Artikel 6: Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft

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Erdöl: wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft Erdöl hält mit 31% im Jahre 2011 den größten Anteil am weltweiten Energiemix und spielt aufgrund seiner vielseitigen Verwendbarkeit eine dominante Rolle in der modernen Wirtschaft. Wird das in Zukunft auch so bleiben oder zeichnet sich bereits eine neue Entwicklung ab? Der rasante Aufstieg des Erdöls begann nach dem 2. Weltkrieg. Bis in die Nachkriegszeit war Kohle der alles beherrschende Energieträger. Die Erfindung des Verbrennungsmotors und die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Mittleren Osten schafften die Voraussetzung für die weltweite Nutzung des Erdöls. Die geopolitische Bedeutung des Erdöls spielte schon im 1. und im 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle und führte auch in jüngerer Zeit immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen (z.B. Invasion in Kuwait 1990, Invasion im Irak 2003).

Graph 1

Weltweiter Erdölverbrauch 1965-2013

2008-09 Finanzkrise Rezession

(Mill. Barrels/Tag)

100

OECD

Nicht-OECD

90 80

1. Ölpreis Schock

70

2. Ölpreis Schock

60 50 40 30 20 10 -

2013

2011

2009

2007

2005

2003

2001

1999

1997

1995

1993

1991

1989

1987

1985

1983

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1969

1967

1965

Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2014

Der Erdölverbrauch wuchs von 10 Millionen Barrel am Tag im Jahr 1950 auf über 30 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 1965. Gründe für den rasanten Anstieg waren ein Überangebot und vor allem der niedrige Preis des Erdöls. Seit Ende des zweiten Weltkrieges war der Erdölpreis nominell unverändert geblieben und inflationsbereinigt sogar gesunken. Von 1965 bis 2013 hat


sich der weltweite Erdölverbrauch mehr als verdreifacht und ist von 30 Millionen pro Tag auf über 91 Millionen Barrels pro Tag gestiegen. Einen nennenswerten rückläufigen Erdölverbrauch gab es nach 1974 und 1979 verursacht durch Angebotskürzungen einerseits und starke Preiserhöhungen andererseits und darauffolgender Rezession, sowie im Jahre 2008 und 2009 als Folge der Finanzkrise und der großen Rezession. Bevölkerungs- und Einkommenswachstum sind die beiden stärksten Faktoren, welche die Energienachfrage beeinflussen, weshalb es zu divergierenden Entwicklungen in den OECD- und Nicht-OECD-Ländern kommt. Der Erdölverbrauch in den OECD-Ländern ist seit 2008 rückläufig. Der Anteil der OECD am Gesamt-Erdölverbrauch ist von 75% im Jahre 1965 auf 49,9% im Jahre 2013 gesunken, während der Anteil der Nicht-OECD-Länder im gleichen Zeitraum von 25% auf 50,1% gestiegen ist. Im Jahre 2013 lag der Erdölverbrauch der Nicht-OECD mit mehr als 50% am weltweiten Erdölverbrauch zum ersten Mal über dem der OECD. Laut Daten der US Energy Information Administration (EIA) hat China im September 2013 zum ersten Mal mehr Erdöl importiert als die USA.

Graph 2

Erdölpreis Entwicklung 1960-2013 (US$ pro Barrel) 120 100 80 Iranische Revolution Iran-Iraq Krieg

60

Starke Nachfrage in China Irak Krieg Schwacher Dollar Niedrige Kapazitätsreserven

11. Sept. 2001

40 20

Arabisches Erdöl Embargo

Finanzkrise - Rezession

Golfkrieg

Asien-Finanzkrise

1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

0

Quellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, US Energy Information Administration (EIA)

