FELD HOMMES - Stark

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Deutschland 8,00 € / www.feldhommes.de

Mixer

Macker

Macher

Techno-Legende DJ Hell über sein neues Album.

Schluss mit Knuddeln. Knut wird erwachsen.

Designer Dirk Schönberger freut sich, in Berlin zu sein.

Meister

Mörder

Kampfsport aus den Bergen. Zu Besuch bei Spitzenschwingern.

Brutalität, Leid, Schmerz. Charlie Huston liebt es hart.

Wie eine Schulter zum Anlehnen: ein ganzes Heft übers Starksein

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Winter 08






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Dahinter steckt immer ein kluger Kopf.


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Der Unterschied heißt Gaggenau. Manche Dinge aus dem Schwarzwald ändern sich nie. Andere werden seit 1683 immer besser. Denn seit unserer Gründung als „Hammerwerk und Nagelschmiede“ haben Innovationen bei uns Tradition. Stets in Verbindung mit einzigartigem Design, für das wir weltweit geschätzt werden. Wie bei der Backofen-Serie 200, hier mit Backofen, Dampfbackofen und Wärmeschublade. Eine Kombination, die modernste Technik und beste Materialien mit souveräner Gestaltung vereint. Schließlich werden unsere Geräte seit 1683 nicht nur immer besser. Sie sehen auch immer besser aus. Informieren Sie sich unter 01801.11 22 11 (3,9 Ct./Min. a. d. Festnetz der T-Com, mobil ggf. auch abweichend) oder unter www.gaggenau.com.


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© 2008 ADIDAS AG. ADIDAS, THE TREFOIL LOGO AND THE 3-STRIPES MARK ARE REGISTERED TRADEMARKS OF THE ADIDAS GROUP.


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# „Weißt du, was stark heißt?“, schrieb Boxweltmeister Wladimir Klitschko spontan auf einen Zettel, als wir ihn um ein Grußwort für diese Ausgabe baten. „Auch mal schwach zu sein!“ Was Stärke bedeutet und wie schlecht wir Ihre Abwesenheit ertragen können, erleben wir besonders deutlich in diesen Tagen. Die weltweite Finanzkrise hat nach Berechnungen der Bank von England inzwischen zu Verlusten von 2,2 Billionen Euro geführt. Um den angeschlagenen Banken zu helfen, haben Regierungen auf der ganzen Welt bislang mehr als 933 Milliarden Euro ausgegeben, wie aus einem Stabilitätsbericht der britischen Notenbank hervorgeht. Der Staat macht sich stark und gewinnt damit ökonomisch wieder an Einfluss und Macht. Ob das gut oder schlecht ist, werden die nächsten Jahre zeigen. Das Ereignis aber, das die Starken und Schwachen der Welt gleichsam berührt hat, war der Ausgang der US-Wahlen am 4. November. Barack Obama stand auf einer riesigen Bühne und winkte seinen Anhängern zu. Wie wichtig dieses Ereignis war, können wir an den Tränen Jesse Jacksons ermessen, der im Publikum auf die Nachricht des historischen Wahlsiegs gewartet hatte. „Stärke heißt, auch mal schwach zu sein.“ Sie halten also, quasi aus aktuellem Anlass, ein ganzes FELD HOMMES zum Thema „Stark“ in den Händen. Ein dickes Ding, schon vom Gewicht her betrachtet. Prall gefüllt mit starken Themen und Bilderstrecken. Und stark verteuert haben wir FELD HOMMES auch. Das hat weniger mit dem schwachen Pfund und fehlenden staatlichen Rettungspaketen zu tun als mit der Tatsache, dass FELD HOMMES ab jetzt den Umfang verdoppelt. Dafür haben wir gleichzeitig unsere Erscheinungsweise halbiert. In Zukunft gibt es FELD HOMMES nur noch zweimal im Jahr. Mit dem vorliegenden Schinken haben Sie aber auch länger zu schaffen. Es gleicht sich am Ende doch alles aus. Krise hin oder her. Stärke begeistert. Vor allem wenn sie mit Charisma und Intelligenz gepaart ist. Aber auch an die Schwachen haben wir gedacht. Ab Seite 25 dieser Ausgabe finden Sie Anzeigen, die Sie zum Geldausgeben animieren sollen. Allerdings nicht wie üblich für Luxusprodukte, sondern für die Kinder auf dieser Welt, für die es manchmal fast unmöglich ist, groß und stark zu werden. In diesem Sinne: viel Spaß beim Blättern, Lesen, Heben und vor allem beim Spenden. Bleiben Sie stark. Mieke, Sabine, Oliver

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Intro Lieber Lehrer, lehr mich was … ................................................ 52 Das Recht auf Stärke Coopération Machen Sie die Welt bunter . ...................................................... 25 Es gibt Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns. Spenden Sie! Hero..................................................................................... Grüß Gott, Hell .......................................................................... 138 Es ist wieder so weit: Nach fünf Jahren veröffentlicht DJ Hell Diese Ausgabe ist von führenden Diätassistenten empfohlen. wieder ein neues Album. Mehr als 300 Seiten voller Kraft, aber gänzlich ohne dick machende Stärke wie Kohlenhydrate oder Zucker. Privé Intellektuelle Trennkost sozusagen, angereichert unter ande- Das starke Geschlecht .................................................................. 86 rem mit Zutaten wie Musik („Grüß Gott, Hell“), Lassen Sie nie, wirklich nie ein attraktives Mädchen allein in Literatur („Der Minus-Mann“), großartigen Männern Ihrer Wohnung. („Voll in die Eisen“), schönen Frauen („Stereo ID“), Stereo ID ...................................................................................... 156 abgebrühten Abenteurern („Machen Sie Ihr Testament“), Wir sind Izabelle wirklich dankbar, dass sie ihren Körper so illuminierten Motoren („Die elektrischen Reiter“) und dem wunderbar formt. berühmtesten Tier der Nation („Knut 2.0“). Yes, we can! Schwach werden . ........................................................................ 316 Sie kriegen keine Weinflasche auf und sind uns doch ­körperlich überlegen. Die zarten Dinger. Sport Stark wie zwei ............................................................................ 196 Seit fünf Jahren zu zweit die Nummer eins. An den BryanZwillingen führt beim Tennisdoppel kein Weg vorbei. Härter als die Tour .................................................................... 268 4.900 Kilometer mit dem Rad quer durch Amerika. Wer ankommt, ist der Sieger.   Motor Die elektrischen Reiter . ............................................................. 96 Viel mehr als PS-Protze: Die japanischen Decotora-Trucks sehen aus wie UFOs. 24 .................................................................................................. 286 Vom Ausdauerrennen zum Mythos: zu Besuch bei den 24 Stunden von Le Mans. 138 PS .......................................................................................... 292 Unsere Accessoires der Saison entwickeln einen aggressiven Vorwärtsantrieb. Garantiert CO2-frei. Objet trouvé Der Minus-Mann ...................................................................... 260 Heinz Sobota ist ein Monster in Menschengestalt. Dieses Buch ist seine Beichte. Savoir Starke Typen ............................................................................... 224 Grundkurs „Abendländische Typografie“. Expérience Vom Blitz getroffen . ................................................................... 116 Heinrich Paravicini durchfuhren Hunderttausende Volt. Und veränderten sein Leben. Voll in die Eisen .......................................................................... 168 In Kiew steht ein Fitnessstudio der besonderen Art. Photo Essai Schwerstarbeit ............................................................................. 130 Es gibt sie immer noch: Menschen, die ihre Körper schinden – ohne Arbeitsschutz und Mindestlohn. Knut 2.0 ...................................................................................... 242 Der Knuddelbär ist Geschichte. Knut wird zum Mann und hält sein bestes Stück vor die Linse. 18

INHALT


SOMMAIRE

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INHALT

Mode Herbst vs. Winter ........................................................................... 54 Ein unsichtbares Duell körperloser Wesen mit den Waffen der Mode. Neue Elite ....................................................................................... 68 Wenn das die Mächtigen von morgen sind, dann gute Nacht. Starkstrom...................................................................................... 104 Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen, Lagen sollst du tragen. Protektion........................................................................................ 118 Mit Hightech-Materialien gegen die Naturgewalten. Starker August . .......................................................................... 176 Von wegen Hänfling! Der souveräne Look der 20er lässt unseren August stark aussehen. Dumm ist er ohnehin nicht. Großer Bruder.............................................................................. 202 Im Schatten von Paris, New York und Mailand hat das „kleine“ Modeland Schweden seinen eigenen Style entwickelt. Meine Masche............................................................................... 226 Bei Hundewetter gehen nur echte Typen ohne Jacke raus. Boys don’t cry ............................................................................... 248 Männer weinen nicht. Außer sie pfeifen auf Regeln. Marathon-Mann . ....................................................................... 274 Laufen, ohne sich umzudrehen. Ein Mann auf der Flucht. Neu-Bauhaus................................................................................ 306 Wir huldigen Dirk Schönberger für seine Verbindung der Strenge mit dem Sexuellen in seiner aktuellen Joop! Kollektion. Beauté Starker Halt . ............................................................................... 214 Grace Jones hat ein neues Album. Eine Hommage. Portrait Machen Sie Ihr Testament . ........................................................ 60 Der Explorers Club hat nur eine Aufnahmebedingung: eine hohe „Toleranz für Risiko“. Mit dem Leben gerungen ........................................................... 190 Bei der Ringsportart Schwingen gewinnen immer die Bösen. Rummelsnuff ................................................................................. 238 Roger Baptist macht Musik wie aus dem Darkroom. Wir ziehen den Hut vor so viel Ausdruckskraft. Dorf Berlin ................................................................................. 300 Ein Gespräch mit Joop! Designer Dirk Schönberger über seine Jugend in Köln und die Provinzialität der Hauptstadt. Der meistgesuchte Verbrecher der USA . ................................. 326 Charlie Hustons Romane machen Sie zu einem besseren Menschen. Probieren Sie es aus. Art Die dunkle Seite der Macht ....................................................... 80 Fotokünstler Hans Weishäupl hat dem Bösen ins Gesicht geschaut. Essai Halbstarke .................................................................................... 246 Die Jugend von heute braucht keine Rebellion mehr. Sie hat die Macht längst übernommen. Toujours Editorial . ......................................................................................... 17 Impressum ....................................................................................... 22 Feldarbeiter .................................................................................... 24 Hundert Sachen ............................................................................. 36 Feldversuch .................................................................................... 128 Feldweg . ......................................................................................... 324 Männersache ................................................................................. 334 Bezugsquellen . .............................................................................. 336 Archiv ............................................................................................. 338


SOMMAIRE

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Deutschland 8,00 € / www.feldhommes.de

Mixer

Macker

Macher

Techno-Legende DJ Hell über sein neues Album.

Schluss mit Knuddeln. Knut wird erwachsen.

Designer Dirk Schönberger freut sich, in Berlin zu sein.

Meister

Mörder

Kampfsport aus den Bergen. Zu Besuch bei Spitzenschwingern.

Brutalität, Leid, Schmerz. Charlie Huston liebt es hart.

Wie eine Schulter zum Anlehnen: ein ganzes Heft übers Starksein

Winter 08

azin tes Bes nermag Män * 2008

Titel: DJ Hell (www.djhell.de) aus der Hero-Strecke „Grüß Gott, Hell“ trägt ein Outfit von Maison Martin Margiela. Fotografie: Robert Grischek (www.grischek.com). Styling: Christian Stemmler (www.bigoudi.de).

FELD HOMMES Ausgabe 02/08, Winter 2008 Mieke Haase, Markus Lenz und Kai Maser

Herausgeber

Redaktion Sabine Cole, Mieke Haase und Oliver Wurm Mieke Haase Martina Behrens Phillip Bittner und Zhoi Hy Isabelle Thiry (Leitung), Zhoi Hy und Christian Stemmler Phillip Bittner und Nils Wollny Harald Braun Oliver Wurm Jan Schlüter Sabine Cole

Chefredaktion Kreativdirektion Textchefin Redaktion Mode Auto Reise und Literatur Sport Musik Gesellschaft

FELD HOMMES Redaktion Langbehnstraße 15a 22761 Hamburg

Tel.: +49-40-88 16 97-60 Fax: +49-40-88 16 97-82

Gestaltung loved GmbH Langbehnstraße 15a 22761 Hamburg Tel.: +49-40-800 04 86-0 Fax: +49-40-800 04 86-99 www.loved.de

Layout

Verlag FELD Verlag Alter Wall 55 20457 Hamburg

Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt dieser Ausgabe: Kai Maser (Anschrift wie Verlag) Anzeigenleitung Kai Maser Tel.: +49-40-65 68 55-0 Fax: +49-40-65 68 55-17 kai.maser@appel-grafik.de Umsetzung Produktionsleitung

Markus Lenz

Appel Grafik Hamburg GmbH & Co. KG Alter Wall 55, 20457 Hamburg www.appel-grafik.de

Für den unermüdlichen Einsatz in den Bereichen Satz /RZ, Lithografie, Postproduction, Korrektorat und Koordination für diese FELD HOMMES Ausgabe bedanken wir uns besonders bei: Berlin

Holger Pingel

Frankfurt a. M.

Janina Melles, Natascha Scheffel

Hamburg

S ilke Ackermann, Rebecca Best, Tina Gröpper, Thomas Kaiser, Jürgen Lübbe, Monica Lübbe, Nicole Mahnke, Silvia Pöppelbaum, Sandro Puls, Berit Scholz, Mario Seyer, Carsten Tappe, Philipp Timm und Anja Vermehren

München

Markus Leppelt

Stuttgart

Anja Quecke

Druck & Verarbeitung

Schulz + Co GmbH Mühlenkamp 6c 22303 Hamburg contact@schulz-und-co.de www.schulz-und-co.de

Oliver Griep

Artdirektion

Layout Mareike Baumann, Uwe Jens Bermeitinger, Inga Detlow, Christiane Eckhardt, Kathrin Frey, Niki Heidtkamp, Karolina Stasiak, Joanna Swistowski und Alexandra Westphal Mitarbeiter dieser Ausgabe Anka Bardeleben, Sam Bassett, David Baum, Till Becker, Steeve Beckouet, Michael Bennett, Alexander Böker, Sabine Braun, Harald Braun, Doris Chevron, Tomas Falmer, Kai Flemming, Spiri Fountoglou, Alexander Gnädinger, Robert Grischek, Yang Hartono, Attila Hartwig, Sarah Illenberger, Markus Jans, Andreas Johansson, Jürgen Kalwa, Christiane und Stephan Kappes, Alisa Karabut, Oliver Köhler, Tom Kroboth, Tina Luther, Sven Marquardt, Patrick Morda, Christian Morgenlicht, Hermann J. Müller, Ingo Nahrwold, Markus Pritzi, Michele Rafferty, Fabrizio Rainone, Jörgen Ringstrand, Rainer Schmidt, Daniel Schröder, Camila Schwarz, Oliver Schwarzwald, Judith Stoletzky, Lars Fredrik Svedberg, Masaru Tatsuki, Shazzy Thomas, Zsigmond Toth, Mira Uszkureit und Ray van Zeschau

Vertrieb Einzelverkauf/Handel

Partner Medienservices GmbH Julius-Hölder-Straße 47 70597 Stuttgart Tel.: +49-711-72 52-0 Fax: +49-711-72 52-320 www.partner-presse.de

Sondervertrieb

Über den Verlag

Wir bedanken uns besonders bei Christian Blanck, Johannes Buckup, Franziska Ellert, David Ewald, ­C ecilia ­Fuentes, Carl Linden Haase, Michael Jacobs, Anne Lucas, Karsten Schmeer, Christian Stemmler und Axel Steuck

Tel.: +49-40-65 68 55-0 Fax: +49-40-65 68 55-17 www.feldhommes.de

Erscheinungsweise

Halbjährlich

Heftpreis

8 Euro

© für alle Beiträge bei FELD Verlag. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung. Für verloren gegangene und unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und andere Arbeiten wird keine Haftung übernommen. Die Meinung, die in den Texten wiedergegeben wird, ist die der Contributeurs und nicht zwingend die des Verlags.

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Impressum


Weitermachen, wo andere aufhören müssen. Das Konzept Unimog. Unwägbarkeiten überwindet, verdankt er nicht zuletzt den Menschen hinter seinem Konzept. Denn nur durch die Ideen und den Idealismus von Fertigung, Fahrern und Freunden ist der Unimog auch heute noch, was er schon damals war: Durch nichts zu beeindrucken. www.mercedes-benz.de/unimog

Eine Marke der Daimler AG

Durch nichts aufzuhalten – nicht einmal durch die Geschichte. Seit über 60 Jahren bahnt sich der Mercedes-Benz Unimog schier unaufhaltsam seinen Weg. Geländegängiger, einsatzfähiger, flexibler, schneller: Bis heute meistert der Unimog tagtäglich Herausforderungen, an denen andere Fahrzeuge scheitern würden. Dass er dabei nicht nur unwegsames Gelände, sondern auch andere

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Jörgen Fabrizio Inga Detlow (35) Die freie Artdirektorin Inga Detlow ist bei FELD HOMMES von Anfang an mit dabei. Sie ist eine unserer treuesten, aber vor allem auch unsere – in Zentimetern gemessen – längste Mitarbeiterin. Diesmal hat sich Inga um Schwerstarbeiter, vom Blitz getroffene Models und kleine und große Brüder gekümmert.

Phillip Bittner (30) Phillip ist unser neuer Redakteur und eine große Bereicherung für FELD hommes. Sportlich liegt er mit Kollege Zhoi Hy in einem Dauerwettstreit: Wer kann weiter Fahrrad fahren, seine Freundin klarer im Tischtennis besiegen, besser Auto fahren …? Nur in einem Punkt ist das Rennen schon entschieden: Phillip muss früher Mittag essen, sonst fällt er um.

Rebecca Best (27) Die gebürtige Hamburgerin hat ein ausgesprochenes Faible für Zahlen. Das schlägt sich folgendermaßen nieder: Ihr Geburtsdatum lässt sich in der Mitte spiegeln (wer rät, welches Datum gemeint ist, gewinnt 10 Euro!), sie fährt einen restaurierten 2CV im zweistelligen PS-Bereich, und sie liebt es, zwischen 7 und 8 Uhr in der Früh Yoga zu machen. All das befähigt sie dazu, der „Unordnung“, die bei einer FELD HOMMES Produktion anfällt, als Projektmanagerin Herr zu werden. Dafür danken wir ihr.

Jörgen Ringstrand (40) Das Männermodemagazin King hat eine Liste der 100 einflussreichsten Menschen im schwedischen Modebusiness verfasst. Darunter befinden sich nur zwei Fotografen, die es unter die ersten 40 geschafft haben. Einer davon ist Jörgen. Kein Wunder also, dass er der Richtige war, eine ganze Strecke, die ausschließlich mit schwedischer Mode bestückt war, zu fotografieren. Vom Thema der Geschichte „Großer Bruder“ versteht er auch was: Jörgen hat zwei Kinder und lebt mit Frau und Familie in Stockholm.

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contributeurs

David Baum (35) David Baum hat in seiner Laufbahn als Autor für unter anderen Tempo, SZ-Magazin, Max und Park Avenue schon zahlreiche Modeschöpfer getroffen. Diesmal baten wir ihn, sich mit Joop! Kreativ­ direktor Dirk Schönberger zu unterhalten. Bloß: David Baum ist mit Wolfgang Joop befreundet und zögerte deshalb erst, den Auftrag anzunehmen. Nun ist er froh, es doch getan zu haben, und freut sich, berichten zu dürfen, dass das Joop’sche Familiensilber in guten Händen gelandet ist.

Alexander Böker (36) Alex versucht seit fünfeinhalb Jahren, seinen beiden Kindern ein Vorbild zu sein. Nebenbei war er zuletzt Chefredakteur der Max und des grünen Lifestyle-Magazins Ivy. Zurzeit gründet er ein Redaktionsbüro. In der Rubrik „Männersache“ macht er sich Gedanken, ob Papa der Stärkste ist.

Rainer Schmidt (44) Rainer Schmidt, bis Anfang 2008 stellvertretender Chefredakteur des Gesellschaftsmagazins Vanity Fair, ist Autor und lebt in Berlin. Im Februar erschien sein Roman „Wie lange noch“ bei Kiepenheuer & Witsch. Darin geht es um einen bürgerlichen Jugendlichen, der sich nach der großen Liebe sehnt, aber an der proletarischen Gewalt um ihn herum nahezu scheitert – bis er zurückschlägt und daran fast zerbricht. Für FELD hommes schrieb Schmidt ein Essay über die neuen Halbstarken.

Fabrizio Rainone (44) Den in Genua geborenen Italiener Fabrizio trafen wir während der Fashion Week in Berlin. Der Fotograf lebt in London und New York, reist gerne, außer auf tropische Inseln, hat eine Vorliebe für italienische Regisseure, war Fußballprofi und liest am liebsten Dostojewski. Eine weitere Leidenschaft des blonden Italieners ist „Das starke Geschlecht“ (S. 86).

Steeve Beckouet (24) Der Mann mit dem schwer auszusprechenden Namen hat Mode und Design am Pariser „Studio Berçot“ studiert. Nach seinem Abschluss entdeckte er jedoch seine Liebe zur Fotografie. Steeve möchte mit seinen Bildern Harmonie, Einfachheit und Poesie ausdrücken. Und das auch noch im Bereich Männermode auf modisch allerhöchstem Niveau. Wie das geht, zeigt er uns mit seiner extravaganten Gothic-Fashion-Strecke „Boys don’t cry“. www.steevebeckouet.com

Oliver Wurm (37) Der freie Journalist und Medienberater tummelt sich seit Jahren auf vielen Feldern. FELD hommes zählte immer schon zu seinen liebsten. Ab dieser Ausgabe verstärkt er die Chefredaktion. Welcome!

Ingo Nahrwold (31) Was für ein Werdegang: geboren in der architektonisch reizlosen Schleswig-Holsteiner Kreishauptstadt Itzehoe, die auf ihrer Website als touristische Highlights ein Rockfestival, eine bemalte Tasse und ein Volkstanzfest promotet, über eine gastronomische Karriere auf dem Hamburger Kiez zum international renommierten Stylisten. Seit 2004 arbeitet Ingo in Mailand, Paris und Berlin, für Qvest, GQ, FHM collections, Numéro, L’Officiel Russia und natürlich für FELD hommes. In dieser Ausgabe präsentiert er uns „Meine Masche“.

Sarah Illenberger (32) Nach Sarahs eigenen Angaben ist es nicht ganz leicht, eine Schublade für ihre Arbeiten zu finden. Wir finden schon: Sarah macht Bilder aus Dingen. Und zwar auf sehr originelle und unnachahmliche Art und Weise. Sarah entwickelt in ihrem Berliner Studio visuelle Ideen und Konzepte für Redaktionen und freie Werbeproduktionen. Meist alleine, aber auch hin und wieder in Kooperation mit Fotografen. Für FELD hommes hat sie voll funktionstüchtige Motorblöcke aus Luxusprodukten komponiert. www.sarahillenberger.com


bunter

Wir hoffen, Sie finden beim Lesen dieser Ausgabe von FELD hommes viel Interessantes, Neues, Inspirierendes und vielleicht auch etwas Schönes für die Lieben zu Weihnachten. Es gibt jedoch auch Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns. Und für die sind die folgenden neun bunten Seiten. Auf jeder einzelnen finden Sie die Internetadresse einer Charity-Organisation. Hinter den Adressen verbergen sich Projekte und Organisationen, die vor allem bedürftigen Kindern in schwierigen Situationen helfen. So kümmert sich zum Beispiel Dunkelziffer e.V. unter dem Motto „Kinder stärken – Kinder schützen“ um die Opfer von Kindesmissbrauch in Deutschland. Durch ihren Einsatz lindern die Mitarbeiter von Dunkelziffer e.V. das Leid der kleinen Opfer, stärken Kinder und klären Erwachsene auf, um Missbrauch zu verhindern. Schauen Sie auf die Websites unserer Charity-Partner, informieren Sie sich über Projekte, Aktionen und Hilfsmöglichkeiten – doch vor allem: Unterstützen Sie unsere Partner mit Spenden, und verhelfen Sie den Kindern zu einer besseren und bunteren Welt.

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Aktion Deutschland Hilft Das Bündnis der Hilfsorganisationen

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unicef.de

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deutsch land.de

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ziffer.de

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place.org

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water.org

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DéClaration

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Von Phillip Bittner, Zhoi Hy (Redaktion), Max Biedermann, Harald Braun, Hans Bussert, Sabine Cole, Caroline Ellert, Stefan Förster, Björn Neugebauer und Sebastian Trojand (Text)

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1. Süßholzraspler. Verliebte sind doch alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie schreiben bekanntlich lieber Briefe statt E-Mails und Postkarten statt SMS. Außerdem ritzen Turteltäubchen auf der ganzen Welt ihre Liebesschwüre gern in Bäume. Damit diese jetzt geschont werden, empfehlen wir die Postkarte aus weichem Holz, made in London. Hach, ist das romantisch! www.charlesandmarie.com

4. Bildungsauftrag. Sollte Ihren Kindern zum Thema King Kong nichts anderes einfallen als ein paar Aufkleber auf Cornflakespackungen, empfehlen wir zur Aufklärung diesen hölzernen Kraftprotz. Schmuggeln Sie ihn ins Kinderzimmer, heucheln Sie Interesse beim Klötzchen-Turmbau, und lassen Sie ihn dann, wenn alles fertig ist, sein zerstörerisches Werk beginnen. www.davidweeksstudio.com

2. Mein Freund der Baum. Früher war man als Skater cool. Ein Brett, zwei Achsen, vier Rollen bedeuteten Maximalerfolg bei den Frauen. Auch wenn wir damals die Tricks nicht so draufhatten und eher mit dem Brett unterm Arm neben den richtig coolen Jungs standen. Mittlerweile skaten weltweit rund 20 Millionen Menschen, und Coolsein wird zu einer richtig komplizierten Aufgabe. Man muss schon was ganz Besonderes bieten, um den Damen aufzufallen. Die erste Wahl sind da die Designer-Boards von Piotr Woronkowicz. Die Naturholzoptik mit Baumdesign macht das Brett zu einem echten Hingucker. Das freut uns, brauchen wir doch wie früher die Tricks nicht zu beherrschen. www.piotrworonkowicz.com

5. A–Z im Quadrat. Wenn einem der Chef das neue Layout um die Ohren haut, fehlen einem oft die Worte. Wenn dies vor allem an der Schrift liegt, fehlen dem Grafiker sogar die Buchstaben. Dann hilft nur noch basteln. Gut, wenn man dann den Type Cube von Designer Chris Clarke auf dem Schreibtisch liegen hat. Aus 64 Klötzen lassen sich damit bahnbrechende Schriftschnitte zusammensetzen. www.chris-clarke.co.uk

3. „Schatz, die Wand über dem Sofa wirkt irgendwie kahl.“ Bilder an den Wänden sind so etwas wie eine Eheschließung mit seiner Wohnung. Als Hochzeitsgeschenk empfehlen wir die Werke des Iren Francis Bacon. Dazu sollten Sie jedoch einige Milliönchen unter dem Kopfkissen liegen haben. Haben Sie nicht? Dann nix wie ab nach London. Die Tate Britain präsentiert noch bis zum 4. Januar eine Retrospektive des Meisters. www.tate.org.uk

6. Echte Männer haben Latten. In einen ordentlichen Männerhaushalt gehört eine richtige Werkstatt mit Werkbank, Holzspänen auf dem Boden und Holzlatten in verschiedenen Längen auf Vorrat. Ach, Sie wohnen in einer Dreizimmerwohnung, und Ihre Auserwählte steht mehr auf eine gestylte Inneneinrichtung mit Lichtinstallationen? Dann stellen Sie sich doch einfach das 2x4 von Caroline Linder ins Wohnzimmer. In diese schlanken Latten sind LED-Lämpchen eingebaut. Sieht toll aus, und beide Parteien sind glücklich. Wenn Sie mal wieder sturmfreie Bude haben, streuen Sie einfach etwas Sägespäne ins Zimmer und legen die Bohrmaschine daneben. www.carolinelinder.org

Frühstücksbrettchen aus Buche, Esche und Ahorn gestaltet. Das Holz stammt von glücklichen Bäumen, die erst unter die Säge kommen, wenn der ganze Wald sein Okay gegeben hat. So können Sie gleich den Tagesbedarf an Social Consciousness abarbeiten. www.tuttobene.nl 8. Der goldene Schuss. Soweit nicht von liebender Hand domestiziert, pinkeln Männer im Stehen. Eine Riesensache, besonders auf den schlammigen Aborten der späten Samstagnacht. Damit Frauen sich dort nicht weiterhin in den heikelsten Stellungen Abstand verschaffen müssen, haben Chen & Karlsson jetzt ein goldenes Urinal für die Dame erdacht, das nicht nur Komfort, Effizienz und Hygiene steigert, sondern auch tief verwurzelte Verhaltensmuster der westlichen Welt ausmerzt, kippt, runterspült. www.chen-karlsson.com 9. Echte Handarbeit. Womit haben wir eigentlich rumgespielt, als es noch kein iPhone gab? Nein, wir meinen jetzt nicht den Nintendo DS. Selbstbeschäftigung par excellence bietet nur: ein Kreisel. Und weil wir in einer kompetitiven Gesellschaft leben, gibt es dieses kleine physikalische Übungsgerät gleich im Dreierpack. Mit viel Liebe handgedrechselt und -bemalt. Welcher dreht sich länger, wer schafft alle drei gleichzeitig und wer den legendären Überschlag? www.etsy.com

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7. Die Bretter, die die Welt bedeuten. Die ganze Welt? Nein, nur drei kleine Regionen im Herzen Hollands. Nach deren Umriss sind diese

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10. In Stein geschneidert. Es gibt nur einen Karl in der Modewelt. Wer also Haute-CoutureAmbitionen mit seinem Nachwuchs hat, sollte schon auf ausgefallene Namen kommen. Wie zum Beispiel Raf. Doch der belgische Designer Raf Simons gibt sich alle Mühe, diesen Namen ein für alle Mal mit seinen Kreationen zu besetzen. Inzwischen Kreativchef bei Jil Sander, ist er dank seiner gesunden Anti-Haltung aber immer auf dem Boden geblieben. Auch wenn dieser inzwischen aus Marmor ist. Genau wie die Prints auf seiner Taschenkollektion. www.jilsander.com 11. Dreirad-Jagdgeschwader. Auf den ersten Blick erinnert sie eher an eins dieser Opa-Mobile, mit denen amerikanische Vietnam-Veteranen mit windschutzscheibengroßen Sonnenbrillen durch den Park cruisen. Weit gefehlt! Mit der MP3 400 RL von Piaggio hätten Sie sogar den Ex-Marine abgehängt, als der noch ein Jagdgeschwader anführte. Extreme Kurvenlage dank schwenkbarer Vorderachse und 400 Kubik, die einen wieder aus der Kurve drücken. Ein wirklich amtliches Spielzeug in drei Motorisierungen. www.piaggio.de 12. A Goji a day keeps the doctor away. 30 Nährstoffe und Spurenelemente finden sich im durchschnittlichen Apfel. Der englische Volksmund würdigt dies mit dem legendären Spruch: „An apple a day keeps the doctor away.“ Asiatische Mütter predigen vermutlich nicht über Äpfel, sondern raten eher zur Goji. Und liegen damit sehr richtig. Denn die Goji ist eine der

nährstoffreichsten Früchte, die Mutter Natur hervorgebracht hat. Die Asiaten wissen das schon seit Tausenden von Jahren und verwenden sie sogar in der Medizin. Das Beste: Die Beerensträucher wachsen auch bei uns im heimischen Garten. http://superfruiteu.jetshop.se 13. Da stehen keine Haare mehr zu Berge. Feld Hommes zitiert aus dem Forum eines anderen Männermagazins: „Hey! Bin erst 14 Jahre alt. Hab ein Problem: Meine Behaarung an Bein, Bauch, Eiern, Rücken & Co. ist echt hart. Was soll ich machen?!!!“ Die Antwort: „Liebes Murmeltier, wir können Dir den Philips Bodygroom empfehlen.“ www.philips.de 14. Comic-Box. Die Helden um Superman, Ironman und Spiderman sind die Bee Gees der Comics und haben alles, was eine erfolgreiche Boyband auf ihrer To-do-Liste hat: Langhaarige Groupies, eigene Actionfiguren, und seit Neuestem können sich die drei auch die passenden Boxen zulegen. Wenn „ Cartoon Music For Super Heroes“ von Albert Hammond jr. aus diesen wunderschönen Boxen erklingt, fällt sich Clark Kent doch gleich mit seinem Kryptonit in die Arme. www.skforlee.com/independent_work/speaker.html

15. Das Minimax-Prinzip. Wenn Sie es schaffen, dieses hübsche kleine Schächtelchen mit Songs aus dem iTunes-Store vollzustopfen, wird ihnen Steve Jobs persönlich mit einem Blumenstrauß danken. Schließlich bietet diese schwarze Hochglanz-USBFestplatte stolze 30 GB Speicherplatz. Und den in Steves Musiklädchen zu füllen kostet! Genauer gesagt plus/minus 15.000 Euro. Unser Tipp: Nutzen Sie die Minifestplatte lieber, um im großen Stil geheime Daten von Stiftungsgründern in Luxemburg aus dem Büro zu schmuggeln. Das kostet nix. Und bringt beim deutschen Fiskus gerne mal ein paar Milliönchen. Lohnende Anschaffung, nicht? www.lacie.com 16. Schöne Stickerei. Jetzt rechnen Sie mal zusammen, wie viel Menschen aus Familie und Freundeskreis Sie dieses Jahr noch beschenken müssen. Geburtstage, Hochzeitstage, Geburten und Weihnachten, alles zusammen. Da kommen Sie locker auf 7.000 Euro. So viel kostet zufällig die fantastische, mit dem red dot design award preisgekrönte Näh- und Stickmaschine creative vision, die Ihre auf dem Rechner gestalteten Motive, Schriften, sogar mit dem Grafiktablett erstellten Zeichnungen als farbige Stickarbeit zum Beispiel auf Jacketts, Kissenbezüge, T-Shirts, Autoschonbezüge und Waschlappen applizieren kann. Was für ein Geschenk! www.pfaff-industrial.com

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17. 17. ... oder lebst du schon? Wohnmagazine in der Regel: künstlich. Wunschträume von FlohmarktStylisten oder Vitrinenersatz von Designern und ihren zehn besten Freunden. Anders macht das ein neues Wohnmagazin aus Spanien: Apartamento. Ansatz: zeigen, wie Menschen wirklich leben. Nicht immer schön, aber lebendig und oft wirklich originell. www.apartamentomagazine.com 18. Immer schön langsam. Sonst sieht Sie ja keiner mit diesem tollen 30er-Jahre-Fahrrad. Und das wäre wirklich jammerschade. Denn schließlich haben Sie die Karre ja nicht umsonst zu Hause stehen lassen, um zur Al-Capone-Party zu fahren. Also: den Schlapphut zurechtgerückt und dieses schicke Rad geschmeidig in Richtung Theke gesteuert. Aber immer vorsichtig mit den schönen weißen Reifen umgehen. www.pashley.co.uk/products/guvnor.html 19. Keine Ausreden mehr. Das Sixpack ist noch meilenweit entfernt, und auch der Bizeps hat schon mal bessere Zeiten gesehen? Sie haben so wenig Zeit? Schließlich müssen Sie so lange arbeiten? Und das Fitnessstudio ist ja auch viel zu weit weg? Jetzt hören Sie mal auf zu jammern! Kaufen Sie sich das Kinesis, und trainieren Sie zu Hause. Nächsten Sommer wollen wir Sie frisch gestählt am Strand sehen. www.technogym.com 20. Wandvorhang auf! Eine neue Tapete macht immer viel Arbeit. Aber nur selten so viel Freude wie diese Fransentapete von Mashallah.Design. Da weiß man gar nicht, an was man als Erstes denken soll: die Fransen an Old Shatterhands Jacke, den

ersten BMX-Lenker, Herrenschuhe hinter dem Vorhang, dicke Gobelins und Katzenparadies – und alles nur wegen ein paar Fransen? Stimmt, Design will eben manchmal auch nur spielen, genau wie wir. www.mashallahdesign.com 21. Matroschka. Die norwegische Möbeldesignerin Amy Hunting sammelt Holzreste aus dänischen Sägewerken und verwandelt sie in Patchworkmöbel. Im Angebot: ein Stuhl, ein Bücherregal und ein zwölfteiliges Lampenschirm-Set. Letzteres kann man für den Transport wie eine Matroschka ineinanderstecken. Resteverwertung vom Feinsten. Wie bei den Fischstäbchen. Doch wer braucht eigentlich zwölf Lampenschirme zu Hause? www.amyhunting.com 22. Bei Oma im Garten. Erinnern Sie sich noch an diese schicken Gartenstühle aus den 70ern, bei denen einfach bunte Gummibänder als Sitzfläche und Rückenlehne gespannt wurden? Ihre Großeltern haben die guten Stücke bestimmt noch irgendwo im Schuppen gelagert. Wenn nicht, dann stellen Sie sich einfach den schicken String Chair der Designer Rie Egawa und Burgess Zbryk auf die Veranda. Statt Gummi gibt es dann jedoch Nylon. Macht aber nichts, denn die Neuauflage sieht viel besser aus als das Original. http://egawazbryk.com

23. These boots are made for walking. Nach dem großen Erfolg eines limitierten Camel-ActiveParka wartete der Abenteurer bis eben barfüßig und sehnsüchtig, dass er auch das passende Paar Schuhe für seine ausschweifenden Naturerkundungen erwerben könne. Nun ist es so weit. In der Legend-Serie von Camel Active gibt es jetzt eine neue Variante des hochwertigen Michigan-Stiefels, benannt nach dem gleichnamigen Bundesstaat an der amerikanisch-kanadischen Grenze, wo es einiges zum Rumstiefeln gibt. Die Limited Edition des robusten Schuhs, der aus strapazierfähigem Rindsoberleder gefertigt und mit einer hauchdünnen Gore-Tex-Membran überzogen ist, gibt es nur 5.555-mal. Davon sind 3.333 für den deutschen Markt bestimmt. Kombiniere: Michigan hat zehn Millionen Einwohner. Das sind 68 Einwohner pro Quadratkilometer, also sehr mäßig besiedelt. Selbst wenn alle anderen 2.222 Boots-Paare in Michigan verbleiben, der Authentizität wegen getragen von einäugigen Holzfällern, stehen die Chancen 1 : 1,7 Millionen, dass Sie einem Eingeborenen mit den gleichen Schuhen auf die Füße treten, während Sie die großen Seen umrunden. Ergo: Diese bequemen Outdoor-Boots sind was ganz Besonderes. Auch wenn man sie zu Hause und in einem urbanen Kontext trägt. www.camelactive.de

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24. Schluckauf. Die Kunsthandwerkerin Amanda Siska dremelt von Hand auf gebrauchte Glasware allerlei lustige Motive, zum Beispiel einen Mous­ tache. Wenn Sie keinen Schnurrbart haben und bei einem Date einen Lacher landen wollen, dann trinken Sie Ihr Wasser aus diesem Glas. Ihr Ge­ genüber freut sich bestimmt, wenn Sie bei jedem Schluck aussehen, als wären Sie ein Double von diesem Fernsehkoch namens Lichter. Freihändig ziselierte Gläser über www.breadandbadger.com 25. Angriff der Bienenschalen. Für die abgebil­ deten Beecups gibt es laut Designerin Mariana Tocornal keine Verwendung. Was für eine ehrliche Aussage. Wenn sich das der ein oder andere Pro­ duktentwickler eingestehen würde, wären absurde Werbebotschaften, die nicht existierende Vorteile ausloben, Schnee von gestern. Also: Diese gelben Schalen sind aus Honigwachs. Man kann was reintun, sie zerstückeln oder zerschmelzen oder Bären zum Fressen geben. www.tocornal.com 26. Ende Ente, ahoi Koi!   Was haben wir sie geliebt, die gute alte gelbe Plastikente. Stets war sie der Begleiter bei jedem Schaumbad. Jetzt wird sie auf den Badewannenrand verdammt. Große Jungs brauchen blinkenden Elektroschnickschnack. Jetzt bei uns mit in der Wanne: das Koi Toy. Denn das leuchtet in Regenbogenfarben, sobald es ins Wasser gesetzt wird. Sorry, Ente, keine Chance. www.worldwidefred.com 27. Opfersuche. Alles beginnt damit, dass Al Greenwood seine Frau Audrey von einer Klippe stößt, weil er es satthat, mit ihr zu leben. Dum­ merweise liegt Audrey nackt auf dem Bett, als Al nach getanem Verbrechen nach Hause kommt, und ihm schießen zwei Gedanken durch den Kopf: A. Oh, verdammt, ,,jetzt werde ich mit ihr vögeln müssen“. B. „Oh, verdammt, wer war dann

die Frau, die ich umgebracht habe?“ Überflüssig zu erwähnen, dass der Engländer Tim Binding über einen speziellen Sinn für Humor verfügt. Tim Binding, „Cliffhanger“, Mare Buch über www.marebuch.de 28. Entweder und oder. ������������������� Sensodyne oder Den­ tagard? Die klinisch nüchterne, unprätentiöse oder die mit den sieben Kräutern und dem lachenden Biber? Die strikte Trennung zwischen Produkten in medizinisch reduzierter Aufmachung und Pro­ dukten mit von Werbeversprechen zugepflaster­ tem, effektvoll inszeniertem Verpackungs-Makeup hat die Grenze von Zahnpasta und Kleiemüsli überschritten. Deswegen gibt es in Schweden Säfte, die jeder Zivi intravenös verabreichen wür­ de. Statt Salzlösung ist dieser Drink vollgestopft mit Vitaminen, die einen groß, gesund, schlank und gut aussehend machen. Echt schwedisch eben. www.vitaminwell.se 29. It’s cool to be at school. Nicht alle Kinder dieser Welt bekommen die Chance, eine Schule von innen zu sehen. Dafür schuften sie nicht sel­ ten schon im Grundschulalter in Fabriken. Diese Plimsolls von Victoria, handgefertigt in der traditi­ onsreichen Manufaktur in Spanien, sind garantiert frei von Kinderarbeit und schick dazu. So modisch kann der Beitrag zu einer besseren Welt sein. Zu beziehen unter anderem bei „Super, Powley!“ in der Marktstraße 142, Hamburg, www.powleyclothing.com

