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„Bitte nicht übertreiben“
Die Verwendung einer gendergerechten Sprache stößt vielen Menschen sauer auf. Für die Gender-Expertin Christine Olderdissen ist es nichts anderes als ein Zeichen des Respekts.
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SÜDTIROL PANORAMA: Warum ist eine gendergerechte Sprache auch für Unternehmen sinnvoll und wichtig?
CHRISTINE OLDERDISSEN: Wir brauchen die gendergerechte Sprache, weil wir inzwischen begri en haben, dass die Welt nicht nur aus Männern und Frauen besteht, sondern ebenso aus nicht-binären, intergeschlechtlichen oder Transpersonen. Über Genderzeichen machen wir diese Vielfältigkeit klar – und wir wollen in Unternehmen und auch in der ö entlichen Verwaltung für alle Menschen da sein. Trotzdem stößt die Verwendung einer gendergerechten Sprache vielen Menschen sauer auf.
Südtirol ist ländlich geprägt und hat eine kleinstrukturierte Wirtschaft. Ist in diesem Kontext eine gendergerechte Sprache schwieriger durchzusetzen? Sicher, der Gebrauch einer gendergerechten Sprache hat viel damit zu tun, in welcher Umgebung ich tätig bin. Und im ländlichen Raum denken die Menschen vielleicht etwas konservativer, was aber nicht bedeutet, dass es dort keine nichtbinären oder Transmenschen gibt. Es ist gut, wenn wir alle mehr Respekt für Geschlechtsidentität mitbringen. Das geht auch einfach, zum Beispiel wenn in einer Stellenanzeige Mitarbeitende anstatt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verwendet wird. Es geht darum, wie ich Respekt dafür zeigen kann, was ein Mensch kann und tut.
Welches sind die häufigsten Stolpersteine bei der Nutzung einer gendergerechten Sprache?
Das Gendersternchen sollte nur im Plural verwendet werden, im Singular wird es kompliziert, weil auch Artikel und Pronomen mit Sternchen versehen werden müssten. Außerdem sollten Gendersternchen sparsam verwendet werden und mit Blick auf die Zielgruppe. Für Social Media zum Beispiel sind sie gut, weil sie kurz sind und die junge Zielgruppe dafür Verständnis hat. Zudem sollten Sternchen ausschließlich zur Beschreibung größerer Gruppen genutzt werden. Da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass nicht-binäre Personen darunter sind. Es geht darum, präzise zu sein! Leichte und einfache Sprache sollte übrigens ohne Gendersternchen auskommen.
Ein weiterer Tipp für die einfache Umsetzung einer gendergerechten Sprache?
Geschlechtsneutral sind Partizipien im Plural, zum Beispiel die Teilnehmenden anstatt die Teilnehmer oder die Studierenden anstatt die Studenten – wobei stets darauf geachtet werden muss, dass der Ersatz durch sinnvolle Wörter geschieht, die es meistens auch gibt.
Kann man auch zu viel gendern? Es werden nur Menschen gegendert, nicht Tiere oder Dinge. Unlängst habe ich irgendwo „die Fröschinnenkönigin“ gelesen –bitte nicht übertreiben! Es geht bei gendergerechter Sprache darum, sich zu überlegen, was die Identität eines Menschen ist, diese gilt es zu respektieren.
Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich – welche ist die beste Lösung?
Es heißt, dass der Doppelpunkt den Lese uss am wenigsten störe. Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik emp ehlt dagegen das Sternchen. Warum? In einer Untersuchung wurde herausgefunden, dass das Sternchen für stark Sehbehinderte noch erkennbar ist, der Doppelpunkt indes nicht. Außerdem ist der Genderstern für die Trans-Community ein Zeichen für Vielfalt.
Und was ist mit dem Binnen-I?
Das ist out. Es kommt aus einer Zeit, wo damit in einem Wort sowohl Männer als auch Frauen genannt werden konnten. Heute stehen die Genderzeichen für die geschlechtliche Vielfalt, also für uns alle. ◀
INTERVIEW: SIMONE TREIBENREIF
Karin Goller, Rubner-Gruppe
bände in Südtirol nutzen die Richtlinien des Landes – manche adaptieren sie ein wenig und passen sie den eigenen Erfordernissen an“, erklärt Lenz.
