BLUT IN MEINEM HANDY? Liebe Leserin, lieber Leser
Nr. 3 | 2014
Menschenrechte: Nach Genf und Guatemala Bischof Felix Gmür setzt sich mit einer Delegation für verbindliche Regeln für Grosskonzerne ein. Seite 2 Frau Gladices Gespür fürs Geschäft Spargruppen auf Haiti funktionieren anders und dennoch erfolgreich. Seite 7 3 Fragen an Prisca Birrer-Heimo Die Konsumentenschützerin über die problematische Produktion von Handys und unser Rating. Seite 7
Was geht es mich an, unter welchen Bedingungen mein Handy oder mein Computer hergestellt wurden? Für mich liefert die Beantwortung dieser Frage ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Gerechtigkeit nicht gegeben ist, sondern errungen werden muss. Früher arbeiteten die Menschen in der Schweiz zehn und mehr Stunden an sechs Tagen die Woche. Ohne Ferien. Hungerlöhne und Ausbeutung waren weit verbreitet. Das war vor nicht einmal zweihundert Jahren. Heute arbeiten wir fünf Tage oder gar weniger und geniessen vier Wochen Ferien. Gelungen sind uns diese Verbesserungen in einem langen Prozess. Niemand sehnt sich die alten Zustände zurück. Weshalb soll das bei der Produktion von Handys anders sein? Die Menschen im Kongo haben ein Recht, ihre Felder zu bebauen. Und die Fabrikarbeiterinnen in China sollen einen Lohn erhalten, der zum Leben reicht. Dafür setzt sich Fastenopfer ein. Und Sie können mithelfen: Als Konsumierende bestimmen wir mit, welches Elektronikunternehmen Erfolg hat. Soll es wirklich dasjenige sein, das rücksichtlos Umwelt und Menschen ausbeutet? Das kann uns doch nicht egal sein. Vielen Dank, dass Sie mithelfen, die Welt etwas gerechter zu machen: Dank Ihrem verantwortlichen Konsum und Ihrer grosszügigen Spende.
Patrick Renz, Direktor Fastenopfer
Südsicht
In der Demokratischen Republik Kongo finden sich viele Rohstoffe, die für Elektronikprodukte verwendet werden: Kupfer, Gold, Coltan und Kassiterit. Sie werden in Provinzen abgebaut, die von tödlichen Kriegen gezeichnet sind. Vor allem im Kivu streiten sich bewaffnete Banden um diese Mineralien. Man würde erwarten, dass private Haushalte von den Bodenschätzen profitieren und die wirtschaftlichen Aktivitäten diversifizieren. Dass der Staat in der Lage sei, Sozialleistungen und grundlegende Dienstleistungen zu erbringen. Tatsächlich aber tragen die Einnahmen aus dem Bergbau wenig zur Verbesserung der Lebensbedingungen bei. Wo diese Mineralien abgebaut werden, gibt es keine guten Strassen. Die Abbaumethoden tragen der Umwelt nicht ausreichend Sorge. Und die bewaffneten Gruppen sind noch nicht vollständig aufgelöst: Die von ihnen verursachte Unsicherheit macht die Wirtschaft instabil. Deshalb haben Bischöfe im Kongo die Kommission für natürliche Ressourcen Cern gegründet. Sie engagiert sich mit Unterstützung des Fastenopfers auf zwei Ebenen: Einerseits will sie die Entscheidungsträger beeinflussen, um die Gesetzgebung zu verbessern; andrerseits hilft sie der Bevölkerung, die Probleme zu verstehen und sich an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Bischof Fridolin Ambongo, Präsident Bischofskommission für natürliche Ressourcen Cern, DR Kongo
SETZT GENF GRENZEN?
Ecopop: Nein zur Scheinlösung
Mit Delegationen in Genf und Guatemala setzt sich Fastenopfer für verbindliche Regeln für internationale Konzerne ein. Mit Erfolg.