30. Peking-Kapitalismus. Kapitalistischer als im Pekinger China Doll Club kann es auch in den angesagten Clubs in London oder New York nicht zugehen. Lounges und VIP-Rooms sorgen für eine sorgfältige Trennung zwischen Arm und Reich. Das Obergeschoss des Plaza Building sieht durch die Elektro-Flash-Kunst an den Wänden zudem aus wie ein Ätherrausch à la „Fear And Loathing In Las Vegas“. Mehr unzensierte Infos: www.clubchinadoll.com 31. Tischtuchtennis. Nach dem Essen noch ein wenig Sport. Wie wäre es mit Tischtennis? Mit Any Table, Ping-Pong Table von Tithi Kut­ chamuch und Luka Stepan spielen Sie auf dem Esstisch. Leider kann man diese tolle Idee noch nicht kaufen. Aber mit einer grünen Tischdecke, einem alten TT-Netz und weißer Farbe sollte es auch im Eigenbau klappen. Und wer verliert, muss spülen. http://tithi.info/new/main.htm 32. Schräger Schreiber. Chuck Palahniuk blickt stets, als hätte er eine Rolle in „Fight Club“ verdient. Bisschen arrogant, verächtlich, auf eine distinguierte Art kultiviert. Er entspricht exakt dem Ton seiner Texte. In „Stranger Than Fiction“ fesselt die kalte Lakonie, in seinem Roman „Snuff“ die stumpfe Komik der Handlung. Die Rolle in „Fight Club“ hätte er haben kön­ nen – er hat den Roman selbst geschrie­ ben. Chuck Palahniuk, „Stranger Than Fiction“, Goldmann, „Snuff“, Manhattan, chuckpalahniuk.net

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33. Bye-bye, Justice. autoKratz sind die englischen Justice: Das Duo ist beim Pariser Label Kitsuné beheimatet, und auch sie bringen die Meute im Club mit ihrem knarzigen Elektrosound zum Ausrasten. Ob allerdings Justice von sich behaupten können, selten einen Auftritt zu absolvieren, der nicht von der Polizei unterbrochen wird? Eben. Und deshalb seien autoKratz hier als ein letztes Aufbäumen orgasmischen Rave-Rocks empfohlen. www.maisonkitsune.fr 34. 44° N, 20° O, 2,2 ‰. „Vergessen Sie, dass Sie in Belgrad sind“, ist das Erste, was man auf der Website des Cafés Majik zu lesen bekommt. Und wahrlich: Schon nach ein paar Klicks durch die Fotogalerie wähnt man sich eher in einer fiesen Computersimulation, die ein entfernter Neffe Luigi Colanis zusammen mit Ilona Staller aus Rache an der Welt programmieren ließ. Zum Glück steht Wyborowa auf der Karte, ein großartiger polnischer Wodka, der als einer der wenigen der Welt zu 100 % aus Roggen hergestellt wird. Noch eine super Möglichkeit, zu vergessen. www.majikcafe.com 35. Heiße Rhythmen, schwitzende Körper. Gleich vorweg: Die Copacabana Guitar hat rein gar nichts mit Rio zu tun. Der Schöpfer ist vielmehr ein Finne, dem vor 50 Jahren die Saunadecke auf den Kopf gefallen ist und der sich entschlossen hat, eine Koryphäe im Plastikdesign zu werden: Eero Aarnio. Neben dem berühmten Ball Chair hat er auch den Copacabana Table entworfen, und dieser wiederum hat für den Korpus dieser E-Gitarre Modell gestanden. Auch wenn sie nicht nach Rock ’n’ Roll aussieht, mit der Copacabana Guitar heizen Sie auf der Bühne richtig ein. www.copacabanaguitar.com 36. Schwarzer Humor, große Gefühle. Felix ist 18, der letzte Sommer vor dem Abitur. Es ging ihm schon einmal besser. Seine große Liebe Nadja ist mit dem besten Freund durchgebrannt, die Proletenschläger aus dem Neubauviertel jagen ihn

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gnadenlos. Er sucht Trost bei der Glatzen-Anna, sehr viel Bier, dicken Joints und verheerenden Partys – bis er zurückschlägt. Ein Roman wie ein gutes Punkstück – sehr lustig, sehr hart. Rainer Schmidt, „Wie lange noch“, Kiepenheuer & Witsch, www.kiwi-verlag.de 37. Arthurs Tochter. Wenn Hörbücher mehr als Bügel-Soundtrack sein wollen, muss einiges zusammenkommen. Eine Autorin wie Arthur Millers Tochter Rebecca, die zu ihren Berufungen als Schauspielerin und Malerin auch als Schriftstellerin über eine gewisse intellektuelle Autorität verfügt. Eine Geschichte vom Leben, vom Glück und Pippa Lee, die das eine liebt und das andere ausdauernd sucht. Schließlich eine Vorleserin, die so uneitel und warm hinter dem Text verschwindet wie Anna Stieblich. Dann könnte es gehen. Rebecca Miller, „Pippa Lee“, gelesen von Anna Stieblich, Argon Hörbuch, www.argon-verlag.de 38. Russen-Hipster. Verleger müssen so etwas sagen. Doch KiWi-Chef Helge Malchow meint es ernst mit seiner Debütantin: „Das größte Talent der kommenden Dekade“ nennt er Alina Bronsky aus Jekaterinburg. Eine hübsche Autorin, der das fiese Etikett „Russlanddeutsche“ anhängt, die indes aus ihrer Jugend in Marburg und Darmstadt einen rotzig-kraftvollen „Coming of Age“-Roman herleitet. Mit dem besten ersten Satz der Saison: „Manchmal denke ich, ich bin die Einzige in unserem Viertel, die noch vernünftige Träume hat.“ Alina Bronsky, „Scherbenpark“, Kiepenheuer & Witsch, www.kiwi-verlag.de

39. BMX-Boombox. Acht junge Teenager aus Trinidad und Tobago mieten sich im New Yorker Stadtteil Queens eine Garage und möbeln ihre BMX-Bikes so richtig auf. Aber nicht mit dem klassischen Bonanzarad-Fuchsschwanz, sondern mit den größten Boxen, die nur irgendwie an den Rädern halten. Mit diesen rollenden BMXBoomboxen machen sie jetzt ihre Nachbarschaft unsicher. Nicolas Randall und Joe Stevens haben darüber einen Kurzfilm gedreht. Bisher wurde das Werk nur auf den Festivals in Oxford, Edinburgh und Melbourne gezeigt. Für uns in Deutschland heißt es deshalb Daumen drücken, dass der Film auch bei uns anläuft oder auf DVD erscheint. Denn leider hört man im Trailer keinen Ton aus den Boxentürmen. Und wir sind so gespannt. www.madeinqueensfilm.com 40. Weiterleiten an: 107 Freundinnen. Früher endeten Beziehungen mit einem Gespräch. Heute beendet sie ein Partner oftmals per E-Mail. Die Trennung wird dadurch noch surrealer. So auch für Sophie Calle. Sie leitet die E-Mail weiter an 107 Frauen und bittet diese, den Text für sie zu verstehen. In ihrem neuen Werk hat sie die Antworten gesammelt und dadurch das getan, was ihr Freund ihr am Ende der E-Mail schreibt: „Take care of yourself.“ Sophie Calle, „Take Care Of Yourself“, Actes Sud, www.actes-sud.fr 41. Aufgesetzte Liebe. Mit Karbonfasern am Kopf hätte Lord Helmchen im Film „Spaceballs“ sicherlich Prinzessin Vespa verführen können. Also, einfach aufsetzen, anschnallen, Prinzessin Vespa klarmachen und mit dem intergalaktischen Roller bis ans Ende des Universums fahren. www.ateliersruby.com

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42. Gartenfreund. Gehören Sie auch zu der Sorte Mann, der im Garten maximal zum Rasenmäher greift und dem Unkraut vollkommen egal ist? Richtig so, und damit die Dame des Hauses in Sachen Garten auch endlich entspannter wird, schenken Sie ihr dieses Buch von Kim Beck. Da wuchern zwar die angeblichen Gartenstörenfriede die Seiten zu, doch das sieht richtig klasse aus. Und die gesparte Zeit nutzen Sie dann für ein richtig schönes Grillfest – ohne Grünzeug, versteht sich. www.printedmatter.org 43. Gemixt, nicht geschüttelt. Manchmal mutet einem die moderne Crossover-Küche einiges zu. Bananen-Hack-Braten zum Beispiel. Der Matcha Smoothie Mix ist da geradezu traditionell. Die japanische Teetradition vermischt sich hier mit moderner Smoothie-Kultur. Gut, manche werden sagen, Eis und Sojamilch gehören nicht zu Japans teuerster Teesorte, wir sagen aber: Hauptsache, es schmeckt grandios. www.seasonstea.com 44. Kunst und Leder. Mit seinen weltberühmten One Minute Sculptures hat der Österreicher Erwin Wurm bereits die Red Hot Chili Peppers zu ihrem Musikvideo „Can’t Stop“ inspiriert. Auch Hermès findet Herrn Wurm furchtbar toll und lässt ihn die Kreationen der aktuellen Kollektion samt Models zum Beispiel barfuß auf Pferderü-

cken platzieren. Ein echter Wurm, sagen wir und finden ab jetzt Hermès mindestens genauso toll. www.hermes.com 45. Rothaut. Für jede erdenkliche Hautpartie gibt es für den Mann mittlerweile ein passendes Cremchen. Höchste Zeit, dass Sie auch Ihre Kopfhaut richtig verwöhnen. Der Scalp Soothe von Redken wäre so eine Möglichkeit. Hört sich zwar ein bisschen martialisch nach Sioux und Apachen an, soll aber ein ganz feines Köpfchen machen. Einfach nach dem Waschen auftragen. Nicht nur was für Menschen mit der fleischfarbenen Badekappe. www.redken.de 46. Buttons up! Ein Accessoire ist bekanntlich ein Beiwerk. Dekorativ und hübsch. Diese stoffbezogenen Dinger sind dazu noch Handwerk und obendrein ein bisschen Kunstwerk. Sie können sich sogar aussuchen, ob es ein Button, eine Brosche oder ein Militärabzeichen sein soll. Und wenn alle fragen, ob Sie das selber gemacht haben, dann schauen Sie mitleidig und sagen: „Nein, Schätzchen, das ist aus Barcelona!“ Stimmt sogar, erhältlich über www.rebaba.com 47. Daddy’s Dream. So was gibt’s sonst bloß für Stoppelhopser – das Kicker-Camp für Junioren finanziert normalerweise Vati in der Hoffnung, dass Sohnemann mit 18 beim FC Bayern die erste Million nach Hause trägt. Im türkischen Robinson Club Çamyuva ist das anders: Unter

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der Anleitung der beiden Ex-Nationalspieler und ausgewiesenen Feiernasen Fredi Bobič und Hansi Müller darf Daddy selbst mal einen amtlichen Fußball-Lehrgang besuchen – und nebenbei Party machen. Mehr Infos über die Lehrgänge auf www.robinson.com 48. Lennon-Linser. Wenn man die Stimmung im Land an der Wahl des Brillengestells festmachen könnte, stünden uns wahrhaft ernste Zeiten bevor. Die optimistische Wayfarer von Ray-Ban wird gerade abgelöst von einer Brille, die mehr als jede andere geistigen Tiefgang verkörpert: Miltzen, das Modell vom New Yorker Traditionsoptiker Moscot. Das wussten schon John Lennon und Andy Warhol, die sich mit der Miltzen einen Schuss Intellektualität auf die Nase gaben. www.moscot.com 49. Berliner Adelsgeschlecht. Otto von Quast hört sich ganz stark nach preußischem Adel mit Stechschritt an. Sind aber zwei Berliner Mädchen, die so unnütze und liebenswerte Dinge erfinden wie die Skinny Icons aus perforiertem Leder oder den Häkelorden. Der hätte dem Landadel sicher auch gut gestanden. www.ottovonquast.com 50. 99 Luftballons. Nein, nicht Nena lässt hier ihre Ballons steigen, sondern Deer John. Der liebe John ist ein Hirsch mit Menschenkörper, ziert 180 Zentimeter extrafeine Merinowolle und könnte im Nebenjob auch in der JägermeisterWerbung auftreten. Doch bevor er dort als Trophäe an der Wand endet, raten wir ihm dringend, sich auf seine Arbeit in der Schalkollektion von Uppercase zu konzentrieren. Denn dort sieht er einfach großartig aus. Wie übrigens auch der Rest der Uppercase-Kollektion, die Sie sich unbedingt im Internet anschauen sollten. An Johnny reicht jedoch kein Modell heran. www.uppercase.de

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51. Tipp von LIP. Sind Sie auch so genervt von den ständigen Querelen um die Bahn und den ICE? Höchste Zeit zur Rebellion. Wir schlagen im ersten Schritt einen modischen Kontrapunkt vor: den LIP-Chronograf aus der Feder von Roger Tallon. Der hat nämlich den TGV entworfen. Nächste Schritte behalten wir uns vor. www.watchismo.com 52. Super, Powley! Pünktlich zur Eröffnung seines Friendshipstores im Hamburger Karolinenviertel haut das junge Streetfashion-Label Powley endlich wieder eine neue Kollektion raus. Piet Mondrian ist nur einer der Künstler, die es zu dem neuen Werk inspirierten. Zu bestaunen bei „Super, Powley!“ in der Marktstraße 142, Hamburg, oder auf www.powleyclothing.com 53. Götterdämmerung, die zweite. Und Gott stieg herab auf die Erde und beglückte die Menschen mit seinem Werk. Steht zwar nicht in der Bibel, beschreibt aber wunderbar die erneute Zusammenarbeit zwischen Raf Simons und Eastpak. Denn Designgott und Jil-Sander-Kreativkopf Simons schenkt uns diesmal 18 Produkte zwischen kariertem Filz und glänzendem Nylon zu wirklich geerdeten Eastpak-Preisen bis maximal 140 Euro. Erhältlich nur bei ausgewählten Raf-Simons- und Eastpak-Händlern. www.e-eastpak.com und www.rafsimons.com 54. Der stärkste Warhol der Welt. In Bayern hat man keinen Respekt vor der Kunst und dem Alter. Vor allem bei BMW, denn in München holte man das von Andy Warhol gestaltete BMW M1 Art Car aus dem Museum wieder auf die Rennstrecke. Ganze 23 Minuten schwang der Meister im Jahr 1979 einen ganz ordinären breiten Bürstenpinsel aus dem Baumarkt und zauberte das wohl schönste Rennwagendesign aller Zeiten auf den Lack. Eine Schande, diesen Wagen wieder auf die Strecke zu scheuchen. Doch wenigstens die Konkurrenz beim BMW M1 Procar Revival zeigte den nötigen Respekt vor der künstlerischen Leistung und hielt gebührend Abstand. Vielleicht wurde ihnen aber auch beim geschätzten Marktwert angst und bange: Der liegt mittlerweile bei einem zweistelligen Millionenbetrag. Wenn Sie sehen wollen, wie Andy Warhol den M1 bemalt hat, suchen Sie unter „BMW Art Car“ auf www.youtube.com

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55. Eine Dekade Tanzmusik. Die Märtini Brös feiern ihr Zehnjähriges mit einem Best-ofMix aus 19 Songs, darunter sechs neue exklusive Cuts und Remixes. Mehr Infos unter: www.pokerflat-recordings.com 56. Klebstoff. Das einzige, was bisher bei unseren Jeans geklebt wurde, waren die Flicken, die Mutti uns als Kind nach aufgeschlagenen Knien immer auf die Löcher packte. Da die coolen Motive zu teuer waren, zierten meist irgendwelche peinlichen Herzchen oder Enten unsere Lieblingsjeans, und wir konnten uns beim Fußballspielen auf dem Schulhof wieder einmal auslachen lassen. Dadurch waren wir auch zu Anfang sehr skeptisch, als uns aus Amsterdam die Kunde von einer komplett zusammengeklebten Jeans erreichte. Vollkommen zu Unrecht, denn die Gluejeans sieht mit ihren bunten Klebestreifen verdammt lässig aus. Auch Maßanfertigungen kleben die Macher gerne ans schlanke Bein. Großartig, finden wir, denn nun können auch Löcher einfach zugeklebt werden, und unseren Kindern ersparen wir so manch peinliche Stunde auf dem Bolzplatz. www.gluejeans.com 57. „Wie eine Rakete.“ Die Fakten sprechen für diesen Schwimmanzug. Athleten im LZR Racer holten bei den olympischen Schwimmwettkämpfen: 47 von 50 Goldmedaillen, insgesamt 135 von 152 Medaillen, 23 von 25 Weltrekorden, 29 von 30 olympischen Rekorden. Noch Fragen? Ob der LZR Fastskin jede Person zur Goldmedaille führt, können Sie in unserem Feldversuch „Weltrekord für China“ nachlesen. www.speedo.de

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58. „Verhedderte. Kassetten repariert man am besten mit einem Bleistift.“ So oder so ähnlich oberschlau hätte es wohl Justus Jonas von den Drei ??? gesagt. Was war das immer für ein Drama, wenn der Kassettenrekorder mal wieder das Band am spannendsten Teil der Geschichte gefressen hatte. In Gedenken an diese tragischen Momente im Leben können Sie sich dieses tolle Bild über die Stereoanlage hängen. Fehlt eigentlich nur der goldene Bleistift zum Aufwickeln. www.madebysawdust.co.uk/shop 59. Schmerz, lass nach! Diese Saucen sind nichts für Weicheier. Ihr passender Name: Pain Is Good. Doch bekanntlich ist es ja am schönsten, wenn der Schmerz nachlässt. Und deshalb ordern wir gleich noch ein paar Fläschchen nach! www.originaljuan.com

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60. Für Ballistiker. Früher wurde ein Fußball aus vielen Lederpentagonen handgenäht. Die perfekte Form für den besten Freund des Mannes. Heute sehen Fußbälle aus wie aneinandergeklebte Damenbinden, und auch die Freundesliste ist beachtlich länger geworden. Handy, iPod, Spielkonsolen – alle buhlen täglich um unsere Aufmerksamkeit. Zudem wollen sie vor allem eins: Strom. Da ist der Kabelsalat vorprogrammiert. Der E-Ball von Mashallah.Design bringt Ordnung in das Chaos. Außerdem erinnert er uns mit seiner Pentagonform an die gute alte Zeit. Und so können unsere neuen Freunde entspannt ihren Energiedurst stillen, und wir widmen uns endlich mal wieder dem Leder. www.mashallahdesign.com 61. Penis-Enlargement. „Wie die Nase des Mannes, so auch sein Johannes.“ Wem diese Redewendung die Partylaune verdirbt, für den gibt es jetzt genau das Richtige: Partybecher, die einem mit jedem Schluck einen Riesenzinken ins Gesicht zaubern. Funktioniert übrigens nicht nur bei Johannes, sondern auch bei Johanna. www.perpetualkid.com 62. Komplette Verschalung. Beim Fondue mit einer größeren Anzahl von Mitessern entsteht unter hungrigen Menschen schnell ein Gefühl der Unzufriedenheit. Gar nicht so sehr, weil man seine Fleisch- oder Brotbrocken nicht schnell genug garen kann, sondern weil immer die leckersten Soßen außer Reichweite sind. „Reich mir mal das Chutney, mir die Preiselbeeren, kann ich mal den Meerrettich, das Ketchup …“,

da bleibt kaum noch Luft für eine gepflegte Tischkonversation. Die Londoner Designer von voonwong&bensonsaw haben das Problem gelöst, indem sie die Schalen derart miteinander verschmolzen haben, dass eine tablettartige Konstruktion daraus entstanden ist. Damit wird jedes Fondue erträglich. www.voon-benson.com 63. Ausgehen mit System. Die drei Freunde Nicholas Andersen, Karlo Bello und Julie Ho machen sich seit über sieben Jahren um die Dekoration New Yorker Partys verdient. Inspiriert von Plastiktüten, Freundschaftsbändern, Wunschbäumen und allerhand anderen Globetrotter-Souvenirs, haben sie eine verspielte Partykollektion aus Ketten, Stirnbändern, aber auch Dekorationsobjekten designt. Schöner mitfeiern unter www.confettisystem.com 64. Schubladen-Asyl.   Es gibt zwei Typen von Leuten: Die einen richten sich mit sogenannten Designermöbeln von Ikea bis Habitat ein. Die anderen schwören auf halbantike FlohmarktFundstücke. Für alle, die sich bei beiden Einrichtungsstilen nicht wirklich wiederfinden, gibt es jetzt den Berliner schubLaden. Hier bekommen ausgediente Secondhand-Schubladen eine neue Heimat. In zeitlos schlichten, maßgefertigten Kommoden und Schränken. www.schubladen.de 65. Der Kampf ums Wasser. Das Erste, was man in der Ausstellung „1% Water And Our Future“ sieht, sind Flaschen, gefüllt mit Flüssigkeiten unterschiedlichster Couleur. Von hellgelb bis giftig grün, von durchsichtig bis moorig changieren

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diese. Es sind Wasserproben von Trinkwasser aus aller Welt. Für uns Westeuropäer wäre es undenkbar, aus den Flaschen einen Schluck zu nehmen oder es auch nur die Toilette runterzuspülen. Die Macher der belgischen Galerie Z33 wollen uns dazu ermuntern, über die Bedeutung von Wasser nachzudenken, über unser Verhältnis dazu und was Design dazu beitragen kann, die kritische Wassersituation auf der Welt zu verbessern. Der letzte Punkt macht uns wirklich nachdenklich. Wenn Design einen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität liefern kann, was ist dann noch alles damit möglich? „1% Water And Our Future“: die Ausstellung im Internet auf www.onepercentwater.org 66. Der Tag des Herrn. Das mit dem Titel ist interessant. Warum Männer zum Fußball gehen, behauptet der Autor, könne man Herren im Ruhrpott gar nicht fragen. „Weil Samstag is’“, würden die verständnislos antworten – was sonst sei an diesem heiligsten Tag der Woche möglich? Frank Goosen liebt Fußball, außerdem kann er schreiben, was er nicht zuletzt in „Liegen lernen“ unter Beweis stellte. Seine Fußballgeschichten sind also gut, herzlich und komisch zugleich. Und ab jetzt drücken wir halt dem VfL Bochum die Daumen. Frank Goosen, „Weil Samstag ist – Fußball­ geschichten“, Eichborn, www.eichborn.de


67. Metallica. Gläserne Flakons sind was für Mädchen. Echte Männer brauchen das Blinken von Chrom in ihrem Badezimmer. Das haben auch die Damen und Herren aus der Parfumabteilung von Prada gemerkt. Die limitierte Version des Männerduftes gibt es jetzt im silbernen Gewand. www.prada.com

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68. Wow-wow! Kazuya Takaoka und Sachiko Kuru scheinen so etwas wie Heinz Sielmann und Bernhard Grzimek der Designszene zu sein. Setzten sie vor vier Jahren dem japanischen Goldfisch auf 400 Seiten ein Denkmal, sind nun die japanischen Hunde an der Reihe. Wir wussten schon immer: Hunde inspirieren. www.designrelated.com 69. Flutlicht. Lassen Sie Ihre Kumpels ruhig mit den schicken LED-Scheinwerfern im Auto einen auf dicke Hose machen. Frauen beeindruckt man eher mit einer stylishen Inneneinrichtung als mit der Karre vor der Tür. Schauen Sie sich deshalb unbedingt die wasserdichten Plug-and-play-LEDFliesen vom koreanischen Designer Hyomi Kim für Ihr Bad an. Denn so ein erstrahlendes Statusobjekt lässt jegliche Pferdestärke verblassen. dvice.com/archives/2008/07/tile_light_make.php

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70. Cremissimo. Früher versuchten wir mit allen Mitteln, älter auszusehen. Denn irgendwie mussten wir ja in die Clubs und an die oberste Reihe im Spirituosenregal kommen. Wir wussten ja nicht, dass uns bereits ein paar Jahre später der Taxifahrer ungefragt auf eine Ü30-Party kutschieren wollen würde. Also her mit allem, was Heilung vom Altern verspricht. Als Erstes

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probieren wir den AGE Smart Skin Resurfacing Cleanser. Peeling und Reiniger in einem, das hilft bestimmt. www.dermalgroup.com 71. Nette Beißerchen. Es muss irgendwann in den 90ern gewesen sein. Da schwammen auf Partys immer männliche Geschlechtsteile aus Eis in den Getränken, und der Gastgeber bückte sich ob des eigenen Humors in regelmäßigen Abständen vor Lachen ab. Gut, aus Höflichkeit haben auch wir damals geschmunzelt, aber so richtig lustig war es nicht. Die Eiswürfel in Gebissform sind dagegen ein echter Hit. Wir empfehlen den Einsatz auf Omas nächstem Geburtstag. Wird bestimmt lus­tig. Ehrlich. www.worldwidefred.com/frozensmiles.htm 72. Zum Liebhaben. Warum hat eigentlich niemand mehr die Krawatte lieb? Unsere Großväter haben mit ihr noch Heiratsanträge gemacht und Geburtstage gefeiert. Und wurden schließlich mit ihrem besten Stück beerdigt. Heutzutage reißt sie sich fast jeder als Erstes nach Feierabend vom Hals. Echte Liebeserklärungen kommen dagegen jetzt vom Cyberoptix Tie Lab aus Detroit. Garantiert aus handverlesenen Materialien, sind die Detroit-Krawatten ein echter Knaller – nicht nur im Büro. www.cyberoptix.com 73. Das neue Schwarz. Vergessen Sie einfach alles, was Ihnen Ihre hippen und modebewussten Freunde gesagt haben. Nicht Grau oder Weiß oder was auch immer für eine Farbe ist das neue Schwarz. Das neue Schwarz ist und bleibt das alte Schwarz. Finden auch die Berliner Designer von QED und leben ihre Liebe auch in ihrer neuen Kollektion gnadenlos aus. www.qed-homme.com 74. Das Prekariat in der Literatur. Womöglich ist die menschliche Existenz sinnlos, sind unsere Hirne krank und Gesellschaften generell ungerecht. Mag sein. Diese nihilistische Botschaft versteckt der italienische Bestsellerautor Ammaniti allerdings hinter einer intensiven, saftigen und zunehmend verstörenden Geschichte um einige Underdogs in einer italienischen Kleinstadt. Es mag keinen Sinn ergeben, dieses Leben, aber es kann so verdammt spannend (und komisch) sein, wie es ausgeht. Niccolo Ammaniti, „Wie es Gott gefällt“, Fischer, www.fischerverlage.de

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75. Wie immer ohne Gewähr. Aus Schweden kommt mal wieder der allerallerneueste Trend: sogenannte American Lottery. Jedes Los ist in der Mitte perforiert. Die eine Hälfte verkauft man an die Mitspieler, die andere bleibt auf dem Ring. Am Ende wird dieser geöffnet und aus allen Schnipseln der Gewinner gezogen. Besonders schön hier als elegante Halskette. Auf den Schauen von Vegas sah man sie bereits als Arrangement mit Ohrringen aus Roulette-Jetons und Dreiviertelhosen aus Rubbellosen. www.kioskkiosk.com 76. Artenschutz. Der blassblaue PDE-5-Hemmer der New Yorker Pfizer Inc. ist nicht nur der Hauptbestandteil von Ron Woods Reiseapotheke. Kaum eine andere Arznei hat so viele gute Nebenwirkungen wie Viagra: Es trägt zum Artenschutz bei, denn für die seltenen Horntiere, die oft zu Aphrodisiaka zermahlen wurden, interessiert sich niemand mehr. Hunden hilft es bei Bluthochdruck und Menschen bei Höhenkrankheit. Und es sorgt für unendlich viele lustige Spam-Mails. www.viagra.com 77. Geometrie macht Spaß ! In der Schule gibt es im Fach Mathe zwei Lager. Das erste sitzt ganz vorn und interessiert sich für den Unterrichtsstoff, das zweite langweilt sich im hinteren Bereich des Raumes, blickt ständig auf die Uhr und zählt die Minuten runter bis zur Pause. Wie man Geometrie interessant aufbereitet und das mit einer Uhr verbindet, zeigt uns der japanische Designer Naoto Fukasawa. Wie die Uhrenlinie Trapezoid andeutet, hatte er die Form eines Trapezes im Kopf, als er die Uhr entwarf. Die Einfassung des Zifferblattes ist nach außen hin abschüssig und erzeugt von der Seite die Form eines Trapezes. Die Zahlen am Rand der Einfassung sind wie Geschwindigkeitsbegrenzungen auf einer Straßenoberfläche angeordnet. Betrachtet man die Uhr von oben, ziehen sich die Zahlen in die Länge und erzeugen einen Effekt der Geschwindigkeit. Schade, dass es diese Uhr zu unserer Schulzeit noch nicht gab. www.isseymiyake.com 78. What would you wear ...? Wer so geile Sachen macht wie Lova Design, der präsentiert seine neue Kollektion natürlich viel besser in einem Super8-Film als in einem popeligen Lookbook. Der Film erinnert uns ganz stark an den Vorspann der 80er-Jahre-Serie „Wunderbare Jahre“, aber leider ohne Soundtrack von Joe Cocker. Jetzt wissen wir auch, was Kevin Arnold mit 30 anhätte, und zum Glück sieht bei Lova Design kein Model aus wie die blöde Kuh Winnie Cooper. www.lovadesign.com 79. Politisch korrektes Wohnen. Der Holländer Jacob Gelt Dekker bezeichnet sich als modernen Entdecker, Unternehmer und Feingeist. Klingt vielleicht etwas überspannt. Doch wo vor 1998 auf Curaçao in Otrobanda/Willemstad noch düs­ tere Gestalten ihr Unwesen trieben, hat Dekker seitdem in Rekordzeit das wichtigste Museum zur

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Geschichte der Sklaverei in der Karibik erschaffen. Und drumherum gleich ein feines Boutique-Hotel erbaut, das höchsten internationalen Ansprüchen genügt. Curaçaos feinste Adresse. www.kurahulanda.com 80. Flav’s Flavour. Das würde Flavor Flav gefallen: eine Wanduhr, die auch um den Hals getragen ordentlich was hermacht. In diesem Fall geht es dabei allerdings nicht um das Statusgehabe einer alternden Rap-Legende, sondern um echte Philosophie: Denn jede fallende Perle der Kette symbolisiert fünf Minuten. Wollen Sie die Zeit zum Stillstehen bringen, nehmen Sie die Kette einfach vom Rad und hängen sie einer schönen Frau um den Hals. www.thorunndesign.com

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81. American Psycho. Den magischen nächtlichen Moment, wenn sich in den Rinnsalen eines Sommerregens die Sterne und die unendlichen Lichter der Großstadt zu spiegeln beginnen, können Sie sich jetzt in Ihren Flur stellen. Dann müssen Sie nur noch Ihr Regencape anziehen, die Axt aus dem Wandschrank holen und warten, bis es klingelt – ein perfekter Abend. www.saazs.com

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82. Hungry Eyes. Das Großstadt-Single-Dasein treibt Sie zum Essen aus der Dose? Dann haben wir jetzt das passende Geschirr für Sie. Frisch aus der Spraydose stammt das Graffiti-Design der fünfteiligen New-York-Delft-Kollektion. Feines Porzellan trifft Straßenkunst. Da können die Augen schon mal größer werden als der Appetit! www.lovegroverepucci.com

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83. King of Pop. In den 80ern war Michael Jackson richtig großartig. Mittlerweile ist er jedoch nicht mehr an Peinlichkeit zu überbieten. Wir haben den legitimen Nachfolger für Sie gefunden: den Rolly von Sony. Mit sechs Bewegungsmustern verfügt dieser tanzende MP3-Player über viel mehr Tanzschritte als Jacko, macht keine erbärmliche Musik und sieht mit seinen LEDs auch viel besser aus. Wir verleihen deshalb feierlich den Titel „King of Pop“ an Sonys neue Schöpfung. www.sony.de

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84. Hallo, Mr. Gott, hier spricht Jochen! Wenn Sie Ihre Gebete nicht mehr nur an den Herrn richten wollen, sondern auch noch an die große Gemeinde der Internet-User, dann sind Sie auf dieser modern gestalteten Seite richtig. Da kann jeder nachlesen, was Sie auf dem Herzen haben. Aber bitte nur Topics wie Weltfrieden, Macht des Glaubens, Wunder und dergleichen ansprechen. Profane Wünsche wie eine neue Hilti haben hier nichts zu suchen. www.dear-god.net 85. Urlaubsretter. Was haben wir uns letzten Herbsturlaub geärgert, als sich das angebliche romantische Fischerdörfchen in Südfrankreich als gnadenlose Touristenabzocke entpuppte. Hätten wir doch bloß auf die Kollegin und ihren Louis Vuitton City Guide gehört. Damit Ihnen nicht auch so ein Reinfall blüht, sollten die neuen City Guides ganz oben auf Ihrer Einkaufsliste stehen. Dieses Jahr gibt es sogar ein Jubiläumspaket mit sechs neuen Städten und Extraführer für die Metropolen Tokio, Mumbai, New York, Miami und Paris. Das ganze im schicken Jubiläums-Outfit passend zum Koffer. www.louisvuitton.com 86. Banzai. Soso, Gwen Stefani bringt ihren zweiten Duft heraus. Passend zu ihrem Klamottenlabel Harajuku Lovers bekommt er den einfallsreichen Namen The World of Harajuku Lovers Fragrance. Auch wenn wir alle inzwischen mehr als genug von diesem schrillen japanischen Stil haben, ist zumindest das erste offizielle Foto

aus der Werbekampagne nicht ganz in die Hose gegangen. Mit Siri Tollerød kann man aber auch nicht viel falsch machen. www.harajukulovers.com 87. Mini-mal Design. David Bowie fährt einen verchromten Mini, Kate Moss einen Spider-webMini, und Designer Paul Smith hat seinen Mini mit den typischen Paul-Smith-Streifen bemalt und dann auf Handtaschen und T-Shirts gedruckt. Auch der neue Mini ist modemäßig maximal gefeatured. Die Taschen und Accessoires der MINI-Collection 2008/2009 sind im vielversprechenden Pop Style gehalten. Soll heißen: Fashion meets Pop Art, was sich in der Verwendung der Primärfarben ausdrückt. Uns gefällt der Umbrella genannte Regenschirm, weil er mit Automatikund Schaltknauf-Design ausgestattet ist und somit auch dem schnöden Fußgänger das Gefühl vermittelt, immer den Knüppel in der Hand zu halten. MINI-Taschen und -Accessoires bei MINIHändlern, online unter www.MINI.de/shop sowie im ausgewählten Fachhandel 88. Schöner anbandeln. Irgendwann in den 90ern kamen Mädchen plötzlich mit fusseligen, knall­ bunten Bändchen vom Straßenfest zurück. Eins am eigenen Arm, eins für den neuen Freund, der so auch gleich den ersten Härtetest zu bestehen hatte. MEpaired YOUnited, die neue Kollektion der Berliner Designerin Sabrina Dehoff, ist für alle, die es etwas ernster meinen. Die Bändchen aus Gold, Silber oder dicker Kordel sind für Verliebte, deren Zuneigung und Geschmack etwas Zeit zum Reifen hatten. www.sabrinadehoff.com

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89. Alice im Wunderland. Diese Telefone kamen nie auf den Markt. Erst kürzlich tauchten sie durch einen Zufall irgendwo in England auf. Vielleicht liegt es daran, dass das Design irgendwie an Lewis Carrolls Wunderland erinnert. Wir finden diese Mischung aus 70ern und 80ern wunderbar. Die Telefone sind voll funktionsfähig und kompatibel mit sämtlichen Telefonnetzen – Alice wird sich freuen! www.robertopiecollection.com 90. Zaubertrank. Tee ist ein schweigsames und gesundes Getränk. Jene, die ihn ernsthaft genießen, begeben sich weit über die geblümten Teller­ränder einer Kaffeekränzchen-Plauderei hinaus und finden im Dunst ihres Aufgusses Zugang zu wahrer, stiller Weisheit. Für Anfänger empfiehlt sich während des achtminütigen Ziehens dieses Rooi-Chai das kontemplative Hersagen seiner heilenden Bestandteile: Eisen, Fluor, Kalium, Kalzium, Kupfer, Magnesium, Mangan, Natrium, Zink. Jetzt Sie. www.aran.coop 91. Dogwalk. Wenn schon Scheiße, dann mit Stil. Und ökologisch. Die Dog Poo Bags sind recycelbare Papiertüten, mit denen Sie todschick das Endprodukt von Bello entsorgen können. Tüte entfalten, über das Häufchen stülpen, die Henkelchen zusammendrücken und sich mit dem Ganzen wie mit einem Handtäschchen auf dem Laufsteg zum Mülleimer aufmachen. Damit es nicht langweilig wird, gibt es in der Kollektion 16 verschiedene Motive. www.poopoobags.com


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92. Drück mich. Niemand benutzt Kalender, weil sie Spaß machen. Kalender sind langweilig, anstrengend und sehen obendrein meistens so aufregend aus wie ein Plattenbau. Leider sind sie umso nützlicher, wenn es darum geht, nicht wieder den Geburtstag der eigenen Mutter oder Freundin zu vergessen. Bubble Calendar lässt jeden Tag zu einem kleinen Knall werden. Sie werden sich wünschen, es wäre schon morgen! www.bubblecalendar.com 93. Angesagte Aussagen. Neben „Nicht rauchen“Schildern und dem ewigen Hinweis, sein Handgepäck um Gottes willen nicht allein zu lassen, sieht man sich auf internationalen Flughäfen jetzt einer neuer Gattung von Imperativen gegenüber: DON’T BELIEVE THE HYPE oder DON’T KILL THE VINYL steht in fetter Helvetica auf den brandneuen T-Shirts der Music-Jetset- und Clubbing-Szene. Jetzt gibt’s auch Polos, Jackets und Unterwäsche. DON’T MISS: www.originalmusicshirt.com 94. Böse Jungs. Die Namensfindung ist oft ein Knackpunkt bei Bandgründungen. Hier droht zum ersten Mal die Auflösung. Die Jungs von „Der Fall Böse“ haben diese Klippe elegant umschifft und benannten sich einfach nach dem Film, für den sie den Soundtrack und gleichzeitig ihr erstes Album produziert haben. Ihr fünftes ist ein Mix aus Punk-Rock und Hip-Hop geworden. Dazu ein bisschen Blues, ein bisschen Jazz. Aber auf jeden Fall immer böse. www.derfallboese.de 95. Alfred Pennyworth. Wenn Batman einen Brieföffner besitzt, dann kann es nur dieses verdammt gut aussehende Stück aus Karbon von Purisme sein. Dunkel wie Gotham City, schnell wie das Batmobil und zugleich so sanft anzufassen wie ein frisch gewaschenes Batcape. Da Gravuren

in Karbon ungefähr so cool sind wie Robin, hinterlässt Designer Mario Zeppetzauer jedem Besitzer lieber eine ganze persönliche Nachricht per RFID-Tag. www.purisme.com 96. Rad ab! Jeder hat mal gesammelt. Irgendwas. Briefmarken. Autogramme. Mädchen. Dann Frauen. Und zwischendrin vielleicht mal Panini-Sticker. Halbwegs erwachsen, wird einem irgendwann klar, es gibt jetzt nur noch zwei Sammelleidenschaften: Autos. Und Kunst. Also hat der Brite Ptolemy Elrington mit seiner Radkappensammlung das Goldrichtige gemacht: Kunst. Puh, gerade noch mal Glück gehabt! www.hubcapcreatures.com 97. Kinetic Ambient Reflection Membrane. Heißt auf Deutsch: Bewegliche Metallschuppen werden an einer Hauswand als Membran installiert und können dann per Computer mithilfe von pneumatischen Zylindern hin und her gekippt werden. Dadurch wird das Licht unterschiedlich reflektiert, und die einzelnen Elemente erscheinen hell oder dunkel. Verstanden? Wenn nicht, auch egal. Glauben Sie uns einfach. Das sieht richtig geil aus. Unbedingt anschauen auf www.flare-facade.com

99. Acarus Schwarzeneggerus. Diese Milbe ist die kleinste arme Sau der Welt. Nicht mal einen Millimeter lang, muss sie sich im heißen tropischen Boden ständig von verfaulenden Organismen ernähren. Oder sich – wie jüngst geschehen – in einem Tübinger Labor umständlichen Fitnesstests unterziehen. Das überraschende Ergebnis, dass sie das stärkste Tier der Welt ist (sie stemmt das 1.200-Fache ihres Körpergewichts), wird sie dem „Journal of Experimental Biology“ leider nie entnehmen können. Sie ist nämlich blind. http://jeb.biologists.org 100. Farbflash. Ende der 90er war man von etwas „geflasht“, wenn man von dieser Sache besonders begeistert war. Nun, wir sind wieder geflasht, und zwar von der neuesten Mykita-Kollektion! Und das nicht nur, weil die Neuauflage der drei beliebtesten Aviator-Looks Flash heißt, sondern weil die Farbvarianten von hybrischem Gelb und Orange bis hin zu betonkaltem Grau richtig „flashig“ sind. www.mykita.com

98. Vom Allgäu nach Apulien. Klingt merkwürdig. Doch es ist die Wahrheit: Ab jetzt ist der geneigte Italien-Freund erstmals in der Lage, vom beschaulichen Memmingen im Allgäu aus nach Brindisi in Apulien zu fliegen. Nonstop, einmal wöchentlich samstags, schon ab 29 Euro. Tui Fly macht’s möglich. www.tuifly.com 92.

