 bis 70% der Tsunami Opfer in Banda Aceh waren Frauen, denn sie hatten weniger Zugang zu Warnsystemen, konnten nicht schwimmen oder ihre Häuser nicht alleine verlassen. 60 bis 80% der Grundnahrungsmittel südlich der Sahara und in der Karibik werden von Frauen produziert. Die wachsende Nachfrage nach Boden zur Produktion von Biotreibstoffen erhöht den Druck auf die knappen Landressourcen, die Frauen zur Verfügung stehen und drängen sie auf unproduktiveren Boden. Die Ernährung ihrer Familien wird schwieriger. Die Arbeitsbelastung steigt. Die Mädchen werden von der Schule genommen, um die familiäre Versorgung zu sichern und die Frauen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Kurz: Der Klimawandel akzentuiert die geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen und damit auch die sozialen Ungleichheiten. Trotzdem sind Frauen nicht nur Opfer der Klimaerwärmung, sondern auch Akteurinnen des Wandels. Ihre unterschiedliche Betroffenheit, Erfahrung und Rolle in der Gesellschaft bringen vielfältigere und andere Lösungen zur Bekämpfung der Ursachen und zur Anpassung an den Klimawandel ein.
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Dazu muss jedoch – die Mitsprache von Frauen in den Regierungsdelegationen und Gremien von heute 15 bis 25% wesentlich erhöht werden. – der begrenzte Zugang von Frauen zu Informationen im öffentlichen Raum in die Entwicklung von Frühwarnsystemen einbezogen werden. – die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen wie Land, Wasser und Energie für Frauen als Versorgerinnen der Familien gesichert sein. Kurz: Eine erfolgreiche und nachhaltige Klimapolitik berücksichtigt die verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen, Männern und die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in ihren Lösungsstrategien. (Lilian Studer)
«Der Klimawandel akzentuiert die geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen und damit auch die sozialen Ungleichheiten.» Wasser tragendes Mädchen in Äthiopien. Foto: Miges Baumann
auswirkungen auf die landwirtschaft
In einigen Ländern Afrikas könnten die Erträge bis 2020 um bis 50% fallen.
Der Klimawandel wirkt sich ganz direkt auf die Landwirtschaft aus. Häufigere Dürreperioden, wachsende Wüsten, Überschwemmungen, Versalzung von Böden werden die Landwirtschaft in vielen Gebieten der Erde stark beeinträchtigen. Kleinbauern ohne Bewässerungssysteme sind davon besonders hart betroffen, denn sie sind vollständig von den natürlichen Regenfällen abhängig. In der Sahel-Zone in Afrika zum Beispiel wird die Wachstumszeit von Pflanzen verkürzt. Bestimmte Nahrungspflanzen wachsen nicht mehr bis zur Erntereife heran, andere gedeihen überhaupt nicht mehr. In den nördlichen Gebieten Europas und Amerikas kann die Landwirtschaft von einem Temperaturanstieg bis zu 2,5°C noch profitieren. Bei einem Anstieg von über 3°C sagen die Fachleute jedoch auch für die gemässigten Zonen einen Rückgang der Agrarproduktion voraus. (IPCC 2007, S. 25)
Foto: Miges Baumann
mögliche auswirkungen der (ungemilderten) klimaänderung in diesem Jahrhundert (IPCC 2007, S. 22 ff.): In einigen Ländern Afrikas könnten die Erträge bis 2020 um bis 50% fallen, und bis zum Jahr 2100 könnten die Einkommen aus landwirtsch. Gütern zu 90% zurückgehen. Für Zentral- und Südasien sind bis 2050 Einbussen um 30% zu befürchten, und in Lateinamerika könnten die Erträge von Getreide bis 2080 um bis zu 30% fallen.
Wasser wird für die Landwirtschaft ein noch grösseres Thema. Es wird projiziert, dass die (ungebremste) Klimaerwärmung dazu führt, dass im Mittelmeerraum und im südlichen Afrika das verfügbare Frischwasser um 50% zurückgehen wird. Dies kann dazu führen, dass in Afrika bis ins Jahr 2020 zwischen 75 und 250 Mio. Menschen vom Versiegen des Frischwassers betroffen sein werden. In Asien 13
könnten bis 2050 mehr als eine Milliarde Menschen vom Rückgang des verfügbaren Süsswassers betroffen sein (IPCC 2007, S. 24 ff.). Die industrielle Landwirtschaft und das globale Nahrungsmittelsystem sind wichtige Verursacher von Treibhausgasen. Die Landwirtschaft war im Jahr 2004 für rund 14% aller Emissionen verantwortlich (vgl. Fig. 3, S. 5). Den grössten Anteil daran hat der Einsatz von chemischem Dünger. Ein beträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Treibhausgase stammt aus der veränderten Landnutzung, der Abholzung und der Ausweitung von Monokulturen. Die Viehwirtschaft inklusive all ihrer vor- und nachge lagerten Prozesse ist – so eine Studie der FAO (2006, S. 112) – weltweit für 18% aller Treibhausgasemissionen gemessen in CO 2 -Äquivalenten verantwortlich. Es gibt Lösungsansätze, wie sich die Landwirtschaft anpassen und wie sie selber zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen beitragen kann: – Die Vielfalt von Pflanzen und die Nutzung der Biodiversität in integrierten Anbaumethoden helfen, die Feuchtigkeit im Boden zu halten. – Agro-ökologische Methoden und Biolandbau benötigen weniger chemische Düngemittel und verursachen deshalb geringere Mengen an Treibhausgasen. Ausserdem bieten sie den Bäuerinnen und Bauern mehr Sicherheit. – Die Zucht von trockenheitsresistenten Pflanzensorten mindert die Folgen der Klimaerwärmung. Für arme und kleine Bauern im Süden ist vor allem die SaatgutSelektion auf den eigenen Feldern erfolgversprechend.
