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Mehr als Schrauben und Dübel

Mit dem Boom der Baubranche wuchs auch die Italien-Tochter der Würth-Gruppe. Das Ergebnis: ein Rekordgewinn. Hat es sich also gelohnt die Rolle des reinen Produktanbieters zu verlassen? Vertriebschef Harald Santer im Interview.

Die Würth-Gruppe ist Weltmarktführer in der Herstellung von Montage- und Befestigungstechnik. Die italienische Tochter, die Würth GmbH, hat ihren Sitz in Neumarkt. Sie besteht aus rund 20 unterschiedlichen Unternehmen im Bereich Handel, Dienstleistung und Finanzierung. Zugleich ist in Südtirols Süden auch eines der drei italienischen Logistikzentren angesiedelt. Bis 2024 soll es um die Hälfte vergrößert werden. Am Sitz in Neumarkt haben rund 620 Menschen ihren Arbeitsplatz, sie sind in Bereichen wie Logistik, IT oder Marketing tätig. Der Großteil der knapp 3.000 Beschäftigten zählt dagegen zur Verkaufsmannschaft. Mit Ausnahme des Onlinehandel-Teams sind sie direkt vor Ort bei den Kunden oder in einer der 210 Verkaufsniederlassungen in ganz Italien. Für unser Interview führt uns Vertriebschef Harald Santer durch die modernen Großraumbüros des Hauptsitzes. Der eigene Schreibtisch oder geschlossene Bürotüren gehören hier der Vergangenheit an. Die Pandemie hat auch bei Würth die Art zu arbeiten revolutioniert. Smart Working gehört mittlerweile genauso zur Normalität wie der persönliche Spind. Mitarbeitende können dort ihre Arbeitsgeräte und Arbeitsunterlagen hinterlegen und sich im Büro den jeweils passenden Platz suchen. So flexibel die Arbeitsweise ist, so straff ist die Struktur in der Gruppe. Bilanzen werden nicht einmal im Jahr, sondern monatlich erstellt. Entscheidungen und das tägliche Geschäft basieren auf einem kontinuierlichen Vergleich von Plansoll und realen Ergebnissen; auf jedes Abweichen wird umgehend reagiert, nicht zuletzt, da die Kostenstruktur so flexibel wie möglich gehalten wird. Ein Erbe des großen Reinhold Würth. Die Rentabilität und Liquidität seiner über die Jahrzehnte exponentiell gewachsenen Gruppe war ihm immer genauso wichtig wie kontinuierliche Innovationen und Investitionen. Ob diese langbewährte Strategie auch in Krisenzeiten gute Dienste erweist, darüber hat Südtirol Panorama mit Vertriebschef Harald Santer gesprochen.

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SÜDTIROL PANORAMA: Ihre Unternehmensgruppe floriert in diesen Zeiten multipler Krisen ja geradezu. Sowohl die konsolidierte Gesamtleistung der italienischen Würth-Gruppe als auch der Umsatz von Würth Italien stiegen um rund 28 Prozent – auf 1,46 Milliarden Euro bzw. 690,6 Millionen Euro. Ist das der Covid-Aufholeffekt oder der 110-Prozent-Steuerbonus-Effekt?

HARALD SANTER: Beide Effekte spielten natürlich beim Umsatz eine Rolle. Wenn wir unsere Umsatzzahlen um den Covid-Effekt bereinigen, sind wir immer noch im zweistelligen Bereich. Der Boom im Bausektor kommt uns da sehr zugute. Vor allem unsere Gewinne (Anm. d. Red.: 2021 wurde ein Rekordergebnis von 29,2 Millionen Euro erzielt) spiegeln aber auch eine steigende Produktivität

Harald Santer in einem Lager des Würth-Sitzes in Neumarkt: Der Vertriebschef von Würth Italia trägt aktuell Verantwortung für rund 280.000 Kunden und 125.000 Produkte.

