SPIELVERDERBER UND BESCHENKTE Liebe Leserin, lieber Leser
Nr. 2 | 2014
Brasiliens Herausforderungen Die Unruhen in Brasilien wegen der Fussball-WM kommen nicht unerwartet. Seite 2 Burkhalter zur Entwicklungszusammenarbeit Der Aussenminister über die Entwicklungszusammenarbeit und die Arbeit von Fastenopfer. Seite 7 Philippinen: Hilfe ist angekommen Eine erste Zwischenbilanz der Hilfe für die Opfer des Wirbelsturms Haiyan auf den Philippinen. Seite 8
Seien Sie sehr herzlich gegrüsst! Ich darf als neuer Direktor Fastenopfer eine traditionsreiche Aufgabe weiterführen: die Unterstützung von benachteiligten Menschen für ein Leben in Würde. Ich danke Ihnen für Ihr bisheriges Engagement und hoffe, auch zukünftig auf Ihr Vertrauen zählen zu dürfen. Man reibt sich die Augen: Im fussballverrückten Brasilien protestieren Menschen gegen die WM. Spielverderber? Im Kongo werden Menschenrechtsverletzungen durch Beteiligungsfirmen eines Schweizer Konzerns immer noch schöngeredet. Eine Alternative wäre es, solche Vergehen als Leadership-Chance für echte Veränderungen wahrzunehmen. Oder sind wir die Spielverderber, wenn wir uns im globalen Rohstoffgeschäft für fairere Bedingungen einsetzen und auf die Rohstoffe in unseren Handys und Computern hinweisen? Gemeinsam können wir kraftvolle Impulse setzen – die positive Bilanz unserer Arbeit in Madagaskar oder zur Nothilfe auf den Philippinen sind der Beweis. Wir teilen – wir nehmen solidarisch Anteil – wenn wir die WM mit Vorbehalt geniessen. Oder wenn ich auf mein verbeultes Handy zunehmend stolz bin. Letztlich solidarische Impulse, welche uns auch an der Lebendigkeit und Vielfalt der ganzen Welt teilhaben lassen – so werden auch wir zu Beschenkten. Herzlich
Patrick Renz, Direktor Fastenopfer
Südsicht
Seit 2010 die Fussball-WM nach Brasilien vergeben wurde, beobachtet und verurteilt das Netzwerk Jubileu Sul deren Auswirkungen. Dabei wird es von den Volkskomitees in den zwölf Austragungsorten und von Fastenopfer unterstützt. Mega-Events (wie WM und Olympische Spiele) und -Projekte (wie Belo-Monte-Damm) gehen einher mit der Missachtung von Rechten und sind Teil des brasilianischen Entwicklungsmodells. Sie berücksichtigen nicht die Interessen der Arbeitenden und Unterdrückten. Das verfassungswidrige WM-Gesetz zeigt, wie der Staat im Dienst von Konzernen steht. Er finanziert Bauten und wird so zum Förderer von Menschenrechtsverletzungen. Mit der WM haben Vertreibungen zugenommen: 250 000 Menschen sind betroffen. Die Gewalt an Frauen wird weiter angeheizt. Hinzu kommt die staatliche Repression gegen Demonstrationen, welche die WM in Frage stellen. Die Brandmarkung sozialer Bewegungen als «innere Feinde» dient als Vorwand für die Militarisierung der öffentlichen Sicherheit. Das Erbe der WM werden enorme Schulden sein. Der Staat deckt ca. 98% aller Kosten – ob Stadien, Flughäfen oder Fanmeilen. Angesichts der Rechtsverletzungen ist es nötig, aus dieser WM eine Weltmeisterschaft der Mobilisierung zu machen. Wir wollen keine Gewalt durch den Staat, sondern eine Stärkung der Rechte. Jetzt auf die Strasse zu gehen, ist ein Akt der Stärkung der Demokratie und der Gerechtigkeit. Rosilene Wansetto, Jubileu Sul
Jeden Tag 19 neue Millionäre: Vom Boom spüren die Menschen in Rocinha und anderen Favelas kaum etwas.
