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DEIN REICHTUM, MEIN HUNGER Liebe Leserin, lieber Leser

Nr. 1 | 2011

Wenn der Napf ein Peruaner wäre Ein Kurzilm siedelt das Thema «Bodenschätze und Menschenrechte» mitten in der Schweiz an. Seite 2 Burkina Faso: ein lehrreiches Spektakel Um die Folgen der Korruption aufzuzeigen, zieht eine Theatergruppe von Dorf zu Dorf. Seite 7 Neue Postkarten des Fastenopfers Vier Serien Postkarten zeigen Menschen, mit denen Fastenopfer zusammenarbeitet. Seite 8

Seit 50 Jahren setzt sich Fastenopfer für benach­ teiligte Menschen in Entwicklungsländern ein. 50 Mal haben wir mit Ihnen zusammen die Fastenzeit gestaltet. Dabei ging es immer wieder darum, die eigene Haltung zu verändern – das ist mühsam und schwierig. Doch am Ende steht jeweils das Leben, die Auferstehung: Ostern. Das Jubiläum werden wir am 11. November in Bern entsprechend fei­ ern. Doch zunächst gilt unser Augenmerk der diesjährigen Kampagne. Das Thema «Des einen Schatz, des andern Leid – Bodenschätze und Menschenrechte» weist auf ein Problem hin, das uns alle angeht: In vielen Entwicklungsländern herrscht Armut trotz unglaublichen Res­ sourcenreichtums, Hunger trotz Bodenschätzen. Warum ist die Welt­ wirtschaft so ungerecht? Weil wir Menschen sie so gestalten – das können wir ändern, indem wir handeln! Die Texte im INFO und in der Fastenagenda erzählen davon und laden Sie ein, etwas zu tun – zum Beispiel mit einer Unterschrift unter unsere Petition. Der Schatz, den wir suchen, heisst Menschenwürde, Gerech­ tigkeit oder auch Reich Gottes. Danke, dass Sie Fastenopfer dabei kräf­ tig unterstützen! Die Menschen im Süden danken es Ihnen. Herzlich

Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer


3 Fragen

WIE HANDYS HUNGER VERURSACHEN Muhigirwas grösster Wunsch ist, dass Artikel 58 der kongolesischen Verfas­ sung respektiert wird: «Allen Kongo­ lesen steht das Recht zu, von den nationalen Reichtümern zu proitie­ ren. Der Staat hat die Plicht, sie neu gerecht aufzuteilen und so das Recht auf Entwicklung zu garantieren.»

tum der Erde soll allen dienen. Dazu stellen wir in einer Petition zwei For­ derungen an den Bundesrat. Fastenopfer engagiert sich mit sei­ nen Partnern auch vor Ort, damit Menschen genug zu essen haben. Das Hilfswerk unterstützt Bauernfa­ milien, die sich gegen Vertreibung wehren. Und es zeigt Eltern alterna­ tive Einkommensmöglichkeiten auf, damit sie ihre Kinder nicht zur Arbeit in die Minen schicken.

Petition an den Bundesrat Auch die ökumenische Kampagne 2011 verlangt, dass das Recht auf Nahrung nicht durch die Bergbauin­ dustrie gefährdet wird. Der Reich­

Jetzt Petition unterschreiben: www.rechtaufnahrung.ch/ petition Matthias Dörnenburg, Leiter Kommunikation

Die Demokratische Republik Kongo ist eines der reichsten Länder – gemessen an den Bodenschätzen. Doch die Menschen sind arm. Die ökumenische Kampagne 2011 zeigt, wie wir von ihrer Ausbeutung proitieren.

