50 Jahre Fastenopfer Liebe Leserin, lieber Leser
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Nr. 2 | 2011
Calmy-Rey: 50 Jahre wichtige Impulse Die Bundespräsidentin ist von der wirkungsvollen Arbeit des Fastenopfers überzeugt. Seite 2 Drei Direktoren im Gespräch Ferdi Luthiger, Anne-Marie Holenstein und Antonio Hautle über Auf- und Umbruchphasen. Seite 4/5 Gratis ins Open-Air-Kino Zum Jubiläum verschenkt Fastenopfer Gratis-Eintritte für einen aussergewöhnlichen Kinofilm. Seite 14/15
Ihnen gilt heute ein ganz grosses Dankeschön! 50 Jahre lang haben Sie und Millionen von Menschen in der Schweiz das Fastensäcklein mit sichtbaren Zeichen der Solidarität und des Einsatzes für Gerechtigkeit gefüllt. In 50 Jahren ist dank Ihnen Fastenopfer zu einem sichtbaren Zeichen für eine menschenwürdigere Welt geworden. Mit dem Inhalt der Fastensäcklein können wir ein starkes Hoffnungszeichen setzen: Jedes Jahr unterstützen wir rund eine Million Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika, dank Ihrer Spende. Vieles ist besser geworden. Aber es bleibt noch viel zu tun. Denn Ungerechtigkeit und Armut bleiben eine traurige und schwierige Realität, die uns nicht gleichgültig sein kann. Wir sind als Menschen und Kirchen gemeinsam unterwegs und bauen an einer Zukunft, die auf Gerechtigkeit, Menschenwürde und Solidarität basiert. Symbolisch füllt und leert sich das Fastensäcklein immer wieder. Dieses Symbol wird Fastenopfer auch in die Zukunft begleiten. Feiern Sie mit uns! Und wir freuen uns, wenn Sie auch in Zukunft das Fastensäcklein immer wieder füllen – zum Zeichen des Widerspruchs und des sichtbaren Einsatzes für eine bessere Welt! Herzlich
Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer
weltkirchlicher Blick 50 Jahre Impulse Das Wort «Mis sion» hat heute kaum mehr jenen Klang, den es vor fünfzig Jahren gehabt hat, als im Missionsjahr Fastenopfer der Schweizer Katholiken dank der mutigen Initiative des missionsoffenen Meinrad Hengartner gegründet worden ist. Aber das Wort «Mission» hat mir als Schüler und Gymnasiast bereits damals bewusst gemacht, dass Kirche sich zwar in erster Linie in der konkreten Pfarrei am Ort verwirklicht, sich aber nie in ihr erschöpfen kann. Kirche ist immer mehr als Pfarrei, als Bistum und als Kirche in einem Land. Kirche lebt vielmehr weltweit und präsentiert sich als ein über die Welt verbreitetes Netz von Ortskirchen. Diese weltkirchliche Dimension hat Fastenopfer während den vergangenen 50 Jahren stets lebendig gehalten, wie ich besonders in den Anfangsjahren meines bischöflichen Dienstes in der Ortskirche Basel, in denen ich die Verantwortung als Stiftungsratspräsident bei Fastenopfer getragen habe, erfahren durfte. Die rasanten technologischen Entwicklungen im Bereich der Kommunikationsmittel wie Internet haben die Welt noch vermehrt zu einem Haus gemacht, in dem Ereignisse in der ganzen Welt innert kürzester Frist in der eigenen Stube präsent gemacht werden. In dieser Situation hat Fastenopfer nichts an Aktualität eingebüsst, sondern ist mit seiner Anwaltschaft für die weltkirchliche Dimension Not-wendender denn je. Angesichts der Globalisierung der Medien und der Wirtschaft ist es eine Wohltat, dass es auch eine glo-
balisierte Glaubensgemeinschaft wie die Katholische Kirche gibt, die der älteste «global player» und zuerst «global prayer» ist. Dabei macht es das besondere Verdienst des Fastenopfers aus, dass es sich für die Ärmsten unter den Menschen vor allem im Süden der Welt einsetzt und die christliche Solidarität im Sinne der Option für die Armen lebt, die im Grunde eine Option für den christlich offenbaren Gott ist, der als «pater pauperum» eine besondere Vorliebe für die Armen hegt. Dankbar gratuliere ich Fastenopfer zum 50. Geburtstag und wünsche ihm, dass es seine Sendung weiterhin in der bewährten Symbiose von christlicher Spiritualität und diakonisch-politischer Weltverantwortung glaubwürdig wahrnehmen kann. Kurt Cardinal Koch
der Kinder- und Menschenrechte, der Friedensförderung und Präven tion von Gewalt. Fastenopfer arbeitet mit lokalen Partnern und armen Bevölkerungsgruppen zusammen. Das Hilfswerk stärkt die Zivilgesellschaft im Aufund Ausbau demokratischer Verhältnisse und gibt wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit des Bundes. Die breite Trägerschaft verankert die Arbeit des Fastenopfers in der Gesellschaft. Nach aussen agiert es auch als «Botschafter» der Schweiz. Zum breiten Verständnis von Armut gehört der sichere Zugang zu Ressourcen, ebenso wie die Förderung wirtschaftlicher Perspektiven, die Teilhabe an politischen Entscheiden und Beiträge zur Friedensförderung und zur Bewältigung von traumatisierender Erfahrung von Gewalt. Zusammen mit Brot für alle leistet Fastenopfer mit der ökumenischen Kampagne einen wertvollen Beitrag für eine fundierte öffentliche Diskussion entwicklungspolitischer Anliegen. Ich gratuliere Fastenopfer zum 50. Geburtstag. Ich bin überzeugt, dass das Hilfswerk auch in Zukunft wirkungsvolle Arbeit im Interesse einer global nachhaltigen Entwicklung leistet. Ein Land wie die Schweiz, das besonders stark globalisiert ist, braucht eine starke Entwicklungszusammenarbeit und die kritischkonstruktive Stimme für wirksame Lösungen von Armuts- und Entwicklungsproblemen. Micheline Calmy-Rey, Bundespräsidentin
«Fastenopfer agiert als ‹Botschafter› der Schweiz»: Ntetia Tardoi aus Kenia melkt ihre Ziege.
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In den letzten 50 Jahren konnten sich mehr Menschen aus der absoluten Armut befreien als in der bisherigen Geschichte der Menschheit. In vielen Ländern und Regionen gab es Entwicklungsfortschritte. Dazu hat die Entwicklungszusammenarbeit beigetragen. Die Bewältigung von Armuts- und Entwicklungsproblemen erfordert breit abgestützte Lösungen und den starken Einbezug zivilgesellschaftlicher Kräfte. Fastenopfer ist ein einflussreicher Träger von Wissen und Erfahrungen in der Bekämpfung von Armut, der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen, der Förderung sozialer Gerechtigkeit, der Einhaltung
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Beginn des Missionsjahres, in dessen Verlauf die katholischen Verbände 17,5 Millionen Franken sammelten.
17./18. Juni Gründung des Fastenopfers unter Meinrad Hengartner
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Wir alle sind Fastenopfer Kirche finanzieren Nicht nur die weltkirchliche Dimension, auch die Finanzierung von nationalen und diözesanen Aufgaben beschäftigt Fastenopfer. Um die Kirchenfinanzierung zu professionalisieren, wurde 1967 die RömischKatholische Zentralkonferenz RKZ gegründet. Mit Leistungsvereinbarungen und schlankeren Strukturen sind heute klare Rahmenbedingungen geschaffen. Diese gilt es mit Blick auf eine nachhaltige Kirchenfinanzierung und Entlastung des Fastenopfers weiterzuentwickeln.
Dem Erfolg des Missionsjahrs unter Leitung von Meinrad Hengartner verdankt Fastenopfer seine Gründung. Es war eine Zeit der Begeisterung und des Aufbruchs. Das Zweite Vatikanische Konzil öffnete die Türen der Kirche. Dies ermöglichte neue Ideen und die Gründung des Hilfswerks unter der gemeinsamen Leitung von Bischöfen und Laien. Das Evangelium, die katholische Soziallehre und die vorrangige Option für die Armen sind Inspiration und Basis des Fastenopfers. Das Christsein soll in gelebter Solidarität und im Einsatz für eine gerechtere Welt sichtbar werden. Das Logo mit Kreuz und dem geteilten Brot verdeutlicht die Sendung dieses Werks im Slogan «Wir teilen». Dazu kam die ökumenische Vision: Über Jahrzehnte festigte sich die Zusammenarbeit mit dem reformierten Brot für alle und dem christkatholischen Partner sein.
1962 7.3.–22.4. Die erste Fastenaktion «Wir teilen» sammelt 4,2 Millionen Franken.
Schnell wurde klar: Fastenopfer geht es nicht um Barmherzigkeit, sondern um nachhaltige Veränderungen zu Gunsten der Armen. Dazu braucht es internationale Handelsregeln und Entschuldung, die den Anliegen der Menschen im Süden Rechnung tragen. Daher das Engagement in der Entwicklungspolitik: Wir waren an der Gründung der Alliance Sud beteiligt und sind Mitglied der Cidse, des Netzwerks der weltweit 16 Fastenopfer2007 werke. Gemeinsam wollen wir die Rahmenbedingungen so beeinflussen, dass Wirtschaft und Politik den Menschen und dem Gemeinwohl dienen. Mit seiner engen Bindung zu den Schweizer Pfarreien lieferte Fastenopfer wichtige Impulse: beispielsweise mit der Unterstützung für die Ent2010: schuldung zur 700-Jahr-Feier, beim fairen Handel mit der Gründung von Max Havelaar, bei der CleanClothes-Kampagne, der Klimapeti tion und vielen weiteren Aktionen.