BRASILIENS HERAUSFORDERUNGEN Die Unruhen in Brasilien wegen der Fussball-WM kommen nicht ganz unerwartet. Eine Übersicht der Ursachen.
Fastenopfer in Brasilien
Während das Land als Beispiel eines erfolgreichen Schwellenlandes mit einer neuen Mittelklasse präsentiert wird, gibt es Nachrichten über Sozialkonflikte, über Massenproteste und Streikwellen. Man stellt sich die Frage: was erklärt, angesichts der Verbesserungen der letzten zehn Jahre, so viel soziale Unruhe in Brasilien? Die Antwort ist komplex, wie schon der Musiker Tom Jobim feststellte: «Brasilien ist nichts für Anfänger». Fest steht: Der Plan, mit der Durchführung sportlicher Grossanlässe den Erfolg des brasilianischen Kapitalismus zu feiern, ist fehlgeschlagen. Ein Hauptursache für die Unruhen ist die wachsende Vermögens- und Einkommenskonzentration: Laut Forbes gibt es in Brasilien seit 2007 pro Tag 19 neue Millionäre (in der Lokalwährung Real). Ein weiterer Faktor ist das Finanzierungsmodell des brasilianischen Staates. Mehr als 42 % des Bundesbudgets werden für die Zinszahlungen der Staatsschulden aufgewendet, die immer mehr ansteigen. Diese Mittel fehlen für Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Protestzüge im Juni 2013 entzündeten sich
Fastenopfer nimmt die FussballWM zum Anlass, Ihnen die Arbeit seiner Partnerorganisationen in Brasilien näher zu bringen:
an der Erhöhung der Busbillette und viele Transparente trugen Slogans wie «Da Copa eu abro mão, quero é dinheiro pra saúde e educação» (Die WM ist mir egal, ich will Geld für Gesundheit und Bildung). Ein weiterer Faktor ist die Landfrage: Die Landreform steht faktisch still. Im Bundesstaat Rio de Janeiro etwa erhielt seit 2007 keine einzige landlose Familie ein eigenes Grundstück. In denselben Gebieten, in denen kein Boden für die Landreform zur Verfügung steht, wird der Rohstoffabbau forciert. Weitere Widersprüche des aktuellen brasilianischen Entwicklungsmodells lassen sich aufzählen, etwa die riesigen Industrie- und Infrastrukturprojekte wie das Wasserkraftwerk Belo Monte und das Stahlwerk von Thyssen Krupp in Rio de Janeiro, die auf grossen Widerstand stossen. Oder da wären die Zwangsräumungen ganzer Armenviertel im Zuge der Bauten für die Fussball-WM und die Olympischen Spiele 2016. Es ist nötig, Kritik am herrschenden Entwicklungsmodell mit dem Vorschlag politischer und ökonomischer Alternativen zu kombinieren. Hierzu will Pacs, eine Partnerorganisation des Fastenopfers, ihren Beitrag leisten, indem sie soziale Organisationen und Zusammenschlüsse von Direkt-
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Pacs: für Ausgegrenzte in Rio Pacs unterstützt Bewohnerinnen und Bewohner der Favelas in Rio de Janeiro auf der Suche nach alternativen Einkommen. Die Organisation bietet Workshops zum Anbau von Lebensmitteln, zu Vermarktung, Verschuldung und zur Stärkung der Frauen. Pacs arbeitet eng mit Kirchen und Gewerkschaften zu Themen wie Vermögensverteilung und Handelsstrukturen. Jubileu Sul: Kritik und Sensibilisierung Jubileu Sul ist ein Netzwerk von 42 kirchlichen Organisationen, Basisbewegungen und sozialen Institutionen. Es setzt sich für gerechtere Strukturen ein, die den Menschen ein würdigeres Leben erlauben. Jubileu Sul begleitet kritisch die öffentliche Verschuldung und sensibilisiert die Bevölkerung. www.fastenopfer.ch/brasilien betroffenen in ihren Bemühungen unterstützt, einen Kurswechsel in Brasilien einzuleiten. Sandra Quintela, Pacs Brasilien
KONGO Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und aggressive Steuerpraxis – Realitäten rund um die Minen von Glencore in der Demokratischen Republik Kongo. Das belegte vor drei Jahren eine Studie von Fastenopfer und Brot für alle. Der Zuger Bergbaukonzern versprach Verbesserungen. Neue Recherchen und Analysen zeigen aber, dass sich in entscheidenden Bereichen nicht viel verbessert hat. Die Bischofskommission für natürliche Ressourcen (Cern) setzt sich vor Ort mit Unterstützung von Fastenopfer für die Rechte der betroffenen Bevölkerung ein.