Hanspeter Müller-Drossaart, Schauspieler

Anlässlich der Rosenaktion am 2. April verkaufen Sie zusammen mit anderen Freiwilligen in Zü­ rich Rosen. Weshalb engagieren Sie sich in Ihrer Freizeit als Ro­ senverkäufer? Es ist mir eine ethische Plicht, meine öffentliche Bekanntheit auch für die Menschenrechte und zur Hilfe für Notleidende zur Verfügung zu stellen. Es geht uns hier in der Schweiz sehr gut. Ein Teil unseres Glückes sollten wir versuchen weiterzugeben. Welche Beziehung haben Sie zu Fastenopfer? Durch die katholische Erziehung bin ich mit den kleinen violetten Opfersäcklein aufgewachsen. Ich war als Kind sehr stolz darauf, helfen zu können. Ich versuchte immer möglichst viele kleine Münzen zu sammeln, damit mein Opfersäcklein gross und schwer wurde. Die diesjährige Kampagne «Bo­ denschätze und Menschenrech­ te» zeigt: Wegen unseren Han­ dys müssen Menschen hungern. Was sagen Sie dazu? Ich bin froh, dass wir in der heu­ tigen Zeit umfangreicher über die ungerechte Verteilung der Güter auf der Erde informiert sein können und dass sich so viele respektable Organisationen wie Fastenopfer um eine Verbes­ serung bemühen. Das Leben ge­ hört allen. Und es ist wichtig, dass alle Menschen ein würdiges Leben führen können.

Lubumbashi, Süd­ kongo: Auf dem Areal einer still­ gelegten Kupfer­ mine türmt sich ein Berg aus Ab­ raum. Wie Amei­ sen kraxeln Menschen rauf und run­ ter. Sie suchen Erz, das sie einem Händler verkaufen können. Es ist Schwerstarbeit. Sie stecken 25 Kilo Erzbrocken und mehr in einen Sack und schleppen sie den Berg hinab. Doch die Qualität des Erzes ist ge­ ring, das Einkommen minimal. Ge­ schätzte 90 % aller kongolesischen Erze stammen von solchen Einzel­ schürfern. Sie riskieren ihre Gesund­ heit für Mineralien wie Koltan für unsere Handys oder Kupfer für elek­ trische Leitungen und Schaltungen. Konzessionen neu verhandeln Der Jesuit Ferdinand Muhigirwa, vom 9. bis 17. März zu Gast in der Schweiz, beobachtet seit Jahren die Minenindustrie im Kongo. Seine Analysen haben dazu geführt, dass Bergbauirmen ihre Konzessionsver­ träge mit dem Staat neu verhandeln mussten. Für bessere Arbeitsbe­ dingungen, Umweltschutzmassnah­ men und Transparenzkriterien.

Schwerstarbeit für einen Hungerlohn in einer kongolesischen Mine.

WENN DER NAPF EIN PERUANER WäRE Ein Kurzilm siedelt das Thema «Bodenschätze und Menschenrechte» mitten in der Schweiz an.

«Stellt euch vor, im Napfgebiet wür­ de Gold auf die gleiche Weise abge­ baut wie in Peru», dieser Gedanke stand Pate bei der Entstehung des Kurzilms «Wenn der Napf ein Peru­ aner wäre». Die Idee stammt von Jules Rampini, Landwirt und Theolo­ ge, der neun Jahre in Peru gelebt hat. Sie ist gar nicht so abwegig, denn der Goldgehalt in den Bach­

betten am Napf ähnelt demjenigen der Goldmine Yanacocha in Peru. Dort verloren wegen der Mine Klein­ bauernfamilien ihr Land und muss­ ten wegziehen. Ganze Berge wur­

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den abgetragen, das verwendete Zyanid hat Flüsse und Grundwasser verseucht. Der Gewinn geht ins Aus­ land oder an korrupte Beamte – der Bevölkerung bleibt kaum etwas. Sehen Sie sich den sechsminütigen Film online an. Die Regisseurin Cori­ na Schwingruber veranschaulicht mit dem Mix aus Videoaufnahmen, Bildern und Illustrationen das Prob­ lem des Bergbaus eindrücklich. Blanca Steinmann, Kommunikation www.rechtaufnahrung.ch/video


EIN LEHRREICHES SPEKTAKEL Um die verheerenden Folgen der Korruption der Bevölkerung aufzuzeigen, zieht in Burkina Faso eine Theatergruppe von Dorf zu Dorf. Unterstützt wird sie dabei von Fastenopfer.

