VORWÄRTS IN DIE ZUKUNFT Liebe Leserin, lieber Leser
Nr. 4 | 2013
Indien: Schock für Gullu Ein Staudammprojekt bedroht nicht nur ein AdivasiDorf. Es soll Wegbereiter für 133 Minen sein. Seite 2 Burkina Faso: Wenn das Dorf entscheidet Die Behörden haben den von einer Gemeinschaft erarbeitete Weideplan zum Vorbild erklärt. Seite 7 Ein besseres Leben schenken Baum oder Ziege – Fastenopfer bietet sinnvolle Geschenke, die mehrfach Freude bereiten. Seite 8
Es war ein grosses Privileg, Fastenopfer während fast 13 Jahren als Direktor zu leiten. Die Entwicklungen waren vielfältig und spannend. Früher finanzierte Fastenopfer viele einzelne Projekte. Heute vernetzen wir in 14 Landesprogrammen die Arbeit unserer kirchlichen und weltlichen Partner. Das Recht auf Nahrung steht im Zentrum der Zusammenarbeit. Die Stärkung der Menschen und ihrer sozialen Vernetzung ist immer mehr ins Zentrum gerückt. Wir wollen nicht mehr «helfen», sondern machen uns mit den Menschen auf den Weg zu einer menschenwürdigen und nachhaltigen Entwicklung. Wir wirken glaubwürdig für eine Weltordnung, in der die Kinder, Frauen und Männer als Abbild Gottes menschenwürdig leben können. Die 45 ökumenischen Kampagnen sind Ausdruck dafür. Ich bin stolz auf Fastenopfer, seine Partner und seine Netzwerke. Vieles haben wir erreicht, auch wenn es Misserfolge gab. Im Fokus bleiben Ausgegrenzte, die Armen, die im Zentrum der Botschaft Jesu standen und stehen. Ihnen gilt auch in Zukunft unsere Solidarität. Ich übergebe nun das Ruder in die Hände von Patrick Renz (S. 8), bleibe dem Fastenopfer aber eng verbunden. Danke, dass Sie dem Fastenopfer auch unter neuer Leitung treu bleiben! Herzlich
Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer
Südsicht
SCHOCK FÜR GULLU Ein Staudammprojekt in Indien bedroht die Lebensgrundlagen Dutzender Adivasi. Letztlich könnten aber 50 000 Familien vertrieben werden.
Mehrere afrikanische Anführer sehen im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) ein Instrument des Westens, um Afrika erneut zu kolonialisieren. Mit feurigen Reden vor der Uno haben sie den Prozess gegen Kenias Politiker Uhuru Kenyatta und William Ruto verurteilt. Kenia kennt 42 ethnische Gruppen. Im Gegensatz zu anderen Staaten, in denen die Bevölkerung eine gemeinsame Identität besitzt, ist Kenia ein geteiltes Land. Die ethnische besitzt gegenüber der kenianischen Identität Vorrang. In den Gebieten der Kikuyu und Kalenjin, woher Kenyatta und Ruto stammen, haben diese Märtyrerstatus erlangt. In anderen Gebieten aber werden sie nicht hoch angesehen für das, was sie während den Ausschreitungen 2007/08 angeblich getan haben. Werden die beiden verurteilt, legen sie bestimmt Berufung ein. Es ist aber auch davon auszugehen, dass mit dem Schuldspruch irgendjemand das Ende ihrer Amtszeit verlangt und sich auf Artikel 6 der Verfassung bezieht, welcher es Verurteilten verbietet, Amtsgeschäfte weiterzuführen. Auch wenn Kenia die Römischen Statuten, aufgrund deren der ICC geschaffen wurde, aufkündigt, werden die Prozesse weitergehen, wie der Gerichtshof klargestellt hat. Denn: Ein Rückzug wird erst 12 Monate später wirksam. Doch Uhuru und Ruto werden es dem ICC schwer machen, das Verfahren voranzubringen. Martin Omwange, Justice and Peace Kenia
