INFO 03/11

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BILDUNG STATT BESCHNEIDUNG Liebe Leserin, lieber Leser

Nr. 3 | 2011

Königlicher Suppentag und ein Buch Am 11. 11. kocht Starkoch Mosimann für Freiwillige. Und der Bundesrat erhält ein Jubiläumsbuch! Seite 2 Erste Erfolge der Petition Die Petition «Unternehmen müssen Menschenrechte achten» hinterlässt Spuren, nicht nur in Bern. Seite 7 Geschenke zu 50 Jahren Fastenopfer Fastenopfer bietet Geschenke, die vom Fastensäckli inspiriert sind und mehrfach Freude bereiten. Seite 8

Die Nachrichten aus Afrika sind bedrückend: Rund 10 Millionen Menschen in Ostafrika sind von der aktuellen Dürre betroffen – 3 Millionen davon in Kenia, einem Schwerpunktland von Fastenopfer. Die Hungerkrise wird deutlich am Hauptnahrungsmittel Mais: zwischen Januar und Juni stieg der Preis von 14.40 auf 50 US-Dollar pro 90-kg-Sack. Die ausbleibenden Regenfälle haben schwerwiegende Konsequenzen. Die Ernten fallen aus, die Weiden vertrocknen, Rinder verenden. Und dies keine zwei Jahre nach der letzten grossen Trockenheit. Was tun? Kurzfristige Hilfe ist nötig, löst die Probleme aber nicht wirklich: Landkonlikte, Vernachlässigung der lokalen Nahrungsproduktion und Förderung einer exportorientierten Landwirtschaft haben das Ausmass der Hungerkatastrophe verschlimmert. Und durch die Hungerkrise gehen die alltäglichen Dramen in Kenia beinah vergessen, wie zum Beispiel die weit verbreitete Frauenbeschneidung. Deshalb ist die Arbeit von Fastenopfer in Kenia so wichtig: Wir setzen uns langfristig für friedliche Konliktlösungen ein – und für die Rechte der Frauen, wie die Reportage in diesem INFO eindrücklich zeigt. Danke, dass Sie uns dabei mit einer Spende unterstützen! Herzlich

Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer


Südsicht

KöNIGLICH SUPPE LöFFELN! Lassen Sie sich vom königlichen Starkoch Anton Mosimann verwöhnen. Mit dem gemeinsamen Mittagessen am 11.11.2011 in Bern wollen wir Danke sagen. Eingeladen sind alle freiwilligen Suppenköchinnen und Suppenköche der Schweiz.

Im November 2011 wird die kongolesische Bevölkerung ihre Landesregierung wählen. Allmählich bildet sich in der Demokratischen Republik Kongo eine Zivilgesellschaft heraus, welche bereit ist, in der Politik Verantwortung zu übernehmen. Die Menschen erheben ihre Stimmen und bilden dadurch ein Gegengewicht zur Regierung. Die katholische Kirche war eine wichtige Akteurin bei der Entstehung dieser Zivilgesellschaft. Ihre Kommission Justice et Paix, die von Fastenopfer unterstützt wird, hat in den letzten Jahren Ausbildungsprogramme zu Themen wie Staatskunde, dem Abbau von Rohstoffen oder zur Sexuellen Gewalt durchgeführt. In den Kirchgemeinden hat sie die Bevölkerung über den Wahlprozess und die Bürgerrechte informiert. Sie förderte Austausch und Debatten. Die Meinung der Bevölkerung wird von den Politikerinnen und Politikern inzwischen ernst genommen. Schliesslich unterstützt die Kommission die aktive Beteiligung der Bevölkerung, wenn es um öffentliche Angelegenheiten geht. In Stadtvierteln und Dörfern ermutigen die Komitees von Justice et Paix den Dialog zwischen Bevölkerung und Behörden. Die Dialoge ermöglichen, aktuelle Themen wie die fehlende Sicherheit der Bevölkerung, der Mangel an Trinkwasser oder die Korruption aufzugreifen. Dadurch treten Schritt für Schritt Verbesserungen ein, der harte Alltag der Kongolesinnen und Kongolesen verändert sich spürbar. Toss Mukwa, Koordinator von Fastenopfer DR Kongo

