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Gut gestaltet – besser

bewertet: Die Macht von Design im Corporate Reporting

Gisela Grosse, Expertin für Gestaltung von Corporate Reports, erklärt wieso Design in der Geschäftsberichterstattung wesentlich für die Wahrnehmung eines Unternehmens ist, worauf Unternehmen achten sollten und welches Potenzial Digitalisierung für das Corporate Reporting bietet.

Zofia Wegrzecka: „Der Geschäftsbericht als Visitenkarte“ ist eine Floskel, die man immer öfter hört. Sie haben sich beruflich auf die Gestaltung von Corporate Reports spezialisiert. Warum sollten Unternehmen einen Wert auf die Gestaltung ihrer Geschäftsberichte legen?

Gisela Grosse: Fast 80 Prozent unserer Wahrnehmung funktioniert über die Augen. Wir machen uns innerhalb einer Viertelsekunde ein Bild von einem Menschen, einer Situation und eben auch einer Publikation. Das geht schneller als Lesen. Wenn ich von einem Bild spreche, im Geschäftsbericht, dann meine ich das Zusammenspiel aller gestalterischen Elemente. Bilder erwecken Emotionen, wodurch wir sie besser erinnern als Texte. Deshalb ist Gestaltung wichtig.

Wegrzecka: Konnten Sie in Ihrer Forschung auch nachweisen, wie sich ein Report auf den finanziellen Erfolg eines Unternehmens auswirken kann?

Grosse: Konkrete finanzielle Effekte lassen sich da nicht messen. Eines konnten wir aber zeigen: Wir haben für unsere Studie „Visuell Berichten“ Analyst*innen in moderierten Interviews, die audio-visuell aufgezeichnet wurden, Geschäftsberichte bewerten lassen. Dazu haben wir inhaltlich identische Geschäftsberichte vorgelegt, die unterschiedlich gestaltet waren. Einer davon komplett nach unseren Analysekriterien. Auf die vorab gestellte Frage, was wichtig sei, im Geschäftsbericht, nannten die meisten Proband*innen inhaltsbezogene Aspekte. Gewinn und Verlust-Rechnung und so weiter. Als wir einen Bericht vorlegten und nach dem ersten Eindruck fragten, sprachen bemerkenswerterweise aber fast alle über die Gestaltung; etwa den Titel oder die Farben. Nach einer intensiveren Beschäftigung mit den Inhalten sollten die Analyst*innen das Unternehmen aus ihrer fachlichen Kompetenz heraus einschätzen. Das Unternehmen mit dem besser gestalteten Bericht wurde deutlich besser eingeschätzt. Das ist für uns ein Nachweis, dass Gestaltung die Wahrnehmung beeinflusst. Ob nun ein gut gestalteter

Geschäftsbericht dazu führt, dass der Aktienkurs besser ist, kann ich nicht sagen. Da gehört etwas mehr dazu.

Wegrzecka: Auf welche Gestaltungs-Elemente sollte man besonders achten?

Grosse: Als allererstes auf die Navigation. Der Geschäftsbericht ist ein Arbeitsinstrument, mit dem Leute Informationen schnell finden wollen. Da gehört intuitive Navigation dazu. Dann das Storytelling. Die Geschichte, die ein Geschäftsbericht erzählt, muss visuell übersetzt sein. Bei Online-Berichten ist es wichtig, Themen der Nachhaltigkeit schon auf der Landingpage anzuteasern, genauso wie die wesentlichsten Kennzahlen. Außerdem die Typografie. Ein Bericht besteht zu 70 bis 80 Prozent aus Text. Wenn er nicht leser*innenfreundlich gestaltet ist, dann steigen die Leute aus. Das sehen wir in der Praxis häufig, weil der Text meist von Accounting-Leuten konzipiert wird, die kein gestalterisches Know-how haben. Außerdem gehört eine gute Gliederung dazu. Das Auge muss ruhig über die Textzeilen gleiten können, um nicht zu ermüden. Und dann natürlich die Bildsprache. Bilder sollen die Geschichte, die erzählt werden soll, visualisieren.

Wegrzecka: Zum Thema Storytelling: Wie gehen Sie mit der Kritik um, dass schöne Bilder und eine schöne Story schwache Zahlen vertuschen?

Grosse: Das sehen wir leider immer wieder. Weniger bei Bildern, mehr bei Info-Grafiken. Nicht vergleichbare Skalierungen werden gegenübergestellt, Verhältnisse nicht korrekt dargestellt, wodurch sich Verschiebungen in der Wahrnehmung ergeben. Was die Bildsprache betrifft, kommt es auf die Inhalte an, die visualisiert werden sollen. Design ist die Bestimmung durch Darstellung. Es gibt Inhalte, die vermittelt werden und die kann man auch über Bilder vermitteln. Unternehmen tun sich keinen Gefallen damit, schöne Bildchen über ihren Monitor zu streuen, die mit den Inhalten nichts zu tun haben. Das ist unglaubwürdig. Bildsprache kann Aussagen unterstützen. Gibt es ein Auseinanderdriften zwischen Bild und

Text, merkt der Mensch das unbewusst. Das stört die Glaubwürdigkeit.

Wegrzecka: Wo sollte die Gestaltung von Corporate Reports angesiedelt sein, um die Balance zwischen Kreativität und Finanzberichterstattung zu schaffen?