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lieber lehrer, lehr mich was …

Von Martina Behrens (Text) und Joanna Swistowski (Illustration)

Stärke ist zunächst ein physisches Vermögen. Trifft sie auf Schwäche, wird sie sich durchsetzen, denn für den Schwächeren ist es keine Frage des Willens, nachzugeben. Stärke und Gewalt sind eng miteinander verbunden – etymologisch zeugt das mittelhochdeutsche Adverb starc davon, das übersetzt gewaltig bedeutet – und verleihen einem Menschen Macht. Jean-Jacques Rousseau erklärt in seinem „Gesellschaftsvertrag“ die Grundsätze des Staatsrechtes dementsprechend anhand des Rechts des Stärkeren: „Der Stärkste ist nie stark genug, um immerdar Herr zu bleiben, wenn er seine Stärke nicht in Recht und den Gehorsam nicht in Pflicht verwandelt.“ Aber nur der besonnene Umgang mit Stärke respektive Macht und eine freiwillige sittliche und moralische Verpflichtung sichern den Machterhalt. 52

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Kulturgeschichtlich war die physische Stärke eines Mannes wichtig zum Überleben in der wilden Welt. Männer respektive „Menschen“ (Frauen sind ja lange Zeit gar nicht als solche betrachtet worden, wovon das Englische noch heute zeugt: Man heißt nicht nur Mann, sondern auch Mensch) sollten sich damit im weiteren Verlauf die Erde Untertan machen. Die Emanzipation läutete das Ende des starken Mannes ein – wo die Frau stark ist, erscheint der Mann schwach. Aber: Nichts bleibt wie es ist. Wir verpflichten uns freiwillig sittlich und moralisch dafür, dass Männer stark sind und es verdammt noch mal auch bleiben sollen!


Tiefe nutzen.

Ö M

Der Sprinter Kastenwagen mit bis zu 4,70m Ladelänge.

B E L

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Es geht um die Vorherrschaft im Reich der Mode. Ein unsichtbares Duell körperloser Wesen mit den Waffen der Mode: intensive Farben, starke Stoffe, scharfe Schnitte. Ein fantasievoller Mantel- und Degenfilm, in der Hauptrolle: die besten Looks der Herbst- und Wintersaison Von Oliver Schwarzwald (Fotos) und Zhoi Hy (Styling)

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Links: Hemd von Postweiler Hauber, Hose von Jil Sander, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Joop! Rechts: Mantel von Henrik Vibskov, Hemd von Maison Martin Margiela, Hose von Wood Wood, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Jil Sander

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Hemd sowie Hose von Prada, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Burberry

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Mantel von A&V, Hemd von Thomas Burberry, Hose von Maison Martin Margiela, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Joop!

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Links oben: Mantel von Whyred, Hose von Petar Petrov, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Schmoove mitte: Mantel von Joop!, Hemd von ADD, Hose von A&V und Handschuhe von Burberry Prorsum rechts oben: Mantel von Petar Petrov, Hose von Henrik Vibskov, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Jil Sander rechts unten: Cardigan von Burberry Prorsum, Hose von Joop!, Handschuhe von Burberry Prorsum und Schuhe von Schmoove

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Fotografie: Oliver Schwarzwald (www.oliverschwarzwald.de) Styling: Zhoi Hy Fotoassistenz: Frank Schmitt Stylingassistenz: Stefanie Hertel Finale Bildbearbeitung: Silke Ackermann, Natascha Scheffel (www.appel-grafik.de)

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Der in New York ansässige Explorers Club ist ein exklusiver Verein für Frauen und Männer ohne Nerven. Wer Mitglied werden will, sollte eine hohe „Toleranz für Risiko“ haben. Amerika-Kennerin Doris Chevron mischte sich für FELD HOMMES unter die Abenteurer und machte dabei ihre eigene Entdeckung: Die Mitglieder des Stamms der Unentwegten betrachten die Welt fasziniert mit ganz anderen Augen. Von Sam Bassett (Fotos) und Doris Chevron (Text)

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Alles wird teurer. Leider auch Taranteln. So musste der Explorers Club neulich ziemlich viel Geld ausgeben, um bei seinem jährlichen Galadiner im Waldorf-Astoria in New York eine beliebte Delikatesse zum Cocktail servieren zu können: 300 handliche Gliederfüßler, frisch frittiert in Tempurateig. Was Normalsterblichen den Appetit verschlägt, bereitet den Clubmitgliedern, die für diesen Abend seit Jahrzehnten aus allen Ecken der Welt anreisen, offensichtliches Vergnügen. Der Kitzel wirkt wie das ferne Echo aus einer Zeit, als die Gründergeneration bei ihren Partys aus reinem Spaß exotische Nahrungsmittel aus dem Bauchladen von Mutter Natur zubereiten und servieren ließ. Und zwar hauptsächlich jene Sachen, mit denen sich ein echter Abenteurer in der Wildnis aus überlebenstechnischen Gründen auch auseinandersetzen musste. Einst bot das Büfett Eisbärbraten und Elefantengulasch. Im Jahre 2008 waren es Wildschweinhoden an Rotwein mariniert, getrüffeltes Yak nach „Wellington“-Art, Skorpione auf Toast und knackige rotbraune Kakerlaken, farblich passend gewürzt mit Teriyakisauce. Natürlich nicht die weitverbreitete Kakerlakensorte, die in Manhattan heimisch ist, sondern Fauchschaben aus dem fernen Madagaskar, eine Spezies, die bei Gefahr Zischlaute von sich gibt. Für die Auswahl gibt es nur ein Gebot: Keine vom Aussterben bedrohten Tiere kommen auf den Tisch. So gab es diesmal denn auch keine Meerestiere, Amphibien, Reptilien oder Vögel. Was bei einer Veranstaltung, die unter dem Motto „Planet Ocean“ und unter der Schirmherrschaft der Meereskundlerin Sylvia Earle stand, ganz angebracht ist. Die Wissenschaftlerin, die von der Zeitschrift New Yorker „Her Deepness“ getauft wurde, warnt schon lange vor der weiteren Ausbeutung der Weltmeere. Und Artenschutz ist zu einem der vordringlichsten Anliegen der 104 Jahre alten Institution geworden, deren Satzung von ihren Mitgliedern mehr fordert, als „die wissenschaftliche Entdeckung von Land, See, Luft und Weltraum zu fördern und zu unterstützen“. Der Explorers Club erscheint äußerlich wie ein gesellschaftliches Fossil aus einer Zeit, als Polarforscher, Tiefseetaucher, Bergsteiger und Zoologen den unbekannten Rest der Welt bereisten, vermaßen und kartografierten. Ein Überbleibsel aus dem 20. Jahrhundert, das „mit Helden auf Hundeschlitten“ begann und „mit Pauschalreisen zu den Steinzeitvölkern Irian Jayas“ endete (Der Spiegel). Das Traditionsbewusstsein hat sich in der Kleiderordnung gehalten. Zum Dinner trägt man Frack und Orden, Abendrobe oder den „einheimischen Habitus“ von Stammesangehörigen. Maßgeschneidert oder Couture, versteht sich. Aber das Forscherselbstverständnis hat sich gewandelt, denn die spektakulären Entdeckungen sind längst gemacht. Die letzte Arbeit haben Astronauten geleistet, die den Erdball aus der Totalen erlebten und die bei der Landung von Apollo 11 eine Miniaturversion der blau-weiß-roten Clubflagge mit den Initialen EC auf dem Mond dabei hatten. Aber die Welt steckt im Detail noch immer voller Geheimnisse und Abenteuer. Was man sofort versteht, wenn man einen der Vorträge in dem Stadtpalais mit der neogotischen Fassade in Manhattan besucht, in dem der Club residiert. Dort berichten moderne Abenteurer von ihren Entdeckungen und For-

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Und der Eisbär, der hat Zähne: Erlegt hat Johan Ernst Nilson auf seinen 20 Expeditionen riesige Raubtiere nur mir seiner Filmkamera. Aber manchmal wird es selbst in der unendlichen Weite nördlich vom Polarkreis ziemlich eng. Unvergessen ist der Morgen, als er aufwachte, sich aus dem Zelt rollte und gleich neben sich frische Spuren von einem Eisbären entdeckte.


Einflugschneise Elbe-Biotop: Weißstörche sind vom Aussterben bedroht. Doch die Amerikanerin Lorie Karnath hat mitten in Deutschland einen Weg gefunden, ihnen Nistplätze zu schaffen, wo sie eine Chance haben, zu überleben. Ihr Einsatz basiert auf Grundlagenforschung par excellence. So ist sie den Vögeln immer wieder auf ihren bis zu 5.000 km langen Flugrouten von Südafrika bis nach Mitteleuropa nachgereist.

Mehr als nur ein Kleines Vermächtnis: Im tropischen Trockenwald von Honduras spürte Robert E. Hyman aus Washington mit eigener Kamera unter anderem den seltenen Smaragdkolibri auf – eine Vogelart von schillernder Schönheit.

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immer auf der höhe: Robert Mads Andersson, Kreativdirektor einer Marketingfirma, mag dünne Luft. Er flog zwei Jahre in einem uralten Doppeldecker um die Welt und gehört zu den wenigen Alpinisten, denen die Alleinbesteigung der höchsten Gipfel von Nord- und Südamerika, Afrika, Europa, Asien, Ozeanien und der Antarktis gelungen ist. „Über den Wolken sieht man die Freiheit mit großen Augen. Solange man eine Situation unter Kontrolle hat, spendet das alles richtig Freude.“

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schungsergebnissen, die so gar nicht zu dem antiken Interieur des fünf Stockwerke hohen Gebäudes an der Upper East Side passen wollen: Wandelgänge und Vitrinen mit alten Jagdtrophäen, die frühere Mitglieder spendiert haben, in denen man riesige Elefantenzähne, einen ausgestopften Leoparden und einen Eisbären sowie den exorbitanten Penis eines Spermwals bewundern kann. Stolz ist man im Explorers Club vor allem auf Mitglieder, die jeweils die Ersten waren. Auf Männer wie Robert Peary (Erster am Nordpol, 1909), Roald Amundsen (Erster am Südpol, 1911), Sir Edmund Hillary (Erster auf dem Mount Everest, 1953) und Neil Armstrong (Erster auf dem Mond, 1969). Charles Lindbergh, dem der erste Soloflug über den Atlantik gelang, und „Chuck“ Yeager, der als Erster die Schallmauer durchbrach, stehen ebenfalls auf der illustren Clubliste. Aber man hat im Rahmen strenger Aufnahmeverfahren auch Leute wie den Asien-Kenner Sven Hedin, den Tibet-Experten Heinrich Harrer, den Seefahrer und Pazifik-Forscher Thor Heyerdahl sowie den amerikanischen Präsidenten „Teddy“ Roosevelt, der nach seiner Zeit im Weißen Haus das Amazonasbecken bereiste, zugelassen. Clubmitglied Roy Chapman Andrews, der im Auftrag des New Yorker Museum of Natural History mit seinem Revolver um die Welt fuhr, soll übrigens das Vorbild für Indiana Jones gewesen sein. Nicht für alle Leistungen liegen ausreichend beweisführende Dokumente vor. So wird mittlerweile von Fachleuten angezweifelt, dass Robert Peary den Nordpol je erreicht hat. Obendrein gibt es Belege dafür, dass ihm ein Konkurrent diese Ehre streitig machte: der Explorers Club-Mitbegründer Frederick Cook. Cook wurde allerdings später aus dem Club geworfen, nachdem er aufgrund einer weiteren zu dick aufgetragenen Behauptung noch mehr ins Zwielicht geraten war: Er hatte nie den Mount McKinley in Alaska erklommen, den höchsten Gipfel Nordamerikas.

auf den spuren von cousteau: über Wasser in Prada, unter Wasser in knallgelbem Neopren. Den Ozean vergleicht Douglas David Seifert gern mit einem guten Krimi. „An Land kann man meilenweit sehen, unter Wasser höchstens 30 bis 50 Meter. Da lauern denn auch Überraschungen.“ Seine gefährlichste Mission: der Versuch, eine Gruppe von 300 Riffhaien von unten abzulichten.

Die heutige Generation hat andere Ziele. „Heute erkunden wir die weißen Flecken in unsere Seele“, erklärt der Dokumentarfilmer Johan Ernst Nilson, der schon von Stockholm nach Afrika im Kajak paddelte und in 100 Ländern dieser Erde gewesen sein will. „Man setzt sich ein Ziel – und erreicht es womöglich erst Jahre später. Aber meine Vorhaben haben immer etwas mit Umweltschutz zu tun.“ Sein Arbeitsfeld sind die Arktis, wo er schon mal morgens nach dem Aufwachen die Spuren von Eisbärentatzen keinen Meter entfernt von seinem Schlafsack gefunden hat, und die Antarktis, wo er Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Stunde standhalten musste. Eine Woche lang konnte er sich nicht fortbewegen. „Ich versuche, vor einer Expedition an alles zu denken. Angst habe ich nur vor Sachen, an die ich vorher nicht gedacht habe.“ Immer mehr Abenteurer von heute sind studierte Naturwissenschaftler. Also Leute wie Dr. Kenneth Lacovara, Paläontologe aus Philadelphia und Dinosaurier-Fachmann, der in der chinesischen Provinz Gansu die ältesten versteinerten Überreste „moderner“ Flugtiere gefunden hat. Andere Mitglieder widmen sich der Erforschung des Weltalls: Steven W. Squyres, Astronomieprofessor an der Cornell University, steht jeden Tag genau dann auf, wenn auf dem Mars der Tag anbricht. Mithilfe zweier

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mit Sonnenenergie betriebener Roboter namens „Spirit“ und „Opportunity“ ist er seit mehr als 1.000 Tagen dem Leben und dem Wasser auf dem Roten Planeten auf der Spur. Judson „Jud“ Wynne, Höhlenbiologe aus Arizona, sucht ebenfalls nach dem Außerirdischen. Er versucht, aus thermografischen Aufnahmen die Lage von Höhlen auf dem Mars herauszulesen. Die Clubmitglieder, die sich Lebensgewohnheiten bedrohter Tiere widmen, haben berühmte Vorbilder wie den deutschstämmigen Biologen George Schaller, der durch seine Erforschung der Lebensverhältnisse von Säugetieren wie Jaguar, Schneeleopard, Panda und Gorilla die Einrichtung zahlreicher Tierschutzgebiete möglich machte. Carol Amore zum Beispiel hat auf den Spuren von Bengaltigern drei Monate lang auf dem Rücken eines Elefanten Indien bereist und einen preisgekrönten Film gedreht. Die New Yorkerin, die zwischen ihren Trips Managern von großen Firmen Organisationseffizienz und Entscheidungsfindung beibringt, leitet auch Expeditionen. Wer mit ihr reist, empfiehlt sie, sollte sein Testament gemacht haben. Angst vor den majestätischen Geschöpfen, mit denen sie sich gerne fotografieren lässt, hat sie nicht. Amore definiert den Forscher von heute als „gewaltige Mischung aus Traumtänzer, Visionär, Rechercheur, Anthroposoph, Sprachwissenschaftler, Pilger, Athlet und Mechaniker“ und weiß: „Es ist die Toleranz für Risiko, die Forscher von stinknormalen Abenteurern unterscheidet.“ Von den knapp über 200 Explorers Club-Flaggen, die der Club den Leitern wichtiger Expeditionen mitgibt, wehte Nummer 81 in Lüchow-Dannenberg. Lorie Karnath, Vorsitzende des Western European Chapters des Clubs, trug sie für ihre Arbeit über die Flug- und Nistgewohnheiten der bedrohten Weißstörche dort hin. Die Amerikanerin, die nach Jahren in New York und Hongkong heute in Berlin lebt und in Niedersachsen ein Storchenbiotop angelegt hat, weist gerne darauf hin, dass man als Forscher nicht in die Ferne schweifen muss. Natürlich packt auch sie, die ihren Mann im Explorers Club kennengelernt hat, ab und zu das Fernweh: 90 Jahre nach der Expedition des diskreditierten Mitglieds Frederick Cook marschierte sie auf seinen Spuren in die Arktis und erreichte das gesteckte Ziel: den Nordpol. „Irgendwann gibt es den Entdeckervirus, den man einfängt und nie wieder loswird“, sagt Robert Hyman, Investor aus Washington, der sich mit Flagge Nummer 51 auf der Suche nach vorgeschichtlichen Felszeichnungen im Dschungel von Panama fotografieren ließ. Seitdem suchte er im tropischen Trockenwald von Honduras den gefährdeten Smaragdkolibri.

Kampfeinheit: Seit sie 16 ist, durchstreift Carol Amore die Steppen Afrikas und die Eiswüste der Arktis. Ihr besonderes Anliegen gilt den bedrohten Bengaltigern.

Auch im nächsten Jahr will Hyman versuchen, wieder im Waldorf dabei zu sein. Genau wie Douglas Seifert. „Es ist gut, die Abenteuerstimmung mit so vielen anderen teilen zu können“, sagt der Taucher, der Musik studiert hat und seine Unterwasserexpeditionen auf der ganzen Welt stets weithin sichtbar im knallgelben Neoprenanzug antritt. „Es ist ein guter Ort, um feststellen zu können, dass man nicht der Einzige ist, der verrückte Sachen macht.“

Die New Yorkerin, die zwischen ihren Trips Managern von großen Konzernen und Soldaten der US-Special Forces Organisationseffizienz und Entscheidungs­findung lehrt, sieht in der Geschäftswelt „denselben Kampf um Macht und Rang wie bei den Tigern“. Die Vierbeiner wirken allerdings majestätischer.

Fotografie: Sam Bassett (www.sambasset.com) Finale Bildbearbeitung: Janina Melles (www.appel-grafik.de)

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Ab in die Tiefe: Christine Dennison, Gründerin von Mad Dog Expeditions,

Reine Nervensache: Als Neurophysiologe erforscht S. Allen Counter den

will als erste Frau den Nordpol von unten erkunden – im Tauchanzug.

Einfluss von Quecksilber auf das menschliche Gehirn, als Forscher Ge- und

Unter der Schutzkleidung trägt sie gerne Spitzenunterwäsche.

Missbrauch des gefährlichen Metalls in den Goldminen der Anden. Die Arktis,

Etwas, das sie beileibe von zwei prominenten Clubmitgliedern, den

das Amazonasbecken, der Regenwald in Ecuador, Surinam und Ägypten

Polentdeckern Amundsen und Peary unterscheidet. Andere Privilegien

gehören ebenfalls zu den Interessensgebieten des vielseitigen Harvard-Professors.

haben Frauen nicht. Sie wollen schließlich ernst genommen werden.

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Sie verprassen das Geld ihrer Eltern. Sind konservativ bis in die Knochen, halten Shoppen für einen sinnvollen gesellschaftlichen Beitrag und gut aussehen für ihre moralische Pflicht. Wenn das die Mächtigen von morgen sind, na dann gute Nacht! Von Andreas Johansson (Fotos) und Lars Fredrik Svedberg (Styling)

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Jesper: graues Jackett von J. Lindeberg, Sweater von Filippa K und Hemd von Nikolaj d’Étoiles, beides in Weiß André: navyfarbenes Jackett von Coming Soon und bordeauxfarbenes Hemd von J. Lindeberg Jacob: graues Jackett von J. Lindeberg, dunkelblauer Pullover von Björn Borg und weißes Smokinghemd von Acne

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Jesper: graue Weste von Acne, schwarz-weißes Hemd von Tiger of Sweden, Hose sowie Schuhe, beides in Schwarz, von Acne und grau-blau-gestreifte Krawatte Stylist’s own Jacob: schwarze Weste von Acne, schwarz-weißes Hemd von Oscar Jacobson, beigefarbene Chino von Blank, weiße Krawatte von Mads NØrgaard und schwarze Schuhe von Acne

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Charlie: Jackett von L’ecole National, Hemd von H&M, beides in Schwarz, beige Cordhose von Wester, schwarzer Gürtel von Acne und Jojo von H&M

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Jacob: Mantel von Hugo by Hugo Boss und Hemd von Nikolaj d’Etoiles, Sonnenbrille von PPQ, alles in Schwarz Jesper: blauschwarzer Mantel von Burberry Prorsum, Hemd von Blank und Krawatte von Mads NØrgaard, beides in Schwarz

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Jacob: schwarzes Jackett von Coming Soon, weißes Hemd von Acne, graue Hose von Gant und schwarz-weiße Krawatte von Tiger of Sweden Jesper: schwarzes Jackett von Nikolaj d’Étoiles, weißes Hemd von Replay, graue Hose von Gant und schwarz-weiße Krawatte von Mads NØrgaard

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Charlie: schwarz-weißes Hemd von Björn Borg, Hose von Acne und Hut von Kocksgatan 17, beides in Schwarz Jacob: schwarz-weißes Hemd von Coming Soon und schwarze Hose von Boss Jesper: schwarz-weißes Hemd von Coming Soon und schwarze Hose von Hugo by Hugo Boss

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Charlie: graubeiger Mantel von Blank, Hemd von Nikolaj d’Étoiles, Hose von Mads NØrgaard, beides in Grau, und beige Schuhe von Acne JaCob: brauner Anzug von Burberry Prorsum, Hemd von April 77 und Schuhe von Gaspard Yurkievich, beides in Schwarz

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Charlie: schwarzer Pullover von Nikolai d’Étoiles, schwarz-weißes Hemd von Oscar Jacobsson, schwarze Hose von Mads NØrgaard, Hut Stylist’s own, weiße Krawatte von Acne und schwarze Schuhe von Hugo by Hugo Boss André: Pullover von Diesel und Hose von Oskar Jacobson, beides in Schwarz, schwarz-weißes Hemd von Won Hundred, schwarzer Hut von New York Hats und weiße Krawatte von Mads NØrgaard

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Fotografie: Andreas Johansson (www.lundlund.com) Styling: Lars Fredrik Svedberg (www.lundlund.com) Fotoassistenz: Per Englund Stylingassistenz: Zara Zachrisson Haare: Mike Lundgren (www.lundlund.com) Make-up: Kajsa Svanberg (www.mikas.se) Models: Jesper und Charlie (www.marionvain.com), André und Jacob (www.mikas.se)

Jesper: schwarzer Mantel von Won Hundred, schwarz-weißes Jackett von Mads NØrgaard, weißes Hemd von H&M, Mütze und Krawatte in Grau von Hope Charlie: schwarzer Mantel von Nakkna, Jackett von H&M und Mütze von New York Hats, beides in Schwarz-Weiß

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Jesper: hellgrauer Mantel von Burberry Prorsum, rot-schwarzes Hemd von April 77, graue Hose von Wester, schwarze Schuhe von Gaspard Yurkievich und grauer Ledergürtel von Wester André: rot-weiß gestreiftes Hemd von Filippa K, graue Hose von Wester und schwarze Lackschuhe von Gaspard Yurkievich

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Robert Gabriel Mugabe, (* 21. Februar 1924 in Masvingo) Jesuitenschüler. Student der Philosophie, Pädagogik und Wirtschaftswissenschaften, 1984 Dr. h. c. der Universität Edinburgh (2007 aberkannt), 1994 Knight Commander des Order of the Bath (2008 aberkannt) und seit 1980 zunächst Premierminister, dann Staatsoberhaupt von Simbabwe. Zu Amtsbeginn als Reformer und geschickter Staatsmann im Sinne Afrikas gefeiert, baut er das Schulsystem Simbabwes zu einem der besten in ganz Afrika aus. Mit Beginn der 90er-Jahre veränderte Mugabe seine Haltung. Zunehmende Gewalt gegen politische Gegner, internationale Isolierung und Manipulation mehrerer Wahlen führten zum Ausschluss Simbabwes aus dem Commonwealth of Nations und zum Einreiseverbot Mugabes in die Europäische Union. 2008 wurde Mugabe unter zweifelhaften Bedingungen in seinem Amt bestätigt muss sich aber erstmals die Macht mit der Oppositon teilen.

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In gesellschaftlich schwierigen Situationen ruft das Volk gerne nach dem „starken Mann“. Nach einem, der physisch und psychisch souverän genug ist, sich auch gegen den Willen anderer durchzusetzen. Aber was, wenn er seine Stärke und Macht gegen die verwendet, die ihn einst herbeisehnten? Der Fotokünstler Hans Weishäupl hat dem Bösen, in Gestalt der 13 bekanntesten Diktatoren der letzten 100 Jahre, ins Gesicht geschaut. Von Hans Weishäupl (Fotos), Sabine Cole und Patrick Morda (Text)

Die Karriere eines Diktators im 20. Jahrhundert trägt fast proto­ typische Züge. Die klassische Laufbahn eines modernen Al­ leinherrschers beginnt in der Regel in einfachen, oft ärmlichen Verhältnissen, meist in einer unterdrückten Lebenssituation. Dabei scheint der potenzielle Despot zunächst nicht per se böse. Die persönlichen familiären Bedingungen, die allgemeine weltpolitische Lage, ein zündender Funke und der oftmals beschriebene Rausch der Macht lassen sich allenthalben in den Biografien finden. Die jeweiligen tatsächlichen Auslöser hinter den Taten zahlloser Despoten und dagegen nur schwer zu fas­ sen sind kaum kategorisierbar. Meist erkennt man zu Beginn einer Herrschaft noch vage politische Ziele. Oft beginnt der Tyrann sogar als gefeierter Befreier. Die Handschrift der Gewalt wie z.B. die Vertreibung politischer Gegner oder Andersgläubiger birgt noch eine gewisse Logik in sich. Hierbei helfen nicht selten ein solider Militärapparat, Geheimdienst und die Werkzeuge der Massen­ medien. Diktatoren sind nicht zuletzt auch Demagogen. Mit zunehmender „Amtszeit“ wird dann offensichtlich, dass man als Herrscher mit seinen Taten tatsächlich davon­ zukommen scheint. Letzte Hemmschwellen beginnen zu fallen. Gleichzeitig wird das selbst geschaffene Feindbild zur Legitimation des eigenen Handelns immer realer und wirkt identitätsstiftend. Es setzt eine Art von Paranoia ein, die instru­ mentalisiert und einer ganzen Gesellschaft eingeimpft wird. Im Laufe der Zeit schwindet allerdings die Akzeptanz inner­ halb von Teilen oder der ganzen Gesellschaft. Die nationalen und internationalen Proteste (oft verbunden mit erheblichen wirtschaftlichen Assoziationen und Begriffen wie „Schurken­ staat“) und Gegenbewegungen nehmen zu, und die anfäng­ lichen Leitbilder verschwimmen, werden widersprüchlich, geraten außer Kontrolle und enden oftmals in blankem Terror gegen jeden und alles. Der Diktator und mit ihm manchmal die gesamte Gesellschaft driftet in eine rezessive Spirale, aus der meist nur der Tyrannenmord, sei es durch inländische oder ausländische Kräfte, befreit. Ob sich die neu installierte Stärke dann aber als eine gute erweist, zeigt immer erst die Zeit. Politische Machtmonopole sind ein Synonym für Kontrolle. Kontrolle über Justiz, Gewalt, Ressourcen, Informationen, Bildung und Entscheidungen. Macht ist dabei, wie man von Heinrich Popitz lernen kann, kein Zustand, sondern eine Sucht, ein immerwährendes Verlangen – und daher unstillbar. Es ist die Macht des einen und die Ohnmacht des anderen, die

sich scheinbar unaufhaltsam gegenseitig aufschaukeln und in unmenschlichen, kaum beschreibbaren Exzessen enden. Dabei ist Diktatur und Despotismus längst kein Phänomen der Ver­ gangenheit mehr. Politische Schurken werden in der Moderne in der Regel nicht geboren, sie werden gemacht. Auch der Fotokünstler Hans Weishäupl hat Diktatoren „ge­ macht“. Er hat dem Bösen auf ganz eigene Weise ein Gesicht gegeben. Von November 2007 bis März 2008 fotografierte er mit seinem Team in Hamburg, München, Wien, Dresden, Frankfurt, Berlin, Amsterdam, Moskau, Belgrad, London, Barcelona, Paris und Mailand mehr als 350 Personen aus den 13 Herkunftsländern der 13 grausamsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Aus den Gesichtern von Menschen des jewei­ ligen Landes entstanden 13 „Faces Of Evil“. Jede Falte, jede Augenbraue, jeder Leberfleck wurden dem Original getreu nachgebaut. Ebenso Narben, Hautschuppen, Nasenhaare, gro­ be Poren oder Tränensäcke. Die Oberlippe eines Schlossers aus Dresden ist Hitlers Oberlippe geworden. Es gehört schon mehr dazu, ein Diktator zu werden, als einen Tränensack zu einem Porträt Miloševićs beizusteuern. Aber es ist verblüffend, wie die Porträts der 13 Diktatoren durch die Imi­ tation gegenwärtig, menschlich und nahbar werden. Schauen Sie ihnen in die Augen. Erkennen Sie in den Augen Pinochets den warmen Blick Ihres Großvaters wieder? Hans Weishäupls „Faces Of Evil“ fordern durch ihre beson­ dere, ungewöhnliche Herstellungsweise zur Auseinanderset­ zung auf: einerseits mit dem Menschsein von Tyrannen, an­ dererseits damit, dass sich hinter einem vermeintlich starken Mann eine Vielzahl vermeintlich schwacher Helfer und Hel­ fershelfer verbirgt, die in ihrer Gesamtheit das Gesicht einer Schreckensherrschaft bilden. „Was ist gut, was ist böse“, fragt Nietzsche. „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen“, befindet Albert Einstein. Und fügt damit ein weiteres Puzzleteilchen zu der Antwort auf die Frage nach dem Bösen, die die Menschheit seit An­ beginn beschäftigt. Das Buch „Faces Of Evil“ ist seit September 2008 lieferbar. Hardcover mit Schutzumschlag, deutsch/englisch, 120 Seiten, 13 Farbabbildungen, ISBN: 978-3-00-025059-00 Mehr infos unter: www.faces-of-evil.com ART

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Augusto José Ramón Pinochet Ugarte (* 25. November 1915 in Valparaíso; † 10. Dezember 2006 in Santiago de Chile) Vom 11. September 1973 bis zum 11. März 1990 regierte Pinochet Chile erst als Vorsitzender einer Militärjunta und später als Präsident (ohne jemals gewählt worden zu sein), nachdem er am Putsch gegen den damaligen sozialistischen Präsidenten Salvador Allende beteiligt war. Während Pinochet wegen unzähliger Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurde, verteidigten ihn andere, vor allem konservative Ökonomen aufgrund von Pinochets wirtschaftsliberalen Strukturreformen nach 1975. Seit dem Putsch Pinochets am 11. September 1973 wurden fast 17 Jahre lang Menschen systematisch verfolgt und gefoltert. 27.255 politische Gefangene wurden anerkannt, man geht von einer Folterquote von 94 % aus. Über eine Million Chilenen verließen das Land, um dem Regime zu entkommen. Ein großer Teil von ihnen erhielt politisches Asyl in Schweden oder der DDR. Aus gesundheitlichen Gründen wurde Pinochet 2001 für nicht verhandlungsfähig erklärt und starb, bevor er verurteilt werden konnte.

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Slobodan MiloŠeviĆ (* 20.8.1941 in PoŽarevac; † 11.3.2006 Den Haag – Scheveningen) Der Sohn montenegrinischer Eltern – beide begingen Selbstmord – strebte in der politischen Karriere nach der Etablierung eines Großserbiens. Unter seiner Präsidentschaft Serbiens stürzte die Balkanregion in die ethnischen Konflikte der Jahre 1990 bis 1995. Nicht zuletzt seine Haltung in der Kosovo-Frage 1999 führte indirekt zur ersten militärischen Intervention deutscher Militäreinheiten nach 1945. Am 27.5.1999 wurde Milošević vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) angeklagt. Die Anklageschrift sprach von der Planung, Anordnung, Durchführung und Unterstützung von Verbrechen an nationalen, religiösen oder ethnischen Gruppen unter seiner Verantwortung. Milošević wurde am Morgen des 11.3.2006 tot in der Zelle im Gefängnis Scheveningen aufgefunden.

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Kim Il-sung (* 15. April 1912 in MangyÕngdae, heutiges Nordkorea; † 8. Juli 1994 im Hyangsan Chalet in den Myohyang-san-Bergen, Nordkorea) Am 9. September 1948 rief Kim die Demokratische Volksrepublik Korea mit sich als Ministerpräsidenten aus. Die Volksrepublik bildete einen Gegenpol zur westlich orientierten Republik Korea, die bereits im August 1948 im Süden des Landes gegründet worden war. 1949 konnte Kim mithilfe Stalins seine Macht festigen. Sein Versuch, die beiden koreanischen Staaten mit militärischen Mitteln zu einen, führte zum Koreakrieg (1950 bis 1953) und zur endgültigen Spaltung des Landes. Nach dem Krieg baute Kim eine Diktatur nach stalinistischem Vorbild und einen umfassenden Personenkult auf. Er selbst ließ sich als der „Große Führer“ feiern. Nordkorea wurde von der restlichen Welt fast völlig abgeschottet. Kim errichtete Straflager und setzte die Bevölkerung zunehmenden Repressalien aus. Die Hälfte des Bruttosozialprodukts wird für das Militär ausgegeben, ein großer Teil der Bevölkerung hungert. Am 8. Juli 1994 starb Kim Il Sung an einem Herzinfarkt. Am 20. Juli wurde sein Sohn Kim Jong Il zu seinem Nachfolger ernannt.

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Saddam Hussein (* 28. April 1937 in al-Audscha bei Tikrit; † 30. Dezember 2006 in al-Kazimiyya bei Bagdad) Hussein wurde als unehelicher Sohn in einer Bauernfamilie geboren und wuchs bei seinem Onkel auf. 1956 trat er der damals noch verbotenen Ba’th-Partei bei und nahm 1957 an einem erfolglosen Putschversuch gegen den irakischen König Faisal II. teil. 1968 unterstützte er einen erfolgreichen Staatsstreich von Ba’th-Partei und Armee. Saddam Hussein war von 1979 bis 2003 Staatspräsident und von 1979 bis 1991 sowie 1994 bis 2003 Premierminister des Irak. Als Regierungschef führte Saddam Hussein den Irak in 23 Jahren in den politischen und wirtschaftlichen Ruin. Durch seiner Invasion in Kuwait provozierte er 1991 den Ersten Golfkrieg , wegen des angeblichen Besitzes von Massenvernichtungswaffen begann 2002 der Zweite Golfkrieg. Ein umstrittener Militärschlag gegen das Land führte im März/April 2003 zum Ende der Herrschaft Husseins. Am 13. Dezember 2003 wurde Saddam Hussein von US-amerikanischen Besatzungstruppen festgenommen und am 5. November 2006 durch ein Sondertribunal zum Tod durch den Strang verurteilt. Unter Protest der Weltöffentlichkeit wurde er am 30.12.2006 hingerichtet.

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Lassen Sie nie, aber auch wirklich nie, ein attraktives Mädchen allein in Ihrer Wohnung. Sie könnte sich langweilen. Und so ein Männerreich befeuert schnell die Fantasie. Von Fabrizio Rainone (Fotos) und Shazzy Thomas (Styling)

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Schwarzes Korsett von Sian Hoffman für Bordello, blau-pink-gestreifte Socken von Paul Smith und goldene Schuhe von Natasha Marro

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Weste von J. Lindeberg, Slip sowie Strümpfe von Agent Provocateur und Schuhe von Natasha Marro

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Weste von Filippa K

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Smokingjackett von Paul & Joe, Slip von Coco de Mer und Strümpfe von Falke, alles in Schwarz

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Fliege von Thomas Pink, Netzstrümpfe von Aristoc, beides in Schwarz und rote High Heels von Natasha Marro

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Hemd von Paul & Joe, Korsett von Berdita, Slip von Agent Provocateur, Socken von Paul Smith und Lackpumps von Natasha Marro

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Pinker BH von Myla, graues Tanktop als Kleid von Hanro, Netzstrümpfe von Myla, Ankle Boots von Celine, alles in Schwarz, und schwarz-rote Handschuhe von Agent Provocateur Fotografie: Fabrizio Rainone (www.jgkinc.net) Styling: Shazzy Thomas (www.shazzythomas.com) Make-up: Yasmin Heinz (www.dwmanagement.co.uk) Haare: Keiichiro Hirano (www.dwmanagement.co.uk) Model: Tiah (www.stormmodels.com) Finale Bildbearbeitung: Mario Seyer (www.appel-grafik.de) Vielen Dank an Chris und Sasha

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Ich blinke, also bin ich! So lautet das Mantra japanischer LKW-Fahrer. Wer als Trucker Stärke zeigen will, protzt nicht mit PS und Hubraum, sondern mit Spiegeln, Glitzerlampen und Glühbirnchen. Decotora heißen die rollenden Weihnachtsbäume. Fehlt nur noch Lametta am Fuchsschwanz. Von Masaru Tatsuki (Fotos) und Nils Wollny (Text)

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Optimus Prime von Transformers würde vor Neid erblassen. Decotora-Trucks haben nicht selten einen Auftritt, als wären sie einem Science-Fiction-Film entflohen.

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Viel Chrom ist das Kennzeichen des Kanto-Styles, der die Trucks aus Tokio und Umgebung auszeichnet.

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Von ihrem Ursprungszweck als Rostschutz sind die Chromteile mittlerweile meilenweit entfernt.

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Aerodynamik? Für Decotora-Trucker vollkommen unbedeutend.

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Damit es noch heller leuchtet, installieren die Trucker gerne Extraspiegel zur Reflexion des Lichtes.

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Es hat alles so harmlos angefangen: Der erste motorisierte Lastwagen von Gottlieb Daimler hatte eine Nutzlast von 1,5 Tonnen, einen 2-Zylinder-Viertaktmotor mit 1,06 Liter Hubraum und eine Leistung von gerade einmal 4 PS. Vergleichsweise süß, verfügt doch der MAN TGX V8 als heute stärkster Serien-Truck Europas über eine Nutzlast von bis zu 40 Tonnen, einen V8-Motor mit 16,2 Litern Hubraum und 680 PS sowie einen Dieseltank mit einem Fassungsvermögen von 1.000 Litern. In Japan erntet man mit derlei PS-versessenen Informationen nur ein müdes Lächeln. Hier zählen weder Hubraum, PS noch Nutzlast. Wer als Trucker etwas auf sich hält, fährt einen Decotora. Decotoras, das sind „Decoration Trucks“, straßenübliche Lastkraftwagen, die individuell zu regelrechten Kunstwerken umgestaltet werden. Das Ergebnis ist technisch und optisch irgendwo zwischen Transformers, UFO und rollender Jahrmarktbude anzusiedeln. Ihren Ursprung haben die Decotora in den 70er-Jahren, als Trucker im Nordosten Japans begannen, Teile aus rostfreiem Stahl an ihre Fischtransporter zu bauen. Dadurch sollte die Anfälligkeit gegen Rost verringert und damit die Haltbarkeit erhöht werden. Da die Teile nicht immer problemlos verfügbar

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waren, bedienten sich die Trucker häufig an alten Bussen oder US-Militärfahrzeugen. Richtig populär wurden Decotoras im Jahre 1975 durch das Roadmovie „Torakku Yaro“, in dem der Hauptdarsteller in einem individuell umgestalteten LKW quer durch das Land fährt. Grob lassen sich heute drei DecotoraStilrichtungen unterscheiden: der Kansai-Style aus Osaka, der Kanto-Style aus Tokio und der am cineastischen Vorbild orientierte Retro-Style. Decotora-Trucks sind mittlerweile ein fester Bestandteil der japanischen Popkultur. Mit Zenkoku Decotora Matsuri ist in Japan seit Frühjahr 2008 sogar ein eigenes Spiel für Nintendo Wii erhältlich. Wer also die klassischen Racing-Games wie „Gran Turismo“ oder „Need for Speed“ satt hat, kann mithilfe des Decotora-Simulators seinen eigenen Truck gestalten (inklusive individuellem Airbrush-Design) und gegen andere im Wettbewerb um Lieferaufträge antreten. Wie in der Realität, zählt auch auf der Spielkonsole weniger die Pferdestärke, als seine Mitspieler optisch zu blenden. LKW-Fahrer sind die – einsamen – Könige der Landstraße. Decotora-Fahrer haben den Glanz während ihrer Regentschaft deutlich erhöht. Ein Decotora-Reiter leuchtet elektrisch. Von innen und von außen.


Lampen und elektronische Aufbauten aller Art sind beim Kansai-Style ein absolutes Muss.