Grenzwerte bis zu 53-mal überschritten: die von den Abwassern der Fabrik Luilu vergiftete Uferlandschaft.
WEITERHIN UNGELÖSTE PROBLEME Im April 2012 erklärte Glencore, das Problem der Gewässerverschmutzung durch ihre Fabrik Luilu in der Demokratischen Republik Kongo sei gelöst. Dank mehrerer Auffangbecken bestehe kein Kontakt mehr zwischen dem belasteten Wasser aus der Fabrik und der Umwelt. Doch neue wissenschaftliche Analysen von Brot für alle, Fastenopfer und Rights and Accountability in Development (Raid) belegen das Gegenteil: Unterhalb der Becken wurden aus dem Canal Albert und dem Fluss Pingiri Proben genommen. Die Analyse der Proben zeigt, dass diese Wasserläufe Kupfer- und Kobaltkonzentrationen aufweisen, die ein Vielfaches über den im Gesetz festgelegten und laut der Weltgesundheitsbehörde noch zulässigen Grenzwerten liegen: Die Belastung mit Kupfer liegt bis 6-mal über den Grenzwerten, bei Kobalt
sogar bis 53-mal. Das hat verheerende Folgen: Im Fluss Luilu finden sich keine Fische mehr und die einstigen Weideflächen entlang des Flusses gleichen «verbrannter Erde». Die Bewohnerinnen und Bewohner flussabwärts können das Wasser weder für ihre täglichen Bedürfnisse noch für das Bewässern der Felder nutzen. Eine Mine im Schutzgebiet Fastenopfer, Brot für alle und Raid haben auch die Tagbaumine der Mutanda Mining (Mumi) in Basse-Kando untersucht. Sie ist mehrheitlich im Besitz von Glencore. Die Mine liegt in einem Jagdschutzgebiet, wo das Gesetz ausdrücklich jegliche Minentätigkeit verbietet. Dennoch hat Mumi eine Konzession erhalten – und treibt das Projekt voran, ohne diesen Widerspruch zu klären.
Ungesund und Verursacher von Krankheiten: Wasser aus einem Brunnen in Luilu.
Umwege anstelle von Sozialprojekten: von Mumi geschlossene Strasse.