Grosse: Da müssen alle beteiligten Akteur*innen eng zusammenarbeiten. Das ist aktuell ein großes Problem. Großteils ist die Gestaltung in der Unternehmenskommunikation oder den Investor Relations angesiedelt. Über die letzten Jahre hat das funktioniert, weil alle Zahlen von der Finanzabteilung kamen. Durch die neue ESG (Environmental Social Governance)-Berichterstattung und die EU-Taxonomie sind aber viel mehr Abteilungen zu involvieren. Ein völlig neues Prozedere, das viel verändert.

Wegrzecka: Wie bewerten Sie das Bewusstsein für die Gestaltung von Corporate Reports? Haben Sie in den letzten Jahren eine Entwicklung beobachten können?

Grosse: Das ist unterschiedlich. Wenn die Unternehmenskommunikation direkt im Vorstand angesiedelt ist, gibt es ein größeres Bewusstsein. Andernfalls ist es oft schwer, einen gut gestalteten Geschäftsbericht zu machen, weil Geld und Strukturen notwendig sind. Siemens zum Beispiel hat früher herausragende Geschäftsberichte vorgelegt. Mit dem Wechsel des Vorstands hat sich das völlig verändert. Von einer pauschalen Entwicklung kann man nicht sprechen. Wenn Unternehmen wissen, dass sie über den Geschäftsbericht nicht nur mit Analyst*innen kommunizieren, sondern mit einer breiten StakeholderGruppe, die auch zunehmend das Geschäftsmodell diskutiert (zum Beispiel auf Social Media), gibt es ein größeres Bewusstsein für Kommunikation und Gestaltung. In diesem Fall wird crossmedial eine konsistente Kommunikation aufgebaut. Andere Unternehmen hingegen nutzen das Potenzial einer guten Berichterstattung nicht. Die EU-Taxonomie scheucht aktuell alle furchtbar auf und bringt viel in Bewegung.

Wegrzecka: Hat Digitalisierung in der Gestaltung von Corporate Reports einen Platz?

Hochschule Münster und Gründerin des Corporate Communication Institutes. Als Forscherin beschäftigt sie sich mit der Bewertung der kommunikativen und gestalterischen Qualität des Reportings.

Grosse: Wenn man sich in Deutschland den DAX40 ansieht, könnte man meinen, der Printbericht stirbt aus. Alle Unternehmen hingegen veröffentlichen PDFs. Immer mehr werden bestimmte Reporting-Inhalte digital zur Verfügung gestellt und mit der Homepage des Unternehmens verknüpft. Ich bin überzeugt davon, dass wir nie wieder die dicken gedruckten Berichte sehen werden. Dass der Print-Bericht ganz ausstirbt, glaub ich nicht. Vielleicht wird er eine andere Form annehmen, zum Beispiel als gedruckte Kurzfassung.

Wegrzecka: Spielt Social Media eine Rolle in der Geschäftsberichterstattung?

Grosse: Ich finde, viel zu wenig. Oft werden Daten nur bei Veröffentlichung des Geschäftsberichtes kommuniziert, unterjährig aber viel zu wenig für die Kommunikation genutzt. Wenn man überlegt, wie viele Menschen die Inhalte für einen Geschäftsbericht zusammentragen - das ist ein Riesen-Projekt. Da ist der Output nach wie vor zu gering. Unternehmen könnten sehr viel aus einem Geschäftsbericht rausholen und in kleinen Portionen kommunizieren. Zum Beispiel über Social Media.

Wegrzecka: Sie leiten seit Jahren den Wettbewerb „Der beste Geschäftsbericht“. Können Sie uns zum Abschluss Best Practices nennen?

Grosse: BMW, Adidas, die Deutsche Post, … Das sind Klassiker, die seit Jahren immer ganz weit oben stehen.

Differenzierung im Vorschriften-Dschungel

Sarah Schwarzinger: Welchen Stellenwert hat Investor Relations - und Corporate Reporting als Teil dessen - in der Kommunikation von Unternehmen derzeit?

Elisabeth Leeb: Aus meiner Sicht haben Geschäftsund Nachhaltigkeitsberichte einen sehr hohen Stellenwert in der Unternehmenskommunikation. Sie sind die Visitenkarte des Unternehmens und selbst wenn dieser Begriff oft verwendet wird, trifft er meiner Meinung nach sehr gut zu. Diese Berichte sind meiner Ansicht nach auch ein Tool, das in Zukunft sehr stark für Employer Branding eingesetzt werden wird. Denn mit der richtigen Strategie schafft man es hier auch, neue Mitarbeiter*innen anzusprechen.

Schwarzinger: Sie haben Nachhaltigkeitsberichte angesprochen. Wie gehen denn Unternehmen mit der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Berichterstattung um?

Leeb: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist im Umbruch. Hier findet gerade eine Revolution statt und die ist gekommen, um zu bleiben. Es gab jetzt schon umfassende Vorgaben für den Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung und mit 2024 wird die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft treten, die ein noch viel umfassenderes Regelwerk im Bereich Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) vorsieht. Das führt auch dazu, dass die Berichte immer komplexer werden und es mittelfristig nur mehr einen kumulierten Bericht geben wird. Das heißt aber auch, dass sich die Inhalte der beiden Berichte miteinander verzahnen. Für die Unternehmen ist das eine große Herausforderung. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine große Chance. Weil das Thema Nachhaltigkeit auch die Möglichkeit bietet, Innovationen umzusetzen oder neue Geschäftsmodelle zu implementieren. Und damit das Vertrauen in Stakeholder-Beziehungen zu festigen und zu fördern.