Masaru Tatsuki, Decotora © 2007 Little More, Japan, ISBN-10: 489815218X

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Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen, Lagen sollst du tragen. Spätestens wenn die ersten Gewitter kommen, sollten Sie Ihre Garderobe erden: mit souveränen Kombinationen für einen donnernden Layer-Look. Von Anka Bardeleben (Fotos) und Christian Stemmler (Styling)

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Roter Anzug mit integriertem Schal von Y-3 und hellgrauer Cardigan von Raf by Raf Simons

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LINKS: orangefarbene Skimütze von C.P. Company, blaue Jeansjacke von Lee Gold Label, schwarzer Pullover sowie schwarze Hose von Petar Petrov, schwarzer oversized Schal von Joop! und schwarze Stiefel von Y-3 RECHTS: Jacke auf der linken Schulter von Hackett London, hellgrauer Mantel, schwarzer oversized Cardigan, schwarzer Strickpullover und schwarze Hose von Tiger of Sweden und Schuhe von Diesel

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Schwarzer Nylonmantel, schwarze oversized Weste, blaues oversized Hemd und schwarze Jeans von Diesel Black Gold und schwarze Stiefel von Petar Petrov

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Schwarze Jacke und weißer Schal von Replay, dunkelblauer Strickrollkragenpullover von Carin Wester, Cardigan mit Kapuze von C.P. Company, graue Cargo-Jogginghose von Y-3, Gürtel von Joop! und schwarze Stiefel von Yohji Yamamoto for Adidas

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LINKS: grauer Strickparka, oversized Strickpullover und Schalkapuze von Bally RECHTS: schwarzer Mantel, zwei dunkelgraue Cardigans und hellgrauer Strickpullover von COS und Stacheldrahtkette

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Schwarzer Mantel von Joop!, grüne Nylonweste und Strickpullover mit Zopfmuster von Song Zio und Long Johns mit Print von Björn Borg

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Grauer Wollmantel, schwarze Kapuzenjacke und Strickpullover mit Salz-Pfeffer-Optik von Raf by Raf Simons, weißes T-Shirt von American Apparel und schwarze Schnellfickerhose von Wood Wood


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MODE Schwarzer ärmelloser Zip Hoodie von Ludwig und grauer Schal von C.P. Company


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Schwarze Wolljacke, schwarzes Sakko und Schal von Laitinen, hellgrauer Strickrollkragenpullover von Hackett London, graue Wollhose von Bally und schwarzer Visor von Maison Martin Margiela

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Camouflage-Parka und Camouflage-Longsleeve von Stone Island, schwarze Jacke und schwarze Hose von Petar Petrov, Kette von Bless und Schuhe von Diesel

Fotografie: Anka Bardeleben (www.foundfotografen.com) Styling: Christian Stemmler (www.bigoudi.de) Stylingassistenz: William Åslund (www.m4motion.de) Haare & Make-up: Mo Oturak (www.m4motion.de) Haare- & Make-up-Assistenz: Sofie Uehla Models: Jonas, Cyril und Moritz (www.placemodels.de) Finale Bildbearbeitung: Markus Leppelt (www.appel-grafik.de)

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vom blitz getroffen In Deutschland sterben jedes Jahr zwei bis sieben Menschen an einem Blitzschlag, über 100 werden verletzt. Heinrich Paravicini (37) ist einer von ihnen, auch wenn der Blitz ihn nicht in Deutschland, sondern mitten im Grand Canyon traf. Für FELD hommes erinnert er sich an den „Ground Strike“, der sein Leben veränderte. Von Peter Terren (Fotos) und Sabine Cole (Text)

Mein zweiter Geburtstag ist der 11. September 1997. Ich habe also auch einen eigenen, ganz persönlichen 11. September, nur ist meiner schon elf Jahre alt. Genau weiß ich gar nicht, was mir an diesem Tag passiert ist. Den Morgen habe ich noch im Kopf, danach fehlen mir drei Tage. Komplette Amnesie. Nur aus Erzählungen von denen, die dabei waren, weiß ich so ungefähr, was geschehen ist. Mit meiner Freundin war ich zum Hiken im Grand Canyon unterwegs. Um den Canyon herum gibt es verschiedene Punkte, an denen die Busse halten, mit denen die Wanderer wieder zum Eingang des Nationalparks zurückfahren. Diese Busse kommen alle 30 Minuten. Wir merkten, dass ein Gewitter aufzog, und beschlossen daher, nicht den Trail am Colorado entlang weiterzuwandern, sondern zur nächstgelegenen Bushaltestelle hochzuklettern. Dort oben auf dem Hochplateau erwischte uns dann der Blitz. Genauer gesagt schlug der Blitz in mich ein, und meine Freundin bekam die Reste ab. Es ist übrigens totaler Blödsinn, dass der Blitz immer in den höchsten Punkt einschlägt. Ein paar Meter nebenan stand ein Pförtnerturm, ringsherum waren Bäume, und trotzdem suchte sich der Blitz mich aus. Und das war dann so: Der Blitz fuhr oben in den Kopf hinein, ich hab am Hinterkopf eine Narbe davon, und durch den kleinen Zeh wieder raus, da ist auch eine Narbe. Glücklicherweise hatte ich Turnschuhe mit Gummisohlen an, sonst

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würde ich jetzt nicht mehr leben. Durch die Gummisohlen konnte der Blitz wieder entweichen, mit Lederschuhen wäre ich geerdet gewesen und einfach implodiert, sozusagen innerlich verbrannt. So aber fuhr der Blitz durch die Sohle aus mir raus, bevor er die Erde berührte. Der Blitz umwickelte mich dann wie ein Spiralwirbel und schleuderte mich ein paar Meter durch die Luft. Dort blieb ich mit Herzstillstand liegen. Meine Freundin sah das alles, konnte mir aber nicht helfen. Der Rest des Blitzes war durch die Erde in sie gefahren, und sie war für eine kurze Weile gelähmt. Mein großes Glück neben der Tatsache, dass ich die richtigen Schuhe trug, war, dass kurz nach dem Blitzschlag der Bus kam. Das hätte ja auch noch 29 Minuten dauern können, aber nein, er kam genau zur rechten Zeit. An Bord war ein deutscher Polizist, der sich hervorragend in Wiederbelebungsmaßnahmen auskannte. Er rettete mir das Leben. Heute ist er einer meiner besten Freunde. Auch wenn ich mich an unser Kennenlernen nicht erinnern kann. Ich wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus transportiert und lag dort drei Tage halb im Koma. Zwischendrin wachte ich immer wieder auf, wusste aber nie, was passiert war, obwohl man es mir wohl ein paarmal erklärt hatte. Die Amnesie ist wirklich vollkommen. Ich kann mich an absolut nichts aus diesen Tagen erinnern. Darüber bin ich auch ganz froh. Als ich mein Bewusstsein dann wiedererlangt hatte, war ich in einem einigermaßen erbärmlichen Zustand. Es ist tatsächlich so, dass man hinterher einen Afro hat, wie man das aus dem Comic kennt, wenn Tom und Jerry sich gegenseitig unter Strom setzen. Alle Haare am Körper waren kraus und standen zu Berge, meine Haut war angekokelt, und alle Nervenbahnen waren komplett durcheinander. Ich musste im Rollstuhl nach Hause gebracht werden, weil meine Muskeln nicht mehr das taten, was ich von ihnen wollte. Drei Monate Reha brauchte ich, bis ich wieder gehen und mich halbwegs konzentrieren konnte. Bis alles wieder in Ordnung war, dauerte es dann noch etwas. Die Ärzte sind ziemlich verblüfft, dass wirklich nichts zurückgeblieben ist. Normalerweise bleibt immer ein Schaden. An den Nerven oder auch an der Persönlichkeit. Physisch geblieben ist mir nur ein Tinnitus. Der laute Knall hat das Trommelfell zerstört. Das wurde zwar operativ repariert, aber ein Klingeln im Ohr ist geblieben. Das ist jetzt mein inne-


Danke an Peter Terren, der uns die spektakulären Blitzfotos für diese Strecke zur Verfügung gestellt hat. Weitere Bilder des australischen Hochspannungs  Junkies, der sich in selbst gebauten Blitzkäfigen selbst unter bis zu 12.000 Volt setzt, finden Sie unter www.tesladownunder.com

res Warnsystem. Wenn ich zu viel Stress habe, wird der Tinnitus schlimmer, dann weiß ich, dass ich mich zurücknehmen muss. Mein kleiner Blitz im Ohr passt sozusagen auf mich auf. Ansonsten hat sich mein Leben danach total verändert. Ich war ein sehr egoistischer Mensch, hatte kaum Freunde, war fixiert auf meinen Plan, den ich hatte. Nach dem AmerikaUrlaub wollte ich nach London, hatte dort ein Stipendium an der Kunsthochschule. Keine Ahnung, ob ich mit meiner Freundin zusammengeblieben wäre. Es war mir auch egal, dass mein Freund Johannes eine Firma mit mir aufbauen wollte und ohne mich ziemlich aufgeschmissen gewesen wäre. Ich wollte eine internationale Karriere machen. Nach dem Blitzschlag kam dann alles ganz anders. Ich habe immer, im wahrsten Sinne des Wortes, unter Strom gestanden. Schon vorher. Nun hatte ich diese ganzen langen Monate Zeit, über mich nachzudenken. Und ich traf Entscheidungen, die mein Leben in eine völlig andere Bahn lenkten. Ich heiratete meine Freundin. Ich gründete mit Johannes ein Unternehmen – wir hatten im Winter 2007/08 unser 10-jähriges Jubiläum. Vom Blitzschlag bis zur Gründung verging tatsächlich nur dieses besagte halbe Jahr. Durch die Situation, eine zweite Chance im Leben zu bekommen, setzt man andere Prioritäten. Ich bin kein besonders gläubiger Mensch und habe mit Okkultismus oder so nix am Hut, aber mein Nine-Eleven war schon eine sehr schicksalhafte Verkettung. Das Unglaublichste ist eigentlich, dass ich dem Blitzeinschlag quasi mein

Leben zu verdanken habe. Während ich nämlich getroffen wurde, löste das Gewitter eine Flutwelle im Colorado aus. Und die anderen Hiker aus der Gruppe, mit der wir im Bus gestartet waren, ertranken am Trail. Acht Tote. Und wir Blitzopfer überlebten. So ein Blitz, das sind Hunderttausende Volt, die einen da treffen. Das reicht mir. Bis ans Ende meines Lebens bin ich mit Energie gut aufgeladen, würde ich sagen.

Heinrich Paravicini ist Gründer und Mitinhaber der Hamburger Design­agentur Mutabor. Gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Johannes Plass betreut das Duo mit seinen 40 Mitarbeitern Marken wie Adidas, Audi oder T-Mobile. Alles unter dem Motto: I’m going to change. (www.mutabor.de)

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Bei starkem Wind, Regen und Sturm heißt es: „Draußen bleiben!“ Obwohl im Freien umstürzende Bäume, herabfallende Äste und Felsbrocken lebensgefährlich sein können. Begeben Sie sich zügig in Schutzanzüge aus überlegenen Hightech-Materialien und Schnitten, die sämtlichen Naturgewalten trotzen! Von Tomas Falmer (Fotos) und Michele Rafferty (Styling)

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Dunkelgrüner Anzug in Marmor-Optik von Jil Sander

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Kappe sowie Jeans von Raf by Raf Simons und Poncho von Yohji Yamamoto Vintage, alles in Schwarz

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Weißes Hemd von Marni

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Kapuzenjacke von Nom de Guerre, Mantel von Diesel und Sonnenbrille von Tsubi

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Schwarz-weiße Wollmütze von Penfield, Jacke von Y-3 und Jeans von Raf by Raf Simons, beides in Schwarz

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Hemd sowie Hose von Prada und Halstuch von Marni

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Anorak von 6876 und Baclava Stylist’s own, beides in Blau

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Multicolor-Pullover von MQ by Alexander McQueen und graues Hemd von CK by Calvin Klein

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Regenmantel sowie Hose von Hugo Boss, Mütze von Penfield, Rucksack von Raf Simons für Eastpak und Schuhe von Jil Sander

Fotografie: Tomas Falmer (www.esp-agency.com) Styling: Michele Rafferty (www.theannasuagency.com) Stylingassistenz: Saoirse Haare & Make-up: Christopher Sweeney (www.dwmanagement.co.uk) Model: Matt Hitt (www.successmodels.com) Finale Bildbearbeitung: Janina Melles (www.appel-grafik.de).

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Feldversuch # 1

Bei den Olympischen Spielen in Peking holte China 51-mal Gold. Insgesamt erkämpften die Gastgeber 100 Medaillen. Im Schwimmen hingegen sahen sie kein Land. Dort stahl ihnen der Amerikaner Michael Phelps die Show. Zhoi Hy, herausragendes chinesisches Schwimmtalent der FELD HOMMES Redaktion, wollte das so nicht stehen lassen. Also machte er sich auf den Weg in die Schwimmhalle – zur Jagd auf den Weltrekord über 100 Meter Freistil. Von Christian Morgenlicht (Fotos) und Phillip Bittner (Text)

Es ist fünf vor zwölf in der Alster-Schwimmhalle, Hamburgs „Schwimmoper“, in der zahlreiche Schwimmwettbewerbe ausgetragen werden. Nachwuchsathlet Zhoi Hy klettert wie in Trance aus dem Becken. Den Blick starr geradeaus gerichtet, greift er zum Handtuch. Noch knapp fünf Minuten, dann soll die Fabelzeit von Michael Phelps fallen. Hy streift sich seine rote Trainingsjacke über. Auf der Brust: die gelben chinesischen Sterne. 1,3 Milliarden Landsleute stehen heute hinter ihm. Er stöpselt seine weißen Kopfhörer ein. Wie Phelps braucht auch Hy vor dem Rennen Musik zur Konzentration. Doch während der amerikanische Superstar sich mit Eminem in Stimmung bringt, bevorzugt Hy die 80er-Jahre-Kombo Men At Work. Ihr Hit „Land Down Under“ begleitete Zhoi Hy bereits durch das harte Training und gibt ihm auch heute die nötige Lockerheit. Zwei Wochen lang bereitete Hy sich intensiv nach der Arbeit vor. Mit 1,80 Meter ist er Phelps körperlich leicht unterlegen. Der technisch anspruchsvolle chinesische Schwimmstil ist jedoch genau auf seine Größe zugeschnitten. Und auch der neue Schwimmanzug LZR Racer von Speedo kommt ihm sehr entgegen. Vielleicht mehr als dem unter

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Voller Leidenschaft und mit 1,3 Milliarden Fans im Rücken: Zhoi Hy im Kampf gegen die Uhr und sich selbst

ADHS leidenden Amerikaner. „Wenn ich ins Wasser tauche, fühle ich mich wie eine Rakete“, sagte Hy nach der letzten Trainingseinheit. Mit Ultraschall verschweißt, bekommt Hys von Natur aus kompakter, widerstandsarmer Körper durch den Anzug eine noch stromlinienförmigere Kontur. Wichtig im Kampf gegen die Uhr, wenn Hundertstel entscheiden. Noch zwei Minuten bis zum Start. Stille kehrt ein in der Alster-Schwimmhalle. Wieder fasst Hy in das mit 28 Grad extra für ihn erwärmte Wasser und bespritzt sich das Gesicht. Die Anspannung ist nicht zu übersehen. Ohne Regung stiert er mit Tunnelblick über die Bahn. Er öffnet seine Trainingsjacke und wirft sie lässig über den Stuhl hinter seinem Startblock. Zur Lockerung kreist er die Arme durch die Luft und setzt Schwimmbrille und Badekappe auf. Alle Handgriffe sitzen, die Abläufe sind ihm im Training in Fleisch und Blut übergegangen. An seiner Form hat Hy keine Zweifel. Noch am Morgen gibt er zu Protokoll: „Ich bin absolut im Soll, was meine Trainingsleistung angeht, und erwarte Großes.“ High noon. Hoch konzentriert steigt Hy auf den Startblock mit der Nummer eins. Einmal, zweimal, dreimal atmet er tief durch. Muskelpakete wie bei Phelps sind bei ihm nicht zu erkennen. Aber auf Kraft soll es in diesem Rennen nicht ankommen. Hy will beweisen, dass allein mit Leidenschaft neue Dimensionen im Schwimmsport zu erreichen sind. Er geht in die Hocke, seine Hände berühren mit den Spitzen den vorderen Blockrand. Wie eine Feder schießt Hy in die Luft. Nach 50 Zentimetern taucht er ins Wasser ein. Im Gegensatz zu Phelps, der mit seinen sekundenlangen Delfinkicks unter Wasser versucht, Zeit zu gewinnen, taucht Hy früh wieder auf. Seine Beschleunigung kommt mehr aus den Armen. Mit einer Vierer-Atmung geht er die erste Bahn schnell an. Die Beine arbeiten ruhig, und der Körper liegt elegant knapp unter der Wasseroberfläche. Auf der Nachbarbahn und am Beckenrand formieren sich die Fans. Es wird richtig laut in der Halle. Doch eine ältere Dame übertreibt es mit ihrer Zuneigung und schwimmt Hy genau in die Bahn. Er muss ausweichen und steigt, offenbar irritiert, auf die für ihn ungewohnte Dreier-Atmung um.

Trotz dieses Nachteils kämpft Hy weiter um seinen Weltrekord. Und jetzt kommt eine seiner Stärken: Wie Phelps beschleunigt auch Hy bei seinen Rennen immer in der Tauchphase nach der Wende. Mit kräftigen Beinschlägen beginnt er die zweite Bahn. Doch so langsam scheinen seine Kräfte zu schwinden. Sein Körper liegt viel unruhiger im Wasser als noch auf der ersten Bahn. Die Beine werden schwerer, und Hy kann nach 75 Metern die stromlinienförmige Körperhaltung nicht mehr beibehalten. Verbissen kämpft er dennoch um jeden Meter. Er weiß, nur ein guter Anschlag kann ihn jetzt noch retten. Nur noch wenige Meter bis ins Ziel. Die Alster-Schwimmhalle hält den Atem an, und Hys Fingerspitzen berühren den Beckenrand. Er reißt sich die Brille vom Kopf und schaut sofort in Richtung Anzeige. Dort leuchtet seine Zeit: 2 : 19,99 Minuten! Den Weltrekord hat er nur knapp um 1 : 32 Minuten verfehlt. Dennoch: eine persönliche Bestleistung. Trotz der Steigerung ist Hy enttäuscht. Er steigt vollkommen ausgepumpt aus dem Becken und schüttelt den Kopf. „Eigentlich habe ich mich den ganzen Tag sehr gut gefühlt. Ich weiß jetzt so kurz nach dem Rennen noch nicht, woran es lag. Da muss ich erst mal die Fernsehbilder sehen“, sagt Hy ratlos. Nach einigen Augenblicken ärgert er sich über seine Wende. „Da bin ich mit meinen Füßen abgerutscht und konnte die Fahrt nicht mit auf die zweite Bahn nehmen. Außerdem hatte ich zum Schluss etwas Wasser in der Brille.“ Dem Fan macht er hingegen keinen Vorwurf: „Das kann bei der Aufregung schon einmal passieren.“ Aufgeben kommt für Hy nach dem Rückschlag nicht in Frage. Spätestens nach der nächsten Goldmedaille von Michael Phelps bei den Olympischen Spielen in London will Hy wieder nach dem Weltrekord greifen. „Dann packe ich ihn“, sagt er optimistisch. Vielen Dank an Speedo (www.speedo.de) Nike (www.nike.com) und an die Alster-Schwimmhalle (www.baederland.de) für die freundliche Unterstützung. Finale Bildbearbeitung: Thomas Kaiser (www.appel-grafik.de)

Ausgepumpt: 100 Meter können ungedopt furchtbar lang werden – auch für chinesische Schwimmtalente

EXPÉRIENCE

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Kohleminen Donbass, im DonezBecken, Ukraine „Erzittere, Grube! Der besoffene Bergmann kommt“, sagt Valodja, bevor er in die Mausefalle kriecht. Die Mausefalle ist eine selbst gegrabene Mine, kaum 40 Zentimeter hoch. Die Kumpel müssen auf dem Bauch liegend 200 Meter hineinkriechen, auf dem Bauch liegend die Kohle herausschlagen, auf dem Bauch liegend die Kohle zerkleinern und auf dem Bauch liegend die Kohle in eine Blechwanne schaufeln.

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In Westeuropa ist körperliche Schwerstarbeit nahezu verschwunden: Die Fördertürme stehen still, Hochöfen wurden zu Industriedenkmälern, Turbinenhallen zu Kulturstätten. Doch es gibt sie noch. Der Österreicher Michael Glawogger fand für seinen Film „Workingman’s Death“ auf allen Kontinenten Arbeiter, die ihren Körper auf kaum vorstellbare Weise schinden müssen. Ohne Arbeitsschutz und Mindestlohn.

Von G. M. B. Akash, Michael Glawogger, Mohamad Iqbal, Uche James-Iroha und Viktor Maruschtschenko (Fotos)

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Öffentlicher Schlachthof Port harcourt, nigeria

Der Schlachthof der Hafenstadt Port Harcourt ist ein Laby­ rinth aus Menschen und Tieren. Das Areal besteht aus einigen Buden, einer großen überdachten Markthalle, einem Kühl­ haus, einer umzäunten Koppel für die Kühe, halb offenen Schweineställen, einem Billardtisch unter einem Vordach, einer Moschee, einigen Wohnhütten, einem Hang zum Flussufer, der auch als offene Toilette dient, und den verschiedenen Orten, an denen geschlachtet wird. Auf verkohlten Erhebungen werden Rinderteile und ganze Ziegen geröstet. Auf einer großen, betonierten Fläche – dem Slab – werden die Tiere geschlachtet, gehäutet und zerteilt. Als Erstes holen die jungen Helfer der Ziegenschlachter und Zie­ genröster die Tiere. Die Ziegen schreien am lautesten, während sie aneinandergebunden zum Schlachtfeld geführt werden. Andere Helfer zerschneiden Gummireifen und holen mit Teilen dieser Reifen Feuer von den Feuerstellen der Frauen. „Mallam, Mallam“­Rufe mischen sich unter das immer lauter werdende Geschrei der Ziegen. „Mallam“ heißt „Herr“ oder „Mann“ und ist eine respektvolle Anrede für den obersten Ziegenschlachter, der so gerufen wird, um der Ziege, die ge­ rade auf dem Boden festgehalten wird, für 40 Naira die Kehle durchzuschneiden.

Inzwischen treiben die Helfer der Händler und Schlachter die Rinder von der Koppel zum Slab. Die Stiere (es handelt sich ausschließlich um Stiere) machen keinerlei Lärm. Am Slab werden die Stiere zu Boden geworfen und klatschen dumpf auf den Beton oder in die Blutlachen, während die Keiler ihr „Kandapellethead“ (Innereinen­Haut­Kopf ) in die Welt hinaus singen. Manche verhandeln schon lautstark mit den eintreffen­ den Kundinnen über die Preisvorstellungen beider Seiten. Am Ziegenschlachtplatz ist noch immer das Schreien von Mensch und Tier, das Schlachten und das Rösten im Gange. Am Slab sind die Rinder inzwischen großteils gehäutet und zerteilt, und die Träger laden sich große Fleischteile auf die Schultern. Das gehört zu den schwersten Arbeiten überhaupt. Diese Männer laufen mit einem halben Stier auf dem Rücken zu den Waschtrögen, wo sie das Fleisch kurz einweichen, um es gleich darauf noch einmal zu schultern und damit quer durch den Markt zu laufen, um es dann in Kofferräumen von Taxis und Lieferwagen zu verstauen.

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Schwefelabbau Kawah Ijen, IndoneSIen

Wenn der Tag heraufdämmert am Kawah Ijen schälen sich Männer mit lässig über die Schultern geworfenen Bambuskörben und Fackeln in der Hand aus dem Dunkel, nur um bald wieder in den weißen Schwefeldämpfen des Vulkans zu verschwinden. Kaum steht die Sonne am Himmel, haben sie die „Küche“ erreicht. Die „Küche“ ist der Ort am Rande des blaugrünen, heißen Sees am Boden des Kraters, wo der Schwefel gewonnen wird. Die „Küche“ spuckt, pfeift, dampft und beißt. Dort fließt der Schwefel aus langen Tonrohren in flüssigem Zustand an die Luft und erstarrt innerhalb weniger Minuten. Die Männer nehmen lange Eisenstangen, stopfen sich ein Tuch oder den Ärmel ihrer Jacke in den Mund und laufen den Hang hinauf direkt in die beißenden Dämpfe, wo sie den gestockten Schwefel lösen. Jeder Einzelne kann das nur wenige Minuten ertragen, bevor er Luft holen, husten und spucken muss. Dann kann er wieder weitermachen.

Nachdem sie genügend Schwefelplatten gelockert haben, füllen und tarieren sie ihre Körbe, bis das Gewicht und die Balance stimmen. Sie laden sich je nach Alter, Erfahrung und Kraft zwischen 70 und 115 Kilogramm auf, bevor sie ihren Weg, den Krater hinauf und den Berg hinunter, in Angriff nehmen. Pak Agus, Hartono, Pak Jo, Herudin und Madrusin gehören wohl zu den stärksten Männern der Welt. Sie tragen ihre Lasten fünf Kilometer ins Tal, und das oft zweimal am Tag. Das Erreichen der Wiegestation ist für alle der schönste Moment des Tages. Hier hat die Schlepperei ein Ende. Jeder Korb wird gewogen, und der Lohn, der pro Kilo berechnet wird, wird sofort ausbezahlt. Die Männer warten noch auf den Lastwagen, der zweimal täglich kommt, leeren ihre Körbe und werfen sie auf die Bäume, die um ihr kleines Wohnhaus in den Himmel ragen. Dann wird gegessen, geraucht, Karten gespielt und geschlafen.

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shipbreaking gaddani, pakistan

Aftab, ein Bauer aus Shamorgar, hockt Seite an Seite mit seinen Kollegen vor einer rostigen Stahlwand und schweißt akribisch eine nicht enden wollende Naht auf. Die Funken stieben durch einen riesigen, halligen Raum. Ein Krachen und Schwanken lässt alles erzittern. Aftab ruft Kommandos nach oben, sie werden weitergegeben. Ein Stahlseil zischt durch den Sand. Die Männer treten von der Stahlwand zurück und warten. Langsam bricht die Wand weg und fällt mehr als 100 Meter nach unten ins Meer. Der Blick auf einen Strand voller riesiger, rostiger Metallteile wird frei.

Von den Arbeitern in Gaddani geht eine seltsame Ruhe aus. Nie wirkt ihre Arbeit hektisch oder unbeherrscht, Schritt für Schritt, Handgriff für Handgriff, Schlag für Schlag zerlegen sie in wenigen Monaten das riesige Gebilde aus Stahl. Dann liegt der Strand wieder ruhig und friedlich da. Nichts erinnert mehr an das Tankschiff, außer dem Öl, das noch an den Strand schwappt. Michael Glawogger ist Filmregisseur, Drehbuchautor und Kameramann. Die international mehrfach preisgekrönte Dokumentation „Workingman’s Death“

Die Sonne steht hoch am Himmel, das Meer glitzert friedlich. Das gerade heruntergefallene Metallteil war die Seitenwand eines Tankers. Gastarbeiter aus Bangladesch reinigen den Bauch der Schiffe von Öl und Ölresten, die sie zusammenkratzen, in Säcke füllen, an Deck ziehen und ins Meer kippen. Noch im Meer wird das losgeschweißte Seitenteil des Tankers mit Stahlseilen verbunden und über Winden an den Strand gezogen. Dort wartet die nächste Arbeitseinheit, die diesen Seitenteil und andere mehr als zehn Meter hohe Blöcke aus massivem Stahl zerteilt. Es entstehen Platten, die man auf Lastwagen laden und weiterverarbeiten kann. 136

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hatte 2006 in den deutschen Kinos nur eine bescheidene Zahl von Zuschauern. Wir empfehlen den Film auf DVD (über Amazon). Die fünf Essays und ein Epilog bescheren dem Betrachter 112 atem- und fassungslose Minuten.

Alle Fotografien entstanden bei den Dreharbeiten zu „Workingman’s Death“, produziert von Lotus-Film und Quinte-Film.


Fotografie: Viktor Maruschtschenko (S. 130 –131), Uche James-Iroha (S. 132 –133), Michael Glawogger (S. 133 oben), Mohamad Iqbal (S. 134 –135) und G. M. B. Akash (S. 136 –137) (www.workingmansdeath.com) Finale Bildbearbeitung: Anja Quecke (www.appel-grafik.de)

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DJ Hell ist ein international erfolgreicher Techno-DJ, Produzent und Labelbesitzer. Seinem eigenen Rhythmus folgend, veröffentlicht er alle fünf Jahre ein eigenes Album. Im Herbst war es wieder so weit: Hell hat sein aktuelles „Teufelswerk“ vollbracht. Von Robert Grischek (Fotos) und Sabine Cole (Interview)

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Ausgeschlafen und frisch geduscht empfängt uns DJ Hell am Nachmittag zum Interview in einem italienischen Restaurant in Berlin-Mitte. Er trinkt Apfelschorle. Sein Assistent bringt wenig später ein paar CDs für uns und eine 0,5-Liter-Flasche Apfelschorle einer Marke, die er fürs Büro recherchiert hat und die er in breitestem Berlinerisch als „juut“ und „total bio“ anpreist. Auf die Frage, ob er gleich mal ein paar Kisten bestellen soll, antwortet sein Chef: „Eine zum Probieren reicht erst mal.“ Was lernen wir daraus? Herr Hell trinkt gern Apfelschorle und ist ein solider Geschäftsmann. Alles andere erzählt er uns, sehr entspannt und freundlich, in den folgenden zweieinhalb Stunden. HERO

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FELD hommEs: Herr Hell, für welche Sünde kommt ein DJ in die Hölle? DJ Hell: (lacHt) Ist die Frage ein Trick? (freut sicH) Da gibt’s verschiedene Ansätze. Ich würde sagen, schlimm ist, wenn ein DJ eine Formel gefunden hat, die funktioniert, und diese sichere Schiene fährt bis an sein Lebensende. Dafür kommst du als DJ als Allererstes in die Hölle. Als Gast würde man DJs manchmal gerne zum Teufel schicken, weil sie bis fünf Uhr morgens brauchen, bis sie richtig loslegen. Das kann man so nicht sagen. Jeder Abend ist anders, du weißt nie, was kommt. Du musst dich mit dem Club erst mal einrichten, mit dem Raum, mit dem Publikum. Es gibt riesige Festivalbühnen, auf denen du dich kaum zurechtfindest. Und Clubs, die sind so klein, dass du nicht mal Platz hast, deine Platten hinzustellen. Nächstes Wochenende lege ich in Spanien bei einem Festival vor 15.000 Leuten auf, und ich hab 90 Minuten. Vor mir legt ein DJ seine größten Hits auf, danach auch. Da brauchst du Tricks, um Aufmerksamkeit für dein Set zu bekommen. Wenn ich dann ein Intro spiele, das wirklich ungewöhnlich ist, das die Leute nicht einfach so als bekannt verarbeiten können, dann kriege ich sie hoffentlich, weil sie das Zeug noch nie gehört haben. Von Derek May, einem der Großmeister, der Techno mit erfunden hat, habe ich viel gelernt. Er hat oft, wenn er nach einem schlechten DJ auflegen musste, einfach eine Minute Pause gemacht. Totale Stille. Die Leute dachten, es sei etwas defekt. Dabei war es einfach nur ein geplantes Vakuum, um danach wieder alles aufzubauen. Das finde ich sensationell, das muss man sich erst mal trauen.

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Sie sind als Helmut Geier in einem kleinen Ort am Chiemsee geboren und aufgewachsen. War Ihr Elternhaus eher bayrisch-traditionell oder eher münchnerisch-liberal? Streng, bayrisch, katholisch, sonntags in die Kirche gehen. Kommt daher auch die Hölle im Künstlernamen? Nein, da gibt’s nichts auszugraben und miteinander zu verbinden. Ich war zwar in der katholischen Landjugend, mochte die katholische Kirche aber nicht besonders. Ministrant wollte ich schon werden – weil ich ja eh sonntags in die Kirche musste, dachte ich, dann kann ich auch gleich die Vorteile des Ministranten genießen. Allerdings wurde ich nicht genommen und weiß bis heute nicht, warum. (lacht) Später, bei der katholischen Landjugend, hab ich mittwochs so eine Art Unterricht zur Kommunionsvorbereitung gegeben. Dorthin kamen nur Mädchen, und ich hab Discoplatten aufgelegt – es ging also damals schon um die Party. Und woher kam Ihre frühe Begeisterung für Musik? Doch sicher nicht aus dem strengen Elternhaus. Doch. Die Mutter hat immer, wenn vom Haushaltsgeld was übrig blieb, Singles gekauft. 7-Inch Vinyls von Roxy Music, T.Rex und den Beatles, die sie im einzigen Plattenladen im Dorf gekauft hat. Und dann gab es ja noch Ilja Richter und natürlich Thomas Gottschalk. Er war für mich mit seiner Sendung „Pop nach acht“ auf Bayern 3 ein wahnsinnig wichtiger Radio-DJ. Da liefen immer die neuesten Releases – Gottschalk war damals absolut am Puls der Zeit. Im österreichischen Rundfunk gab es noch eine Sendung nach zehn Uhr. Die musste ich heimlich hören, weil da schon Bettruhe angesagt war. Schon als kleines Kind war ich süchtig nach Musik. Welcher Musikstil hat Sie geprägt? Punk und Disco gleichgleichzeitig. Sex Pistols oder „Saturday Night Fever“. Die Frage war immer: Gehen wir auf ein Punkkonzert oder in den Club? Wir waren die Ersten mit bunten Haaren. Das war auf dem Land schon was Außerirdisches. Wer war „wir“? Eine Gang von acht Leuten. Wir konnten ja nicht gleich nach London, also haben wir uns optisch von den Plattencovern von The Damned oder den Sex Pistols inspirieren lassen. Die Musik haben wir dann auch in den Clubs gespielt. Da waren zu der Zeit ganz andere Sachen angesagt, aber wir haben uns durchgesetzt. Wir waren zwar weniger, aber wir waren eine Gang. Das gab uns eine gewisse Macht. Haben Sie parallel was Ordentliches gelernt? Die Schule zu Ende gemacht? Damit ich nicht gleich zum Bund musste, bin ich auf eine weiterführende Schule gegangen. Zu einem Abschluss hat es aber nicht gereicht. Um danach den Wehrdienst nicht antreten zu müssen, habe ich eine Lehre als Betriebsschlosser gemacht und abgeschlossen.

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Sind Sie denn so ein Schraubertyp? Sie fahren einen Ford Mustang – basteln Sie da selbst dran rum? Nein, Schrauben und Ähnliches interessieren mich überhaupt nicht. Ich bin nur Schlosser geworden, weil mein Vater Schlosser ist und um dem Rat meiner Eltern zu folgen. Das war damals die Regel. Mit Handwerk hat mein Faible für Autos gar nichts zu tun. Ich mag Autos einfach wahnsinnig gern und sehe alte Autos als tolle Designobjekte. Und irgendwann habe ich mir einen Ford Mustang angeschafft, obwohl ich damals noch überhaupt kein Geld hatte. Den Boliden fahre ich immer noch. Sollten Sie nicht in Ihrer Vorbildfunktion als internationaler Star lieber ein vernünftiges Auto fahren? Ein Hybridauto oder so? Letztes Jahr war das schon ein großer Schock für mich, als in Berlin die Umweltplaketten eingeführt werden sollten. Da hätte ich meinen Wagen in der Stadt gar nicht mehr bewegen dürfen, nur noch außerhalb ein bisschen damit rumschunkeln. Für mich ist mein Wagen aber ein Stadtauto. Ich kann keinen Smart fahren.

Erzählen Sie uns, wie Sie hauptberuflich DJ wurden. Wie gesagt, Ende der 1970er fingen meine Freunde und ich an, Punk aufzulegen. Nach Berlin sind wir oft gepilgert und haben in leer stehenden Häusern und Wohnungen übernachtet. Auf Konzerten haben wir dann Gleichgesinnte getroffen. Und wir waren da, um Platten zu kaufen, damit wir schneller sind als die anderen in der Provinz. Auch nach London musste man natürlich. Perfekt vernetzte Plattenvertriebe wie heute gab es in den 1970ern und Anfang der 1980er ja noch nicht. Das Auflegen war damals eher noch ein Minusgeschäft. Das Geld für die Platten habe ich mir als Schlosser verdient. Wenn man eine Möglichkeit zum Auflegen hatte, musste man sich die Platten zusammenleihen. Wir wussten ja, wer von uns was hatte. Wir waren eben acht Jungs, am Wochenende musste man dann bei den anderen vorbeikommen und sich die Platten leihen und am Montag sofort zurückbringen. So hatten wir alle immer eine erstaunlich große Kiste mit neuen Releases dabei.

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Was kam nach Punk? Gleichzeitig mit Punk war ja immer auch Disco. Und dann kamen Hip-Hop, Funk und Soul. Mitte der 1980er flog ich nach New York zu meinem ersten längeren Amerika-Aufenthalt. Ich erinnere mich an ein Konzert mit den Jungle Brothers, Biz Marky und Public Enemy. Da waren 3.000 Leute und ich mit meiner damaligen Freundin. Public Enemy kamen dann mit Parolen wie: „Are you proud to be black?“ Das war für uns natürlich ein bisschen ungemütlich. Aber das Konzert war fantastisch, das werde ich nie vergessen! In New York hab ich viele Platten gekauft und natürlich wieder massiv Radio gehört. Es gab Radio-DJs wie Red Alert und Chuck Chillout, denen hab ich zugehört, bin denen in die Clubs gefolgt, hab gesehen, wie die arbeiten, und von ihnen dann sehr viel gelernt. Und was war dann die erste Techno- oder Houseplatte, die Sie gehört haben? Ich war damals schon etablierter DJ und hatte feste Clubengagements, Residencies. Dann kamen die ersten Houseplatten, und wir wussten überhaupt nicht, was das war. Ich habe schon Anfang der 1980er versucht, Endlos-Mixes zu machen, und habe zwei gleiche Platten gekauft und die hintereinander laufen lassen. Das war alles total neu. Aber meine erste Houseplatte war, glaube ich, von J. M. Silk. Ich hatte das erst für irgendein modernes elektronisches Discoding gehalten. Dann kamen die ersten Importplatten aus Chicago und New York, die wahnsinnig teuer waren. 20 Mark das Stück. Wir wussten gar nicht, wie diese Sounds hergestellt wurden. Von Roland-Drum-Computern hatten wir wohl mal gehört, und dass es spezielle Keyboards gab. Aber dass man Moog-Synthesizer für den Sound brauchte, diese alten Vintage-Keyboards aus den 1970ern, das mussten wir erst mal entdecken. Auch bei Acid hat es Jahre gedauert, bis man wusste, aus welcher Kiste Acid rauskam, aus einer Roland 303 nämlich. Und wir reden gerade von Mitte der 1980er, da hatte in Deutschland noch kaum einer Acid gehört. Hier gingen Acid und House erst Anfang der 1990er richtig los. Derek May, Kevin Saunderson, Carl Craig, die hatten schon Jahre damit experimentiert, bis man hier Bescheid wusste. Natürlich waren alle beeinflusst von Kraftwerk. Bei mir begann das auch schon zu Punkzeiten. Wann wurde es zum Markenzeichen, ein deutscher TechnoDJ zu sein? Irgendwann hatten alle gelernt, wie es technisch möglich war, diese neue Musik umzusetzen, und dann ging es hier auch los. Aber in den 1980ern zum Beispiel war es auch noch überhaupt nicht relevant, woher ein DJ kommt. Da hatte man seine festen Clubs, hat dort fünf Tage die Woche gespielt, und die Leute kamen wegen des Clubs dorthin. Resident sein war viel wichtiger, als dass die Leute im Ausland deinen Namen kannten. Anfang, Mitte der 1990er haben die Deutschen dann eine eigene Technoidentität erfunden, damit begann der kometenhafte Aufstieg der DJ-Szene.

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Waren Sie am Anfang bei der Loveparade mit dabei? Die Loveparade war etwas sehr Eigenständiges und ein unheimlich wichtiger Multiplikator für die Szene. Ich bin immer noch sehr gut mit Dr. Motte befreundet; er ist einer der stilbildendsten DJs aus Deutschland, ich werde nicht müde, das immer wieder zu betonen. Dr. Motte war der Sound of Berlin. Seine Sets waren große Magie, die große Kunst des Deejayings. Mottes Geschichte war Loveparade, Sound of Berlin, Planet E-Werk, das ist leider ein bisschen in Vergessenheit geraten. Erklären Sie uns mal die Dramaturgie eines guten Abends. Man kommt oft rein in einen Club und denkt: Oha, hier geht ja gar nichts. Die Stimmung ist linear, es passiert nichts, und alle warten. Darüber kann man eigentlich nur froh sein, weil du mit einer geschickt eingespielten Nummer oder einem tollen Intro alles verändern kannst. Mir ist es eigentlich ganz recht, wenn vor mir noch nix passiert ist. Zwei, drei Nummern, und du kannst den Laden auf den Kopf stellen. Ob ein Abend läuft, ist von vielen Dingen abhängig. Vom Sound, vom Licht, von vielen Kleinigkeiten. Man kann das lernen, lesen und dann auch umsetzen. Ich hab natürlich auch Leute dabei, die mir helfen und Sachen verändern, die nicht funktionieren. Sind das DJ-Praktikanten? Nee, Tourmanager. (Gelächter) Kann man auch mit schlechter Laune Menschen zum Feiern bringen? Ein Profi lässt sich nichts anmerken. Was interessiert das Publikum, wie es dir geht? Du musst immer denken: Ich hab die besten Platten in allen Variationen, und jetzt gibt’s die Party des Jahres. In den fast 30 Jahren, die ich jetzt schon hinter dem Plattenteller auf Bühnen stehe, hab ich ganz gut erlernt, das zu vermitteln. Wie wird man als DJ in Würde erwachsen inmitten der tanzenden Jugend? Andy Warhol hat dazu was Schönes gesagt. Er hat sich entschieden, nie zu machen, was alte Leute tun oder was andere von Älteren erwarten. Dem schließe ich mich gerne an. Man darf nicht die Sachen machen, die andere von einem erwarten. Dann dürfte ich mit 46 nicht mehr auflegen. Wie halten Sie sich fit? Ich laufe. Jeder sollte laufen. Das verzögert das Altern. (lacht) Ich mache überhaupt viel Sport. Vor Punk war mein Lebensinhalt Sport. Ich hatte jeden Tag Training und am Wochenende teilweise ein Tennisturnier am Vormittag und am Nachmittag ein Fußballspiel. Ich hab alles gemacht: von Skifahren und Tischtennis bis Geräteturnen und Leichtathletik. Ich wollte Zehnkämpfer werden. Ich wollte alles machen und meine Mannschaft nicht im Stich lassen. Aber irgendwie war die Macht der Nacht dann trotzdem verlockender, als ich 17, 18 Jahre alt wurde.


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Sie sind bekennender Fußball-Maniac. Sie buchen Ihre Auftritte so, dass sie parallel zu großen Fußballveranstaltungen stattfinden, damit Sie dort hingehen können. Und Sie lassen sich mit Tickets bezahlen. Sie haben sogar eine Trainerlizenz. Ja, aber keine A-Lizenz, sondern eine für Kinder und Jugendliche. Später, wenn ich älter bin, also wenn ich über 60 bin, möchte ich mit Kindern arbeiten, eine Kindermannschaft trainieren. Als Kind ist es wichtig, in einer Mannschaft zu spielen, sich in der Gruppe zu behaupten. Das war für mich persönlich sehr wichtig. Als ich nach München gekommen bin, habe ich mir so meinen Respekt erkämpft. Die Münchener haben natürlich gesagt: Was wollen die Landeier hier?! Wir waren nicht akzeptiert, auch nicht als DJs, meine Freunde und ich. Da war sie wieder, die „Gang“. Wir Leute vom Land waren gute Fußballspieler, damit haben wir uns durchgesetzt. Vor allem in der DJ-Szene, denn da haben sich ja auch alle für Fußball interessiert und sich immer zum Kicken getroffen.

