Energieeinsparung im Gebäudebereich Die Entwicklung der Energieeffizienz in den EU-Ländern Die Steigerung der Energieeffizienz ist nicht nur ein zentrales Thema der Energiepolitik, sondern spielt auch für die Konsumenten eine immer wichtigere Rolle. Ein effizienterer Umgang mit Energie leistet einerseits einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des Energiekonsums und der Energiekosten, führt zu einer geringeren Abhängigkeit von Energieimporten und trägt andererseits durch einen Rückgang des CO2 Ausstoßes zur Erreichung klimapolitischer Zielsetzungen und so zur Verbesserung der Umweltsituation bei. Wie hat sich die Energieeffizienz in den vergangenen Jahren in den EU-Ländern entwickelt und welcher Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz wird durch entsprechende Maßnahmen im Gebäudebereich geleistet? Während sich der erste Teil des Artikels mit der Energieeffizienz im Gesamtenergieverbrauch und insbesondere mit dem Energieeinsparungspotential im Gebäudesektor befasst, ist der zweite Teil dem KlimaHaus Südtirol gewidmet.
Graph 1
Der Anteil am Energieverbrauch nach Sektoren hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Europäischen Union (EU) stark verändert. Während der Verbrauch im Industriesektor von 34% im Jahre 1990 auf 25% im Jahre 2013 sank, konnte der Anteil im Transport- Haushalts- und Dienstleistungssektor einen Anstieg verzeichnen. Der Haushaltssektor erhöhte sich im Zeitraum 1990 - 2013 von 25% auf 27%, während im Dienstleistungssektor, welcher die Bereiche Gewerbe, Handel und Dienstleistung beinhaltet, der Anteil von 10% auf 14% anstieg. Auch weltweit zeigt sich in
den
Industrie-
und
Schwellenländern
ein
ähnliches
Muster,
während
in
den
Entwicklungsländern, infolge der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur und eines geringeren Urbanisierungsgrades noch weitgehend andere Energieverbrauchsmuster vorliegen.
Graph 2
Index: 1990 = 100
EU: Energieeffizienz Index 1990‐2012 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60
105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 Industrie
Haushalte
Transport
Dienstleistungssektor
Durchschnitt
Quelle: European Environment Agency Die Energieeffizienz ist in der EU während der vergangenen Jahrzehnte in allen Sektoren gestiegen. Graph 2 stellt anhand des Energieeffizienz Indexes1 dar, um wie viel % sich die Energieeffizienz, verglichen mit 1990, in den einzelnen Sektoren verändert hat. Im Zeitraum 1990 bis 2012 ist die Energieeffizienz bezogen auf den Gesamtenergieverbrauch um 25% gestiegen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 1.3% entspricht. Mit über 30% konnte der Industriesektor die stärkste Energieeffizienzsteigerung verzeichnen, gefolgt vom Haushalts- und Dienstleistungssektor mit jeweils knappen 30%. 1
Der von der „European Environmental Agency“ berechnete Energieeffizienz Index gibt an, um wie viel Prozent die Energieeffizienz im gegebenen Zeitraum gestiegen ist. Sinkt der Index, so bedeutet das eine Steigerung der Energieeffizienz.