Durch den Fastenopfer-Gründer Meinrad Hengartner sind Suppentage zu einem festen Element der Solidarität in der Schweiz geworden. Der gemeinsame Teller, eine einfache Mahlzeit bauen Brücken beispielsweise zum Dîner commun, einem Solidaritätsmahl in der Hungerszeit im Senegal. Grob geschätzt werden jedes Jahr in der ganzen Schweiz über tausend Suppentage durchgeführt. Von der Bündner Gerstensuppe über die Tessiner Minestrone bis zur thailändischen Maissuppe – eine Rezeptliste der Suppentage liest sich genauso vielfältig wie die Formen der Durchführung. Allen gemeinsam ist, dass leissige Köchinnen und Köche Gratisarbeit leisten: einkaufen, Gemüse putzen, kochen, auftischen, abräumen und abwaschen. Deshalb wollen wir all denen, die sich in der Küche des Pfarreiheims engagieren, eine kleine Bühne öffnen und ihnen ganz herzlich Danke sagen. Anlass sind die 50-Jahr-Jubiläen von Fastenopfer und Brot für alle – im Jahr der Freiwilligenarbeit. Ohne dieses Engagement in den Pfarreien

könnten wir zahlreiche Gruppen von engagierten Menschen, die sich in Senegal, Peru oder Indien für ein besseres Leben einsetzen, nicht unterstützen. So wird Freiwilligenarbeit in der Schweiz zum verbindenden Element zu Spargruppen in Dakar, öffentlichen Esszimmern in Lima oder einer Reisbank in Chennai. Wir laden Sie und ihr ganzes Pfarreiteam ein, am 11. 11. 2011, dem Martinstag, dem Tag des Teilens, ab

11 Uhr im Festzelt auf dem Waisenhausplatz in Bern mit uns eine feine Suppe von Starkoch Anton Mosimann zu essen, der erst im April noch in London das königliche Hochzeitsmenu bereitete. Zudem wartet eine kleine Überraschung als Dank für Ihr Engagement auf Sie. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch das Buch der Solidarität der öffentlichkeit vorstellen – hoffentlich mit einem Beitrag von Ihnen (siehe Kasten). Informationen unter 041 227 59 32 oder www.fastenopfer.ch/50Jahre Matthias Dörnenburg, Leiter Kommunikation

Festes Element der Solidarität: Diesmal kommt die Suppe vom Starkoch.

DAS GROSSE BUCH DER SOLIDARITäT Der Wähenzmittag in Ruswil, die Rosenaktion in Münsingen und das Solidaritätsessen in St. Gallen haben schon einen Eintrag. Helfen Sie, die freiwillige Arbeit für den Süden sichtbar zu machen, und melden auch Sie uns Ihre Aktion für das Buch der Solidarität. Zum gemeinsamen 50-Jahr-Jubiläum sammeln jetzt Fastenopfer und Brot für alle Berichte über solidarische Aktionen von Pfarreien, Kirch-

gemeinden und Einzelpersonen. Die Freiwilligen können so ihre Arbeit präsentieren, aber auch Anregungen einholen. Und Fastenopfer erfährt so mehr über Sammelaktionen und die Umsetzung der Kampagne. Fastenopfer und Brot für alle werden das Buch mit den gesammelten Aktionen am 11. 11. 2011 dem Bundesrat überreichen – als Symbol für die grosszügigen Menschen in der Schweizer Kirche.