Ist es schwierig, in Berlin Bayern-München-Fan zu sein? Darf man das laut sagen? In Berlin gibt’s viele BayernMünchen-Fans. Der Respekt überwiegt, und ich bin hier nicht der Einzige! (Es folgt ein ausgiebiger Rückblick auf den BundesligaSaisonanfang.) Gehen Sie manchmal zur Hertha? Ich hab’s versucht. (lacht) Die haben hier eine hervorragende Jugendarbeit. Ganze Mannschaften von jungen, hervorragenden Spielern werden hier ausgebildet. Und werden dann leider verkauft. So kann sich keine Identität bilden. „Zecke“ Neuendorf war einer der letzten original Berliner, auch ein DJ übrigens, (berichtigt sich) Gelegenheits-DJ, das war die letzte Identifikationsfigur. Aber der ist leider weg. Es ist schade. Ich war ein paar Mal da, das Olympiastadion ist ein wahnsinnig tolles Stadion. Aber es kommt einfach keine richtige Freude auf; die Fans fehlen. Jetzt geh ich nur noch hin, wenn die Bayern kommen. Oder wenn ich mal nix zu tun hab. (lacht)

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Musik, Sport, jetzt fehlt eigentlich nur noch die Mode als Fachgebiet des Herrn Hell. Bummeln Sie noch selbst? Natürlich. Ich will keinen Stylisten und lasse mir meine Sachen auch nicht mitbringen. Meine Kleidung suche ich mir schon selbst aus. In Läden, nicht im Internet. Wie würden Sie sich stilistisch einordnen? Der Style der englischen Mods war für mich immer eine tolle, starke Aussage. Da war alles genau vorgegeben. Wie viele Knöpfe, welches Hemd, die Frisur, die Schuhe. Das habe ich immer versucht mit anderen Styles zu kombinieren. Von Punk, Disco über Hip-Hop bis zu New Romantic und Military Style hab ich alles miterlebt. Es war für mich immer eine große Herausforderung, dabei meinen eigenen Stil zu definieren. Mittlerweile arbeite ich für Bühnenoutfits auch mit Designern zusammen. Und es sollte noch weitergehen. Ich designe jetzt Unterhosen mit Wendy & Jim, die nennen sich dann Hell & Wendy & Jim. Und ich designe gerade eine Sonnenbrillenkollektion für Freudenhaus. Es wird drei Hell Brillen geben, zum Beispiel eine klassisch verspiegelte Ray-Ban, aber zwei Nummern größer. Ich nehme das Thema auf und vergrößere es einfach. Welche Designer tragen Sie gern? Helmut Geier passt schon sehr gut zu Martin Margiela. Das Konzept, die Außendarstellung, der Style, die Inhalte kombinieren sich perfekt. Ich durfte mir gerade in Paris die neue Kollektion anschauen – sie ist innovativ, nicht ganz so hysterisch wie sonst. Aber meine modische Liste ist lang. Von Michalsky über Helmut Lang bis Yves Saint Laurent. Raf Simons finde ich super, nicht nur als sogenannten Erneuerer der Herrenmode. Mit Raf werde ich auch immer mal ins Studio gehen und Musik produzieren. Tom Ford und Gucci fand ich sensationell: Es gibt auch so viele gute Berliner: Dirk Schönberger mag ich, Murkudis finde ich sehr ansprechend.

Und wie steht’s mit P. Diddy? Er ist auch im Modebereich einer der Erfolgreichsten in den USA. Er hat die besten Leute um sich geschart. Bevor ich ihn persönlich kannte, hab ich ihn total missverstanden. Ich hab ihn für einen der größten Egomanen on Planet Earth gehalten. Was er vielleicht auch ist. Bis ich dann in New York seine Platte gemacht habe, während er gerade mit Kelis so eine technoartige Sache produzierte. Da dachte ich, ich geh mal hin und biete denen meine Hilfe für einen Remix an. Dann bin ich zu Bad Boy Entertainment und die haben gesagt: DJ who? DJ Hell? Aber ich hab trotzdem Sachen von mir dagelassen, und am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von P. Diddy, ich müsste sofort ins Studio kommen. Da stand ich gerade am Eingang zum Flieger zurück nach Deutschland. Die Stewardess meinte, ich müsse mein Handy ausschalten, und ich sagte: Geht nicht, das ist mein „one million dollar call“, da ist Puff Daddy am Apparat! Aber sie hat sich nicht erweichen lassen. Dann bin ich gleich wieder von Deutschland nach New York zurückgeflogen. So arbeitet P. Diddy. Immer alles sofort und alles gleichzeitig. Er lässt sich die Haare schneiden, spielt mit der einen Hand mit seinen Kids, in der anderen Hand hat er einen Pager, schaut auf einem riesigen Screen eine MTV-Sendung von Snoop Dogg und unterhält sich mit mir über einen Boxkampf, während im Hintergrund Layouts von seinem neuen Album laufen. Schlafen oder solche üblichen Mechanismen, das gibt’s bei ihm weniger. Er hat scheinbar überhaupt keine Limits. Aber er hat sich seinen Reichtum auch selbst hart erarbeitet. Aus dem Nichts ein Multiunternehmer – das finde ich schon faszinierend. Auf Ihrer neuen Platte, die in Kürze erscheint, ist wieder ein Beitrag von P. Diddy. Da schimpft er über die DJs. Die „Crowd-Pleaser“ und „Ass-Kisser“ und die „Dick-Sucker“, die nur vier Minuten von einem Song spielen, sodass man beim Tanzen gar nicht reinkommt. Da wären wir wieder bei den Sünden der DJs. Ja, da sind wir uns einig. P. Diddy und ich (lacht), wir wollen extravagante 20-Minuten-Versionen von einem DJ. In dem Song sagt er noch, dass die zwei Leute, die drei Nächte durchtanzen und die letzten auf der After Hour sind, die kriegen seinen „Respect“ die haben einen „Shout-out“ verdient. Und ganz zum Schluss natürlich er selbst: „I deserve a shout-out too.“ Logisch, am Ende kriegt P. Diddy den ganzen Beifall. Er hat es verdient. Herr Hell, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das neue Konzeptalbum von DJ Hell ist seit September online und erscheint auf Vinyl im Dezember. Das Doppelalbum „Teufelswerk“ ist aufgeteilt in eine „Night“-Platte für DJs und eine „Day“-Platte für Fans des Meisters. Neben P. Diddy hat auch Bryan Ferry auf der dynamischen „Night“-Hälfte mitgewirkt. Die „Day“-Hälfte ist überraschend ruhig, angenehm und großteils nicht auf dem Computer entstanden, sondern mit echten Instrumenten eingespielt. Die erste Single „The Disaster“ ist online zu haben, die zweite Single „Angst“ folgt. „Teufelswerk“ erscheint natürlich bei Hells Label Gigolo Records. 2009 startet seine auf zwei Jahre angelegte Welttournee.

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Hero: Hell (www.djhell.de) Fotografie: Robert Grischek (www.grischek.com) Fotoassistenz: Benni Bock Styling: Christian Stemmler (www.bigoudi.de) Haare & Make-up: Henriette Höft (www.m4motion.de) Artdirektion: Mieke Haase (www.miekehaase.de) Bildbearbeitung: Julia Böhning und Martin Kuhlmann (www.primatepostproduction.de) Vielen Dank an henri+frank public relations und Maison Martin Margiela Paris für die freundliche Unterstützung

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Wir sind Izabelle wirklich dankbar, dass sie ihren Körper so wunderbar formt. Auf Doping kann die junge Dame übrigens völlig verzichten. Ihre Gene sind einfach hervorragend! Von Alexander Gnädinger (Fotos) und Camila Schwarz (Styling)

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Fotografie: Alexander Gnädinger (www.alexander-gnaedinger.com) Styling: Camila Schwarz Produktion und Casting: Mondi Hottas (www.schierke.com) Fotoproduktion: Step Schätzel (www.foto-werk.com) Haare & Make-up: Steffi Willmann (www.basics-berlin.de) Fotoassistenz: Kristina Weinhold und Laura Deschner Fotopraktikant: Nadia Mahamied Model: Izabelle (www.modellink.se) Bildbearbeitung: Michael Kübler (www.m-kuebler.de) Finale Bildbearbeitung: Mario Seyer (www.appel-grafik.de)

PRIVÉ

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Riesige Flügel: Das Butterfly-Gerät fällt in der Ukraine etwas größer aus.

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Expérience


Wer in einen Freizeitpark geht, sucht vor allem eins: Entspannung. Doch in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, mischen sich zwischen Lachen und Musik noch ganz andere Geräusche. Denn der Hidropark hat auch eine eisenharte Seite. Von Alisa Karabut (Fotos) und Phillip Bittner (Text)

Wenn der Sommer heiß wird, zieht es die meisten Kiewer raus an den Dnjepr auf die Venezianischen Inseln. Auf der Hidropark-Insel, die dank einer eigenen Haltestation bequem mit der Metro zu erreichen ist, finden die gestressten Bewohner der ukrainischen Hauptstadt eine Erholungsoase direkt vor den Toren der Stadt. Weiße Strände säumen die Ufer, verschlungene Wege ziehen sich durch das Grün der typisch ukrainischen Trauerweiden, und der Vergnügungspark, der der Insel ihren Namen gab, versprüht mit seinem 60er-Jahre-Sowjetstil einen ganz besonderen Charme. Ein wunderbarer Ort also, um es sich am Wasser und in Cafés bei Schaschlik, Tanz und Livemusik oder aber in den Fahrgeschäften gut gehen zu lassen. Doch nicht alle, die hierherkommen, suchen nur Entspan­ nung. Bereits von weit her schallt lautes Stöhnen und bärengleiches Brüllen von der anderen Seite des Hidroparks. Der Klang von aufeinanderprallendem Metall und das Quietschen von Seilzügen vollendet die akustische Kulisse zu einer gruseligen Sinfonie der Qual. Etwas versteckt zwischen Bootsverleihern und Fahrgeschäften, liegt mitten im Hidropark der wohl ungewöhnlichste Fitnessplatz Europas. Auf ihm stählen unter freiem Himmel Männer jeden Alters und jeder Gewichtsklasse ihre Muskeln. Die anwesenden Frauen finden nur am Rande Beachtung. Die volle Konzentration gilt einzig dem Gerät und dem eigenen Körper. Vor über 30 Jahren brachte der Mathematiker Jurij Kuk die erste Eisenstange auf die Wiese zwischen Sandstrand und Inselwald. Doch hier blieb das massive Geräte nicht lange. Eines Morgens war sie verschwunden – einfach geklaut. Und auch die neue, gut 100 Kilo schwerer, verschwand nach kurzer Zeit spurlos. An Stange Nummer drei befestigte Kuk eckige Gewichte,

die ein Wegrollen unmöglich machten – auch diese Variante verschwand erfolgreich. Doch an Kuks viertem Versuch bissen sich sogar die Kiewer Altmetallspezialisten schließlich die Zähne aus: Der Mathematiker schweißte Eisenstange und Gewichtständer kurzerhand mit einer Ankerkette eines nahe gelegenen verfaulenden Dampfers zusammen. Mittlerweile hat Jurij Kuk um die 200 Geräte auf dem Platz versammelt. Noch heute kommt er jeden Tag nach der Arbeit vorbei und schaut nach dem Rechten. Verbaut hat er im Laufe der Zeit alles, was ihm in die Finger kam. Eisenbahnen, halb versunkene Schiffe und sogar Panzer liefern das Metall für seine Geräte. Für jeden Schwierigkeitsgrad findet sich etwas im Open-Air-Fitnessstudio von Kiew. Jeder kann mitmachen, alles ist umsonst. Wenn im Winter Sonne und Wärme Kiew verlassen haben, ist der restliche Hidropark menschenleer. Ein Teil der Metrostation ist geschlossen, die Karusselle stehen still, die Bars und Cafés verwahrlosen. Die perfekte Szenerie für einen Horrorschocker – denn auch bei bitterer Kälte stehen die Gewichte auf der Insel im Dnjepr nicht still. Und man hört sie schon von weitem, die Sinfonie der Qual von Jurji Kuk.

Expérience

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Kein Doppelherz nötig. Bankdrücken hält fit.

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Expérience


Den Rückenstrecker benutzt man im Hidropark gerne auch seitwärts.

Expérience

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Viele Jugendliche stählen hier ihre Muskeln, um endlich mehr als halbstark zu sein.

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Expérience


Kiews Profiturner bevorzugen im Sommer das Training an frischer Luft.

Expérience

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Entspannen, während andere leiden wie ein Hund.

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Expérience


Fotografie: Alisa Karabut (www.alisakarabut.com)

Bankdrücken ohne Polster. Nichts für Weicheier.

Expérience

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Hemd, Hose, Plastron und Kummerbund von Prada

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Mode


Von wegen Hänfling! Intelligentes Styling. Charme. Dazu eine Portion Extravaganz. Der souveräne Look der 20er, der schon die Mods inspirierte, lässt unseren August stark aussehen. Dumm ist er ohnehin nicht. Von Daniel Schröder (Fotos) und Isabelle Thiry (Styling)

Mode

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Pullover von ADD, Weste von Filippa K, Hose von Hackett London und Schuhe von Acne

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Mode


Pullover von Thomas Burberry, Shorts von COS, Socken von Falke und Schuhe von Acne

Mode

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Mantel von Marcel Ostertag, Hemd und Pullover von Patrizia Pepe und Hose von Replay

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Wolljacke, Hemd und Brosche von Ute Ploier, Hose von Cinque, Socken von Falke und Schuhe von Acne

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Mode


Blaue Jeansjacke von Diesel und schwarze Fliege Stylist’s own.

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Mantel, Pullover und Hose von Bruno Pieters, alles in Grau

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Mode

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Hut von Stylist’s own, T-Shirt, Weste, Hose und Schuhe von Louis Vuitton.

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Mode


Cardigan von Marc O’Polo, Tanktop von Acne und Hose von H&M

Mode

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Jackett sowie Hemd von Joop!, Boxershorts und Schuhe von Acne, Socken von Falke

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Mode


Fotografie: Daniel Schröder (www.nergermao.de) Styling: Isabelle Thiry (www.thiry.info) Stylingassistenz: Nelson Abulencia Model: Louis (www.successmodels.com) Finale Bildbearbeitung: Janina Melles (www.appel-grafik.de)

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Der Kurz: Das linke Bein bringt er in die Beinspreize des Gegners, setzt zugleich seine linke Hüfte möglichst tief ein, zieht seinen Widersacher mit aller Kraft an sich, wirft ihn mithilfe der linken Hüfte und kräftigem Heben des linken Beines hoch, macht noch eine letzte, entscheidende Drehung nach rechts und wirft den Gegner direkt unter sich auf den Rücken.

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Mannsbilder wie diese brauchen kein Styling. Hier rinnt echter Schweiß. Augen sind aus erkämpfter Erschöpfung geschlossen und Wangen erröten aus verdientem Stolz. Adrenalin verengt die Pupillen, nicht Amphetamin. So sehen Schwinger nach dem Kampf aus, direkt nach dem Abgang aus der mit 40.000 Menschen gefüllten Arena des Eidgenössischen Schwingfestes im Kanton Appenzell. Es ist der wichtigste Schwingwettkampf der Schweiz und findet alle drei Jahre statt. Das Schwingen ist von einem Kuriosum hinterwäldlerischer Älplerfeste zu einem angesehenen Kampfsport mit gewaltigem Zulauf geworden. Sogar Frauenschwingvereine gibt es inzwischen. In dem Land, in dem Frauen erst seit 1990 in sämtlichen Kantonen Wahlrecht besitzen, stößt das unter den männlichen Kollegen jedoch noch nicht auf breite Akzeptanz. Schwingregeln beginnen mit der Kleidung. Die kurze Schwinghose aus Zwillich ist mehr als eine Wettkampfuniform, sie ist wesentliches Mittel zum Zwecke des Siegens: „Vor dem Wettkampf sind die Schwinghosen satt zu schließen.

Der Ledergurt muss eingeschlauft sein, und die Gestöße sind hochzukrempeln.“ So das technische Regulativ des Eidgenössischen Schwingerverbandes. Überwacht von einem dreiköpfigen Kampfgericht, versuchen die Schwinger den Gegner per Hosenlupf, Brienzer rückwärts oder vorwärts, Bur, Hüfter, Wyberhaken, Schlungg oder einem anderen der rund 100 amtlichen Schwünge, die im offiziellen Schwingerlehrbuch beschrieben sind, mit den Schultern auf den Boden zu zwingen. Der Gegner wird dabei feste an der Schwinghose gepackt, die über der langen Hose getragen wird. Eine Runde – beim Schwingen heißt es Gang – dauert in der Regel zwölf Minuten. Die Muskelmasse, die bei Schwingkämpfen in Bewegung gesetzt wird, ist echt und erarbeitet. Schwinger sind Amateure, die auch außerhalb der Kampfarena für ihre Kraft Verwendung haben. Sie sind Metzger, Landwirte und Maurer von Beruf und sie tragen beim Kampf zur Schwinghose oft ihre Arbeitskleidung. Der amtierende dreimalige eidgenössische Schwingerkönig, der Allerböseste von allen also, heißt Jörg Abderhalden, ist Schreiner und trinkt, nach eigener Aussage, am liebsten Milch. Auch gegenüber den Verlockungen des Kommerzes bleibt der Schwingersport stark: „Die Bekleidung muss frei von Aufschriften und Werbung sein.“ Für das gesamte Wettkampfareal gilt Gleiches. So ist es beim Schwingen. Die Bösen sind am Ende doch die Guten.

Zehntausende reißen sich darum dabei zu sein, wenn bei der uralten Schweizer Ringsportart Schwingen, die einst friedliche Hirten auf der Alp ausgeübt haben, die Bösen siegen. Böse, so werden Spitzenschwinger voller Hochachtung genannt. Der Böseste von allen bekommt zum Lohn – direkte Demokratie hin oder her – die Königskrone und einen jungen Stier, so stark wie er selbst. Zsigmond Toth und Joachim Müller-Rückholtz (Fotos), Judith Stoletzky (Text)

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Der Bur: Hat der Schwinger seinen Gegner zu Boden gebracht, blockiert er mit Gurtgriff seinen Gegner mit dem Oberkörper, umfasst mit der linken Hand das rechte Knie des Gegners, reißt kurz auf, arbeitet sich vorn in den Spalt, fasst hinten mit Gurtgriff, hebt den Unterkörper des Gegners leicht hoch und überdrückt zum Resultat.

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Der Brienzer: Der schwungausführende Schwinger wechselt seine rechte Hand vom Gurt zum Gestößgriff, macht eine Drehung nach rechts und greift mit dem linken Arm über die Schulter oder den Nacken des Gegners auf dessen linkes Gestöß. Gleichzeitig hängt er mit dem linken Bein am rechten Bein des Gegners ein, spreizt das Bein hoch und wirft ihn mit kräftigem Ruck nach vorn kopfüber auf den Rücken.

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Links: www.schwingfeste.ch www.esv.ch (Eidgenössischer Schwingerverband) www.schwingen.ch www.jabderhalden.ch

Fotografie: Zsigmond Toth (www.z-toth.com). und Joachim Müller-Rückholtz (www.joachimmuellerrueckholtz.com).

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Sport


Zusammen sind sie eins. Oder besser: auf Platz eins! Die eineiigen Zwillinge Bob und Mike Bryan stehen seit fünf Jahren an der Spitze der Tennisdoppel-Weltrangliste. FELD HOMMES traf sie zu drei verbalen Ballwechseln auf dem Tennisplatz des BSV Hamburg. Von Oliver Köhler (Text) und Christian Morgenlicht (Fotos)

Sport

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Bob oder Mike

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Mike oder Bob


1. individuell gleich Bob, Mike, wie kann man euch auseinanderhalten? Bob Mich erkennt ihr an der Halskette. Die trage ich, seit ich zehn bin. Ich bin der mit den Muttermalen. Mike Bob Ich bin größer ... ... und Linkshänder. Ich halte den Schläger rechts. Mike Sind Zwillinge eingespielter als gewöhnliche Doppel? Es hat definitiv Vorteile. Wir müssen nicht so viel Mike miteinander reden, kennen uns und damit auch unsere Art auf dem Platz in- und auswendig. Bob Wir agieren eher als Einheit denn als Mannschaft. Und manchmal ... (lacht) ... beenden wir intuitiv die Sätze des Mike anderen. Unheimlich, oder? Bob Es macht einfach auch mächtig Spaß, zu zweit auf Tour zu sein. Wenn wir allein unterwegs sind, vermissen wir uns richtig. Die anderen sehen uns eh nur als die Bryans. Wenn man ein Einzelspiel gewinnt, heißt es oft: Mike „Gut gemacht, Jungs.“ Bob Oder: „Einer der Bryans hat gewonnen.“ Wir werden nie einzeln gewürdigt. Vermutlich spielen wir deshalb so gerne Doppel. Da können wir den Sieg teilen. Werdet ihr innerhalb der Familie als Individuen betrachtet? (lacht) Ich habe manchmal schon das Gefühl, Mike dass ich zwei Namen habe. Selbst mein Vater kann uns manchmal nicht unterscheiden. Nutzt ihr das auch mal aus? Für kleine Scherze, klar. Unsere Stimmen sind ja Mike auch ziemlich gleich. Wenn Bobs Freundin anruft, rede ich gerne mal mit ihr und sage aus Spaß: „Ich liebe dich.“ Bob Wir nehmen uns gegenseitig hoch. Das gehört bei Zwillingen wohl dazu.

ii. duelle unter freunden

Seid ihr auch abseits des Courts nur im Doppel zu haben? Bob Wir verbringen die meiste Zeit in unserem Musikstudio. Da jammen wir schon mal acht Stunden vor uns hin. Die Musik ist für uns auch eine Art Ventil für aufgestauten Tennisstress. Die Klitschkos mussten ihrer Mutter versprechen, nie gegeneinander zu boxen. Durftet ihr euch als Kinder im direkten Duell messen? Nein, das wollten unsere Eltern auch nicht. Mike Sie fürchteten wohl, dass der Unterlegene das Interesse am Spiel verlieren würde. Wir sollten auf dem Platz beste Freunde werden. Bob Und eben ein Topdoppel. Heute spielen wir im Training eigentlich Mike täglich gegeneinander. Aber nach wie vor nicht, wenn es um Preise und Pokale geht. Geht es denn in den Duellen hart zur Sache? Bob (lacht) Yeah! Ziemlich. Es macht halt Spaß, den anderen etwas Mike fertigzumachen. Aber wir spielen eigentlich auf nahezu gleichem Niveau. Hattet ihr Tennisvorbilder? Andre Agassi! Wir haben jeden Schnipsel über ihn Mike ausgeschnitten und an die Wand geklebt. Sein Verhalten auf dem Platz und sein Umgang mit den Fans waren ja wirklich vorbildlich. Bob Im Doppel fanden wir auch die Jensen-Brüder gut. Die waren in den 90ern ziemlich stark und populär.

Sport

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iii. spass am spiel

Das Frauentennis wurde lange Jahre von den WilliamsSchwestern dominiert. Ihr habt mal mit ihnen gespielt – wie war das? Bob Auf jeden Fall ziemlich heftig. Bei Venus und Serena spürte man auch gleich diese besondere Bindung, wie sie eben nur zwischen Geschwistern besteht. Die beiden spielen – relativ betrachtet – viel härter als wir. Euer Markenzeichen ist der sogenannte Chest Bump, bei dem ihr euch nach gewonnenen Punkten und Siegen gegenseitig mit der Brust voraus anspringt. Wie war das mit den Williams-Schwestern? Bob (lacht) Venus ist viel höher gesprungen als ich. Na ja, du bist ja erst gar nicht gesprungen. Mike Bob Ich wollte auch nur einen Spaß machen, hab den Chest Bump nur mal angedeutet. Plötzlich kam sie angeflogen ... Die Fans jedenfalls hatten Spaß. Mike Tennis, gerade das Doppel, muss auch unterhaltend sein. Wir versuchen, die Zuschauer zu integrieren, wollen, dass alle ihren Spaß haben. Bob Damit das Doppel wieder populärer wird, wäre es zudem wichtig, dass die Teams nicht ständig wechseln. Wir brauchen feste Doppel, Spezialisten, mit denen sich die Leute identifizieren. Man will schließlich hinter einer Mannschaft stehen.

über die atp

Die Association of Tennis Professionals (atp) ist der Weltverband der professionellen Herrentennistour. Bei 63 Turnieren in 31 Ländern präsentiert die ATP die besten Tennisspieler der Welt. Auf allen fünf Kontinenten kämpfen die Stars um die prestigeträchtigen Titel der ATP-Turniere, vor allem in der ATP Masters Series. Dabei sammeln sie im Einzel Weltranglis­tenpunkte in den South African Airways ATP Rankings und im Doppel im Stanford ATP Doubles Race. Das Gesamtpreisgeld von 63 Millionen Dollar wird im Jahr 2009 mit der erneuerten Turnierstruktur auf 83 Millionen Dollar steigen. Die acht besten Athleten und Doppelteams des Jahres erhalten am Jahresende die begehrten Startplätze beim Finale der ATP-Tour, das die Saison der internationalen Tenniselite spektakulär beschließt. 2009 kehrt das Tour-Finale als Barclays ATP World Tour Finals nach Europa – London – zurück. Mehr Informationen: www.atptennis.com Die ATP-Tour 2009 startet am 5. Januar in Doha, Katar .

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Fotografie: Christian Morgenlicht (www.christianmorgenlicht.com) Styling: Zhoi Hy Haare & Make-up: Thuy (www.optixagency.de) Vielen Dank an Adidas (www.adidas.de) und den Betriebssportverband Hamburg e. V. (www.bsv-hamburg.de) Stark am Netz – und im Netz! (www.bobandmike.com) Finale Bildbearbeitung: Thomas Kaiser (www.appel-grafik.de)

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axel: weißes Hemd von Our Legacy, Hose von Tiger of Sweden, Kurzarm-Cardigan von Björn Borg White, beides in Grau und schwarzer Gürtel von Tiger of Sweden

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Große Brüder helfen den kleineren aus der Patsche. Mit großen Brüdern kann man angeben, drohen und beeindrucken. Was aber, wenn der kleinere Bruder seinen eigenen Style entwickelt und dafür auch noch bewundert wird? Wir stellen aktuelle Outfits aus dem „kleinen“ Modeland Schweden vor, das trotzdem so viel erfolgreicher ist als viele seiner großen Brüder. Von Jörgen Ringstrand (Fotos) und Isabelle Thiry (Styling)

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Charlie: Oversized Mantel und Mohairpullover von H&M Axel: Pullover von Nikolaj d’Étoiles

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Charlie: Hemd von The Local Firm, Hose von Carin Wester, Mütze von Acne und Kette Stylist’s own axel: Hemd von Filippa K, doppelreihiger Cardigan von Velour, Hose von Filippa K, Schuhe von Whyred und Blume Stylist’s own

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Axel: Hemd von Nikolaj d’Étoiles, Rundhalspullover von J.Lindeberg und Jeans von The Local Firm ChArlie: Hemd mit Stehkragen, Jackett und Hose von Nakkna

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Charlie: Hemd von Tiger of Sweden und Hose von Filippa K und Mütze von H&M axel: Hemd, Mohairpullover, kurze Wolljacke, Hose und Mütze von Acne

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Charlie: grauer Mantel von Velour

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Axel: doppelreihiges Jackett von Blank, Wollfilzhose und Schuhe von Whyred Charlie: Jackett von Tiger of Sweden, Pullover von Our Legacy, Hemd von Whyred, Seidenshorts von Reality Studio (gesehen bei Black Market Stockholm) und Schuhe von Hope

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Charlie: Hemd, langer Cardigan und Hose von Hope und Schuhe von Whyred axel: Hemd von Hope, Pullover von Resteröds, doppelreihiges Jackett von Blank, Hose von Julian Red und Schuhe von Hope

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Fotografie: Jörgen Ringstrand (www.ringstrand.com) Styling: Isabelle Thiry (www.thiry.info) Haare & Make-up: André Cueto-Saavedra (www.mikas.se) Stylingassistenz: Martin Liljesand Fotoassistenz: Andreas Carlsbecker Models: Axel und Charlie (www.fordmodelseurope.com) Finale Bildbearbeitung: Markus Leppelt (www.appel-grafik.de)

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Als Jean-Paul Goude 1981 Grace Jones für das Cover ihres Albums „Nightclubbing“ ablichtete, kreierte er einen völlig neuen Stil. Kühl, sehr disco, sehr grafisch und absolut zeitlos. FELD hommES Beauty-Spezialist Tom Kroboth hat sich von Goudes Ästhetik inspirieren lassen. Und mit Schere und extrastrong haarspray Frisuren von gewagter Eleganz geschaffen. Von Till Becker (Fotos), Christian Stemmler (Styling) und Tom Kroboth (Haare & Make-up)

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Mode: Anzug von Louis Vuitton und Hemd von Giorgio Armani Haarprodukt: Freeze Hairspray

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mode: Anzug und Hemd von Prada Haarprodukt: Session Hairspray

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Mode, Links: Mantel, Rollkragenpullover und schwarze Hose von Jil Sander Haarprodukt: Design Mix Matt Mode, recHts: Rollkragenpullover von Salvatore Ferragamo Haarprodukt: Design Mix Strong

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mode: Mantel von Maison Martin Margiela und Pullover von Versace Haarprodukt: Session Hairspray

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Mode: Anzug von Jil Sander und Rollkragenpullover von Malo Haarprodukt: Design Mix Strong Mode: Sakko, Hemd und Hose von Maison Martin Margiela Haarprodukt: Session Hairspray

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Fotografie: Till Becker (www.tillbecker.com) Styling: Christian Stemmler (www.bigoudi.de) Haare & Make-up: Tom Kroboth (www.bigoudi.de) mit Produkten von Schwarzkopf Professional Alle Produkte aus der Osis Stylingserie von Schwarzkopf Professional Haarfarben Bleach von Blond Me/Schwarzkopf Professional Fotoassistenz: Inga Seevers Models: Mario (www.pmamodels.com) und Emmanuel (www.megamodel.de) Vielen Dank an das Studio Aplanat (www.aplanat.de)

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Auf Schritt und Tritt begegnet man starken Typen. Typen, so nennt man die verschiedenen Schriften, die man auf Plakaten, Anzeigen, in Büchern und sogar in FELD hommes findet. Damit Sie wissen, welche Typen sich bei Ihnen breitmachen, wollen wir Sie mit einigen typischen Typen der abendländischen Typografie, ihrer Herkunft, ihrem Werdegang und ihrem Charakter vertraut machen. Von Judith Stoletzky (Text)

Soho Gothic Pro Ultra

Feld ist mein Acker.

chen Welt unermüdlich im Einsatz. Sie werden eingesetzt, wo es viel zu lesen

Frankfurter Plain

zestexten und auf Grabsteinen. Auch der Text, den Sie gerade lesen, ist eine

Feld ist mein Acker.

Antiqua-Typen sind mitnichten altertümlich, sondern sie sind in der westligibt und das Geschriebene ernst ist: in Büchern und Zeitschriften, GesetAntiqua-Type, die Garamond, um genau zu sein. Sie heißen Antiqua, weil sie in der Renaissance nach dem Vorbild der römischen Schrift entwickelt wurden. Zuerst haben sich italienische Designer, dann französische an die Arbeit gemacht. Die ersten Antiqua-Schriften heißen deshalb auch veneziani-

Fakir Display Black SmCp

Feld ist mein Acker.

sche und französische Renaissance-Antiqua, gefolgt von der Barock- und der klassizistischen Antiqua. Weil es so dermaßen viele Antiqua-Schriften gibt, gibt es auch eine DIN-Klassifizierung: DIN 16518, Gruppe I-IX. Wie überall gibt es auch in diesen guten Antiqua-Familien Extremisten, wie beispielsweise die Bodoni Poster. Diese Type treibt sich am liebsten am Theater, in der

Clan Ultra

Feld ist mein Acker.

Kunst oder der Werbung herum. Die berühmtesten Antiqua-Typen, in der Reihenfolge ihrer Entstehung, sind Bembo, Garamond, Caslon, Baskerville, Didot, Bodoni, und sie heißen so nach ihren Schöpfern.

Annlie D Extra Bold

Feld ist mein Acker.

Bis zum 20. Jahrhundert war die gebrochene die am meisten verbreitete Schriftart im deutschsprachigen Raum, deshalb heißt sie umgangssprachlich

United Serif Reg Stencil

Feld ist mein Acker.

altdeutsche Schrift. Als Mitte des 12. Jahrhunderts in Europa der gotische

Hoefler Text Black

brochenen, verfuhr man genauso. 200 Jahre stritten Antiqua und Gebrochene

Feld ist mein Acker. Cg Barnum Block Regular

Feld ist mein Acker. Memphis LT Std Extra Bold

Feld ist mein Acker. 224

SAVOIR

Stil hip wurde, „brach“ man beim Bauen den romanischen Rundbogen und verwandelte ihn in den gotischen Spitzbogen. Mit den Rundbogen der Antiqua-Schriften – die uns heute viel jünger und moderner erscheinen als die gein Deutschland um die Herrschaft über das Reich der geschriebenen Sprache. Der Typograf Rudolf Koch besang die Reize der Gebrochenen einmal sogar: „Wie dunkler Tannen würziger Harzduft, wie wenn die Amsel weithin durch den Abend ruft, wie des Wiesengrases leicht schwankende Zierlichkeit, herrlichste, deutscheste Schrift, so lieben wir dich seit langer Zeit“. 1941 – der Vorliebe der Nazis für die als so deutsch empfundene Fraktur zum Trotz – gewann die Antiqua den Kampf. Heute findet die gebrochene Type selten Verwendung, denn sie sendet, sofern sie nicht gerade in über alle Zweifel erhabenen überregionalen Tageszeitungen verwendet wird, eindeutige Signale aus. So erfreut sie sich in der Neonazi-Szene großer Beliebtheit, bei HitlerTagebuch-Fälschern, aber auch bei freundlichen Bierbrauern und friedliebenden Gastwirten. Ja, ein gebrochener Charakter eben. Berühmte Gebrochene: Alte Schwabacher, Old English, Rotunda, Fraktur.


Was der Laie Kleinbuchstaben nennt, sind für den Experten Gemeine. Für

nüchternsten, der neutralen Schrift aus der neutralen Schweiz, werden Aus­

den Besserwisser sind es Minuskeln. Großbuchstaben heißen auf Besser­

stellungen gewidmet, Bücher und Kinofilme, und sie wird sogar gefälscht!

wisserisch Majuskeln, denn maiusculus heißt etwas größer. Versalien sagt der

Dann heißt sie beispielsweise Arial und ist die gängige Type fürs Internet.

Typograf. Die karolingische Minuskel wurde im 8. Jahrhundert, zu Zeiten

Groteske sind nach wie vor Typen erster Wahl für Werbung und alles, was

Karls des Großen, entwickelt und löste das Schreiben in römischen Groß­

groß ist. In Fließtexten, wer hätte das gedacht, ist die Vereinfachung jedoch

buchstaben ab. Sie ist die Grundlage unserer heutigen Schreib- und Druck­

eher hinderlich. Hier sorgen Serifen und unterschiedliche Strichstärken für

schrift mit Ober- und Unterlängen, denen wir die flüssige Lesbarkeit von

eine bessere Differenzierung und dadurch bessere Lesbarkeit. Total groteske

Fließtexten zu verdanken haben. Nett, diese Gemeinen.

Typen: Futura, Akzidenz Grotesk, Helvetica, Gill, Univers, Avenir.

Neigt sich eine Schrift zur Seite, dann nennt man sie kursiv. Das hat seinen

Bei proportionalen Schriften ist ein I schmaler als ein W. Bei den unproporti­

Ursprung im lateinischen currere für laufen und rennen, und das wiederum

onalen sind alle Buchstaben gleich breit, denn ein i lebt dort auf großem Fuß.

verweist auf das schnelle Schreiben von Hand. Dabei neigt sich bei den meis­

Bei unproportionalen Typen kommt es brutalerweise vor, dass „den Punzen

ten Rechtshändern die Schrift nach rechts. Schräge Typen fallen in der Menge

das Maul gestopft wird“, wie es in der groben Sprache der Typografen heißt.

auf, auch in Textmengen. Das Kursive drückt aber auch Dynamik, Aufbruch

Dabei handelt es sich um ein Zitat aus dem Schreibmaschinenzeitalter, in dem

und Vorwärtsstreben aus, weshalb auch politische Parteien und Speditionen

Farbe die offenen Flächen der Typen, die Punzen, zugesetzt hat. Dass man

eine Vorliebe für kursive Logos haben. In den meisten Schriftfamilien gibt

auch als total verbaute Type Weltruhm erlangen kann, beweist die Schreib­

es eigens entwickelte kursive Typen, die heißen dann mit Nachname Italic.

maschinentype Courier. Selbstbewusst, aber nicht eitel, kommt sie immer

Oblique (schräg, schief) heißen sie, wenn sie mit billigen elektronischen

dort zum Einsatz, wo der Inhalt die Form dominiert oder wo zumindest

Tricks schräg gestellt werden. Sensible Typografen verwenden ausschließlich

dieser Anschein erweckt werden soll. Sie ist erste Wahl von Schriftstellern,

echte Italics. Solche ohne Ehr- oder sonst ein edles Gefühl drücken einfach

Drehbuchautoren und Journalisten. Sie hat etwas Pragmatisch-Neutrales

die Tastenkombination Befehl + i – und schwupps legen sich die Buchstaben

und wirkt intelligent, strahlt jedoch in diesen unfassbar digitalen Zeiten auch

zur Seite. Verzerrt allerdings. Mit Strichstärkenverschiebung. Aua.

etwas fast besorgniserregend Gegenwartsverweigerndes aus. Von der Zukunft gar nicht zu reden.

Serifen oder Endstriche sind die Füßchen, auf denen die Buchstaben stehen bzw. die sie nach oben oder seitlich abschließen. Antiqua-Schriften zeichne­

Einige Namen berühmter Schriftgestalter des 20. und 21. Jahrhunderts, die

ten sich in der Regel durch feine Serifen und starke Kontraste zwischen den

Sie sich für den nächsten typografischen Small Talk merken sollten:

Strichstärken aus. Im 19. Jahrhundert jedoch tauchten plötzlich auffällig laute Typen in der bis dahin sachlich-eleganten Welt der Antiqua-Schriften auf: Die

Paul Renner (1878–1956)

serifenbetonte Linear-Antiqua, und das beschreibt die Sache recht gut. Bei ihr

Entwarf die allgegenwärtige Futura.

ist die Strichstärke überall gleich, und die Serifen sind bisweilen die dickste Stelle an der Type. Diese Schriften entstanden aus dem dringenden Bedürfnis

Max Miedinger (1910–1980)

der Reklamekunst, aufzufallen. Eine lässigere Bezeichnung für diese serifen­

Entwarf die erste Helvetica.

betonte Linear-Antiqua ist übrigens Egyptienne. Sie führt allerdings in eine vollkommen falsche Richtung, denn besonders markante Egyptienne-Typen

Hermann Zapf (*1918)

sind die Western-Schriften. I shot the Serif. Typische serifenbetonte Typen sind

Entwarf über 200 Schriften, unter anderem die Palatino und Optima.

Claredon, Century, Beton, Rockwell, Lubalin Graph, Joanna, Lino Letter. Kurt Weidemann (*1922) Entwarf unter anderem die Hausschrift der Daimler-Benz AG. Adrian Frutiger (*1926) Absonderlich! Fremd! Bizarr! Hässlich! Als dermaßen ungewohnt empfand

Entwarf unter anderem die Groteske Frutiger.

die alphabetisierte Welt serifenlose Schriften, dass man diese Groteske nann­ te. Sie entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts in England, zeitgleich mit der

Erik Spiekermann (*1947)

Egyptienne. Erstaunlicherweise aus dem gleichen Bedürfnis, nämlich mit

Schuf moderne Klassiker wie die Meta und die ITC Officina.

Reklamebotschaften aufzufallen und aus weiter Entfernung gut lesbar zu sein. Weglassen und Vereinfachen war die Devise, zurück zur geometrischen

Neville Brody (*1957)

Urform. Ein richtiger Renner wurde die Groteske Anfang des 20. Jahrhun­

Entwarf Schriften, die kein Mensch lesen kann.

derts dank der von Paul Renner entwickelten Schrift Futura. Inzwischen ist die Anzahl der Grotesk-Schriften unüberschaubar geworden, allein von www.typebase.com

der bekanntesten, der Helvetica (*1956), gibt es über 50 Versionen. Ihr, der

SAVOIR

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Männer in dicken Pullovern sind attraktiv. Frauen denken: Holla, der Typ geht bei dem Hundewetter ohne Jacke raus! Machen Sie sich diese Masche zu eigen: Grober Strick und dicke Pullis, kombiniert mit robusten Jeans, Leder und kräftigen Wollstoffen, sind die Styles für die kommende Saison. Von Markus Pritzi (Fotos) und Ingo Nahrwold (Styling)

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Grauer Pullover von Boss Black, graues Wrap Top von Seïko Taki, bunte Denim-Patchworkhose von Zucca und marinefarbener Rucksack von Eastpak by Raf Simons

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Grauer Pullover von Raf by Raf Simons und weißes Hemd von Bruno Pieters

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Kapuzenpulli von Michalsky, Rolli von Hugo by Hugo Boss, Hose von Maison Martin Margiela, alles in Schwarz, und bordeauxfarbene Schuhe von Shellys

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Lederweste von Acne, Sweater von Songzio und Hose von Diesel Black Gold, alles in Schwarz

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Fein gemusterter grauer Anzug, sowie Rolli in Steinoptik von Jil Sander und bordeauxfarbene Schuhe von Shellys

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Kapuze sowie Sweater von John Galliano, alles in Schwarz

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Schwarzes Cape von Joop!