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Bischof Erwin Kräutler, Präsident des CIMI, Träger des alternativen Nobelpreises
Die nächsten 50 Jahre? Bekämpfung des Hungers, Stärkung von Menschen in ihrer persönlichen und spirituellen Identität, Durchsetzung der Menschenrechte und Sensibilisierung der Pfarreien in der Schweiz bleiben Schwerpunkte in unserer Arbeit. Damit diese nachhaltig wirkt, müssen Programmarbeit und Entwicklungspolitik, Sensibilisierungsarbeit und Fundraising noch enger zusammenarbeiten. Bei aller Professionalisierung müssen wir uns als «katholisches Hilfswerk Schweiz» selbstkritisch fragen, wer wir sind. Wir Profis sind nicht Fastenopfer, wir dienen dem Fastenopfer! Das Fastenopfer sind Sie: Spenderinnen und Spender, Mitarbeitende in Pfarreien und Solidaritätsgruppen, Rosenverkäuferinnen und Entscheidungsträger in mitfinanzierenden Institutionen: Sie alle sind Fastenopfer und so auch Ausdruck der internationalen, christlichen Solidarität zur Überwindung der Armut und Ungerechtigkeit. Antonio Hautle, Direktor
Vor mehr als 40 Jahren habe ich als Missionar erstmals brasilianischen Boden betreten. Die Prälatur am Xingu sollte mein Einsatzgebiet werden. Fernab der Städte lebten die indigenen Völker im Einklang mit der Umwelt, die sie liebevoll «Mutter Erde» nennen. Nun strömen Kleinbauern und Grossgrundbesitzer herbei. Sie setzen Amazonien in Brand, um Weiden zu schaffen. Tropenhölzer und Edelmetalle locken. Die Rechte der Indios werden mit Füssen getreten. Wer sich wehrt, bezahlt mit dem Leben. Die Behörden sind oft Handlanger. Doch es gibt Zeichen der Hoffnung: Indios, Landlose, Afrobrasilianer setzen sich gemeinsam für Veränderungen ein und fordern die Achtung ihrer Rechte. Auf diesem steinigen Weg vertrauen wir auf die Solidarität weit entfernter Menschen. Hilfswerke wie Fastenopfer nehmen dabei eine wichtige Rolle ein durch ihre Öffentlichkeitsarbeit und durch Projektförderung. Diese weltumspannende Partnerschaft stärkt unser Vertrauen, dass bald der Tag anbricht, an dem Hungernde satt werden und Verzweifelte Mut schöpfen.
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«Wir teilen»: Kinder der Pfarrei Heilig Geist Basel. Fastenopfer ist mehr als Spendensammlung und Projektbegleitung. Das Hilfswerk will ungerechte Strukturen verändern und die Öffentlichkeit für die Anliegen der Menschen in den Entwicklungsländern sensibilisieren.
Rolle der Solidarität
Freiwillige verpacken die Unterlagen des Fastenopfers
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Die Zusammenarbeit zeigt Wirkung! Sie haben 50 Jahre Fastenopfer geprägt: Ferdinand Luthiger, Anne-Marie Holenstein und Antonio Hautle erinnern sich in der Direktorenrunde an die Aufbruchsstimmung der Gründungszeit, an die vielen Veränderungen und die Bedeutung des Fastenopfers für die Menschen.
Der Gründer Meinrad Hengartner verkörpert wie ein Übervater die Entstehungsjahre des Fastenopfers. Was bedeutet er für euch? Hautle: Ich bin neidisch auf ihn: Dieser Aufbruch, dass sich plötzlich Hunderttausende Katholiken bewegen, davon kann man heute nur noch träumen. Holenstein: Meinrad Hengartner erlebte ich als eine charismatische Gründerpersönlichkeit mit riesiger Begabung, Menschen für seine Ideen zu begeistern. Begegnet bin ich ihm, weil ich seit 1969 beim Aufbau der Erklärung von Bern beteiligt war. Er wollte zwar nicht, dass Texte und Aktionen der für ihn zu «linken» Erklärung von Bern in den Unterlagen des Fastenopfers erwähnt wurden. Es ist aber trotzdem zur Zusammenarbeit gekommen aus der Überlegung heraus, dass sich Pfarreien aus entwicklungspolitischen Gründen engagieren sollten.
«Die Kampagnen sind wirklich eine religiös-kulturelle Leistung, die einmalig ist.» Anne-Marie Holenstein, Direktorin 1995 bis 2000
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Luthiger: Ich habe 19 Jahre mit Meinrad Hengartner zusammengearbeitet. Ich kam als dritter Mitarbeiter zum Fastenopfer und habe den ganzen Aufbau miterlebt. Meinrad Hengartner war ein brillanter Rhetoriker, er hatte Organisationstalent, er war ein Marketing-Mensch und dazu ein ausgesprochener Ästhet. Das Fastenopfer-Logo hat er in der Skizze entworfen und zusammen mit dem Grafiker Werner Andermatt umgesetzt. Und ich finde es heute noch ausgezeichnet. Es drückt genau den Kerngedanken des Fastenopfers «Wir teilen» aus. Wie war Meinrad Hengartner als Vorgesetzter? Luthiger: Er hatte das letzte Wort und wir haben ihm das zugestanden, weil er eben der Gründer und der Chef war. Natürlich führte das mit der Zeit auch zu Konflikten. Holenstein: Selbst zu meiner Zeit im Fastenopfer war der Geist von Meinrad Hengartner noch zu spüren, positiv – aber manchmal auch mit eher schwierigen Erinnerungen an seinen alles kontrollierenden Führungsstil, dem das Delegieren von Entscheidungskompetenzen völlig fremd war. Wie hat sich denn der Führungsstil weiterentwickelt? Luthiger: Mein Motto war: «Be a leader, not a boss!» Als Symbol des Führers habe ich den Bergführer verwendet. Dieser geht dem Team voraus, er muss aber schauen, dass auch die Schwächsten mitkommen.
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«Im Fastensäckli steckt ganz viel Zuversicht, dass Veränderung möglich ist und die Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort hat.» Antonio Hautle, Direktor seit 2001 Der Organisationsprozess Anfang 90er Jahre war wirklich partizipativ mit dem ganzen Personal zusammen. In der Folge wurden die sieben Ressorts auf drei Bereiche reduziert: Kommunikation und Bildung, Süden und Interne Dienste. Zusammen mit dem Direktor gab das eine ViererGeschäftsleitung, die fortan die Verantwortung trug. Holenstein: Mir war sehr wichtig, dass ich auf den Organisationsprozess unter Ferdi Luthiger aufbauen konnte. Der noch fehlende Schlussstein war die Erarbeitung des Leitbildes. Dieser Prozess sollte die Vorstellungen über die Leitideen und Aufgaben des Fastenopfers klären. Wir mussten eine Sprache finden, die theologische Inhalte aufnahm und gleichzeitig von einer breiten Öffentlichkeit verstanden wurde. Wir haben den Prozess methodisch sorgfältig aufgegleist, mit Workshops in allen Gremien; Hunderte Kärtchen wurden geschrieben und verarbeitet. Als dann aber der Stiftungsrat an der Reihe war, wollten
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14.9. Gründung der Cidse, des internationalen Netzwerks von heute 16 Fastenopferwerken 4
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die Bischöfe nicht mitmachen; partizipative Methoden waren ihnen einfach fremd. Aber das Leitbild wurde schliesslich nach einem mehr als dreijährigen Prozess doch verabschiedet. Und ich denke, es ist ein ganz wichtiger Text. Hautle: Auch die neue Strategie 2016 baut auf dieses Leitbild auf. Die Basis wurde so gut gelegt, dass wir sie nicht verändern wollten. Holenstein: Ferdi Luthiger hatte mir vor meinem Amtsantritt gesagt, dass der Überbau des Fastenopfers mit den Vertretungen des Verbandskatholizismus und dem Stiftungsrat, in dem die ganze Bischofskonferenz vertreten war, auch noch reorganisiert werden müsste. Hautle: Diese Reorganisation der Strukturen konnten wir mit der Einführung des neuen Stiftungsstatuts 2002 abschliessen. Ich konnte viel aufnehmen, das vorgeschaffen worden war. Die grösste Neuerung war der viel schlankere Stiftungsrat mit zwei Vertretungen der Bischofskonferenz und sieben vom Stiftungsforum, dem ehemaligen Aktionsrat, gewählten Mitgliedern.
«Der Bergführer geht voraus, muss aber schauen, dass auch die Schwächsten mitkommen.» Ferdinand Luthiger, bei Fastenopfer ab 1965, Direktor 1984 bis 1995
1969 Erste ökumenische Kampagne zusammen mit Brot für Brüder und Swissaid
«Tausende positive Zeichen internationaler Solidarität»: Antonio Hautle (links) mit seinen Vorgängern Anne-Marie Holenstein und Ferdinand Luthiger (2. von links: Gesprächsleiter Matthias Dörnenburg).