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Es ist ganz einfach: Beschreiben Sie kurz ihre Veranstaltung, ihre Sammelaktivität oder eine spezielle Aktion und laden Sie den Text zusammen mit einem passenden Bild auf: www.fastenopfer.ch/aktionen (hier inden Sie weitere Beispiele). Oder schicken Sie Ihren Bericht mit Bild an mattle@fastenopfer.ch oder Fastenopfer, Franziska Mattle, Alpenquai 4, 6002 Luzern.


AUSTAUSCH BEREICHERT Marianna Serena von ProSpecieRara besuchte im Mai auf den Philippinen Masipag, eine Partnerorganisation des Fastenopfers. Dabei taten sich erstaunliche Parallelen zwischen den beiden Organisationen auf.

«Es war ein spannender Einblick in die Arbeit einer sachverwandten Organisation in einem völlig anderen Umfeld», bilanziert Marianna Serena, Projektleiterin Garten- und Ackerplanzen bei ProSpecieRara. Die Stiftung setzt sich für die Vielfalt der Planzen und Tiere in der Schweiz ein. Die Organisation Masipag ist eine Partnerschaft zwischen Bauern und Wissenschaftlern. Sie hat über 2000 traditionelle Reissor-

ten gesammelt und erreicht rund 35 000 Menschen. Masipag verbessert Ernährung Viele philippinische Kleinbauern verschulden sich, weil sie Kredite für Saatgut, Dünger und Unkrautvertilgungsmittel aufnehmen. Doch wer einmal in die Schuldenfalle gerät, indet schwerlich wieder raus. Masipag lehrt eine ökologische Landwirtschaft: Die Bauern produ-

Masipag hat Ernährung der Bauern stark verbessert: Marianna Serena begutachtet Setzlinge einer Zucht in Illasan.

Die Zahl:

27 237 27 237 Menschen haben während der ökumenischen Kampagne die Petition «Unternehmen müssen Menschenrechte achten» unterschrieben. Sie fordern mehr Transparenz und die Achtung der Menschenrechte durch transnationale Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz. Am 21. Juni haben wir diese Unterschriften in Bern der Schweizer Regierung überreicht. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

3 Fragen zieren Saatgut, Dünger und Spritzmittel (aus Wildplanzen) selber. Neben Reis bauen sie auch Gemüse und Früchte an. «Die Ernährungssicherheit der Masipag-Bauern und ihrer Familien hat sich stark verbessert», erklärt Serena. Zudem werden nach schweren Katastrophen betroffene Gruppen von Masipag-Bauern aus anderen Landesteilen unterstützt. Das starke Netzwerk ersetzt die inexistente Risikoversicherung. «Mich fasziniert, dass Masipag Bauern das Züchten mit einfachen Methoden gelehrt hat», erklärt Serena weiter. 70 Bauern sind zu Züchtern geworden. Einige der 273 neuen Reissorten sind salzwassertolerant, andere dürreresistent – überlebenswichtige Eigenschaften. Besuch bei der Samenbibliothek Ende Juni erfolgte der Gegenbesuch: Bembet Madrid und Ervin More, die für Fastenopfer das Philippinenprogramm koordinieren, besuchten auf Einladung von Serena die Samenbibliothek in Aarau und eine ProSpecieRara-Bäuerin in Hottwil. Denn internationaler Austausch bereichert – hier wie dort. Unterstützen Sie die Arbeit von Masipag: PK 60-19191-7, Vermerk Masipag Patricio Frei, Kommunikation

BODENSCHäTZE: WIE WEITER? Mit der ökumenischen Kampagne «Bodenschätze und Menschenrechte» hat Fastenopfer gezeigt, wie die Menschen in der Demokratischen Republik Kongo unter der Ausbeutung von Bodenschätzen durch internationale Unternehmen leiden. Und wie dem Land durch Steuertricks und unfaire Verträge ein angemessener Gewinnanteil an seinen Rohstoffen entgeht. Unsere Studie über Glencore in Zug ist bei kongolesischen Nichtregierungsorganisationen auf grosses In-

teresse gestossen. Fastenopfer wird die Partnerinnen und Partner vor Ort weiterhin stärken, damit sie die Bedürfnisse der Menschen gegenüber Regierung und Unternehmen besser einbringen können. Auch hierzulande bleibt Fastenopfer am Thema Ausbeutung dran. Denn immer mehr transnationale Unternehmen – gerade im Rohstoffsektor – verlegen ihren Hauptsitz in die Schweiz. Als nächstes ist der Bundesrat gefordert. Philipp Rohrer, Kommunikation