Die Ecopop-Initiative, über welche die Stimmberechtigten am 30. November entscheiden, will unter anderem 10 Prozent der Schweizer Entwicklungshilfe in Beratungsstellen und Familienplanung investieren. Fastenopfer und die andern Trägerorganisationen von Alliance Sud empfehlen die Ablehnung der Initiative, denn sie greift zu kurz. Es muss alles unternommen werden, damit in Entwicklungsländern die Lebensbedingungen ganzheitlich besser werden. Denn wenn es den Familien besser geht, werden sie nicht versuchen, sich mit vielen Kindern das Überleben im Alter zu sichern. Frauen setzen nicht freiwillig ihre Gesundheit mit vielen Schwangerschaften aufs Spiel. Sie werden sich von selbst entscheiden, weniger Kinder zu haben. Das ist so sicher wie die Geburtenrate in der Schweiz in den letzten 150 Jahren von 4,4 auf 1,5 Kinder pro Frau zurückging. Stellungnahme des Direktors: fastenopfer.ch/ecopop-nein
Betroffene Menschen aus den Philippinen, Kolumbien und Brasilien konnten mit Unterstützung des Fastenopfers vor dem Menschenrechtsrat in Genf aufzeigen, wie internationale Konzerne Menschenrechte verletzen und die Regierungen ihnen kaum Regelungen auferlegen. Wo sich Minen und Plantagen ausbreiten, nehmen Landverluste, Gewalt und Morde zu. Erschwerend kommt in vielen Ländern hinzu, dass die Bevölkerung keine Möglichkeit hat, ihre Rechte einzufordern. Einige Staaten – wie die Schweiz – wollten weiter auf freiwillige Leitlinien für Unternehmen setzen. Doch die Mehrheit des Menschenrechtsrats setzte nun einen Prozess für ein international verbindliches Abkommen in Gang. Bischöfe besuchen Guatemala Gleichzeitig zur Menschenrechtsrats-Sitzung besuchte Bischof Felix Gmür, Stiftungsratspräsident von
Fastenopfer, mit drei Bischöfen aus Spanien, Belgien und Irland im Juni Guatemala. Mit ihrer Präsenz bekundeten die vier ihre Solidarität mit der lokalen Bevölkerung. So besuchte die Delegation eine Gedenkstätte für den Genozid an den Indigenen und Dörfer bei der Mine La Puya. Dort wird die Bevölkerung massiv – auch von offiziellen Stellen – bedroht, weil sie sich seit drei Jahren mit friedlichen Protesten gegen eine Mine wehrt. Die Menschen verteidigen ihr Land, die intakte Umwelt und ihre Gesundheit. Bischof Felix Gmür konnte sich bei seinem Aufenthalt in Guatemala davon überzeugen, wie wichtig verbindliche Standards für internationale Konzerne sind: «Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie im Dienste der wirtschaftlichen Entwicklung die Würde und Rechte der Menschen mit den Füssen getreten werden und die Schöpfung rücksichtslos geplündert wird. Dagegen müssen wir unsere Stimme erheben. Darum unterstütze ich auch die Kampagne Recht ohne Grenzen.» Blanca Steinmann, Kommunikation
Besuch einer Gedenkstätte für den Genozid: Bischof Gmür erhält ein Holzkreuz. fastenopfer info 3|2014
Wer wird erste Fair Trade Town? Ab sofort können Schweizer Städte und Gemeinden, die sich für gerechten Handel engagieren, die Auszeichnung Fair Trade Town anstreben. Die internationale Kampagne ist – unterstützt von Fastenopfer – auch in der Schweiz gestartet. Mitmachen können aber alle: Privatpersonen, Geschäfte, Restaurants und Unternehmen tragen sich auf der Webplattform von Fair Trade Town ein und machen ihr Engagement für gerechten Handel bekannt. Ziel der Kampagne ist es, dass bis 2018 über 55 Städte und Gemeinden mit einer Million Einwohnerinnen und Einwohner fair einkaufen. Das Rennen ist eröffnet: Welche Gemeinde wird erste Fair Trade Town der Schweiz? fairtradetown.ch, 061 260 21 60
HIGH TECH RATING Die grossen Marken von Smartphones, Tablets und Computern haben die Herstellung ihrer Produkte zum grössten Teil in Billiglohnländern ausgelagert. Wie halten es diese Weltkonzerne dort mit dem Wohl der Arbeiterinnen und Arbeiter, der verantwortungsvollen Rohstoffbeschaffung und dem Umweltschutz? Fastenopfer und Brot für alle haben genauer hingeschaut.