Graph 3
EU: Energieeinsparungen am Gesamtenergieverbrauch (%) 14
11,9
12
10,4 9,4
10
8,3
8
5,7
6 4
2,2
2,8
2 0
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Quelle: Eurostat
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich bereits 2007 darauf verständigt, den Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20% zu reduzieren. Die neueste EU-Energieeffizienz-Richtlinie von 2012 enthält eine Vielzahl an Maßnahmen um dieses Ziel zu erreichen. Im Mittelpunkt der Richtlinie stehen Energieeffizienzverpflichtungen, gemäß denen die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass von 2014 bis 2020 jährlich 1,5 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Endenergieverbrauchs der Jahre 2010 bis 2012 eingespart werden. Bei der Erfüllung dieses Ziels haben die Länder die Wahl, ob sie Energieversorgungsunternehmen verpflichten, dieses Energieeinsparziel zu erreichen, oder Instrumente, wie zum Beispiel Förderprogramme oder Energiesteuern, dafür nutzen2. Da circa 40 % des Gesamtenergieverbrauchs der EU auf Gebäude entfallen, ist die Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor ein wichtiger Bestandteil der EU-Energieeffizienz-Richtlinie. Die neuesten Zahlen von Eurostat3 belegen, dass die Energieeinsparungen in den vergangenen Jahren ständig gestiegen sind, jedoch haben die Mitgliedstaaten noch große Herausforderungen zu bewältigen, wenn das Einsparziel von 20 % bis zum Jahr 2020 erreicht werden soll. Im Jahre 2013 lagen die Einsparungen bei der Primärenergie bei circa 12% (Graph 3). 2
EUR‐LEX, Amtsblatt der Europäischen Union 25. Oktober 2012 http://eur‐lex.europa.eu/legal‐ content/DE/TXT/?uri=CELEX:32012L0027 3 Eurostat ist das Statistische Amt der EU
Graph 4
Gebäude im Haushalts- und Dienstleistungs-Sektor4 sind für 40% des Energieverbrauchs und 36% der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich. Der größte Teil des Energieverbrauchs im Haushalts- und Dienstleistungssektor, nämlich ungefähr 70% fällt für Heizung und Warmwasser an (Graph 4). Man geht davon aus, dass im Gebäudesektor das größte noch nicht realisierte Einsparungspotential liegt und dass in diesem Bereich noch enorme Möglichkeiten zur Energieeinsparung genutzt werden können. Geringere Energiekosten, mehr Wohnkomfort, ein höherer Immobilienwert und ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz - das sind alles gute Gründe, im Gebäudebereich auf mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu setzen. In den EU-Ländern ist der Energieverbrauch im Haushaltssektor im Zeitraum 1990-2012 um durchschnittlich 0,9% jährlich gesunken. Während die Energieeffizienz um jährlich durchschnittlich 1,5% zur Verringerung des Energieverbrauchs beigetragen hat, wurde dieses Einsparungspotential um circa 50% durch größere Wohneinheiten5 und den vermehrten Gebrauch von elektrischen Geräten in den Haushalten verringert. 4 Der Dienstleistungssektor inkludiert die Berteiche Handel, Gewerbe und Dienstleistungen
5
Wohnungen oder Häuser
Graph 5
Einflussfaktoren der Veränderungen im Energieverbrauch im Haushaltssektor in der EU: 1990‐2012 (durchschnittliche jährliche Veränderungen in %) 1,0 0,31
0,5
0,44
0,0 ‐0,13
‐0,5 ‐1,0
‐0,91
‐1,5 ‐1,54 ‐2,0 Energieverbrauch mehr elektrische pro Wohneinheit Geräte
größere Wohneinheiten
steigende Veränderungen im Energieeffizienz Energieverbrauch
Quelle: European Environment Agency Jan. 2015 ‐ Progress on energy efficiency in Europe
Während Neubauten im Durchschnitt weniger als 3 bis 5 Liter Heizöl pro m2 im Jahr verbrauchen, haben ältere Gebäude einen Verbrauch von 25 Liter pro m2 im Jahr, manche Gebäude verbrauchen sogar bis zu 60 Liter. Derzeit sind ungefähr 35% aller Gebäude in der EU 50 Jahre alt oder älter. Durch Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude könnte der EU-Gesamtenergieverbrauch zwischen 5% um 6% verringert und die CO2-Emissionen um circa 5% gesenkt werden6. Die durchschnittliche Lebensdauer von Gebäuden beläuft sich auf mindestens 50 Jahre oder mehr. Deshalb sind die Optimierung der Energieeffizienz sowie die Nutzung erneuerbarer Energien in einem möglichst frühen Stadium im Gebäudebereich entscheidend für die Maximierung des Energiesparpotentials und die Reduzierung der CO2-Emissionen. Die Regierungen versuchen deshalb vor allem in diesem Bereich die möglichen Energiesparpotenziale zu fördern und auszubauen, auch um die klimapolitischen Zielsetzungen bis 2020 zu erreichen7. 6