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Claude Wild, Leiter Abteilung Menschliche Sicherheit, EDA

Wie beurteilen Sie die soziale Verantwortung von Schweizer Unternehmen im Ausland? Gerade in Ländern, in denen sich der Rechtsstaat im Aufbau beindet oder ein hohes Konliktrisiko besteht, geht die unternehmerische Plicht über die Einhaltung der lokalen Gesetze hinaus. Schweizer Unternehmen müssen Verantwortung wahrnehmen und die Menschenrechte respektieren. Wie kommt die Schweiz zu einem Gesetz wie die USA, das transparentere Finanzlüsse verlangt? Bei transnationalen, nicht börsenkotierten Firmen verbessern solche Gesetze die Transparenz nur beschränkt. Schweizer Recht betrachtet Mutterhäuser und ihre Tochterunternehmen im Ausland als separate juristische Einheiten. Während Mutterhäuser von den Einnahmen der Tochterunternehmen proitieren, ist es nicht möglich, sie für deren Verstösse haftbar zu machen. Mutterhäuser müssen Verantwortung für ihre Tochterunternehmen übernehmen – gerade im Rohstoffsektor. Wie werden unsere Aussen- und Wirtschaftspolitik kohärenter? Schutz der Menschenrechte und Förderung der Wohlfahrt sind Ziele unserer Aussenpolitik. Das Aussendepartement unterstützt die Erarbeitung internationaler Unternehmensgrundsätze, welche die Menschenrechte stärken, und setzt sich ein für den Schutz und die Respektierung der Menschenrechte sowie für Wiedergutmachung.


Blickfang

Internationaler Tag des Testaments

Agenda

Erstmals indet am 13. September der Internationale Tag des Testaments statt. Der Tag wird vom Verein MyHappyEnd, von seinen Trägerorganisationen wie Fastenopfer und vom Notarenverband durchgeführt. Mit dem Aktionstag soll gezeigt werden, wie und mit welchen positiven Wirkungen gemeinnützige Organisationen im Nachlass berücksichtigt werden können. Im Zentrum steht eine Medienkonferenz in Bern. Die Veranstaltung im Tierpark Dählhölzli will mit künstlerischen Einlagen zum Thema Erben die öffentlichkeit sensibilisieren. Ausgewählte Persönlichkeiten geben Auskunft über ihre Motivation, gemeinnützige Organisationen im Nachlass zu berücksichtigen. Informationen: 041 227 59 71 oder www.myhappyend.org

11. November, Bern: Suppe und Brot: Anton Mosimann kocht für alle Freiwilligen, die während der ökumenischen Kampagne von Brot für alle und Fastenopfer in der ganze Schweiz für Suppentage einkaufen, kochen, servieren, abwaschen (Waisenhausplatz). fastenopfer.ch/50jahre, 041 227 59 32 17. November, 18 Uhr Luzern: Vernissage der Ausstellung «humem. Das Gedächtnis der humanitären Schweiz» im Stadthaus Luzern. Dr. Bernhard Degen, Uni Basel spricht zum Thema «Humanitäre Schweiz: Mythos oder Realität?». Die Ausstellung ist vom 17. November 2011 bis 29. Januar 2012 in der Heiliggeistkappelle Luzern zu sehen. Sie eignet sich für eine Besichtigung durch Gruppen oder Schulklassen. www.humem.ch/luzern