1.
2.
3.
4.
HP
auf gutem Weg
5.
Lenovo
ungenügend
9.
Asus
Umwelt
Umwelt
Umwelt
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
Gesamt: 76%
Gesamt: 46%
Gesamt: 24%
Nokia
auf gutem Weg
6.
Acer
ungenügend
10. HTC
Umwelt
Umwelt
Umwelt
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
Gesamt: 67%
Gesamt: 44%
Gesamt: 20%
Apple
mittelmässig
7.
Samsung
Umwelt
Umwelt
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
Gesamt: 61%
Gesamt: 41%
Dell
mittelmässig
8.
Sony
Umwelt
Umwelt
Arbeitsrechte
Arbeitsrechte
.RQÀLNWURKVWRIIH
.RQÀLNWURKVWRIIH
Gesamt: 50%
Gesamt: 38%
inakzeptabel
inakzeptabel
ungenügend
ungenügend
WIE VIEL BLUT STECKT IN UNSEREN SMARTPHONES? Fastenopfer und Brot für alle haben Hersteller von High-Tech-Produkten bezüglich Arbeitsrechten, Umwelt und Konfliktrohstoffen untersucht. Ausgewählt wurden die zehn Unternehmen mit dem grössten Schweizer Marktanteil an Smartphones, Tablets und Computern. Das Rating bietet Privatpersonen und der öffentlichen Hand eine Grundlage für einen bewussten Kaufentscheid: Bevorzugen Sie Marken, denen soziale und ökologische Verbesserungen ein Anliegen sind. Konfliktrohstoffe Im Bereich der Konfliktrohstoffe haben der Druck der Zivilgesellschaft und neue Gesetze erste Er-
folge erzielt. Alle Marken anerkennen die Problematik der Konfliktrohstoffe und haben erste Massnahmen eingeleitet. Ausser Asus und HTC stellen sich alle untersuchten Marken gegen einen Boykott der DR Kongo, welcher hauptsächlich die betroffenen Arbeitenden ihrer Einkommensmöglichkeit berauben würde. Nur Apple geht einen Schritt weiter und bezieht den Konfliktrohstoff Tantal ausschliesslich aus zertifizierten Quellen. Apple, HP und Nokia unterstützen Multistakeholder-Initiativen für konfliktfreie Rohstoffe aus Risikogebieten. Fast alle Marken geben jedoch die Verantwortung für die Herkunft der Rohstoffe noch immer an ihre Zulieferer ab.
Erhebliche Unterschiede zwischen den Marken: Rohstoffabbau im Kongo, Fabrikarbeiter in China.