Es herrscht Fest­ stimmung an die­ sem Tag in Nano­ ro, einem kleinen Dorf, zwei Auto­ stunden von der Hauptstadt Oua­ gadougou. Die zwölf Theaterleute bieten ein Spektakel feil. Das Theater ist improvisiert: ein einfacher Bretter­ boden und ein Tuch als Sichtschutz. Die lokalen Behörden belegen die beiden ersten Sitzreihen. Darum her­ um drängeln sich rund 600 Perso­ nen, von denen vier Fünftel Kinder sind. Viele haben sich auf dem Bo­ den niedergelassen, einige hocken in den benachbarten Bäumen. Das Stück heisst: Le Gombo noir. Ein Ausdruck für Schwarzgeld. In dieser Region bezeichnet er auch die Frucht einer schleimigen Planze. Es ist klar: Es geht um Korruption. Das aufgeführte Stück handelt von einer Verwechslung: Ein Fremder wird für einen Steuerinspektor ge­ halten. Dieser versteht die Situation

Die Zahl:

160 000 000 000 Transnationale Unternehmen prellen die Entwicklungsländer jedes Jahr um Steuereinnahmen von rund 160 Milliarden Dollar. Beliebt sind Praktiken, bei denen Bereiche oder Unternehmen ein­ ander Güter und Dienstleistun­ gen zu manipulierten Preisen in Rechnung stellen. Damit ist der Verlust für die Entwicklungslän­ der weit grösser als die erhaltene Hilfe: 2007 betrug die gesamte Entwicklungshilfe 103,7 Milliar­ den Dollar. Die Petition von Fas­ tenopfer und Brot für alle ist das beste Instrument gegen solche Machenschaften der Unterneh­ men. (Quelle: Christian Aid)

zu nutzen, um sich zu bereichern. Irgendwann ist das Durcheinander so gross, dass dem Publikum das Ausmass des Phänomens bewusst wird: Die Korruption bedroht das soziale Gleichgewicht und schadet der ganzen Bevölkerung. Das Spek­ takel endet mit der Ankunft des richtigen Steuerinspektors. Das Stück ist eine Adaption des «Revisors» von Nikolai Gogol und

der lokalen Wirklichkeit angepasst. Die Charakterzüge der Personen sind überzeichnet und spielen mit den Vorurteilen, was zum Lachen verleitet, aber auch zum Nachden­ ken anregt und bei den Erwachse­ nen Betroffenheit auslöst. Welche schöne Herausforderung, das Thema der Korruption in Burkina Faso an­ gehen zu dürfen, das wörtlich über­ setzt «Land der Aufrichtigen» heisst. Unterstützen Sie den Kampf gegen Korruption: PC 6019191-7, Vermerk Burkina Faso Béatrice Vaucher, Stiftungsrätin

Ein Theater über Korruption im «Land der Aufrichtigen».

NEUES GESETZ, MEHR GELDER Am 1. Februar trat die «Lex Duvalier» in Kraft. Auch dank der Beharrlichkeit von Fastenopfer.

Der Bundesrat hat sich sogleich auf dieses Gesetz berufen, um die Be­ schlagnahmung der auf Schweizer Konten blockierten Vermögen des Duvalier­Clans zu verlangen. Im Mo­ ment sind in der Schweiz knapp 7 Mio. Franken blockiert. Falls Re­ kurs eingelegt wird, werden wohl zwei Jahre vergehen, bevor das Bun­ desgericht über eine Rückführung der Gelder nach Haiti entscheidet. Fastenopfer hat wesentliche Infor­ mationen für das Dossier der Bun­ desverwaltung gesammelt. In Haiti sind einige Partnerorganisationen von Fastenopfer bereit, auf eine

transparente Rückführung und den sinnvollen Einsatz der Gelder für den Wiederaufbau zu achten. Die «Lex Duvalier» wird allerdings kaum bei den blockierten Geldern Ben Alis und Hosni Mubaraks zur Anwendung kommen. Denn Tunesi­ en und ägypten sollten in der Lage sein, die Gelder mit juristischen Schritten zurückzufordern. Beide Fälle zeigen: Die Schweiz kann sich nicht als Vorbild bei der Rückschaffung von Vermögen prä­ sentieren. Zumindest solange sie nicht vermeiden kann, dass gestoh­ lene Gelder bei Schweizer Banken deponiert werden. Jean­Claude Huot, secrétaire romand