Beim Antritt hat Anne-Marie Holenstein gesagt, dass Fastenopfer Menschen mit einer gewissen Distanz zur Kirche eine neue Form von Spiritualität, eine neue Heimat bieten wolle. Heute ist die Säkularisierung noch weiter fortgeschritten. Was heisst das fürs Fastenopfer? Holenstein: Ferdi Luthiger hatte schon eingesehen, dass die Hauptsäule des Fastenopfers mit dem Fastensäckli in den Pfarreien am Bröckeln war. Es musste ein neues Standbein aufgebaut werden. Als dann Fastenopfer Mailings verschickt hat, ist das bei vielen Leuten auf Widerstand gestossen. Einige haben gesagt: Ist das jetzt der Stil der neuen Direktorin? Luthiger: Auch zu meiner Zeit hat der Stiftungsrat immer wieder nachgefragt: Hat sich die Spiritualität des Fastenopfers verändert oder ist sie eigentlich noch da? Ich habe jeweils geantwortet: Die Spiritualität hat sich tatsächlich verändert, die ist nicht mehr dieselbe wie am Anfang. Wir versuchen die pastorale Animation mit sozialem Handeln und ge-
sellschaftlichem Engagement zu verbinden. Holenstein: Das wird auch in den Themen der Fastenkampagne sichtbar, die jedes Jahr einen Schwerpunkt setzt. Als ich die Plakate in einer Gesamtschau zu 40 Jahren ökumenischer Kampagne wieder sah, dachte ich: Wirklich eine religiös-kulturelle und ökumenische Leistung, die einmalig ist. Hautle: Der Druck und die Konkurrenz sind weiter gestiegen. Mit der neuen Strategie geben wir uns ein klareres Profil. Einerseits mit dem Engagement für das Recht auf Nahrung, andererseits mit dem Konzept «Glaube und Gerechtigkeit», welches auf unsere katholische Identität zurückgreift. Ich verstehe Fastenopfer als Stachel im Fleisch der Kirche und der Gesellschaft, als prophetische Stimme, die kritisch hinterfragt, wo wir hingehen.
1970 Eröffnung des Secrétariat romand in Lausanne
Das Fastensäckli ist mittlerweile ein Klassiker. Noch immer werden davon jährlich rund zwei Millionen Exemplare produziert. Was ist in den
50 Jahren Besonderes aus dem Fastensäckli hervorgekommen? Luthiger: Beispielsweise die Petition «Entwicklung braucht Entschuldung» von 1990. 250 000 Menschen forderten von Bundesrat und Parlament zum 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft einen Entschuldungsfonds. Der Betrag ist schliesslich im Gegenwertfonds zu 2 bis 3 Milliarden Franken angewachsen – eine wunderbare Geldvermehrung. Die Sammlung lief zwar über die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke – aber die meisten Unterschriften kamen letztendlich von Fastenopfer. Fastenopfer hat ja in all der Zeit Tausende von Projekten unterstützt. Für mich war jedes Projekt ein positives Zeichen internationaler Solidarität. Ich weiss: Mit dem hat man die Welt nicht wirklich verändert. Aber sicher haben wir an vielen Orten das lokale Umfeld positiv beeinflusst. Holenstein: Es ist schwierig, dem noch etwas beizufügen. Mit der populistischen Behauptung «Entwicklungshilfe nützt nichts» ist auch der Druck auf Fastenopfer gewachsen,
die Wirkung seiner Arbeit laufend zu belegen. Es nutzt in seiner Öffentlichkeitsarbeit die Chance zu zeigen, dass es mit «Entwicklung» im Sinne des Leitbilds «Leben in Fülle» meint, und zwar materiell und spirituell. Hautle: Ich hatte zwei Erlebnisse. Das eine war bei einer Dorfgemeinschaft in den Philippinen, das zweite war bei einer Jugendgruppe in Brasilien. Beide Male haben wir nach dem Besuch zusammen gebetet und diskutiert. Und an beiden Orten haben sie mir zum Abschied gesagt: «Zuhause musst du erzählen, was wir hier tun. Für uns ist es unheimlich wichtig zu wissen, dass es in der Schweiz Menschen gibt, die mit uns verbunden sind im Kampf für Gerechtigkeit und für ein menschenwürdiges Leben.» Das ist das Symbol des Fastensäckli. Darin steckt ganz viel Hoffnung und Zuversicht, dass Veränderung möglich ist. Das hat für mich mit Ostern zu tun. Der Tod, die Ungerechtigkeit und die Sünde haben nicht das letzte Wort. Gesprächsleitung: Matthias Dörnenburg Aufgezeichnet: Patricio Frei
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Brot für Brüder, Fastenopfer und Swissaid gründen Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke (heute Alliance Sud). fastenopfer info 2|2011
7.3. Erstmals erscheint eine FastenAgenda. Leitmotiv: «Gerechtigkeit ist für alle da»
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Westschweizer Blitzlichter Vier Persönlichkeiten waren für den Aufbau und die Entwicklung des Fastenopfers in der Westschweiz entscheidend. Ein früherer Leiter des Sekretariats in Lausanne erinnert sich.
Ganz am Anfang war Fastenopfer ein bedeutendes Werk in der Deutschschweiz. Yvonne Darbre aus Lausanne trug dazu bei, Fastenopfer auch in der Westschweiz aufzubauen. Die Präsidentin des katholischen Frauenbundes von 1961 bis 1970 war Mitglied verschiedener Gremien des Fastenopfers und nutzte ihren Ein-
fluss, um 1968 die Gründung eines Sekretariats in der Westschweiz zu erreichen – in den Büros der Caritas Waadt in Lausanne. Zu Beginn wurden die wichtigsten Dokumente der Fastenkampagne einfach auf Französisch übersetzt. Yvonne Darbre brachte jeweils persönlich mit einem kleinen Handwagen die Briefe mit dem für die Pfarreien bestimmten Material zur Post. Ich hatte das Glück, diese aussergewöhnliche Frau zu kennen, die bis zu ihrem Tod
Yvonne Darbre
Fernand Pythoud
1990 Präsidentin der Westschweizer Kommission des Fastenopfers war. Eine weitere markante Persönlichkeit war Fernand Pythoud, mein Vorgänger. Mit seinen wirtschaftlichen, theologischen und seelsorgerischen Kompetenzen, seiner Erfahrung im Süden, seiner Fähigkeit, Verbindun-
«Unbekannte Persönlichkeiten sind die wahren Schöpfer dieses Jubiläums»: Freiwillige bereiten die Fastensuppe in Sainte-Croix.
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«Unser Gott ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes», schreibt der «Vater der Befreiungstheologie», Gustavo Gutiérrez. 1974
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gen zu knüpfen, und seiner enormen Menschlichkeit bleibt er derjenige, der Fastenopfer in der Westschweiz tatsächlich verwurzelt hat. Als Mensch, der zuhören konnte und der den Dialog pflegte, fand er auch dort Lösungen, wo andere nur noch Probleme sahen. Mit ihm erlebte die ökumenische Zusammenarbeit einen starken Aufschwung. Es entwickelte sich ein «ökumenischer» Geist, der die Grenzen der Kirchen überwand. Denn Fernand Pythoud war darauf bedacht, sich Netzwerken anzuschliessen und Synergien zu pflegen. 1980 schloss er sich Magda Bossy und Yvan Stern an, um einer der Pioniere des aktuellen Internationalen Filmfestivals in Fribourg zu werden. Mit Magda Bossy, Mario Carrera und Willy Randin gründete er die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke (heute Alliance Sud) in der Westschweiz, trug zur Entwicklung der Information tiers-monde (Infosud) und Schulstelle Dritte Welt (Stiftung Bildung und Entwicklung) bei – um nur seine wichtigsten Errungenschaften zu nennen. Ich möchte schliesslich zwei Persönlichkeiten würdigen, die für Fastenopfer im Laufe der 50 Jahre seines Bestehens sehr wichtig waren. Es handelt sich um den «unbekannten Freiwilligen» und den «unbekannten Spender», die verdeckt an der Basis der Pfarreien wirken. Diese unbekannten Persönlichkeiten sind die wahren Schöpfer dieses Jubiläums. Zusammen mit meinen früheren Kolleginnen und Kollegen wünsche ich ihnen ein langes Leben und viel Treue in ihrem Engagement. Charles Ridoré, Leiter des Büros in der Romandie von 1988 bis 2007
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Fastenopfer unterstützt ausserschulische Jugendarbeit.
Fastenopfer und Frauenpower In der Geschichte des Fastenopfers spielten Frauen immer schon eine entscheidende Rolle. Nicht nur 1994, als Annemarie Holenstein, Rosmarie Simmen und Ingrid Grave leitende Funktionen innehatten.
