NR. 12, 10. JANUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
FIFA Ballon d’Or 2013
Die Besten
EUSÉBIO: STAATSTRAUER IN PORTUGAL
MANAUS: WM-OPER IM DSCHUNGEL
GÉRARD HOULLIER: LIEBESGESCHICHTE IN LIVERPOOL W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
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Gold für die Besten Kaum einmal war die Spannung vor der Ballond’Or-Vergabe grösser: Wird Ronaldo für seine grandiosen individuellen Leistungen belohnt? Zählt Ribérys einzigartige Titelsammlung mehr? Schafft es Messi das fünfte Mal? Wer gewinnt den Ballon d’Or bei den Frauen, wer bei den Trainern? Am Montag werden in Zürich alle Fragen beantwortet – auch die, welche Fussballer(innen), den modischen Ansprüchen am besten gerecht werden.
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Debatte: Braucht es den Ballon d’Or? Über den Wert von Individual-Auszeichnungen im Fussball lässt sich streiten. Schliesslich steht der Teamgedanke immer im Vordergrund. Die Weekly- Leserschaft ist geteilter Meinung.
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M anaus: Das grosse WM-Abenteuer Hitze, Luftfeuchtigkeit, periphere Lage. Die Millionen- Stadt im Dschungel ist kaum die populärste WM-Destination. Dabei hat sie viel zu bieten – eine faszinierende Geschichte und das speziellste OpernHaus der Welt.
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Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com
Marta Die Brasilianerin will zum sechsten Mal Weltfussballerin werden
Abschied von Eusébio Er war ein feiner Mensch und ein ganz grosser Fussballer. Am 5. Januar verabschiedete sich Eusébio da Silva Ferreira in die Ewigkeit. The Weekly blickt auf das Leben der portugiesischen Legende zurück.
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E xperte Busacca Mitte Januar nominiert die FIFA die 30-33 Schiedsrichter-Trios für die WM. Massimo Busacca sagt im Vorfeld: “Die Liste zu erstellen wird nicht einfach sein. Ich bin sehr zufrieden mit den Leistungen. Jetzt brauchen wir die Besten der Besten.”
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Inside: Italien und England Die italienische Meisterschaft droht zum langweiligen Krimi zu verkommen, weil Juventus Turin schon acht Punkte vor dem ersten Verfolger liegt. Und in England wird der FA Cup, die “Ur-Trophäe” des Fussballs, von der Premier League und der Champions League in den Schatten gerdrängt.
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R ibéry muss es sein Günter Netzer legt sich in seiner Kolumne fest: Der Weltfussballer-Titel steht Bayern-Star Franck Ribéry zu. Cristiano Ronaldo bleibt erneut die Nummer 2.
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“ Ich wollte unbedingt nach Liverpool” In seinem Liverpooler Studienjahr als junger Lehrer verliebte sich Gérard Houllier in den englischen Fussball. 29 Jahre später wurde der Franzose an gleicher Stätte erster ausländischer Trainer der Reds.
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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com
Lionel Messi Für einmal nur mit Aussenseiter-Chancen
FIFA Ballon d’Or 13. Januar 2014, Zürich
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U-17 Frauen-Weltmeisterschaft 15. bis 4. April 2014, Costa Rica
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa 53 Mitglieder www.uefa.com
Eusébio Ein ganz Grosser sagt Adieu
Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com
Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com
Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com
Serge Gnabry Auch für Arsenal hat der FA Cup an Bedeutung verloren
NR. 12, 10. JANUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
FIFA Ballon d’Or 2013
Die Besten
EUSÉBIO: STAATSTRAUER IN PORTUGAL
MANAUS: WM-OPER IM DSCHUNGEL
GÉRARD HOULLIER: LIEBESGESCHICHTE IN LIVERPOOL W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
Die Besten Geschichtsträchtig, kunstvoll, begehrt: Mit Sorgfalt wird die Ballon-d’Or-Trophäe kurz vor der Vergabe bereit gestellt. Die Szene auf unserem Titelbild wurde am 9. Januar 2012 in Zürich festgehalten.
Cover: Getty Images Inhalt: Getty Images
Massimo Busacca Bereit für die Nomination der WM-Schiedsrichter
Blue Stars/FIFA Youth Cup 28. bis 29. Mai 2014, Zürich
Fussball-Weltmeisterschaft 12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien
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U-20 Frauen-Weltmeisterschaft 5. bis 24. August 2014, Kanada
FIFA Klub-Weltmeisterschaft 10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
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UNCOVERED
Der Ball der Bälle
Preisübergabe mit “Groupie”: Bürgermeister Henson übergibt Matthews den Ballon d’Or.
