INFO 02/12

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ZWEI BISCHöFE BEI DEN AGTAS Liebe Leserin, lieber Leser

Nr. 2 | 2012

Von Benin nach Rio Eine Frau aus Benin wird am Uno-Gipfel Rio+20 der Welt das Wirtschaften der Zukunft zeigen. Seite 2 Kolumbien: «Wir Frauen sind wertvoll» Vielfalt statt Monokultur – Atucsara stärkt in Kursen die Schwächsten: alleinerziehende Mütter. Seite 7 Treue Spenderinnen und Spender Fastenopfer erhielt 2011 mehr Spenden von Privatpersonen als im Vorjahr. Seite 7

Es stimmt mich zuversichtlich, dass es immer wieder mutige Kirchenleute gibt, die sich trotz Kritik oder gar Drohungen im Namen des Evangeliums für Gerechtigkeit und Menschenwürde einsetzen. Anfang Jahr reiste Bischof Felix Gmür zusammen mit dem philippinischen Bischof Rolando Tirona in den Urwald. Gemeinsam haben sie sich gegen eine neue Wirtschaftszone und für die Rechte der Ureinwohner von der Ethnie der Agtas eingesetzt. Dieses Beispiel macht Mut. Mut benötigen auch die Staatsoberhäupter, die am Uno-Gipfel Rio+20 über eine nachhaltige Entwicklung der Welt beraten werden. Sie haben es in der Hand, die Wirtschaft neu auszurichten. Rio+20 wird entscheidend sein für das Wohlergehen der Menschen. Ich wünschte mir von den in Rio versammelten Staatsoberhäuptern, dass sie sich das couragierte Verhalten der beiden Bischöfe zum Vorbild nähmen! Fastenopfer tut dies – mit Ihrer Hilfe. Unsere Projekte und Sensibilisierungsarbeit zeugen vom unermüdlichen Einsatz und Mut unserer Partnerorganisationen. Ihr Einsatz ist nötig, damit sich langfristig etwas zu Gunsten der Armen und Benachteiligten bessert. Danke, dass Sie Fastenopfer bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen! Herzlich

Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer


Südsicht

VON BENIN NACH RIO Eine Frau aus Benin wird für Fastenopfer am Uno-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 der Welt zeigen, wie Wirtschaften künftig funktionieren kann. Dass es der Weltgemeinschaft in Rio gelingt, die richtigen Weichen zu stellen, muss aber bezweifelt werden.

Das Grundlagendokument für den Uno-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 ist aufgrund seines oberlächlichen und kontroversen Inhalts Ziel heftiger Kritik. Es ist zu befürchten, dass die Menschenrechte bis zur Gipfeleröffnung noch weiter in den Hintergrund rücken werden. Das Dokument war von Anfang an inefizient, weil es das aktuelle Produktions- und Konsummodell nicht in Frage stellt. Alle Inhalte, die in irgendeiner Form auf die Menschenrechte Bezug nehmen, laufen Gefahr, aus dem Dokument gestrichen zu werden. Die USA, Frankreich und andere Länder lehnen verbindliche Regeln ab, die den Zugang zu natürlichen Ressourcen als Menschenrecht anerkennen. Diese Länder vertreten die Streichung ganzer Textpassagen aus dem Grundlagendokument, die sich auf die Ernährungssicherheit, auf die Ausmerzung der Armut, auf grundsätzliche Prinzipien der Verantwortung der Staaten für eine nachhaltige Entwicklung und auf den Zugang zu Land beziehen. Es scheint, dass diejenigen, die am Text des Dokuments schrauben, keinerlei Beziehung zwischen dem Menschen und der Umwelt erkennen können. Die Schweiz kann eine wichtige Rolle beim Lobbying für die Reintegration der Menschenrechte als prioritäres Thema in das Dokument spielen und so versuchen, die Verwässerung des Grundlagendokuments für Rio+20 möglichst zu verhindern. Iara Pietricovsky, Inesc Brasilien und Organisationkomitee des parallel zu Rio+20 stattindenden People’s Summit