GESCHENKE ZU 50 JAHREN Am liebsten würden wir die Geschenke zu 50 Jahren selbst behalten – so gut gefallen sie uns. Aber da unser Motto «wir teilen» auch für das Jubiläumsjahr gilt, bieten wir sie nun doch an. Sollten Ihnen die Preise hoch erscheinen: Sie unterstützen gleichzeitig Benachteiligte Menschen in Entwicklungsländern. Fastensäckli als Einkaufstasche Gabi Kopp, die Luzerner Malerin und Graikerin, hat exklusiv für Fastenopfer eine stabile Einkaufstasche

gestaltet. Sie ist aus mattem PetRecyling-Material. Die Tasche in Form eines grossen Fastensäcklis hat Luisa Grünenfelder, langjährige Gestalterin der Fastenopfer-Identität, entworfen. Jede Tasche kostet 10 Franken. Kirschensteinsäckchen Für kalte Herbsttage ein «herzerwärmendes» Geschenk von Fastenopfer für Ihre Kinder, Freunde und Sie selbst. Im Eisfach gekühlt kann das Säckchen auch als kalter Um-

schlag genutzt werden. Die beiden zweisprachigen Versionen lauten: herzerwärmend / chaleur – espoir und wohltätig / condividere scalda il cuore. Zu haben für 15 Franken. Weitere Geschenke Zudem bietet Fastenopfer Postkarten, Samensäckchen und Geschenke für Menschen, die schon alles haben. Informationen und Bestellungen unter 041 227 59 32 oder www.fastenopfer.ch/geschenke Blanca Steinmann, Kommunikation

Impressum

Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PC 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer Das INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei-Gisi Fotos Thomas Omondi (S. 1, 5 links, 6 rechts), Patricio Frei (S. 2), Priska Ketterer (S.2 kleines Portrait), Sandrine Cottier (S. 3, 4, 5 rechts, 6 links), Marianna Serena (S. 7), Virginia Fernandez (S. 8) Cartoon Daria Lepori Konzept graikcontainer Luzern Layout/Druck Zoinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch

Tasche gestaltet von Gabi Kopp.

Fastensäckli als Einkaufstasche.

Die zwei Kirschensteinsäckchen.

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Druck auf zertiiziertem Papier. Dieses Papier stammt aus ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.


KENIA Kenia wird vor allem mit Safari in Verbindung gebracht. Immer wieder kommen aus dem afrikanischen Land auch Schreckensmeldungen, wie jüngst die Dürrekatastrophe. Hunger und Armut prägen das Land. Hinzu kommen Einzeltragödien, die gesellschaftlich tabuisiert werden: Frauenbeschneidungen sind Teil des Alltags. Fastenopfer setzt sich unter anderem für das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein. Es ist auch ein Kampf für Schulbildung und die Veränderung von Traditionen.


WENN MENSCHENRECHTE ZEIT BRAUCHEN Seit 22 Jahren sind Frauenbeschneidungen in Ke­ nia verboten. Dennoch sind sie noch immer weit verbreitet. Viele Bevölkerungsgruppen erachten sie als wesentlichen Bestandteil der Riten, die den Übergang von der Kindheit in die Welt der Erwachsenen markieren. Nur eine beschnittene Frau wird als vollwertiges und heiratsfähiges Mit­ glied der Gesellschaft anerkannt, indet einen Mann und erhält das Recht, ihre Kinder später zu verheiraten. Die Mädchen müssen kurz vor oder während der Pubertät zu traditionellen Beschneiderinnen. Nach dem Eingriff kehren die wenigsten von ih­ nen in die Schule zurück. Von ihren Eltern werden

die Mädchen auf die bevorstehende Heirat vorbe­ reitet. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisa­ tion WHO sind weltweit über 100 Millionen Frau­ en und Mädchen an den Genitalien beschnitten. In Afrika sind jedes Jahr drei Millionen Mädchen von solchen Eingriffen bedroht. Ihr Recht auf phy­ sische und geistige Unversehrtheit wird nicht res­ pektiert – 62 Jahre nach der Erklärung der Men­ schenrechte. Todesfälle und Langzeitfolgen Die Beschneidung wird auf unterschiedliche Arten ausgeführt: In der leichten Form wird die Klitoris