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Südsicht

Ferdinand Muhigirwa Rusembuka SJ, Cepas Kinshasa, Kongo

Unsere Bodenschätze kommen nicht der Bevölkerung zugute. Die Möglichkeit, in den Minen Geld zu verdienen, hat sogar ne­ gative Auswirkungen auf Bildung und Landwirtschaft. Das Ange­ bot an Lebensmitteln nimmt ab, was logischerweise zu deren Ver­ teuerung führt. Das Recht auf Nahrung bedingt direkten Zu­ gang zu Lebensmitteln: Doch wie kann es dauerhaft gesichert wer­ den, wenn niemand anbaut? Im Kongo ist die Abkehr der Landwirtschaft eng mit dem Ver­ kauf von Land – freiwillig oder zwangsweise – an Minenbetrei­ ber verknüpft. Als Folge des feh­ lenden Zugangs zu Land und seinen Erträgen muss die lokale Bevölkerung selber unter men­ schenunwürdigen Bedingungen in den Minen arbeiten. Die ei­ gentlichen Gewinner des Berg­ baus sind die Minenbetreiber. Die Umsetzung politischer Ent­ scheide im Bergbau würde es erlauben, Steuereinnahmen zu erhöhen, die Armut zu reduzie­ ren und den Frieden zu festigen. Unsere Verfassung bestimmt in Artikel 58: «Allen Kongolesen steht das Recht zu, von den nati­ onalen Reichtümern zu proitie­ ren. Der Staat hat die Plicht, sie gerecht aufzuteilen und so das Recht auf Entwicklung zu garan­ tieren.» Das Hauptziel ist ein efizienter und transparenter Umgang mit den Bodenschätzen zum Nutzen der kongolesischen Bevölkerung und der Investoren.


Blickfang

Anleitung zum Spenden für Kirchgemeinden Weshalb spricht eine Kirchgemeinde Gelder für ein gemeinnütziges Pro­ jekt? Weshalb sammeln Pfarreien Spenden für die Entwicklungshilfe? Weltweite Solidarität wird in der Kir­ che Schweiz immer noch grossge­ schrieben. Weshalb und nach welchen Kriterien jedoch Gelder gesprochen werden, ist oft un­ klar. Die Broschüre «Spenden für Pro­ jekte im Süden» will die Diskussion über die Vergabe von Geldern anre­ gen und Ideen für die Erarbeitung ei­ nes Kriterienrasters für die Finanzie­ rung weltkirchlicher Aufgaben geben. Kostenlos bestellen: 041 227 59 93 oder feldmann@fastenopfer.ch Projekt-Service für Missionshilfe und Entwicklungszusammenarbeit

Spenden für Projekte im Süden

Agenda Ab 11. März, Kreuzlingen, Luzern, Chur, Thun, Basel: Einführungsveranstaltungen mit Kabarett, Musik, Film, Poesie etc. rechtaufnahrung.ch/events, 041 227 59 59 Ab 15. März, Zürich etc.: Filmtage Nord/Süd. ilmeeinewelt.ch, 031 389 20 21 Ab 19. März, Fribourg: Internationales Filmfestival. iff.ch, 026 347 42 00