1994 stieg Fastenopfer mit dem Slogan «Frauen gestalten die Welt» in die Kampagne. Ich weiss: Diese Kampagne hat nicht das ganz grosse Geld gebracht. Für mich jedoch – und sicher auch für viele andere Frauen – bedeuteten dieser Slogan und die ganze Kampagne der Fastenzeit 1994 eine Ermutigung. Manchen Frauen ist vielleicht zum ersten Mal bewusst geworden, welche prägende Rolle in der Gesellschaft und der Kirche ihnen zukommt, ohne dass in der Vergangenheit viel Aufhebens davon gemacht worden war. Damals war Ferdinand Luthiger daran, sich als Direktor aus Altersgründen zurückzuziehen. Er war zweifellos ein frauenfreundlicher Direktor, dem ein paar tüchtige Frauen zur Seite standen. So leitete die damalige Ständerätin Rosmarie Simmen den Aktionsrat. An sie erinnere ich mich gerne, wie sie zügig und umsichtig die grossen Sitzungen leitete. Ich selbst nahm als Präsidentin der Missionskommission des Fastenopfers ebenfalls daran teil. Natürlich gab es noch weitere Frauen, die in Kommissionen und Räten mitarbeiteten. Von einer eigentlichen Frauenpower in jener Zeit möchte ich nicht sprechen. Aber mir scheint, dass viel Engagement von Seiten der Frauen vorhanden war. Zudem habe ich durch meine Mitarbeit bei Fastenopfer gelernt, wie stets gerne Frauenprojekte unter-
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1994 in Frauenhand: Grave, Holenstein und Simmen (von links).
stützt wurden. Auf Frauen könne man sich verlassen, ganz gleich ob in Afrika, Südamerika oder Asien. Frauen seien mit ihren Projekten nahe am Leben. Gut in Erinnerung geblieben ist mir ein Kommentar zur starken Frau im «Buch der Sprüche»: «Eine starke Frau, wer findet sie? (…) Auf sie vertraut ihr Gatte von Herzen.» Dabei erinnere ich mich an eine Sitzung des Stiftungsrats, in dem damals alle Diözesanbischöfe vertreten waren. Es war 1994. Annemarie Ho-
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Senegals Ackerbau
lenstein hatte sich um die frei werdende Direktorenstelle beworben. Es ging für sie nur noch darum, sich im Stiftungsrat vorzustellen. Die Bischöfe stellten ihr einige Fragen, von denen mir nur eine geblieben ist: «Wie stellt sich Ihr Ehemann dazu, wenn Sie den Posten der Direktorin übernehmen werden?» Es erstaunt, wofür Mann sich in der Kirche interessiert, wenn Frau klare Ziele verfolgt! Annemarie Holenstein hat als Direktorin des Fastenopfers einen Strukturwandel eingeleitet. Es sind dabei Spannungen aufgetreten, von denen bis heute wohl niemand ganz genau weiss, wo die Ursachen lagen. 2000 kündigte sie ihre Stelle als Direktorin des Fastenopfers, was von mir und vielen andern sehr bedauert wurde. Doch es freut mich, dass dieses Hilfswerk der katholischen Kirche trotz aller Umbrüche und Rückschläge auf dem Weg geblieben ist – und dies bis heute nicht ohne Frauenpower! Schwester Ingrid Grave OP
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Frauen gestalten die Welt: Safiotou Sanfo aus Burkina Faso unterwegs zum Brunnen.
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Maya Graf, Nationalrätin, Biobäuerin
Am Weltsozialforum in Senegal waren Landwirtschafts- und Ernährungsfragen ein brennendes Thema. Mit der Schweizer Delegation besuchte ich im Vorfeld auch ein landwirtschaftliches Projekt des Fastenopfers. Es war für mich sehr eindrücklich, wie Fastenopfer zusammen mit engagierten Bauernvereinigungen den ökologischen Landbau und die ländliche Entwicklung stärkt. In einem Dorf südlich von Dakar erklärten uns Ackerbauernfamilien, wie sie die Hungerzeit zwischen zwei Ernten überwinden. Sie zeigten uns stolz die Solidaritätskasse, die von allen gefüllt wird. Für Schulgebühren oder bei Hunger können sie einen Kredit beziehen, der zurückbezahlt werden muss. Ausserdem gibt es einen intensiven Austausch über Gesundheitsfragen und Probleme mit Landtiteln oder Saatgut. Eine junge Mutter erzählte, dass das ganze Dorf zum Teil tagelang verhandle, bis alle überzeugt seien. Das stärkt die Gemeinschaft und die Frauen, die nicht nur in Senegal für das tägliche Essen und die ländliche Entwicklung eine tragende Rolle spielen.
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4.3.–19.4. Die Kampagne «Frieden wagen» polarisiert mit kritischen Fragen an die Schweizer Armee. 1978
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Damit El Agustino neu erblüht Mit kaum einer anderen Organisation hat Fastenopfer so lange zusammengearbeitet wie mit Sea in Peru. Nun geht diese Partnerschaft zu Ende. Was bleibt darüber hinaus von der Hilfe aus der Schweiz sicht- und spürbar?
Gladis Melgar, Mutter und Gemeindeleiterin aus Limas Armenviertel El Agustino, erinnert sich: «Früher war dieses Gebiet eine Landwirtschaftszone, durchfurcht von Bewässerungskanälen mit kleinen Brücken. Überall wuchsen Rosen und Blumen. Blütenduft erfüllte die Luft.» Die Landschaft veränderte sich gewaltig in den 1950er, 60er und 70er Jahren. Viele Familien mit sehr tiefen Einkommen aus abgelegenen Gebieten Perus kamen in die Aussenbezirke der Hauptstadt. Sie versuchten, dem Elend und dem Vergessen zu entfliehen. Ihr Schicksal änderte sich jedoch kaum, auch wenn sie nun wenige Kilometer vom Regierungspalast entfernt lebten.
Lokalbanken bis Esszimmer Heute gibt es in diesem Viertel keine wilden Blumen mehr. El Agustino ist ein dicht bewohntes Stadtviertel geworden. Doch der Staat ist nicht fähig, das Viertel mit Strom und Wasser zu versorgen und nötige Sanierungen durchzuführen Es fehlt an einer Stadt- und Sozialpolitik, als Folge davon breiten sich Kriminalität und Bandentum aus. Statt der Blumenpracht blüht nun in El Agustino das Verbrechen. Trotz den widrigen Umständen zeichnet sich El Agustino durch ein hohes Niveau von Organisation und Beteiligung der Bürger aus. Dies erkennt man an zahlreichen Initiativen wie der Beteiligung am öffentlichen
Budget oder den sogenannten Regierungsverträgen. Diese Prozesse haben sich bewährt, jetzt sollen auch andere Quartiere im Osten Limas von den guten Erfahrungen profitieren. Des Weiteren gibt es eine breite Palette an Vereinigungen von Kleinunternehmern und Handwerkern, an Basisorganisationen für Mütter oder Jugendgruppen, ein Zentrum der Lokalbanken, das Bürgerkollektiv, die Netzwerke zur Prävention vor familiärer Gewalt – um nur einige Beispiele zu nennen. So ist El Agustino nicht einfach eines der ärmsten Viertel Limas, sondern auch ein Kraftort der Initiative und des Wachstums. Und im Zentrum dieses Kraftorts befindet sich die Organisation Servicios Educativos El Agustino Sea (Bildungsdienstleistungen El Agustino). Sea wurde 1978 auf Vorschlag des Jesuitenordens gegründet und konnte zwei
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Eigene Bäckerei gegründet, weil die Bäcker zu wenig oder schlechte Ware lieferten: Angestellte und ihr Brot.
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Jahre später auf die Unterstützung des Fastenopfers zählen. Geschaffen wurde Sea mit der Absicht, die Fähigkeiten der Bevölkerung und ihrer Gemeindeleiter zu stärken, damit sie die eigene Entwicklung und diejenige der Gemeinde selber in die Hand nehmen konnten. Während den Jahren der grössten Armut in Peru war Sea ein wichtiger Verbündeter der Bevölkerung, vor allem durch die Schaffung der Co medores (öffentliche Esszimmer) und Gesundheitsgruppen. Später, als die Kleinstbetriebe im Land boomten, unterstützte Sea mit technischer Beratung zahlreiche Unternehmen, von denen heute viele selbständig funktionieren. In der Not zur Stärke finden Mitte der 90er Jahre spürten Martha Vera Belleza und andere Mütter, die in den Comedores arbeiteten, dass die Unterstützung durch die Regierung nachliess. Sie sagten sich: «Wenn wir schon die Hingabe und die Kraft hatten, die Comedores in den schwierigsten Zeiten durchzubringen, dann können wir mit derselben Energie jetzt ein eigenes Unternehmen gründen.» Kam hinzu, dass diese Mütter ständig Auseinandersetzungen mit den lokalen Bäckereien hatten, weil dieThemen_Plakate 1973 – 2009 oft unvollstänse die Bestellungen dig oder in minderer Qualität ausführten. Als sie auch noch eine grössere Menge überschüssiges Mehl als Spende erhielten, waren die Voraussetzungen ideal, um eine eigene Bäckerei 1974 zu gründen: die 1975 Pa1973 nadería Virgen de Nazaret (Bäckerei Jungfrau von Nazaret). In all den Jahren führten zahlreiche Probleme mehrmals beinahe zur
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Schliessung des kleinen Unternehmens. «Aber es konnte sich halten», wie Vera Belleza erzählt: «Dank der Motivation, dass die Bäckerei ein Ort des beruflichen Weiterkommens für mehrere Generationen von Bäckerinnen und Bäckern war, und dank der bedingungslosen Unterstützung durch Sea.» Diese steht auch heute, da die Bäckerei selbstverwaltet betrieben wird, mit Rat und Tat zur Seite.
weiter zur Entwicklung der Quartiere El Agustino, Santa Anita und Ate bei und hat ihr Wirkungsfeld auf die Vorstädte Chaclacayo und Chosica sowie die Provinz Huarochiri ausgedehnt.
Gemeinsam zu internationalen Aufträgen: Keramiker Germán Guillén.