Thomas Renggli
Offside/L’Equipe
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ie Geschichte des FIFA Ballon d’Or ist die Geschichte der Besten des (euro päischen) Fussballs: Alfredo di Stéfano, Bobby Charlton, Eusébio, Lew Jaschin, Franz Beckenbauer, Johan Cruyff – George Best. Am Anfang (1956) stand eine Ikone des englischen Fussballs: Sir Stanley Matthews – 174 Zentimeter klein, aber der grösste Flügelstürmer seiner Zeit. Als einziger Fussballer wurde er zu Aktivzeiten in den Adelsstand gehoben, noch im Alter von 50 Jah ren spielte er in der höchsten Liga, von der Öffentlichkeit wurde er als “Zauberer des Dribblings” und “Magier” verehrt. In den fuss ballerischen Adelstand wurde Matthews vom Kaiser höchstpersönlich gehoben: “Gegen seine Fähigkeiten waren alle machtlos. Praktisch niemand konnte ihn stoppen”, sagte Franz Beckenbauer über den grossartigen Techniker. Die Auszeichnung erhielt Matthews nicht an einer Gala, sondern bei sich zu Hause in Blackpool. Als Überbringer fungierte Herbert
Henson, der Bürgermeister und Stadtrat von Blackpool. Die goldene Trophäe hat sozusagen einen königlichen Anstrich. Sie stammt (bis heute) aus dem Hause der französischen Juwe liersfamilie Mellerio – auch bekannt unter dem Namen Meller. Die Mellerios, deren Wurzeln bis ins 17.Jahrhundert zurückgehen, fertigten in ihrer traditionsreichen Firmengeschichte Schmuckwaren für Europas Königshäuser, Goldschmied-Kunstwerke mit religiösem Hin tergrund, Degen für schlagende Studenten verbindungen sowie Trophäen für diverse Sportanlässe – darunter die Coupe des Mous quetaires, den Pokal für den Sieger des French Open. François Mellerio, der CEO des Unterneh mens, beschreibt den aufwendigen Produk tionsablauf: “Die Herstellung des Ballon d‘Or erfordert eine enge Zusammenarbeit mit zahlrei chen Kunsthandwerkern. Dazu zählen unter anderem der Goldschmied, der Rundform drücker, der Ziselierer, der Graveur, der Vergol der und der Schmuckschleifer – also viele Hand werksberufe, die man heute kaum noch findet.” T H E F I FA W E E K LY
Auch wenn sich im Fussball seit der ersten Preisverleihung einiges verändert hat, ist das Erscheinungsbild der Trophäe unverändert ge blieben: Der FIFA Ballon d’Or besteht aus zwei kupfernen Halbkugeln, die aus einzelnen Plat ten zusammengesetzt sind. Er ist 31 Zentimeter hoch sowie je 23 Zentimeter breit und tief. Gewandelt hat sich dagegen der Rahmen der Veranstaltung: Sie findet nicht mehr in einer Kleinstadtwohnung in Blackpool statt, sondern auf der grossen Bühne des Kongress hauses in Zürich und als Liveübertragung von 50 Fernsehstationen. Å
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CATWALK DER FUSSBALLSTARS Showtime! Im Zürcher Kongresshaus werden am Montag die ersten Hauptpreise im WM-Jahr vergeben – Blitzlichtgewitter, Glanz und Gloria inklusive. Kaum je war die Ausgangslage vor der Ballon-d’Or-Gala spannender. Messi, Ribéry und Ronaldo aspirieren auf den “Fussball-Oscar”.