Grundlagen zu einem Leitfaden für Kirchgemeinden und Pfarreien

Denke global, handle lokal

KARTEN ALS LUXUS? Eine sorgfältig ausgewählte Gruss­ karte und ein paar handgeschriebe­ ne Worte sind Ausdruck individuel­ ler Wertschätzung. Beinah schon Luxus in unserer digitalisierten Welt. Fastenopfer fördert diese persönli­ che Note mit vier Postkartenserien im Format A5: Ernährung, Gerech­ tigkeit, Menschenrechte, Porträts (A6­Karte liegt bei). Zu sehen sind Menschen in Nepal, Burkina Faso, Peru etc., die von unseren Projekten einen Nutzen haben. Die Bilder zei­ gen das einfache Leben in ausserge­ wöhnlicher Schönheit. Sie können die kleinen Kunstwerke in unserem Online­Shop ansehen und bestellen (oder 041 227 59 59). Eine Serie mit je sechs Postkarten kostet 15 Franken und wird in einem speziellen Fastenopfersäckli gelie­ fert. Der Erlös liesst in Projekte des Fastenopfers und kommt somit be­ nachteiligten Menschen zugute. Balthazar Sigrist, Fundraising www.fastenopfer.ch/karten

Gemeinden und Kirchgemeinden werden immer mehr mit globalen Problemen wie Klimawandel oder Migration konfrontiert. Die Tagung «Denke global, handle lokal!» am 5. Mai im Romerohaus Luzern zeigt auf, wie auch Gemeinden globale Verantwortung wahrnehmen kön­ nen. Die Veranstaltung richtet sich an Verantwortliche in Pfarreien, Ge­ meinden sowie entwicklungspoli­ tisch Interessierte. www.romerohaus.ch, 041 375 72 72

Die Macht der Konsumierenden

Haïti, Carice 2004.

Wie können aus Konsumierenden politische Beeinlusser werden? Und wie gestalten Unternehmen ihre soziale Verantwortung? An­ hand verschiedener Konsumgüter (wie Schokolade, Handy, Gold) ana­ lysiert das Seminar «Global Super­ market», wie sich unsere Konsum­ gewohnheiten im Norden auf den Süden auswirken – und wer genau verantwortlich ist (Romerohaus Lu­ zern, 6./7. Mai). www.romerohaus.ch, 041 375 72 72 fastenopfer info 1|2011

27. März, Luzern: Radiogottesdienst aus der Lukas­ kirche, auf Radio DRS 2 (ab 9.30). 2. April, ganze Schweiz: Rosenaktion: Verkauf von 160 000 Rosen für das Recht auf Nahrung. 15. April, Bern: Vortrag von P. Stephan Rothlin SJ zu globale Gerechtigkeit und China (AKI, 19 Uhr). aki-unibe.ch, 031 307 14 14

Impressum

Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PC 60­19191­7 Herausgeber Fastenopfer Das Bulletin erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei­Gisi Fotos Meinrad Schade (S. 1, 2, 3, 4), Patricio Frei­Gisi (S. 5, 6), Beatrice Vaucher (S. 7), Martí Casanellas (S. 8). Priska Ketterer (Autorenporträts) Cartoon Daria Lepori Konzept graikcontainer Luzern Layout/Druck Zoinger Tagblatt AG, Medien­ und Printunternehmen, www.ztonline.ch

Druck auf zertiiziertem Papier. Dieses Papier stammt aus ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.


Kongo Die Demokratische Republik Kongo ist eines der reichsten Länder – gemessen an den Bodenschätzen. Doch die Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Kupfer, Koltan, Gold und Diamanten sind für sie Fluch statt Segen. Bauernfamilien verlieren wegen des Bergbaus ihr Land und ihre Existenz. In der Provinz Katanga setzt sich die Fédération des Droits de l’Homme FDH mit Unterstützung des Fastenopfers für ihre Rechte ein. Die Geschichte eines beschwerlichen Kampfs.


MIT DEM BULLDoZER gEgEn BACKSTEInE UnD BAnAnEnSTAUDEn Den 24. november 2009 werden die Menschen von Kawama nie vergessen. Ein Drama spielte sich damals in diesem kleinen Dorf ab, das wegen seiner Herbergen und Restaurants bei Fernfahrern auf der beschwerlichen Fahrt zwischen Kolwezi und Lubumbashi so beliebt war. An jenem Tag kam ein Bulldozer aus der benachbarten Kupfermine und riss ein Haus nach dem anderen ein. Insgesamt 48 Häuser wurden zerstört. Mit allem, was sich darin befand, von der Tiefkühltruhe bis zum Ausweis. Den Familien blieb keine Zeit, ihren Besitz in Sicherheit zu bringen. Ein Mann wurde verletzt, weil er noch im Haus war, als es einstürzte. An diesem Tag lossen viele Tränen.