Von der Kühnheit, zu träumen Diese Arbeit für und mit der Gemeinschaft hat mehr als bloss ein organisiertes Quartier hervorgebracht. Sie bedeutete auch eine Veränderung im Leben vieler junger Menschen: indem sie Zugang zu einer Ausbildung hatten und sich persönlich weiterentwickeln konnten. Beeinflusst hat sie auch Hunderte von Müttern, die wirtschaftlich selbständig wurden und lernten, wie sie Gewalt in ihren Familien vermeiden können. Und Wirkung hatte sie für Leiterinnen und Leiter in den Gemeinden, die eine wirkliche politische Beteiligung erreichten. Gerade die Pactos de Gobernabilidad (Regierungsverträge) erwiesen sich als taugliches Instrument. Mit ihnen verpflichten sich die Kandidierenden für ein Bürgermeisteramt, die von der Bevölkerung gewünschten Prioritäten zu erfüllen. Vor allem aber hat die Arbeit von Sea eine Bevölkerung hervorgebracht, welche die Kühnheit hat, von einem besseren Wohnviertel zu träumen. Und sie besitzt die Instrumente, mit dem Bau dieses Ortes zu beginnen. Wie Gladis, die sich danach sehnt, ihr Viertel wieder in voller Blumenpracht zu sehen. Scarlett Sayán, Lima
gonnen, junge Männer in die Geheimnisse seines Berufs einzuführen. Sea hat ihren Sitz in der Pfarrei Virgen de Nazaret, in einem einfachen 1975 19731976 19741977 Haus am Fuss des Hügels El Agustino, der dem Viertel den Namen gibt. Sea stellt für viele Menschen im Osten Limas ein zweites Zuhause dar:
für diejenigen, die hierherkommen, um zu beten oder um an einer der Aktionsgruppen teilzunehmen. Nach über 301975 Jahren Zusammenarbeit mit 1978 1976 Fastenopfer ist Sea eine gefestigte Institution. Ihre Arbeit ist anerkannt von der Zivilgesellschaft und von den lokalen Regierungen. Sea trägt
Jedes Projekt hat einen Anfang und ein Ende. In Peru und Mexiko wird das Fastenopfer seine Präsenz 1978 per Ende 2013 1977 beenden. Die Arbeit von Sea wird weiterwirken. Helfen Sie mit für einen guten Übergang: PC 60-191919-7
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Verträge mit Regierungskandidierenden: Häusermeer von El Agustino.
Viele Hände zusammenbringen In seinem Atelier zeigt Germán Guillén Alegría stolz die internationalen Kataloge, in denen seine Keramik arbeiten abgebildet sind. Und es fehlt wahrlich nicht an Gründen, stolz zu sein. Er gilt als einer der besten Keramiker des Landes, weshalb er erst kürzlich eine Auszeichnung vom Kongress der Republik erhielt. Und seine Werkstatt erhält Aufträge von grossen nationalen und internationalen Marken. Als Germán zu Beginn der 80er Jahren mit seiner Werkstatt in das Armenviertel Ate umzog, war er davon noch weit entfernt. «In dieser ersten Zeit arbeitete ich alleine», erzählt er: «Ich war überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit anderen Menschen unnötig anstrengend ist.» Durch Zufall nahm er an einer von Sea organisierten Versammlung von Handwerkern im Osten Limas teil. Und von da an mischte er sich mehr Themen_Plakate – 2009 und mehr in die1973Aktivitäten der Handwerksgesellschaft ein, während Sea ihm half, sich in eine Führungsperson seiner Zunft zu verwandeln. Heute präsidiert er die Gesellschaft der Handwerker von 1974 Ate «Runak 1973 Puchak» und zählt auf eine hervorragende Gruppe von Arbeitern, ohne die er seine Aufträge nicht erfüllen könnte. Vor kurzem hat er be-
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Erscheinung des Manifest 2000
Hunderte von wirtschaftlich selbständigen Müttern: Martha Vera.
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Charles Ridoré wird neuer Leiter des Secrétariat romand.
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Was die andere Hand nimmt Seit 20 Jahren gestehen sich die westlichen Staaten ein, dass ihre Aussenpolitik gegenüber den Entwicklungsländern oft widersprüchlich ist – leider ohne dass sich viel verändert. Während sie mit Entwicklungszusammenarbeit das Los der ärmsten Menschen verbessern helfen, setzen sie wirtschaftliche und geopolitische Eigeninteressen durch, welche den Entwicklungsländern schaden. Zum Beispiel Steuerflucht: Über 360 Milliarden Franken Privateinkommen und -vermögen aus Entwicklungsländern sind auf Schweizer Banken dem Zugriff ihrer Steuerbehörden entzogen – was unsere Regierung bis vor kurzem staatlich protegierte. Dadurch entgehen den betroffenen Entwicklungsländern
jährlich über 5 Milliarden Steuereinnahmen. Sie erhalten im Gegenzug Entwicklungshilfe: 2010 im Betrag von 2 Milliarden Franken. Seit langem machen Hilfswerke wie Fastenopfer auf solche Widersprüche aufmerksam. Um die Armut zu verringern, setzen sie deshalb nicht nur auf Projekte und Programme vor Ort, die den Ärmsten direkt zugute kommen. Sondern sie setzen sich auch dafür ein, die politischen Verhältnisse in den reichen Ländern so zu verändern, dass nicht die eine Hand nimmt, was die andere gibt. Das 1961 gegründete Fastenopfer gehörte zu den Pionieren dieser Auffassung. Zehn Jahre später bekräftigte es bei der Gründung von Alliance Sud ihr entwicklungspolitisches Engagement und suchte die Zusammenarbeit mit anderen Hilfswerken. Der Aufschwung des fairen Handels in der Schweiz und die Gründung
von Max Havelaar sind weitere Folgen dieser Zusammenarbeit. Oder der Erlass der Schulden der ärmsten Länder durch die Schweiz, den Fastenopfer und die anderen Hilfswerke von Alliance Sud mit einer Petition angestossen haben. Oder die jüngste Erhöhung des Bundesbudgets für Entwicklungszusammenarbeit auf 0,5 %, an deren An-
fang wieder eine Petition der Werke Fastenopfer und Brot für alle stand. Das breite Bewusstsein in den beiden Landeskirchen für entwicklungspolitische Probleme – das nicht zuletzt eine Folge des Engagements der Fastenwerke ist – spielte dabei immer eine wichtige Rolle. Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud
Steuerflucht übertrifft Entwicklungshilfe: Schlackeberg im Kongo.
Das Einzigartige an Fastenopfer Was bedeutet Fastenopfer für die Basis der Schweizer Kirche? Gaby Zimmermann sieht die Fastenkampagne als Chance, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen und etwas für Gerechtigkeit zu tun.
Während meines Studiums sah ich während eines Praktikums bei missionsärztlichen Schwestern auf den Philippinen mit eigenen Augen, wie die Weltwirtschaftsunordnung zu Armut, Gewalt und Umweltzerstörung erheblich beiträgt. Auch wenn ich
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persönlich niemanden von seinem Land vertreibe und auch keine Regenwälder abholze, bin ich durch meinen Lebensstil daran beteiligt. Diese Erkenntnisse haben mich bis heute geprägt, und auf diesem Hintergrund sehe ich auch die Bedeutung des Wortes «Umkehr». Es ist das grosse Verdienst des Fastenopfers, dass die Fastenzeit nicht nur eine persönliche Frömmigkeitsübung für wenige und ohne gesellschaftliche Bedeutung ist, sondern viele Pfarreien, Gruppen und Einzelne es wagen, ihr Leben und Glauben mit den Bedingungen der Menschen in Entwicklungsländern zu
konfrontieren. Die Kampagnen geben uns die Gelegenheit zu einer inhaltlich fundierten Auseinandersetzung mit einem wichtigen und aktuellen Lebens- und Glaubensthema, was sonst in dieser Art im pastoralen Alltag kaum möglich ist. Sie verbinden Spiritualität und Solidarität, Lokales und Globales auf eine ermutigende Art. Sie zeigen uns Wege, wie wir aus mindestens einigen zerstörerischen Gewohnheiten umkehren und um Vergebung bitten können. Ich bin dankbar, auf diese Weise Projekte, Petitionen und Gebete mittragen zu dürfen, die zu mehr Gerech-
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Erste Kampagne in Zusammenarbeit mit Partner sein (christ katholisch) und Gründung von Max Havelaar Schweiz
Grosserfolg der Petition «Entwicklung braucht Entschuldung»
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tigkeit führen, im Süden und auch bei uns. Als einzelne Pfarrei oder Person wäre es gar nicht möglich, das so fundiert und wirkungsvoll zu tun. So setze ich zusammen mit vielen anderen seit über 25 Jahren die ökumenischen Kampagnen um. Gemeinsam sammeln und spenden wir dabei Geld und lernen viel. Für mich sind sie ein Schwerpunkt im Jahr. Dank des Fastenopfers wirken wir als Pfarrei an der Einlösung des Versprechens Jesu, dass das Himmelreich schon nahe ist, mit. Danke und weiter so! Gaby Zimmermann, Gemeindeleiterin in Romanshorn
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Die Latte hoch halten Hunger, Armut und Kriege nehmen weltweit zu. Doch Bundesbern scheint in der Entwicklungspolitik erstarrt. Nationalrätin Chiara Simoneschi-Cortesi legt dar, weshalb.