Schwarzinger: Glauben Sie, dass die heutigen Kommunikationsinstrumente der Investor Relations wie beispielsweise der PDF-Geschäftsbericht auch in Zukunft ausreichen werden, um die Stakeholder abzuholen und auch die jüngere Generation zu erreichen?

Leeb: Faktum ist, dass das PDF derzeit den höchsten Stellenwert einnimmt. Vor dem gedruckten Bericht und vor dem Online-Geschäftsbericht. Der gedruckte Bericht ist praktisch, da man ihn wie eine Visitenkarte an Lieferant*innen, Journalist*innen oder Kund*innen verteilen kann. Ich glaube aber, dass es mittelfristig nicht ausreichen wird, nur ein PDF zu haben. Selbst wenn man es benutzer*innenfreundlich gestaltet, glaube ich, dass man trotzdem verstärkt auf Digitalisierung setzen muss, um jüngere Zielgruppen anzusprechen. Die bleiben jetzt, denke ich, teilweise auf der Strecke.

Schwarzinger: Was sind Lösungen für die Digitalisierung von Geschäftsberichten, an denen Sie im Moment für Kund*innen arbeiten?

Leeb: Aus meiner Sicht gibt es die Möglichkeit eines Online-Geschäftsberichtes, der aber sehr ressourcenintensiv ist, da er ja auch responsive sein muss. Hier wird man noch sehen, inwieweit die Unternehmen bereit sind, Zeit und personelle Ressourcen zu investieren; obwohl der digitale Bericht natürlich ein tolles Produkt ist. Die Nutzer*innenzahlen sind viel höher als die Anzahl jener Leser*innen, die mit einer Print-Auflage erreicht werden können. Die zweite Möglichkeit ist, Suchmaschinenoptimierung umzusetzen und die dritte auf Social Media zu gehen. Also die unternehmenseigenen Kanäle nutzen und die Highlights gestalterisch ansprechend transportieren. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch spannend, die Inhalte für ein internes LinkedIn AmbassadorProgramm weiterzuverwenden. Solche Programme haben wir bereits erfolgreich für unsere Kund*innen Bristol Myers Squibb und die Erste Digital umgesetzt.

Schwarzinger: Das rückt natürlich auch den Aspekt der optischen Gestaltung der Geschäftsberichte in ein neues Licht. Wie wichtig ist die optische Gestaltung des Geschäftsberichtes Ihrer Meinung nach?

Leeb: Grundsätzlich ist gute grafische Gestaltung bei Geschäftsberichten State-of-the-Art. Aus meiner Sicht haben insbesondere börsennotierte Unternehmen hier schon sehr viel Expertise und meist langjährige Erfahrung. Hilfreich ist es in der Gestaltung, auf einen Magazincharakter zu setzen. So wird es möglich, Doppelseiten mit inhaltlichen Highlights auch gleich auf Social Media zu posten. Wir denken das bei der Entwicklung des grafischen Designs immer gleich mit: Wie können wir den Bericht so gestalten, dass er idealerweise auch 1:1 für Social Media verwendbar ist? Vor kurzem konnten wir unseren Kunden SW Umwelttechnik erfolgreich bei diesem Prozess begleiten.

Schwarzinger: Ich habe jetzt herausgehört, dass man sich Ihrer Meinung nach durch gute grafische Gestaltung nicht mehr abheben kann. Mit welchen Inhalten kann man sich denn abheben? Was muss man machen, um besser zu sein, als andere? Leeb: Grafische Gestaltung ist aus meiner Sicht kein Differenzierungskriterium mehr. Die Frage ist natürlich auch, woher das Bedürfnis nach Differenzierung kommt. Ich glaube, dass es aus der zunehmenden Vernetzung und Transparenz hervorgeht. Das ist auch legitim. Differenzieren kann man sich mit mehreren Punkten. Die Digitalisierung ist ein Differenzierungsmerkmal, weil viele Unternehmen dieses Potenzial noch nicht nutzen. Auch durch gendergerechte Sprache kann man sich differenzieren, weil auch hier viele Unternehmen noch Aufholbedarf haben. Dabei sollte einiges beachtet werden: Vor allem braucht es ein klares Commitment vom Vorstand und ein Corporate Wording, das sich durch alle Kanäle zieht. Nur im Geschäftsbericht inklusive Sprache zu verwenden, reicht dann nicht aus. Der dritte Punkt, bei dem man sich noch differenzieren kann, ist Nachhaltigkeit. Selbst wenn das Rahmenwerk durch die CSRD noch umfassender wird, können die Inhalte und Projekte von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Mit starken Inhalten kann man sich hier am Markt und für potenzielle Mitarbeiter*innen differenzieren.

Schwarzinger: Welche Trends behalten Sie beim Corporate Reporting im Blick?

Leeb: Digitalisierung über Social Media ist der erste Trend. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die gendergerechte Sprache sind weitere. Grundsätzlich wird im Bereich der Nachhaltigkeit der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen massiv erweitert: Derzeit sind ca. 140 Unternehmen von der Berichtspflicht umfasst, 2025 sollen es rund 2.100 Unternehmen sein. Aktuell sind diese Unternehmen intensiv damit beschäftigt, die Vorschriftenfülle der EUTaxonomie richtig umzusetzen.