„Derzeit kann man wirklich schwer abschätzen, wie sich das nächste Jahr entwickeln wird.“

Harald Santer

Bis 2024 soll der Standort in Neumarkt um den neuen „Zero Impact Logistic Hub“ (rechtes Bild) erweitert werden: Das vollautomatisierte, 26 Meter hohe Lager soll seinen Energiebedarf mit Wärmepumpen und Solarpaneelen decken.

wider. Und sie sind die Früchte unseres Geschäftsmodells, das wir in den vergangenen Jahren in Italien mit unserem Multikanal-Prinzip aufgebaut haben. Wir sind derzeit in einer starken Wachstumsphase und dieser positive Trend setzt sich auch 2022 fort – mit einem Umsatzplus in Richtung 15 Prozent und einem weiteren Rekordgewinn.

Sie sprechen vom Boom im Bausektor. Parallel zu den Aufträgen sind dort aber auch die Preise explodiert. Wie sehr trifft das auch für Würth-Produkte zu?

Die Preissteigerungen der vergangenen 18 Monate haben eine Dimension erreicht, die man einfach weitergeben musste. Erst recht, da auch in unserer Produktpalette viele Rohmaterialien vorkommen, die von starken Preissteigerungen betroffen waren.

Wie stark sind Ihre Preise gestiegen?

Ich würde sagen in einer Bandbreite zwischen 5 und 50 Prozent. Das war einfach unausweichlich, da wir einkaufsseitig so starke Preiserhöhungen hatten. Das gesamte Preisniveau ist extrem gestiegen, dem entkam keiner.

Wie stark ist der Umsatz also aufgebläht?

Wir haben auch mengenmäßig zugelegt. Und werden in den kommenden Monaten unsere Prioritäten sehr stark darauf legen, die Tonnagen zu erhöhen. Die Preise werden zwar vorerst weiter steigen, aber nicht mehr in dieser Dimension. Und es ist damit zu rechnen, dass sich der Markt nun stark verändert. Derzeit ist alles sehr volatil und man kann wirklich schwer abschätzen, wie sich das nächste Jahr entwickeln wird – sowohl was den Markt als auch was die Preise betrifft.

Neben den Preiserhöhungen sind die Lieferengpässe seit der Pandemie ein Riesenproblem für viele Unternehmen. Auch für die Würth-Gruppe?

Auch wir hatten einige Lieferengpässe, konnten dieses Thema aber sehr gut abfedern. Wir konnten innerhalb der Gruppe auf mehrere Puffer zurückgreifen. Um lieferfähig sein zu können, haben wir die Lager in dieser Phase sehr stark aufgebaut. Nicht zu 100 Prozent, aber zu einem großen Teil.

Das bedeutet aber auch mehr Kapitalbindung …

Absolut, derzeit haben wir die Kapitalbindung erhöht. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, doch im Nachhinein betrachtet, war sie richtig. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen waren wir die meiste Zeit lieferfähig.

Sie haben Kunden in der Industrie, in der Automobil-, Handwerks- und Baubranche. Kommen die Zugewinne vor allem aus der Baubranche?

Das Zugpferd waren sicherlich alle baunahen Branchen. Doch auch in der Industrie und im Bereich Maschinen-

produktion hatten wir sehr gute Steigerungen, auch da die Produktion in Italien sehr gut gelaufen ist. Am wenigsten Zuwächse gab es im Bereich Automotive.

Krisen und Umbrüche, wie wir sie derzeit erleben, bringen große Risiken, aber auch Chancen mit sich. Wie sehr haben Sie diese im Blick?

Wir haben ein sehr strukturiertes Risikomanagement. Alle Unternehmen der Gruppe sind angehalten, ihre Risikobereiche zu identifizieren und zu bewerten. Es gibt klar festgelegte Verantwortliche für jeden Risikobereich, die dann auch entsprechende Maßnahmen für den Ernstfall vorbereiten. Und es gibt ein internationales Risikomanagement-Team, das mit den lokalen und nationalen Teams zusammenarbeitet und bei dem dann alle Risikofaktoren zusammenfließen.