Mit der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise, welche mehrere Länder Europas – wie Griechenland, Irland oder Portugal – strengen Prüfungen unterzieht, wird es noch schwieriger werden, die versprochene Erhöhung der Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit zu verteidigen. Die Industriestaaten haben andere Prioritäten: Angesichts des «arabischen Frühlings» müssen sie mit Instabilität und der Angst vor einem Flüchtlingsstrom aus Nord afrika umgehen. Unter diesen Voraussetzungen ist es schwierig, alternative Finanzierungsmechanismen für die Entwicklungshilfe zu finden. Vorschläge wie die weltweite Besteuerung von Finanztransaktionen (Tobin Tax) sind sicherlich interessant, aber ihre Erfolgschancen sind winzig. Ausser sie erhalten die Unterstützung durch Organisationen wie die G8, G20, Weltbank oder den Internationalen Währungsfonds. Pragmatisches Vorgehen ist gefragt und es gilt, sich auf realistische Ziele zu konzentrieren. Man könnte beispielsweise einführen, was bereits in Frankreich und bald auch in Deutschland Praxis ist: Ein Abzug von einem bis zwei Euro auf jedes Flugticket. Oder die 1985 1985 Anwendung des CO2-Gesetzes nicht nur auf Heizöl, sondern auch auf Treibstoffe. Bislang hat sich der Bundesrat sehr zurückhaltend gezeigt gegenüber
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einer Erhöhung der Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit. Es ist unwahrscheinlich, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird. Mehr noch: Die aktuellen Schwierigkeiten auf internationaler Ebene drohen diese Frage auf der Schweizer Polit agenda weiter nach hinten zu drängen. Mehrmals legte die Schweizer Bevölkerung Zeugnis ihrer Grosszügigkeit ab. Eine Tendenz, von der die Politikerinnen und Politiker nicht erfasst wurden, sie bleiben schwierig zu überzeugen. Die politischen Kreise werden immer stärker polarisiert, und es fehlt ihnen der Wille, Lösungen zu finden, die den Interessen der Schwächsten Rechnung tragen. Wegen der Zersplitterung der politischen Kräfte wird es zunehmend schwierig, zu spezifischen Anliegen, deren Bedeutung für die Schweiz
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Philippinische Sicht unterschätzt wird, eine Einigung zu finden und eine Mehrheit zu behalten – erst recht, wenn Wahlen unmittelbar bevorstehen. Im Dezember erhält unser Land ein neues Parlament und eine neue Regierung. Falls sich die politischen Kräfteverhältnisse verschieben, könnte neuer Wind in die Diskussion kommen. Im Moment ist es unmöglich vorauszusagen, in welche Richtung er blasen wird. Die Entwicklungszusammenarbeit darf nicht durch Winkelzüge der Schweizer Politik ins Abseits manövriert werden. Im Gegenteil, sie muss sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene als Teil einer vorausschauenden Politik unseres Landes verstanden werden. Deshalb ist es unumgänglich, die Latte unserer Forderungen hoch zu halten. Denn wenn man 1000 Franken fordert, erhält man schliesslich 100 Franken! Chiara Simoneschi-Cortesi, Stiftungsrätin, Nationalrätin
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Der Hunger nimmt zu, aber die reichen Länder haben andere Prioritäten: Ein Mädchen auf den Philippinen reinigt den geernteten Reis.
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Sr. Mary John Mananzan, OSB
Worin die künftigen Herausforderungen für Hilfswerke wie Fastenopfer liegen? Eine liegt bei der Weiterbildung. Bei uns nahm Berufsbildung nie einen hohen Stellenwert ein. Aber jetzt wird anerkannt, dass die vielen Schülerinnen und Schüler, die ihre Bildungskarriere abbrechen, schon frühzeitig darauf vorbereitet werden müssen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Von Hilfswerken angebotene Weiterbildungen können ihre Chance erhöhen, Arbeit zu finden. Davon profitiert die ganze Familie. Denn dieses Einkommen wird es den anderen Kindern ermöglichen, zur Schule zu gehen. Ein zweiter Bereich ist die Gesundheit. Vorsorge und alternative Heilmethoden sind wichtig. Hilfswerke sollen bei der Entwicklung der Kräutermedizin helfen und bei der Weiterbildung von Gesundheitspersonal. Ein dritter Bereich ist der Kampf gegen Korruption. Hierbei nehmen Whistleblowers eine sehr wichtige Position ein. 1989 Und nicht zuletzt sehe ich weiterhin Bedarf an Gemeinschaftsbildung, damit Menschen gemeinsam ihre Rechte verteidigen und einfordern können.
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Steuerübergabe von Ferdinand Luthiger an Anne-Marie Holenstein
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Eine Organisation mit vielen Gesichtern Die Bildungs- und Informationsunterlagen des Fastenopfers werden ganz unterschiedlich verstanden und umgesetzt. Entsprechend gross ist die Vielfalt, wie Pfarreien die Fastenkampagne umsetzen. Stellvertretend dafür hier drei Beispiele aus den Sprachregionen: eine Gruppe Fastender, eine Schatzsuche und ein Suppentag mit Wasser und Brot.
Fasten – ein solidarischer Akt 2001 hat Fastenopfer zusammen mit Brot für alle die Tradition des Fastens wieder zum Trend gemacht. Das Fasten ist eine aussergewöhnliche Art, die ökumenische Kampagne zu leben. Die zwei Gruppen mit rund 30 Teilnehmenden im ersten Jahr haben sich in zehn Jahren auf 46 Gruppen mit 550 Frauen und Männern vervielfacht. Ein Streifzug durch die solidarische Aktion, die bislang auf die Romandie beschränkt blieb. Irgendwo am Ufer des Genfersees: Marcel Raymond knabbert an einem Apfel. Eine beinah feierliche Handlung. Nach einer Woche, in der er nichts ausser Fruchtsaft und Bouillon zu sich genommen hat, geniesst er diesen Moment. Dieser Apfel hat einen ganz besonderen Geschmack: Er symbolisiert das Fastenbrechen. Was veranlasst Hunderte von Men1986während der Fastenzeit 1987 schen, auf Nahrung zu verzichten? «Es gibt wohl gleich viele Beweggründe wie Fastende», erklärt Anne-Michèle Stern, Koordinatorin dieser Fastenwochen: «Das Fasten ist ein Akt der Besinnung, eine Handlung der Soli1991und der Gemeinschaft, 1992 darität die es erlaubt, zum eigentlichen Kern der Fastenzeit zurückzukehren.» Es ist auch der Wunsch, sich körperlich und geistig zu reinigen, sich von
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Verabschiedung des neuen Leitbilds Fastenopfer durch den Stiftungsrat
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Überflüssigem zu trennen, um das Wesentliche zu finden. «Durch das Fasten habe ich gelernt, völlig loszulassen, wenn mich Sorgen bedrücken», erklärt Marcel Raymond, «mich nicht mehr mit meinen Aktivitäten zu dopen, mir Zeit zu nehmen und den Moment leben zu können.» Der Einstieg ins Fasten verläuft schrittweise. Man beginnt damit, auf Alkohol und Kaffee zu verzichten. Danach folgen Süssigkeiten und Fleisch, um am Tag vor der eigentlichen Fastenwoche nur noch Früchte und Gemüse zu essen. Es empfiehlt sich, die Methode von Dr. Buchinger zu befolgen. Während der Fastenwoche treffen sich die Fastenden jeden Abend, um ihre Erlebnisse auszutau-
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schen, zu einem Bibeltext zu meditieren oder zu beten. Sie treffen sich auch zum Spaziergang, denn die körperliche Bewegung ist während des gesamten Fastens entscheidend. «Die Gruppe ist unersetzlich», erklärt Anne-Michèle Stern: «Man unterstützt sich gegenseitig, um die Erfahrungen gemeinsam zu leben.» «Diese Treffen sind wahre Nahrung – für das Herz und das gesamte Sein!», erklärt Michel Genoud, ein anderer Teilnehmer: «Ich erinnere mich an die Fastensäcklein in meiner Kindheit. Als ‹gute Tat› habe ich einige Geldstücke reingetan. Durch das Fasten habe ich meine Art gefunden, die ökumenische Kampagne intensiver zu leben. Während des
Fastens ist mein Geist lebendiger, meine Sinne sind offener und meine Konzentration ist besser. Bei der Arbeit fallen mir die Entscheidungen leichter und ich arbeite mehr, ohne es zu wollen.» Fasten ist auch ein Zeichen der Solidarität mit den Millionen von Menschen, die an Hunger leiden. Es ist den Fastenden freigestellt, mit dem Geld, das sie nicht für Nahrungsmittel ausgeben, die Arbeit des Fastenopfers zu unterstützen. «Auf diese Weise werden wir uns auch wieder der Kosten für Nahrungsmittel bewusst», erklärt Marcel Raymond. Damit sich die Besinnung mit der Solidarität vereint. Johanna Monney, Lausanne
«Ein Akt der Besinnung»: Wenn Hunderte von Menschen sich nur von Saft und Bouillon ernähren.
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Anne-Marie Holenstein verlässt das Fastenopfer.
Mit der Eröffnung der Kampagne «Neue Noten braucht das Geld» beginnt Antonio Hautle seine Arbeit im Fastenopfer.