Auch auf Verbandsebene wird immer stärker versucht, eine gendergerechte Sprache bei der Ansprache von Kundinnen und Kunden oder Mitgliedern zu nden. Das bemerkt auch Manfred Pinzger, der Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbandes Südtirol (HGV). „Was die schri liche Kommunikation angeht, wird dort auf ein korrektes Anschreiben Wert gelegt. Im mündlichen und direkten Austausch ist es in der Regel einfacher, eine gendergerechte Sprache zu verwenden“, führt Pinzger aus. In seinem eigenen Betrieb, einem kleinen Hotel in Schlanders, werde inzwischen ebenfalls möglichst gendergerecht kommuniziert. „In der schri lichen Kommunikation ergibt sich das aus der allgemeinen gesellscha lichen Entwicklung und es ist Zeit, dem Rechnung zu tragen.“
ÄHNLICH IST ES bei der Pusterer Rubner Gruppe – mit rund
1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 18 Standorten in vier Ländern eines der größten Unternehmen im Land. Das ema Gendern hat bei Rubner vor allem in den vergangenen ein, zwei Jahren an Aufmerksamkeit dazugewonnen.
„Während es im Bereich Recruiting ohnehin sehr strikte Vorgaben gibt, was die Ausschreibung der Stellen für männlich/ weiblich/divers angeht“, sagt Karin Goller, Head of Brand Management bei Rubner, „ist es in der täglichen Kommunikation immer noch eine Herausforderung. Egal ob mündlich oder schri lich, es ist nicht immer einfach eine gendergerechte Sprache und vor allem eine für alle passende und ‚richtige‘ Form zu nden, ohne unnötig kompliziert zu werden. Wir versuchen hier einen pragmatischen Weg zu wählen.“
Zu vermeiden versuche man bei Rubner neutrale Begri ichkeiten wie „Mitarbeitende“. „Das macht die Kommunikation unpersönlich. Wir wollen die Menschen vor allem emotional erreichen“, sagt Goller.
Insgesamt sei das Bewusstsein für die Bedeutung gendergerechter Sprache in der Rubner Gruppe in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. „Aber wir bemerken auch klare lokale Unter- schiede“, führt Goller aus. „In Italien wird nur in der direkten Ansprache von Kundinnen und Kunden oder gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegendert, genauso in Frankreich. Und in der englischen Sprache gibt es diese Herausforderung ohnehin nicht.“
UM INKLUSIVE BOTSCHAFTEN geht es bei Dr. Schär. Der Burgstaller Weltmarktführer für glutenfreie Lebensmittel mit 17 Standorten in elf Ländern versucht in der globalen Kommunikation – sowohl in der Unternehmens- als auch in der Markenkommunikation – inklusive Botscha en zu senden. „Das Bekenntnis zu Vielfalt ist für uns ein Faktor der Werte und der Strategie, auch bei der Suche nach neuen Talenten, und wird auf allen Ebenen unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefördert.“
Dr. Schär ermutigt Mitarbeitende im Kommunikationsbereich, verschiedene Formen der sprachlichen Inklusion zu prüfen und anzuwenden. „Es wäre widersprüchlich, einen einzigen kulturellen Standard für Vielfalt voranzutreiben“, heißt es von Dr. Schär. Auf gra scher Ebene habe die intensive Beschä igung indes zu einer eigenen De nition geführt. „Seit zwei Jahren wird im Lettering ausschließlich die Kleinschreibung genutzt. Und mit der Verwendung von wechselnden Farben bei den Marketing-Claims soll die echte Akzeptanz aller Diversitäten im Gefüge der Inklusion repräsentiert werden.“
ES SIND INITIATIVEN wie diese, die dazu beitragen, die Sprache und die Kommunikation gendergerechter zu machen. Ob damit auch die Berufswelt und das Leben im Allgemeinen gendergerechter werden, ist eine andere Diskussion. Oder wie Rubner-Marketingleiterin Karin Goller sagt: „Ohne die Sinnha igkeit und Wichtigkeit der gendergerechten Sprache infrage zu stellen, sollten wir uns auch vermehrt mit dem emen Chancengleichheit auseinandersetzen: gleiche Löhne bei gleicher Tätigkeit oder gleiches Recht für Väter und Mütter, bei den Kindern zu Hause zu bleiben.“