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– Aufforstungen und Schutz der bestehenden Vegetation können der Wasserknappheit entgegen wirken. – Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft haben noch ein riesiges Sparpotenzial. Folgen für die Ernährung Die Klimaerwärmung verursacht Hunger, denn sie hat einen dramatischen Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion und -verfügbarkeit. Der Klimawandel verursacht Durst, denn weniger und unregelmässige Niederschläge bedeuten einen erhöhten Stress, zu Wasser und Trinkwasser zu kommen. Bei einem Temperaturanstieg von 2,5°C werden etwa 45 bis 55 Millionen Menschen zusätzlich von Hunger und Unterernährung betroffen sein, bei einem Anstieg über 2,5°C sind es 65 bis 75 Millionen Menschen, und wenn die Temperatur um 3 bis 4°C ansteigt, werden es gemäss wissenschaftlichen Schätzungen 80 bis 125 Millionen Menschen sein. Im globalen Treibhaus werden Dürren und Überschwemmungen häufiger und die Hurrikane intensiver. Sie haben enormes Zerstörungspotential, nicht nur für einzelne Gebäude oder ganze Städte, sondern auch – weniger bildwirksam – für die Ernten.
Nahrungsmittel sind ein knappes Gut. Das zeigt sich besonders in der aktuellen Nahrungskrise. Ihre Ursache findet sie vor allem in folgenden Faktoren: – Getreide wird weltweit hauptsächlich an Vieh verfüttert. – Getreide ist in liberalisierten Märkten das Spekulationsobjekt von Investmentfonds und Handelsfirmen. – Eine eigenständige, nationale landwirtschaftliche Forschung wurde auf Druck von IWF/WB in vielen Ländern aufgegeben und privaten Firmen überlassen. – Getreidesaatgut wurde in den Händen von Konzernen auf Chemie-Abhängigkeit und regelmässige Bewässerung getrimmt und kollabiert nun unter kargen und trockenen Bedingungen. – Eine falsche Agrar- und Wirtschaftpolitik hat die Bauern vernachlässigt. – Nahrungsmittel werden auf der Suche nach CO2 -neutralen Energien in Treibstoff umgewandelt.
Kurz: Die Krise weist auf den fatalen Cocktail aus Deregulierung und Konzernkontrolle hin, der gewürzt ist mit der Erwartung auf schnelle Profite unter sich verschlechternden Klimabedingungen. Dieser brisante Mix liess anfangs 2008 die Preise explodieren und bedeutet Hunger für Millionen von weniger kaufkräftigen Menschen. Auf dem «Recht auf Nahrung» zu beharren und es einzufordern, ist in der Zeit von Nahrungsspekulation und Klimaerwärmung noch wichtiger als sonst. Von Hunger und Unterernährung Betroffene müssen darin gestärkt werden, eine verantwortliche Regierungspolitik einzuklagen und ihren Zugang zu Land und Wasser oder zu anderen Ressourcen sicherzustellen.
Im globalen Treibhaus ist der Tisch nicht mehr für alle gedeckt. Junge in Indonesien.
Foto: Miges Baumann
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agrotreibstoffe verschärfen das klima-Problem Treibstoffe, die aus Pflanzen und Nahrungsmitteln gewonnen werden, gelten als Wundermittel, die bei gleichem Mobilitäts-Komfort im Norden weniger CO 2 ausstossen. Da die Pflanzen während ihres Wachstums die gleiche Menge CO 2 aus der Atmosphäre binden, welche bei ihrer Verbrennung wieder freigesetzt wird, gelten diese Treibstoffe als CO2 -neutral. Die Nachfrage nach Boden und pflanzlichen Rohstoffen für Agrotreibstoffe ist deshalb schnell am Steigen – entsprechend klettern auch die Nahrungsmittelpreise nach oben. Doch die Hypothese des klimafreundlichen Agrotreibstoffs ist falsch. Die Produktion (Anbau und Verarbeitung) von einer Tonne Palmöl-Diesel auf ehemaligen Urwaldboden (Moorgebiete) in Südostasien setzt zwei bis acht Mal mehr CO2 frei, als das Verbrennen von einer Tonne fossilem Diesel. In Brasilien stammen 80% der nationalen Treibhausgasemissionen nicht vom Autoverkehr, sondern von Brandrodung und Abholzung, teils als Folge der Ausweitung der Soja- und Zuckerrohrplantagen für den Agrartreibstoff-Boom. Soja wächst heute bereits auf 21 Prozent der Anbaufläche Brasiliens – auf rund 20 Millionen Hektar. Weitere 60 Millionen Hektar für Soja sind geplant. Gleichzeitig soll sich die Fläche der Zuckerrohrplantagen verfünffachen. Die wichtigste Treibstoff-Pflanze ist die Ölpalme. In Kolumbien, das noch vor ein paar Jahrzehnten kaum eine einzige Ölpalmplantage hatte, soll die Anbaufläche von Ölpalmen bis auf eine Million Hektar ausgedehnt werden. In Indonesien werden Ölpalmen schon auf über 6 Millionen Hektar angebaut 16
und die Produktion soll sich auf 20 Millionen Hektar ausweiten. Die indische Regierung forciert den Anbau einer anderen Biodiesel-Pflanze: Jatropha. Bis 2012 sollen 14 Millionen Hektar mit ihr bepflanzt sein, auf Flächen, die als «Ödland» bezeichnet werden. Aber es wird bereits von Bauern berichtet, die von ihrem fruchtbaren Land von Firmen vertrieben wurden, um dort Jatropha anzubauen. Die JatrophaHybridsorten, die z. B. in Tansania auf bewässertem Land angebaut werden, widerlegen die Mär von der genügsamen Treibstoff-Pflanze, die auf marginalen Böden wachsen werde. Durch den grossflächigen Anbau von zum Teil gentechnisch veränderten Pflanzen zur Treibstoffgewinnung verlieren viele Kleinbauern ihre Existenzgrundlage.
Ölpalm-Plantage in Ostkalimantan, Indonesien. Agro-Treibstoff anstatt Regenwald? Foto: Miges Baumann
die rolle der Schwellenländer im klimawandel Grosse Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien erlebten in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, welches voraussichtlich auch in nächster Zeit anhalten wird. Damit verbunden steigt der Energieverbrauch dieser Länder rasant an. Da insbesondere in China ein Grossteil der Energie in Kohlekraftwerken gewonnen wird, hat dies auch einen Anstieg der CO2 -Emissionen zur Folge. So hat China die USA als grössten Emittenten abgelöst. Wirft man jedoch einen Blick auf die ProKopf-Emissionen, sieht es anders aus: Die Pro-Kopf-Emissionen von Nordamerika und Europa sind weiterhin um ein Vielfaches höher, als diejenigen von China. China ist ausserdem nicht alleine verantwortlich für seine hohen Emissionen: Im Jahr 2005 war rund ein Drittel der Emissionen durch den Export bedingt (Weber 2008). Somit trägt auch die Schweiz, welche sehr viel importiert und die Emissionen somit auslagert, zu der Bilanz von China bei. Die tiefen Pro-Kopf-Emissionen waren einer der Gründe dafür, dass die Schwellenländer im Kyoto-Protokoll keine Reduktionsverpflichtungen eingehen mussten. Da das 2°-Ziel jedoch nur unter Einbezug aller grosser Emittenten erreich werden kann, soll dies im Hinblick auf die Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 nun geändert werden. Ab dann sollen auch die Schwellenländer in die Pflicht genommen werden. Dies bedeutet, dass insbesondere Länder wie China und Indien konkrete Reduktionsziele annehmen müssen.