Schwarzinger: Das heißt, momentan ist Differenzierung gar nicht im Mittelpunkt, sondern der Fokus liegt darauf, überhaupt einmal alle Vorschriften zu erfüllen?

Leeb: Im Idealfall sollte es beides sein. Es ist zentral, die Vorschriften einzuhalten. Aber Differenzierung ist darüber hinaus auch notwendig, da gerade nahezu alle Unternehmen nach Arbeitskräften suchen und die Kommunikation von spannenden Fakten über Social Media eine riesige Chance sein kann. Man sollte immer versuchen, beide Säulen mitzudenken. Wie kann ich mich im Vorschriften-Dschungel zurechtfinden und gleichzeitig im Rahmen des Employer Brandings das Unternehmen möglichst attraktiv positionieren?

Vera Pichler, selbständige Unternehmensberaterin, sprach mit „PRaktivium“ über die Trends, Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit. Sie begleitet seit Jahren Unternehmen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und erzählt, worauf es bei der Kommunikation ankommt.

Denise Fink: Sie haben sich als Unternehmensberaterin im Bereich Nachhaltigkeit selbstständig gemacht. Mit welchen Anfragen kommen Unternehmen zu Ihnen?

Vera Pichler: Die häufigsten Anfragen kommen zur Begleitung von Nachhaltigkeitsberichten – das wird jetzt durch die kommenden gesetzlichen Anforderungen verstärkt. Der Nachhaltigkeitsbericht kann ein guter Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitsmanagements sein. Es lässt sich gut erkennen, wo die Unternehmen stehen und was es noch braucht, um Nachhaltigkeit zu verankern.

Fink: Wobei unterstützen Sie die Unternehmen und bis wohin geht Ihre Zuständigkeit?

Pichler: Ich unterstütze Unternehmen im Hinblick auf die Inhalte in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wir ermitteln gemeinsam, welche Themen für den Bericht relevant sind und was Nachhaltigkeit für sie konkret bedeutet. Ich berate bei der Anwendung von Standards, wie den Global Reporting Initiative Standards oder zukünftig auch verstärkt den European Sustainability Reporting Standards. Dabei arbeite ich immer mit Vertreter*innen des Unternehmens zusammen. Beim Verfassen des Berichts gibt es dann häufig Schnittstellen, etwa mit Public Relations- und Marketing-Abteilungen im Unternehmen oder externen Agenturen, die das Texten und die grafische Aufbereitung übernehmen. Ich selbst stehe dann während und am Ende des Prozesses nochmal für Feedback zur Verfügung, um sicherzustellen, dass alles entsprechend der Standards umgesetzt wurde.

Fink: Wie würden Sie das Bewusstsein von Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung einschätzen?

Pichler: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, denen Nachhaltigkeit zwar ein Begriff ist, die das Thema aber noch nicht stark integriert haben. Für diese Unternehmen ist auch meist die Berichterstattung selbst noch kaum Thema. Andere Unternehmen wiederum haben Prozesse im Nachhaltigkeitsmanagement bereits gut verankert, und auch die Berichterstattung ist bereits gut aufgebaut. Hier würde ich mir als Beraterin zum Teil wünschen, dass es auch eine stärkere Auseinandersetzung mit Bereichen wie Produkten oder Geschäftsmodellen gibt, um Nachhaltigkeit umfassender zu denken. Und dann gibt es auch sozusagen fortgeschrittene Unternehmen, die Nachhaltigkeit bereits in der Organisation integriert haben und bei zahlreichen Entscheidungen und Handlungen berücksichtigen.

Fink: Ihrer Erfahrung nach: Sehen Ihre Kund*innen die Nachhaltigkeitsberichterstattung eher als Chance oder als Herausforderung?

Pichler: Tendenziell eher als Herausforderung, weil es vor allem am Anfang ein großer Aufwand sein kann. Es werden Informationen aus unterschiedlichsten Abteilungen wie Human Resources oder Produktion benötigt und das bedeutet Zusatzaufwand. Zu Beginn ist in den Unternehmen auch noch nicht klar definiert, welche Schritte gemacht werden müssen und welche Daten notwendig sind. Die Prozesse sind oft noch nicht eingespielt. Dafür braucht es etwas Aufbauarbeit. Die Wahrnehmung als Chance kommt meist erst etwas später – aber nur mit diesem Bewusstsein können auch Chancen genutzt werden.

Fink: Was sind die Kernelemente der Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Pichler: Ganz wichtig ist, aus meiner Sicht, dass es eine kritische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit gibt. Unternehmen müssen definieren, was Nachhaltigkeit für sie konkret bedeutet. Sie sollten dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette denken – das heißt, zum Beispiel vom Ursprung der Rohstoffe für Produkte bis hin zur Entsorgung, also bis zum Ende des Produktlebenszyklus. Unternehmen sollten sich bewusst sein, wo sie stehen, was sie bereits machen und wie sie wirken.

Fink: Gibt es im Bericht auch besondere Trends oder Bereiche, die Unternehmen gezielt behandeln?

Pichler: Ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt und das auch immer wichtiger wird, ist die Klimakrise. Hier spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle. Bei Aussagen besteht dabei schnell die Gefahr von Greenwashing. Auch wenn hinter vielen Aussagen keine schlechten Absichten stecken, sollte man stets kritisch auf die Formulierung achten. Auch Themen wie der Erhalt der biologischen Vielfalt oder Menschenrechte gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Fink: Im Kontext von Greenwashing: Wie gehen Sie damit um, wenn sich ein Unternehmen kommunikativ grüner positionieren möchte, als es ist?