Umweltschutz Im Umweltschutz haben viele der untersuchten Unternehmen in den letzten Jahren namhafte Fortschritte gemacht. Bei der Reduktion von CO2-Emissionen erreichen die meisten ein akzeptables Niveau. Problematisch bleibt die Verwendung von giftigen Stoffen in der Herstellung der Geräte. Noch immer werden hier Chemikalien verwendet, die in Europa längst verboten sind – mit fatalen Folgen für Arbeitende und Umwelt. Keine der Marken hat diese Umstände jedoch als Problem anerkannt. Arbeitsrechte Die Einhaltung von Arbeitsrechten in den Zulieferfirmen hat sich bei der Untersuchung als absolut ungenügend erwiesen. Mehr als die Hälfte der bewerteten Marken begnügt sich damit, einen Verhaltenscodex zu verabschieden, jedoch ohne effektive Massnahmen zu ergreifen. Das Mittelfeld (Apple, Nokia, Dell) folgt vergleichsweise fortschrittlichen Standards und arbeitet eng mit seinen Zulieferbetrieben zusammen. Einzig HP erreicht durch arbeitsrechtliche Ausbildungsprogramme für Angestellte und über erste Schritte hin zur Realisierung von Existenzlöhnen ein akzeptables Niveau. Grundsätzlich fehlen jedoch bei allen Unternehmen glaubhafte Massnahmen, um die Arbeitenden zu stärken. Fazit: grosse Unterschiede – viel Handlungsbedarf Das Rating von Fastenopfer und Brot für alle zeigt, dass die Marken den Schwerpunkt auf den Umweltschutz legen, wo die meisten Unternehmen einiges unternommen haben. Absolut unbefriedigend bleibt das Engagement der Marken bezüglich Arbeitsrechten. Die Kommunikation dazu ist intransparent, und die Industrie wagt nur sehr zaghaft erste Schritte hin zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Fabriken ihrer Zulieferer. Auffällig gross sind die Unterschiede zwischen den bewerteten Marken. Während Schlusslicht HTC noch nicht einmal einen jährlichen Bericht
zur Unternehmensverantwortung veröffentlicht, arbeitet Vorreiterin HP mit Gewerkschaften und unabhängigen NGOs zusammen, um die Stellung der Fabrikangestellten zu verbessern. Für eine nachhaltige Verbesserung der Situation müssen die Unternehmen: • die Selbstorganisation der Angestellten entlang der Lieferketten z.B. durch Ausbildungen gezielt unterstützen, • mit unabhängigen Gewerkschaften und Organisationen zusammenarbeiten, • die Bezahlung von Existenzlöhnen bei ihren Zulieferern einfordern. Vollständiges Rating: hightech-rating.ch Magazin EinBlick: fastenopfer.ch/einblick Bestellungen: 041 227 59 59
Das können Sie tun Schweizerinnen und Schweizer wechseln im Durchschnitt alle 12 bis 18 Monate ihr Handy, obwohl die meisten Geräte noch lange funktionieren würden. Ein umsichtiger Umgang mit Elektronikprodukten kann jedoch massgeblich dazu beitragen, den Rohstoffverbrauch einzudämmen und die Umwelt zu schonen. Hier ein paar Tipps: 1. Kaufen Sie nicht jedes Jahr ein neues Smartphone! Bei Problemen kann zum Beispiel der Handydoktor weiterhelfen. 2. Falls Sie doch ein neues brauchen: Informieren Sie sich über die Produktionsbedingungen! Fragen Sie das Verkaufspersonal oder schauen Sie nach auf: www.hightech-rating.ch 3. Recyclen Sie Ihr altes! Bringen Sie es zurück in den Laden oder spenden Sie es auf www. revendo.ch (nur iPhone). 4. Sprechen Sie mit Ihrem Abo-Anbieter! Verzichten Sie auf ein neues Smartphone und verlangen Sie dafür eine Reduktion beim Abo. 5. Unterstützen Sie Organisationen wie Fastenopfer und Brot für alle! Sie setzen sich für gerechte Produktionsbedingungen ein.
«Diese Arbeit verlangt viel Engagement»; Raymond Nyembo beurteilt die Schäden in einem Maisfeld.
RIESEN INS WANKEN BRINGEN In der Demokratische Republik Kongo verteidigt die Föderation für Menschenrechte (FDH) mit Unterstützung von Fastenopfer die Rechte der Menschen, die vom Bergbau betroffen sind, welche wichtige Mineralien beispielsweise für unsere Mobiltelefone liefert.