Für die 36 Familien der indigenen Adivasi, die rund um das Dorf Gullu inmitten der Natur lebten, war der Räumungsbefehl ein Schock. Die Behörden informierten sie, dass sie ihr Land für ein 34-Megawatt-Staudammprojekt hergeben müssen. Im zentralindischen Chhattisgarh stärkt Fastenopfer schon länger benachteiligte Menschen durch den Aufbau von Spargruppen. Diese organisieren sich, lösen sich aus der Abhängigkeit der Grossgrundbesitzer und sichern ihre angestammten Lebensgrundlagen, etwa durch nachhaltige Nutzung von Waldprodukten. Bei der Landenteignung gingen die Vertreter des Unternehmens in Absprache mit den Behörden nicht gerade zimperlich vor: Bewohner von Gullu wurden bedroht, entführt oder ihnen gewaltsam die Entschädigung überreicht. Die Adivasi-Gemeinschaften gerieten noch mehr unter Druck, als sie vom gesamten «Entwicklungsplan» für ihre Region erfuhren: der geplante Damm ist ledig-
lich ein Wegbereiter für ein gigantisches Projekt mit 133 Minen zum Abbau von Bauxit und anderen Mineralien. Dadurch sind 50 000 Familien in 200 Dörfern durch Vertreibung bedroht und ein wichtiges Ökosystem würde unwiederbringlich zerstört. Die Adivasi haben beschlossen, ihr Land nicht herzugeben. Obschon erste Bauarbeiten den Druck weiter erhöhen und die Platzierung von Sicherheitskräften ihren Widerstand brechen soll. Um die betroffenen
Menschen zu unterstützen, weitet Fastenopfer sein Spargruppen-Projekt von 80 auf 160 Dörfer aus, stärkt das Netzwerk zwischen ihnen und hilft den Anführern, ihre Rechte einzufordern. Zudem haben die direkt vom Damm bedrohten 36 Familien mit Unterstützung des Fastenopfers trotz Angst und Einschüchterungen vor Gericht den Rückzug des Dammprojekts und die Wiederherstellung ihres Lands gefordert. Ajoy Kumar, Koordinator Indien Stellen Sie sich auf die Seite der Adivasi: Spenden Sie auf PC 60-19191-7, Vermerk Indien
Ein Damm als Wegbereiter für 133 Minen: der Fluss Ib beim Dorf Gullu.
ARMUT NACH 2015?
Die Zahl:
Die Uno-Generalversammlung hat im September die globale Entwicklungsagenda diskutiert. Bis 2015 werden nur einige der MillenniumsEntwicklungsziele erfüllt werden. Für die Zeit danach will die Völkergemeinschaft neue Ziele für eine «Nachhaltige Entwicklung» definieren. Über die Inhalte aber besteht grosse Uneinigkeit. Fastenopfer ist überzeugt: Armut kann nicht in Dollars pro Tag gemessen werden. Entscheidend ist oft vielmehr der Zugang zu Trinkwasser oder zu Ackerland. Armut muss als
Schweizer Banken investieren rund 3,6 Milliarden Franken in Derivate auf landwirtschaftliche Produkte. Diese Finanzinstrumente tragen zu Preissprüngen bei Nahrungsmitteln an den Börsen bei. Deren Folgen sind vor allem in Entwicklungsländern direkt spürbar: sobald die Preise steigen, leiden zusätzlich Millionen Menschen an Hunger. Fastenopfer engagiert sich gegen die folgenschwere Nahrungsmittelspekulation: stopp-spekulation.ch
mehrschichtiges Problem verstanden werden und die Politik der reichen Schweiz trägt eine Mitverantwortung zur Verminderung von Armut. Beispiel: Weil es Steuergelder braucht, um gute Schulsysteme zu finanzieren, trägt folglich auch Steuerflucht von Schweizer Konzernen zur Armut bei. Fastenopfer wird sich deshalb weiterhin auch auf politischer Ebene dafür einsetzen, solche Stolpersteine auf dem Weg zu einer «Nachhaltigen Entwicklung» zu eliminieren. Stefan Salzmann, Nachhaltigkeit
fastenopfer info 4|2013
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KOLUMBIEN Dank der Organisation Semillas de Agua setzen die indigenen Kokonucos im Reservat Poblazón zunehmend auf nachhaltige Anbaumethoden ohne Dünger und Pestizide. Dafür brauchte es viel Überzeugungsarbeit. Denn eine schlechte Ernte kann sich hier, wo die Felder steil und karg sind, niemand erlauben. Die Armut bleibt spürbar. Doch nun entdecken die Menschen ihre Verantwortung gegenüber kommenden Generationen und den Stolz auf die eigene Kultur wieder.