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Anzug von Yohji Yamamoto, Lederjacke von DSquared2, beides in Schwarz, grauer Pullover von Burberry Prorsum und weißes Hemd von Yohji Yamamoto

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Pullover, Hose, Kragen und Kummerbund von Prada, alles in Grau

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Fotografie: Markus Pritzi (www.pritzi.com) Styling: Ingo Nahrwold (www.bigoudi.de) Haare & Make-up: Tom Kroboth (www.bigoudi.de) Fotoassistenz: Frank Müller Stylingassistenz: Sabrina Transiskus Model: Rogier (www.successmodels.com) Digital: D-i digital imaging services GmbH (www.d-i-services.com) Retusche: Fletsch (www.goldgmbh.de)

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„Musik wie aus dem Darkroom“, „Popeye singt zu Kirmes-Techno“ oder „schwuler Hans Albers-Abklatsch“. Nicht alle Feuilletonisten lieben das singende Muskelpaket aus Dresden. Zumindest einen neuen Fan aus der Schreiberzunft hat Rummelsnuff, der mit bürgerlichem Namen Roger Baptist heißt, aber gewonnen: FELD hommes Popkritiker Jan Schlüter zieht seinen Hut vor so viel Ausdruckskraft. Von Ray van Zeschau und Sven Marquardt (Fotos) und Jan Schlüter (Text)

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Aber worum denn sonst? Man fragt sich, seiner angesichtig, meint der das ernst? Oder ist er eventuell sogar gefährlich oder etwa politisch, gar rechts, eine Art böser Alleinunterhalteronkel? Ach du lieber Schreck! Gefahr im Verzug. Sein heftiges Aussehen, gepaart mit den volksliedartigen, stalinistisch schwulen Texten und dem ganzen Symbolsalat, machen ihn zunächst undurchschaubar.

„Meine Musik darf gerne polarisieren“, sagt er gelassen und fügt hinzu: „Körperkult ist sehr wesentlich.“ Das verblüfft wenig bei einer Körpergröße von recht überschaubaren 176 cm und einem Kampfgewicht von 110 Kilo. Roger Baptist alias Rummelsnuff ist eine kompakte Dampfwalze, seinen verschrobenen Sound nennt er folgerichtig „derbe Strommusik“. Rummelsnuffs Debütalbum „Halt durch“ ist auf dem Hamburger Kultlabel ZickZack Records erschienen, bei dem auch schon Gruppen wie Blumfeld veröffentlicht haben. Allein dieser Umstand lässt den geneigten Musikliebhaber schnell erkennen: Hier geht’s nicht um spießigen Schabernack à la Alexander Marcus oder andere musikalische Hirngespinste.

In seinem „bürgerlichen“ Leben ist Roger Baptist als Türsteher im Berliner Club Berghain tätig. Dort sorgt er dafür, dass im größten deutschen Fetischclub alles so läuft, wie es soll. Rummelsnuff über seinen temporären Nebenjob: „Manchmal finde ich es wirklich jenseitig, was da für Gestalten reinkommen, aber ich bin da urdemokratisch geprägt, soll doch jeder machen, was er will!“ So ist es auch kein Wunder, dass der ostdeutsche Muckimann in der homosexuellen Szene beliebt und akzeptiert ist. Zumal bei dem ausgeprägten Körperkult, der in der Szene herrscht und den er selbst praktiziert. Die Kunstfigur Rummelsnuff geht dabei merklich über die übliche Klischeeschiene „schwuler Nazi“ hinaus und wächst auf der Bühne zu einem herrlich humoristisch-martialisch und manchmal spärlich bekleideten, hulkartigen Comichelden heran. Oben auf der Bühne wird aus Roger Baptist Rummelsnuff eine ausgewachsene Rampensau. Er sieht großartig aus, wie er da oben steht. Ein fleißig trainierter und natürlich komplett enthaarter Oberkörper mit kugelrundem Bizeps, dazu Dickies

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Arbeiterhose, Bomberjacke, schwarze Kampfstiefel plus weißes Hemd mit schwarzem Schlips. Quasi der ostdeutsche Justin Timberlake für glatzköpfige Gewichtheber. So steht der Typ vor einem auf der Bühne und lässt im schnellen Elektrotakt neckisch seine Brustmuskeln tanzen, immer auf und ab. Variiert wird sein Bühnenoutfit lediglich durch das Ablegen überflüssiger Kleidung und die wechselnden Kopfbedeckungen. Dabei gefällt mir die Gummikappe aus dem Traktorschlauch am besten. Der Berliner Künstler Tom Lange hat das skurrile Ding entworfen, und Rummelsnuff sieht damit aus wie ein gestrandeter Wikinger im SM-Keller. Auch die Kapitänsmütze steht ihm ausgezeichnet und lässt ihn feierlich und autoritär aussehen, das passt. Dass der Spaß bei seinen Konzerten nicht zu kurz kommt, ist für Rummelsnuff Ehrensache, und so bringt er schon mal „Don’t you want me Baby“ von Human League zu Gehör. Dazu laufen im Hintergrund obskure Schwarz-Weiß-Kurzfilme. Er ist eben ein schlauer Schelm, dieser quadratische Mann. Auch musikalisch und textlich geht einiges bei dem kernigen Kraftmeier. Dass dabei auch Sätze gesungen werden wie: „Starker Wille, ein Schädel aus Stahl, so kommst du gut durch das Quartal“, vermittelt dem Zuhörer auf angenehme Art und Weise, dass es sich hier nicht um rechtslastigen Technopunk aus der brandenburgischen Provinz handelt. Denn wenn feine Ironie auf latent homoerotische Ausflüge wie beim Song „Ringen“ mit „Du ein Mann, ich ein Mann, beiden juckt das Fell“ trifft und man Rummelsnuff in dem dazugehörigen Video splitternackt mit einem anderen Mann ringen sieht, dann weiß man: Dies ist beileibe kein rechtes Statement, was nur sexy verpackt wurde. Nein, das hier ist leibhaftige Körperkunst, die mit Musik unterlegt ist! Man mag kaum glauben, dass der kahl rasierte Muskelberg aus einer renommieren Dresdener Musikerfamilie stammt. Baptist wurde 1966 in Großenhain bei Dresden geboren. Sein Vater Peter Baptist war ein bekannter Bandleader in der DDR, seine Mutter Chorleiterin. Künstler wie Dieter Birr oder Peter Meyer von den Puhdys spielten in der Combo seines Vaters. Folglich lernt Roger im jugendlichen Alter brav zuerst Fagott, später Bassgitarre und schließlich Klavier zu spielen. Singen kann er natürlich auch. Es sieht nach einer Laufbahn in der klassischen Musik aus, denkt man. Aber schon als Azubi gründet Roger Baptist seine erste eigene Band „Kein Mitleid“. Bereits als Teenager betreibt er reichlich Kraftsport. Bei der Jugendspartakiade wird er „stärkster Lehrling“ bei den Mechanikern – wo sonst! Ende der 80er-Jahre fängt er als Keyboarder und Fagottist bei der legendären Avantgarde-Band „Freunde der italienischen Oper“ an. Die illustre Truppe genießt in der vor 240

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sich hinsiechenden DDR absoluten Kultstatus und ist auch im Westen bekannt geworden, ein Juwel im musikalischen Untergrund. Nach der Wende werden zwei Alben der Band auf dem Hamburger Label „What’s So Funny About“ (ZickZack) von Musikbranchenikone Alfred Hilsberg veröffentlicht. Die Band F.D.I.O trennt sich offiziell zwar nie, gibt aber 1992 das letzte Konzert. Der umtriebige Roger Baptist steigt im Anschluss in die Gruppe Automatic Noir ein, die bis 1999 zusammenspielt. Der große Durchbruch bleibt ihnen in den sieben Jahren allerdings versagt. Danach macht er erst mal Pause vom Musikgeschäft und zieht sich zurück, hauptsächlich in seinen voluminösen Körper. Baptist widmet sich wieder verstärkt dem Kraftsport und absolviert sogar einen Trainerschein. Erst 2003 fängt er wieder an, Musik zu machen. Aber wie entstand denn nun diese tolle Kunstfigur Rummelsnuff, dieser Archetyp des proletarischen Supermanns? Es kursieren verschiedenste Versionen in aktuellen Interviews, und der Künstler gibt sich auf Nachfrage geheimnisvoll. Wahrscheinlich war es wohl so: Roger Baptist lernt den australischnorwegischen Künstler Bjarne Melgaard in Berlin kennen. Melgaard hatte schon vorher mit verschiedenen Musikern zusammengearbeitet, findet den Kraftprotz interessant und bezieht ihn öfter in seine Malerei und fotografischen Arbeiten mit ein. Ein paar dieser Werke sind prompt auf der documenta 12 zu sehen gewesen. Baptist erinnert sich gut: „Als Trainer habe ich in der Zeit viele Leute kennengelernt, auch Bjarne Melgaard. Er hat damals Kunst für relativ viel Geld verkauft und war ein völlig durchgeknallter Typ. Nach der längeren Abstinenz von der Musik tat mir das sehr gut. Ich habe ihm dann auch Musik vorgespielt, und wir beschlossen das Projekt Rummelsnuff gemeinsam zu starten.“ Der Name Rummelsnuff klang für beide „schön“. Mehr nicht. Die Produktion für das vorliegende Werk begann vor über drei Jahren, und man entwickelte die Kunstfigur im Laufe der Zeit immer weiter. Das fertige Produkt wurde dann abermals von Alfred Hilsberg für das Label von What’s So Funny About eingekauft. Auf „Halt durch!“ spielt Roger Baptist geschickt mit politischen Reizwörtern und fast zu viel Symbolik. Dass diese oft durcheinandergerät, ist einkalkuliert. Die offizielle Version klingt so: „Dieses Chaos aus Symbolen finde ich gut, das ist zum Teil gewollt, zum Teil spielerisch. Es wird alles nicht so ernst genommen. Politik ist für mich auch nicht zum Ernstnehmen geeignet.“ Und wer sich bei mySpace die zahlreichen Rummelsnuff Videos anschaut, der wird viel Spaß haben und einiges lernen. So zum Beispiel, dass Gewehre scheiße sind und man Mädchen unbedingt vor bösen Buben retten muss, wie beim Gassenhauer „Hammerfest“ zu sehen ist. Und wer auf die feinen Symbolverschiebungen achtet, der erkennt schnell, wo unser lieber Rummelsnuff sein Herz hat. Das alles kann man mögen oder ablehnen. Baptist weiß genau, was er macht und wie es ankommt: „Man merkt, wie es sich spaltet. Das Album polarisiert sehr stark,und ich kenne keinen der sagt, „Ist egal“. Einige denken bestimmt, „Ach du Scheiße“ und haben Angst davor. Ich bin froh drüber, dass es beiderlei Meinungen gibt. Denn wenn es umstritten ist, dann bleibt es interessant!“


Rummelsnuff beschwört immer wieder die männliche Kameradschaft und typisch männliche Berufe wie die Seefahrt und den Bergbau, dazu haut er ordentlich Ostalgie in seine Texte. Und bei Liedern mit obskuren Titeln wie „Sliwowitz“ ist er dezent humorvoll, manchmal nahezu melancholisch: „Bei Punkmusik aus Ostdeutschland die Nächte durchgebracht.“ Musikalisch erkennt man keine Grenzen bei Rummelsnuff, und es gibt keine Style-Hindernisse, das macht viel Spaß beim Zuhören und birgt manche Überraschung bei den 13 Songs. Der Künstler dazu: „Die Musik, die ich mache, ist nicht das Ergebnis eines einzigen Einflusses. Vielmehr ein Resultat meines Lebens. Geprägt haben mich ganz verschiedene Sachen. Angefangen bei der Klassik aus meiner Jugend und der Musikschule, über Händel zu den Neubauten sozusagen.“ Da wird Surfmucke mit klassischem Fagott gemischt, und auf dem Titelsong „Halt durch!“ erklingen schunkelige Shantymelodien mit schmackigen Zeilen wie: „Ein Käpt’n gibt nie auf“. Das ist in der Tat originär. Recht putzig auch der musikalische Beitrag

„Der Hund“. Psychobilly-Rave trifft hier auf Kalinka-Geklöter, und durch das ganze Gedudel wird einem ganz schwindelig bei dem Polkapropeller. Rummelsnuff dazu abgeklärt: „Alles was ich gut finde, fließt in meine Musik mit ein. Ich versuche, nicht zu kopieren.“ Das hat schon mal geklappt. Aber woher kommt dieses ganz Eigene? Der Erklärungsversuch von Baptist lautet so: „Seit ich selber Musik (1987) mache, habe ich eigentlich viel zu wenig andere Musik gehört. Das ist auch gut, weil man gar nichts kopieren kann. Fehlfarben und DAF waren eben damals meine Lieblinge, aber aktuell finde ich das Neue interessant, und ich lasse mich gerne inspirieren.“ Das klingt irgendwie logisch. Und vor allem so, als ob Rummelsnuff in Zukunft noch einiges vorhat. Wir hoffen darauf. Rummelsnuff „Halt durch!“ auf ZickZack Records / Indigo (www.zickzack3000.de) Fotografie, Seite 238: Ray van Zeschau (www.strandard63.de) Fotografie, Seite 241: Sven Marquardt (www.marquardtfotografie.com)

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Knuddel-Knut, der Popstar aus Berlin, hat die ersten Karpfen aus dem Wassergraben erlegt. Das tollpatschige weiße Wollknäuel mit den großen Kulleraugen von 2006 ist endgültig Geschichte. Der fast Zweijährige fletscht neuerdings die Zähne und zeigt winkenden Eisbär-Touristen sein bestes Stück. Endlich! Knut ist ein Halbstarker! Von Michael Bennett (Fotos)

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BärenMarke: Knut tänzelt durch sein Gehege mit der Anmut eines eleganten Schwergewichtsboxers, der jederzeit zuschlagen könnte. Es geht eine latente Bedrohung von ihm aus, die so faszinierend wie beängstigend ist – niemand würde ihn jetzt noch mit nach Hause nehmen, den Medien ist er nur noch selten eine Meldung wert.

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halbstarke In den 50ern knatterten sie mit Tolle und Lederjacke durch die Stadt, heute verspricht ihnen das Internet Mobilität. Früher zerlegten sie Tanzsäle, inzwischen ganze Wirtschaftszweige. Während wir uns um ihre fehlende Identität sorgen, haben die Halbstarken längst die Macht übernommen. Von Rainer Schmidt (Text)

Stellen Sie sich vor, Sie wären heute 16 und würden die Welt gerne wissen lassen, dass es Sie gibt. In diesem Alter heißt das natürlich, dass Sie allen zeigen wollen, dass Sie und Ihre Altersgenossen völlig anders sind als all diese Idioten und Langeweiler vor Ihnen. Lassen wir Terrorismus, Amokläufe und andere kleinbürgerliche Fantasien mal eben außen vor – was würden Sie machen, um als wirklich neu und vielleicht sogar ein bisschen revolutionär wahrgenommen zu werden? Bei welcher Kleidung, welcher Musik und welchen Ideen würde der Rest der Welt wohl zuhören und nicht gelangweilt abwinken, weil es das alles schon gegeben hat, und zwar viel radikaler? Wie würde man sich heute für eine Generation einen Ehrentitel wie „Halbstarke“ verdienen? Sie sehen, das scheint ein echtes Problem zu sein. Aber nur auf den ersten Blick. Eine Jeans, ein kariertes Hemd, eine schwungvolle Haartolle und eine schicke Lederjacke – das reichte in den 50er-Jahren in Deutschland schon, um von Eltern und Staat als provozierende Gefahr wahrgenommen zu werden: Die „Halbstarken“ waren geboren. Sie hörten Rock’n’Roll und knatterten auf ihren Mopeds in Banden durch die Stadt, wie sie es im Hollywood-Kino gesehen hatten. Sie wollten cool sein wie James Dean in „... denn sie wissen nicht, was sie tun“ oder unverschämt sexy wie Marlon Brando als Leader einer Motorrad-Gang in „The Wild One“. Ein Denkmal schuf ihnen hierzulande Horst Buchholz in dem gleichnamigen Film „Die Halbstarken“. In der Bundesrepublik bedrohte ihr Aufkommen die herrschende Schlagerkultur der Eltern, die in Ruhe ihre NaziVergangenheit verdrängen wollten, es war ein Angriff auf den latenten Anti-Amerikanismus und Rassismus der Alten (Jazz und später auch Rock wurden als „Negermusik“ verunglimpft). Diese deutschen Jugendlichen wollten so sein wie ihre Altersgenossen in der ganzen Welt zu dieser Zeit. Sie zogen sich gleich an, sie liebten amerikanische Musik und amerikanische Filme, und ab und zu demolierten sie einen Konzert- oder Kinosaal, aus reinem Spaß oder als Demonstration kollektiver Macht gegen die Langeweile in einem Land, das sich nur dem Aufbau verpflichtet sah – es war wohl die erste Popkultur überhaupt, die über alle Ländergrenzen hinweg eine Generation einte. In Deutschland waren sie eine kleine Minderheit, die für große Debatten sorgte – was dem Gemeinschaftsgefühl natürlich ungemein half. Sie dachten jenseits alter Raster und waren gegenüber dem technischen Fortschritt sehr aufgeschlossen, die neue individuelle Mobilität (Mopeds, Kleinkrafträder, Motorräder) war ein wichtiger Teil des Lebensgefühls, das US-Kino wurde als neues Medium fern der deutschen Leinwandbetulichkeiten entdeckt. „Halbstarke“ wurden sie geschimpft – mit dem Wort 246

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sollte verächtlich darauf hingewiesen werden, dass man es hier „nur“ mit Jugendlichen zu tun hat, mit Menschen also, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, das Unfertige, das Werdende als Vorwurf. Zugleich schwang aber die Ehrfurcht vor der frischen Körperlichkeit mit, vor der jugendlichen Macht des Physischen, des Überschäumenden, das zu allen Zeiten von vorhergehenden und damit zwangsläufig verwelkenden Generationen immer als aufreizende Bedrohung und Provokation verstanden worden ist. Es war übrigens die letzte Jugendbewegung, die sich noch eine deutsche Bezeichnung verdiente, und auch die einzige, bei der explizit das Körperliche begrifflich betont wurde. Danach folgten englische Einordnungen nach Mode oder Musik, es kamen Mods und Teds, Rocker und Hippies, Popper und Punker, Skinheads, Raver und Hip-Hopper, aber nie wieder eine eigene Kategorie. Die Bezeichnung „Halbstarke“ wurde eine Zeit lang als Synonym für Heranwachsende generell benutzt, ist dann aber völlig aus der Mode gekommen – vielleicht, weil man sie nicht mehr richtig erkennt. Denn wo sind die Halbstarken heute? Spontan ist man als Älterer ja geneigt, im Namen der armen Nachwachsenden das kulturpessimistische Klagelied anzustimmen. Womit wollen sich die Jugendlichen denn abgrenzen? Musik? Familien pilgern zu den Rolling Stones, auf der Loveparade tanzen Mütter mit großen Ecstasy-Augen neben ihren Kindern, und wenn dann mal ein singender, echter Unterschichtler im Hip-Hop so richtig provozieren will, mit härtestem Sexismus und infamster Homophobie, freuen sich bei uns sofort selbst die schlauesten Feuilletons über so viel Authentizität und Getto-Realismus. Und wenn danach Barden wie Bushido oder Sido mit großen Gesten und dürren Worten erklären, warum Mutti immer noch die Beste ist, ahnt man, wie ernst die Lage wirklich ist. Kleidung? Bis weit nach dem 40. Lebensjahr fühlen sich alle so frei und ungezwungen, dass sie teilweise herumlaufen wie Teenager. Physische Jugend? Der körperliche Verfall wird mit allen möglichen Mitteln revidiert, gebremst, aufgehoben. Das mag zu furchtbar anzuschauenden Ergebnissen führen, engt aber das Monopol in diesem Bereich zumindest etwas ein. Man merkt – sie haben es nicht leicht. Alle Felder, die ihnen früher gehörten, sind heute bereits besetzt. Was bleibt übrig? Körperliche Gewalt bei Jugendlichen ist immer ein beliebtes Thema – die treten doch alle gerne Opas in U-Bahn-Schächten vor den Kopf, oder? Aber Brutalität schweißt keine Jugendkultur als solche zusammen, sie ist kein identitätsstiftendes Merk-


mal. Und auch wenn die Zahl der Gewaltdelikte dieser Altersgruppe steigt: geprügelt wurde immer. Der Autor erinnert sich lebhaft, dass man Anfang der 80er-Jahre auf kein (Punk-)Konzert gehen konnte, ohne nicht in eine Schlägerei zu geraten. Jede Bierbestellung am Tresen im legendären Ratinger Hof in Düsseldorf konnte in einem Massaker enden. Ein falscher Blick, schon floss Blut, das fanden alle ganz normal. Doch das Ergebnis ist nur auf den ersten Blick so düster und nur nach unseren alten Maßstäben. Wenn man genau hinschaut, merkt man, wie raffiniert und mächtig die Heran­ wachsenden heute tatsächlich sind. Die öffentlichen Plätze sind von den Alten und Trendforschern besetzt? Kein Problem. Denn die neuen Halbstarken leben nach den Lehren Maos für die Partisanen: Der Guerilla muss in den Massen schwimmen wie ein Fisch im Wasser. Also: im Internet. Da gelten allein ihre Regeln, da wird ihre Sprache gesprochen, da bestimmen sie die Entwicklungen – und damit die der ganzen Gesellschaft. Ihre Vorgänger in den 50er-Jahren waren ein paar Hundert, in seltenen Fällen ein paar Tausend, die auf den Straßen leicht erkannt und kontrolliert werden konnten. Heute sind es Millionen, die scheinbar unsichtbar vor dem Computer alles auf den Kopf stellen. Früher feierten die Jungen die Mobilität der lauten Zweiräder, heute ist soziale Mobilität in den Netzwerken oberstes Gebot und liebster Zeitvertreib. Einst eroberten sie das amerikanische Kino als ihr neues Medium, heute geht ohne Youtube nichts mehr; ihre Eltern jammern seit Jahren, wie schlecht das TV-Programm wird, die Jungen schalten erst gar nicht ein. Die Alten macht der Gedanke krank, jemand könne zu viel über sie wissen (80er-Slogan: „Unsere Daten müsst ihr raten!“), sie macht der Gedanke krank, jemand

könnte ihre Daten eventuell noch nicht haben. Ihre Vorgänger verwüsteten gelegentlich Säle, ein paar Stühle gingen zu Bruch, vielleicht ein paar Scheiben, das wirkt im Rückblick ganz lustig und irgendwie rührend. Heute zerlegen sie ganze Wirtschaftszweige, es geht um Umsätze in Milliardenhöhe. Durch ihr Verhalten haben sie die alte Plattenindustrie bereits erledigt, Hollywood ist als Nächstes dran, die Verlage mit Printprodukten zittern auch schon. Die gewohnten Strukturen verschwinden so schnell und radikal wie nie zuvor. Gegen diesen Angriff ist kein Kraut gewachsen, weil er keine Anführer und keine Angriffsfläche bietet, es ist die Politik der millionenfachen kleinen Nadelstiche, extrem dezentral und höchst effektiv. Ihre Eltern mögen die wilderen Partys gefeiert und mehr Drogen genommen haben, vielleicht gucken sie manchmal mit mitleidigem Blick auf ihre Sprösslinge, die sich nach den alten Maßstäben anscheinend nicht richtig profilieren können. Aber das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Denn in dieser neuen Welt sind die Halbstarken die wahren Herrscher. Mächtiger und einflussreicher als jede Generation vor ihnen. Und sie wissen, dass die Zeit für sie arbeitet. Wenige Wochen nach unserem Shooting im Berliner Zoo verstarb Thomas Dörflein, der Pfleger von Knut. „Sein gutes Herz hörte einfach auf zu schlagen“, titelte eine Boulevardzeitung. Wir widmen Thomas Dörflein diese Fotostrecke. Fotografie: Michael Bennett (www.michaelbennett.net) Finale Bildbearbeitung: Thomas Kaiser (www.appel-grafik.de)

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Männer weinen nicht. Außer sie pfeifen mutig auf präpotente Regeln und lassen ihrer Sehnsucht nach großen Gefühlen freien Lauf. Emo-High-Fashion für doom days und dark nights. Von Steeve Beckouet (Fotos) und Yang Hartono (Styling)

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„I try to laugh about it, hiding the tears in my eyes, because boys don’t cry.“ The Cure „Boys don’t cry“

Pullover von Jil Sander

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Cape von Fabrics Interseason, Hose von COS und Schuhe von Vivienne Westwood

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Pullover von Vivienne Westwood

„Schuld, Recht. Kein guter Wille hilft uns mehr. Uns retten nur noch Wunder!“ Das Ich „Von der Armut“

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„Do you cry in your sleep all my failings exposed? And there’s a taste in mouth as desperation takes hold. Is it something so good just can’t function no more?“ Joy Division „Love will tear us apart“

Trenchcoat von Dries Van Noten, Pullover von Ikou Tschuss und Halskette von Marion Mille

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Pullover von DSquared2, Hose von Dries Van Noten, Stiefel von Y's und Halskette von Marion Mille

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Cardigan sowie T-Shirt in Schwarz-Weiß von Y’s, schwarze Hose von Song Zio, weiße Schuhe von Vivienne Westwood und silberne Halskette Stylist’s own

„And the devil in black dress watches over my guardian angel walks away. Life is short and love is always over in the morning. Black wind come carry me far away.“ Sisters of Mercy „Temple of love“

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Mantel von Jil Sander, Hemd von Dries Van Noten, Hose von Song Zio, Schuhe von John Galliano und Gürtel Stylist’s own

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„I shall sleep only in my black mantle. When I attain the evening of these days. I shall sleep only beneath the blackvault. When I attain the evening of these days.“ Deine Lakaien „Days gone by“

Pullover von Song Zio, Jeans von DSquared2 und Halskette von Marion Mille

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Weste von Song Zio, Jeans von Diesel und Schuhe von John Galliano

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„I could die. I cry. On the other side, I’ll see you again. On the other side we’ll walk hand in hand.“ Silke Bischoff Project „On the other side I’ll see you again“

Grauer Overall mit Multicolor von Vivienne Westwood, dunkelblauer Mantel von Adam Kimmel und weiße Schuhe von Vivienne Westwood

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Fotografie: Steeve Beckouet (www.steevebeckouet.com) Styling: Yang Hartono (www.iqons.com/yang+yang+hartono) Stylingassistenz: Lucien, Liza Brousse Haare: Markus Lambert (www.olgaheuze.com) Make-up: Eny Whitehead (www.callisteparis.com) Models: Alyosha Quooss (www.studioklrp.com) und Thomas Reynaud (www.mgm-models.de) Finale Bildbearbeitung: Thomas Kaiser, Anja Quecke (www.appel-grafik.de)

Sakko von Adam Kimmel, Hemd von Blaak, Hose von Y’s, und Schuhe von Vivienne Westwood

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Wie passt das alles zusammen? Wenn einer sich so gut ausdrücken kann wie der Österreicher Heinz Sobota – hat er es dann nötig, Menschen zu quälen, zu vergewaltigen, zu töten, um sich verständlich zu machen? Heinz Sobota, verurteilter Zuhälter und Gewalttäter, ist ein schillerndes Faszinosum, ein sensibles Monster in Menschengestalt. „Der Minus-Mann“ heißt seine stumpfe Beichte, ein unverdauliches Werk, es zeugt von den Abgründen einer kaputten Seele. Widerlich, aber: stark! Von Harald Braun (Auswahl) und Alexandra Westphal (Artwork)

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Gar nichts ist, etwas flau um den Magen, sonst nichts. Für diesen Augenblick habe ich jahrelang Scheiße gefressen, alles hineingeschluckt, auch wenn es manchmal nicht mehr gehen wollte, es musste gehen. Jetzt stehe ich da und blinzle in die Sonne. Von zwei Seiten kommen Menschen auf mich zu. Von links Mutter, von rechts zwei Freunde, ehemalige Sträflinge, die mein Entlassungsdatum wissen. Keine Frage, wohin ich gehen sollte – ich spreche ihre Sprache, denke ihre Gedanken … Ich umarme Mutter, dann wende ich mich an die beiden. „Ihr seht meine Mutter …“ „… ist klar, schade, wir haben uns eine Menge für dich ausgedacht. Das hast du nicht gewusst, aber wir haben ziemlich gewartet auf dich. Na, macht nichts, auf alle Fälle schön, dass du wieder heraußen bist, tschau.“ Wir schütteln uns die Hände, einen Moment schaue ich ihnen nach. Klar, das wäre mein Weg – dann drehe ich mich um. Mutter streckt mir die Hände entgegen, als wollte sie mein Leben zerquetschen. Bei entfernten Verwandten, jungen Leuten, hat sie mein „welcome“ arrangiert. Ich kenne den jungen Mann von vor langer Zeit; während der Fahrt zu der Wohnung außerhalb Wiens redet Mutter, manchmal er, ich nicht. In der Wohnung warten die Frau und Jutta, sie wurde auch zur Feier des Tages aufgeboten. Ein herrlich gedeckter Tisch, viel Besteck, fünf Jahre durfte ich bloß mit dem Löffel essen. Alle sehen mich betont nicht an. Meine Hände sind feucht, wie zwei Stunden davor. Ich versuche dankbar zu sein. Es gelingt mir, wenn ich Mutter ansehe. Sie ist froh. Ihr Gesicht ist jung. Jutta starrt mich an. „Du bist ein Mann geworden“, sagt sie. Vielleicht bin ich das geworden. Ich glaube es bloß nicht. Hinschlagen können, wochen- und monatelang zu hocken, ohne das Geringste zur Ablenkung zu haben, den Hass, die

Sehnsucht ertragen lernen, zwischen 500 Knast­schwulen, ohne zu verrotten, durchzulavieren – nein, da gehört viel mehr dazu. „Ja, ich hoffe es“, sage ich. „Du hast doch ein Vorbild, einen Mann wie deinen Vater“, sagt die junge Frau. „Ja, wie mein Vater“, sage ich, dann gehe ich in den Garten, die junge Frau kommt mir nach. Sie hat volle Brüste, das Licht in ihrem Rücken zeichnet die Silhouette ihrer langen Beine bis zum Punkt, wo sich ihre Schenkel schließen. Mein Mund ist trocken, die Hand mit der Zigarette zittert. „… dein Vater war ein wunderbarer Mensch. Er hat so viel für dich geplant, deine Mutter wird es dir dann erzählen. Ich möchte dir einen Kuss geben … ich darf doch?“ Sie beugt sich zu mir, legt die Hände um meine Schulter, streckt sich auf die Zehenspitzen, „du bist so groß“, ihre Lippen sind warm und weich und trocken. Meine Muskeln sind hart, unwillkürlich habe ich einen Schritt zurückgemacht, lehne nun gegen eine Hausmauer, meine Haut brennt. Es ist gut, dass es dunkel ist. „Danke, dass ihr mich so lieb aufgenommen habt.“ Meine Stimme zerbricht an den Worten. Ich gehe an ihr vorbei ins Zimmer. Mutter bringt mir ein Glas Mineralwasser. „Er ist so vernünftig. Er beginnt gar nicht mit dem Alkohol.“ Ich halte das Glas. Davon habe ich nichts geahnt. Ich stelle in einem unbeobachteten Augenblick das Glas zur Seite, flüchte in die Musik, die aus zwei Lautsprechern dringt. Stereo – etwas Neues für mich. Ich spüre Juttas und Mutters Augen ständig in meinem Rücken. Ich will aufstehen, fortgehen – für sie ist es richtig. Ich bin da, sie können mich ansehen. Gegen zehn sagt Mutter, sie sei müde. Mutter, Jutta und ich schlafen im Wohnzimmer. Jutta und Objet Trouvé

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Mutter auf der breiten Couch, ich auf einer schmalen. Mutter setzt sich an den Rand des Bettes, möchte noch reden. „Danke“, sage ich und, „wir werden es schon schaffen, wir beide, hm.“ Sie weint dann wieder und geht. Ich drehe mich zur Wand, lange horche ich hinein in das fremde Dunkel. Ach ja, ich bin frei. Am nächsten Tag treffe ich am Vormittag die Fürsorgerin der Strafanstalt. Sie begleitet mich zu einer Firma, bei der Mutter einen Job für mich aufgetrieben hat. Es ist eine große Offsetdruckerei, wir gehen in das Direktionsbüro im ersten Stock. Der Verantwortliche ist entgegenkommend, mehr noch, verständnisvoll. „Ja, ich glaube, dass Sie sich hier gut eingewöhnen werden. Sie können auch ganz gut verdienen, es werden eine Menge Überstunden gemacht. Da vergessen Sie bald, wo Sie waren. Arbeit ist das Wichtigste im Leben, alles andere kommt von selbst. Wo wird er wohnen?“, fragt er die Fürsorgerin. „In dem Heim in der Geblergasse. Er kümmert sich dann anschließend gleich darum, seine Mutter hat ihn schon vor einer Woche angemeldet“, sagt sie. „Das ist sehr günstig. Das Heim ist ganz in der Nähe. Also, und wann will er anfangen?“, fragt er wieder die Fürsorgerin. „Am Mittwoch, glaube ich, wurde zwischen seiner Mutter und Ihnen vereinbart.“ 262

Objet Trouvé

„Ja, Mittwoch, gut, dann verbleiben wir so.“ Er erhebt sich, gibt der Fürsorgerin die Hand, dann gehen wir. „Machen Sie das mit dem Heim allein?“, fragt sie. „Ja, auf Wiedersehen.“ Ich gehe mit schnellen Schritten von ihr weg, die Straße hinunter. In einigen 100 Metern Entfernung ist das Heim. Durch eine Doppeltüre komme ich in einen Gang. Es riecht stark nach Kohl, links an der Tür steht „Kanzlei“. Ich öffne die Türe, hinter einem Schreibtisch sitzt ein junger Mann. „Guten Tag“, sage ich, „mein Name ist N., für mich wurde hier etwas reserviert.“ „Ha, ha, ha, ist das ein Witz“, der Mann lacht, er hat braune Zähne, „hier gibt es keine Reservierungen. Wenn du ein Bett findest, schläfst du eben darin. Nummer 69 ist dein Bett und dein Spind. Durch den Gang rückwärts über den Hof und die Treppe hoch.“ Er vertieft sich in eine Zeitung. Ich gehe den angegebenen Weg. Aus einem Zimmer kommt mir ein junges Mädchen entgegen. Ihr Haar ist zerzaust, der Pulli schmuddelig, der Rock kurz. Sie sieht mir nach. Ich gehe über den Hof und die Treppe hoch. Überall liegt Dreck herum, ein penetranter Mief nach Schweißfüßen macht sich bemerkbar. Von der Treppe weg führt ein Gang, links davon sind die Zimmer, rechts an der Wand stehen Spinde. Auf einem der Zimmer steht – Nr. 68–71. Ich öffne die Türe. Im Bett Nr. 69 liegt einer und schläft. Er hat die Decke bis


über die Ohren gezogen. Von Leinentüchern kein Spur. Im Raum stinkt es nach Rum. Ich stoße den Schlafenden mit dem Schuh. Er fährt hoch. „Bist teppat, wos trittst n do umanaunda. Ge scheißn und loss mi schlofn.“ Er rollt sich wieder in die Decken. Ein unsanfter Empfang, die Bewohner dieses Heimes kommen scheinbar auch aus dem Knast. Ich trete etwas fester zu. Der Bursche fährt hoch und schlägt gegen meine Eier. Der nächste Tritt trifft ihn voll ins Gesicht. Er fällt gegen die Wand. „Schau dir die Leute an, bevor du sie beschimpfst.“ Ich schlage die Türe hinter mir zu, dann verlasse ich das Haus. Wenn ein Mädchen im superkurzen Mini an mir vorübergeht, stockt mir der Atem. Wie ein Idiot schaue ich dann hinter ihr her, mit schmerzenden Eiern und zuckenden Händen. Mit Röhrlhosen, wie sie fünf Jahre vorher modern waren, gehe ich durch die Stadt. Kein Mensch trägt heute mehr so etwas. Am Nachmittag gibt mir Mutter Geld. „Du brauchst doch etwas zum Anziehen, aber kauf dir etwas Vernünftiges, was du zum In-die-Arbeit-Gehen anziehen kannst.“ Ich sage nichts, es würde nichts ändern. Ich kaufe mir eine Hose nach der letzten Mode, dazu eine Jacke – praktisch und solid –, ohne Freude steige ich in die neuen Klamotten. Abends fahren Mutter und ich nach Hause. Die Jahre, die ich nicht da war. Nichts hat sich verändert, bloß einige Bilder meines Vaters hängen in jedem Zimmer. „… und wenn du nicht in Wien bleiben willst, dann richtest du dir hier ein Zimmer ein, ganz wie du es möchtest“, sagt Mutter. Die Wohnung erstickt in erinnerungsbeladenem Ramsch. „Nein, hier werde ich nie wohnen können, genau wie ich da nie zu Hause war.“ Man sagt eben zu oder nach Hause, doch nichts ist hinter den Worten. Am nächsten Tag besuche ich Jutta. Zwischen uns liegt mehr als die Jahre, die ich weg war und die sie älter ist. Ich sitze auf dem Sofa, sie gegenüber in einem Fauteuil. Ihre Haut glänzt, der Hals ist faltig, mit den Händen greift sie sinnlos ans Tischtuch. Ich stehe auf, greife ihr unter den Rock, unter das Höschen, sie ist nass. Ein anderer streift sich die Hose ab, Socken und Schuhe, das Hemd. Ein anderer greift an ihre Brüste, steckt ihr den Schwanz in die glitschige, heiße Möse. Ich küsse sie nicht, mein Schwanz ist halb steif – ich kann nicht mehr –, der Strahl spült mich für Sekunden aus der Zeit, dann ist es peinlich, nicht mehr. Sie weint, „ich habe auf dich gewartet“ – es ändert nichts, ich gehe. Am anderen Tag fahre ich in die Stadt, gehe in die Bar, in der meine Freunde sind. Ein dämmriger Schlauch, die Bar ist leer, beim Musikautomaten stehen zwei Nutten. Kurz darauf kommt Peter, wir geben uns die Hände. „Ich habe Geld, los, komm“, sagt er. Nach vielen Gläsern Wein und Whisky, anderen Lokalen, ist nichts beweglicher, gewichtsloser. Ich lehne wie ein Sack vor meinem Glas. Dann wieder eine Bar. Ein Mädchen sitzt bei mir. In der finsteren Bar ist sie schön. Langes Haar, viel Fleisch, ein weicher Mund. Sie steckt mir die Zunge in den Hals. „Kannst du nicht nett dreinschauen, du bist so ruhig …“, sagt sie. Sie trägt ein langes, hochgeschlitztes Kleid. Ich Objet Trouvé

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schiebe meine Finger in ihre Spalte. Sie holt meinen Schwanz hervor, reibt daran. „Du“, sagt sie, „spritz mir nicht aufs Kleid.“ Ich spritze in ihre Hand und auf den Boden. „Wart“, sagt sie, „ich komm gleich“, dann geht sie. Ich nehme Peter an der Schulter. „Los, komm, gehn wir“, sage ich. … aber, warum willst du gehen?“ Er dreht die Brustwarzen seiner Partnerin, einer fülligen Blonden, zwischen den Fingern. „Komm“, wiederhole ich. Er zieht die zweite Hand aus der Blonden, er hatte sie zwischen ihren Beinen, lässt die Brust aus und steht auf. „Okay. Ich gehe mir bloß die Hände waschen, wart auf mich.“ Ich gehe auf die Straße. Es ist Nacht, farbige Lichtkaskaden fallen über mich her. Ich rauche, plötzlich schaue ich in ein lachendes, helles Mädchengesicht – sie ist vorbei, wendet den Kopf, ihr Begleiter zieht sie eng an sich. Der ungewohnte Alkohol drückt gegen die Stirn. Ich werfe die Zigarette in den Rinnstein, dann kommt Peter. „Gehen wir in die Orchidee, da kenn ich zwei Hasen“, sagt er. Wieder das gleiche Dämmer, verschlissene Plüschsitze, ein zu serviler Ober; zerknitterte Augen über dem zerknitterten Smoking – alles schäbig – die beiden Animierhasen zu blond, zu routiniert. Was will ich – Ansprüche stellen – das Lachen und das Kotzen warten nebeneinander in der Kehle – los, 264

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los … ich will mich besaufen… will dieses Scheißvakuum aus dem Schädel bekommen … Mädchen, küss mich … nicht so, da kommt mir das Essen hoch, so, mein Kleines … langsam, zärtlich, wenn du weißt, was das ist … ja, natürlich, ich weiß, dass du im Geschäft bist, und da hat alles seinen Preis. Die Mädchen schütten den sauren Wein in sich hinein, ich trinke dann Whisky. Meine Blonde hat Grübchen, wenn sie lacht, das macht ihre Schnauze erträglich. Sie ist betrunken – „kommst du zu mir, du küsst so irrsinnig zärtlich, kannst du gut lecken?“, flüstert sie, ihre Augen schwimmen, ihre Fut ebenfalls. Ausfluss oder Erregung. Ich tippe im Stillen auf eins plus 20 Prozent zwei. Plötzlich springt sie auf, ich mit, sie hat meinen Schwanz nicht losgelassen. Der Ober klärt servil den Zwischenfall. Peter bezahlt, die Mädchen kommen mit uns. Peter steckt mir 1.000 Schilling in die Rocktasche. „Für morgen, meine Telefonnummer hast du, ruf mich an, tschau.“ „Mach ich, tschau.“ Das Mädchen wohnt nur ein paar Schritte weit. Ihre Wohnung ist klein, aber sauber. Auch eine Dusche gibt es. Sie kocht Kaffee, ich dusche. Sie schaut mir zu. „Warum bist du so weiß, jetzt mitten im Sommer, warst du im Hefen?“, fragt sie. „Ja, stört es dich?“, sage ich langsam. „Wie lange warst du eingesperrt?“