Thomas Renggli
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oter Teppich statt grüner Rasen. Edles Tuch statt Trikot und Shorts. Champagnerglas statt Plastikflasche. Exakt ein halbes Jahr vor dem WM-Finale steigt in Zürich die erste Fussball-Gala des Jahres – wenn im lokalen Kongresshaus die erfolgreichsten Protagonisten mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet werden. Es ist ein Anlass, der die Brücke zwischen Sport und Entertainment schlägt, der auch Musikstars wie Shakira oder Amy Macdonald schon eine grosse Bühne bot – der die besten Fussballer in einem anderen Licht und Outfit präsentiert: Ronaldo im Smoking, Messi im Massanzug, Marta im Cocktailkleid. Das Dribbling auf dem Spielfeld fällt einigen zwar leichter als der Balanceakt auf dem Catwalk des Fussballs, aber letztlich gibt es für den modischen Geschmack weder Prämien noch Punktabzüge. Im Vordergrund stehen ohnehin die goldenen Trophäen, die an die besten Spieler und Trainer des Jahres 2013 vergeben werden. Vor allem bei 6
den Männern wurde die Diskussion um den Besten kaum einmal emotionaler geführt als in diesem Jahr: Messi, Ribéry oder Ronaldo? Wen hievt die Jury – bestehend aus den Nationaltrainern und Kapitäne der 209 Mit gliederverbände sowie ausgewählten Journa listen – auf den Thron? Die Leistungsdichte war in diesem Jahr so gross, dass allein die Selektion für die Short-List der drei Finalisten, Gewissenskonflikte auslösen konnte. Ausnahmekönner wie Zlatan Ibrahimovic oder Luis Suarez, die in anderen Jahren einen Platz in den Top 3 auf sicher gehabt hätten, gehen diesmal garantiert leer aus. Welche Kriterien werden stärker gewichtet: die persönlichen Statistiken, die Bedeutung fürs Team, die Zahl der gewonnenen Titel? So oder so: Die Jury-Entscheidung wird auch nach der Preisverleihung zu reden geben. Messi, Ribéry oder Ronaldo hätten den Sieg allesamt verdient – und Ibrahimovic ebenfalls. Im Radoder Leichtathletiksport würde man von einem Fotofinish sprechen. Å Lionel Messi: Der Seriensieger. T H E F I FA W E E K LY
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Auf dem Weg zur Legende Alan Schweingruber
David Ramos/Getty Images
Genie mit AussenseiterChancen: Noch nie war der vierfache Weltfussballer Lionel Messi öfters verletzt als 2013. Die Frage bleibt: Wie stark gewichtet die Jury seine Abwesenheiten?
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osario, sagt man sich im stolzen Argentinien, sei die Stadt mit den schönsten Mädchen im Land. Seit ein paar Jahren aber, es sind mittlerweile schon fünf oder sechs, repräsentieren nicht mehr die vielen Prinzessinnen die grösste Industriestadt. Rosario hat einen König. Er heisst Lionel Messi. Am Montag kann der 1,70 cm grosse Mann vom FC Barcelona zum fünften Mal in Folge zum Weltfussballer des Jahres gekürt werden. Würde der Nationalmannschaftskapitän dieses Jahr seinen 37. Geburtstag feiern, dann ginge bald eine grossartige Karriere zu Ende. Aber Messi wird am 24. Juni, einen Tag vor dem letzten WM-Gruppenspiel gegen Nigeria, erst 27 Jahre alt. Vielleicht eine wegweisende Partie. Im besten Fussballalter angekommen hat er bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Sechsfacher Meister, dreifacher Champions-League-Sieger, vierfacher Champions-League-Torschützenkönig, vierfacher Weltfussballer des Jahres. Die Liste ist noch länger. Seine Technik, seine Kreativität, sein Spielverständnis erinnern an die Legenden des Fussballs, an die ganz Grossen wie Pelé oder Maradona. Aber eben – ein Triumph fehlt dem Stürmer noch, um den Status der Unsterblichkeit zu erlangen: der WM-Titel. Messi gilt an der diesjährigen Ballon-d’OrVerleihung als Aussenseiter im Rennen um die Weltfussballer-Trophäe. Seit April 2013 leidet der Argentinier regelmässig an hartnäckigen Muskelverletzungen. Was die Jury dennoch beeinflussen könnte, ist Messis unwiderstehliche Genialität am Ball. Wie in der Champions League gegen Paris Saint Germain vergangenen Frühling, als er Barcelona ab der 62. Minute angeschlagen ins Halbfinale führte. “Der beste Fussballer der Welt ist Messi, der zweitbeste ein hinkender Messi”, vermeldete Barcelonas Radiostation “Marca” danach. Am Montagabend weiss die Fussballwelt, ob in der subjektiven Erkenntnis der Katalanen vielleicht doch ein bisschen Wahrheit steckt. Å
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Franck Ribéry: Der Titelsammler. 8
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Musketier mit filmreifer Vita Tricksen, fintieren, den Gegner ins Leere laufen lassen, zustechen: Franck Ribéry spielt Fussball wie andere berühmte Franzosen einst gefochten haben.