EIN LEBEN OHNE HUNGER UND OHNE GIFT «Wer bringt schon sein Saatgut ohne Chemie aus?», María Paula Maca schüttelte verständnislos den Kopf. So wie der 47-jährigen Bäuerin ging es am Weiterbildungskurs auch anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Indigenenreservat Poblazón. Vertreter der Organisation Semillas de Agua erklärten den Bäuerinnen und Bauern von Biokompost und dass die mala hierba kein Unkraut sei, sondern wichtige Funktionen einnimmt. Maca verstand gar nichts mehr. Hatten sie jahrzehntelang alles falsch gemacht? Heute, zwei Jahre später, zeigt sie David Diaz, dem Direktor von Semillas de Agua, ihren Gemüsegarten: 400 Quadratmeter voll roter Bohnen,
Erbsen, Karotten, Koriander, Rettich, Kohl und der sellerieähnlichen Arakacha. Gewachsen dank Kompost, ohne Kunstdünger oder Chemie. Wegen einer Schnittwunde an der Hand kann die Mutter dreier Kinder im Moment nicht im Garten arbeiten. «Alleine lasse ich aber niemanden in meinen Garten: Die anderen machen es nicht, wie ich es will!» Maca akzeptiert Hilfe bloss, wenn sie überwachen kann, dass nichts ausgerissen wird, was andere als Unkraut bezeichnen. Pendler zwischen Hörsälen und Fincas David Diaz ist ein aufmerksamer Zuhörer. Er begutachtet die Beete, fragt, wie Maca die Pflanzen
«Den Menschen zeigen, dass die Böden voller Leben sind»; David Diaz im Gespräch mit einer Bäuerin in einem Garten ohne Unkraut (linke Seite). Kann ihren Erfolg noch immer kaum wahrhaben; María Maca mit einem ihrer Hühner (oben links). «Indigene mit einem weissen Geist»; der Gobernador Jesus Antonio Maca bedauert den Kulturverlust seiner Gemeinschaft (oben rechts). «Mein Mann war nach meiner Rückkehr noch ein paar Tage verärgert»: Nini Yofana Cardona mit fünf ihrer Kinder (nächste Seite links). «Selbst eine Bananenschale kann man zu einer köstlichen Mahlzeit verarbeiten»: Markt in der Stadt Popayan (nächste Seite rechts).