Weit über 10 000 Personen haben während der Fastenkampagne einem der sechs Projekte von «A Voice in Rio» ihre Stimme gegeben. Das Projekt von Salamatou Gazéré Dotia aus Benin war das beliebteste. Die Bäuerin und Gewerkschafterin freut sich: «Der Erfolg weckt die Hoffnung, dass der Kampf der Bäuerinnen und Bauern zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen führt – und insbesondere die Frauen auf dem Land mehr Unabhängigkeit erlangen.» Gazéré wird gemeinsam mit dem Leiter der Bauerngewerkschaft Synpa, in der sie sich engagiert, nach Rio reisen. Am People’s Summit kurz vor dem Uno-Gipfel wird sie ihr Projekt als ein Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften vorstellen. Grüne Ökonomie für Multis? Am ofiziellen Gipfel werden die Uno-Mitglieder darüber diskutieren, wie künftig Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und Menschenrechte in Einklang gebracht werden. Es gilt, eine «globale grüne ökonomie» zu deinieren. Deren genaue Ausrich-

tung bleibt bislang allerdings unklar. Neu soll die Natur einen Preis erhalten, damit auch öffentliche Güter wie Biomasse und Biodiversität in das globale Marktsystem eingebunden werden können. Markus Brun, Leiter Entwicklungspolitik bei Fastenopfer, ist skeptisch: «Es besteht die Gefahr, dass eine solche grüne ökonomie einseitig die Aktionäre grosser Konzerne bevor-

teilt. Wirtschaftlich weniger starke Gruppen wie Indigene oder Kleinbauernfamilien blieben auf der Strecke. Dasselbe Schicksal droht den Menschenrechten von wirtschaftlich schwachen Gruppen und von künftigen Generationen.» Wie gleichberechtigte Entwicklung im Einklang mit Menschenrechten und der Natur aussieht, will Salamatou Gazéré in Rio einer breiten öffentlichkeit aus aller Welt zeigen. Begleiten Sie sie auf ihrer Reise: facebook.com/voiceinrio oder fastenopfer.ch/rio20 Philipp Rohrer, Campaigning

«Der Erfolg weckt Hoffnung auf Verbesserungen für die Frauen»; Salamatou Gazéré.

DREI VORWüRFE GEGEN GLENCORE Kinderarbeit, Umweltverschmutzung, Steuerlucht – Was die Vorwürfe von Fastenopfer und Brot für alle gegen Glencore auslösten.

Die Resonanz war gewaltig: Von 10vor10 und NZZ über die BBC bis zur Washington Post berichteten im April zahlreiche Medien über die neue Studie der beiden Werke. Darin wird auch die Steuerlucht kritisiert: Indem Glencore im Kongo erzielte Gewinne über interne Ver-

rechnungen zwischen Tochterirmen in Steueroasen verlagerte, entgingen dem Kongo 196 Millionen US-Dollar – allein in den letzten zwei Jahren. Es braucht mehr Steuertransparenz: «Grosskonzerne müssen ihre Rechnung nach Ländern offenlegen. So wird klar, welche Steuern bezahlt werden und welche nicht», sagt François Mercier, bei Fastenopfer zuständig für Finanzfragen: «Wäre im Kongo der Bergbausektor richtig

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versteuert, würden diese Einnahmen die Entwicklungshilfe mehr als übersteigen.» Der Fall Glencore zeigt aber auch: In der Schweiz fehlen Gesetze, um Unternehmen auch für Vergehen im Ausland zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb unterstützt Fastenopfer die Petition «Recht ohne Grenzen», die nun mit rund 100 000 Unterschriften eingereicht wird. fastenopfer.ch/bergbau


«WIR FRAUEN SIND WERTVOLL» «Wir lernen enorm viel über die Landwirtschaft und über die Rechte der Frauen», ist Dora María Perdomo begeistert. Diese Erkenntnis hat die Kolumbianerin einem Lehrgang der Organisation Atucsara zu verdanken.