Roland Zorn
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it seiner Kunst und Zielstrebigkeit am Ball ist Franck Ribéry so etwas wie ein Musketier, ein D’Artagnan der Neuzeit. Auch deshalb lieben ihn die Fussballfans weltweit – ganz besonders, wenn sie Anhänger des ChampionsLeague-Gewinners FC Bayern München sind. Seit 2007 zaubert und trifft der 1,70 Meter lange Spieler und Kämpfer aus Leidenschaft für die in der vorigen Saison überragende europäische Mannschaft, aber noch nie war er so gut wie heute. Auch deshalb sehnt sich der aus der nordfranzösischen Arbeiterstadt Boulogne-sur-Mer stammende Star nach der höchsten Ehre, die einem herausragenden Individualisten in seinem Mannschaftssport zuteil werden kann: Ribéry, im August zu Europas “Fussballer des Jahres” gewählt, möchte auch noch zum “Weltfussballer des Jahres” 2013 gekürt werden. “Ich habe”, sagt er über seine goldene Saison 2012/13, “alles richtig gemacht: Ich habe konstant sehr gut gespielt und dazu mit dem FC Bayern Pokale und Titel geholt” – Champions League, Deutscher Meister, Deutscher Pokalsieger, Supercupgewinner, Klubweltmeister.
Nichts geschenkt im Leben Der dreissig Jahre alte Ballartist und Lebenskünstler blickt jetzt schon auf eine Vita zurück, die filmreif anmutet. Da ist einer unverzagt von ganz unten nach ganz oben geklettert, der keine Lobby hatte und sich von Rückschlägen nie entmutigen liess. Als Zweijähriger überlebte er, behütet von sämtlichen Schutzengeln, einen schweren Autounfall mit seinem Vater Francois am Steuer, als er mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe krachte. Seitdem trägt er “mit Stolz” zwei markante Narben auf der Stirn und der rechten Wange als Erkennungszeichen. “Sie sind”, sagt Ribéry, “der Beweis dafür, dass ich immer hart kämpfen musste, um etwas zu erreichen, und dass mir im Leben nichts geschenkt wurde.” Es war der Kampf um sportliche und menschliche Anerkennung für einen kleinen Franzosen, der als Schüler ob seiner Wundmale oft gehänselt, ja, angepöbelt wurde. Ribéry hat
sich gegen Anfeindungen auch körperlich zu wehren gewusst. Er ist in einer Gemeinde mit sechzigprozentiger Arbeitslosigkeit und also in einem Ambiente aufgewachsen. Die grossen europäischen Vereine nahmen den französischen Flügelstürmer frühestens 2004 zur Kenntnis, als er seinen ersten Vertrag in der Ligue 1 beim FC Metz unterschrieb, im Januar 2005 zu Galatasaray Istanbul wechselte, den oftmaligen türkischen Meister wegen ausbleibender Gehaltszahlungen rasch wieder verliess, ehe er für zwei Jahre Olympique Marseille mit seinem Tempo, seiner Spiellust, seinem Feingefühl und seiner Freude am Fussball als Offensivspektakel bereicherte. 2007 verpflichtete ihn der FC Bayern München, und dort fand der aus einfachsten Verhältnissen stammende Franzose mit dem grossen Herzen eine neue Heimat. Dort federten sie seine Enttäuschung nach der missratenen Europameisterschaft 2008 und auch seinen im Verbund mit einer Reihe von Kollegen inszenierten Aufstand gegen Domenech bei der vollkommen fehlgeschlagenen Mission Südafrika während der WM 2010 ab.
emotionaler Mensch und ein treuer Freund. Wenn ich jemanden in mein Herz geschlossen habe, gebe ich alles, was möglich ist.” Freundlich, neugierig, unverkrampft, ungekünstelt und immer für eine Überraschung gut, also ganz und gar echt präsentiert sich dieser Franck Ribéry nicht nur im Stadion. Genau deshalb lieben ihn die Menschen. Å
Bayern hielt immer zu Ribéry Die Bayern hielten selbst in schweren Zeiten stets zu Ribéry, von dem sich die Franzosen nach dessen Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten lange abgewendet hatten, ehe sie ihn seit der EM 2012 wieder zu respektieren begannen. Uli Hoeness, der Präsident, und Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der Bayern, blieben auch an der Seite ihres unter Trainer Louis van Gaal manchmal freudlos anmutenden Spassvogels ausser Dienst, als ihn der Niederländer los werden wollte. Van Gaal ging, Jupp Heynckes kam, und unter ihm wie unter dessen Nachfolger Pep Guardiola blühte das gereifte Genie frisch und tatendurstig wie nie auf. Heute sagt der vom Leben zuzeiten nicht geschonte, aber nie kapitulierende Ribéry über seinen steinigen Weg zum Gipfel: “Ich habe aus meinen Rückschlägen viel gelernt, es war auch eine Charakterschulung. Wenn ich an mein früheres Leben denke, bin ich jetzt ein sehr glücklicher Mensch. Ich bin nicht gebildet, aber ich bin auch nicht dumm oder falsch. Ich bin ein T H E F I FA W E E K LY
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Ronaldo steht bereit An Selbstbewusstsein mangelt es Superstar Cristiano Ronaldo nicht. Der Ausnahmestürmer ist überzeugt: “Ich habe den Ballon d’Or verdient, ich habe ihn in all den Jahren verdient.” Jordi Puntí
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Cristiano Ronaldo: Der Torgarant.