Pichler: Wenn ich diese Absichten bei der Anfrage bereits merke, ist das für mich ein Punkt, an dem ich tatsächlich ablehne. Es ist nur meistens nicht so einfach. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung verlangt ein anderes Denken. Es braucht eben genau diesen Blick, zu schauen, was momentan noch nicht so gut gelingt und wo die Schwächen liegen. Das ist für Organisationen meistens nicht so leicht zu kommunizieren. Deshalb sehe ich es auch als meine Aufgabe, immer wieder zu fragen, ob die Kommunikation nicht noch etwas offener und transparenter sein könnte. Die Kommunikation sollte auf alle Fälle ehrlich und auch selbstkritisch sein.

Fink: Was muss sich in Unternehmen ändern, um eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die Beine zu stellen, auch in Bezug auf die Anforderungen durch die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU?

Pichler: Die Schwierigkeit, die wir jetzt im Moment noch haben, ist, dass die CSRD, und auch die damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards, noch nicht finalisiert sind. Es gibt also noch ein paar Unsicherheiten. Viele Unternehmen wollen sich aber schon darauf vorbereiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Unternehmen klar herausarbeiten, welche strategische

Vera Pichler ist Unternehmensberaterin in der Nachhaltigkeitskommunikation. Ihr Lebenslauf umfasst eine Ausbildung im Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement sowie eine neunjährige Berufserfahrung in der Branche. Zudem unterrichtet sie als Lehrende an der IMC FH Krems und ist diplomierte Trainerin in der Erwachsenenbildung.

Bedeutung Nachhaltigkeit für sie hat. Das heißt, welche Chancen und Risiken gibt es und was können sie zum Klimaschutz beitragen? Auch die Datenverfügbarkeit ist natürlich relevant.

Fink: Welcher Nachhaltigkeitsbericht ist Ihnen als Expertin besonders in Erinnerung geblieben?

Pichler: Es sind meistens bestimmte Aspekte oder Teile des Berichtes, die mir besonders gut gefallen. Jedes Unternehmen hat bestimmte Dinge, die es besonders gut kann. Als Richtwert ziehe ich gerne die durch den Austrian Sustainability Reporting Award ausgezeichneten Berichte heran. Mit diesen Berichten und auch den Kriterien, die dahinterstecken, hat man geeignete Anhaltspunkte für gute Reports.

Fink: Wie haben sich die Themen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Laufe der Jahre verändert?

Pichler: Was man in den letzten Jahren merkt, ist die Bedeutung von Nachhaltigkeit und wo diese verankert ist. Früher ging der Trend sehr stark in Richtung Spenden, Sponsoring und wohltätige Zwecke. Jetzt geht das Thema immer mehr ins Kerngeschäft über – wo es auch hingehört. Man kommt heutzutage kaum mehr daran vorbei, sich damit auseinanderzusetzen, wie das eigene Produkt wirkt oder wie mit den Mitarbeiter*innen umgegangen wird. Bezüglich der Themen wird vor allem das Klima immer zentraler. Auch der Erhalt der biologischen Vielfalt ist aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt. In den nächsten Berichten werden wir sicher auch aktuelle Krisen wie die Covid-19-Pandemie, Energieverfügbarkeit oder Inflation stark sehen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein Marketing

Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird die NFRD (Nonfinancial Reporting Directive) ablösen und für einheitliche Standards im Nachhaltigkeitsreporting sorgen. Betroffen sind davon 50.000 Unternehmen in der EU. Harald Reisinger, Berater für Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung, erklärt, was sich mit Einführung der CSRD ändert.

Patrick Seidl: Welche Punkte im Bereich Nachhaltigkeitsreporting sind aktuell besonders brisant?

Harald Reisinger: Nachhaltigkeitsreporting umfasst ein breites Themenspektrum. Vielen Stakeholdern ist noch immer nicht bewusst, dass es nicht um einen reinen Umweltbericht geht, sondern um wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragestellung muss. Bisher waren nichtfinanzielle Berichte nur für sehr große Unternehmen obligatorisch und die Vorgaben der bestehenden Richtlinie (NFRD) zum Inhalt dieser Berichte sind vage. Um die Transparenz und Vergleichbarkeit hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Unternehmen zu erhöhen, wird sich das nun ändern. Generell hat die EU im Rahmen des „European Green Deal“ den Druck auf die Wirtschaft erhöht. Es kristallisiert sich ein Rechtsrahmen heraus, der die Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Andererseits hat die bisherige Erfahrung gezeigt, dass die Qualität der Berichte ohne regulatorischen Druck und klar definierte Vorgaben oftmals unzureichend ist und im schlimmsten Fall damit Greenwashing betrieben wird.

Seidl: Für welche konkreten Inhalte des Nachhaltigkeitsreportings interessieren sich die Stakeholder? Sind hier Trends zu erkennen?