Atucsara ist ein indigenes Wort und bedeutet «Mais im überluss». Die Organisation fördert die Nahrungssicherheit durch nachhaltige Landwirtschaft und stärkt die schwächsten Volksschichten: Kinder und alleinerziehende Mütter. Fastenopfer unterstützt 200 Familien verteilt auf sechs Weiler in der Gemeinde El Tambo im Departement Cauca. Landwirtschaftsexperte Alirio Paredes zeigt den Frauen, wie sie ihre Gemüsebeete anplanzen können: «Ihr müsst weg von den Monokulturen und Verschiedenes wie Bananen, Maniok, Mais, Bohnen, Gemüse anplanzen», erklärt er. Die Frauen lernen, wie man biologischen Dünger und Insektenschutzmittel herstellt. Am Ende des Projekts in drei Jahren sollten sich die 200 Familien zu mindestens 50 Prozent ausgewogener ernähren und 20 Prozent mehr Umsatz erzielen. Die Frauen von El Tambo sind Bäuerinnen und Hausfrauen wie Perdomo: «Wir haben gelernt, dass es nicht gut ist, nur Kaffee anzuplanzen. Jetzt wachsen auf unserem Boden verschiedene Planzen.» Ausserdem macht ihr das Zusammensein mit den anderen Frauen Spass. Sie

reden über Gesundheit, tauschen ihr Wissen und Heilkräuter aus. Auch Claudia Roselys Gómez ist begeistert vom Erlernten: «Ich wusste nicht, dass es Gesetze für Frauen gibt und dass man uns respektieren muss.» Gaíl Gómez Valencia wendet ungefähr eine Stunde pro Tag für ihr Gemüsebeet auf. Ihr Wissen gibt sie an Frauen weiter, die wegen ihren Kleinkindern nicht teilnehmen können. Einige Frauen hatten Probleme mit ihren Männern, die ihnen verbieten

wollten, an den Schulungen teilzunehmen. «Es ist wichtig, dass die Männer sehen, dass wir wertvoll sind und Fähigkeiten haben», sagt Zenayda Ortega. Wo sehen sich die Frauen in drei Jahren? Sie planen mehr Fische und Kühe zu züchten und noch mehr Gemüse anzuplanzen. Und sie wollen Obstbäume. Gaíl Gómez Valencia möchte eine grosse Palette von Heilplanzen. Und eine Quelle, um ihr künftiges Wäldchen zu bewässern. Rosemarie Schoop Stärken Sie die Frauen in Kolumbien mit einer Spende: PK 60-19191-7, Vermerk Atucsara

«Ich wusste nicht, dass es Gesetze für Frauen gibt»; Bohnenernte in El Tambo.

TREUE SPENDERINNEN UND SPENDER Fastenopfer erhielt 2011 mehr Spenden von Privatpersonen. Dennoch wurde das Ergebnis von 2010 nicht ganz erreicht.

Zwei Schwerpunkte prägten 2011 bei Fastenopfer: Das 50-Jahr-Jubiläum und die Erarbeitung der neuen Strategie 2016 «Menschen stärken Menschen». Die Strategie gibt Antworten auf die zukünftigen Herausforderungen der Armutsüberwindung. Ebenso stellt sie die Weichen für die Arbeit des Fastenopfers in der Schweiz. Durch die Medienar-

beit während der ökumenischen Kampagne zu Menschenrechtsverletzungen im Bergbau und der Jubiläumsfeierlichkeiten gelang es, die Arbeit des Fastenopfers einer breiten öffentlichkeit vorzustellen. Fastenopfer geniesst enormes Vertrauen: 2011 spendeten Private über 16 Millionen Franken. Weil Legate und Beiträge der öffentlichen Hand zurückgingen, liegt der Ertrag mit 21,0 Millionen um 632 000 Franken tiefer als 2010. 20,2 Millionen Franken kamen Projekten zugute. Somit

lossen von jedem Spendenfranken 90 Rappen in die Projektarbeit. fastenopfer.ch/jabe_2011 Die Zahl:

16 451 182 Fastenopfer erhielt 2011 an privaten Spenden und Legaten 16 451 182 Franken für das Engagement zum Wohl benachteiligter Menschen. Dafür danken wir ganz herzlich!

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3 Fragen

Nadja Lang, Geschäftsleiterin von Max Havelaar

20 Jahre Max Havelaar: Was gibt es zu feiern? Am 14. Februar 1992 haben sechs Hilfswerke, darunter Fastenopfer, die Max-Havelaar-Stiftung gegründet. Ende März 1992 standen die ersten Kaffeemischungen mit Fairtrade-Label in den Verkaufsregalen. Heute umfasst das Fairtrade-Sortiment 1600 Einzelprodukte, die an 3000 Verkaufsstellen angeboten werden. Das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft. Welche Vision haben Sie für den fairen Handel? Millionen von Kleinbauernfamilien und Arbeiterinnen haben heute keine stabile Existenz und leben von der Hand in den Mund. Wer Produkte für uns produziert, soll ein gutes und sicheres Leben ohne Armut führen. Unsere Vision ist, dass Fairtrade für Südprodukte in der Schweiz zum Normalfall wird. Welche Position vertritt Max Havelaar am Erdgipfel in Rio? Bei der «Green Economy» ist die soziale Dimension und insbesondere die Bedeutung des Konsumverhaltens zu stark in den Hintergrund gerückt. Wir erwarten, dass sich die Schweiz in Rio für ein Konsumverhalten einsetzt, das sozial, wirtschaftlich und ökologisch ist. Denn solange Millionen Kakaobauernfamilien nicht von ihrer Ernte leben können, werden sich Entwicklungsund Industrieländer kaum auf gemeinsame Ziele einigen.


Blickfang

LöSUNGEN GEGEN SCHULDEN Schuldenkrisen sind immer auch soziale Krisen: Sie verhindern Entwicklung und verstärken die Armut. Die aktuelle Ausgabe unserer Zeitschrift EinBlick zeigt auf, wie Schuldenspi-

ralen entstehen, welche Probleme hausgemacht sind und welche Rolle die internationale Gläubigergemeinschaft spielt. Und es präsentiert Lösungsansätze, um der überschuldung im Süden wie im Norden ein Ende zu setzen. Fastenopfer.ch/einblick Bestellen (5.-): 041 227 59 59

Globale Müllberge und Umweltschutz

Agenda

Rund eine Milliarde Menschen leiden an Hunger. Trotzdem landen pro Jahr 1,3 Milliarden Tonnen geniessbare Nahrungsmittel im Abfall – eine Menge, die ausreichen würde, um 3 Milliarden Menschen zu ernähren. Handys und Computer werden in Länder des Südens exportiert, wo sie nochmals zum Einsatz kommen – oder aber verbrannt oder anderweitig rücksichtslos entsorgt werden. Nicht erneuerbare Ressourcen wie Erdöl werden dazu verwendet, Plastiklaschen oder -säcke zu produzieren, die nach kurzem Gebrauch wieder weggeworfen werden. Unsere Wegwerfgesellschaft hat diesen Weg gewählt, ohne an die Folgen zu denken: Ressourcen werden vergeudet, Natur und Städte verschmutzt und immer grössere Mengen an Energie dazu verwendet, neue Produkte herzustellen oder alte zu recyceln. Das Seminar «Bis zum Hals – globale Müllberge und Umweltschutz» im Romerohaus in Luzern will unseren Konsum überdenken (7./8. September). Es ist Teil der von Fastenopfer mitinanzierten Reihe «Global Supermarket». www.romerohaus.ch oder 041 375 72 72

Rio de Janeiro, 20.-22. Juni: Uno-Nachhaltigkeitsgipfel und People‘s Summit mit Salamatou Gazéré Dotia aus Benin. facebook.com/voiceinrio oder fastenopfer.ch/rio20

UNTERNEHMEN ALS PARTNER Unternehmen gehen neu mit Fastenopfer Partnerschaften ein.