dem Argentinier eingeräumt. Messi kämpfe mit Verletzungen, sein FC Barcelona musste sich an einen neuen Trainer gewöhnen. Drei Voraussetzungen für den Sieg Der Ballon d’Or würdigt in individueller Weise einen Erfolg, den man nur mit einem Team erlangen kann. Man könnte sagen, dass für die Auszeichnung drei Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Erstens: Man muss über das gesamte Jahr hinweg herausragende und spielentscheidende Leistungen zeigen. Zweitens: Man muss mit seinen individuellen Leistungen zur Verbesserung des Spiels der gesamten Mannschaft beigetragen haben. Drittens: Dank dieser gemeinschaftlichen Leistung hat die MannT H E F I FA W E E K LY
schaft des Spielers die Titel gewonnen, die sich die Fans des Klubs ersehnten. Was die ersten beiden Punkte angeht, erfüllt Ronaldo die Voraussetzungen. Anders sieht es dagegen beim dritten Punkt aus, denn Real Madrid errang 2013 keinen einzigen wichtigen Titel. In der Auswahl Portugals zeigte er gute Leistungen und brillierte dann in den Playoffs gegen Schweden, in denen er seiner Mannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft sicherte. Ribéry hingegen gewann mit dem FC Bayern fünf Titel und zeigte darüber hinaus regelmässig eine starke Leistung. Seitdem er von Real Madrid unter Vertrag genommen wurde, hat sich Ronaldo beständig weiterentwickelt und viele Rekorde aufgestellt.
Visionhaus/Corbis
em 28-jährigen Cristiano Ronaldo bietet sich eine weitere Gelegenheit, seinen zweiten Ballon d’Or zu gewinnen. Den ersten errang er 2008, als er für Manchester United spielte. Seitdem hat er dreimal den zweiten Platz belegt, jedes Mal hinter Lionel Messi. Für CR7 ist ein zweiter Platz wie eine Niederlage. Vor einigen Tagen gewährte Cristiano, nachdem er in Dubai den Global Soccer Award entgegengenommen hatte, der Zeitschrift “A Bola” ein Interview und liess dabei keinen Zweifel daran, dass für ihn nur das Siegen zählt. Auf die Frage, ob er den Ballon d’Or verdient hätte, antwortete er mit dem von ihm gewohnten Stolz, wenn auch ein wenig nachdenklicher als sonst: “Ich habe ihn wohl verdient, wie im vergangenen Jahr oder vor zwei Jahren auch. Eigentlich habe ich ihn in all diesen Jahren verdient (…) Ich möchte am Liebsten immer gewinnen, aber ich weiss, dass das nicht von mir abhängt. Manchmal gewinnt man, und manchmal verliert man eben auch.” Es mag sein, dass es ihm da wie einigen anderen grossen Spielern ergeht. Ronaldos brillanter Fussball hätte jedes Jahr die Auszeichnung verdient gehabt, wenn es da nicht ein Genie gegeben hätte – in diesem Fall Messi –, das immer noch ein wenig besser war. Am 13. Januar hingegen werden Ronaldo bessere Chancen als
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So hat er mit 66 Treffern im Jahr 2013 seine persönliche Bestleistung aus dem Vorjahr noch um ein Tor übertroffen. Dennoch hat sein wichtiger Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft nicht dazu beigetragen, viele Titel zu gewinnen. Seine individuelle Klasse sollte im Dienst der Mannschaft stehen, aber oft ist das Gegenteil der Fall. Unter Trainer José Mourinho führte die defensive Ausrichtung des Teams dazu, dass Ronaldo wiederholt mit seinen Toren in den letzten Spielminuten eine Partie für die Königlichen entscheiden musste. “Seht her, hier bin ich!” Wie auch immer, seine besten Leistungen im Jahr 2013 zeigte Ronaldo in zwei Spielen, in
denen es um Alles oder Nichts ging. Die erste Partie war das Halbfinal-Rückspiel um den spanischen Pokal gegen Barça. Das Hinspiel endete 1:1, und im Rückspiel im Camp Nou setzte sich Real dank zweier Treffer von Ronaldo 3:1 durch. Beide Tore resultierten aus Kontern, bei denen CR7 seine Schnelligkeit ausspielte. Das andere Spiel, das dazu beitragen könnte, dass er den Ballon d’Or gewinnt, war das Playoff-Rückspiel seiner portugiesischen Mannschaft gegen Schweden. Portugal trat mit einem 1:0-Hinspielsieg im Rücken in Stockholm an. Nach einer torlosen ersten Halbzeit entschieden die drei Treffer von Ronaldo die Partie. Alle drei Tore waren ein Musterbeispiel für Dynamik, Schnelligkeit und Präzision im T H E F I FA W E E K LY
