Haben Managementmodelle ausgedient?

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Schwerpunkt   Haben Managementmodelle ausgedient?

Seit der Professionalisierung des Managements in den 50er-Jahren erforderte die Weiterentwicklung von   Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder neue Denkund Handlungsweisen der Führungskräfte. Doch sind Managementmodelle heute überhaupt noch zeitgemäss?

Management lässt sich heute nicht mehr einfach so in starre Modelle packen.

Von Sybille Sachs und Edwin Rühli*X

Die grosse Zeit der Managementmodelle brach in den 60er- und 70er-Jahren an. Mit dem St.Galler Managementmodell oder dem Zürcher Ansatz zu einer Führungslehre wollte man damals die vielen zusammenhangslosen Einzelerkenntnisse der Führungsforschung und der Managementpraxis in einen Bezugsrahmen stellen. Die Modelle waren ganzheitlich aufgebaut und erfassten sowohl ökonomische als auch soziale Grundsätze des Managements. Zudem entsprachen sie dem damaligen gut prognostizierbaren Wirtschaftswachstum. 20 Jahre später entwickelte sich an den Business Schools in den USA ein völlig neuer Denkansatz. Dieser vertrat eine konsequent ökonomische Sichtweise und drängte die umfassenderen Managementmodelle auch in Europa in den Hintergrund. Diese Ökonomisie-

Bild: Denis Junker – Fotolia.com

immer mehr in die Kritik geraten. Offensichtliches Fehlverhalten von Managern lässt diese Ansätze aber nicht nur veraltet, sondern sogar schädlich erscheinen.

rung des Managementdenkens wurde von einer raschen Professionalisierung der Finanzmärkte zusätzlich angetrieben und förderte ein konsequentes Shareholder-Value-Denken. Neue Herausforderungen. Seit Ende der 90er-Jahre haben sich die unternehmerischen Bedingungen abermals drastisch verändert. Die Globalisierung, der stetige technische Fortschritt und die Digitalisierung bringen eine enorme Vielfalt und Vernetzung in den Arbeitsalltag. Dazu kommt eine immer stärkere Arbeitsteilung aufgrund dezentral vorhandenen Wissens und verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen verlangen mehr Transparenz und Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse in den Unternehmungen. Es erstaunt daher nicht, dass die auf primär ökonomischen Grundsätzen basierten Ansätze der Shareholder-Value-Maximierer

Flexible Prinzipien statt starre Modelle. Was aber ist die Alternative zu den historischen Managementmodellen? In einer Zeit des enormen Wandels müssen starre Modelle, die allein auf ökonomischen Gesetzen beruhen, durch weitgefasste Managementprinzipien abgelöst werden. Diese sind in einer dynamischen und vernetzten Wirtschaft und Gesellschaft wegweisend, ohne dass sie die Rigidität der Modelle oder die Einseitigkeit der ausschliesslich öko­ nomiebasierten Strategieansätze haben. Gemäss unseren Studien basiert ein zeitgemässes Führungsverständnis auf vier Prinzipien: 1. Prinzip: Primat der Gesellschaft Die traditionelle Vorstellung, dass Unternehmungen autonome Wirtschaftseinheiten seien und gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen ihres Tuns nur als unwichtige Externalitäten betrachtet werden können, ist überholt und wird immer weniger akzeptiert. Das bedeutet, dass bei der Unternehmungsführung neben den ökonomischen Gesetzmässigkeiten gleichwertig die Anforderungen der Gesellschaft und der Schutz der natürlichen Umwelt berücksichtigt werden müssen. Erfolgreiche Unternehmungen richten sich heute schon danach aus, wie sie für wesentliche Stakeholder wie Kunden, Mitarbeitende und auch für die Gesell-


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Ausgabe 1-2/15–6. Februar 2015

schaft Lebensqualität und Wohlstand schaffen können. 2. Prinzip: Ressourcenpooling In der heutigen Wissensgesellschaft ist nicht das Kapital, sondern immaterielle Ressourcen wie Wissen, Erfahrungen und Emotionen der strategisch entscheidende Erfolgsfaktor. Ebenso entscheidend sind Ressourcenbeiträge von Stakeholdern wie Kunden, Lieferanten oder von externen Experten. Diese Stakeholder sind daher systematisch in die Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen und am Erfolg zu beteiligen. Zudem werden immer mehr Buchtipps zum Thema > Sachs, S., Rühli, E.: Strategisches Management – Eine neue Perspektive. Haupt Verlag 2013 > Sachs, S., Rühli, E.: Stakeholders Matter: ­ A New Paradigm for Strategy in Society, Cambridge University Press, 2011

auch materielle Ressourcen wie technische Einrichtungen oder Infrastruktur geteilt und so nachhaltiger genutzt. 3. Prinzip: Netzwerkorientierung Die fortschreitende Arbeitsteilung, Spezialisierung und Digitalisierung führt dazu, dass die einzelnen Unternehmungen Wertschöpfungsprozesse immer seltener alleine bewältigen können. Die Wertekette ist heute in ein Mosaik von Beziehungen zu verschiedensten Partnern eingebettet. Hochspezialisierte Leistungen können nur noch im Netzwerkverbund mit unverzichtbaren Stakeholdern erzielt werden. Der traditionelle Fokus auf ein­ zelne Stakeholder und auf anonyme Marktkräfte verliert deshalb an Bedeutung. Er wird durch ein kollaboratives Netzwerkdenken physisch und virtuell ersetzt. Die Führungs- und Organisa­ tionseinheit ist nicht mehr die einzel­-

ne Firma, sondern ein Netzwerk von Unternehmungen und Organisationen. Nur so wird das dezentral vorhandene Innovationspotenzial ausgeschöpft und ein nachhaltiger Erfolg erzielt. 4. Prinzip: Menschlichkeit Die bisherigen Hinweise lassen erkennen, wie bedeutsam der Mensch in ­der Unternehmung und in den Stakehol­ der-­Organisationen für ein erfolgreiches Management geworden ist. Dieser Mensch ist weder ein egozentrischer «Homo Oeconomicus» noch ein gesichtsloser Teil der Humanressourcen oder gar nur ein Kostenfaktor. Menschen sind aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften, Erfahrungen und Entwicklungen zugleich Basis und Ziel des unternehmerischen Erfolges. Daher ist für das Management nicht nur die lebenslange Weiterentwicklung der Fachkompetenz zentral, sondern auch die Sozial- und Selbstkompetenz zur Erschliessung der menschlichen Potenziale. Die firmen- und situationsspezifische Interpretation und Umsetzung dieser Prinzipien ist heute die wichtigste Herausforderung für das Management. Die Manager der Generation 3.0 müssen dabei neben den ökonomischen auch die gesellschaftlichen Entwicklungen erkennen und verstehen. Auf dieser umfassenden Basis gilt es ein Klima für menschenorientierte, kontinuierliche Veränderungsprozesse im Unternehmen und im Umgang mit den Stakeholdern zu schaffen.

Prof. Dr. Sybille Sachs ist Leiterin des «Instituts für Strategisches Management: Stakeholder View» und Schulleitungsmitglied an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.

Prof. Dr. Edwin Rühli ist emeritierter Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Zürich und Senior Advisor am «Institut für Strategisches Management: Stakeholder View» an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.


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