In einer Deklaration im Rahmen des G8 Gipfels in Japan im Juli 2008 erklärten sich die G5 (Brasilien, Indien, China, Mexiko, Südafrika) bereit, ihrerseits Mitigations- und Adaptationsmassnahmen zu ergreifen – unter der Bedingung, dass die Industrieländer mit gutem Beispiel voran gehen. Die Industrieländer müssen die Schwellenländer ausserdem durch finanzielle Mittel und Technologie Transfer bei der Umstellung ihrer Produktionsweisen unterstützen, damit diese das Ziel einer klimafreundlichen, aber dennoch blühenden Wirtschaft erreichen.
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klimawandel und Gesundheit Der Klimawandel beeinflusst unsere Gesundheit und ein breites Spektrum von Krankheiten. Die Überträger von Krankheitskeimen wie auch die vorhandene Wassermenge und -qualität, Hitze- und Kältewellen oder die Luftqualität – sie alle verändern sich mit dem Klima. Die Folgen treffen vor allem ältere Menschen und die Armen in grossen Städten. Die Tropen als Klimazone, in der furchtbare Krankheiten wüten – die gemässigten Zonen als sichere Fluchtorte. Das war einmal. Mit der Erwärmung des Weltklimas sehen sich mit einem Mal auch die Länder des Nordens mit vorher unbekannten Krankheiten konfrontiert. – Parallel zu den Mücken, Zecken oder Fliegen, die sich mit steigenden Temperaturen neue Lebensräume erobern, stossen tropische Krankheiten wie Malaria, Cholera oder Dengue-Fieber in neue Gebiete vor. In bisher verschonten Gegenden, etwa in den hochgelegenen Städten Addis Ababa, Nairobi oder Quito, könnte sich die Situation bald ändern. In Kenia dehnt sich die Malaria schon heute in höher gelegenen Gebieten aus. Auch in Ländern des Mittelmeerraumes könnte die Malaria zu einem Problem werden. – Weil das Wasser in Dürregebieten rarer und schlechter wird, leiden mehr Menschen unter Erkrankungen des Verdauungstraktes. – Hitzewellen, Überschwemmungen, Stürme, Brände und Dürre töten Tausende von Menschen oder machen sie anfälliger für Krankheiten.
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Die Gesundheit von verletzlichen Gemeinschaften wird durch den Klimawandel geschwächt. Doch die Auswirkungen gehen über die direkten Krankheiten hinaus: Geschwächte Menschen verlieren auch ihre Fähigkeit, auf die veränderten Bedingungen zu reagieren und werden dadurch noch schwächer.
Überschwemmungen machen Menschen anfälliger für Krankheiten. Foto: Fastenopfer
– Bis zu 80 Mio. Menschen in Afrika sind der Malaria ausgesetzt. Millionen mehr sind vom Dengue-Fieber betroffen. Mit der Klimaveränderung werden die Verbreitungsgebiete von Malaria je nach Region wachsen oder schrumpfen. – In diesem Jahrhundert werden schätzungsweise 182 Millionen Menschen in der Sub-Sahara Afrikas durch klimabedingte Krankheiten umkommen. (Christian Aid 2006, S.8)
Gerechtigkeit im klimawandel – Greenhouse development rights Die Klimaerwärmung trifft jene am härtesten, die am wenigsten dazu beigetragen haben: Arme Menschen im Süden der Welt. Die Klimafrage ist daher unabdingbar verbunden mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit zwischen Menschen verschiedener Regionen und Generationen. das recht auf Entwicklung im globalen treibhaus Armutsbekämpfung und die Milleniumsziele dürfen im Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht aufgegeben werden. Vielmehr müssen sie gleichzeitig geschehen. Das bedingt Anstrengungen auf drei Ebenen: – Klare Zusicherung der entwickelten Länder, ihre Wirtschaft innerhalb einer Generation zu dekarbonisieren (d.h. bis 2050). – Die Anstrengungen armer Länder zu unterstützen, sich dem Klimawandel anzupassen. – Ein globales geltendes neues Abkommen in Kraft zu setzen, welches ein kohlenstoffarmes Entwicklungsmodell vorantreibt, das zu keinem weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre führt.
Der Ansatz der Greenhouse Development Rights (GDR – Entwicklungsrechte im globalen Treibhaus) basiert auf diesen Prinzipien. Der Ansatz sucht Gerechtigkeit in der Entwicklung, in dem die Kosten der CO2 Reduktion auf jene verteilt werden, die fähig sind sie zu tragen und am stärksten für den Klimawandel verantwortlich sind. Damit werden die Chancen erhöht, dass die globale Klimaerwärmung unter 2°C bleibt. Im Zentrum der GDR steht ein Verantwortlichkeitsund Fähigkeitsindex (Responsibility and Capability Index – RCI) für alle Länder. Der RCI nutzt die belegten kumulativen CO 2 Emissionsdaten als Massstab für die Verantwortlichkeit sowie Daten über die Kaufkraftparität und die Verteilung des Reichtums als Massstab für die Fähigkeit. 1 Der GDR-Ansatz ist vor allem ein Vorschlag, wie die Lasten verteilt werden sollen, wie immer auch die Kosten aussehen werden. Frühes Handeln wird die wirtschaftlichen Kosten verkleinern und auch die menschlichen Kosten werden tiefer sein, indem Dürren, Überschwemmungen, Stürme, Konflikte, Vertreibungen und Todesfälle vermieden werden können. Aus diesen Gründen unterstützen und fordern viele Hilfswerke, so auch Brot für alle und Fastenofper, dass die globalen CO2 -Emissionen schnell und drastisch gesenkt werden und parallel dazu jene, die am meisten unter den Folgen leiden, Unterstützung erhalten.