Es ist ein Tag im März 2014, als eine Frau und zwei Männer das Gericht in der Stadt Kipushi im Südwesten der Provinz Katanga verlassen. Soeben haben sie das Urteil in ihrem Fall erfahren. Gemüse und Fische als Zusatzeinkommen Shimba Ngoy, 46 Jahre, Vater von fünf Kindern, baute Gemüse am Ufer des Kafubu-Flusses an. Wie Bady Kabeya, 69, und Hélène Divova, 58. Jeder unterhält einen Teich, worin sie Fische züchten: Tilapia und Wels – zwei Fischarten, die auf dem lokalen Markt beliebt sind. Der Verkauf der Fische ermöglicht ihnen, für ihre Familien zu sorgen. Vermesser, Pfarrer und Beamter: ihre eigentlichen Berufe bringen den drei nur ein kleines Gehalt von weniger als 140 Franken pro Monat. Im April 2011 änderte sich ihr Leben: Die staatliche Gecamines und die Mining Company of
ken: ende bewir p S r re Ih it Was Sie m en Sie beien unterstütz k n ra F 0 3 r ler Beob– Mit nu sbildung loka u A ie d se Kongo spielswei die Minen im m u d n ru eln. achter, die proben samm en d o B d n u er Daten, Wass ne nachhaltinen helfen ei n kö n e k n Damit die – 50 Fra aufzubauen. ft a ch ts ir w ge Land sen haben. en mehr zu es ili m Beifa n er u a B nd ein aktiver si n e k n ra F 00 So helfen Sie – Bereits 1 schenrechte. en M ie d r fü verteidigen. trag Nahrung zu f u a t h ec R s etwa da
South Katanga (CMSK), zwei Bergbauunternehmen, die in der Region Kupfer und Kobalt abbauen, leiten belastete Abwässer in den Fluss Kafubu. Die von Behörden angeforderten Analysen zeigte eine Belastung mit Arsen. Zudem liegt der pH-Wert viel zu hoch. Die Verschmutzung hat nicht nur alles Leben im Wasser zerstört, sondern auch am Ufer auf einer Strecke von 120 Kilometern entlang des Flusses. Auch die Felder und die Teiche der drei Bauern wurden verunreinigt: Da gibt es weder eine Pflanze noch einen Fisch. Die drei müssen wieder ganz von vorne beginnen. Gemeinsam Rechte einfordern Im Februar 2012 gelangen die drei Bauern an die FDH. Sie können auf die kostenlose Unterstützung durch die vier Juristen der Föderation zählen. Ihre Beschwerde wird vor Gericht gebracht. Aber das Urteil an jenem Tag im März 2014 ist enttäuschend: zweimal 6000 Dollar Schadenersatz, während der Schaden auf beinah 1 Million Dollar geschätzt wird. Soviel hatten die Juristen von FDH für jeden einzelnen gefordert. «Der zugesprochene Betrag entsprach nicht einmal einem Prozent des Geldes, das sie in ihre Grundstücke investiert hatten», sagt Raymond Nyembo, Generalsekretär von FDH: «Das Gericht hat sich nicht einmal mit der Sanierung des Gebiets befasst.» Die Durchsetzung von Rechten einzufordern ist ein langer Prozess: «Unsere Anwälte haben im Einvernehmen mit den Klägern Rekurs eingereicht», erzählt Nyembo: «Die Fakten sind so offensichtlich, dass wir alle überzeugt sind, dass diese Bauern Recht bekommen werden.» Der Kampf geht weiter. Damit die Gemeinschaften endlich in Würde leben können. «Diese Arbeit verlangt viel Engagement. Um diese BergbauRiesen, die glauben, unantastbar zu sein, ins Wanken zu bringen», schliesst Raymond. Johanna Monney
Stichwort: Computerkampagne Seit 2007 führt Fastenopfer zusammen mit Brot für alle die Kampagne «High Tech – No Rights?» durch. Diese zeigt die Bedingungen auf, unter welchen unsere Elektronikprodukte hergestellt werden, und setzt sich für HighTech Produkte ein, die unter gerechten Bedingungen hergestellt wurden: – Keine Rohstoffe auf Kosten von Menschen und Umwelt: Schlechte Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzungen und Steuerflucht sind nur einige der Probleme, die beim Bergbau immer wieder auftauchen. Fastenopfer fordert von den Unternehmen Transparenz und setzt sich in der Koalition «Recht ohne Grenzen» dafür ein, dass