Wegen der wichtigen Rolle, welche das Erdöl für die Wirtschaft spielt, ist die Entwicklung des Erdölpreises von größter Bedeutung. Ein erheblicher Teil des Erdöls wird in politisch instabilen Regionen gefördert, weshalb der Erdölpreis neben marktbestimmenden Faktoren auch stark von geopolitischen Ereignissen beeinflusst wird. Bis 1973 war der Erdölpreis sehr niedrig und wurde


von den großen multinationalen Erdölgesellschaften bestimmt. Im Jahre 1973 kam es zu einem signifikanten Angebotsrückgang verursacht durch das Arabische Öl-Embargo. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), welche 1960 in Bagdad gegründet wurde, beschloss Ende 1973 den Erdölpreis um das nahezu Vierfache zu erhöhen. Von diesem Zeitpunkt an spielte die OPEC eine mehr oder weniger wichtige Rolle für die Entwicklung des Erdölpreises. Zu einer weiteren starken Preiserhöhung kam es 1979-1980 ausgelöst durch die Iranische Revolution und den darauf folgenden Iran-Irak-Krieg. Der hohe Preis hielt aber nicht lange an. Als Folge der hohen Preise nach 1973 wurde die Erdölförderung in verschiedenen Regionen, wie z. B. in der Nordsee, wirtschaftlich profitabel. Es kam zu einem Überangebot an Erdöl und in Folge zu einem Preisverfall. Im Jahre 1986 erreichte der Erdölpreis einen Tiefststand. Die OPECLänder mussten empfindliche Rückgänge ihrer Produktion hinnehmen. Um den sinkenden Erdölpreisen entgegenzuwirken, setzte die OPEC Förderquoten für die Mitgliedsländer fest, die entsprechend den Marktgegebenheiten verringert oder erhöht werden, um den Preis zu stabilisieren und ein bestimmtes Preisniveau zu halten. Die Quotenregelung, die bis heute in Kraft ist, war nicht immer erfolgreich, da sich nicht alle Länder an die ihnen zugeteilten Quoten hielten.

Tabelle 1

Zu stärkeren Preiserhöhungen mit beschränkter Dauer kam es während des Golfkrieges 1990 und nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001. Auch während der Finanzkrise in Asien 1997-


1998 fiel der Erdölpreis. Der rasante Anstieg der Erdölpreise nach 2003, der nur während der Finanzkrise und großen Rezession 2008-2009 kurzfristig unterbrochen wurde, ist auf eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen. Zum einen ließ der starke Erdölverbrauchsanstieg in Asien, vor allem in China, der Irak-Krieg und der schwache Dollar die Preise in die Höhe schnellen, zum anderen trugen die geringen freien Produktionskapazitäten in den OPEC-Ländern, sowie Produktionskürzungen der OPEC zur Preissteigerung bei. Viele Analysten sehen auch in den zunehmenden Spekulationsgeschäften auf den Terminmärkten (futures markets) einen wichtigen Grund für den hohen Erdölpreisanstieg und die starken Preisschwankungen. Wenngleich der Einfluss der verschiedenen Faktoren auf den Erdölpreis nicht quantifizierbar ist, so kann man doch sagen, dass der Erdölpreis nicht nur durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Noch nie hat es im „Zeitalter des Erdöls“ einen so langen Zeitraum mit hohen Preisen gegeben, wie das seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts der Fall ist. Obwohl der Ölpreis von 2012 auf 2013 leicht rückläufig war und auch für 2014 und 2015 ein weiterer leichter Rückgang prognostiziert wird, werden die Vorhersagen, abhängig davon, wie sich die Lage im Mittleren Osten entwickelt, möglicherweise nach oben revidiert werden müssen. Mittel- bis langfristig kann man davon ausgehen, dass der Erdölpreis nicht mehr auf ein niedriges Niveau, wie das Anfang des 21. Jahrhunderts der Fall war, sinken wird. Ein wichtiger Grund dafür ist die Verknappung jener Erdölreserven, die zu niedrigen Kosten gefördert werden können. Als Folge der hohen Erdölpreise wurde die Förderung von nicht-konventionellem Erdöl, wie Öl-Sand, Schieferöl oder Ultra-Tiefsee-Öl vorangetrieben, deren Förderkosten zwischen 60 US$ und 100 US$ liegen. Der größte Teil der noch vorhandenen Erdölreserven hat sehr hohe Förderkosten, weshalb niedrige Preise nicht mehr kostendeckend wären.