Ob Einmannbetrieb oder Grosskonzern – eine Partnerschaft mit Fastenopfer ist ideal für alle Unternehmen, denen soziale Verantwortung naheliegt. Damit können sie die Lebensbedingungen von benachteiligten Menschen verbessern und gleichzeitig in der öffentlichkeit auf ihr Engagement hinweisen. Mögliche Unterstützungsformen: Das Unternehmen ermutigt seine Mitarbeitenden, Fastenopfer mit jeder Lohnüberweisung mit einem ixen Betrag zu unterstützen (Payroll-

Giving). Zum Jahresende oder bei anderen Gelegenheiten überrascht das Unternehmen seine Mitarbeitenden und seine Kundschaft mit den Geschenken des Fastenopfers statt wenig brauchbarem Tand; oder es stellt Fastenopfer in der Mitarbeitendenzeitschrift Werbeläche zur Verfügung; oder … Unternehmen inden gemeinsam mit uns die passende Idee und teilen so ihren Erfolg mit einer Million benachteiligen Menschen. Davide Caenaro berät Sie gerne: 041 227 59 22, caenaro@fastenopfer.ch fastenopfer.ch/unternehmen

Zürich, 2. Juli: Vortrag «Gibt es noch Werte in China?» von Prof. Dr. Stephan Rothlin SJ, Projektpartner des Fastenopfers in China (Aki, 19h45). aki-zh.ch, 044 254 54 60 7./8. September, Luzern: Seminar «Bis zum Hals – globale Müllberge und Umweltschutz» (Romerohaus). romerohaus.ch, 041 375 72 72

Impressum

Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PK 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer Das INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei-Gisi Fotos Jerik Cruz und Br. Martin Francisco (S. 1, 3, 5, 6), Inesc (S. 2 Portrait), Pascale Schnyder (S. 2), Priska Ketterer (S.2 kleines Portrait), Ucan News (S. 4), Atucsara (S. 7), Max Havelaar Schweiz (S. 7 Portrait), Benno Neeleman (S. 8). Cartoon Daria Lepori Konzept graikcontainer Luzern Layout/Druck Zoinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch

Partnerschaften zum Wohl benachteiligter Menschen: Brunnen in Kenia.

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Druck auf zertiiziertem Papier. Dieses Papier stammt aus ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.


PhiliPPinen Gewinne für die Mächtigen auf Kosten der Schwachen – Eine Wirtschaftszone in der Provinz Aurora, im Norden der Philippinen, bedroht die Urbevölkerung der Agtas sowie Fischer- und Kleinbauernfamilien. Sie fürchten sich, vom eigenen Boden vertrieben zu werden. Nun erhielten sie Besuch vom Basler Bischof Felix Gmür.


DeR KAMPF UMS PARADieS AM enDe DeR WelT Die Spannungen in der Gemeinde Casiguran stiegen am Tag der Ankunft der internationalen Delegation mit den beiden Bischöfen drastisch an. Die Aggression gegen die Anwohnerinnen und Anwohner des Apeco-Geländes war jetzt spürbar. Da waren etwa die Apeco-Baumannschaften, die unbemerkt von vielen Bauernfamilien gewissermassen über nacht einen entwässerungskanal gegraben hatten, was zu Überschwemmungen der Felder während der Regenzeit führte. Vor allem aber war da der Stacheldrahtzaun, der wie aus dem nichts zwischen den häusern neben dem neuen Flugfeld aufgetaucht war. Die Gerüchte machten die Runde, dass eine neue Welle der