Abschluss. Ronaldo wusste, dass ihm in diesem Augenblick die ganze Welt zusah. Er wusste auch, dass die FIFA die Frist für die Abstimmung um den Ballon d’Or verlängert hatte und dass er sich damit die Stimmen der Unentschlossenen sicherte. Nachdem er den zweiten Treffer erzielt hatte, baute er sich auf, als wolle er sagen: “Seht her, hier bin ich!” In Zürich wird er am Montag die Form wahren müssen und dürfte auch recht nervös sein. Dennoch kann man sich gut vorstellen, dass er, sollte er den Ballon d’Or gewinnen, auf die Bühne tritt und dabei denkt: “Seht her, hier bin ich!” Å
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Die Pionierin
Die Rekordfrau
Die Titelverteidigerin
Nadine Angerer stellte auch 2013 wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass sie zu den Besten ihres Fachs zählt. Sie könnte die erste Torhüterin werden, die den Ballon dˇOr erringt. Bei der Frauen-Europameisterschaft in Schweden war die deutsche Nationaltorhüterin eine der entscheidenden Figuren auf dem Weg zum achten EM-Titel der deutschen Frauen. Als Akteurin mit den meisten Länderspielen war die 35-Jährige die Stütze des jungen Teams von Trainerin Silvia Neid. Im Endspiel gegen Norwegen hielt Angerer gleich zwei Elfmeter und sicherte ihrer Mannschaft den knappen 1:0-Sieg und die damit verbundene Titelverteidigung. Das war ein bemerkenswerter Soloauftritt, der ihr die Auszeichnung zu Europas Fussballerin des Jahres eintrug. Acht EM-Titel und zwei WM-Titel konnte Angerer, die beim australischen Klub Brisbane Roar unter Vertrag steht, bis heute gewinnen. Ihr Ziel ist die amerikanische Profiliga National Womenˇs Soccer League. Ab April wird sie in Amerika zwischen den Pfosten stehen. Bei welchem Klub, das wird die Torhüterin in den nächsten Wochen bekannt geben. Å
Möchte man heutzutage Marta Vieira da Silva vorstellen, dann genügt eine einzige nüchterne Feststellung: die Brasilianerin war von 2006 bis 2010 nicht weniger als fünf Mal hintereinander FIFA-Weltfussballerin des Jahres. Obwohl sie die Seleção weiter als je zuvor geführt hat, konnte Marta mit ihrem Nationalteam noch keinen Triumph bei einem globalen Turnier feiern – weder beim Olympischen Fussballturnier noch bei der WM. Was die 28-Jährige jedoch nach wie vor tut, ist, mit ihrem Talent die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Schon früh war Marta sicher, was sie aus ihrem Leben machen wollte. Mit 14 Jahren verliess sie ihre Familie, um in Rio de Janeiro den Traum von einer Karriere auf dem Fussballplatz zu verwirklichen. Vier Jahre später unterschrieb sie bei Umea IK in Schweden und überzeugte auf ganzer Linie: viermal Meister, 111 Tore in 103 Spielen. Über die amerikanische Profiliga führte ihr Weg 2012 zurück nach Schweden, wo sie sich als herausragende Akteurin in der anspruchsvollen schwedischen Damallsvenskan erwiesen und Tyresö FF erstmals in der Vereinsgeschichte ins Viertelfinale der Champions League der Frauen geführt hat. Å
Die aktuelle FIFA-Ballon-d'Or-Trägerin, Abby Wambach, glänzte auch im Jahr 2013 mit beeindruckenden Leistungen. Kraft, Athletik und Unerschrockenheit zeichnen die 33-jährige Stürmerin aus. Die in Rochester, New York, geborene Spielerin genoss ein Jahr in der Nähe ihrer Heimat, denn sie absolvierte die erste Saison der neuen National Women’s Soccer League (NWSL) für Western New York Flash. Wambach stiess mit ihrem Team bis ins NWSL-Finale vor, das sie allerdings gegen die Portland Thorns 0:2 verlor. Die Torjägerin brachte es auf elf Treffer in 19 Partien und klassierte sich damit auf dem zweiten Platz der NWSL-Torjägerwertung. In der Nationalmannschaft feierte Wambach am 20. Juni einen Meilenstein, als sie im Spiel gegen die Republik Korea vier Mal traf und damit den internationalen Torrekord von Mia Hamm (158 Treffer) überbot. Da Wambach auch weiterhin Tore am Fliessband erzielt, dürfte ihr der neue Rekord so schnell nicht entrissen werden können. Å
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Moritz Schmid
Unüberwindbar: Nadine Angerer greift als erste Torfrau nach dem goldenen Ball.