Menschenrechte werden oft verletzt Im Februar 2014 starb Mutombo Kasuyi nach Gewalttätigkeiten der Polizei auf dem Konzessionsgelände der Glencore-Beteiligung Kamoto Copper Company (KCC) in Kolwezi. Brot für alle, Fastenopfer und Raid haben diesen jüngsten Fall im Frühjahr 2014 publik gemacht. Der Tod von Mutombo Kasuyi ist das jüngste Beispiel, mit wie viel Gewalt Sicherheitskräfte die Konzessionsgelände von Glencore schützen – und wie wenig die Menschenrechte respektiert werden. Der Bevölkerung rund um die Minen und Werke wurden von den Glencore-Tochterfirmen Mittel
Wenn die Leute aufstehen Wie Fastenopfer die vom Bergbau betroffene Bevölkerung im Kongo unterstützt
Die Bischofskommission für natürliche Ressourcen (Cern) organisiert zusammen mit Fastenopfer im März 2014 in Kolwezi in der Bergbauprovinz Katanga einen Workshop. Ziel ist es, Synergien zwischen den Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft zu bilden und die Teilnehmenden in ihren Rechten zu schulen. Auf dem Programm stehen etwa das kongolesische Bergbaugesetz und seine Probleme, die internationalen Standards im Bereich der Bodenschätze und die Präsentation konkreter Fälle, die den Teilnehmenden bei ihrer Arbeit helfen sollen, die wichtigen Fakten und Beweise zu erkennen und zu sammeln. Diese Beweise bilden die Grundlage, um mit den Unternehmen und der Regierung nach einer Lösung zu suchen. Der Saal ist voll. Fünfzig Menschen sind gekommen. «Wir wollen das Bergbaugesetz kennen, damit es auch umgesetzt wird», sagte Pater Jacques Musalika, einer der Teilnehmenden. Musalika lebt in Kapata, einer Pfarrei, die vom Bergbau betroffen ist: eine chinesische Firma hat eine Abbaukonzession erhalten und einen Zaun errichtet. «Ich musste darum kämpfen, dass we-
nigstens der Friedhof zugänglich bleibt. Dieser Ort ist für uns Afrikaner heilig». Der Pater fügt an: «Die Unternehmen denken nicht an morgen. Sie nehmen die Rohstoffe und gehen wieder». Mumba Tshikalas Bemerkungen gehen in die gleiche Richtung. Er ist der traditionelle Chef von vier Dörfern in der Region Kolwezi, in deren Nähe das Unternehmen Mutanda Mining (Mumi), eine Tochtergesellschaft der Glencore, tätig ist. «Wir dachten erst, das Unternehmen wäre ein Segen, stattdessen hat es sich als Fluch entpuppt», sagt er. Es gibt keine Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung. «Das Abwasser aus der Mine zerstört unsere Felder und den Wald. Wegen Mumi sind unsere Ernten zerstört», sagt Tshikala. Weil die Verantwortliche für Umwelt und Soziales bei Mumi ebenfalls am Workshop teilnimmt, nutzt Tshikala die Gelegenheit, um sie mit den Vorwürfen zu konfrontieren: «Dieses Treffen ist für mich sehr wichtig. Die Diskussion ist intensiv, die Kritik kommt auf den Tisch. Ich kann mit andern Erfahrungen austauschen und wir können gemeinsam nach Lösungen suchen. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Das Treffen gibt mir Energie und motiviert mich, weiterzumachen.» Ein erster Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit.
für Sozialprojekte versprochen. Stattdessen wurden Strassen durch das Konzessionsgelände gesperrt. Das zwingt die Bevölkerung mehrerer Dörfer zu langen Umwegen und erschwert ihr, aus dem Verkauf von selbstgezogenem Gemüse einen kleinen Verdienst zu erwirtschaften. Glencore gibt vor, Projekte zum Nutzen der Gemeinschaften zu finanzieren. Von 16,7 Millionen Dollar (15 Mio. Fr.), die 2011 unter Sozialausgaben verbucht wurden, flossen aber beinah 90 Prozent in Infrastrukturprojekte wie Strassenbau oder die Erneuerung eines Flugplatzes, die vor allem dem Unternehmen Nutzen bringen. Steuerersparnis viel höher als Hilfsgelder Finanziell spart Glencore mit einer Mischung aus geschickt verschachtelter Konzernstruktur mit Tochterfirmen in Steueroasen, steuerfreundlichen Gemeinwesen und einseitigen, wenig transparenten Verträgen nach wie vor beträchtliche Beträge an Steuern und Dividenden. Nach den Berechnungen von Fastenopfer, Brot für alle und Raid hat Glencore allein in den letzten fünf Jahren 157,2 Millionen Dollar (rund 140 Mio. Fr.) eingespart. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum erreichte die Schweizer Entwicklungshilfe zugunsten der DR Kongo den Betrag von gut 54 Mio. Franken. Erstaunlich bleibt, wie ein auf maximale Gewinne ausgerichteter Konzern in seiner Minengesellschaft KCC jedes Jahr immer wieder Verlust ausweist. Dabei haben die Preise für Kupfer seit der Finanzkrise 2008 wieder markant zugelegt und auch die von den Minen von Glencore in der DR Kongo verkauften Mengen stiegen. Fazit: Für die Bevölkerung rund um die Minen von Glencore in der DR Kongo ist die Situation nicht erfreulich. Die Situation hat sich in entscheidenden Bereichen wenig verbessert, stellen Brot für alle, Fastenopfer und Raid aufgrund ihrer Recherchen fest. Dies obwohl Glencore – wie im Nachhaltigkeitsbericht ausgeführt – vermehrt soziale Verantwortung übernehmen will. Chantal Peyer und Patricio Frei
«Es ist Aufgabe der Kirche, laut zu schreien»; Bischof Fridolin Ambongo, Präsident der Cern
Warum mischt sich die Kirche ein? «Intrusion» – die Bezeichnung für unerlaubtes Eindringen hört man oft von Menschen, welche der Kirche das Recht absprechen, sich für den Fluch zu interessieren, der mit den natürlichen Ressourcen zusammenhängt, dem Widerspruch zwischen der Fülle der Bodenschätze und der Armut der Bevölkerung. Was mischt sich die Kirche hier ein, deren Aufgabe es ist, den Glauben zu verkünden? «Die katholische Kirche ist in der Demokratischen Republik Kongo die einzige Institution, welche in Bezug auf Machtansprüche glaubwürdig neutral agiert», sagt Fridolin Ambongo, der Bischof von Bokungu aus der Provinz Equateur im Nordwesten des Landes. Er ist Präsident der Bischofskommission für natürliche Ressourcen (Cern), die von Fastenopfer unterstützt wird. «Die Kirche veröffentlicht kritische Analysen und setzt sich für die Bevölkerung ein, unabhängig ihrer konfessionellen Zugehörigkeit.» Der Bischof hat eine klare Vorstellung, wie die Kirche sich verhalten soll. «Sie muss die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, dass ihre Bodenschätze geplündert werden. Es ist ihre Aufga-
ken: ende bewir p S r re Ih it Was Sie m e den Aufnterstützen Si u n e k n ra F ser ist Not– Mit 50 peichers. Die es id re et G bau eines in einem. atgutreserve Sa d n u t a rr vo die Schulung ermöglichen n e k n ra F ionelle lokale – 100 ng auf tradit u n in es b ck ü den Ertrag und R iese steigern D . en d o h et Anbaum t. en die Umwel die – und schon n Sie aktiv rd nken fö er ra F auf 0 5 t h 1 ec as R – Mit Sie helfen d . te ch re en h Mensc verteidigen. Nahrung zu
be, die Leute aufzuwecken, laut zu schreien und ihnen zu sagen, dass sie in grosser Gefahr sind.» Die Kirche müsse also gleichzeitig «veilleur» (Wächter) und «réveilleur» (Wecker) sein. Aber es reicht nicht, die Bevölkerung bloss zu alarmieren, meint Bischof Ambongo: «Die Kirche muss aufzeigen, dass es andere Wege gibt, mit den Bodenschätzen umzugehen. Aus diesem Grund hat die kongolesische Bischofskonferenz 2007 Cern gegründet». «Wächterin der Bodenschätze» Das Ziel von Cern: Sich dafür einsetzen, dass auch die lokale Bevölkerung vom Reichtum der Bodenschätze profitiert. Deshalb gründete die Kommission 25 Regionalstellen, die Observatoires des Ressources Naturelles (ORN), im ganzen Land. Diese sammeln Informationen und machen Studien – unter anderem, wie die ausländischen Rohstoffunternehmen in der Region die Menschenrechte