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Beten beim Beck Von der Metzgerei Dürr über den Garten hinter der Kapelle zum Goldschmied Häfeli – die acht Posten der Schatzsuche führen den Suchenden an ganz unterschiedliche Orte des Dorfs Flawil. Ziel des Parcours ist es, auf sinnige Weise eine breite Öffentlichkeit auf die Bodenschätze aufmerksam zu machen, das Thema der ökumenischen Kampagne. Bei jedem Posten findet der Suchende ein Wort für einen Lösungssatz. Eruiert wurden die Gewinner am afrikanischen Abend, zwischen Vortrag über Handy und Hunger, afrikanischer Musik und einem Imbiss. Ausgeheckt hatte die Schatzsuche
Pfarrer Josef Wirth zusammen mit einem kleinen ökumenischen Team: «Ich persönliche arbeite gerne mit Symbolen. Da bleibt eher etwas im Gedächtnis haften.» Das ökumenische Team in Flawil versucht immer wieder mit neuen Ideen auf die Leute zuzugehen. In früheren Jahren gab es auch schon mal die Aktion «Shoppen und Beten» mit einer Besinnung in der Metzgerei, Bäckerei und im ClaroLaden. Die Geschäfte machen zumeist bereitwillig mit. Wirth verfolgt mit den Aktionen zwei Ziele: «Ich will mit der Kirche zu den Leuten raus. Und ich will die Religiosität mit dem Alltag verbinden.» Mit einigem Erfolg: Bei den Gebeten in den Geschäften tauchten jeweils über 20 Personen auf. Dieses Jahr
machten sich letztlich vor allem die Klassen während des Religionsunterrichts auf Schatzsuche. Trotz Hinweisen in den Gottesdiensten, einem Flyer und einem Zeitungsartikel
Schatzsuche beim Goldschmied.
lockten die Posten wohl nur wenige Neugierige zusätzlich in die Geschäfte. Hingegen wurden etliche Kunden erst in den Geschäften dank der Informationstafeln auf die Problematik der Bodenschätze aufmerksam. Erfreulich auch, dass der Goldschmied neben dem Posten gleich die Herkunft seines Edelmetalls deklarierte: Es ist wiederverwertetes Altgold. Am meisten überrascht wurde Wirth dieses Jahr von einem Schüler der Unterstufe. Der Junge, der sich im Unterricht sonst nur wenig aktiv zeigt, brachte eines Tages zwei Hunderternoten mit in die Schule: Es war der Erlös aus dem Verkauf selbstgebastelter Sachen – zu Gunsten des Fastenopfers. Patricio Frei, Luzern
Brot und Wasser zum suppentag Suppe, vor allem Minestrone, Reis mit Bohnen oder Salzkartoffeln mit Käse – an Suppentagen und Solidaritätsessen, die in der Schweiz während der Fastenzeit organisiert werden, interpretiert jede Gemeinde und jede Pfarrei gemäss ihrer eigenen Tradition diesen aussergewöhnlichen Moment des Teilens. Mögen die Mahlzeiten noch so unterschiedlich sein, überall spürt man den gleichen Elan der Grosszügigkeit für diejenigen auf der Welt, deren Teller nicht voll werden: Nach dem gemeinsamen Teilen des Essens und einem Moment der Besinnung sind die Teilnehmerinnen 1998 2002
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nicht nur Erwachsene aus Brione und den Nachbardörfern, sondern auch eine ganze Reihe Kinder. Deren Freude und geschäftiges Treiben verleiht wenigstens einem dieser langen Abende Ende Februar, Anfang März einen Hauch von Unbeschwertheit. Die offene und direkte Art der Kinder macht schnell die
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«Wir glauben», ein neuer Zyklus der ökumenischen Kampagne mit neuem Erscheinungsbild, beginnt.
Konzentration der Südarbeit auf 16 Landesprogramme
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Die Stiftung Fastenopfer bekommt eine neue Gremienstruktur.
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Mühsal der langen Anreise und des langen Arbeitstags vergessen. Die mit anderen Menschen gemeinsam verbrachte Zeit erinnert an die eigentliche Bedeutung der Fastenzeit, vor allem an das Motto, das seit der Gründung des Fastenopfers seine Arbeit zusammenfasst: Wir teilen. Federica Mauri-Luzzi, Lugano
und Teilnehmer eingeladen, zu Gunsten eines von Fastenopfer unterstützten Projekts zu spenden. Die Stimmung, die sich dabei ergibt, ist tatsächlich speziell: Für einmal steht nicht die Nahrung im Mittelpunkt. Sie ist sogar zum Teil auf das Wesentliche reduziert, wie in Brione Verzasca. Seit Jahren besteht die Fastensuppe, die in diesem kleinen Tessiner Dorf oben im Verzascatal ausgeteilt wird, einzig aus Brot und Wasser. Die Einfachheit der Mahlzeit bildet einen enormen Gegensatz zum sehr warmen Empfang durch die Organisatoren um Pfarrer Pater Darius Solo, der aus dem Kongo stammt. Und entgegen den Erwartungen versammelt dieses Solidaritätsessen
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Die eigentliche Bedeutung der Fastenzeit: Suppentag in Brione.
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Gratis ins Open-Air-Kino Zum Jubiläum verschenkt Fastenopfer für jede Filmvorführung 100 Gratiseintritte: Aufführungsort (siehe unten), Datum und Ihre Adresse an 041 227 59 59 oder mail@fastenopfer.ch (Angebot solange Vorrat).
Hunger - genug ist nicht genug – Faim et abondance Gast / invité: David Syz
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Open Air Kino Kreuzlingen, Hafenareal Open Air Cinéma Martigny, Amphithéâtre Open Air Kino Schloss Hallwyl, Seengen Open Air Kino Zug, Seepromenade Open Air Kino Worb, Schulzentrum Worbboden Open Air Kino St. Gallen, Kantonsschulpark Burggraben Open Air Kino Luzern, am See bei der Aula Alpenquai Open Air Cinéma Fribourg, Belluard Cinéma en plein air Vevey, Place Scanavin Aarauer Open Air Kino, Pferderennbahn Schachen Open Air Kino Uster, bei der Reithalle Buchholz 1999 1999 2000 Open Air Kino Weinfelden, Sportwiese (bei Badi) Alle weiteren Informationen erhalten Sie mit dem neuen Open Air Kino iPhone-App.
Tickets online: www.open-air-kino.ch
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Computerkampagne fordert «Arbeit muss menschenwürdig sein» 2006
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Auf zum «Dîner commun»! Das Dîner commun von Keur Médoune wird im Film «Hunger – genug ist nicht genug» vorgestellt. Ein Hoffnungszeichen im Kampf gegen Hunger und Armut.
Mit lautem Schreien rennen die Kinder durch die Abenddämmerung des Dorfs Keur Médoune in der Nähe von Thiès, der zweitgrössten Stadt in Senegal. Sie rufen die Bewohner zum Dîner commun, einem Solidaritätsessen, während der Zeit der Soudure. «Die Soudure, das ist die Zeit, in der nichts mehr geht», erklärt Bassoum Souleymane, der Koordinator des Fastenopfers. «Dann sind die Getreidespeicher leer, und die neue Ernte ist noch lange nicht reif.» In dieser Zeit müssen auch die schweren Arbeiten auf den Feldern erledigt werden, wodurch die Notsituation noch stärker wird. Es gibt nicht genug zu essen und meist wandern die Männer dann ab in die Städte, auf der Suche nach Arbeit. Um diese Notzeit zu überbrücken, arbeiten Bassoum Souleymane und die Projektpartner des Fastenopfers mit zwei grundsätzlichen Strategien: den Gemeinschaftsfeldern und den Getreidespeichern. Auf den Gemeinschaftsfeldern arbeitet jede Familie eines Dorfes eine gewisse Zeit im Frondienst. Die Ernte dieses Feldes gehört allen. Sie gilt als Grundstock des gemeinsamen Getreidespeichers. Das Getreide wird dann genutzt, wenn die Soudure anbricht. Zum Beispiel für die gemeinsamen Mahlzeiten, die Dîners communs. Für Bassoum Souleymane ist wichtig, dass diese gemeinschaftlichen Strategien von den Menschen selber getragen werden: «Die Leute arbeiten selber
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Bischof Erwin Kräutler feiert in der Berner Heiliggeistkirche mit uns das Jubiläum 40 Jahre ökumenische Kampagne.
Eine halbe Million Unterschriften aus der ganzen Welt fordern konkrete Massnahmen gegen den Klimawandel.
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auf den Gemeinschaftsfeldern. Es ist ihr eigenes Getreide, ihr Wissen und ihre eigene Kraft, die sie einsetzen, um den Hunger zu überwinden.» 60 Prozent der Bevölkerung des Senegals lebt laut Bassoum Souley mane in Armut: «Man kann nicht ein Land vorwärtsbringen, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung am Boden liegt. Da hilft nur die Solidarität!» Dass diese Solidarität nicht einfach ein Schlagwort ist, zeigt sein Erfolg: «Als ich das erste Mal in die Dörfer kam und erzählte, dass ich kein Geld bringe, haben sie mich beinahe davongejagt», lacht er. Bassoum Heute ist FastenSouleymane opfer in mehr als 300 Dörfern aktiv und über 600 Dörfer sollen es in den nächsten Jahren werden. «Wir arbeiten mit Menschen, die jegliche Hoffnung aufgegeben haben. Auf einmal stehen sie auf und packen neue Dinge an. Sie begreifen, dass alles möglich wird. Das ist das wichtigste Ziel unserer Arbeit.» Der Beweis sind die Kinder, die lautstark zum «Dîner commun» in Keur Médoune rufen. Das Getreide für das Essen stammt vom Gemeinschaftsfeld und das Dîner ermöglicht allen Familien während der Zeit der Soudure eine vollständige Mahlzeit. Es gibt Kinder, die können sich ein Leben ohne ein Dîner commun nicht mehr vorstellen. Es wurde fester Bestandteil ihres Lebens und eine Tradition, die den Hunger bekämpft. Matthias Dörnenburg
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Genug für 12 Milliarden Menschen Mit fundiertem Wissen zeigt David W. Syz in seinem Kinofilm «Hunger – genug ist nicht genug» Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Armut auf. Als positives Beispiel präsentiert er ein Projekt des Fastenopfers.