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Yuki Ogimi – ein japanischer Traum Die Japanerin Yuki Ogimi, 26, gehörte zu den zehn Nominierten auf der Long List für den Ballon d’Or. Ihr Leben steht für ein Land, das nach dem Tsunami 2011 auch dank dem Fussball wieder Hoffnung schöpfte. Die ChelseaStürmerin erzählt ihre Geschichte: “Ich hatte schon als Kind den Traum, im Ausland Fussball zu spielen. Mein grosses Vorbild war die langjährige Nationalspielerin Homare Sawa, die in den USA den Durchbruch schaffte und den Ballon d’Or 2011 gewann. Sie weckten meinen Ehrgeiz, als ich fünf Jahre alt war. Damals gab es in Japan noch keine professionelle Liga im Frauenfussball. Heute bewundere ich Spielerinnen wie etwa die Deutsche Anja
Mittag. Meine Eltern haben mich stets darin unterstützt, Fussballprofi zu werden. Sie haben alles dafür getan. In Japan beziehen die Männer im Fussball immer noch die höheren Gehälter als die Frauen. Aber die Frauen haben den grösseren Erfolgshunger und auch die grössere Freude beim Spielen. Der WM-Sieg 2011 kam zeitlich mit der Aufarbeitung der Tsunami-Katastrophe zusammen. Wir wollten den Menschen etwas Positives geben, eine gute Nachricht bringen, damit das Land wieder Mut schöpfen konnte. Viele Spielerinnen besuchten später die Katastrophengebiete, um ihre Solidarität zum
Ausdruck zu bringen. Natürlich ist der japanische Klubfussball der Frauen noch nicht so weit entwickelt wie der europäische oder der amerikanische. So gesehen, ist der WM-Titel ein Wunder. Die Nominierung für den Ballon d’Or hat mich überrascht. Sie ist gut für den japanischen Frauenfussball, für dessen Entwicklung auch in der Liga. Für mich hätte Zlatan Ibrahimovic den Ballon d’Or der Männer verdient.” Å Aufgezeichnet von Honey Thaljieh
Arnd Wiegmann/Reuters 120_foto-bylines_x12
Vereint: Marta (vorne) gratuliert Abby Wambach zum Ballon d’Or 2012.
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Jürgen Klopp: Der Abenteurer
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eine Mannschaft spielt so Fussball, wie er selber ist: direkt, angriffslustig, unverkrampft, abenteuerlustig. Borussia Dortmund heute, das ist auch und vor allem Jürgen Klopp und dessen symbiotische Beziehung zu einem Team, das er, der Cheftrainer, und seine ihm seit Jahren vertrauten Assistenten aufgebaut und zu meisterlicher Klasse geführt haben. Sich den Deutschen Meister von 2011 und 2012 sowie Champions-League-Finalteilnehmer dieses Jahres anzusehen, ist fast jedes Mal ein Erlebnis, weil an dieser Mannschaft wie auch an ihrem 46 Jahre alten Boss noch immer nichts allzu routiniert und abgeklärt wirkt. Risiken und Nebenwirkungen sind also bei fast jedem Spiel der Borussen inbegriffen, ganz gleich in welchem Wettbewerb. Genauso verhält es sich mit dem 46 Jahre alten Fussballlehrer, dessen Pädagogik niemals schulmeisterlich daherkommt. Klopp ist ein Geniesser, kann aber auch ungeniessbar werden, wenn 14
sein Gerechtigkeitsgefühl verletzt wird und er die Entscheidungen Dritter, zum Beispiel der Schiedsrichter, nicht versteht. Dann trägt ihn seine Emotionalität, die ihn für viele äusserst sympathisch macht, in die falsche Richtung. Und so kann derselbe Jürgen Klopp, der Deutschlands beliebtester Bundesligatrainer ist, ausnahmsweise auch garstig, aggressiv und eine Spur masslos sein. Dann mutet er gar nicht mehr so sympathisch an. Wer den 1,91 Meter langen Schwarzwälder seit Jahr und Tag kennt, bescheinigt “Kloppo”, wie er in seinen 18 Jahren beim Dortmunder Ligakonkurrenten Mainz genannt wurde, dass er sich in seinem Wesen, seinem Auftreten, seiner steten Mitteilsamkeit nicht um ein Jota geändert habe. “Er hat etwas, was man als Mensch nicht lernen kann”, sagt Harald Strutz, der Präsident des Klubs, für den Klopp elf Jahre spielte und für den er von 2001 bis 2008 als Trainer arbeitete: “Er besitzt eine natürliche Autorität, Mentalität und auch Sentimentalität.” Michael Zorc, der Sportdirektor von Borussia Dortmund, schätzt an dem Trainer, der bis T H E F I FA W E E K LY