zum Gedeihen gebracht hat und wie sie mit den Anbaumethoden zurechtkommt. Er gibt Tipps, was zu verbessern ist – ohne lehrmeisterlich zu wirken. Der Besuch ist eine Begegnung zwischen zwei Menschen, denen ein nachhaltiger Umgang mit dem Boden wichtig ist. «Ich will eine saubere Landwirtschaft fördern», sagt Diaz später über seine Motivation. Er gehörte 1993 zu den Gründern von Semillas de Agua. Seine Welt sind sowohl die Hörsäle der Universität Villavicencio als auch die fincas, die einfachen Höfe. Zu seinem Erfolgsrezept sagt der zweifache Familienvater: «Wir zeigen den Menschen, dass die Böden voller Leben sind, voller Pilze, Bakterien und Würmer, und wie wir sie ernähren müssen.» Bodenfruchtbarkeit und Klimawandel sind die Spezialgebiete des 56-jährigen Landwirtschaftsingenieurs. Diaz verbindet seine Erfahrungen aus der Forschung mit der Projektarbeit. So hat er eine Methode entwickelt, um die Pflanzenmasse über dem Boden zu messen und zu vergleichen. Zudem ist es ihm gelungen, den CO2-Gehalt von Pflanzen zu quantifizieren und so ihre Bedeutung für den Klimaschutz zu bestimmen. Er definiert mehr als sieben Indikatoren, die Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit haben. «Die verkaufen sich gut!» Als ob sie ihren Erfolg mit der nachhaltigen Anbaumethode noch immer nicht wahrhaben könnte, versichert María Maca: «Es stimmt, was Semillas de Agua erzählt.» Ihr Verhalten und ihr Denken hat sie fundamental geändert: «Früher habe ich jeder Aussaat Kunstdünger beigegeben, jede Pflanze mit Pestiziden besprüht, Unkraut als Abfall behandelt und ausgerissen.» Heute aber wehre sie sich, wenn ein Baum gefällt werden soll, und setze sich für Wiederaufforstung ein: «Wir dürfen der Erde keinen Schaden antun oder sie gar töten. Wir schädigen uns damit selber.» Von Semillas de Agua erhielt sie nebst Weiterbildungskursen auch konkrete Unterstützung: Die anfänglich zwei Hühner, zwei Hähne sowie acht Wachteln sind in der Zwischenzeit zu einer klei-
nen Geflügelzucht von insgesamt 38 Tieren gediehen. «Ich hatte insgesamt über 80 Hühner», erzählt sie voller Stolz: «Die verkaufen sich gut!» Mit dem Verkauf von Hühnern und Eiern vor allem an Nachbarinnen und Nachbarn hat sie in drei Monaten 400 000 Pesos (rund 200 Franken) eingenommen. Das Geld investiert sie in neue Tiere und für den Unterhalt der Familie. María Maca: «Jetzt verwalte ich mein eigenes Geld und muss nicht mehr meinen Mann darum bitten.» Als Nächstes will Maca die Zahl der Wachteln erhöhen, um deren Eier auf dem Markt von Popayan anzubieten: «Doch immer wieder findet ein Wiesel einen Weg durch das Maschendrahtgitter und nimmt eine Wachtel mit!» Mit Mingas gegen den Kulturverlust Von María Macas Zuhause sind es nur ein paar Meter auf der staubigen Strasse bis zum Haus des Mannes, der für die Gemeinschaft der Kokonucos eine zentrale Rolle spielt. Jesus Antonio Maca präsidiert als gobernador den Indigenenrat, den Cabildo. Das Reservat Poblazón zählt 1200 Einwohnerinnen und Einwohner und misst 2800 Hektaren. Kein Acker und kein Garten befindet sich in Privateigentum, der Boden wird vom Cabildo lediglich ausgeliehen – bis anhin einzig an Männer. Nicht zuletzt um dies zu ändern, misst Semillas de Agua dem Kontakt zum Cabildo denn auch grosse Bedeutung zu. Jesus Maca bedauert den Kulturverlust in seiner Gemeinschaft: «Wir sind Indigene mit einem weissen Geist.» Die Nähe zu Popayan sei Segen und Fluch zugleich: «Wir fahren auf dem Velo oder im Taxi in die Stadt.» Der Ernteüberschuss lässt sich so einfacher zu Geld machen, traditionelle Werte und die identitätsstiftende Sprache gehen in der Urbanität zunehmend verloren. Zu den verlorenen Werten gehört etwa der enge Bezug zur Madre Tierra, zur Mutter Erde, die ursprünglich denselben Stellenwert wie die leibliche Mutter innehatte. Der Ansatz von Semillas de Agua ist Wegbereiter, um diese Beziehung ein Stück weit zurückzugewinnen.