Reisinger: Im Umweltbereich ist hier vor allem der Klimawandel zu nennen. Unternehmen werden künftig nicht umhinkommen, über ihre Treibhausgasemissionen zu berichten und offenzulegen, wie sich der Klimawandel wiederum auf das Unternehmen auswirkt. Letzteres ist insbesondere auch für Shareholder und Kapitalgeber*innen relevant. Ein Unternehmen muss daher darüber berichten, wie es diese wechselseitigen Auswirkungen managt und wie es seinen Pfad zur Klimaneutralität gestaltet. In sozialen Belangen spielt beispielsweise die Achtung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine zunehmend wichtige Rolle. Denn Unternehmen können sich angesichts der global verzweigten Lieferketten nicht darauf beschränken, nur im eigenen Unternehmen hohe soziale Standards zu gewährleisten. Sie tragen Verantwortung dafür, dass die Menschenrechte auch von ihren Lieferanten und Vorlieferanten eingehalten werden. Hier kommt das Lieferkettengesetz ins Spiel. Darüber, wie man Risiken entlang der Lieferkette identifiziert und minimiert, wird man künftig Rechenschaft ablegen müssen. Auch das wird ein Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD sein.

Seidl: Die CSRD ist aktuell (Anm.: November 2022) noch nicht finalisiert, aber was wird sich in der Nachhaltigkeitsberichterstattung voraussichtlich ändern?

Reisinger: Die gute Nachricht für alle, die bereits Nachhaltigkeitsberichte in Übereinstimmung mit den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt haben: Inhaltlich wird es viele Überschneidungen geben, zwischen den GRI-Standards und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der EU. Aber es ist noch etwas zu früh, um schon sichere Aussagen darüber zu treffen, wie sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung ändern wird. Noch sind die CSRD und die Berichtsstandards der EU nicht fix ausformuliert. Und wie die neuen Vorgaben in der Praxis umgesetzt werden, wird sich erst 2025 zeigen. Gewiss gibt es bei einigen Punkten Unsicherheiten und Interpretationsspielraum. Die Frage ist, wie die berichtspflichtigen Unternehmen und externen Prüfer*innen diese Punkte auslegen werden. Das Ziel der EU-Kommission ist jedenfalls, dass nachhaltige Unternehmen auch finanzielle Vorteile haben. Dazu greifen unter dem Titel „Sustainable Finance“ verschiedene EURegularien ineinander. Neben der CSRD sind das etwa auch die Taxonomieverordnung oder die Offenlegungsverordnung. Die CSRD gibt daher auch eine verpflichtende externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte vor.

Seidl: „Earth is now our only shareholder” – ein Zitat von Yvon Chouinard, Gründer von Patagonia. Er verschenkte seine Firmenanteile an eine gemeinnützige Organisation. Sieht so ein ultimativ-nachhaltiges Leitbild aus?

Reisinger: Die Geschichte von Patagonia ist beeindruckend. Man erlebt momentan generell, dass der Purpose

– also der gesellschaftliche Nutzen – bei vielen Unternehmen stärker in den Mittelpunkt rückt. Natürlich haben Unternehmen wirtschaftliche Interessen und Ziele und ihre Vorstände und Geschäftsführer*innen auch rechtliche und betriebswirtschaftliche Verpflichtungen. Doch der wirtschaftliche Erfolg sollte kein Selbstzweck sein. Unternehmen sollten sich vielmehr fragen und hinterfragen, inwieweit sie die Interessen heutiger und künftiger Stakeholder respektieren. Patagonia macht das und verfolgt dabei einen sehr holistischen Ansatz, indem es das Wohl der Erde in den Mittelpunkt rückt. Während in den meisten anderen Unternehmen soziale und ökologische Ziele den wirtschaftlichen Vorgaben klar untergeordnet sind, setzen Vorreiter wie Patagonia also andere Prioritäten. Fest steht, dass die Tragfähigkeit unseres Planeten letztendlich erhalten bleiben muss und dass soziale Missstände sowie extreme wirtschaftliche Ungleichheit uns allen schaden. Nachhaltigkeit sollte demnach Teil der Strategie jedes Unternehmens sein. Wem das gut gelingt und wer Nachhaltigkeit authentisch lebt und kommuniziert, wird letztlich auch wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen können.

Seidl: Wie unterstützen Sie Unternehmen dabei?

Reisinger: Ausgangspunkt ist oft der Wunsch eines Unternehmens einen standardkonformen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Daran geknüpft sind viele Aufgabenstellungen, bei denen ich meine Kunden bei Bedarf unterstützen kann. Das beginnt bei der Analyse der wesentlichen Auswirkungen, Chancen und Risiken des Unternehmens im Nachhaltigkeitskontext. Oft entwickle ich mit den Unternehmen eine Nachhaltigkeitsstrategie sowie Ziele und Maßnahmen, die dann letztlich auch im Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht werden. Bei manchen Berichten habe ich nur eine beratende und qualitätssichernde Rolle, bei anderen bin ich federführend für die Erstellung des gesamten Berichts, also auch für die redaktionelle Arbeit verantwortlich. Mein „Werkzeug“ waren bisher, seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit im Jahr 2006, die GRI-Standards. Mit der CSRD und den

Harald Reisinger hat nach Abschluss seines Studiums an der Universität für Bodenkultur in Wien am Österreichischen Institut für nachhaltige Entwicklung (ÖIN) begonnen, war danach Gründungsgesellschafter und Mitarbeiter eines auf Nachhaltigkeit spezialisierten Beratungsunternehmens und ist seit 2014 als selbständiger Unternehmensberater für Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberichterstattung tätig.

ESRS wird die Bedeutung dieser freiwilligen Standards in den Hintergrund rücken. Ich werde Unternehmen also künftig auch dabei unterstützen, die neuen EU-Regularien richtig umzusetzen.