Die Fähigkeitsseite des RCI ist nicht nur an die Kaufkraftparität eines Landes angepasst, damit die Lebenskosten und das Einkommen verschiedener Länder abgebildet werden, sondern auch an die Verteilung des Wohlstandes inerhalb eines Landes. Länder mit einem grossen Wohlstandsgefälle müssten so mehr bezahlen. Auf diese Weise tragen auch die superreichen Eliten in armen Ländern die Kosten einer CO 2 -Reduktion mit.
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Bauern und Viehzüchter in Äthiopien spüren die klimaerwärmung seit langem Boru Abagudo ist 70 Jahre alt, Borana und stolzer Viehzüchter im kargen Süden Äthiopiens. Er mag sich nicht erinnern, dass das Wetter in seiner Jugend so verrückt gespielt habe. Aber seit etwa 20 Jahren komme der Regen nicht mehr regelmässig, bleibe manchmal ganz aus oder sei dann viel zu stark. Viele Wasserstellen trocknen aus. Die Kühe sind abgemagert und ertragen die lange Trockenheit nicht. Geissen und Kamele kommen mit der Trockenheit besser zurecht. Bei den Borana, die seit Jahrhunderten im kargen Busch mit und von den Kühen leben, zerstört die Klimaerwärmung nicht nur die Lebensgrundlagen, sondern untergräbt auch die kulturelle Identität. Äthiopien, eines der grössten, bevölkerungsreichsten und ärmsten Länder Afrikas, leidet unter Kriegen, Überbevölkerung und einer verfehlten Wirtschafts- und Agrarpolitik. Die überall sichtbaren Folgen: Grassierende Armut, Mangelernährung, Durst. Mit dem Klimawandel verschlechtert sich die Lage der mehrheitlich bäuerlichen Bevölkerung noch weiter. Unregelmässige und oft ausbleibende Niederschläge lassen die Ernten verdorren. Und bisweilen viel zu heftige Regenfälle führen zu Überschwemmungen und zerstören die Ackerflächen.
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Ein ausweg aus der krise? Vor rund 20 Jahren startete die äthiopische Genbank ein einzigartiges Projekt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft und zur bäuerlichen Züchtung von dürretoleranten Elite-Getreidesorten. Die spektakulären Erfolge des Seeds of Survival-Programms (SoS) wurden bald weltweit bekannt und so zur Bedrohung für SaatgutKonzerne, die ihren Absatz von chemiesüchtigen Hybrid-Sorten gefährdet sahen. Deshalb intervenierten die Saatgutfirmen bei korrupten Politikern, und die äthiopische Regierung liess das erfolgreiche Projekt stoppen. Heute laufen dieselben Aktivitäten als unabhängige NGO-Initiative weiter 1, deren Wirkung deshalb etwas begrenzt ist. Doch die Millionen von Kleinbauern des ganzen Landes hätten angesichts häufiger Trockenheit und explodierender Düngerpreise Saatgut nötig, das lokal angepasst, trockenheitstolerant und nicht von Kunstdünger abhängig ist.
Siehe http://usc-canada.org/what-we-do/africa/ethiopia/ und http://cbdcnetwork.multiply.com
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Dank der Wasserernte ist sogar der Anbau von Gemüse möglich. Frauen in Äthiopien.
Boru Abagudo.
Foto: Miges Baumann
Baum in Äthiopien.
Foto: Miges Baumann
Foto: Miges Baumann
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Schnelles handeln im Norden notwendig Die Industrieländer haben eine riesige Aufgabe vor sich: Sie müssen die CO2 -Emissionen ihrer Energieversorgung und Wirtschaft innert weniger Jahre drastisch reduzieren. Der Ausstieg aus fossilen Energien muss innert einer Generation bis etwa 2050 geschehen. Im klimapolitischen Vokabular werden solche Massnahmen als Mitigation bezeichnet und meinen das Verhindern von und den Ausstieg aus CO 2 verursachenden Energietechniken. Die Anpassung an die Klimaerwärmung, die bereits im Gange ist, die Vorsorge vor Schäden (z.B. Schutz vor Überschwemmungen oder Hitzewellen) und das Verringern der Verletzlichkeit – besonders von ärmeren Bevölkerungsgruppen – nennt sich Adaption. Beides ist dringend und muss gleichzeitig geschehen. Das Recht auf Entwicklung für den Süden darf dabei nicht aufgegeben werden. Gerechtigkeit im Klimawandel bedeutet, dass Entwicklungsländer eine etwas längere Anpassungsperiode erhalten, erstens, weil diese bisher kaum zum globalen Treibhaus beigetragen haben und zweitens, weil sie mehr Zeit brauchen, die nötigen Investitionen für saubere Technologien aufzubringen und
Damit das Recht auf Nahrung kein frommer Wunsch bleibt.
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gleichzeitig die Entwicklung ihrer Gesellschaft voranzutreiben. Für Adaptions- und Mitigationsmassnahmen auch in Entwicklungsländern müssen Finanzmittel generiert werden. Es besteht das Risiko, dass Entwicklungsgelder künftig nicht nur für nachhaltige Entwicklung eingesetzt werden, sondern vor allem für Adaption und Mitigation verwendet werden. Beim Klima handelt es sich aber um ein globales öffentliches Gut, das global zu finanzieren ist. Finanzmittel, die die Auswirkungen des Klimawandels zu lindern trachten, sind daher unabhängig von der Entwicklungshilfe zu beschaffen.