respektieren und wie sie mit der Umwelt umgehen. Dieses Faktenmaterial erlaubt den Observatoires, bei Problemen Alarm zu schlagen und Druck auf die Regierung und die Bergbauunternehmen zu machen. Um die Situation zu verbessern, arbeitet Cern oft mit Entscheidungsträgern. Die Kommission nimmt auch die Rolle einer Mediatorin ein und unterstützt den Dialog zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmen, der Behörden und der lokalen Bevölkerung. Sie führt auch Workshops durch, bei denen es darum geht, den Wissensstand der lokalen Bevölkerung zu verbessern und sie auf ihre Rechte aufmerksam zu machen, damit sie diese bei den Firmen und der Regierung einfordern können. Johanna Monney und Henri Muhiya
Stichwort Kongo Fünf Jahre nach Kriegsende bleibt die Situation in der Demokratischen Republik Kongo unsicher. Noch immer gibt es gewalttätige regionale Konflikte um Bodenschätze. Die Menschen dieses fruchtbaren und an Bodenschätzen reichen Landes leiden weiterhin an den Folgen der Diktatur und des Kriegs. Die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen. Es fehlt an der Infrastruktur. 2012 belegte die DR Kongo im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen den letzten Platz unter 187 Ländern. Die Ernährung verbessern Die 25 Partnerorganisationen von Fastenopfer begleiten rund 3000 Dorfgruppen. Ihr Hauptziel: die Ernährungssicherheit verbessern. Während des Kriegs hat die Qualität des Saatguts stark gelitten. Mit Unterstützung des Fastenopfers bringen die Bauernfamilien verbessertes Saatgut auf den Feldern aus, welche von den Dorfgemeinschaften gemeinsam bestellt werden. Weitere Nahrungsquellen wie Fische, Hühner oder verschiedene Gemüsesorten werden eingeführt. Um finanziell unabhängig zu werden, gründen die Familien Spargruppen. Diese bieten Rückhalt bei finanziellen Engpässen und bewahren vor Verschuldung. Zudem unterstützt Fastenopfer die Partnerorganisationen in der Informations- und Sensibilisierungsarbeit, vor allem über die Auswirkungen des Bergbaus auf die Menschenrechte. Unterstützen Sie die Gemeinschaften in der DR Kongo mit einer Spende auf PC 60-19191-7, Vermerk Kongo
Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postkonto 60-19191-7
Juni 2014
«Ich bin sehr glücklich, hier zu sein»; der traditionelle Dorfchef Mumba Tshikalas
EIN KURZER BLICK ZURÜCK 17 Jahre leitete er die Arbeit des Fastenopfers auf Madagaskar vor Ort: Mit Gion Cabalzar tritt der einzige Schweizer Koordinator eines Landesprogramms in den Ruhestand.
«Nach sieben Jahren als Assistent in Ethnologie an der Uni Bern mit Schwerpunkt Madagaskar, war es ein kleiner und zwingender Schritt, mich in der Entwicklungsarbeit auf der ‹Grande Île› zu engagieren. Intercoopération Suisse hat mir 1987 diese Möglichkeit für elf Jahre eröffnet, als Chef eines Pionierprojektes zur Eindämmung des zerstörerischen Brandrodungs-Feldbaus. Von Ende 1997 bis Juni 2014 war ich als Koordinator für das Fastenopferprogramm in Madagaskar engagiert, konzentriert auf den Aufbau von bäuerlichen Spargruppen und deren Netzwerken. Das Ziel ist eine dauerhafte Entschuldung und die Erreichung der lokalen Ernährungssicherheit. Die Bilanz des Programmes darf sich sehen lassen: Mehr als 12 000 Spargruppen sind heute aktiv, ihre 180 000 Mitglieder befreien sich aus eigenen Kräften aus der Schuldenfalle und brechen zu neuen Horizonten auf. Meine Arbeit vor Ort, im Rahmen einer exzellenten Zusammenarbeit
mit meinen Koordinationskollegen und den Partnerorganisationen, hat vor allem im Aufbau von Strategien, in der Entwicklung von didaktischen Mitteln und in der Ausbildung bestanden. Seit 1997 habe ich 70 Workshops mitgestaltet und war mehr als 1500 Tage unterwegs, um die Partnerorganisationen zu beraten.