Vertreibung unmittelbar bevorstand: Das Projektmanagement hatte Pläne für eine 300 m lange Verlängerung des Flugfelds offengelegt, einmal mehr, ohne die Betroffenen zu informieren. Paradies am Ende der Welt einst war Casiguran eine dünn besiedelte, abgelegene Gegend. Der Dschungel bildet seit Urzeiten den lebensraum für das Volk der Agtas. Zwischen dem Ufer des Paziik und den Bergen der Sierra Madre war genug Platz für Fischer- und Kleinbauernfamilien. Keine Strasse, einzig üppige Vegetation. ein eigentliches Paradies am ende der Welt.


«Danke vielmal, dass Sie so weit gereist sind»; Bischof Felix Gmür sucht sich trotz Überschwemmung seinen Weg (linke Seite). «Die Filipinos sind durch den Glauben viel stärker als Gemeinschaft organisiert»; Bischof Gmür und Tirona beim gemeinsamen Feiern eines Gottesdiensts (oben links). Die Agtas müssen diesen Kampf gewinnen; Protest der Frauen in Casiguran (oben rechts). Industrie und Tourismus statt Lebensgrundlage für Bauernfamilien; ein Reisbauer bei der Feldarbeit (nächste Seite links). «Keine Machbarkeitsstudie und auch kein Business-Plan»; das Apeco-Flugfeld mitten im Urwald (nächste Seite rechts).

Bis die Angara-Familie, der einlussreiche politische Clan der Provinz Aurora, auf die idee kam, hier eine Wirtschaftszone zu errichten: 12 923 hektaren, halb so gross wie der Kanton Genf. in der Zwischenzeit wurde ein Flugfeld gebaut. Geplant sind industrie- und Tourismusanlagen. Auch

ein grosser hafen soll hier entstehen. Apeco wurde als «neues Tor zum Paziik» hochgejubelt. Das Riesenprojekt versprach wirtschaftliche entwicklung für eine der ärmsten Provinzen der Philippinen. Doch bisher hat die Wirtschaftszone vor allem eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen,

«Allein KAnn nieMAnD eTWAS» Der Basler Bischof Felix Gmür über seine Reise auf die Philippinen.

Weshalb engagieren Sie sich gegen die Freihandelszone Apeco? Das ist nicht ein engagement gegen Apeco, sondern ein engagement für ein würdiges leben der Menschen dort. Das ist ein grosser Unterschied. ich bin in erster linie für etwas und nicht gegen etwas. ich unterstütze alles, was diesen Menschen dient. Und alles, was gegen ein würdiges leben dieser Menschen spricht, bekämpfe ich. Apeco ist ein grosses Wirtschaftsprojekt, das den Menschen dort nicht dient, sondern ihnen sehr grossen Schaden zufügt – und das hat bereits begonnen. es sind schon landabschnitte gekapert worden. Dorfgemeinschaften wurden auseinanderdividiert. Das gehört zur Strategie von Apeco. Aber wir, die Kirche, sind nicht für eine Spaltung, sondern dafür, die leute zusammenzuführen und gemeinsam das leben zusammen zu prästieren. Wie haben Sie die Probleme der Agtas wahrgenommen? Das erste hauptproblem: Die Agtas haben keine landtitel, obschon sie seit Generationen in diesem Gebiet leben. Das zweite hauptproblem: Die Agtas leben in zwei verschiedenen Zeiten. Sie leben als indigene Population in ihren Traditionen und gleichzeitig auch im 21. Jahrhundert. Die herausforderung für sie ist, traditionelle Werte, vor allem das leben in der Gemeinschaft, aufrechtzuerhalten und trotzdem mit der Zeit zu gehen. es gibt einige, die das ganz gut schaffen. Auch dank des