„Fünf Jahre – mit drei Wochen Ausgang zum Bundesheer.“ „Fünf Jahre – und seit wann bist du draußen?“ “Seit vier Tagen“, sage ich. Sie küsst meine Schultern, die Brust, den Bauch, das Glied, dann zieht sie mich zum Bett. Ich liege auf dem Rücken. Sie zündet mir eine Zigarette an. „Ich bring dir den Kaffee“, sagt sie und geht. Ich trinke, dann lösche ich die Nachttischlampe. Ein Autoscheinwerfer malt den Schatten eines einzelnen Kreuzes gegen die Wand. Es ist vorbei, keine Gitterschatten mehr an den Wänden. Es ist vorbei, kein Guckloch mehr in der Türe, kein Schlüsselklirren, der Ring lockert sich. Ich lehne im Polster, das Mädchen steht im Türrahmen, ich knipse die Leuchte an. Ihre Haare sind lang und blond und seidig. Ihr Gesicht ist nun klar, mit großen Augen, einem schweren Mund. Ihre Brüste schimmern durch das Babydoll. „Komm her“, sage ich. Meine Hand greift ihren festen Arsch. Ich streife den dünnen Fetzen von ihrem Körper, langsam – wie lange habe ich doch darauf gewartet – streifen meine Lippen von Haut zu Haut. Meine Zunge ist auf Poren und weichem Haar und Zähnen und Feuchtigkeit. Ich habe Zeit – alle Zeit –, die Sehnsucht ist in der Kehle, in den Händen, den Fingerspitzen. Das Mädchen zittert, lächelt, es geschieht ihr für sich – mir ist es Beginn – Urgeschehen – mein Schwanz ist hart in ihrem Mund, ihrem Körper, zwischen den Brüsten, unter den Armen, im Arsch – ihre Nägel krallen in meinen Bauch, den Rücken – sie schreit in mein Stoßen – dann falle ich in ein heißes, schwarzes Loch – der Blitz spaltet mein Begehren – ihre Zähne sind in meiner Schulter – ein Gemisch von Fotze und Scheiße und Sperma schmiert in mein Denken – Haar liegt auf meinen Augen, ein Schimmer Licht, die rosa Warze vor meinem Mund. Der Druck ist fort. Es ist kühl an meinen Schläfen. Mein Gesicht ist vergraben in Haut. „Woran denkst du?“, fragt sie. „An nichts“, sage ich. „Gibts dich eigentlich – deine Hände – und das andere?“, sagt sie. Ich sage nichts. Sie liegt, das Gesicht zwischen meinen Händen, mit satten, dummen Augen. Ohne Wollen wandern meine Lippen über ihr Gesicht. „Bleib da … du, bleib da … bei mir … ich bin ganz allein …“, sagt sie. Ich drehe den Kopf tief in die Polster, spüre nur noch viele kleine, flatternde Küsse – „du bleibst da, ja …“, sagt sie, weit weg – ein heller Schacht … ich bin nicht mehr im Gefängnis. Ich bin wach, und ihre Hand rutscht von meiner Schulter, liegt haltlos in der Decke. Sie lächelt, und wir frühstücken ohne zu reden, dann waschen, rasieren – stolz bringt sie einen

Apparat, Pinsel und Klingen –, sie lehnt beim Fenster, lacht in die Sonne, dann zu mir her. „Sag, hast du eigentlich Geld? Wenn man da rauskommt, hat man doch nichts“, sagt sie. „Wenig, aber was interessiert das dich?“, sage ich. „Ach“, sagt sie, „nur so.“ Ich stehe hinter ihr am Fenster, die Sonne ist warm auf meinen Händen. Ich sollte schon arbeiten. Seit gestern Morgen. Ich werde eine Woche später beginnen und sagen, ich hätte noch einiges zu erledigen gehabt. Später auf der Straße hält sie meine Hand. Sie kauft mir Hemden und Jeans und Schuhe. „Ich will dir etwas schenken. Ich bin glücklich, lass mich doch!“, sagt sie und bleibt vor der Auslage eines Juweliers stehen. „Eine Uhr brauchst du auch“, sagt sie und zieht mich in das Geschäft. Mir fehlt eine Uhr nicht, aber meinetwegen. Dann essen wir in einem hellen Gasthausgarten. Ich trinke Rotwein, ein Baum prägt Schatten auf ihr Kleid. Autos hupen von der Straße. Es war doch nur ein unmerklicher Schritt bis hier, der Tag ist ein weicher Teppich, jedes Danach ist lebensweit dahinter. Lichtsplitter funkeln am Uhrglas. Der Rotwein spült Schärfen aus dem Bild. Später telefoniere ich mit Peter. Was er sagt, „die Helga vom Biedermeier möchte dich unbedingt sehen“, dringt nicht über den Rand. „Ja“, sage ich und „vielleicht am Abend“, dann hänge ich ein. Der Wein liegt voll im Mund. Rauch wischt über Farben und Worte. Wir gehen in ein Kino – „Die Nacht der Generale“ – Dirnenmorde eines Schizophrenen – Blut unter dem Türspalt. „Liebst du mich?“, flüstert das Mädchen, ihr Mund klebt neben meinem Ohr. Die Leiche in Supercinemascope – der General hat die Dirne erstochen, wer sagt das … das Drehbuch … vielleicht hat er, der General, nur gesagt, „ich will dich unter der Achsel oder zwischen den Rippen ficken, ich mache mir meine Fotze, wo ich will“, vielleicht war es so … Ob ich dich liebe – nein, du hast mir einen Stein für das Mosaik gegeben, die anderen Steine werde ich suchen, manchen werde ich finden – aber das Bild wird immer unvollständig bleiben. In den vielen Jahren wird der Pinsel zu perfekt, die Beziehung zur Realität fehlt, wenn du ihr dann begegnest, ist es zu wenig – es kann nur eines sein – aber du weißt doch von allem, oder weißt du von gar keinem? Es ist verwirrend … ich kann es nicht festlegen, aber ich liebe sie nicht. „Nein, ich liebe dich nicht“, sage ich. Tropfen an den Wimpern, sie reibt mit der Hand, dem Taschentuch. Auf der Straße küsst sie meine Wange. „Ich warte auf dich. Du weißt ja, wo ich wohne, und du hast mich nicht gefragt, aber ich heiße Manuela“, sagt sie, im Gehen schon. Ich stehe allein mit den Paketen. Ich suche in der Tasche nach Zigaretten, da ist ein GeldObjet Trouvé

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schein, 1.000 Schilling, aber in meiner Jacke steckt noch einer, der von Peter. Lieb von ihr, Nutten haben ein breites Herz. Morgen ­werde ich sie wieder besuchen. In Hotel Urania nehme ich mir ein Zimmer. Baden, umziehen, dann fahre ich ins Biedermeier oder, wie es jetzt heißt, „Cafe Schatz“. Erna, die gute alte Eule, steht hinter der Bar. Im schmalen Vestibül vor dem Barraum räkeln sich Monika, Mia und Trixi, heißgetakelte Dirnen, die hier tagsüber auf „Herren“ warten. Die Bar ist leer. Ein Pudel steckt seine feuchte Nase in mein Hosenbein. Der Hund gehört Mia. Er ist ebenso strohdumm wie sie. Manchmal zuckt er und fällt ohne ersichtlichen Grund auf den Rücken. „Geh zum Hundepsychiater mit ihm, er hat einen Dachschaden“, sage ich. Sie wird böse, wer ihren Hund beleidigt, kränkt sie persönlich. „Wos vastehst du von an Pudl, wias di eindraht hom, hots jo de Rass no goar net gebn“, keift sie zu mir. „Auntrentzte, loss mir mit dem Oarschlochhund in Ruah, der muass jo teppat sei, wauna mit dia lebt, dea hot nua net dei primitive Kaunstitutiaun und deswegn hauts eahm umdrerd, begreifst du des, du hirnloses Dirnentier – na, an Dreck 266

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begreifst du. Geh, Erna, gibt mir noch was zu trinken, de Gschissane mocht mi miad mit ihrn Krambambuli“, sage ich und trinke einen Weinbrand. Mia mault vor sich hin, Monika streckt endlose Beine in einem fast nicht vorhandenen Mini und gähnt. Trixi fragt mich nach einem Arzt, der Abtreibungen macht. „Ich werd schauen“, sage ich. Ich kenne da einen, der hat 400 Abtreibungen gemacht, er müsste auch schon aus dem Knast heraußen sein. In einem meiner Briefe, die ich aus dem Gefängnis gebracht habe, steht seine Adresse. „Wann kommt die Helga„, frage ich. „Die is beim Friseer, vielleicht kummts in ana Stund“, sagt Mia und spreizt die Beine bequem. Der Hund streckt die Schnauze an ihr Höschen. „Der wird dir einmal den Juden abbeißn“, sage ich. Sie lacht. „Blasst wie guat der leckn kann, der hot an Zunganschlog wira Eidaxl“, sagt sie. Sie lachen alle. Ich gehe in die „Fiakerbar“ nebenan. Der Loisl, ein Bekannter, steht am Gehsteig, lehnt gegen ein weißes Auto. „Servas, schen dasd wieda do bist.“ Er hat fünf Jahre hinter sich, wegen einer Notzucht, die man nie bewiesen hat, aber man weiß ja, wie so etwas von der Polizei gedreht wird. „Servas“, sage ich und gehe ins Halbdämmer der Bar. Einige


Zuhälter spielen Karten. Jancsi, der clevere Ungar, stützt sich auf den Tresen. Peter ist nicht zu sehen. „Servus, trink ma wos“, sagt er in weichem, ungarischem Wienerisch, und „du druckst di jetzt a eini ois Strizzi. Host scho a Oide? Wia ma di oghoit hom, woarn do drei Wuchtschnitzln, richtige Stuatn, a trum Duttl, a hocha Oarsch, scheene Läuf, a potzn Schedl … warum bist net glei kumma, de ane is beule, die aundern zwa san noch Deitschland gfoahrn. I foahr a nexte Wochn, kurnmst mit“, sagt er und schiebt mir einen Weinbrand her. „I mecht vurher no mitn Helmut redn“, sage ich und trinke. „Brauchst a Puffn, jo, guat, bring i da muagn“, sagt er. Wir reden noch eine Weile über die Huren und übers Geschäft. Ich gehe aus der Bar, das Stück zum Lugeck. Etwas verwundert schaue ich auf die Gutenbergstatue über dem Brunnen. Die Tauben haben ihn immer noch nicht zugeschissen. Durch die Ertlgasse schlendere ich zum Bauernmarkt, zum Petersplatz, biege dann in den Graben ein. Vor dem „Chattanooga“ treffe ich zwei Bekannte. Mit einem von ihnen gehe ich ein Stück gegen den Stephansplatz. „… wenn du mir das Bild morgen gibst, kannst du in zwei Tagen den Führerschein haben, also um zwei im Schwedenespresso“, sagt er.

© Die Originalrechte für das Buch „Der Minus-Mann“ liegen beim Autor Heinz Sobota. Weitere Informationen: www.randomhouse.de

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Atemlos: Extremsportler Joey Kelly (Kelly Family) startete 2001 erstmals beim Race Across America. „Andere trainieren nur die Hälfte und sind trotzdem schneller“, klagte er damals. „Dein Talent ist, dass du dich quälen kannst“, antwortete sein Trainer. Bis heute lief Kelly über 50 Marathons und beendete sämtliche Ausdauerwettkämpfe der Welt. Das RAAM, so Kelly, „ist die brutalste Prüfung von allen“.

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4.900 Kilometer quer durch Amerika. Von Kalifornien bis an die Ostküste. Tag und Nacht, ohne Etappeneinteilung, so lange, bis der Körper streikt. Das „Race Across America“ ist das brutalste Radrennen der Welt. Wer ankommt, ist ein Sieger. Von Jürgen Kalwa (Text) und Christiane Kappes (Fotos)

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Jeder muss selbst entscheiden, wie er der Hälfte der Zeit bestritten. Jeder sich auf eine solche Sache vorbereiTeilnehmer kämpft alleine mit den tet, an deren Ende man sich wie ein vier Unbekannten des UltramaraWrack vorkommt und seine Empthon-Radfahrens: dem Kurs, dem findungen kaum noch in Worte fasKlima, den Konkurrenten und sen kann. Surreal ist das. Und doch dem eigenen Körper. Wer es überso konkret. Es fühle sich an, als ob steht, für den wird aus dem Ritt man „zweimal jeden Tag von einem über den Kontinent eine ZeitreiLastwagen überfahren“ worden sei, se durch einen mentalen Tunnel, hat der Schweizer Daniel Wyss gein dem nur noch Platz ist für ein sagt, um zu beschreiben, wie es war, einziges träges Verlangen: nicht abals sein Körper kurz vor dem Ziel schmieren. Ankommen. Egal, wie. schlappmachen wollte. Der Mann Wer es schafft, sagt Renngründer aus dem Kanton Wallis ist neun John Marino, erlebt ein unglaubliTage lang auf seinem Fahrrad quer ches Hoch: „Nach diesem Rennen durch Amerika gefahren und war kann dich nichts mehr im Leben fertig mit der Welt. Er dachte nur wirklich einschüchtern.“ Es könnte eine reizvolle Reise sein. einen Satz: „Warum soll ich jetzt Denn es geht durch wilde und noch weiterfahren?“ Trotzdem wechselvolle Landschaften, durch quälte er sich bis über die Ziellinie, die Wüsten von Kalifornien und obwohl sich seine Füße anfühlten, Nevada, die massiven Anstiege der als ob er über glühende Kohlen geRocky Mountains, durch Canyhen würde. ons und über die Prärie, entlang Dann hatte er es geschafft: das an Baumwollplantagen und ÖlfelRace Across America (RAAM), dern. Doch wer den Trip mit dem den härtesten sportlichen Wettbenotwendigen Tempo runterreißt, werb der Welt. für den wird dies zu einer totalen Wie hart? Man fährt 4.900 KiloGrenzerfahrung, die mit nichts zu meter ohne Etappeneinteilung auf vergleichen ist. einer festgelegten Strecke von Kalifornien bis zu dem Zielpunkt an Michael Nehls, der sich in diesem der amerikanischen Ostküste. Die Jahr erstmals an diese Ultraaufgabe Strecke ist ein Drittel länger als die herangewagt hat, hat sich bei seiTour de France und wird in nur ner Vorbereitung für eine kreative

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Lösung entschieden. Er stieg zweiDas Besondere an seiner Leistung: Das RAAM lieferte schon immer mal in der Woche zu einem ausgieEr hatte einen Weg gefunden, im viele solcher Episoden von Schmerz bigen Training auf sein aufgebocktes Kampf gegen die Uhr und geund Leid. Doch erst seit es YouTube Rad in der Sauna eines Fitnessclubs. gen die Konkurrenz insgesamt 45 gibt, kann sich jedermann ein Der Biotech-Unternehmer aus FreiStunden zu schlafen. Die meisten Bild von dem Wahnsinn machen. burg hatte zuvor schon einige 24RAAM-Teilnehmer versuchen, Ein Wahnsinn, für den ein Fahrer Stunden-Rennen und Alpenübermit der Hälfte der Zeit auszukommehr als 40.000 Euro aufbringen querungen absolviert. An diesem men. Viele landen deshalb irgendmuss, um die Mindestkosten für Langstreckenrennen machte ihm wann mental in jenem Tunnel, in Flüge, Hotels, drei Leihwagen fürs allerdings vor allem der Gedanke dem sie jeden Sinn für Zeit und Begleitteam und Verpflegung aufan den langen Abschnitt am ersten Raum verlieren. zubringen. Da die Ultrafahrer bei Tag durch die kalifornische Mojavegroßen Firmen keine SponsorenAber das ist nicht die einzige HerausWüste zu schaffen. Die Temperatuunterstützung finden, müssen forderung. So erlebte der Österreiren betragen dort bis zu 50 Grad sie mit dem Klingelbeutel in der cher Gerhard Gulewicz, der sich in im Schatten. Allein, es gibt keinen Hand zu vielen kleinen Unternehdiesem Sommer sogar Chancen auf men gehen. Das typische Begleitden Sieg ausgerechnet hatte, schon Schatten. Nehls wusste: „Die meisfahrzeug eines RAAM-Fahrers ist früh die Grenzen seiner Belastbarten scheitern daran, dass sie zu schnell losfahren und die Zeichen keit. Angeschlagen von Schwindeldaher nahezu vollständig mit Sponihres Körpers missachten.“ Wozu anfällen und geplagt davon, übersoren-Aufklebern bedeckt. in der Wüste die Schweißfunktihaupt noch Nahrung aufzunehmen, Was 1982 im kleinen Rahmen als on gehört. Ein Mensch, der nicht wurde er nach zwei Tagen Opfer sportlich anspruchsvolle Radwanschwitzt, erleidet schnell einen einer kleinen Unaufmerksamkeit. derung begann, ist längst ein unHitzeschock. Er muss ins KrankenAls er sich im Morgengrauen wähsentimentaler Wettlauf geworden, haus und braucht eine intravenöse rend der Fahrt seine Jacke ausziehen bei dem die Besten zwei extreme Behandlung. wollte, verfing sich ein Ärmel in den Leistungsparameter optimieren – Speichen. Gulewicz stürzte, zog sich Bolzen und Durchhalten. Typen Nehls Vorgehensweise erwies sich Prellungen und Schnittwunden im wie Wolfgang Fasching aus der Steials weitsichtig. Er kam bei der 27. Gesicht zu und musste nach der unermark, der 1997 nach neun Tagen Auflage des Race Across America fallärztlichen Versorgung das Renund vier Stunden mit einem Vorim Juni als Siebter im Ziel in Annen abbrechen. Einen Monat Traisprung von mehr als sechs Stunden napolis im Bundesstaat Maryland ning in Las Vegas und die Anreise das Rennen gewann. Zu seinem an. Er benötigte für die Strecke 10 des Begleitteams aus Europa – alles Team gehörte ein Arzt, der unterTage, 22 Stunden und 56 Minuten umsonst. Trotzdem will er im nächswegs die Blutwerte laborgerecht bis bei einer Durchschnittsgeschwinten Jahr wiederkommen. digkeit von 30 Stundenkilometern. zum letzten Laktat-Isotop durch-

Solofahrt: Tag und Nacht quälen sich die Sportler über schier endlos lange Highways. Schlimmer als der Schmerz in den Beinen ist dabei die psychische Belastung. „Alleinfahrten können zermürbend sein“, so Kelly. „Man fragt sich permanent: Warum tue ich das hier? Aber aufgegeben habe ich noch nie.“

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leuchtete und ein Masseur, der in den kurzen Pausen die müden Muskeln lockerte. Er kam mit insgesamt zwölf Stunden Schlaf aus und verlor trotz aller Strapazen nur ein Kilogramm Gewicht. Zwei bis fünf Monate braucht ein normaler RAAM-Fahrer, der durch die Mauer aus Schmerzen und den Nebel aus Endorphinen, Selbstgesprächen und Halluzinationen gegangen ist, um sich von diesem Trip wieder gänzlich zu erholen. Aber viele kehren zurück und packen die Quälerei noch einmal an. Fasching, 1996 auf Platz drei, 1998 und 1999 Zweiter, siegte 2000 und 2001. Bis 2007 stand er ununterbrochen am Start. In den Winterpausen hielt er in seiner Heimat Diavorträge und genoss die Bewunderung. Der neue Held der Landstraße heißt Jure Robic, ist Angehöriger der slowenischen Armee und hat das Rennen in den letzten vier Jahren regelrecht beherrscht. Er verausgabt sich dabei stets bis aufs Extremste. „Was Jure macht, flößt einem Angst ein“, sagt ein Freund und Teammitglied. „Manchmal steigt er einfach mitten im Rennen von seinem Fahrrad und geht auf uns im Begleitwagen zu und ist total verärgert.“ Die Betreuer wissen sich dann keinen anderen Rat, als die Türen des Autos von innen zu verriegeln. Die berühmte „Durchdrehe“ im Kopf, ausgelöst von einer Achterbahnfahrt des Blutzuckerspiegels, kommt seltener vor, seit die meisten Teilnehmer auf feste Nahrung verzichten und im Stundentakt angerührte Proteinpulver trinken. Nur so gelangen die täglich erforderlichen 13.000 Kalorien sowie Aminosäuren, Vitamine und Mineralien schnell und dosiert in die Blutbahn. Dass Fahrer übermüdet vom Rad fallen, lässt sich damit aber auch nicht gänzlich verhindern. Einer der insgesamt zwei Todesfälle in der Geschichte des härtesten Radrennens der Welt hingegen wäre wohl vermeidbar gewesen. 2005 starb der mehrfache RAAM-Teilnehmer Bob Breedlove in Colorado auf einer einsamen Straße, nachdem er von einem 15-Jährigen in einem Pick-up-Truck angefahren worden war. Statt unmittelbar hinter ihm zu fahren, hatte ihn die Besatzung seines Begleitfahrzeugs „etwas vorfahren lassen“. Das Risiko fährt immer mit. Auch wenn die RAAM-Routenplanung darauf bedacht ist, das Feld über möglichst wenig befahrene Nebenstraßen zu lotsen. Vorschläge wie den, eine Mindestruhezeit für die Teilnehmer von 40 Stunden einzuführen, missfällt den Puristen unter den Ultraausdauerfahrern.

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Helfende Hände: Ohne technische und medizinische Betreuung kann man das Race Across America nicht durchstehen.

Zu einem echten Gegner kann sich der launige Wettergott entwickeln. Das Wetter schlägt oft binnen weniger Minuten um. Und während mancher Teilnehmer glücklos mit Gegenwind, Gewitter, Hagel, Nebel oder Sandstürmen kämpft, radelt die Konkurrenz nur wenige Kilometer entfernt bei komfortabelsten Bedingungen übers Land. Wer siegen will, braucht auch ein psychisch stabiles Team von Helfern. Der Gruppenkoller, den der Ritt durch Amerika unweigerlich mit sich bringt, hat schon manchen Begleitfahrer zerrieben. Selbst wenn er nur in profane Aufgaben eingespannt ist, wie die Gegner im Auge zu behalten oder Schlaf-, Tank-, Wäschewasch- und Einkaufsstopps zu erkunden. Insbesondere der Schlafentzug zerrt an den Nerven. Ständig gibt es irgendetwas zu tun, um den Pedaleur zu versorgen – mit aufmunternder Musik aus plärrenden Lautsprechern, mit Getränken, technischer Unterstützung, sauberer Kleidung, Massagen. Ohne professionelle Begleiter, sagt Wyss, der Sieger von 2006, geht gar nichts: „Wenn es dir dreckig geht, ist es wichtig, dass du Freunde hast, die dir helfen.“ Alleine kommt bei dieser Tor-Tour niemand ins Ziel. Fotografie: Christiane Kappes (www.adventure-press.de). Finale Bildbearbeitung: Markus Leppelt (www.appel-grafik.de).

In BlIckweIte: Die Begleitfahrzeuge fahren nur wenige Meter hinter den Athleten. Besonders in der Nacht dient dies auch der Sicherheit.

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fach wegrennen. Atemlos. Er will nur noch laufen. Ein ne sich umzudrehen. Schnell und weit weg. Oh . ist ein Mann auf der Flucht Ohne uns anzusehen. Er ling)

tos) und Isabelle Thiry (Sty

Von Daniel Schröder (Fo

Rolli, Pullover, Hose und

s Black

Handschuhe von Hugo Bos

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lection

erhose von Calvin Klein Col

Handstrickpullover und Led

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p! und Hose von Cerruti

Mantel sowie Rolli von Joo

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r sowie Chinos von Burberr Wolljacke von Acne, Pullove von Acne Cap von H&M und Schuhe

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y London,


Anzug von Jil Sander

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se von COS

ons, Pullover, Rolli und Ho

Mantel von RAF Raf Sim

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ons, Pullover, Mantel von Raf by Raf Sim

se von COS und Schuhe

Rollkragenpulli sowie Ho

von Filippa K

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berry, Hemd von A&V und

Pullover von Thomas Bur

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Hose von Sand


ber, Hemd von René Mantel von Postweiler Hau

uhe von Acne

ksack von Whyred und Sch

Lezard, Hose von A&V, Ruc

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Cape, Hemd und Hose von

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Neil Barrett


Pullover von Belstaff und

Hemd von Song Zio

er (www.nergermao.de) Fotografie: Daniel Schröd w.thiry.info) (ww ry Styling: Isabelle Thi lencia Stylingassistenz: Nelson Abu seurope.com) odel rdm w.fo (ww ian Flor ction.com) Model: nn (www.primatepostprodu lma Kuh rtin Ma g: tun Bildbearbei

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Mythos Le Mans. Kein anderes Motorsportereignis fasziniert so wie die legendären 24 Stunden im Nordwesten Frankreichs. Eindrücke vom härtesten Ausdauerrennen der Welt. Von Mieke Haase (Fotos), Nils Wollny und Phillip Bittner (Text)

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Wenn es Nacht wird über der berühmten Ligne Droite des Hunaudières, verändert sich die Wahrnehmung. Wie bei einem Blinden verstärkt sich nun der Gehörsinn. Die Ohren werden zum besten Freund. Denn sie orten die brüllenden Boliden in der Dunkelheit als Erste. Die Nacht während des Rennens ist ein Grund für den Mythos Le Mans. Die Streckenführung ein anderer. Der Circuit de la Sarthe nahe Le Mans ist fast 14 Kilometer lang und besteht zu einem Teil aus regulären Landstraßen. Er gilt unter Rennfahrern neben dem Nürburgring als schwerste Strecke der Welt. Dabei besitzt der Rundkurs viel weniger Kurven oder Bergpassagen als die grüne Hölle in der Eifel. Die Schwierigkeit des Circuit de la Sarthe liegt vielmehr in seinem hohen Vollgasanteil. Rund 85 Prozent der Strecke hal-

ten die Piloten das Pedal vollständig durchgedrückt. Topspeed: 335 km/h. Im Durchschnitt waren die Fahrer bei den schnellsten Rennrunden in diesem Jahr mit über 240 km/h unterwegs. Die Belastungen für das Material sind kein Zufall. Ursprünglich wollten die Autohersteller in Le Mans die Zuverlässigkeit und den Entwicklungsstand ihrer Modelle unter Beweis stellen. Aber auch die Fahrer müssen in Le Mans in absoluter Topform sein. In jeder Kurve zerren die Zentrifugalkräfte am Hals. Normale Menschen haben gar nicht die Kraft, den Kopf gerade zu halten. Die 24 Stunden Fahrzeit teilen sich pro Wagen drei Fahrer. Einsatzdauer: rund drei Stunden pro Abschnitt. Mehr als vier Stunden Schlaf am Stück sind bei diesem Rhythmus nicht drin. Dazu kommt die psychische Belastung. Und die ist oftmals größer als die körperlichen Qualen. Die Fahrer müssen über die 24 Stunden wie ein Uhrwerk funktionieren. Auch während der Pausen muss man in kürzester Zeit fahrbereit sein. Nur wem die Balance zwischen höchster Konzentration auf der Strecke und komplettem Abschalten in den Pausen gelingt, hat eine Chance auf den Sieg. Wenn das Auto mitspielt. Doch die Ausfallquote ist aufgrund des Streckenprofils sehr hoch. Auch bei der Zahl der Todesopfer hält Le Mans einen traurigen Rekord. Der tragische Unfall des Mercedes-Piloten Pierre Levegh im Jahr 1955 ist die größte Katastrophe in der Geschichte des Motorsports. Bei einem Ausweichmanöver wurde der Wagen in die Zuschauermassen katapultiert. 84 Menschen verloren dabei ihr Leben. Doch jeder, der sich auf die Strecke begibt, weiß um die Gefährlichkeit des Kurses. Le Mans ist knallhart und kennt keine Gnade. Auch das Unfallrennen von 1955 wurde nach dem Zwischenfall nicht abgebrochen.

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Wer hier als Fahrer siegt, wird unsterblich. Der große Jacky Ickx gewann in Le Mans sechsmal. Rekordsieger Tom Kristensen ging dieses Jahr mit sieben Triumphen auf dem Konto an den Start. Aber auch Marken werden durch Le Mans zur Legende. Ob Bentley, Jaguar, Ferrari, Porsche, Peugeot oder Audi – die Siege bei den 24 Stunden von Le Mans trugen maßgeblich zu diesen heute klangvollen Namen bei. In Le Mans zu siegen, bedeutet Rennkompetenz, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit. Für die Zuschauer bedeutet der Mythos Le Mans hautnahes Rennvergnügen. Am Ende der Ligne Droite des Hunaudières bremsen die Rennfahrer von Tempo 335 auf 70 km/h herunter. Nur wenige Meter von den Fans entfernt. Die lange Renndistanz ermöglicht zudem, die Standorte während des Rennens zu wechseln und die Wagen aus verschiedenen Perspektiven zu bestaunen. 258.000 Fans kamen dieses Jahr über die Renntage in Frankreichs Nordwesten – Zuschauerrekord. Für die wirklich magischen Fanmomente sorgt jedoch die Nacht. Kurz nach Sonnenuntergang ist der Himmel von Feuerwerk erleuchtet. Alte Haudegen unter den Anhängern geraten über die dunklen Stunden danach ins Schwärmen. Auf den Tribünen herrscht Stille. Die meisten Zuschauer schlafen in ihren Zelten oder in warmen Hotelbetten. Wer jetzt aufbleibt, ist allein mit den Motoren. Die Konditionsstarken unter den Fans werden zudem mit einem traumhaften Sonnenaufgang unter der legendären Dunlop-Brücke belohnt – bei gutem Wetter. Leider nicht bei Regen, wie in diesem Jahr.

Nicht nur fahrerisches Können, auch Ausdauer ist in Le Mans der Schlüssel zum Sieg. Denn es gewinnt nicht das Auto, das nach 24 Stunden als erstes über die Ziellinie rast, sondern das mit den meisten Runden. Fällt man z.B. mit vier Runden Vorsprung kurz vor Schluss aus und kann der Zweite diesen nicht aufholen, ist man trotzdem Sieger. Der hieß dieses Mal wie schon in den vergangenen zwei Jahren Audi. Nicht zum ersten Mal entschied sich das Rennen in der Dunkelheit. Bei einsetzendem Regen übernahmen „Dindo“ Capello, Tom Kristensen und Allen McNish in ihrem mit Biodiesel der zweiten Generation (Btl) angetriebenen Audi R10 Tdi um 5:17 Uhr die Führung und gaben sie bis zum Ende des Rennens um drei Uhr nachmittags nicht mehr ab. Die beeindruckenden Zahlen der Sieger: 381 Runden, 5.192,6 Kilometer, 32 Boxenstopps, 45,56 Liter pro 100 Kilometer Verbrauch und der achte Sieg für Tom Kristensen. Der Mythos Le Mans verlangte auch in diesem Jahr den Fahrern und Autos alles ab. Und natürlich den Ohren der Zuschauer.

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Unsere Accessoires der Saison entwickeln einen aggressiven Vorwärtsantrieb durch den Einsatz von ausgewählten Sneakers, Taschen, Uhren, Schmuck und Gadgets. Unschlagbar in puncto Luxus, Effizienz sowie Upsizing und garantiert absolut CO2-frei. Von Attila Hartwig (Fotos) und Sarah Illenberger (Styling)

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(1) Ladeluftkühler (1) Tasche von Y-3, Zündkerzen (2) Duftkerzen von Comme des Garçons, Keilriemen (3) Ledergürtel von Calvin Klein, Hilfsrahmen (4) Lederarmband von Y-3, Einspritzleitung (5) Abdeckstift Touche Éclat von Yves Saint Laurent, Zylinderbänke (6) Sneakers Air Max von Nike

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Stirnrad (1) CD-Player von Muji, Kühler (2) Schuhe von Prada, vordere Kupplung (3) Lautsprecher Control Now BK von JBL, Motorblock (4) Tasche von Y-3, Kühlluftventilator (5) Card Holder French Classic von Porsche Design, Blackbox (6) Musikanlage von Sonoro bei Conley’s, Keilriemen (7) Gürtel sowie Handschuhe von Acne, Thermostat (8) Armbanduhr von Bell&Ross, Ladeluftkühler (9) Stiefelette von Prada, Zündkabel (10) Schlüsselkette von Y-3, Steuergerät (11) PlayStation 3 von Sony, Ausgleichbehälter (12) Rasier- und Pflege-Set von Conley’s, hinterer Auspuffkrümmer (13) Lackschuhe von Cos

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Zahnriemen (1) Lederarmband mit Nieten von Etosha, Keilriemen (2) Lederarmband von Fossil, Keilriemen (3) Uhr von Bell & Ross, Thermostat 1 (4) rechteckige Uhr von Boss, Steuerkette (5) Armkette von Fossil, Steuerkette (6) Armkette von Patrik Muff, Ventilringe (7) Silberringe von Patrik Muff, Steuerketten (8) Hals- und Armketten von Patrik Muff, Kolbenbolzen (9) Manschettenknöpfe von Patrik Muff, Lagerschale (10) Gürtelschnalle von Patrik Muff, Thermostat 2 (11) Uhren von Fossil, Steuerketten (12) Halsketten von Diesel

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Zahnriemen (1) Gürtel von HTC bei Conley’s, Ladeluftkühler (2) Musikanlage Velocity 2Go von Blaupunkt, Ausgleichsbehälter (3) Eau de Toilette L’Homme von Yves Saint Laurent, Zylinder 1+ 2 (4) Sneakers Air Max 1 von Nike, Zylinder 3 + 4 (5) Sneakers Biker 5000 Metal von Puma, Zylinder 5 + 6 (6) Schuhe MY-36 von Puma by Miraha Yasuhiro, Ölmessstab (7) Lederarmband von Hermès, Ölwanne (8) Tasche von Y-3

Fotografie: Attila Hartwig (www.attilahartwig.com). Konzept und Styling: Sarah Illenberger (www.sarahillenberger.com). Stylingassistenz: Gregor Wildermann und Lorena Maza. Vielen Dank an Hermann J. Müller.

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Ein Gespräch mit Joop! Designer Dirk Schönberger über seine neue Kollektion, seine Jugend in Köln, die Stärke der Provinz und die Provinzialität der Hauptstadt. Von David Baum (Interview) und Gregor Hohenberg (Foto)

Ihre große Eröffnungsmodenschau ließen Sie im Berliner Olympiastadion stattfinden, dem größten erhaltenen Bau des Dritten Reiches. Imponiert Ihnen diese Gewaltarchitektur? Eigentlich haben wir nach einem minimalistischen Kubus gesucht, in dem die Kollektion mit dem Namen „Neubauhaus“ stattfinden kann. Die neue Nationalgalerie hätte gepasst, war aber nicht frei. Und so kamen wir auf die Tiefgarage des Stadions. Natürlich reizte mich auch jene Idee: Da kommen die Leute zu diesem Riesenbau, mit unglaublichen Erwartungen – allein wenn man diese Auffahrt sieht, diesen urdeutschen Blick erfährt, alle Assoziationen von Größe und Finsternis hat – und dann wird man in die Tiefgarage geführt. Das hat seine Wirkung nicht verfehlt. Feld Hommes: In diesem Heft geht es um Stärke. Sind Sie ein starker Mensch oder ein schwacher? Wer würde sich freiwillig als schwach outen? Dirk Schönberger: Jemand, der stark genug dazu ist … Ich würde sagen, ich bin beides. Sternzeichen Zwilling eben. Ich bin extrem stark, wenn es darum geht, meine beruflichen Ziele umzusetzen. Also eine Idee, einen Weg zu verfolgen. Privat hinterfrage ich mich zu sehr, um den Begriff Stärke auf mich anzuwenden.

Darf man das, am Bösen kitzeln? Das haben wir nicht gemacht. Aber wir haben die Wirkung eines Gebäudes genutzt – und am Ende damit gespielt. Ich denke, dass man mit den Bauten aus der Zeit leben und umgehen muss. Der Flughafen Tempelhof ist auch ein Nazibau, durch die Luftbrücke ist er neu und positiv besetzt. Auch das Olympiastadion ist durch die WM neu aufgeladen. Hat man als Designer, der von Berufs wegen an einem großen Gesamtwurf arbeitet, nicht ohnehin einen Hang zum stilistischen Totalitarismus? Natürlich. Mode an sich hat sehr viel mit Diktatur zu tun. Auch wenn das Modediktat an sich nicht mehr existiert. Weil der Fauxpas an sich schon wieder fashionable ist. Der maßgebliche Unterschied ist aber, dass Mode niemandem weh tut.

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Heidi Klum war als Supermodel nicht wirklich erfolgreich, sondern als Supermodel-Darstellerin … Ich mag Michalsky sehr gerne. Er hat eine völlig andere Sozialisierung als ich. Als Adidas Designer musste er lauter sein als die anderen, was er privat gar nicht ist. Ich glaube, er hat seine Berechtigung, es gibt ja auch Leute wie DSquared2, die von der Tonalität vergleichbar sind. Ich bin durch Antwerpen geprägt, bin eher ein Romantiker, er das schrille Street Kid. Glücklicherweise gibt es verschiedene Charaktere.

Als Wolfgang Joop noch selbst Designer der Marke Joop! war, hörte man von ihm oft die Klage, dass die Marke zu viele Sparten, Lizenzen und Häuptlinge hätte, um zu einem eigenen Stil zurückzufinden. Wie diktatorisch mussten Sie vorgehen, um das in den Griff zu bekommen? Gar nicht. Ich bin da sehr sanft rangegangen und habe versucht, zum Kern der Marke vorzudringen. Da habe ich auch gelernt, was das eigentliche Problem war. Die Figur Wolfgang Joop war überpräsent. Auch lange nach seinem Ausscheiden. Als ich da anfing, fragte mich meine eigene Mutter, wie das so sei mit Wolfgang Joop zusammenzuarbeiten. Er hat diese Marke mit seiner Identität und seinem Stil geprägt, hat sie so provokativ und mit so viel Sex-Appeal gestaltet. Davon lebte das. Das musste ich herausfiltern und weiterführen, aber eben ohne Bezug zu seiner Persönlichkeit. Das Strenge mit dem Sexuellen zu verbinden, schien mir das Wichtigste. Thema: Mutter. Wolfgang Joops Mutter schaute lange bei den Läden, die Joop! führen, vorbei, um nachzusehen, was unter ihrem Familiennamen so passiert. Glauben Sie, sie ist zufrieden? Das hoffe ich. Wichtig ist aber auch, dass man akzeptiert, dass Joop! eine eigenständige Firma ist, die nach vorne geht und mit einzelnen Personen des Namens nichts zu tun hat. Karl Lagerfeld hält doch auch – etwa in Vogue – Séancen mit Coco Chanel ab. Wäre so ein Dialog mit dem Gründervater nicht sogar interessant? Sehr interessant, aber ich glaube, nicht richtig. Ich muss für die Marke Joop! reinen Tisch machen. Die Kunden sind mit der Marke alt geworden. Dem setzen wir einen neuen, jungen Typus Mann entgegen. Aber in keiner Revolution, sondern in einer Evolution. Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle? Ist das gleichbedeutend mit dem, was Wolfgang Joop für die Marke war? Natürlich nicht. Wir sind eine andere Generation. Designer sind heute als Persönlichkeiten nicht mehr so präsent in der Öffentlichkeit, die Zeit der Superstars ist vorbei. Aber Joop! darf kein Label werden, sondern muss weiter eine Designermarke bleiben. Sie braucht also ein Gesicht. Aber ich stehe dazu, dass wir zwölf Teams sind, die daran arbeiten, ich könnte das allein nicht leisten und will das auch nicht vortäuschen. Ihr Kollege Michael Michalsky stilisiert noch einmal den Typus der Gründergeneration à la Wolfgang Joop und Jil Sander. Ist er das auch, oder ist er mehr eine Heidi Klum der Designbranche? Wie meinen Sie das, Heidi Klum der Designbranche?

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Den romantischen Traum der eigenen Kollektion haben Sie für Joop! aufgegeben. Wie lange war die Nacht, in der Sie das entschieden? Das war nicht bloß eine Nacht. Ich traf mich mit dem CEO der Holy Fashion Group, der Joop! gehört, um über meine Marke zu sprechen, und plötzlich stand das Thema Joop! im Raum. Ich habe mich überraschenderweise sehr schnell mit der Vorstellung anfreunden können. Also habe ich diese schwere Entscheidung gefällt, und plötzlich war es wie eine Befreiung. Denn der Existenzkampf, den ich ewig führte, war weg. Ich weiß aber auch, dass mir das irgendwann fehlen wird, dieses ständige Hinterfragen grundsätzlicher Werte. Hinzu kam, dass ich dadurch nach Deutschland zurückkonnte, was ich mir lange schon gewünscht hatte. Sie wollten heim ins Olympiastadion? Nein, ich wollte heim zu den Freunden, heim in die deutsche Sprache, die ich angefangen hatte zu verlieren. Ich war auf ein globales Wesen reduziert worden, das in verschiedenen Sprachen kommuniziert, aber in keiner mehr zu Hause war. Ich fing zunehmend an, wieder deutsch zu lesen, einen alten Arno Schmidt-Kult zu reaktivieren, aber auch Rainald Goetz zu lesen. Außerdem hatte ich es satt, ständig mit einer absurden Fratze des Nationalsozialismus konfrontiert zu sein. Das passiert in Belgien leider oft. Wenn die Leute erfahren, woher man kommt, fangen sie an, „Sieg Heil!“ zu sagen, so auf halbfunny. Ich werde da aber schnell ernst und finde das gar nicht lustig. Dann kamen Sie in das neue Berlin, das leider nicht in einem „Neubauhaus“ entsteht, sondern in Bauten wie denen auf dem Potsdamer Platz oder der rosafarbenen Alexa Shopping-Mall. Tja, leider, kann man da nur sagen. Ich mag manches sehr gerne, den Hauptbahnhof etwa. Aber Sie haben Recht, der Potsdamer Platz ist eine architektonische Vergewaltigung, und ich bin überzeugt, dass er, so wie er dasteht, einmal wieder dem Erdboden gleichgemacht wird. Leider hat Berlin kein eigenes Stadtbild entwickelt. Am schlimmsten sind Hotels wie das Adlon oder das Ritz-Carlton. Das ist reiner Kitsch. Disneyland zum Wohnen. Vieles davon wird die Jahrzehnte nicht überdauern. Bleibt das Holocaust-Mahnmal stehen? Ganz sicher. Die Diskussion, die anfänglich darüber geführt wurde, hat mich enorm abgeschreckt. Als ich es dann sah, war ich aber sehr berührt. Wie würde Deutschland aussehen, wenn der Staat einen Chefdesigner berufen würde, der Dirk Schönberger hieße? Was für eine Frage! Das ist schwierig. Ich habe mal den Film „Gattaca“ gesehen, wofür eine enorme Zukunftsstadt entworfen wurde. Damals dachte ich, so sähe die Welt aus, wenn sie von Prada entworfen wäre. Aber das Leben darin war die Hölle. Ich hoffe und glaube, dass die Zukunft sehr viel menschlicher wird, als wir es uns in Science-Fiction-Visionen ausmalen.