Landwirtschaft im Einklang mit der Natur Die Organisation Semillas de Agua definiert ihren Ansatz als agricultura conservacionista, als erhaltende Landwirtschaft, welche die Interessen der Menschen mit der Umwelt in Einklang bringt. Ihr Ziel: Mit nachhaltigen Methoden die Ernährung der Menschen sichern und verbessern. Unterstützung erhält sie von Fastenopfer. Viele Elemente entlehnt Semillas de Agua der auf Kreisläufen basierenden Permakultur. Sie veranstaltet Kurse von nachhaltiger Bodennutzung bis zur Zubereitung von Lebensmitteln. Sie setzt dabei auf Erfahrungsaustausch und Besuche bei früheren Teilnehmenden. Insgesamt begleitet sie 160 Frauen und Männer mit regelmässigen Besuchen. Jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer des Projekts steht ein Betrag von 90 000 Pesos (45 Franken) für Investitionen zur Verfügung. Das Geld reicht für ein paar Hühner oder Kaninchen und das Baumaterial für einen Stall: Wellblech, Holz und Maschendraht. Das Geld ist gut investiert. Die kleine Summe wirkt bei vielen als Katalysator, um ein eigenes Geschäft zu gründen. «Ich geh da hin!» Grössere Ernten, abwechslungsreichere Ernährung, verbessertes Einkommen – das Projekt von
Semillas de Agua hat aber auch Auswirkung auf die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Dies zeigt das Beispiel von Nini Yofana Cardona. Wie für alle anderen weiblichen Teilnehmerinnen ist es für die 31-jährige Mutter von acht Kindern eine Selbstverständlichkeit, dass sie am Morgen des Kurses erst dann das Haus verlassen kann, wenn alles für ihre Abwesenheit organisiert ist. In einer Macho-Kultur wie in Kolumbien steht kaum je ein Mann in der Küche. Doch wie bereitet man einen Haushalt auf eine dreitägige Abwesenheit vor, wenn sich der Mann zudem klar gegen den Kursbesuch ausgesprochen hat? Cardona ist eine junge Frau, die weiss, was sie will. Und diesen Besuch im Departement Valle bei einer Bauernfamilie mit einem Hühnerstall wollte sie sich nicht entgehen lassen. Also bat sie Socorro Niyireth Canaval, welche für Semillas de Agua die Arbeit in Poblazón koordiniert, mit ihrem Mann zu sprechen. Als dies nichts fruchtete, entschied sie sich, ohne dessen Einverständnis teilzunehmen. «Mein Mann war nach meiner Rückkehr noch ein paar Tage verärgert, aber das hat sich dann wieder gelegt», erzählt sie heute. Den Traum vom Hühnerstall hat sie sich bereits verwirklicht. Innert eines halben Jahres sind aus den 10 Legehennen 36 geworden: «10 000 Pesos bringt ein Huhn, das ich den Nachbarn verkaufe», freut sie sich. Das Geld kann sie gut gebrauchen: für die Schule, Kleider für die Kinder oder bei einer Krankheit. Der nächste Streitpunkt zeichnet sich bereits ab: Ein viertägiger Workshop steht bevor. Wer kümmert sich um die Kinder und wer schaut zu den Tieren? Zwar ist Isaia Cardona in der Zwischenzeit ebenfalls auf Biolandbau umgestiegen, dennoch will er weiterhin nicht, dass seine Frau hinfährt. Für Nini Cardona aber steht fest: «Ich geh da hin!» Patricio Frei