cO2 sichtbar machen Das Treibhausgas CO 2 ist für das menschliche Auge unsichtbar. Auch in den Jahresberichten von Grosskonzernen war CO 2 lange nicht sichtbar: Es wurde nicht darüber berichtet, wie viele CO 2 -Emissionen die Firmen bei ihrer Produktion oder Dienstleistungen verursachen. Das wollte die englische Organisation CDP (Carbon Disclosure Project, zu Deutsch: Projekt zur Offenlegung von Kohlenstoff) ändern. CDP überzeugte Banken, Pensionskassen und weitere Grossinvestoren, als Aktionäre entsprechende Informationen von multinationalen Firmen zu verlangen. Heute vertritt CDP ein Gesamtvermögen von 57’000 Milliarden US Dollars, betreibt die grösste Datenbank weltweit über Firmenemissionen und führt einen Dialog über Geschäftsrisiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel. www.cdproject.net
das kyoto-Protokoll. Und was kommt danach? Das Kyoto-Protokoll ist ein Zusatzprotokoll zur Klimarahmenkonvention (UNFCCC) der Vereinten Nationen.1 Es wurde am 11. Dezember 1997 beschlossen, trat am 16. Februar 2005 in Kraft und läuft 2012 aus. Das Abkommen schreibt erstmals verbindliche Zielwerte für den Ausstoss von Treibhausgasen fest. Das Protokoll schreibt vor, den jährlichen Treibhausgas-Ausstoss der Industrieländer in der ersten Periode (2008 bis 2012) um durchschnittlich 5,2% gegenüber 1990 zu reduzieren. 177 Staaten – aber nicht die USA – haben das Abkommen bisher ratifiziert. Der Wachstumstrend der Treibhausgase geht aber unvermindert weiter. Auch die Schweiz vermag ihren Verpflichtungen noch nicht nachzukommen (vgl. Fig. 6). Für die Zeit nach 2012 wird seit Dezember 2007 verhandelt. Damit ein Nachfolgeabkommen rechtzeitig in Kraft treten kann, müssen diese Verhandlungen an der Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 erfolgreich abgeschlossen werden. Das Kyoto-Protokoll sieht mehrere freiwillige Mechanismen zur Erreichung der Ziele vor. Ein Mechanismus ist der Handel mit Emissionsrechten. Ein anderes Instrument ist der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism – CDM), mit dem
ein Industrieland Massnahmen zur CO 2 Reduktion in einem Entwicklungsland durchführen kann. Mögliche Massnahmen im CDM betreffen die Herstellung sauberer Energie (z.B. Solar, Wind, Holz, Kleinkraftwerke, die Erhöhung der Energieeffizienz, aus Pflanzen hergestellte Treibstoffe) sowie Aufforstungen und Wiederaufforstungen. Klar ist, dass die Reduktionsziele des Protokolls viel zu bescheiden sind und die globale Erwärmung nicht einmal verlangsamen konnten. Die Erwärmung darf 2°C nicht überschreiten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist gemäss dem UNO-Klimabericht (IPCC) eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 25 bis 40% bis 2020 und um 85 bis 95% bis 2050 (Basis 1990) im Norden notwendig. Zusätzlich wird insbesondere von NGO’s, welche den Ansatz der Greenhouse Development Rights vertreten, die Finanzierung von Emissionsreduktionen und Entwicklungsanstrengungen im Süden gefordert.
55.00
54.00
53.00
52.00
51.00
[Mio. t CO2-eq] 50.00
49.00
48.00
47.00
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
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2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
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2009
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2012
Fig. 6: Verlauf der treibhausgasemissionen in der Schweiz von 1990 bis 2006. der durch das kyoto-Protokoll angestrebte Zielwert (rot) beträgt 48.6 mio. tonnen. dieser muss im durchschnitt über die Jahre 2008 bis 2012 erreicht werden. 1
Siehe http://unfccc.int/kyoto_protocol/items/2830.php 23
die Erde mit andern teilen Der Klimawandel ist kein Thema der Bibel, eine Schöpfungsspiritualität und – Ethik hingegen schon. Nach biblischem Verständnis ist die Natur nicht wie in der Neuzeit ein Gegenstand, sondern das Gegebene, eine Gabe. Die Menschen leben aus dem Geheimnis des Lebens, das sie in allem Geschaffenen wahrnehmen. Sie erleben die erneuernde Geistkraft Gottes in allem Gegebenen. Und weil sie sich als wesentlichen Teil dieses Schöpfungsprozesses verstehen, übernehmen sie die Verantwortung, die Erde wie einen Garten «zu bebauen und zu bewahren» (Gen. 2,15). Biblische Spiritualität ist also geprägt von Dankbarkeit für die Gaben und Respekt vor allem Lebenden. Und sie versteht die Ehrfurcht vor dem Leben und vor der Schöpfung im selben Moment als Ehrfurcht vor Gott. Karl Barth hat diese Beziehungsverhältnisse in seiner «Kirchlichen Dogmatik» besonders hervorgehoben. Er verbindet dort den Schöpfungsakt mit der Bundesbeziehung zwischen Gott und Menschen sowie den Beziehungen der Menschen untereinander. Die menschliche Sünde besteht im Zerbrechen dieser Beziehungen. Die Krise der globalen Erwärmung – so die Theologin Paula Clifford 1 – zeugt davon, dass die Menschen die Beziehung zur Schöpfung verloren haben. Es geht dabei nicht nur um ein Versagen von Individuen, sondern um «strukturelle Sünde», um eine falsche Grundausrichtung der Gesellschaft. Umkehr und Versöhnung bedeuten eine Wiederherstellung all dieser Beziehungen. Dazu gehört auch, dass die Kluft zwischen Reich und Arm beim Verbrauch natürlicher Ressourcen überwunden wird – «der Glaube an die gute Schöpfung ist ein Weg, die Erde mit 24