die Schweiz eine gesetzlich verbindliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen einführt. – Eine Stimme für die Betroffenen: Zusammen mit seinen Partnerorganisationen in Entwicklungsländern stärkt Fastenopfer die Menschen vor Ort darin, ihre Rechte einzufordern. – Die Lebensbedingungen verbessern: Angepasste Anbaumethoden und Zugang zu Land helfen den Menschen, sich ausreichend zu ernähren. – Bessere Arbeitsbedingungen in der Elektronik-Industrie: Mit der Veröffentlichung von entsprechenden Berichten und Firmen-Ratings machen die Organisationen Druck auf die Unternehmen, die Probleme in den riesigen Produktionsstätten in Asien anzugehen. Setzen Sie sich an unserer Seite für mehr Gerechtigkeit ein und spenden Sie auf PC 60-19191-7
Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern Telefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 10 mail@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch Postkonto 60-19191-7
September 2014
Setzt sich für die Opfer ein: Raymond Nyembo in seinem Büro.
FRAU GLADICES GESPÜR FÜRS GESCHÄFT Eigentlich wollen Spargruppen einen Vorrat anlegen. Auf Haiti funktionieren sie anders und helfen nicht nur einer Witwe.
Auf dem Marktplatz in der Kleinstadt Désarmes herrscht buntes Treiben. Zwischen all den Leuten, die sich durch den Morast ihren Weg suchen, wirkt Gabriel Gladice etwas verloren. Wohin mit dem Sack Reis, den sie tags zuvor in Pont Sondé gekauft hat? 4500 Gourdes hat der Sack gekostet, umgerechnet 100 Franken. Gladice besitzt gar nicht soviel Geld. Seit ihr Mann beim Beben 2010 ums Leben kam, muss sie allein für die drei Kinder zwischen acht und zwölf Jahren sorgen. Hinter ihrem Steinhäuschen mit Wellblechdach wachsen auf 30 Aren etwas Mais, Erbsen, Sorghum. Dass sie zur Geschäftsfrau wurde, hat ihr die Spargruppe Mutuelle Solidarité, kurz Muso, ermöglicht. Vor einem Jahr erhielten die 16 Mitglieder eine Einführung durch Piod, eine Partnerorganisation des Fastenopfers. Seither zahlt jedes Mitglied alle zwei Wochen 100 Gourdes ein. Abwechslungsweise leihen sich die Mitglieder für einen Monat Ka-
Die Zahl
27 Alte Mobiltelefone, Computer, Kühlschränke – rund 27 Kilogramm Elektroabfall produziert jede Bewohnerin und jeder Bewohner der Schweiz durchschnittlich pro Jahr. Das ergibt insgesamt 216 000 Tonnen. Das ist deutlich mehr als der Durchschnittswert in der EU: Dort verursacht jede Bürgerin und jeder Bürger 19 Kilogramm Elektroschrott. Quelle: umweltnetz-schweiz.ch
pital, um damit zu wirtschaften. Bei der Rückzahlung werden 10 Prozent Zins fällig. «Den Zinssatz haben wir so hoch festgelegt, um schneller vorwärts zu kommen», erklärt Gladice. Heute verfügt die Gruppe über 21 000 Gourdes, was für die Geschäfte von vier Mitgliedern reicht. Jetzt ist Gladice an der Reihe. Bis Ende Monat wird sie tassenweise acht Säcke Reis verkaufen und knapp 5000 Gourdes Gewinn erwirtschaften. Gladice bestätigt diese Schätzung, versucht aber zu relativieren: Damit müsse sie die Familie drei Monate ernähren – bis sie wieder Geld von der Muso ausleihen
kann. Ich erkläre ihr, dass sie den Erfolg der Muso nicht zu rechtfertigen brauche, sondern darauf stolz sein darf. Und letztlich sei es nicht viel, was ihr bleibt. Sie nickt: «Es ist das Minimum. Das muss reichen.» Eine andere Wahl hat sie nicht. Gabriel Gladice hat ein ausgeprägtes Gespür fürs Geschäft. Gerne würde sie Peperoni anbieten. Die versprechen mehr Gewinn, bergen aber auch ein höheres Risiko: «Gemüse, das am Abend übrig bleibt, ist ein Verlust. Den Reis aber kann ich problemlos bis zum nächsten Markttag lagern.» Patricio Frei, Kommunikation
«Das Minimum muss reichen»: Gabriel Gladice auf dem Markt in Désarmes.