Stichwort: Kolumbien Seit 60 Jahren herrscht in Kolumbien ein bürgerkriegsähnlicher Zustand: Militär, Paramilitär, Guerillas und die Drogenmafia bekämpfen sich gegenseitig. Darunter leidet die Landbevölkerung. Ihre Rechte werden mit Füssen getreten. Die Verteilung des Landes führt weiterhin zu vielen Konflikten. So gibt es zwar seit 1991 ein Gesetz, welches den Staat verpflichtet, einen Teil des Bodens der indigenen Bevölkerung zurückzugeben. Doch der Umsetzung werden viele Steine in den Weg gelegt, insbesondere von den Grossgrundbesitzern. Sie versuchen, die Bevölkerung einzuschüchtern und zu vertreiben. Diese Gewalt fordert immer wieder Todesopfer. Trotzdem gibt es Erfolge und immer mehr Land wird in die Hände der Landbevölkerung übergeben. Ernährungssouveränität verbessern Im Zentrum der Tätigkeiten von Fastenopfer in Kolumbien stehen die Ernährungssituation und die Menschenrechte. Dazu setzt das Hilfswerk auf angepasste Landwirtschaftsmethoden. Die durch die Projekte begleiteten Frauen und Männer kennen ihre Rechte und können sie gegenüber dem Staat einfordern. Sie organisieren sich, um Zugang zu Land zu erhalten. Fastenopfer fördert sie, ihre Produkte fair zu vermarkten. Fastenopfer erreicht in Kolumbien mit seiner Arbeit 2439 Männer und 5022 Frauen. Setzen auch Sie sich für bessere Ernährung und eine nachhaltige Landwirtschaft in Kolumbien ein und spenden Sie auf PC 60-19191-7
Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postkonto 60-19191-7
November 2013
Auch die Minga soll wieder zu neuem Leben erweckt werden: Mit Nachbarinnen und Freunden ein Feld bestellen oder einen Garten anlegen und danach gemeinsam essen – diese Tradition ging beinah vergessen. Der Wert einer Minga war immer schon mehr als das Resultat, das am Abend auf dem Feld oder im Garten sichtbar war. Die unbezahlte Zusammenarbeit kräftigte den Gemeinschaftssinn und soll es – nach dem Wunsch von Jesus Maca – auch künftig tun. Jesus Maca schätzt die Arbeit von Semillas de Agua sehr: «Sie schützen die Umwelt und beziehen die Kinder in ihre Arbeit ein. Auch ich habe gelernt, dass man selbst eine Bananenschale zu einer köstlichen Mahlzeit verarbeiten kann. Hoffentlich können sie ihre Projekt ausweiten.»
WENN DAS DORF ENTSCHEIDET Im Norden Burkina Fasos hilft A2N der lokalen Bevölkerung, ihr Weideland mit einem Plan zu sichern. Nun haben die Behörden diesen erfolgreichen Ansatz zum Vorbild ernannt.
2005. Unterstützt von Fastenopfer begleitet A2N in der Region Ceekol Nagge 14 Dörfer, um eine Weidefläche zu sichern. Damit wird ein Schlussstrich unter die Konflikte zwischen den Bauernund Viehzüchterfamilien gezogen. Mit genügend Futter für das Vieh ist auch das Einkommen der Bevölkerung gewährleistet, die nun das ganze Jahr ausreichend zu essen hat. «Mit A2N haben sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Dörfer versammelt, um gemeinsam die Grenzen der Weidefläche und ihre Nutzung festzulegen», sagt Amadou Maïga Nouhoun, Koordinator von A2N. Gemeinsam haben sie sich auf ein Reglement und ihren Bedarf an Infrastruktur geeinigt. «Wenn die Menschen in die Entscheidung einbezogen sind, können sie diese umso besser akzeptieren», sagt Maïga. 2011: Die Konflikte haben abgenommen. Das Weidegebiet ist vom Staat anerkannt, der jetzt sogar die benötigte Infrastruktur finanziert. Ein grosser Erfolg für die Gemeinschaft. Der Staat hat inzwischen eingese-