Die ohnmacht hätte in Wut und gewalt umgeschlagen, hätten da nicht Hundertschaften der Polizei und private Sicherheitsleute den Bulldozer begleitet: «Comme à la guerre», erinnern sie sich noch heute: Wie im Krieg. Der Zerstörung vorausgegangen waren langjährige Auseinandersetzungen der Betreiberin der Mine, der belgischen Forrest gruppe, mit illegalen Schürfern. Die Schürfer lebten zwar nicht in Kawama, aber von hier drangen sie fast täglich unerlaubt auf das gelände der Mine ein, um nach dem kleinen glück zu graben. Irgendwann hatten die Verantwortlichen bei Forrest genug und entschieden, das Problem mit dem Bulldozer aus


Ein Minenarbeiter beim Einstieg in einen Schacht. (linke Seite) André Kalwalu, Chef de Quartier: «Ich leide sehr. Um meine Kinder zu ernähren, bleiben mir noch drei Hektaren Land.» (oben links)

dem Weg zu räumen. Allerdings bestraften sie dabei die Falschen: Die illegalen Schürfer besassen keine Häuser in Kawama.

Nzeba Bintu: «Jetzt schlafen ich, mein Mann und unsere 7 Kinder neben den Benzinkanistern in einem Zimmer. Wir haben bloss eine Matratze.» (oben rechts)

Wer ist ein Spitzel? noch ein halbes Jahr, nachdem die Menschen in Kawama die harte Hand der benachbarten Mine zu spüren bekamen, bleibt die Situation in Kawama angespannt: Wem kann man noch trauen? Wer verdient sich vielleicht als Spitzel für die Bergbauirma einen kleinen Zustupf? obschon ich als Begleiter des Anwalts Maître Joseph Kongolo Wamomat das Dorf besuche, der für die Fédération des Droits de l’Homme FDH den Fall begleitet, spüre ich anfänglich Misstrauen: Was will der Unbekannte? Auf wessen Seite steht er? Als Erster spricht Mamadu Mbolela. Er erzählt, was aus den vertriebenen Familien geworden ist. Mbolela ist Delegierter des Komitees Solidarité pour les victimes de Kawama. Auch er hat am 24. november seine Existenz verloren: Eine einfache Herberge mit drei Zimmern, Restaurant und Bar. Er ist mit seiner Familie nach Lubumbashi gelohen. Von dort aus setzt er sich für gerechtigkeit für die Menschen in Kawama ein. Unterstützung erhalten er und die anderen opfer von der FDH, einer Partnerorganisation des Fastenopfers. Je länger mein Besuch dauert, desto mehr fassen die Bewohner Vertrauen. Der Chef de Quartier, André Kalwalu, erklärt sich bereit, sich vor den Trümmern seines einstigen Hotels fotograieren zu lassen. Der Vater von zwölf Kindern besass einst eine Herberge mit 15 Zimmern. Davon sind nur noch die grundmauern übrig: «Heute lebe ich unter dem Sternenhimmel. Ich leide sehr. Um meine Kinder zu ernähren, bleiben mir drei Hektaren Land, wo ich ein wenig Mais angeplanzt habe.»