Fastenopfers. Wir haben eine der unterstützten Schulen besucht. Dort lernen die Agtas Grundsätzliches, wie zum Beispiel rechnen, damit sie dann im handel ausserhalb ihrer Gemeinschaft nicht übers Ohr gehauen werden. Was hat Ihre Reise bewirkt? Für die Verantwortlichen des Widerstands und die Betroffenen vor Ort, für die war der Besuch der Delegation ein Motivationsschub. Sie haben gesehen, dass es da eine Solidarität gibt, die über das Bistum infanta hinausgeht. Und das ist sehr wichtig. Oft habe ich gehört: «Danke vielmal, dass Sie so weit gereist sind.» nah ist es ja wirklich nicht: 48 Stunden dauerte die Reise von der Schweiz über Manila. Das beeindruckt die Menschen, wenn man wirklich mit haut und Knochen da ist. Was hat die Reise bei Ihnen verändert? Für meinen Alltag hat sie kaum etwas verändert. Wir leben hier in unserer Welt und ich kann nicht anfangen, philippinisch zu leben. Aber es hat mich sensibilisiert für eine andere Art, den Glauben zu leben. Die Filipinos sind durch das Feiern des Glaubens viel stärker als Gemeinschaft organisiert. Denn die Menschen sind aufeinander angewiesen. Allein kann niemand etwas. Das wird in der Schweiz oft verdrängt: Viele meinen, sie können alleine etwas bewirken, alleine zufrieden werden oder alleine leben: ich mit meinem lieben Gott. Aber dort heisst es: Wir zusammen mit unserem Gott. Ganzes Gespräch: fastenopfer.ch/apeco Aufgezeichnet: Patricio Frei


Entscheidende Rolle der Kirche Die Kirche spielt innerhalb der Anti-Apeco-Bewegung eine entscheidende Rolle: Priester vor Ort helfen den Betroffenen, sich zu organisieren und für ihre Rechte einzustehen. Zu den prominentesten Gegnern gehört der Bischof der betroffenen Prälatur infanta: Bischof Rolando Tirona, ein langjähriger Partner von Fastenopfer. Um dem Widerstand der lokalen Bevölkerung den Rücken zu stärken, organisierte er zusammen mit Fastenopfer einen Solidaritätsbesuch einer internationalen Delegation. Aus der Schweiz reiste dazu der Basler Bischof Felix Gmür an, den Bischof Tirona bei einem Besuch in der Schweiz persönlich kennengelernt hatte. Während des dreitägigen Besuchs war die sechs Personen aus europa umfassende Delegation zu Gast bei sieben Gemeinschaften in Casiguran. Bischof Felix Gmür zeigte sich vom Besuch der Agtas-Schule beeindruckt, die von Fastenopfer unterstützt wird: «Das war sehr eindrucksvoll. ich habe gesehen, wie sich die Menschen für ihre Zu-