hen, dass der von A2N angestossene Prozess tatsächlich funktioniert: «Es ist das erste Mal, dass die Gemeinschaft eine solche Zone definiert und verwaltet», sagte Maïga: «Normalerweise legt der Staat die Grenzen und Regeln fest. Aber das funktioniert selten: denn die Bevölkerung trägt solche Entscheidungen nicht mit.» «Alle kennen Ceekol Nagge!» Die Gemeinschaft übernimmt gemeinsam die Suche nach Lösungen – darin liegt die Stärke des Ansatzes von A2N. Der Staat hat dies offenbar
verstanden und wendet ihn jetzt als Modell für andere Regionen an. Eine grosse Anerkennung für die Arbeit von A2N. «Im Ministerium kennen jetzt alle Ceekol Nagge!», freut sich Maïga. Die Arbeit von A2N geht weiter: «Bewohnerinnen und Bewohner aus den Nachbardörfern haben von unserem Ansatz gehört und uns darauf angesprochen», sagt Maïga: «Seit kurzem arbeiten wir mit 14 anderen Dörfern in Ceekol Nagge daran, einen weiteren Weideplan zu erstellen.» Johanna Monney, Kommunikation Helfen Sie mit, die guten Ideen von A2N weiterzuverbreiten und spenden Sie auf PC 60-19191-7
3 Fragen
Jan-Willem Scheijgrond, Senior Director, Philips
Wie vermeidet Philips, dass es Konflikt-Mineralien verwendet? Philips war Mitglied der OECDArbeitsgruppe, welche Leitlinien für die Due Diligence, die Prüfung mit angemessener Sorgfalt, für Konflikt-Mineralien entwickelt hat. Wir richten uns danach. Zudem hat Philips die Initiative für konfliktfreies Zinn initiiert, mit dem niederländischen Aussenministerium, anderen Unternehmen und NGOs. Nun beziehen wir einen Teil unseres Zinns aus der Demokratischen Republik Kongo, um den legalen Handel von Mineralien zu fördern.
ZIEL: TRANSPARENZ IN DER HIGHTECH
Wie wird fair hergestellte Elektronik Standard? Es braucht einen gesetzlichen Rahmen, der sowohl kluge Due Diligence als auch Bemühungen um Konfliktlösungen ermöglicht. Dadurch lassen sich zwei Ziele erreichen: 1. Der Rückgang des Handels mit Konflikt-Mineralien. 2. Eine verantwortungsvolle Beschaffung von Mineralien aus Konfliktgebieten.
gung, die Sinn macht, wenn wir sehen, was in einem Handy steckt: Die Bauteile bestehen aus bis zu 60 unterschiedlichen Rohstoffen. Zu oft stammen diese aus Konfliktregionen. Doch Transparenz über die Herkunft der Rohstoffe fehlt. Initiativen verantwortungsbewusster Unternehmen sind gut. Daneben braucht es aber auch gesetzliche und verbindliche Vorgaben für alle Firmen (siehe auch 3 Fragen nebenan). Konsumentinnen und Konsu-
Was nehmen Sie von unserer «High Tech – No Rights?»-Konferenz mit? Jeder Akteur der Lieferkette spielt eine Rolle bei der Bewältigung von Konflikten. Ein kluger Mix aus Wille und Durchsetzungskraft ermöglicht es, Lieferketten sauberer zu gestalten. Es ist ermutigend, dass die Schweiz sich dabei auf die ihr vertrautesten Bereiche konzentriert: die Händler und die Goldindustrie.
Die von Fastenopfer mitorganisierte Konferenz zur «High Tech – No Rights?»-Kampagne hat gezeigt, fair produzierte Computer und Handys müssen das Ziel sein. Der Weg zu menschenwürdigen Bedingungen in der gesamten Lieferkette ist aber noch lang.