Seidl: Wie sollte man in der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Thema Nachhaltigkeitsreporting umgehen?

Reisinger: Man sollte trennen, zwischen dem Nachhaltigkeitsbericht, der schon jetzt im Idealfall nach den GRIStandards und später nach gesetzlichen Vorgaben erstellt wird, und der allgemeinen Nachhaltigkeitskommunikation. Der Nachhaltigkeitsbericht ist kein PR-Instrument und keine Marketingbroschüre und sollte auch nicht so wirken. Ein schlechter Nachhaltigkeitsbericht kann einem Unterhemen im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen. Man riskiert, sich dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen, wenn beispielsweise auf kritische Anfragen von NGOs (Non-Governmental Organizations) nicht vorgewiesen werden kann, wie sich gewisse Kennzahlen zusammensetzen oder wie Prüfungen durchgeführt werden. Auch wettbewerbsrechtlich droht dann Ungemach. Der Nachhaltigkeitsbericht sollte daher fundiert und aussagekräftig sein und belegbare Informationen bieten. Er kann und soll das Fundament für die allgemeine und freier gestaltbare Kommunikation zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens und seine diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit sein. Doch auch dort gilt: kein Greenwashing!

Online-Geschäftsberichte: Selbstinszenierung oder Win-win für alle Beteiligten?

Digitale Geschäftsberichte sind DAS Medium für moderne Stakeholderkommunikation. Eloy Barrantes, CEO von nexxar und Paradots, spricht über die Vorteile von Online-Berichten und gibt Tipps für die visuelle Aufbereitung von Informationen.

Anja Meindl: Wie können Informationen in Unternehmensberichten attraktiv gestaltet werden, ohne dass man dabei wichtige Fakten verliert?

Eloy Barrantes: Reduktion von Komplexität ist wichtig, sie steht jedoch nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit Informationsverlust. Informationen sind vor allem in der Online-Welt überall gefiltert und ausschnitthaft. Auf Social Media bewegen wir uns beispielsweise in unserer Bubble und bekommen nur das angezeigt, was die Algorithmen uns präsentieren. Das sind normale Informationsnutzungsmechanismen, denen man sich bewusst sein muss. Online-Berichte zeigen nicht alle Informationen auf einen Schlag, sondern versuchen Inhalte gut zu strukturieren und Nutzer*innen den Zugang zu Themen zu erleichtern. Durch strukturiertes und übersichtliches Gestalten können Informationen leichter gefunden werden. Unser Ziel ist es, dass Nutzer*innen am schnellsten zu den Informationen gelangen, die sie wirklich individuell interessieren, ohne sich durch andere Inhalte durchkämpfen zu müssen.

Meindl: Wie kann die neue, stark wachsende jüngere Generation unter den Stakeholdern erreicht werden?

Barrantes: Auf jeden Fall ist Social Media ein wichtiger Kanal und soll aktiv für Investor*innenkommunikation genutzt werden. Genau dabei unterstützen wir bei Paradots unsere Kund*innen. Zum Beispiel können auf Instagram kurze Reels mit Finanz- und Unternehmensbezug veröffentlicht werden. Dabei ist es besonders wichtig, authentisch zu bleiben. Im Bereich der Finanzkommunikation hat man den großen Vorteil, auf Social Media noch immer eine Vorreiterposition innezuhaben. Mit guten Inhalten kann man sich hier schnell zur Benchmark hocharbeiten.

Meindl: Welche Reporting-Formate sind Ihrer Meinung nach am wichtigsten?

Barrantes: Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Formaten stehen künftig Online-Berichte klar im Fokus. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2022 sonst alles online ist, aber Geschäftsberichte meist nur als PDF-Download verfügbar sind. Jedes Unternehmen hat eine Corporate Website, alle sind auf Social Media und alle schreiben sich Digitalisierung auf die Fahne – da erwarten sich Stakeholder auch, dass die Kommunikation digital ist. Warum sollte der Geschäftsbericht hier eine Ausnahme sein? Informationen werden am Bildschirm rezipiert, da müssen sie auch für den Bildschirm gedacht, konzipiert und realisiert werden.

Meindl: Welche Vorteile bringt der digitale Geschäftsbericht für Unternehmen?

Barrantes: Digitale Berichte bieten viele Vorteile gegenüber dem PDF. Die meisten liegen im Bereich der Informationsdarstellung (auch auf mobilen Endgeräten), der Interaktivität sowie der Multimedialität. Online-Berichte erreichen aber nachweislich auch deutlich mehr Stakeholder als reine PDF-Berichte. Bei einem Online-Bericht wird beispielsweise jede Unterseite eine Website und somit einzeln, zum Beispiel bei Google, initiiert. Sie erreichen eine deutlich höhere Sichtbarkeit als ein PDF-Bericht, der nur einmal gerankt wird.

Meindl: Worauf muss beim Mobile-first Approach besonders geachtet werden? Wie wichtig ist Responsive Design?

Barrantes: Es geht darum, denselben Content für die Nutzungsgewohnheiten auf mobilen Endgeräten zu optimieren. Für mobile User muss zum Beispiel die Startseite anders gestaltet werden, mehr Einstiegsoptionen zur Verfügung stehen und Inhalte snackable, also einfach und leicht konsumierbar, sein. Außerdem muss es in den meisten Fällen spezielle Lösungen für interaktive Infografiken und natürlich für die mobile Navigation geben.