kunft engagieren. ihnen ist es nicht egal, was mit Apeco geschieht. ihnen ist wichtig, dass es weitergeht, nicht gegen sie, sondern zusammen mit der ganzen Bevölkerung.» (Siehe auch Gespräch in separater Box.) Umsiedlung in Risikozone Die Delegation inspizierte unter anderem die hügel auf der San-ildefonso-halbinsel, wohin die Agtas umgesiedelt werden sollen – gemäss den Apeco-Managern. Doch in unmittelbarer nähe zum vorgeschlagenen Siedlungsgebiet stellte die Delegation alle möglichen erdrutsche fest. Das ganze Teilprojekt erwies sich als eine Anhäufung von Schwachstellen. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Steckt da Absicht dahinter? Der niederländische Pater Ben Verbeme brachte es auf den nenner: «Was wir gesehen haben, steht in völligem Widerspruch zu einem gesunden entwicklungskonzept. Grundlage sollte der Dialog zu den Betroffenen bilden. Stattdessen werden ihre elementarsten Rechte verletzt, wie das Recht auf ein sicheres Zuhause.» Begleitet wurde die Delegation von Vertreterinnen und Vertretern philippinischer Organisationen, wie der Menschenrechtskommission, der Fastenopfer-Partnerorganisation Task Force Detainees, und anderen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Anti-Apeco. Sie alle schlossen sich zusammen, um denen eine Stimme zu geben, die den Widerstand vor Ort tragen. «Was wir mit eigenen Augen gesehen haben, bestärkt uns, dass Apeco grundlegende Rechte der Gemeinschaften missachtet», erklärten sie gemeinsam in ihrer Schlusserklärung an den beiden viel beachteten Medienkonferenzen in Manila. Für die Agtas, die Kleinbauern- und Fischerfamilien in Casiguran sind die kommenden Monate entscheidend: Können sie ihre Machtlosigkeit überwinden und sich erfolgreich gegen Apeco zur Wehr setzen? Für die Betroffenen gibt es nur eine mögliche Antwort: Sie müssen diesen Kampf gewinnen. Jerik Cruz, Patricio Frei

Stichwort: Philippinen Die erfolge in der Korruptionsbekämpfung und die stärkere Ahndung von Menschenrechtsverletzungen haben die lebensbedingungen der armen Bevölkerung in den Philippinen noch nicht wesentlich verbessert. Weiterhin problematisch bleibt auch, dass viele Familien keine landtitel für den Boden haben, den sie bebauen, sowie die ungerechte landverteilung. Zudem zeigt sich das inselreich zunehmend verletzlich gegenüber Überschwemmungen und anderen Auswirkungen des Klimawandels. Mit Bio und Mangroven Fastenopfer arbeitet mit kirchlichen und nichtkirchlichen Partnerorganisationen zusammen, die sich für die Stärkung von Gemeinschaften und für die Menschenrechte einsetzen. neu planzen Bauernorganisationen mit Unterstützung des Fastenopfers verschiedene Gemüsesorten an, statt sich ausschliesslich auf den Reisanbau zu konzentrieren. So können die Familien während des ganzen Jahres ernten und Überschüsse auf dem Markt verkaufen. Zudem wird auch ihre eigene ernährung gesünder. Um die lebensbedingungen zu verbessern und der Verschuldung entgegenzuwirken, setzt Fastenopfer auf biologische landwirtschaft. Um Felder und häuser in Küstennähe vor Überschwemmungen zu schützen, setzt Fastenopfer auf Anbau von Mangroven statt auf kostspielige Dämme. Dadurch wird auch ein Beitrag zur Biodiversität geleistet: Das Wurzelwerk der Bäume bietet Schutz für viele Meerestiere. Zeigen auch Sie sich solidarisch im Kampf gegen Apeco und spenden Sie auf PC 60-19191-7, Vermerk Philippinen.

Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postkonto 60-19191-7

Juni 2012

Beschwerden und politische Ungereimtheiten verursacht. Sogar der «Philippine Daily inquirer» – eine der führenden Zeitungen des landes – beklagte sich in einem Kommentar: «Vor dem Projektstart wurde keine adäquate Machbarkeitsstudie und auch kein Business-Plan erstellt. Weder wurden irgendwelche technischen oder hydrologischen Untersuchungen durchgeführt, noch gab es Pläne für einen Flug- oder Seehafen.» Die negativen Auswirkungen auf die nachhaltige entwicklung für die landwirtschaft und Fischzucht sind fatal. Die eingeborenen der ethnie Agtas, aber auch Kleinbauern- und Fischerfamilien werden von ihrem land vertrieben und ihrer lebensgrundlage beraubt. Zahlreiche Anhörungen im Senat und Gespräche mit Regierungsverantwortlichen haben stattgefunden. ein erster erfolg ist, dass die Menschenrechtskommission einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat, der die legalität von Apeco prüfen soll.


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