andern zu teilen» (D. Sölle). Zur speziellen Verantwortung der Kirchen in den Industriestaaten gehört, dass sie beitragen, die ökologische Schuld ihrer Länder bewusst zu machen. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass diese die Hauptlasten für von ihnen verursachte Schäden an der Atmosphäre übernehmen. Der Klimawandel macht uns bewusst, dass wir an der Gestaltung von Lebensverhältnissen beteiligt sind, die über den Horizont unserer eigenen Lebenszeit weit hinausweisen. Christinnen und Christen sind dazu berufen, durch ihren Lebensstil auch andere zum Umdenken zu bewegen. Die Kirchen wiederum können durch ihre weltumspannenden Beziehungsnetze viel zu einem den ganzen Erdkreis einschliessenden und in diesem Sinne «ökumenischen» Handeln beitragen, das angesichts der globalen Krise unabdingbar ist. Brot für alle und Fastenopfer haben bereits 1973 die Umweltthematik in die ökumenische Kampagne integriert und später den kirchlichen Leitkanon Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung aufgenommen. Anfangs der 90er Jahre haben die Kirchen die Klimaerwärmung als «ein Zeichen der Zeit» erkannt, das nach biblischem Verständnis dazu herausfordert, eine Umkehr vorzunehmen und die Beziehung zu Gott und zur gesamten Schöpfung zu erneuern. 1992, zur Zeit der UNO-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio, hat der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) die erste Erklärung zum Klimawandel verabschiedet. Sie ruft die Begüterten auf, ihren Lebensstil zu überdenken und zu verändern. Der Schweizerische Evangelischen Kirchenbund SEK und die Schweizerische Bischofs-
konferenz beteiligten sich 1997 an der Internationalen Klimapetition, die in der Schweiz von OeKU getragen wurde. Der Klimawandel, der sich ungleich auf Arme und Reiche auswirkt, führt dazu, dass in der Bewahrung der Schöpfung die Gerechtigkeitsfrage immer stärker in den Vordergrund rückt. Nicht zufällig betonen vor allem christliche Hilfswerke, allen voran die britische Christian Aid, energisch die Gerechtigkeit im Klimawandel. Sie insistieren darauf, dass zur Bewältigung der Krise nicht nur dringend der Ausstoss von Treibhausgasen vermindert, sondern gleichzeitig die Armen in ihrem Recht auf Entwicklung gestärkt werden müssen. 1998 entstand das «European Christian Environmental Network» (ECEN), das sich auch der globalen Erwärmung widmet. Im Netzwerk arbeitet die Oekumenische Arbeitsgruppe Kirche und Umwelt (OeKU) mit, die im September 2007 in der Schweiz die ökumenische Kampagne «Schöpfungszeit» zum Thema Energie und Konsum durchführte. Der ÖRK ist seit einiger Zeit daran, die Klimaerwärmung systematisch als «ethischen und theologischen Imperativ» in den Mitgliedskirchen zu verankern. APRODEV, der europäische Zusammenschluss ÖRK verbundener Hilfswerke, engagiert sich auf EUEbene und im Hinblick auf die UNOVerhandlungen für ein faires Nach-KyotoProtokoll. Die Aprodev – Organisationen benutzen dabei den Greenhouse Development Rights Ansatz. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) hat im Frühjahr 2008 eine
Grundsatzstudie zur «Energieethik»2 verfasst und verfügt damit über eine Grundlage für künftige energie- und klimapolitische Positionen, die ethisch begründet sind. Eine umfassende Textsammlung zu Schöpfungsspiritualität und Klimawandel hat die Evangelische Landeskirche Zürich im Dossier 23 «Geist und Klima» publiziert3. Auch die katholische Seite befasst sich mit der Klimaerwärmung. So stellt die deutsche Bischofskonferenz die globale Erwärmung als die «umfassendste Gefährdung der Lebensgrundlagen der heutigen und der kommenden Generationen sowie der aussermenschlichen Natur» dar und sieht diese aufgrund der grossen Ungleichheit zwischen Verursachern und Leidtragenden als «Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit».4 Im Dachverband CIDSE engagieren sich Fastenopfer und andere katholische Hilfswerke ebenfalls in einer Klimakampagne.
der cO2 -rechner für kirchgemeinden Zusammen mit der OeKU hat Brot für alle einen online CO 2 -Rechner für Kirchgemeinden entwickelt (www.CO2-Rechner.ch). Er zeigt auf, wie tief der Fussabdruck in Kirchgemeinden und Pfarreien wirklich ist und soll die Verantwortlichen ermuntern, die Nutzung der Heizenergie und die Isolation von Gebäuden zu verbessern. Der CO 2 -Rechner und der Spezialfonds Klima und Entwicklung von Brot für alle und Fastenopfer erlauben es, das eigene Haus in Ordnung zu bringen und sich im gemeinsamen Haus der Ökumene für Gerechtigkeit einzusetzen.
Paula Clifford, Mitfühlen mit den Vielen im Volk, in: Aktionsmagazin, Ökumenische Kampagne 2009 von Brot für alle und Fastenopfer, s. 9ff 2 Otto Schäfer, SEK 2008: Energieethik. Zukunftsfähige Perspektiven nach dem Erdölzeitalter. www.sek-feps.ch 3 Gina Schibler, Mathias Krieg (Hrsg.), Geist und Klima, Dossier 23, Fachstelle Spiritualität und Kultur, Haus am Lindentor, Hirschengraben 7, 8001 Zürich, www.lindentor.ch 4 Siehe http://www.dbk.de/aktuell/meldungen/01182/index.html 1
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die aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit Die Klimaerwärmung kann die bisherigen Entwicklungsanstrengungen zerstören. Entwicklungsagenturen und Hilfswerken kommt deshalb eine zentrale Rolle zu, ihre Arbeit anzupassen und auf die Gefahren des globalen Treibhauses zu reagieren (Climate Proofing). Als erstes ging es Brot für alle und Fastenopfer darum, das Bewusstsein in der eigenen Organisation zu stärken und das eigene Haus systematisch in Ordnung zu bringen (Umweltmanagement, Verankerung des Themas in der Strategie). Ebenfalls soll das Haus im weiteren Sinn, d.h. die Kirchen und Kirchgemeinden, miteinbezogen werden (z.B. CO 2 Rechner für Kirchgemeinden, Ausbau der Beratung, Spezialfonds Klima und Entwicklung). Brot für alle und Fastenopfer engagieren sich zudem mit Sensibilisierungsarbeit, Kampagnen und advocacy-Programmen. Ein neues Südprogramm sowie der Klimafonds helfen, die Kapazitäten der Südpartner zu stärken, mit der Klimaerwärmung umzugehen.
