David M. Wineroither
Die Sozialpartnerschaft als Eckpfeiler der österreichischen Konsensdemokratie I. Einleitung Die Sozialpartnerschaft beschreibt die österreichische Version des (Neo-) Korporatismus, das heißt ein System der institutionalisierten Konzertierung auf verschiedenen Politikfeldern unter prinzipiell gleichrangiger Beteiligung der Vertretung von ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen und des Staates. Sie ist eng verwoben mit jener spezifischen Form von Demokratie, welche das politische System der Zweiten Republik angenommen hat: Es handelt sich im internationalen Maßstab um eines der eindeutigsten und ausdauerndsten Beispiele einer Konsensdemokratie.1 Konsensdemokratien können auch als Verhandlungsdemokratien bezeichnet werden, denen der in Bern lehrende Politikwissenschaftler Klaus Armingeon drei Dimensionen zuweist: parteipolitische Konkordanz, Korporatismus und Vetospieler, deren Zustimmung für eine gesetzgeberische Änderung des Status quo benötigt wird.2 „Das entscheidende Merkmal von Verhandlungsdemokratien“, schreibt Roland Czada, „liegt also allein in der Bedeutung politischer Handlungsressourcen, die nicht aus Wahlen und Abstimmungen hervorgehen.“3 Internationale Aufmerksamkeit wurde im österreichischen Fall besonders der Sozialpartnerschaft zuteil, die Modell- und Prototypcharakter besitzt.4 Vgl. Lijphart, Arend (1984): Democracies. Patterns of Majoritarian and Consensus Government in Twenty-One Countries, New Haven; Lijphart, Arend (1999): Patterns of Democracy: Government Forms and Performance in Thirty-Six Countries, New Haven. 2 Vgl. Armingeon, Klaus (2003): The Effects of Negotiation Democracy: A Comparative Analysis. In: European Journal of Political Research Jg. 41 (2003) Heft 1, 81–105. 3 Czada, Roland (2003): Der Begriff der Verhandlungsdemokratie und die vergleichende Policy-Forschung. In: Mayntz, Renate/Streeck, Wolfgang (Hg.): Die Reformierbarkeit der Demokratie. Innovationen und Blockaden, Frankfurt a.M. – New York, 173–203: 173–174. 4 Vgl. Traxler, Franz (1998): Austria: Still the Country of Corporatism, in: Ferner, Anthony/Hyman, Richard (Hg.): Changing Industrial Relations in Europe, 2. Aufl., Oxford – Malden, 239–261; Siaroff, Alan (1999): Corporatism in 24 Industrial Democracies: Meaning and Measurement. In: European Journal of Political Research Jg. 36 (1999) Heft 2, 175–205. Am deutlichsten schlug sich diese Vorbildwirkung in einem regionalen „exceptionalism“ Sloweniens nieder, der nunmehr im Begriff ist zu verschwinden. Vgl. dazu Guardiancich, Igor (2012): The Uncertain Future of Slovenian Exceptionalism. In: East European Politics & Societies Jg. 26 (2012) Heft 2, 380–399. 1
Zitierung: Wineroither, David M. (2013): Die Sozialpartnerschaft als Eckpfeiler der österreichischen Konsensdemokratie. In: Pellar, Brigitte (Red.): Wissenschaft über Gewerkschaft. Analysen und Perspektiven, Wien, 39-70.
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