EU Kommission: http://ec.europa.eu/energy/en/topics/energy‐efficiency/buildings Die EU hat 3 Klima‐ und Energieziele, die bis 2020 erreicht werden sollen: 20% Reduktion der Treibhausemissionen, 20% Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamt‐ Energieverbrauch und ein 20%ige Steigerung der Energieeffizienz (siehe http://ec.europa.eu/energy/en/topics/energy‐efficiency) 7
Abbildung 1
Die thermische Isolierung bestehender Gebäude, sowie notwendige Maßnahmen zur Errichtung neuer energieeffizienter Gebäude spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Einsparungspotentials im Gebäudebereich. Eine der wichtigen Maßnahmen ist die Verwendung von effizienten Dämm-Materialien. Es gibt eine Vielzahl an Dämm-Materialien auf dem Markt. Die Kosten der einzelnen Materialien variieren stark, wobei synthetische Dämmstoffe oder Kunststoffe die niedrigsten Kosten verursachen. Die Dämmleistung der einzelnen Produkte wird durch ständig neue technische Entwicklungen verbessert. Das kostengünstige Polystyrol oder Styropor, das gute Dämmeigenschaften aufweist, ist das bei weitem am häufigsten verwendete Dämmmaterial. Kritiker verweisen auf die schlechte Umweltbilanz von Polystyrol. Wie alle synthetischen Dämmstoffe wird Polystyrol aus Erdöl hergestellt, eine Ressource, die nicht unendlich zur Verfügung steht. Um ein Kilogramm Polystyrol herzustellen, braucht man rund fünf Kilogramm Erdöl. Es ist also ein Widerspruch einerseits von den fossilen Brennstoffen wegzukommen und andererseits bei der Wärmedämmung wieder auf sie zurückzugreifen Die Umsetzung der diversen Vorschläge zur thermischen Sanierung und zum energieeffizienten Bauen erfolgt in den einzelnen Mitgliedsländern und Regionen der EU nicht in derselben Geschwindigkeit. Während manche Länder schon große Fortschritte erzielt haben, erfolgt in anderen Ländern die Umsetzung nur sehr langsam.
KlimaHaus Südtirol Südtirol spielt in Bezug auf energieeffizientes und umweltfreundliches Bauen und Sanieren vor allem durch die Entwicklung und Einführung des KlimaHauses eine besondere Vorreiterrolle. Im Folgenden werden die wichtigsten Etappen und Kennzahlen des Vorzeige-Projektes KlimaHaus Südtirol8 aufgezeigt. Die ersten Fördermaßnahmen zur Energieeinsparung in Südtirol reichen bereits in die 1980er Jahre zurück. In den 1990er Jahren kommt es zu zahlreichen Aktionen und Informationsveranstaltungen, mit dem Ziel die Sensibilisierung der Bevölkerung bezüglich des sparsamen Umgangs mit Energie-Ressourcen und der Klimabedrohung durch CO2-Emissionen zu steigern. Im Jahre 2002 wird das KlimaHaus präsentiert, um für ein energieeffizientes Bauen mit diversen freiwilligen Maßnahmen bei der Bevölkerung zu werben. 2004 werden die KlimaHausBestimmungen in das Landesraumordnungsgesetz aufgenommen. Das Projekt KlimaHaus findet auch italienweit und international großes Interesse und wird bei diversen internationalen klimapolitisch-relevanten Konferenzen und Foren präsentiert. Diverse Weiterbildungskurse in Bezug auf energieeffizientes Bauen werden angeboten, um Fachleuten und Interessierten das notwendige Knowhow zu vermitteln. Im Jänner 2006 organisiert die Messe Bozen die erste Messe Klimahouse, die sich in der Folgezeit zur italienweit wichtigsten Fachmesse für energieeffizientes Bauen und Sanieren entwickelt. In den folgenden Jahren wird diese Fachmesse zudem in diversen italienischen Städten (Rom, Florenz, Bari, Bastia Umbria) abgehalten. Im April 2006 wird an der Freien Universität Bozen der erste KlimaHaus-Master-Lehrgang in das Lehrprogramm aufgenommen und findet großen Anklang. Im Jahre 2006 wird die KlimaHaus Agentur Bozen gegründet. Sie ist eine öffentliche