Mitigation und Entwickung widersprechen sich nicht. Foto: Christian Aid 26
Die Entwicklungszusammenarbeit muss aktiv auf die Gefahren der Klimaerwärmung reagieren. Es geht darum, die Verletzlichkeit der Armen zu reduzieren, deren Lebensgrundlage zu sichern und ihre Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Projekte und Aktivitäten müssen «katastrophensicher» werden und die Stimmen der Betroffenen stärken.
der Spezialfonds klima und Entwicklung von Brot für alle und Fastenopfer Klima- und entwicklungsrelevante Aktivitäten, wie die Förderung von alternativen Energiequellen und effizienteren Kochgeräten oder auch Baumschulen und Aufforstungen, können gezielt ausgebaut werden. Bäume und Wälder spielen eine wichtige Rolle bei der Adaptation (Anpassung): Sie helfen, die Hitze zu regulieren, bieten Schutz und Zuflucht, speichern Wasser, tragen zur Regulation des Wasserkreislaufs und des lokalen Klimas bei und vermindern das Risiko der Erosion. Durch ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, spielen Bäume und Wälder aber auch bei der Mitigation (Vermeidung) eine Rolle. Ausserdem können sie nachhaltig als nicht-fossile Energieträger genutzt werden. Brot für alle und Fastenopfer schaffen einen Klimafonds, mit dem Kirchgemeinden und Privatpersonen ein Handlungsangebot erhalten, das auf die Gerechtigkeit im Klimawandel ausgerichtet ist. Hauptziel des Fonds ist, die Verletzlichkeit der ärmsten Bevölkerung im Süden zu vermindern. Die zusätzlichen Mittel werden für Entwicklungsprojekte eingesetzt, die eine starke Adaptions-, Mitigations- oder Advocacy-Komponente aufweisen. Der Fonds schafft auch eine CO 2 -Kompensationsmöglichkeit, weil Mitigations-Projekte nicht nur die Auswirkungen, sondern auch den Klimawandel an sich vermindern.
das konsumverhalten ändern Unsere Essgewohnheiten und unser Konsumverhalten sind auf das Engste mit der Klimaerwärmung verknüpft. Jede und jeder Einzelne kann auch individuell etwas im Kampf gegen die Klimaerwärmung unternehmen. Unsere Konsumgewohnheiten stehen dabei im Vordergrund. Um ein Kilogramm Getreide zu produzieren – so die Schätzung der FAO – verbrauchen Bauern in industrialisierten Ländern durchschnittlich fünf Mal mehr Energie als afrikanische Bauern. Und ein industrialisierter Farmer in den USA verbraucht für die Pro-
duktion von einem kg Mais 33 Mal so viel Energie wie sein traditioneller Nachbar in Mexiko. Trotz allem wird «nur» ein Viertel der Energie, die heutzutage im Durchschnitt benötigt wird, um die Nahrung auf unsere Teller zu bringen, von der Landwirtschaft selbst verbraucht. Die wirkliche Energieverschwendung und die Verschmutzung geschieht im weltweiten internationalen Nahrungsmittelsystem: Verarbeitung, Verpackung, Einfrieren, Einkochen und Transport rund um den Globus.
Bäume bieten Schutz und Zuflucht, speichern Wasser und vermindern Risiken.
Foto: Miges Baumann
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Neben der Energie ist auch der Wasserverbrauch ein zunehmendes Thema. Bewässerung in der Landwirtschaft verbraucht etwa drei Viertel des globalen Süsswassers. In jedem Lebensmittel stecken riesige Mengen an virtuellem Wasser. So werden zur Herstellung einer Tasse Kaffee etwa 140 Liter Wasser benötigt. Kaufentscheide von kritischen und bewussten KonsumentInnen werden also immer komplexer. Eine einfache Faustregel könnten die folgenden Kriterien für den Einkauf bieten: Fair, saisonal und regional Wenn möglich biologisch und energiesparend produzierte und möglichst wenig verarbeitete Produkte. Viele Ratgeber bieten zudem Tipps für ein umweltverträglicheres Mobilitätsverhalten und zum Energie sparen an. So zum Beispiel Greenpeace1 oder das Bundesamt für Energie 2 .
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rindfleisch und klimawandel Unser Fleischkonsum ist in hohem Masse klimarelevant. Die Viehwirtschaft ist weltweit für 18% aller Treibhausgasemissionen, gemessen in CO 2 Äquivalenten, verantwortlich (FAO 2006, S.112). Ein wichtiger Teil davon stammt vom Abholzen von Wald zugunsten von Weiden. Salopp ausgedrückt stösst eine Kuh pro Tag so viele CO 2 -Äquivalente aus wie ein Auto auf 50 Kilometern. Die Haltung von Rindern auf Weiden, die einst Regenwald waren, ist eine sehr ineffiziente Herstellungsmethode von Nahrung: Zehn Hektare können so nur gerade einen Menschen ernähren. (Zum Vergleich: In Asien können mit Reisbau auf einer gleichen Fläche 160 Menschen ernährt werden.) Trotzdem: Für viele Bauern und Nomaden ist die Viehhaltung eine wichtige Einkommensquelle und in einigen Gebieten (z.B. in den Alpen) die einzige Bewirtschaftungsmöglichkeit. Proteine sind zudem Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung.
Siehe www.greenpeace.ch/was-kann-ich-tun/besser-leben/energie/ Siehe www.bfe.admin.ch/dienstleistungen/00466/index.html?lang=de
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Entwicklungspolitische Position von Brot für alle/Fastenopfer «Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die existenziellen Bedürfnisse der Menschen nicht dem freien Markt überlassen dürfen. Nicht die Bildung, nicht das Wasser, nicht die Ernährung – und auch nicht das Klima.» Dr Vandana Shiva, Trägerin des alternativen Nobelpreises Brot für alle und Fastenopfer vertreten folgende entwicklungspolitische Positionen: Gegenüber der Schweiz: – Die Schweiz soll alles tun dafür, dass die globale Oberflächen-Temperaturerhöhung unter 2º C gehalten wird. – Dazu soll die Schweiz eine Verringerung ihrer CO2 -Emissionen um 40% im Inland wenn möglich bis zum Jahr 2020 anpeilen und im gleichen Umfang eine CO2 -Reduktion im Ausland ermöglichen. – Für die Reduktion im Ausland sollen nur Emissions-Zertifikate erworben werden, die aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht nachhaltig sind (z.B. CDMGold Standard, welcher klar festgelegte und kontrollierbare Kriterien enthält). – Die notwendigen finanziellen Mittel für Mitigation und Adaptation sind zusätzlich zu den von der UNO geforderten Mittel (Ziel 0.7%) aufzubringen, z. B. über eine globale CO2 -Abgabe. – Für die Koordination aller Massnahmen müssen Instrumente im Rahmen der UNO geschaffen werden.