KLEINE SCHRITTE Auch die zweite Forderung von «Recht ohne Grenzen» wird jetzt in Bundesbern abgklärt.
Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats hat im August ein Postulat angenommen, welches einen Bericht über die Wiedergutmachungs-Mechanismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen fordert. Zuvor hat der Bundesrat in einem Bericht auf ein Postulat aus dem Nationalrat den Handlungsbedarf anerkannt: «Die Dichte internationaler Unternehmen mit Sitz in der
Schweiz ist ausgesprochen hoch. Die Frage, ob die Schweiz bei der Umsetzung der Uno-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte und anderer internationaler Standards im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes nicht eine Vorreiterrolle einnehmen sollte, ist deshalb berechtigt.» Mit 135 000 Unterschriften wurde 2012 die Petition «Recht ohne Grenzen» mit Unterstützung von Fastenopfer eingereicht. Mittlerweile wird auch eingehend die Lancierung einer Volksinitiative diskutiert.
fastenopfer info 3|2014
3 Fragen …
Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin, Präsidentin Stiftung für Konsumentenschutz SKS
Weshalb ist das ElektronikRating für Sie wichtig? Konsumentinnen und Konsumenten brauchen Transparenz und Information, um ihren Kaufentscheid bewusst fällen zu können. Mit dem Rating wird transparent gemacht, wie stark sich die verschiedenen Unternehmen in Bereichen wie Umweltschutz, Arbeitsrechte und Konfliktrohstoffe für soziale und ökologische Standards engagieren und diese auch einhalten. Damit wird fairer Konsum gefördert. Was muss die Schweiz tun? Die öffentliche Hand muss im Konsumverhalten Vorbildfunktion wahrnehmen und bei ihren Beschaffungen ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen. Bei der anstehenden Revision des Gesetzes über die öffentlichen Beschaffungen braucht es deshalb entsprechende Ergänzungen bei den Kriterien. Und bei der Revision des Umweltschutzgesetzes müssen verbindliche Vorgaben zur Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung verankert werden. Und was ist Ihr Beitrag? Ich informiere mich über die Bedingungen, unter denen Produkte hergestellt und vertrieben werden. Da sind Ratings oder LabelRatgeber wichtige Hilfsmittel. Beim Kauf achte ich auf reparierbare Produkte mit langer Haltbarkeit, für welche die Garantiedauer ein wichtiges Kriterium ist.
Blickfang
Widmer-Schlumpf für nachhaltige Kriterien Anlässlich der Ökumenischen Kampagne unterzeichneten 18 000 Personen die Petition an die SBB, damit sie die Bedingungen bei der Produktion ihrer Uniformen verbessere. In einem Brief an Evelyn WidmerSchlumpf zeigen Fastenopfer und Brot für alle der Bundesrätin das grosse Bewusstsein in der Bevölkerung auf und verlangen von ihr, bei der Revision des öffentlichen Beschaffungswesens ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen sowie einen effektiven Kontrollmechanismus einzuführen. In ihrem Antwortbrief versichert Widmer-Schlumpf, dass Nachhaltigkeit für die Beschaffungskonferenz wichtig sei. Unseren Eingaben misst sie «grosse Bedeutung» zu und begrüsst es, wenn wir uns auch weiterhin einbringen. Diese Einladung nimmt Fastenopfer gerne an.