und unabhängige Institution für die energetische Zertifizierung von Gebäuden und ist auch auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung, Beratung, Information und Kommunikation sowie Forschung und Entwicklung tätig9. Die Energieeffizienz ist Grundlage für die Festlegung der KlimaHaus Kategorien. Je nach erreichter Energieeffizienz und verwendeter Materialien werden bestimmte KlimaHaus-Kategorien vergeben. Die Kategorie mit der höchsten Energieeffizienz ist das KlimaHaus Gold, gefolgt von KlimaHaus A, B und C. Neben dem Energiebedarf für das Wohnen bewertet „KlimaHaus nature“ auch quantitativ die Umweltverträglichkeit und den Aufwand an Energie für Baumaterialien10. 8 Eine detaillierte Geschichte des Projektes KlimaHaus Südtirol von den Anfängen bis in die Gegenwart wird auf der Website der KlimaHaus Agentur aufgezeigt: http://www.klimahaus.it/de/klimahaus‐agentur/über‐uns/klimahaus‐ history/438‐0.html 9 http://www.klimahaus.it/de/klimahaus‐agentur/25‐0.html 10 http://www.klimahaus.it/de/zertifizierung/nachhaltigkeit/klimahaus‐nature/200‐0.html
Graph 6
Quelle: Agentur für Energie Südtirol - Klimahaus
Im Zeitraum 2002 bis 2014 hat die Entwicklung hin zu energieeffizienten KlimaHäusern in der Provinz Bozen einen enormen Aufschwung genommen. Während in den Jahren 2002 bis 2005 die Zahl der zertifizierten KlimaHäuser weniger als 100 war, ist die Zahl der KlimaHäuser in den darauffolgen Jahren auf ein Vielfaches angestiegen und erreichte 671 im Jahre 2014. Auffallend ist auch, dass der Anteil des KlimaHauses A stark angestiegen ist und im Jahre 2014 zum ersten Mal die Zahl der errichteten KlimaHäuser B übertraf. Es zeigt sich also ein klarer Trend hin zum KlimaHaus A. Energieeffizienz ist nicht nur bei Neubauten wichtig, sondern spielt auch bei der Sanierung von bestehenden Gebäuden eine wichtige Rolle. Während bestimmte Elemente des energiebewussten Bauens nur bei Neubauten angewendet werden können, wie zum Beispiel Gebäudeform, Ausrichtung nach Süden, kann bei der Sanierung von Altbauten energieeffizientes Renovieren zu bedeutenden Energieeinsparungen führen. Drei Viertel aller Südtiroler Wohnungen sind älter als 25 Jahre und verbrauchen bis zum Dreifachen an Energie der sogenannten "C-Klasse" nach KlimaHaus-Einstufung. Die energetische Sanierung stellt deshalb eine sinnvolle Lösung dar, um die Energiekosten zu senken und den Wert der Immobilie zu steigern. Dazu ist als erster Schritt eine neutrale energetische Bewertung des Gebäudes erforderlich“11. Bei den zertifizierten 11
Quelle: Agentur für Energie Südtirol ‐ KlimaHaus http://www.klimahaus.it/de/zertifizierung/gebäude/bestehende‐ gebäude‐/‐sanierung/312‐0.html
Gebäudesanierungen in Südtirol zeigt sich ein bemerkenswerter Anteil am KlimaHaus B, während das KlimaHaus A vorerst nur einen geringen Anteil verzeichnen kann.
Graph 7
Quelle: Agentur für Energie Südtirol - KlimaHaus
Wie die Entwicklung in den vergangenen Jahren zeigt und wie auch die statistischen Zahlen belegen, kann Südtirol in Bezug auf Energieeffizienz im Gebäudebereich eine positive Bilanz aufweisen und somit für andere Regionen und Länder ein positives Beispiel sein. Als Folge energiepolitischer Maßnahmen und technologischen Fortschritts sowie höherer Sensibilisierung der Bevölkerung bezüglich eines sparsameren Umganges mit Energie, wird es in den
kommenden
Jahren
und
Jahrzehnten
zu
einer
kontinuierlichen
Steigerung
der
Energieeffizienz kommen. Vor allem der Gebäudebereich in den EU-Ländern, welcher 40% des gesamten Energieverbrauchs verursacht, hat ein enormes energetisches und wirtschaftliches Einsparpotential. Energieeffizientes Bauen trägt nicht nur dazu bei, den Energiekonsum zu senken und dadurch Kosten zu sparen, sondern verbessert auch den Wohnkomfort, steigert den Wert des Gebäudes und trägt vor allem auch dazu bei die CO2-Emissionen zu senken und so die Umweltbelastung zu verringern und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Monika Psenner - Energie-Expertin
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