Numbi Monga: «Sie haben den ganzen Gesundheitsposten zerstört, mit allen Medikamenten und dem Mikroskop.» (nächste Seite links) Kaji Kusemwa und ihr Sohn Augustin Tshiawa Sekula: «Sogar den Mangobaum haben sie zerstört.» (nächste Seite rechts)

«Hier und nur hier» Auch seine nachbarin lässt sich fotograieren. Die 80-jährige Kaji Kusemwa kam 1969 nach Kawama. Ihr Sohn Augustin Tshiawa Sekula, Vater von sieben Kindern, lebt von der Köhlerei und Land-

wirtschaft. Am 24. november kehrte er mit einem Korb voll Mais und Kohle von der Arbeit zurück, als der Bulldozer gerade sein Haus in ein Trümmerfeld verwandelte: «Sogar den Mangobaum haben sie zerstört. Ich werde mein neues Haus wieder hier aufbauen. Hier und nur hier.» Und bald schon wünschen auch andere opfer, sich vor den eigenen Ruinen fotograieren zu lassen. Die Angst ist deinitiv dem stummen Protest gewichen. Unter brütender Sonne stellen sich die opfer geduldig vor der Linse zwischen Steinmäuerchen und zerbrochenen Backsteinen auf. Die Welt soll erfahren, welches Unrecht ihnen angetan wurde. Weshalb sie nun unter Plastikplanen leben müssen. Weshalb sie kein wirkliches Zuhause mehr haben. Diese Art von Protest ist keine Selbstverständlichkeit in einem Land, wo freie Meinungsäusserungen oft mit gewalt unterdrückt werden, wo die Korruption immer wieder stärker als die Justiz ist. Regelmässig werden Menschenrechtsaktivisten und Journalisten bedroht oder sogar ermordet. Da ist nzeba Bintu, die mit ihren sieben Kindern in einem Zimmer inmitten von Benzinkanistern lebt. oder numbi Monga, dessen gesundheitsposten mitsamt Medikamenten und Mikroskop plattgemacht wurde. oder Bauer Josephe Malangi, der nebst dem Haus auch seine Bananenstauden, Mango- und orangenbäume verloren hat. Zusammen mit anderen organisationen hat FDH bei Regierungsstellen interveniert und auch eine Medienmitteilung verfasst. Bisher weigerten sich sowohl Behörden als auch Forrest eine Delegation der opfer zu empfangen. Der Administrateur du Territoire in Kipushi hat die Zerstörung zwar bestätigt und Entschädigung versprochen. Leere Worte. Bis heute warten die opfer auf eine Entschuldigung der Regierung. FDH hat ihnen die eigenen Anwälte zur Verfügung gestellt, damit sie sich für ihre Rechte wehren und auf rechtlichem Weg eine Entschädigung einfordern können. Dank FDH hat die Regierung eine Kommission gebildet, mit dem Auftrag, alle opfer zu identiizieren und sie entsprechend dem


Plünderung in Wildwestmanier Kawama ist kein Einzelfall: Aus gier nach Bodenschätzen bleiben in der Demokratischen Republik Kongo oft fundamentale Menschenrechte auf der Strecke. gemäss Weltbank gibt es im Kongo über 1100 verschiedene mineralische Substanzen. Das Land verfügt über einen Drittel der bekannten Kobaltreserven, 10 % des weltweiten Kupfers und 80 % des Koltans, das in allen Elektronikgeräten wie Handys und Computer vorkommt, die wir täglich brauchen. Auch bei der Diamantenförderung belegt der Kongo regelmässig eine der ersten vier Positionen der Weltrangliste. Der Bedarf an Rohstoff nimmt weltweit rasant zu. Und weil der Staat nach vielen Jahren Krieg und wegen der enormen Distanzen noch immer schwach ist, treten hier transnationale Konzerne zumeist in Wildwestmanier auf. Es geht darum, möglichst viele Bodenschätze möglichst rasch zu plündern – solange es keine Strukturen und Kontrollen gibt, die einen daran hindern. So fällt vom Reichtum kaum was ab für die Bevölkerung. Wie das Beispiel Kawama zeigt, ist das gegenteil der Fall: die sozialen und ökologischen