Meindl: Welche grafischen Elemente sind am wichtigsten, um die Aufmerksamkeit der Leser*innen zu erlangen?

Barrantes: Grundsätzlich sind visuelle Elemente immer gut, wenn sie Informationen besser vermitteln können als Text und Zahlen. Gewisse Formate erhöhen außerdem die Aufmerksamkeit der Leser*innen. Zum Beispiel: interaktive Informationsgrafiken, Animationen und Erklärvideos, die ein komplexes Thema snackable machen.

Meindl: Gibt es spezielle Design-Elemente, die sich vor allem bei komplizierten Themen als Best Practices durchgesetzt haben?

Barrantes: Generell sollen Online-Berichte mehr können als PDF-Versionen. Viele intelligente Mechanismen haben das Potenzial, einen Bericht besonders zu machen. Zum Beispiel sind animierte Stage-Videos auf einer Startseite interessanter als ein statisches Cover. Sie wecken die Aufmerksamkeit der Leser*innen. Interaktive Infografiken können komplizierte Inhalte überschaubarer präsentieren. Außerdem wird in Online-Berichten mit Tagging gearbeitet. Tagging ermöglicht Nutzer*innen viel schneller Informationen zu finden, die sie interessieren. In jedem Abschnitt und auf jeder Seite werden die behandelten Themengebiete oben angeführt, also getaggt. Relevanz-gesteuerte Topic-Filter und das Kombinieren verschiedener Themengebiete in der Suche ermöglichen ein personalisiertes Nutzer*innenerlebnis. In Form von Vorschlägen können zusätzlich interessante und thematisch angrenzende Unterseiten empfohlen werden – das Prinzip funktioniert wie Artikelvorschläge in einem Online-Shop. Außerdem werden interaktive und individualisierbare Chart-Generatoren eingesetzt. Hier kann man zum Beispiel das Thema und die Zeitspanne des Diagramms auswählen. Anschließend stehen die generierten Diagramme zum Download bereit. Online-Berichte sind generell nutzer*innenfreundlicher als das Durchsuchen von einem 300 Seiten langen PDF-Dokument. Die genannten Mechanismen erhöhen die User Experience von Stakeholdern und in dem Zusammenhang auch ihre Zufriedenheit.

Meindl: Kann die grafische Aufbereitung nicht auch ablenken? Wenn beeindruckende visuelle Inszenierungen unsere Aufmerksamkeit bündeln, sind dann die Fakten oftmals zweitranging?

Barrantes: Ob und warum man ein Unternehmen gut findet, ist nie ganz rational erklärbar; unsere Wahrnehmung ist nie objektiv. Transparente, visuell aufgearbeitete Inhalte zeigen, dass das Thema dem Unternehmen wirklich wichtig ist. Man muss sich fragen, was die Alternative wäre. Eine lange schwarz-weiße Excel-Tabelle? Das würde aus meiner Sicht Informationen mehr verstecken als hervorheben. Daher glaube ich: grafische Aufbereitung erhöht die Aufmerksamkeit für Informationen. Voraussetzung ist, dass dabei nichts versteckt oder beschönigt wird, sondern die Transparenz und Vermittlung der Information im Vordergrund stehen. Was im Anschluss in Erinnerung bleibt, ist sowieso davon abhängig, was den Leser oder die Leserin interessiert.

Eloy Barrantes ist CEO von nexxar und Paradots. Seine Agentur nexxar ist auf digitale Unternehmensberichte spezialisiert. Im Dezember 2021 wurde die Agenturmarke Paradots gegründet, die sich auf Finanz- und Nachhaltigkeitskommunikation auf Social Media spezialisiert. Nebenbei war Barrantes als Lektor an der WU Wien und der FH St. Pölten tätig.

Meindl: Nachhaltigkeitsberichterstattung wird oft zur Stärkung des Vertrauens der Stakeholder eingesetzt. Ist die Herangehensweise bei diesem Thema anders? Worauf muss man achten?

Barrantes: Nachhaltigkeitsberichte müssen so transparent wie möglich sein, trotzdem kann eine Story rundherum erzählt werden. Damit meine ich nicht, etwas zu erfinden, sondern glaubwürdig darzulegen, welche Milestones es gibt, wie man die Ziele erreichen will und warum das dem Unternehmen wichtig ist. Das kann dann visuell aufbereitet werden. Dafür sind alle bekannten Instrumente des Webdesigns gut geeignet. Wichtig dabei: Storytelling ist nicht Werbung! Es muss eine ehrliche und glaubwürdige Story mit Hand und Fuß dahinterstehen.

Meindl: Noch zum Thema Nachhaltigkeit: Bei der SDG (Sustainable Development Goals)-Berichterstattung werden oftmals ein paar Ziele ausgesucht, die in den Fokus gesetzt werden. Wird hier versucht, sich in ein besonders gutes Licht zu rücken?

Barrantes: Nein, das sollte natürlich nicht der Fall sein. Ich wage zu behaupten, dass für kaum ein Unternehmen alle SDGs gleich wichtig sind – also das Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell denselben Impact auf alle SDGs hat. In der Berichterstattung geht es hier darum, die besonders relevanten SDGs zu identifizieren – und das muss transparent und für jeden nachvollziehbar sein. Relevanz und Wesentlichkeit sind generell wichtige Prinzipen im Reporting.

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