PUTZLAPPEN AM SUPPENTAG Für die Menschen in Burkina Faso war in Winterthur Jung und Alt auf den Beinen. Ein starkes Zeichen gelebter Solidarität.
Am letzten Samstag im März feierte die Pfarrei Herz Jesu in Winterthur zusammen mit der reformierten Kirchgemeinde Mattenbach den ökumenischen Suppentag. Gemeinsam sammelte man Geld für die Menschen in Tikaré im dürregeplagten Westen von Burkina Faso: Mit Unterstützung von Fastenopfer ler-
nen Frauen und ihre Familien aus zwölf Dörfern, wie sie mit lokal angepassten und kostengünstigen Anbaumethoden die Ernteerträge steigern und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit verbessern. An diesem Samstag herrschte in und um die Kirche reger Betrieb: Freiwillige des Frauenvereins bereiteten die Suppe zu und deckten Tische. Und die Schülerinnen und Schüler, zum Teil unterstützt durch die Eltern, boten Dienstleistungen
und Produkte an: Kerzen, Mobiles, Handarbeiten und Waren aus dem fairen Handel. Besonders beliebt war: sich für 3 Franken die Schuhe putzen zu lassen. Und für nicht einmal 15 Franken gab es nach dem Gottesdienst ein sauberes Fahrrad. Am Abend gab es nebst zufriedenen Gesichtern von Schuhbesitzern auch etliche Kinderhände mit Spuren vom Tag. Der Einsatz hat sich gelohnt: An diesem Tag kamen 1871 Franken zusammen – ein stolzer Betrag.
Agenda 16. September, Bern: Tagung von Recht ohne Grenzen: «Wirtschaft und Menschenrechte: Grenzen der Selbstregulierung» (13.30 – 17.30 Uhr, Naturhistorisches Museum). rechtohnegrenzen.ch/de/tagung, 031 390 93 36 7. und 8. November, Basel: Tagung: Die Bergbauindustrie im Südlichen Afrika – 20 Jahre Kontinuität und Wandel (Afrika Bibliographien, Klosterberg 23). apartheid-reparations.ch, 061 681 80 84 15. November, Luzern: Tagung für Leitende von Fastengruppen (9 –17 Uhr, RomeroHaus). sehen-und-handeln.ch/fasten, 041 227 59 68 19. November, Bern: Impulsveranstaltung zur ökumenischen Kampagne 2015 (14.15 – 17.15 Uhr, Kirchgemeindehaus Johannes, Wylerstrasse 5). 031 340 26 06 Impressum
Alpenquai 4, Postfach 2856 6002 Luzern Telefon +41 41 227 59 59 Telefax +41 41 227 59 10 info@fastenopfer.ch www.fastenopfer.ch PK 60-19191-7 Herausgeber Fastenopfer Das INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen. Redaktion Johanna Monney, Patricio Frei-Gisi Fotos Jean-Pierre Grüter (Portraits), Nathaniel Daudrich (grosses Portrait S. 2), Aisling Walsh/ Trócaire (S. 2), Patricio Frei (S. 3, 6, 7), Meinrad Schade (S. 5 links), Fotoarchiv Fastenopfer (S. 5 rechts), Claudia Fuhrer (S. 8) Cartoon Daria Lepori Konzept grafikcontainer Luzern Layout/Druck Cavelti AG medien. digital und gedruckt.
Dank Winterthur eine bessere Ernte: Bäuerin auf ihrem Feld in Tikaré. fastenopfer info 3|2014