Die Eltern für Alternativen motivieren: Massai an einer Versammlung von Eoon über das Tabuthema Frauenbeschneidung. (linke Seite) Mit elf Jahren erstmals zur Schule: zwei Mädchen und ihr Lehrer. (links) Ein Netzwerk von Familien aufbauen: Das Team von Eoon mit Amos Simpano, George Makooi und Priscah Simpano zusammen mit einer Frauengruppe aus dem Dorf Entasekera. (rechts) Kompensation wäre kontraproduktiv: Traditionell wird der Brautpreis mit Vieh bezahlt. (nächste Seite links) «Jetzt kann sie eine Persönlichkeit werden»: Kinderlachen auf einem Schulhof. (nächste Seite rechts)

entfernt. Oft werden zusätzlich die kleinen Scham­ lippen weggeschnitten. Der schmerzvolle Eingriff erfolgt ohne Betäubung und oft mit nicht sterili­ sierten Instrumenten. Dies führt in vielen Fällen zu massiven Blutungen, Infektionen (insbesondere auch HIV) und Todesfällen. Langzeitfolgen sind chronische Schmerzen und massive körperliche Beschwerden bei Geburt und Menstruation. Dazu kommt eine seelische Traumatisierung. In Kenia ist die Frauenbeschneidung noch immer ein Tabuthema, auch wenn die Presse vermehrt über Mädchen und Frauen berichtet, die sich er­ folgreich dagegen gewehrt haben. In der Region von Loita, wo über 90 Prozent der Bevölkerung Massai sind, versucht die Organisation Emutare oo Ntoyie (Eoon) dieses Tabu zu durchbrechen. Netzwerke für Familien Die Organisation wurde vom Ehepaar Amos und Priscah Simpano gegründet. Priscah Simpano ist auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema kon­ frontiert. Als Massai wurde sie in ihrer Jugend beschnitten, als Primarschullehrerin erlebt sie täglich die Lebensrealität der Mädchen und als Mutter war sie damit konfrontiert, ob ihre Töchter eines Tages beschnitten werden sollen. Sie hat sich entschieden und will, dass weder ihre Töchter noch die anderen Mädchen in ihrer Gemeinschaft beschnitten werden. Gleichzeitig will sie die posi­ tiven Elemente ihrer Kultur, beispielsweise der ri­ tuelle Übergang vom Mädchen zur Frau, bewah­ ren und die nichtbeschnittenen Mädchen vor Diskriminierung schützen. Mit Unterstützung des Fastenopfers motiviert Eoon Eltern, ihre Töchter an einem alternativen Übergangsritual teilnehmen zu lassen und auf die Beschneidung zu verzichten. Die Organisation begleitet und berät die Familien vor und nach der Zeremonie und baut ein Netzwerk von Familien mit unbeschnittenen Mädchen auf. Zudem bildet sie Multiplikatoren aus, hält Workshops mit Stammesführern ab und sensibilisiert an den Schulen die Kinder für Gleichberechtigung. Eoon will damit die Gesprächspartner motivieren, die