Entwicklungsarbeit vor Ort heisst aber auch, voll im Partnerland zu leben – mit allen Vor- und Nachteilen. Tausenden von aufstellenden und erkenntnisreichen Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft stehen Malariaattacken, Zyklone, Überschwemmungen und andere Unannehmlichkeiten gegenüber. All dies gehört dazu. Ich würde mit Überzeugung wieder einsteigen.» Gion Cabalzar, scheidender Koordinator Madagaskar
Tausende von Begegnungen: Gion Cabalzar zu Besuch bei Vanillebauern.
18 000 MENSCHEN FORDERN FAIRERE SBB Die Petition an die SBB war ein Schwerpunkt der ökumenischen Kampagne. Am 7. Mai haben Fastenopfer und Brot für alle sie mit 18 000 Unterschriften eingereicht.
Die SBB soll sich beim Kauf ihrer Uniformen und Betriebskleider noch stärker für faire Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion einsetzen und der Fair Wear Foundation (FWF) beitreten. Dank der grossartigen Mobilisierung durch Pfarreien und Freiwillige haben 17 913 Personen diese Forderungen der Petition unterzeichnet. Die Petition wurde von der SBB mit grosser Offenheit entgegengenommen. «Bereits hat ein erstes Gespräch
zwischen Jacqueline Klaiss Brons, Bereichsleiterin Beschaffungswesen bei der SBB, und Erica van Doorn, Direktorin der Fair Wear Foundation, stattgefunden», freut sich Stefan Salzmann, Fachperson für Nachhal-
tigkeit bei Fastenopfer. Das Hilfswerk wird weiterverfolgen, ob die SBB auf die Petition eingeht und den herausfordernden, aber wirksamen Prozess bei der FWF mitträgt. www.sehen-und-handeln.ch
Grosse Offenheit: Übergabe der Petition in Bern. fastenopfer info 2|2014
3 Fragen
Didier Burkhalter, Bundespräsident und Aussenminister
Wie kann die Schweiz die Lebensbedingungen in Entwicklungsländern verbessern? Seit über 50 Jahren unterstützt die Schweiz arme Länder bei der Bewältigung humanitärer Notlagen sowie Armuts- und Entwicklungsprobleme. Dabei stützen sich Deza und Seco auf Globalprogramme, das Engagement in fragilen Staaten und die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Wie sieht die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit aus? Dank der Millenniumsziele wurden bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Trotzdem leben heute rund 1,4 Milliarden Menschen mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag. Das Engagement der Schweiz ist weiter nötig. Das Parlament hat die Mittel für internationale Zusammenarbeit erhöht. Zudem beteiligt sich die Schweiz an der Suche nach Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen für die Zeit nach 2015. Priorität haben die Reduktion von Armut und Ungerechtigkeit wie auch der nachhaltige Ressourcenumgang. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Fastenopfer? Fastenopfer zeigt immer wieder, dass es ein wichtiger Partner der Entwicklungszusammenarbeit ist. Auch wenn die lokalen Gegebenheiten manchmal schwierig sind, ist das Programm kohärent und der Situation der Länder angepasst, so dass konkrete Resultate für die verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft erreicht werden.