Graph 3


Die Länder mit der höchsten Erdölproduktion sind Saudi Arabien und Russland, gefolgt von den USA. Unter den größten zehn Erdölförderländern sind fünf OPEC Mitgliedsstaaten. Insgesamt machte der Anteil der OPEC im Jahre 2012 43 % der weltweiten Erdölproduktion aus, bei den Exporten von Erdöl und Erdölprodukten betrug der Anteil 44%. Betrachtet man nur die Erdölexporte ohne Erdölprodukte, so beläuft sich der Anteil der OPEC auf 60%. Der größte Exporteur war 2012 Saudi Arabien gefolgt von Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beim Verbrauch und bei den Importen rangieren die USA an erster Stelle vor China und Japan. Als Folge der Preissteigerungen in den 1970er Jahren kam es zu einer Verringerung des Marktanteils von Erdöl am Gesamtenergiemix. Der Anteil verringerte sich von circa 45% im Jahre 1975 auf 36,8% im Jahre 1990. Im Jahre 2011 betrug der Anteil nur noch 31,4%, machte aber immer noch den größten Anteil am Gesamtenergiemix aus. Neben den steigenden Erdölpreisen hat das starke Wachstum von Erdgas und anderen Energieträgern in den vergangenen Jahren zu einem weiteren Verlust an Marktanteilen geführt. Laut Prognosen von renommierten Institutionen besteht Konsens darüber, dass der Anteil von Erdöl am Energiemix auch in Zukunft stetig abnehmen wird, während Gas und erneuerbare Energien ihren Anteil weiter ausbauen werden. Laut Internationaler Energiebehörde wird der Anteil von Erdöl am weltweiten Energiekonsum im Jahre 2035 auf 26,8% sinken.

Graph 4

Weltweiter Erdölverbrauch nach Regionen

(Millionen Tonnen) 6000 Nordamerika 5000

Mittlerer Osten

Süd-und Zentralamerka

Europa & GUS Staaten

Afrika

Asien & Pazifik

4000 3000 2000 1000 0 1990 1995 2000 2005 Quelle: BP World Energy Outlook 2013

2010

2012

2015

2020

2025

2030

2035

In den Nicht-OECD Ländern wird der Erdölverbrauch weiter wachsen, China und Indien werden aufgrund ihrer hohen Bevölkerungszahlen eine Schlüsselrolle spielen, während sich in den OECD-Ländern der seit einigen Jahren fallende Trend beim Erdölverbrauch weiter fortsetzen


wird. Gründe dafür sind einerseits die zunehmende Energieeffizienz1 bei der Nutzung, die zunehmende Diversifizierung der Energieträger und die steigende Nachfrage nach sauberer Energie wie Erdgas und erneuerbare Energien, um die CO2-Emissionen zu verringern und so die klimapolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Energiepolitische Entscheidungen zur Senkung der CO2-Emissionen zeigen allmählich Wirkung. Das Verbrauchswachstum wird insgesamt durch die steigenden Rohölpreise der vergangenen Jahre sowie durch die weitere, stufenweise Senkung von Subventionen auf Erdölprodukte in den Nicht-OECD-Ländern gebremst werden. Zudem wurden in den vergangenen Jahren durch die Erschließung neuer Erdgasvorräte die Erdgasreserven stark vergrößert, was in Zukunft in vielen Sektoren zu einer Verdrängung von Erdöl durch Erdgas führen wird.

Graph 5

Weltweiter Erdölkonsum nach Sektoren (Millionen Tonnen)

6000 Transport

Elektrizitätssektor

Industrie

andere Sektoren

5000 4000 3000 2000 1000 0 1990

1995

2000

2005

2010

2012

2015

2020

2025

2030

2035

Quelle: BP World Energy Outlook 2013

In den OECD-Ländern wird die Nachfrage in allen Sektoren zurückgehen. Während weltweit der Erdölverbrauch im Transportbereich erhebliche Zuwächse verzeichnet, wachsen die anderen Sektoren nur geringfügig oder nehmen sogar ab und werden durch andere, billigere Energieträger substituiert. Besonders stark fiel der Anteil im Elektrizitätsbereich. Im