Rechte der Mädchen anzuerkennen und zu stär­ ken. In die Schule statt zur Beschneiderin So im Dörfchen Entasekera, wo sich dank Eoon eine Gruppe von zehn Müttern, die ihre Töchter nicht beschneiden lassen wollen, gebildet hat. Zu ihnen gehört Normeiseyieki Simpano. Die Frauen der lokalen Gruppe hatten sie ermutigt, mit ih­ rem Mann zu sprechen, damit er der Tochter Ma­ sikonde endlich eine Uniform kauft und sie zur Schule schickt. Der Vater willigte zwar ein, liess seinen Worten aber keine Taten folgen. Bis schliesslich George Makooi, der Animator von Eoon, dem Vater in einem Gespräch nochmals die Wichtigkeit einer Ausbildung erklärte. Diesen Sommer war es dann so weit: Mit elf Jahren be­ suchte Masikonde erstmals die Schule. «Jetzt kann sie eine Persönlichkeit werden», sagt ihre Mutter voller Stolz. Mit dem Eintritt in die Schule ist ein erster Schritt gemacht, dass ihre Tochter nicht beschnitten wird. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig der Einbezug der Männer in die Projektarbeit ist. Am Anfang der Arbeit hatte sich das Projektteam stark auf die Frauen konzentriert, da sie dem Thema offe­ ner gegenüberstanden. Doch schnell haben sie gemerkt, dass es nur mit den Männern und Frau­ en geht. Denn die Männer haben in der lokalen patriarchalen Gesellschaft das letzte Wort. Eine Kuh als Kompensation? Die Männer haben zudem ein konkretes ökono­ misches Interesse: Der Brautpreis für eine be­ schnittene Frau ist höher. Dieser wird vom Vater des Bräutigams mit Vieh bezahlt, welches einen hohen materiellen wie kulturellen Wert hat. Wie man mit dieser Schwierigkeit umgehen kann, bereitete einiges Kopfzerbrechen. Die Partneror­ ganisation Eoon schlug vor, den Familien, welche auf die Beschneidung verzichten, als Kompensa­ tion eine Kuh zu schenken. Dies wäre zweifellos eine starke Motivation. Doch für Fastenopfer war diese Lösung nicht praktikabel, da es einen fal­


Schule mit Schlüsselfunktion Der Schule kommt beim Kampf gegen die Be­ schneidung eine Schlüsselfunktion zu: dort wer­ den die Mädchen und Knaben für das Thema sensibilisiert. Zum Beispiel veranstaltet Eoon mo­ natliche Debatten, in denen Schülerinnen und Schüler provokative Aussagen wie «Es ist sinnvol­ ler, ein Mädchen als einen Jungen auszubilden» diskutieren. Ziel ist es, dass sich Knaben und Mädchen bewusst werden, dass die Rechte der Mädchen und Frauen in den Massai­Gemein­ schaften gestärkt werden müssen. Bei diesem Projekt muss sich die lokale Bevölke­ rung mit ihrer traditionellen Lebenskultur ausein­ andersetzten, damit es zu Veränderungen kom­ men kann. Eine der Ältesten des Nachbardorfes Olorte betont: «Um unsere Massai­Kultur zu be­ wahren, müssen wir uns weiterentwickeln. Sonst haben die Massai keine Zukunft.» Veränderun­ gen aber können nur gelingen, wenn der Wunsch nach ihnen aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Hier kommt eine zentrale Stärke des Projektes zum Tragen: die Verankerung in der lokalen Be­