«Ein Handy ist keine Banane, es lässt sich nicht so einfach mit einem Label für faire Herstellung versehen», eine Bilanz der mit rund 180 Teilnehmenden erfolgreichen Ta-
Der Weideplan brachte Infrastruktur und weniger Konflikte. Ein Bauer in Ceekol Nagge tränkt sein Vieh.
menten sollten künftig sicher sein, dass in einem neu gekauften Gerät keine Konflikt-Rohstoffe verwendet und die Menschenrechte und Arbeitsgesetze in der Produktion eingehalten wurden. Fastenopfer und Brot für alle werden sich mit der Kampagne «High Tech – No Rights?» weiterhin politisch für menschenrechtliche Regulierungen der multinationalen Firmen einsetzen. fastenopfer.ch/computer
fastenopfer info 4|2013
Blickfang
was für ein tag ist denn der 11. november? tag des teilens!
Patrick Renz wird neuer Fastenopfer-Direktor
Agenda
Der Stiftungsrat des Fastenopfers wählte Dr. Patrick Renz zum neuen Direktor des Fastenopfers. Als Nachfolger von Antonio Hautle tritt er sein Amt am 1. April 2014 an. Renz, geboren 1965, ist Betriebswirtschafter und war lange in der Privatwirtschaft tätig. Er lebte in zehn Ländern und spricht fünf Sprachen. Seit 2006 unterrichtet Renz als Professor für Management, Governance, Organisationsethik und Projektmanagement an der Hochschule Luzern-Wirtschaft. Vor zehn Jahren wandte er sich der Entwicklungszusammenarbeit zu und gründete die Aid Governance Stiftung. Seit 2011 ist er Mitglied des Stiftungsrats des Fastenopfers.
27. November 2013, Bern: Ökumenische Impulsveranstaltung mit Referaten und Workshops zur Kampagnenthematik (14.15 bis 17.15 Uhr, Kirchgemeindehaus Johannes). Danach folgen ähnliche Veranstaltungen in St. Gallen, Zürich etc. sehen-und-handeln.ch/ veranstaltungen 5. März 2014, ganze Schweiz: Auftakt zur Ökumenischen Kampagne «Die Saat von heute ist das Brot von morgen». sehen-und-handeln.ch 29. März 2014, ganze Schweiz: Rosenaktion: Verkauf von 160 000 Rosen für Gerechtigkeit. sehen-und-handeln.ch/rosen
BESSERES LEBEN SCHENKEN Impressum
Fastenopfer bietet sinnvolle Geschenke, die mehrfach Freude bereiten. Gerade auch in der bevorstehenden Weihnachtszeit.
Sie möchten gerne etwas Sinnvolles schenken? Etwas, das Ihr Patenkind, Ihre Partnerin, Ihre Mutter, Ihr Mitarbeiter noch nicht hat? Mit einem Fastenopfer-Geschenk unterstützen Sie im Namen der gewünschten Person benachteiligte und hungernde Menschen: Etwa mit einem Baum oder einer Ziege. Dank ihrem Beitrag können Dörfer Obstgärten anlegen oder ihre Wasserversorgung verbessern. So einfach ist es, besseres Leben zu schenken: Auf unserer Website oder per Telefon wählen Sie ein Geschenk aus. Wir schicken Ihnen die Rechnung und eine Geschenkkarte, die das Präsent beschreibt. Sie ergänzen mit einigen persönlichen Worten – und fertig! Herzlichen Dank. fastenopfer.ch/geschenke, 041 227 59 59
Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PK 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer Das INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei-Gisi, Johanna Monney Fotos Patricio Frei (S. 1, 3-6), Priska Ketterer (kleine Porträts S. 1, 2, 7, 8), Ajoy Kumar (S. 2), Annette Boutellier (S. 7), Martí Casanelles (S. 8) Cartoon Daria Lepori Konzept grafikcontainer Luzern Layout/Druck Zofinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch
Fastenopfer-Geschenke geben Hoffnung: Ziegen auf Haiti. fastenopfer info 4|2013