Dasselbe gilt für die Chancen?

Ja. Bei uns gibt es eine lange Tradition 5- bis 10-JahresVisionen zu definieren: In welche Umsatz- und Gewinnregion und mit welchen Geschäftsmodellen und welchen Investitionen wollen wir diese Ziele erreichen? Und dabei spielt das systematische Erkennen von Chancen natürlich eine wesentliche Rolle.

Wo sehen Sie aktuell die größten Risiken, wo die größten Chancen?

Ich denke, dass die aktuellen Risiken relativ klar sind. Bei den Chancen setzen wir neben der Weiterentwicklung unseres Omnichannel-Modells vor allem auf die Digitalisierung. In diesem Bereich haben wir sehr stark investiert und diesen Weg werden wir weitergehen. Wir werden sukzessive immer mehr von einem Produktanbieter zu einem Anbieter von Produkten, die mit innovativen Dienstleistungen und Services kombiniert werden. Dafür haben wir unter anderem einen eigenen Geschäftsbereich gegründet, den Phygital Hub. Ein eigenes Team arbeitet hier an innovativen Lösungen in Bereichen wie Metaverse, Augmented Reality, Virtual Reality, Künstliche Intelligenz und Big Data.

Was hat das noch mit typischen Würth-Produkten wie Schrauben, Dübeln oder Werkzeugen zu tun?

Wir bieten heute Lösungen an, die die Beschaffung und das Handling unserer Produkte optimieren. Es geht um die Digitalisierung unserer Prozesse, aber auch jener unserer Kunden. Noch vor wenigen Jahren war nicht vorstellbar, welche Relevanz dieses Thema bekommen würde. Der Markt befindet sich in einem starken Wandel. Damit die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, müssen sie ihre interne Organisation überdenken, Prozesse optimieren und digitalisieren. Wir wollen unsere Kunden auf diesem

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Foto: Ludwig Thalheimer

Arbeiten bei Würth in Neumarkt: In den modernen Großraumbüros arbeiten Menschen aus hierarchisch unterschiedlichen Ebenen und verschiedenen Bereichen in Kleingruppen zusammen. Statt des eigenen Schreibtischs hat man seinen persönlichen Spind.

Weg begleiten. Das führt dann wiederum dazu, dass sie mehr Produkte bei uns kaufen.

Haben Sie ein Beispiel?

Wir bieten unseren Kunden ein breites Spektrum an Lösungen an, vom E-Shop bis zu kompletten E-Procurement-Lösungen. Direkt beim Kunden bieten wir außerdem Lösungen an, die E-Commerce mit Logistiksystemen verbinden. Zum Beispiel Regalsysteme und Automaten mit automatischer Nachbestellung.

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Die Digitalisierung birgt aber nicht nur Chancen, wie die Cyberattacken auf viele Institutionen und Unternehmen zeigen. Wurde Würth Italien auch schon Opfer solcher Angriffe?

Nein, wir als Würth Italien sind bisher verschont geblieben. Doch laut Experten ist nicht die Frage, ob man Opfer solcher Attacken wird, sondern wann. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren sehr große Investitionen getätigt, die wir derzeit noch einmal aufstocken, um die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

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Sie tragen als Vertriebsverantwortlicher aktuell Verantwortung für rund 280.000 Kunden und 125.000 Produkte. Wie behält man da den Überblick – erst recht in Krisenzeiten wie diesen?

Es braucht Struktur, eine sehr große Mannschaft und ein adäquates Geschäftsmodell. Wir betreuen unsere 280.000 Kunden mit über 2.500 Verkäuferinnen und Verkäufern. Weitere 350 stehen in den aktuell 210 Verkaufsniederlassungen für unsere Kunden zur Verfügung. Zusätzlich haben wir ein Team von 60 Leuten im Bereich e-commerce, die unsere Kunden „digital“ betreuen. Trotz dieses großen Vertriebsteams herrscht bei uns ein sehr familiäres Klima. Das hat auch mit der starken Prägung durch die Familie Würth zu tun, die der Firmenkultur seit jeher einen zentralen Stellenbereich zuordnet. Wir sind ein Familienunternehmen, in dem die Familie immer noch präsent ist und in dem der Mensch, ob Kunde oder Mitarbeiter, immer schon im Mittelpunkt stand.