Lassen Sie uns damit spielen: Was würden Sie aus der Nationalflagge machen? Ich finde schwarz-rot-gold eigentlich sehr schön. Und der Bundesadler? Darf er bleiben, oder fliegt er? Das ist ein Branding, ein gelerntes Symbol. Sollte man belassen. Aber wenn Sie wie Semper oder Speer den Stil einer Stadt beeinflussen könnten, wohin ginge das? Ich glaube, dass man dem Reiz des großen Gesamtentwurfes widerstehen müsste. Speers Germania wäre eine Horrorstadt geworden. Auch wenn das reizvoll ist. Individualität ist ein großes Gut, und wir müssen sie beibehalten. Ich würde aber dagegen vorgehen, dass so viel Zeitgeistiges gebaut wird. Besonders in Köln, wo man zwischen die hässliche 50er-Jahre-Architektur seelenlose Glaskästen setzt, sieht man, wie das eine Stadt zerstören kann. Fasziniert Sie die Masse oder mehr das Individuum? Masse ist kein schönes Wort. Ich bin auf jeden Fall mehr Individualist. Bei Joop! machen wir es so: Ich entwerfe sehr anspruchsvoll, sehr individuell. Und dann versuche ich diese Ideen auf etwas runterzubrechen, das einfach und für viele zu verstehen ist. Noch ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, der liebe Gott stellt Sie – bevor Sie zur Welt kommen – vor eine Entscheidung. Sie können zwischen zwei Dingen wählen, die Sie als Lebenswerk erfinden können: den Rolls-Royce oder den VW. Was wählen Sie? Den Rolly-Royce. Weil es da kein Limit gibt. Weil ich bei jedem Anspruch in die oberste Schublade greifen kann und nicht nachdenken muss, ob es sich der Fahrer leisten kann. Wer hat den VW erfunden? Ferdinand Porsche. Und den Rolls-Royce? Keine Ahnung. Eben. Ist Ruhm kein Wert für Sie? Ehrlich: Ruhm bedeutet mir nichts. Ich finde es okay und angenehm, durch meine Arbeit bekannt zu sein und Anerkennung zu erfahren, aber ich lebe nicht vom Applaus. Noch ein Gedankenspiel: Sie gehen jetzt raus auf die Straße und stellen fest, dass alle Ihre Mode tragen. Gutes oder schlechtes Gefühl? Gutes Gefühl! Oder Halt, vielleicht doch nicht. Ich würde natürlich sehr darunter leiden, wenn meine Mode von Leute getragen wird, die ich nicht gut finde und die darin schrecklich aussehen. Wenn sehr viele gute Leute Joop! tragen, ist es natürlich toll, weil ich dann meine Arbeit gut gemacht habe. Aus welchem Elternhaus kamen Sie? Wohlhabender Mittelstand in Leverkusen. Mein Vater war Anwalt. Die Familie gut organisiert.

Wie darf man sich den jungen Dirk Schönberger vorstellen? Ich will es so beschreiben: Meinem Bruder ist es damals in Leverkusen oft passiert, dass er hörte, wie Bekannte sich über einen seltsamen Jungen, der mit merkwürdigen Hüten rumlief, amüsierten. Dann musste er immer sagen: Ja, das ist mein Bruder Dirk. Ich war aber nicht so, um aufzufallen, kein Boy George-Typ. Ich war einfach Individualist. Als ich dann nach Köln kam, die Punks entdeckte, die Waver und Gothics alle in Schwarz gekleidet vor dem Alten Wartesaal stehen sah, war ich natürlich hin und weg. Man konnte sich damals als Jugendlicher über die Mode absetzen … was heute unmöglich ist. Kaum hat die heutige Generation sich einen Stil entwickelt, greift ihn H&M auf und erstickt ihn im Keim. Ich dachte, dieser spezielle Berlin-MitteStyle wird davon verschont bleiben, aber dann kam ja schon American Apparel und hat das Gleiche damit gemacht. Thema Berlin-Mitte: Wie groß ist die Versuchung, die Welt zwischen Auguststraße und Gendarmenmarkt für den Kosmos selbst zu halten? Das ist ein Phänomen, über das es sich nachzudenken lohnt, aber ich bin so viel unterwegs, dass mir der Fokus für die Welt nicht verloren geht. Mich fasziniert an Berlin, dass der Underground noch immer die Stadt so sehr prägt. Und es macht auch nichts, dass der Underground von vor zehn Jahren jetzt Geld verdient und dieses mit den neuen Freunden, die aus München hergezogen sind, im Grill Royal ausgibt, solange ein neuer Underground sich wieder dagegen positioniert. Joop! ist eine urbane, großstädtische Marke, daher ist mir dieser Einfluss ganz wichtig. In Berlin leben bloß vier Milliönchen Leute. Ist es nicht an der Zeit, den anderen 80 Millionen im Land zuzuhören? Natürlich ist die Überheblichkeit der Metropolen ein Problem, aber wir sind eine Modemarke, ich kann nicht Umfragen machen, was den Leuten gefällt. Das widerspricht dem Konzept von Mode. Und doch steckt in Deutschland die Stärke immer noch in der Provinz. Die Orte Herzogenaurach, Wolfsburg, Metzingen oder Bayreuth sind meine Zeugen. Daran glaube ich auch. Joop! entsteht ja auch in Bielefeld und Offenbach. Ich habe mich eben für das Dorf Berlin entschieden. Ich sehe hier, wie ich es schon erklärt habe, eine enorme Stärke, die im Underground liegt. Und das ist für mich eine immense Inspirationsquelle. Nun haben wir viel über Stärke erfahren. Was ist Ihre größte Schwäche? Ich würde sagen, die Schwierigkeit, diese zu definieren. Herr Schönberger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Rheinland also. War Karneval in Ihrer Familie eine Ideologie? Überhaupt nicht, weil mein Vater aus München kommt. Aber sonst hat mich Köln sehr geprägt. Es war in den 80ern eine sehr faszinierende Stadt.

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Die Synthese von Kunst und Handwerk ist die Vision von Bauhaus Gründer Walter Gropius. Die Verbindung von „der Strenge mit dem Sexuellen“ ist die Vision von Dirk Schönberger für seine aktuelle Joop! Kollektion. Wir huldigen beiden. Mit einem schnörkellosen Joop! Special. Von Markus Jans (Fotos) und Isabelle Thiry (Styling)

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Fotografie: Markus Jans (www.kstiegemeyer.de) Styling: Isabelle Thiry (www.thiry.info) Fotoassistenz: Cathleen und Tom Stylingassistenz: Hans Bussert Haare & Make-up: Stelli (www.m4motion.de) Models: Adrian (www.m4models.de) und Tobias (www.marionvain.com) Finale Bildbearbeitung: Thomas Kaiser (www.appel-grafik.de) Kleidung und Accessoires von Joop!

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Sie können keine Bohrmaschine waagrecht halten, den Sprudelkasten nicht schleppen, kriegen keine Weinflasche ohne Hilfe auf und sind uns Männern körperlich doch himmelweit überlegen. Weil sie uns schwachmachen. Die zarten Dinger. Von Tina Luther (Fotos) und Spiri Fountoglou (Haare & Make-up)

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Fotografie: Tina Luther (www.tinaluther.com) Haare & Make-up: Spiri Fountoglou (www.spirihairandmakeup.com) mit Produkten von Chanel Styling: Mira Uszkureit (www.mirauszkureit.com) Models: Georgiana (www.placemodels.com), Johanna (www.pmamodels.com), Anouk (www.placemodels.com), Inka (www.m4models.de), Teresa (www.placemodels.com) und Yulia (www.modelwerk.com) Bildbearbeitung: Til Schlenker (www.primatepostproduction.de)

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Von Kai Flemming (Text) und Christiane Eckhardt, Mareike Baumann (Illustration)

Feldweg # 7

In Amerika sind die Dimensionen anders. Alles ist größer. Man kennt das hierzulande von den eingewanderten Multiplexkinos. Bestellt man dort eine kleine Cola, erhält man einen Riesenbecher mit einem halben Liter darin. Medium ist so viel wie der Inhalt einer ganzen Flasche, und die große Cola wird dann gleich im eimergroßen Pappbecher gereicht. Jetzt noch drei Strohhalme und man deckt den Flüssigkeitshaushalt einer Kleinfamilie locker ab. Derart vorgewarnt, hätte ich eigentlich wissen müssen, was mich erwarten würde, als ich salopp bei meinem amerikanischen Autoverleiher einen Midsize-SUV bestellte. Ich bekam natürlich keinen mittelgroßen Geländewagen, sondern ein kraftstrotzendes Riesenschiff, das sich gerade knapp unterhalb der Bemessungen eines Hummers befand. Mit Mühe und Not bugsierte ich das Ungetüm aus der Hotelgarage. Wie soll man das denn bitte mit einem Bisgsize-SUV machen? Im Verlauf meiner Reise von Seattle nach L. A. begegneten mir manche dieser Monster. Und ich kam mir mit meinem MidsizeSUV direkt wie in einem Smallsize-SUV vor. Ist man erst einmal unterwegs, ist es eine wahre Wonne, durch die geräumigen Straßen amerikanischer Innenstädte und die weiten Prärien zu kutschieren. Sanft gleitet man dahin. Weder Motor noch Umwelt sind zu hören. Mehr noch als bei uns wird in Amerika das Fahrzeug zum zweiten Zuhause, zum einzigen Ort, an dem man sich sicher und geborgen fühlen kann, auf dem Weg vom heimischen Herd zum

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Büro, zum Supermarkt, Kino oder Bowlingcenter. Getönte Scheiben, automatische Türschließer, Pollenschutzfilter und Sicherheitsglas sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass der Amerikaner vor den Gefahren der Außenwelt geschützt wird. Bei uns ist das gar nicht erst nötig, denn das einzig Spannende, was einem in Deutschland passieren kann, ist ein Punker, der einem an einer Straßenkreuzung ungefragt die Windschutzscheibe sauber machen will. Doch Amerikas zweites Zuhause kommt in Bedrängnis. Denn das Fahren wird aus klimatischen Gründen schlicht zu teuer. Das Volk, das einst in kargen, ungefederten Planwagen über Stock und Stein das Land eroberte, braucht mittlerweile hoch gezüchtete Fahrzeuge, die mehr Luxus und Annehmlichkeiten bieten als immobile Behausungen. Und Stereoanlagen mit 18 Lautsprechern, Multifunktionsklimaanlagen, Sicherheitssysteme sowie ein paar Tonnen passive Sicherheit bietender Stahl kosten Energie. Die wird in der Regel von 6-, 8- oder 10-Zylindern erzeugt. Und die schlucken natürlich ordentlich. Und jeder Schluck wird immer teurer. Der Preis für eine Gallone (das sind ca. 4 Liter) hat sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt und beträgt mittlerweile über vier Dollar. Wir würden Freudentänze und Hamsterkäufe machen, wäre bei uns das Benzin so billig, denn ein Liter kostet damit umgerechnet ungefähr 80 Eurocent. Andererseits haben wir ja auch nicht so durstige Autos. Amerikanische Autos verbrauchen schlapp das Doppelte oder Dreifache. Da schlucken nicht nur die Motoren, sondern auch die Fahrer. Dieser Umstand rief schon rührende Szenen herauf. Am Memorial Day Wochenende, an dem die Amerikaner traditionell ihre Familien besuchen oder Kurzurlaube machen, erhöhten die Mineralölkonzerne kurzerhand die Preise. Dieses Koma-Marketing ist uns ja auch nicht gerade eben fremd. Die News-Sendungen waren an diesem Wochenende voll mit

Bildern traumatisierter Menschen an Tankstellen. Ein tränenreiches Bekenntnis, dass man dieses Jahr nicht so weit fahren könne wie letztes Jahr, löste das andere ab. Ich selbst hatte ein skurriles Erlebnis an einer Tankstelle in Oregon, wo sich ein beleibter Farmer ernsthaft nach diesem „german microcar“, dem Smart, bei mir erkundigte. Keine Angst, es wird nicht so weit kommen, dass in künftigen Roadmovies der Gangster in einem Cinquecento von der Polizei verfolgt wird. Trotzdem beginnen die ersten Menschen im Mutterland der Energieverschwendung umzudenken. Allerdings ist es den Menschen weniger wichtig, das globale Klima zu retten als ihre eigene Haushaltskasse. Dennoch: In Amerika, dem Land, in dem sich eine ganze Kultur am Auto orientiert, scheint man langsam das Auto zu bekommen, das man beim Verleiher bestellt.

Finale Bildbearbeitung: Janina Melles (www.appel-grafik.de)

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Charlie Huston schreibt Romane. Grandiose Romane voller Gewalt. Und trotzdem macht Charlie Hustons Hank-ThompsonTrilogie den Leser zu einem besseren Menschen. Wie das geht? Probieren Sie’s einfach aus. Von Harald Braun (Text) und Sabine Braun (Fotos)

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Ich denke oft, dass Bücher früher einmal besser gewesen sein müssen. Dann denke ich noch mal von vorn und komme drauf, dass ich vermutlich bloß älter geworden bin. Ich schnarche sogar schon. Ich bin wohl einfach in einem Alter, in dem Bücher nicht mehr das ganz große Ding sind, das einen die ganze Nacht über wach halten kann. Genauso wenig übrigens wie Bars und diese merkwürdig beflügelnden Ideen, das eigene Leben noch mal völlig umzukrempeln. Ein paarmal im Jahr aber kommt es noch vor, dass plötzlich ein Film auftaucht, ein bestimmtes Lied oder ein Autor, der mich daran erinnert, dass da noch mehr sein könnte, dass es da draußen schon noch ein paar Dinge gibt, die ich tun, ein paar Orte, die ich sehen will. Neulich war es wieder so weit. Ich lernte Hank Thompson kennen und lebte ein paar Monate mit ihm zusammen. Das waren super Zeiten, denn Hank Thompson hat mir ein paar gute Fragen gestellt. Was ich eigentlich wirklich noch vom Leben will beispielsweise, und ob Geld zu haben wirklich so geil ist, wie es immer heißt. Für wen ich eigentlich mein Leben riskieren würde, hat Hank wissen wollen, wer mir wirklich, wirklich wichtig ist und ob ich, nur um ein bisschen zu überleben, meine Freunde und alles, woran ich glaube, verraten würde. Dabei ist Hank Thompson bloß eine Figur aus einem Roman; aus dreien, um genau zu sein. In chronologischer Reihenfolge: „Der Prügelknabe“, „Der Gejagte“ und „Ein gefährlicher Mann“. Charlie Huston, ein Kalifornier, der lange in New York lebte, hat sie geschrieben. Hank mochte ich von der ersten Seite, vom ersten Satz an. Und dabei blieb es, sogar als er sich schon selbst nicht mehr ertragen konnte. Ich wünschte, ich würde den meisten richtigen Menschen aus meinem Leben so viele gute Gefühle entgegenbringen. Natürlich habe ich mich gefragt, warum zum Teufel ich diesen Hank Thompson so mag, warum ich mit ihm litt, als würde es sich um einen nahen Verwandten handeln. Vielleicht sollte ich Hank Thompson zuerst einfach einmal vorstellen: Im Grunde ist er eine ziemlich arme Sau. In der Nacht, in der ich ihn kennenlernte, wird er verprügelt, pisst am nächsten Morgen Blut, vermisst ein paar Tage später eine Niere und hat keine Idee, was die beiden Russen eigentlich von ihm wollten, die ihn an seinem Arbeitsplatz so übel zugerichtet haben. Erst nach Tagen dämmert es Hank, dass die Prügel nur der Anfang waren und dass der Albtraum gerade erst begonnen hat, aus dem er – für den Rest seines Lebens – nicht mehr ausbrechen kann. Hank Thompson wird in „Der Prügelknabe“ all seine Freunde verlieren, er wird zum Mörder an seinem Nachbarn, und er wird eher beiläufig dabei sehr, sehr reich – was aber nur noch mehr Probleme aufwirft. Man muss sich „Der Prügelknabe“ vorstellen wie eine schnellere und sehr viel härtere Variante des Martin-Scorsese-Films „After Hours“ („Zeit nach Mitternacht“), in dem sich ein harmloser Durchschnittsamerikaner durch eine Verkettung von unglücklichen Zufällen im Dschungel der New Yorker Boheme verfängt und mit all seinen Verklemmungen und Ängsten konfrontiert wird.

So leicht kommt Hank allerdings nicht davon. Er hat es nicht bloß mit durchgeknallten Kunst-Freaks zu tun, sondern mit handfesten, brutalen Gangstern. Leuten, die allein für die bloße Idee von „Geld“ bereit sind, ihm alle Knochen im Leib zu brechen – und das immer wieder tun. Von einem Tag auf den anderen wird aus dem Barkeeper Hank Thompson, der gerne Schauspieler wäre und der darauf bedacht ist, freundlich zu den Leuten in seinem Block zu sein, ein getriebener Outcast. Einer, der um sein nacktes Leben kämpft, einer, der nicht mehr zurückkann und nicht weiß, wo er morgen sein wird, nicht weiß, ob er morgen überhaupt noch lebt. Ein im ganzen Land bekannter Mörder, ein Verräter, ein sentimentaler Katzenpfleger und ein sehr, sehr reicher Mann auf der Flucht. Es ist schwierig, die Mechanik der Hank-Thompson-Trilogie zu beschreiben. Vielleicht geht es so: „Der Prügelknabe“, „Der Gejagte“ und „Ein gefährlicher Mann“ sind zu gleichen Teilen aus „Pulp Fiction“, Kafka, den „Waltons“ und einem Video-Best-of der Formel 1 zusammengerührt worden. Wir reden von emblematischer Brutalität, Leid, Schmerz, Slapstick, Screwball, Sentiment, Ausweglosigkeit und verdammt viel Tempo. Wir reden von einem explosiven literarischen Gemisch. Wir reden von geilen Büchern. Wie hat Charlie Huston das gemacht? Er sagt: „Hallo. Mein Name ist Charlie Huston.“ Nichts weiter. Aus seinem Mund klingt es wie ein „Hey, ich bin’s nur“. Ich beobachte mich dabei, wie ich den Mann in der Hotellobby des Carmel in Santa Monica nicht nur lächelnd begrüße, sondern mit der linken Hand beinahe zärtlich am Ellbogen berühre. Das ist ein merkwürdiger Reflex, denn ich kenne Charlie Huston nicht, ich habe ihn noch nie vorher getroffen. Ich bin erstaunt. So viel defensive Höflichkeit, so viel freundliche Zurückhaltung. Und so viel, ja, Demut. Er trägt ein schwarzes T-Shirt, Jeans, Converse-Turnschuhe, einige Tattoos, Sonnen­ brille. Er sieht nicht gefährlich aus, nicht verwegen, nicht wie ein Schriftsteller. Charlie Huston ist ein uncooler Typ im besten Sinne des Wortes, er hält uns die Tür auf, erzählt von seiner Frau, die in New York ist, um mit ein paar Freunden Weihnachten zu feiern. Wir gehen zur Pier in Santa Monica und bitten ihn, mal gefährlich auszuschauen für die Fotos. Er gibt alles. Aber Charlie Huston sieht nicht wirklich gefährlich aus, nicht mal für ein paar Sekunden. „Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Die Brutalität in meinen Büchern. Woher kommt die?“ Er macht eine Pause. „Ich war immer ein ängstlicher Typ. Überhaupt nicht physisch oder so. Was Hank widerfährt, würde ich nicht einen Tag überstehen!“

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Parallelen zwischen ihm und seinem Helden gibt es trotzdem einige. Hank Thompson lebte in einer kleinen Stadt in Kalifornien, träumte bis zu einer traumatischen Verletzung von einer Karriere als Baseball-Profi und wäre gern Schauspieler. Charlie Huston ist in Kalifornien, in der Nähe von San Francisco, aufgewachsen und hat Schauspielkurse belegt. Nach New York ging er, um dort Theater zu spielen. Geschrieben hatte er noch nie etwas Größeres, bis er das Manuskript zu „Der Prügelknabe“ verfasste. Stattdessen hat er eine Menge Cocktails zusammengerührt, bis ihm vom langen Stehen hinter der Theke die Füße schmerzten. Seine Frau schenkte ihm jahrelang medizinische Fußbäder, Massagen und Salben. Half wenig. Der erste Satz in „Der Prügelknabe“ lautet dementsprechend: „Meine Füße schmerzen.“ Es gibt mehr solcher Überschneidungen. Doch Charlie Hus­ton findet es langweilig, nach Hinweisen zu suchen, wie viel Hank in ihm steckt. „Ich bin es, und ich bin es auch wieder nicht“, sagt er, „beispielsweise war ich im Gegensatz zu Hank kein guter Sportler. Ich war der Typ, der nur mitspielen durfte, um ein Team vollzumachen.“ Andererseits ist Charlie – wie Hank – ein fanatischer Fan der San Francisco Giants. Aber lassen wir das. Bleiben wir lieber bei dem, was Charlie seinem Helden Hank zumutet. Und warum. Wie viel Leid kann ein einziger Mensch aushalten? Was hat ihn motiviert, diese psychische und physische Spirale der Gewalt immer weiterzu­ drehen? Wie kann ein einziger Mann so stark sein? Dieses Thema ist Charlie Huston sichtlich unangenehm. Sagen wir, es ist das zweitunangenehmste Thema, mit dem ich ihn belästigen könnte. Weil er schon so häufig darüber gesprochen hat und doch immer noch keine befriedigenden Antworten parat hält. Er will nicht als der Typ in die Krimigeschichte eingehen, der die fiesesten Gewaltszenen beschrieben und die schmerzhaftesten Verletzungen ausgeschmückt hat. Doch es stimmt schon: Bei Charlie Huston fließt Blut. Seine lakonischen Beschreibungen schmerzen, und das liegt einerseits an seinem Ton, der unaufgeregt und nüchtern Schauplätze und Emotionen skelettiert, andererseits daran, dass die Identifikation des Lesers mit seinem Opfer weit über das normale Maß hinausgeht, das er von lauer Kulturvermittlung gewohnt ist: „Ich habe mich einfach hingesetzt und eine Figur entwickelt, von der ich hoffte, dass sie der Leser auch mag – und die den Leser zu einem besseren Menschen macht. Wenigstens ein bisschen. Einen netten Typen von nebenan, der sich selbst als jemand sieht, zu dem die Leute aus dem Haus kommen, wenn sie ein Anliegen haben. Kein Karrieremensch, eher einer, der noch so mittlere Sehnsüchte und ein paar Hoffnungen hat. Und der dann plötzlich, ohne eigenes Verschulden am Abgrund steht und weiß, dass sein Leben, so wie er es kannte, unwiderruflich vorbei ist.“

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Okay, so weit hat das geklappt. Mich hatte er nach zwei Sätzen. „Dann habe ich versucht, dass der Leser die Probleme Hanks nicht nur rational nachvollzieht, sondern wirklich spürt. Und das geht nun einmal am besten, indem ich ihm Schmerzen zufüge. Körperlich und seelisch. Beim Schreiben war mir gar nicht so klar, dass die Bücher so brutal wirken. Erst durch die Reaktionen der Leser und der Kritiker bin ich drauf gekommen, dass ich wohl an Grenzen gegangen bin.“ Selbstbestrafung? Wie wäre es damit als Erklärung? Charlie Huston lächelt. Er begreift sofort: „Sie meinen, ich würde Hank stellvertretend für mein erbärmliches Leben bestrafen wollen?“, fragt er mokant. Jetzt ist es an mir, knapp zu grinsen. „Okay“, sagt Charlie, „lassen Sie es mich so formulieren. Als ich mich hinsetzte, um ‚Der Prügelknabe‘ zu schreiben, hatte ich nicht mehr viele Asse im Ärmel. Meinen Job als Barkeeper und Geschäftsführer von Restaurants wollte ich nicht mehr machen, und meine Karriere als Schauspieler war im Grunde nicht mehr existent. Klar war ich nicht glücklich und hatte Zukunftsängste. Zufrieden war ich jedenfalls nicht mit mir und meinem Leben. Kann also sein, dass ich mit der Hilfe von Hank Thompson ein paar böse Geister ausgetrieben habe ...“ Den Rest lässt er offen. Charlie Huston ist – wie Hank Thompson – kein Mann der großen (gesprochenen) Worte. Innenansichten? Langweilig. Hustons Auftakt-Thriller „Der Prügelknabe“ habe ich zweimal hintereinander gelesen, weil ich ein Wochenende lang auf den zweiten Teil der Trilogie, „Der Gejagte“, warten musste. Der beginnt damit, dass Hank sich mit viereinhalb Millionen Dollar in einem kleinen Nest in Mexiko verkrochen hat und dort eine schäbige kleine Strandbar sponsert. Der einzige Luxus, den ihm sein Status als meistgesuchter Verbrecher der USA erlaubt. Doch auch hier kommt er nicht zur Ruhe. Er lebt in ständiger Angst, aufgespürt zu werden. Von Gangstern, von der Polizei. Und dann wird er aufgespürt und muss plötzlich die einzigen Menschen schützen, die ihm noch geblieben sind – seine Eltern. Die Mechanismen des ersten Buches greifen auch im zweiten Teil, auch hier gelingt Huston wieder eine beispiellose Melange aus lakonischem Film-noir-Dialog, großem Leid und existenzieller Gewalterfahrung. Man könnte es auch ein wenig unverblasener ausdrücken: Manchmal krampft sich beim Lesen vor Anspannung der Arsch zusammen.


Der Prügelknabe Was passiert? Barmann Hank Thompson hütet für seinen Nachbarn eine Katze namens Bud und wird von zwei russischen Schlägern an seinem Arbeitsplatz übel zugerichtet. Als er herausfindet, was das miteinander zu tun hat, sind schon ein paar Freunde von ihm tot und er ist auf der Flucht vor unterschiedlichen Gangstertruppen, inklusive der Polizei. In den Nebenrollen: Ein gieriger, korrupter Cop: Roman. Ein samoanischer Dumbo: Bolo. Zwei schwarze Brüder in Schlangenlederstiefeln: Ed und Paris. Zwei dumme Russen in Trainingsanzügen: Whitey und Blacky. Eine coole Katze: Bud. Wie geht’s aus? Hank entkommt mit viereinhalb Millionen Dollar und einer neuen Haarfarbe nach Mexiko. Körperlich und seelisch heruntergekommen. Die meisten seiner Feinde hat er getötet. Fast alle seine Freunde sind getötet worden. Letzter Satz: „Ich gebe dem Barkeeper ein Zeichen und bestelle ein Bier.“ Heyne Broschur, 2004, 366 Seiten

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Der GEJAGTE Was passiert? Hank wird in einem kleinen Kaff in Mexiko von der Russenmafia aufgespürt, die an den viereinhalb Millionen Dollar Interesse zeigt. Er flüchtet zurück in die USA zu seinen Eltern, wo ein mieser New-Market-Schnösel, die Russen, die Polizei und eine Horde von gewaltbereiten White-Trash-Typen auf ihn warten, die die Belohnung für seine Ergreifung einsacken wollen. Gleichzeitig. In den Nebenrollen: Ein russischer Backpacker: Mickey. Der Startup-Erpresser: Dylan. Ein falscher Freund: Rolf. Ein durchgeknallter Fan: Sid. Ein alter Bekannter: T. Sein Hund: Hitler. Der Geldkurier: Timmy. Der Russenpate: David Dolokhov. Wie geht’s aus? Das Geld ist verschwunden. Die meisten der Akteure sind tot. Hank nicht, aber er ist mal wieder übel zugerichtet worden. Seine Nahrung nimmt er kurzzeitig intravenös ein. Seine Eltern leben, doch dafür, dass das so bleibt, muss er sich als Killer bei David Dolokhov bewähren. Letzter Satz: „Ich schalte die Glotze aus und drücke auf den Schmerzkillerknopf.“ Heyne TB, 2005, 480 Seiten

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„In ‚Der Gejagte‘ war es mir wichtig zu zeigen, was Geld mit den Menschen anstellt. Es ist das Moment des Deus ex Machi­ na in der ganzen Geschichte, klar, um Geld geht es am Ende ja immer. Aber ich wollte zeigen, dass es Menschen gibt, die einerseits alles, wirklich alles tun würden, um an viel Geld zu kommen, die aber andererseits nicht über die nötige Fanta­ sie verfügen, wirklich etwas damit anzufangen. Die wenigen Gestalten, die am Ende überleben, entscheiden sich gegen das Geld. Geld als Idee und Lebensinhalt ist gefährlich und leer.“ Es würde an dieser Stelle zu weit führen, dieses doch etwas komplexere Thema weiter auszubreiten, nur so viel: All die skrupellosen Geldjäger, die Charlie Huston in seinen Büchern auflaufen lässt, sind eine wunderbare Schnittmenge schrulliger Charaktere, die auch aus „Reservoir Dogs“, „Schweine und Diamanten“ oder „Sexy Beast“ stammen könnten. Und das ist für jeden Leser eine gute Nachricht. Warum ist noch keines seiner Bücher verfilmt? Darüber könnte Huston stundenlang sprechen: „Die Filmrechte an ‚Der Prügelknabe‘ waren schneller verkauft, als wir einen Verlag für das Buch gefunden haben, doch seitdem läuft es irgendwie schleppend. Die Produktionsfirma, die sich die Op­ tion darauf gesichert hatte, bekam die Finanzierung nicht auf die Beine gestellt. Jetzt liegen die Rechte wieder bei mir. Und die werden nur verkauft, wenn ich gleichzeitig als Drehbuch­ autor mit dabei bin.“ Warum das? „Hat finanzielle Gründe!“ Huston grinst. Geld. Klar. Um Geld geht es am Ende ja immer. Doch Hus­ ton schüttelt den Kopf, sooo ist das nicht. Es geht hier nicht um Villen, Porsche, Jachten. Für ihn bedeutet Geld etwas ganz anderes: Im März 2005, sagt er, da habe es einen sehr schö­ nen Tag für ihn gegeben. Seine letzte Schicht als Barmann. Seitdem erst kann er vom Schreiben leben. Reich ist er nicht. Das Honorar für ein Drehbuch könnte er gut gebrauchen.

Ein gefährlicher mann Was passiert? Hank arbeitet, angeekelt von sich selbst, als Killer für einen russischen Gangsterboss. Diverse Verletzungen haben ihn zu einem schwieligen Scarface gemacht. Er wird von Las Vegas zurückbeordert nach New York, um sich um ein aufstrebendes BaseballTalent zu kümmern, und gerät zwischen die Fronten so ziemlich aller kriminellen Subjekte, die man sich vorstellen kann. In den Nebenrollen: Der Aufpasser: Branko. Der Pate: David. Die Stripperin: Sandy Can­ dy. Die Baseball-Hoffnung: Jay. Sein Freund: Miguel. Die rachsüchtige Mutter: Tetka Anna. Wie geht’s aus? Ziemlich mies. Letzter Satz: „Ich schließe meine Augen.“ Heyne TB, 2006, 370 Seiten

Auf seiner Internetseite steht: „Seit März 2005 können wir den Wolf noch manchmal sehen, der um unser Haus streicht. Aber bisher ist er nicht hineingekommen.“ Charlie Huston ist dankbar für sein Leben. Morgens ein paar Stunden am Schreibtisch in seinem kleinen Häuschen in West-Hollywood, keine schmerzenden Füße mehr. Sorgen macht er sich nicht. Gedanken manchmal. Er hat schon wieder neue Bücher geschrieben, eine Reihe um einen New Yorker Vampir namens Joe Pitt, auch in Deutsch­ land erschienen. Nicht mein Fall – man muss das Genre schon mögen, um Huston auch auf diesem Weg zu begleiten. Aber er hat ja auch noch einen „etwas literarischeren Stoff“ über Heranwachsende in Kalifornien, Banden, Hoffnungen, eine anrührende Coming-of-Age-Story in petto. „Killing Game“ ist noch nicht auf dem Markt, als wir miteinander sprechen, und es ist Huston unangenehm, viele Worte darüber zu verlieren. In Deutschland wird „Killing Game“ im November 2008 ver­ öffentlicht, einen prominenten amerikanischen Fürsprecher hat Huston bereits. „Liest sich wie ‚Stand By Me‘ auf Speed“, lobt Stephen King, ein Mann, der definitiv weiß, was einen

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Killing game Was passiert? Vier Freunde – Anführer George, sein hochbegabter kleiner Bruder Andy, der Latino-Punk Hector und Paul, das autoaggressive Problemkid – entdecken zufällig die Drogenküche einer Chicano-Gang und geraten in Schwierigkeiten, weil sie sich eine Fuhre des chemischen Endprodukts einpacken, um es selbst zu Geld zu machen. In den Nebenrollen: Der Expate: Bob, Vater von George und Andy. Der Fettsack: Geezer, ein Mann mit Wortfindungsstörungen. Die Blutsverwandte: Amy, Krankenschwester und Kleindealerin. Der Trailerpark-Hehler: Jeff, Vollverlierer. Die „Latino-Gang“: Familie Arroyo, bestehend aus drei brutalen, angst- und gripsfreien Verbrechern im Twen-Alter. Wie geht’s aus? In einem turbulenten Showdown und nicht ohne Kollateralschäden. Letzter Satz: „Er zieht die Kappe des toten Mannes tief über seinen verunstalteten Schädel und folgt seinem Bruder nach Hause.“ Heyne TB, 2008, broschiert, 430 Seiten

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guten Thriller ausmacht. Kommt hin. Im Mittelpunkt des Romans stehen vier befreundete und doch sehr unterschiedliche Jungs einer Kleinstadtbande. Sie kämpfen täglich gegen die Dämonen in ihren Köpfen, gegen die eigene Familie und die Arroyos, eine brutale Gegenbande von Jungs, die nichts zu verlieren und wenig zu gewinnen haben. Klar, Huston erschafft ein anderes Personal als in der Hank-Thompson-Trilogie, aber er wählt die gleichen Waffen. Gewalt und Freundschaft, Brutalität und Sentiment. Wenige Autoren sind in der Lage, mit zwei, drei knappen Sätzen die Innenwelt ihrer Protagonisten nach außen zu kehren. Huston operiert am offenen Herzen, und er investiert viel eigenes Herzblut dabei. Mit Charlie Huston Zeit zu verbringen ist so, als hinge man mit einem guten Kumpel an einem heißen Tag in einer abgedunkelten Wohnung herum. Unspektakulär, aber sehr okay. Drei kleine Episoden, die einen Eindruck vermitteln, was für ein Mensch Charlie Huston ist. Ich frage nach seiner Frau. Er will uns ein Bild von ihr zeigen, von Virginia, der Schauspielerin, die in New York am Theater gut zu tun hatte. „Ein Charakter“, sagt er, „kein blondes Starlet“. Er sagt, dass sie es schwer hat in Hollywood. „Hier ist alles Film, und Film ist, nun ... auf andere Qualitäten aus.“ Er müsse momentan auch für sie Geld verdienen, sagt er. Und ergänzt: „Ich bin dankbar, das tun zu können, denn in New York hat sie mich oft über Wasser gehalten.“ Das ganze Haus hängt voller Bilder von ihr, einer sympathisch, handfest wirkenden Frau. Doch Charlie Huston sucht nach einem ganz bestimmten Bild: „Da sieht man, wie sie ist“, sagt er. Er findet es: Seine Frau auf dem Bild lacht fröhlich, wirkt glücklich. Charlie Huston ist ein guter Ehemann, das ist zu spüren. Und er ist auch, zweite Geschichte, ein guter Sohn. Hank Thompson liebt nichts so sehr auf der

Welt wie seine Eltern, und Charlie Huston, nun: „Ich bin aus New York nach Kalifornien gezogen, um meine Eltern häufiger besuchen zu können.“ Sie leben in der Nähe von San Francisco: „Wer weiß, wie lange es sie noch gibt!“ Schließlich, dritte Geschichte. Wieder seine Frau. Wie er sie kennengelernt habe, frage ich. Charlie Huston erzählt, dass sie sich lange kannten, miteinander ausgingen, aber keine richtige Beziehung hatten. „Mit Sex?“, frage ich. „Ja, Gott noch mal, mit Sex!“, antwortet er. Amerikaner sind in diesen Dingen merkwürdig. „Irgendwann sagte sie, dass ihr eine unverbindliche Freundschaft zu wenig sei“, fährt Charlie fort, „und ich zog mich zurück.“ Eine Alternative habe es dazu in diesem Moment nicht gegeben, sagt er. „Ein paar miese Erfahrungen in meiner Vergangenheit.“ Und weiter? „Ich merkte sofort, dass ich sie vermisste, dass ich sie liebte. Aber ich habe ein paar Wochen gewartet, bis ich was gesagt habe. Ich wollte ein zuverlässiger Deal für sie sein!“ Eines noch. Das allerunbeliebteste Thema von Charlie Hus­ ton. Sex. Warum gibt es in seinen Büchern nicht einmal Sex, keine Liebesszene? Er stöhnt auf. „Fragt meine Frau auch immer.“ Pause. „Ehrlich gesagt, ich habe es versucht. Ich kann das nicht schreiben. Es war schlecht. Es war mir peinlich.“ Pause. „Ich arbeite dran. In plante ja schon, dass es in ‚Killing Game‘ ganz normalen Sex geben sollte.“ Tja. Vielleicht nächstes Mal.

Fotografie: Sabine Braun (www.sabinebraun.info) Finale Bildbearbeitung: Anja Quecke (www.appel-grafik.de)

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PaPa ist der stärkste Der Junge war gerade fünf geworden, als er am Frühstücks­ tisch fragte: „Papa, bist du stärker als Onkel Chrischi?“ Chrischi ist sein Patenonkel und mein alter Schulfreund. Chrischi wiegt 15 Kilo mehr als ich und geht seit ein paar Jahren viermal in der Woche zum Boxen. Sein Trainer sagt, es sei schade, dass er so spät damit angefangen hat: Aus ihm hätte was werden können, er habe Punch und keine Hemmungen im Ring. Einem unserer gemeinsa­ men Freunde hat Chrischi im vorletzten Jahr eine Rippe gebrochen, aber nur aus Übermut. „Klar bin ich stärker als Onkel Chrischi“, log ich. Diese Welt ist nichts für Schwächlinge. Es heißt ja „Wickie und die starken Männer“ und nicht „Wickie und die Wasch­ lappen“. Sogar Ritalin­Kinder wie Pippi Langstrumpf können Bodybuilder besiegen und Pferde tragen. Stark sein ist geradezu eine Primärtugend, und die meisten Kinder wünschen sich, dass ihr Papa der stärkste der Welt ist. Warum soll ich meinem Sohn die Illusion nicht lassen, wenigs­ tens noch ein paar Jahre? Allerdings: Ich bin allenfalls durchschnitt­ lich kräftig, und es steht zu befürchten, dass mein Sohn mir nachkommt. Die Aufgabe wird sein, den richtigen Zeitpunkt zu finden, ihm beizubringen, dass er wahrscheinlich kein dritter Klitschko wird und ihn seine kleine Schwester größenmäßig bald einholt. Aber wann fängt man damit an? Bei der Fußball­EM habe ich mich vorsichtig be­ müht, meinen Sohn für Philipp Lahm zu begeistern. Ich bin auch dankbar für Sarkozy: Ein Hänfling auf Hacken­ schuhen, aber er hat die Bombe. Wie macht man einem Fünfjährigen, der für Monster, Piraten, Räuber, Spidermänner und überdimensionale Baumaschinen schwärmt, der von sich sagt: „Alles, was schlimm ist, interessiert mich“, wie also macht man dem klar, dass reine Körperkraft total überschätzt wird? Dass mit Stärke auch die Abwesenheit von Schwäche, also Willensstärke, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gemeint sein kann? Dass es nicht gelogen ist, wenn ich ihm sage: „Du bist der Größte“, obwohl ihn die anderen um Kopfeslänge überragen? Ich habe noch keine Antwort. Wahrscheinlich werde ich ihm bald die Geschichte erzählen, wie ich Schmal­ hans seine Mutter kennenlernte und wie mein Vorgänger in ihrem Leben argwöhnte, sie finde den neuen Mann, also mich, nur toll, weil der so breite Schultern hätte. Es ist halt alles immer eine Frage der Perspektive, und man kann auch groß und stark wirken, nur weil man sich so fühlt. Ich hoffe, irgendwann wird mein Sohn das für sich bemerken und auch, dass man mit jedem Kuhfuß mehr ausrichten kann als mit einem Kugelstoßerarm – und bis dahin lasse ich ihn die Telefonnummer von seinem Onkel Chrischi auswendig lernen, für den Fall der Fälle.

Männersache

Text: Alexander Böker, Max-Chefredakteur, Papa von zwei Kindern

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