Blickfang
Die Zahl
17 980 014 Dank der erfreulichen Ertragslage konnte Fastenopfer knapp 18 Millionen Franken für Projekte ausschütten. Das sind fast eine Million Franken (965 103 Franken) mehr als im Vorjahr. www.fastenopfer.ch/jabe
Agenda 10. September, Därstetten: Besuch im Kräutergarten der Schweiz, dem Produktionsbetrieb des «Tees zum Teilen» im Niedersimmental (10.00 – 16.45 Uhr). Anmeldung erforderlich. tee@fastenopfer.ch, 041 227 59 13
Stimme für die Witwen Am 16. August 2012 fielen in Marikana 34 streikende Minenarbeiter der Polizeigewalt zum Opfer. Wie konnte eine solche Katastrophe in Südafrika geschehen? Die Broschüre «Wir werden uns Gehör verschaffen!» geht auf offene Fragen ein und gibt den Witwen eine Stimme. Runterladen oder gratis anfordern: 041227 59 59, mail@fastenopfer.ch, www.fastenopfer.ch/marikana
PHILIPPINEN: HILFE IST ANGEKOMMEN Die Unterstützung für die Opfer des Taifuns Haiyan auf den Philippinen ist angekommen. Fastenopfer zieht eine erste Zwischenbilanz.
Der Taifun Haiyan hat im November 2013 Tod und Zerstörung gebracht. Die Solidarität in der Schweiz mit den Opfern war riesig. Dank grosszügiger Spenden konnte Fastenopfer drei betroffene Partnerorganisationen beim Wiederaufbau unterstützen. Pina, Cerd und die Franziskanerinnen
erhoben am Folgetag die Bedürfnisse. Vier Tage nach dem Taifun verteilte Pina die ersten Nahrungsmittel. Zudem erhielten die betroffenen Bauernfamilien Baumaterial, um die Häuser wieder aufzubauen, sowie Saatgut und Setzlinge. Bis Weihnachten konnten die drei Nothilfeprojekte abgeschlossen werden, also sechs Wochen nach der Katastrophe. Fastenopfer hat 2227 Familien unterstützt. Die Kosten von 140 000 Franken sind durch die
«Der Taifun ist noch immer präsent»; Saatgutverteilung in Calimbajan.
Spenden gesichert. Doch nun braucht es weitere Unterstützung. Noch immer leiden viele Betroffene unter den psychischen Folgen des Taifuns. «Sobald es stark windet und regnet, beginnen viele Kinder zu weinen – so sehr sind die Erinnerungen an Haiyan noch immer präsent», erzählt Helena Jeppesen, die Verantwortliche des Landesprogramms. Die Franziskanerinnen führten ein erstes Atelier zur Traumabewältigung mit 61 Kindern und Jugendlichen durch. Nun sollen weitere folgen. Fastenopfer plant entsprechende Workshops für die Taifunopfer aber auch für die Mitarbeitenden der Projektpartner, von denen einige seit November an der Belastungsgrenze tätig sind. Der Taifun hat aber auch vor Augen geführt, wie sehr viele Familien noch immer am Existenzminimum leben. Fastenopfer will nun mit ihnen zusammen weitere Einkommensmöglichkeiten entwickeln, beispielsweise durch die Gewinnung von Salz aus Meerwasser. Jeppesen: «Das Ziel ist, dass sie selber ihr Überleben sichern können.»
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Impressum
Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PK 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer Das INFO erscheint viermal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Patricio Frei-Gisi, Johanna Monney, Federica Mauri. Fotos Fotos Meinrad Schade (S.1, 3), Jean-Pierre Grüter (Portrait S. 1), Patricio Frei (S. 2), Chantal Peyer (S. 4, 5), François Mercier (S. 6 links), Nathaniel Daudrich (S. 6 rechts), Federica Mauri (S. 7 oben), Monika Flückiger (S. 7 unten), Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (S. 7 Portrait), Melecio Sauza (S. 8). Cartoon Daria Lepori Konzept grafikcontainer Luzern Layout/Druck Cavelti AG, medien. digital und gedruckt.