„Je unterschiedlicher Mittlerweile setzt Würth auch immer mehr auf Mitarbeiterinnen – die Mitglieder Stichwort Diversity Management.

der einzelnen Teams, Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Produktivität umso desto höher die höher ist, je unterschiedlicher die

Produktivität.“ Mitglieder der jeweiligen Teams sind. Bis vor Kurzem waren wir Harald Santer aufgrund unserer Ansiedlung im Handwerks- und Industriebereich noch ein männerlastiges Unternehmen. Doch wir sehen nun, dass Diversity, ob bei Geschlecht oder Herkunft, wichtig für die Entwicklung des Unternehmers ist.

Manche Frauen denken sich vielleicht: So ein Männerbetrieb mit Schraubenziehern ist nichts für mich! Wie versuchen Sie hier zu überzeugen?

Es gibt eine Vielzahl an Maßnahmen, die das Unternehmen attraktiv für unsere verschiedenen Zielgruppen machen – unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Auch die Entwicklung unseres Geschäftsmodells macht unsere Arbeitsplätze attraktiv. Vor allem die Aktivitäten in den

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„Im Konzern war man seit jeher drauf bedacht, jung, schnell und dynamisch zu bleiben.“

Harald Santer

Foto: Ludwig Thalheimer

„Bilanzen werden in der Würth Gruppe nicht einmal im Jahr, sondern monatlich erstellt“, erzählt Vertriebschef Harald Santer.

Bereichen Dienstleistungen, Service und Digitalisierung, aber auch unsere starken Investitionen in den Bereich Green, also unser Weg zur Klimaneutralität, und nicht zuletzt unsere Tätigkeiten im sozialen und im Kulturbereich.

Das heißt, Sie punkten auch bei Frauen?

Ja, wir bekommen viele Bewerbungen von Frauen und wir stellen entsprechend viele Frauen ein. In der Führungsebene wird es natürlich noch ein wenig dauern, bis sich diese Entwicklung durchschlägt, doch der Weg ist vorgegeben.

Die internationale Würth-Gruppe ist aktuell sogar in der Hand einer Frau: Reinhold Würths Tochter Bettina Würth. Der Präsident des Verwaltungsrats der Würth Gmbh ist seit 2021 sein Enkel Sebastian, Jahrgang 1985. Ist infolge dieses Generationswechsels auch eine Verjüngung des Konzerns spürbar?

Im Konzern war man seit jeher darauf bedacht, jung, schnell, dynamisch zu bleiben. Prof. Reinhold Würth ist ein sehr weitblickender Mensch, der auch im Alter noch einen sehr jungen Spirit und eine sehr innovative Ausrichtung hat und auch sehr inspirierend ist. Die neue Generation wird sicherlich weitere innovative Impulse setzen und die Würth-Gruppe in die Zukunft führen.

Reinhold Würth war dem Standort in Südtirol seit seiner Gründung im Jahr 1963 sehr verbunden. In Neumarkt wird seit dem Frühjahr an einer Erweiterung des Lagers gebaut, das bis 2024 fertiggestellt werden soll. Ein klares Bekenntnis zu Südtirol?

Ich denke, dass eine Investition dieser Größenordnung eine klare Aussage ist. Wir waren auch so weitsichtig, uns bereits vor Jahren das entsprechende Grundstück zu sichern. Und so können wir bald unseren „Zero Impact Logistic Hub“ in Betrieb nehmen. Es handelt sich um ein vollautomatisiertes, 26 Meter hohes Lager, dank diesem wir noch einmal effizienter, schneller und produktiver werden. ◀

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