Die Menge an Energie, die erforderlich ist, um eine Einheit BIP (Bruttoinlandsprodukt) zu erwirtschaften wird als „Energieintensität“ bezeichnet und beschreibt die Energieeffizienz. Die Energieintensität geht in den meisten Ländern kontinuierlich zurück. Historisch betrachtet entsteht ein immer wieder zu beobachtender Verlauf. Die Energieintensität steigt, wenn Länder industrialisiert werden und der Anteil der energieintensiven Industrie am BIP stärker steigt als in anderen Wirtschaftsbereichen.-Sie erreicht ihren Höchststand üblicherweise dann, wenn der Anteil des Industriesektors am BIP auch seinen Höchststand erreicht. Darüber hinaus ändert sich die Art der Industrie, und zwar weg von der Schwer- und energieintensiven Industrie hin zu einer leichteren Industrie mit hoher Wertschöpfung. Dabei wird die Industrie effizienter im Energieverbrauch. 1


Industriebereich werden moderate Steigerungen prognostiziert, da vor allem im PetrochemieSektor und in anderen Nicht-Energiebereichen derzeit eine Substitution durch andere Energieträger nur in beschränktem Maße möglich ist. Im Transportbereich ist Erdöl immer noch der dominierende Energieträger. Als Folge der hohen Preise kam es jedoch zu einer erheblichen Effizienzsteigerung bei den Fahrzeugen. Der Transportsektor hat mit über 50% den größten Anteil am Erdölverbrauch, gefolgt vom Industriesektor mit 30%. Auch in Zukunft wird die wachsende Erdölnachfrage von diesen beiden Sektoren getragen werden. Die im Transportsektor eingesetzte Energie wird weiterhin vom Erdöl dominiert, jedoch wird es aufgrund der Verdrängung durch Biokraftstoffe sowie verbesserter Motoreneffizienz zu einer Verlangsamung des Wachstums kommen. Längerfristig wird der Einsatz von mit Gas betrieben Fahrzeugen, Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybriden, sowie von Schienenfahrzeugen eine Verringerung des Erdölverbrauchs im Transportbereich herbeiführen.

Graph 6

Die weltweite Fahrzeugflotte wird von circa 1,1 Milliarden im Jahre 2012 auf circa 2,3 Milliarden im Jahre 2035 ansteigen, wobei die Zuwächse überwiegend in den Nicht-OECD-Ländern stattfinden werden. Besonders in den beiden bevölkerungsreichsten Ländern China und Indien wird der Motorisierungsgrad stark zunehmen. Im Jahre 2013 kamen in China auf 1000 Einwohner gerade einmal 74 Fahrzeuge, während es in Indien nur 34 waren. Laut Schätzungen der neuesten BP-Prognose werden im Jahre 2035 in China auf 1000 Einwohner circa 370 und in Indien circa 110 Fahrzeuge kommen. In den OECD-Ländern wird der Motorisierungsgrad im Bereich von 600 bis 800 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner stagnieren und aufgrund der Verdrängung durch


Biokraftstoffe sowie durch verbesserte Motoreneffizienz wird es zu einer erheblichen Verringerung des Verbrauchs kommen. Erdöl wird auch in den kommenden Jahrzehnten der wichtigste Energieträger sein und die Wirtschaft weiterhin stark prägen. Der Anteil am Gesamtenergiemix wird jedoch kontinuierlich abnehmen und nach 2035 wird Erdöl nicht mehr die Nummer 1 im globalen Energiemix sein. Im Elektrizitätssektor wird Erdöl langfristig nur mehr eine untergeordnete Rolle spielen und im Haushalts- und gewerblichen Sektor sowie im Industriesektor Anteile an andere Energieträger verlieren. Nur im Transportsektor wird Erdöl auch langfristig seine dominierende Rolle beibehalten, da eine Substitution durch andere Energieträger, wie Biotreibstoffe oder Gas nur langsam voranschreitet. Da Vorräte von billigem Erdöl immer geringer werden, wird unkonventionelles Erdöl, wie Schieferöl, Ultra-Tiefsee-Erdöl, Extra-Schweröl und Teer-Sand einen immer größeren Anteil an der weltweiten Erdölförderung ausmachen.

Monika Psenner – Energie-Expertin


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