Probleme nehmen zu. Bauernfamilien werden drangsaliert, können aus Angst vor bewaffneten Konlikten die Felder nicht mehr bestellen oder werden vertrieben. Einst fruchtbarer Boden wird zu Ödland wegen der gifte, die bei der Verarbeitung der Erze eingesetzt werden. Gericht und Gemeinschaftsfelder Die Rechte der Kleinbauern und Familien stehen den wirtschaftlichen Interessen transnationaler Konzerne im Weg. Für sie interessiert sich im Kongo kaum jemand, wenn es ums grosse geschäft geht. Deshalb engagiert sich FDH auf ganz unterschiedliche Arten für Menschenrechte: Zum Beispiel berät und begleitet sie Familien der in Minen arbeitenden Kinder bei der Suche nach alternativen Einkommensmöglichkeiten und bemüht sich um einen Erlass des Schulgelds. Zum Beispiel bieten ihre Anwälte juristische Beratung in Fällen von sexueller gewalt, Ausbeutung, Vertreibungen und Umweltverschmutzung. Vor allem bietet sie mit ihren acht Anwälten opfern von Willkür und Folter Unterstützung vor gericht. Besonders stolz ist FDH aber auf die 60 genossenschaften, die mit ihrer Hilfe in der Millionenstadt Lubumbashi ein eigenes Stück Land bebauen. Ihre Mitglieder planzen auf gemeinschaftsfeldern gemüse an und vermindern so aus eigener Kraft ihren Hunger: gemeinsame Vorräte von nahrungsmitteln und Saatgut geben ihnen soziale Sicherheit und verbessern die Ernährung nachhaltig. 700 Familien lernen so ganz praktisch eines ihrer fundamentalsten Menschenrechte kennen: das Recht auf nahrung. Patricio Frei Fastenopfer, Luzern

Stichwort: Kongo Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo forderte einen hohen Blutzoll. 5,4 Millionen Menschen starben – mehr als in jedem anderen Konlikt seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Krieg wurde 2003 zwar ofiziell beendet, doch im osten des Landes dauern die Konlikte mit Rebellengruppen an. Die Bevölkerung des fruchtbaren, an Bodenschätzen reichen Landes leidet an den Folgen von Diktatur und Krieg. Die Situation bleibt gespannt, die Liste der Probleme lang: politische Morde, Ausbeutung, Hunger, Umweltverschmutzung, Landlucht, HIV/Aids. Es fehlt an gesundheitszentren und Schulen. Wegen zerstörten Strassen sind die Transport- und nahrungsmittelpreise hoch. Innovativ und dynamisch Eine externe Evaluation durch Entwicklungsfachleute beschreibt das Kongoprogramm des Fastenopfers als innovativ und dynamisch: «Die Betroffenen werden ermuntert, die Lebensumstände selbst zu verbessern und ihre Rechte einzufordern. In vielen abgelegenen Dörfern führten die Projekte zu einer deutlich verbesserten Ernährung.» Die Fastenopfer-Partner begleiten rund 3000 Basisorganisationen. Im Vordergrund steht die Sicherung der Ernährung. Andere Projekte fördern eine ganzheitliche katechetische Ausbildung, informieren über HIV/Aids oder unterstützen traumatisierte Frauen und Kriegsopfer. Setzen auch Sie sich mit Innovation und Dynamik für benachteiligte Menschen ein: PC 60-19191-7, Vermerk Kongo.

Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postcheckkonto 60-19191-7

März 2011

erlittenen Schaden zusammenzufassen. Damit ist die Arbeit der FDH nicht zu Ende. Sie wird dranbleiben und sich dafür einsetzen, damit die opfer die ihnen zustehende Entschädigung erhalten. Positive Signale sind auch von Forrest nicht auszumachen: «Das Unternehmen hat bislang einzig versucht, die Bevölkerung zu spalten, in Einheimische und Zugewanderte.» Die opfer sind sich sicher: «Die hecken irgendeine Mogelei aus!» Dann droht bei meinem Besuch die Stimmung zu kippen. Ein Polizist, der auf dem Sozius eines Motorrads vorbeifährt, hält an und erkundigt sich, wozu ein Weisser in diesem Dorf Fotos macht. Als er weiterfährt, geht alles sehr schnell: Unser Auto fährt vor, wir steigen ein und sind auch schon weg. Der Besuch in Kawama ist beendet. Bevor der Polizist mit Verstärkung zurückkommt und um den Bewohnerinnen und Bewohnern weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen.


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