Nachdem David W. Syz über 20 Jahre als Manager für namhafte Schweizer Unternehmen tätig war, wurde er von Bundesrat Pascal Couchepin an die Spitze des Seco berufen. Heute engagiert er sich vor allem als Dokumentarfilmer: «In meiner Zeit im Seco habe ich so viel gelernt. Dies möchte ich jetzt weitergeben.» Syz bezeichnet die junge Generation, insbesondere Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, als seine wichtigste Zielgruppe: «Diese muss sich mit Armut und Hunger auseinandersetzen, da sie diese Themen in Zukunft stark beschäftigen werden.» «Exportsubventionen sind eine Katastrophe» Wirtschaft, Wirtschaftspolitik, Armut und Hunger beschäftigen Syz stark. «Es wird so viel darüber geredet, aber oft nur mit vorgefassten Meinungen. In einer globalisierten Wirtschaft sind die Themen miteinander verbunden. Man muss sie vernetzt angehen.» Der Film «Hunger – genug ist nicht genug» kritisiert vor allem die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft. Namhafte Personen wie Franz Fischler, der ehemalige EU2007 Kommissar für Landwirtschaft, aber auch Jean Ziegler, der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, kommen zu Wort. Fischlers Forderung, dass Exportsubventionen für Agrarprodukte
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abgeschafft gehören, kann David W. Syz nur unterstützen: «Exportsubventionen sind eine Katastrophe.» Diese Erkenntnis sei ihm bei der Lektüre des Buchs «Enough» gekommen und die Problematik hat ihn bis zur Realisierung des neuen Films nicht losgelassen. Afrika als Kornkammer? Dabei sieht Syz ein grosses Potenzial für Afrika, zur Kornkammer der Welt zu werden. Dazu brauche es jedoch Know-how-Transfer, Direkt investitionen, die Abschaffung protektionistischer Hürden für Exporte in die Industriestaaten und eine enge Zusammenarbeit mit den Menschen in Afrika. Die grössten Hürden für die Lösung des Problems ortet Syz im Egoismus
der Staaten und einem mangelnden übergeordneten politischen Willen, den Hunger zu besiegen. So würden grosse Investitionen in Afrika, zum Beispiel von den Chinesen und anderen asiatischen Investoren, nur mit «eigenem» Fachpersonal durchgeführt, wodurch afrikanisches Land und dessen natürliche Ressourcen nur für die Ernährungssicherung eines Investors genutzt würden. «Der richtige Ansatz» Doch nicht nur Kritik wird präsentiert. Neben den politischen Leitplanken sieht Syz auch Hoffnungszeichen in kleinen, lokal verankerten Projekten. Ein Beispiel sind die Gemeinschaftsfelder und das «Dîner commun» (Gemeinschaftsessen) im Landesprogramm Senegal des Fastenopfers (siehe Artikel nebenan). Bei den Recherchen zum Film hat David W. Syz Souleymane Bassoum, den Koordinator des Fastenopfer-
Kein fremdes Geld, das Abhängigkeit schafft: Dreharbeiten beim Fastenopfer-Projekt in Keur Médoune.
S H e lf e n m it S M 9 3 F O 10 a n 3
2011 17. Juni Fastenopfer feiert das 50-Jahre-Jubiläum.
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Landesprogramms, kennengelernt und war sofort begeistert: «Das ist für mich der richtige Ansatz, ein Projekt, das ganz an der Basis umgesetzt wird und in dem kein fremdes Geld Abhängigkeiten schafft.» So werde die Eigeninitiative der Menschen gestärkt. Das Projekt wirke dadurch, dass alle Dorfbewohner mittragen müssten, sehr verletzlich. Gleichzeitig sei diese Verletzlichkeit auch die grösste Stärke und bewirke schlussendliche Nachhaltigkeit. Der Film «Genug ist nicht genug» hält mehrmals fest, dass die Weltproduktion an Nahrungsmitteln für 12 Milliarden Menschen reichen würde. Damit dies realisiert werden könne, benötige es laut Syz «viel mehr Offenheit und viel mehr Respekt vor den Menschen, die Bereitschaft und den Willen, ernsthaft helfen zu wollen, und sehr viel Ehrlichkeit». Matthias Dörnenburg, Leiter Marketing, Kommunikation, Bildung
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Fastenopfer nicht für ewig Welche Vision hat Fastenopfer für die kommenden 50 Jahre? Braucht es das katholische Hilfswerk dann überhaupt noch? Und wenn ja, welche Herausforderungen stellen sich ihm in Zukunft?
Kirche lebt von Hoffnung und Visionen. Bei aller Offenheit für das Unvorhersehbare ist ein Bischof aber nicht nur Visionär, sondern aufgrund seiner konkreten Leitungsaufgabe auch Realist. Im Rückblick auf die 50 Jahre Fastenopfer dürfen wir anerkennen: Das Hilfswerk hat eine wichtige Aufgabe erfüllt, das Ziel werden wir aber auch in den kommenden Jahrzehnten nicht erreichen. Es wird Fastenopfer weiterhin brauchen. Beim Reden über die Zukunft ist Bescheidenheit angezeigt. Es bleibt entscheidend, dem Auftrag des Evangeliums zu folgen und die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Wer hätte denn 1961 gedacht, dass
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die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu einer Neuausrichtung unserer Kirche in der Gesellschaft führen würde? Oder wer hätte beim Bau der Berliner Mauer geahnt, dass 40 Jahre später deren Zerstörung zu einem geeinten Europa führte? 1986 schrieb Fastenopfer im Manifest 2000, dass Hilfswerke nicht für ewig seien. «Sie sind wie ein Baugerüst: unentbehrlich, solange am Haus gebaut wird, wieder verwendbar bei neuen Vorhaben und überflüssig, wenn Gottes Stadt vollendet ist.» Vor 25 Jahren bestand die Hoffnung, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Menschenrechte den Durchbruch erreicht hätten und allen Menschen ein Leben in Fülle zukomme. Papst Paul VI. forderte in
seiner Enzyklika «PopulorumProgressio» eine umfassende Entwicklung, die «den ganzen Menschen und die gesamte Menschheit im Auge haben» muss. 2011 ist es uns nur allzu schmerzlich bewusst, dass wir noch weit von einer gerechten Entwicklung entfernt sind. Muss das so bleiben? Die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte sind gewaltig: Die Ungleichheit nimmt weiter zu. So betrug im Jahr 2010 das Pro-KopfJahreseinkommen in den reichen OECD-Ländern rund 37 000 Franken, in den Ländern südlich der Sahara nur knapp 2000 Franken. Eine weitere grosse Herausforderung stellt der demographische Wandel dar: Die Lebenserwartung in den Entwicklungsländern nimmt zu. Klimawandel, Energiebedarf, Reorganisation internationaler Institutionen, geopolitische Veränderungen sind grosse Themen, die nur mit kluger, global koordinierter Politik angegangen werden können. Im Blick auf diese Herausforderungen ist es unabdingbar, dass es Institutionen gibt, die in allem Wandel sich entschieden für das Wohl des Menschen einsetzen, wie die christliche Sozialethik es uns gebietet. Als Vision ist es wünschenswert, wenn Würde und Rechte aller Menschen in 50 Jahren respektiert und Werke wie Fastenopfer überflüssig wären. Die Hoffnung auf eine teilweise Realisierung des Reichs Gottes auf Erden soll uns Ansporn sein, darauf hinzuwirken. Im Moment ist Fastenopfer aber nach wie vor eine unentbehrliche Stütze für den Aufbau der Stadt Gottes. Dazu wird es nebst der Projektarbeit immer auch darum gehen, zugunsten der Armen im Süden politische Anwaltschaft in den reichen Ländern zu betreiben. Nur so können Zivilgesellschaft und Kirchen ihr Potential entfalten, um am Aufbau globaler Strukturen mitzuhelfen, die dem Wohl aller Menschen dienen. Bischof Markus Büchel, Stiftungsratspräsident
fastenopfer info 2|2011
Agenda 17. Juni, Luzern: Fest- und Dankgottesdienst mit vielen interkulturellen Elementen und Stimmen aus Lateinamerika, Afrika und Asien und den Bischöfen Büchel, Gmür, Grampa (Pfarrkirche St. Anton, 17–18.15 Uhr) fastenopfer.ch/50jahre, 041 227 59 32 11. November, Bern: Suppe und Brot: Anton Mosimann kocht für alle Freiwilligen, die während der ökumenischen Kampagne von Brot für alle und Fastenopfer in der ganze Schweiz für Suppentage einkaufen, kochen, servieren, abwaschen (Waisenhausplatz). fastenopfer.ch/50jahre, 041 227 59 32
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Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PC 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer sowie CAT Medien AG, Neuenhoferstrasse 101, 5401 Baden Diese Spezialausgabe von INFO entstand in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift «Sonntag» und ist dieser beigelegt. Das INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei-Gisi Fotos Christoph Wider (S. 1, 11, Porträt S. 3), Thomas Omondi (S. 2), Archiv kipa (Porträt Koch), Philippe Christin (Porträt Calmy-Rey), Carsten Gross (S. 3), Priska Ketterer (S. 4–5, Porträts S. 1, 6, 12–16), Jean-Claude Gadmer/BCU Fribourg-Fonds Ciric (S. 6), Hélène Bourban Adeotchoun (S. 6), Archiv Fastenopfer (S. 7, 12), Annette Boutellier (S. 7), Rodolfo Zavala Chian (S. 8, 9), Meinrad Schade (S. 10), Benno Bühlmann (S. 11), Josef Wirth (S. 13), Daria Lepori (S. 13), Robin Burgauer (S. 15). Cartoon Daria Lepori Konzept grafikcontainer Luzern Layout/Druck Zofinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch Druck auf zertifiziertem Papier. Dieses Papier stammt aus ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.