Gegenüber den Kirchen – Die Schweizer Kirchen werden eingeladen, sich das Konzept der Greenhouse Development Rights anzueignen. – Kirchgemeinden und Pfarreien werden aufgerufen, den CO2 -Rechner (www.CO2Rechner.ch) zu benutzen, eigene Reduktionsmassnahmen zu ergreifen und den Spezialfond Klima und Entwicklung von Brot für Alle/Fastenopfer zu unterstützen. Gegenüber Unternehmen – Veröffentlichung einer CO 2 -Bilanz der gesamten Aktivitäten – Massnahmen zur Reduktion
Foto: Céline Füri
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Quellen, weiterführende informationen, Netzwerke hauptquelle Die Berichte des Internationalen Rates zur Klimaveränderung (International Panel on Climate Change – IPCC ) der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des UNO Umweltprogramms (UNEP). www.ipcc.ch IPCC, 2007: Climate Change 2007: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fourth Assessment, Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, Pachauri, R.K and Reisinger, A. (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 104 pp. First published 2008, ISBN 92-9169-122-4
weiterführende informationen und websites www.klimaundentwicklung.ch www.ecoequity.org/GDRs – Greenhouse Development Rights www.brot-fuer-die-welt.de/ kampagnen/index.php – Die Studie Klimawandel und Ernährungssicherheit www.christianaid.org.uk – Report: Truly Inconvenient 30
– Report: The climate of poverty: facts, fears and hope, 2006 – Report: The human face of climate change – Report: Theology and climate change Klimainfo.ch. www.klimainfo.ch Agrotreibstoffe: www.agrotreibstoffe.ch www.sek-feps.ch/media/pdf/Mitarbeitende/ Schaefer/Energieethikstudie1_de.pdf – Energieethik-Studie des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) www.upinsmokecoalition.org – Up in Smoke? Reports from the Working Group on Climate Change and Development, 2007 Netzwerke – APRODEV: Verband der Entwicklungsorganisationen mit Bezug zum Ökumenischen Rat der Kirchen. Spezielle Arbeitsgruppe zu Klimawandel und Entwicklung, Brot für Alle ist Mitglied. www.aprodev.net – CIDSE: Allianz von 16 katholischen Entwicklungsorganisationen. Fastenopfer ist Mitglied. www.cidse.org – Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik Schweiz, Brot für Alle ist Mitglied. www.gruene.ch/d/aktuell/d_ gemeinsameerklaerung_co2.pdf – Climate Action Network CAN, der Ökumenische Rat der Kirchen ÖRK ist Mitglied. www.climatenetwork.org
Quellenverweise Bafu 2008: Emissionsübersicht - Emissionen nach CO2 -Gesetz und Kyoto-Protokoll (Stand Juni 2008) http://www.bafu.admin.ch/klima/06538/06541/06589/index.html?lang=de Brot für die Welt/Germanwatch 2007: Klimawandel und Ernährungssicherheit – Trends und zentrale Herausforderungen – Erste Ergebnisse eines gemeinsamen Studienvorhabens. ChristianAid 2006: The climate of poverty: facts, fears and hope. www.christianaid.org.uk/Images/climate_of_poverty_tcm15-21613.pdf FAO 2006: Livestocks long shadow – environmental issues and options, Rome. ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/010/a0701e/a0701e.pdf IPCC 2007: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. Deutsche Übersetzung durch ProClim-, österreichisches Umweltbundesamt, deutsche IPCC-Koordinationsstelle, Bern/Wien/Berlin, 2007. www.proclim.ch/IPCC.html Jouzel et. al 2006: Orbital and Millennial Antarctic Climate Variability over the Past 800,000 Years, Science. Robine, J.M., Cheung, S.L., Le Roy, S., Van Oyen H. and Herrmann, F.R. 2007: Report on excess mortality in Europe during summer 2003. http://ec.europa.eu/health/ph_projects/2005/action1/docs/action1_2005_a2_15_en.pdf Stern 2006: Stern Review on the economics of climate change, HM Treasury, UK 2006 (The Treasury is the United Kingdom›s economics and finance ministry.). www.hm-treasury.gov.uk/sternreview_index.htm Weber, C.L., Peters, G.P., Guan, D. and Hubacek, K. 2008: The contribution of Chinese exports to climate change, Energy Policy, Energy Policy, Volume 36 (9), 3572-3577.
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Brot für alle/Fastenopfer, Bern/Luzern, Dezember 2008, 2. Ausgabe Miges Baumann und Mirjam Kosch Advico Young & Rubicam, Zürich Brot für alle, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64, materialstelle@bfa-ppp.ch Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10, mail@fastenopfer.ch CHF 9.– 31
Der globale Klimawandel ist die umfassendste Bedrohung der natürlichen Ökosysteme und der menschenwürdigen Existenz überhaupt. Die Klimaerwärmung trifft jene am härtesten, die am wenigsten dazu beigetragen haben: Arme Menschen im Süden der Welt. Die Klimafrage ist daher unabdingbar verbunden mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit zwischen Menschen verschiedener Regionen und Generationen. Benachteiligte Menschen im Süden leiden schon heute am stärksten unter veränderten
Wetterbedingungen, häufigeren Trockenheitsperioden, Stürmen oder Überschwemmungen. Wenn es nicht gelingt, den Ausstoss von Treibhausgasen massiv und schnell zu verringern und die weltweite Temperaturerhöhung unter 2°C zu halten, werden Hunger, Durst und Konflikte unbewältigbare Dimensionen annehmen und die bisherigen Entwicklungsanstrengungen zunichte machen.
Brot für alle ist der Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Brot für alle unterstützt weltweit gegen 400 Entwicklungsprojekte und -programme in 60 Ländern und führt jährlich während sechs Wochen vor Ostern eine Sammlungs- und Informationskampagne durch. Damit die Benachteiligten im Süden ihre Lebensbedingungen selber verbessern können, setzt sich Brot für alle für gerechtere Strukturen ein. Brot für alle, Monbijoustrasse 29, Postfach 5621, 3001 Bern Telefon 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64, www.brotfueralle.ch, bfa@bfa-ppp.ch
Fastenopfer ist das Hilfswerk der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Die 350 Projekte in 16 Ländern weltweit bauen auf die Stärkung lokaler Gemeinschaften, in denen sich Menschen zusammenschliessen und Lösungen für bessere Lebensbedingungen suchen. Fastenopfer engagiert sich auf nationaler und internationaler Ebene für bessere entwicklungspolitische Rahmenbedingungen und mehr Gerechtigkeit. Fastenopfer, Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10, www.fastenopfer.ch, mail@fastenopfer.ch