völkerung. Die Mitarbeiter von Eoon wohnen in der Region, so auch der Direktor Amos Simpano. Alle gehören sie dem Massai­Volk an. Ziel: 20 Prozent unbeschnittene Mädchen Eoon setzt sich engagiert für die Menschenrechte ein. Doch bei einem komplexen Thema wie der Beschneidung geht es nur schrittweise voran. Es wird noch viel Zeit und Energie vergehen, bis die Projektziele erreicht sind: Der Anteil der unbe­ schnittenen jungen Frauen soll von 5 auf 20 Pro­ zent steigen und mindestens die Hälfte der Mäd­ chen soll die Primarschule abschliessen. Es ist für das Fastenopfer ein Qualitätszeichen, dass sich die Partnerorganisation realistische Zie­ le vorgenommen hat. Ihre Arbeit ist mit viel Ver­ antwortung verbunden und wenn sie nicht kor­ rekt ausgeführt wird, kann es zu schwerwiegenden Konlikten kommen. Beispielsweise wenn ein Mädchen gegen den Willen der Eltern beschliesst, sich nicht beschneiden zu lassen. Dies kann zum Ausschluss des Mädchens aus der Gemeinschaft führen, womit es sein Umfeld und seine ökonomi­ schen Lebensgrundlagen verliert und ganz auf sich alleine gestellt ist. Um dies zu vermeiden, sucht Eoon den Dialog mit den Eltern und hat aber auch Strategien entwickelt, wie sie allenfalls das Mädchen unterstützen können. Bereits gibt es Frauen, die nicht beschnitten wur­ den und dennoch einen Ehemann fanden. Das gibt Mut. Doch bis in Kenia das Menschenrecht auf physische und geistige Unversehrtheit res­ pektiert wird, ist es noch ein langer Weg. «Kultur wandelt sich nur sehr langsam», sagt denn auch eine der Frauen aus Normeiseyieki Simpanos Gruppe. Doch die Arbeit von Eoon und Fastenop­ fer hat in ihr Hoffnung geweckt: «Ich bin über­ zeugt, dass die Veränderung mit der nächsten Generation kommen wird.» Felix Wertli, Patricio Frei

Stichwort: Kenia Das Land mit knapp 40 Millionen Einwohnerin­ nen und Einwohnern ist geprägt von Armut: 50 Prozent der Bevölkerung leben in einer prekä­ ren Situation. Zu den Ursachen gehören der stei­ gende Druck auf die natürlichen Ressourcen, die negativen Auswirkungen des Klimawandels, Landkonlikte, fehlender Marktzugang sowie schwache lokale und regionale Verwaltung, was sich beispielsweise in der schlechten Qualität der Schulen zeigt. Die zwei grossen Dürren 2009 und nun 2011 haben viele Bauernfamilien ihrer Le­ bensgrundlage beraubt. Die Armut ist Nährboden für die Gewalt im Land. Einen massiven Gewaltausbruch gab es nach den umstrittenen Wahlen 2007. Mit Friedensräten gegen Gewalt Mit seinen Partnerorganisationen unterstützt Fastenopfer lokale Gemeinschaften, um aus der Armut und Gewalt herauszuinden. Die Gemein­ schaften bilden Friedensräte, welche die Konlikt­ situation analysieren und Lösungen erarbeiten. Die Menschen entwickeln Initiativen und fordern ihre Rechte ein, beispielsweise für eine gerechte Landverteilung. Auch kirchliche Basisgruppen arbeiten zu diesem Thema. In der kritischen Auseinandersetzung und Vertiefung des Glaubens werden sie in ihrer Identität gestärkt und engagieren sich solida­ risch für Menschen, deren Rechte bedroht oder verletzt werden. Unterstützen Sie den Einsatz des Fastenopfers für die Menschenrechte mit einer Spende auf PK 60-19191-7, Vermerk Kenia

Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postcheckkonto 60­19191­7

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schen Anreiz darstellte. Denn eine solche Kom­ pensation würde bestätigen, dass eine beschnit­ tene Frau mehr wert ist als eine unbeschnittene Frau – also gerade das Gegenteil von dem, was mit dem Projekt erreicht werden soll. Zudem wäre zu befürchten, dass Familien dazu verleitet wer­ den könnten, ofiziell auf eine Beschneidung zu verzichten, diese nach dem Erhalt der Kuh aber doch noch durchzuführen. Im Austausch mit Eoon kam Fastenopfer zum Schluss, dass das Projektziel nur erreicht werden kann, wenn Männer und Frauen ihre Einstellun­ gen ändern und unbeschnittene Frauen nicht mehr diskriminiert werden. Damit verzichtet Fas­ tenopfer auf schnelle, aber nur vordergründige, Erfolge, verplichtet sich dafür zu einem länger­ fristigen Engagement, um eine nachhaltige Ver­ änderung zu bewirken. Heute sind die Partner und Fastenopfer überzeugt, dass dieser Weg am Ende erfolgreicher sein wird.


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