2016 an den BVB gebunden ist und die neue Erfolgsära der Westfalen mitgeprägt hat, dass er “authentisch ist, niemandem etwas vorspielt” und dazu “mit seiner positiven Grundhaltung ehrgeizig, ehrlich und sehr kommunikativ” ist. Klopp erholte sich rasch von der 1:2Niederlage gegen den FC Bayern München im Champions-League-Finale. “Er verkraftet Rückschläge erstaunlich gut”, sagt Christian Heidel, “da hatte er in seiner Mainzer Zeit ja auch genügend Möglichkeiten zum Üben.” Klopp liess sich auch die Dortmunder Champions-League-Party in der lauen Maiennacht nach dem hochklassigen Endspiel nicht vermiesen und feierte trotzdem, wenn auch nicht ganz so ausgelassen wie bei schöneren Gelegenheiten. Å Lars Baron/Getty Images
Roland Zorn
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Jupp Heynckes: Der Gentleman
Roland Zorn
Joern Pollex/Getty Images
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ls Spieler war er unwiderstehlich, als Trainer wurde er unantastbar, und als Mensch blieb er unangreifbar: Jupp Heynckes, der einmal Architekt werden wollte, hat Mannschaften geprägt und geformt und ist auf dem Gipfel seiner Laufbahn als Gentleman von der Bühne abgegangen. Der Weltmeister 1974, Europameister 1972 und viermalige Deutsche Meister mit Borussia Mönchengladbach war einst dank seiner Schusskraft, seiner Handlungsschnelligkeit und seines Tempos der nach Gerd Müller beste deutsche Angreifer; als Fussball-Lehrer aber hat der 68 Jahre alte Rheinländer höchste Ziele dank seiner Beharrlichkeit, seiner Zielstrebigkeit und seines Arbeitsethos erreicht. Rückschläge, wie das mit dem FC Bayern München 2012 daheim verlorene Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea, haben Heynckes angespornt, es noch einmal und noch besser zu versuchen. Unbeirrbar
ging der Meister seinen Weg wie schon 1998, als er mit Real Madrid erstmals die Champions League gewann (1:0 gegen Juventus Turin), obwohl er wusste, dass sich der Klub danach von ihm trennen würde. Furchtlos erreichte er den europäischen Fussballgipfel am 25. Mai 2013 ein zweites Mal, als er die Bayern in London ein Jahr nach dem verpassten Triumph mit einem 2:1 gegen Borussia Dortmund zum ChampionsLeague-Titel führte. Borussia Mönchengladbach, das war der geliebte Heimatklub des exzellenten Stürmers Heyncke; bei den Bayern, die er in der vergangenen Saison auch zur Deutschen Meisterschaft und zum nationalen Pokalsieg steuerte, fand er seine Weltbühne als Trainer. Nach dem Triple-Triumph-Kraftakt ging er souverän lächelnd in den Ruhestand. Sein Werk war vollendet, und es sah auch noch wunderbar aus. Å
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EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT
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er Schotte Alex Ferguson (72) ist eine Ikone des Fussballs und der lebende Beweis, dass selbst im schnelllebigen Spitzensport Kontinuität und Ausdauer die verlässlichsten Erfolgsschlüssel sind: 26 Jahre lang Manager von Manchester United, 39 Titelgewinne, davon zwei in der Champions League, und als krönenden Abschluss im vergangenen Mai den 13. Englischen Meistertitel. 1999 zum Ritter geschlagen, 30 persönliche Ehrungen und Auszeichnungen, darunter für seine herausragenden Verdienste für den Fussballsport den FIFA-Presidential-Award 2011. Als Ferguson im vergangenen Mai seinen Rücktritt bekanntgab, überschattete die Meldung sogar den Auftritt von Queen Elizabeth II. vor dem Parlament in London. Wie lang sein Schatten ist, bekommt Fergusons Nachfolger David Moyes in diesen Tagen schmerzlich zu spüren. Nach dem Ausscheiden im FA Cup wird ihm auf dem medialen
Boulevard “Fergies“ Trophäensammlung um die Ohren geschlagen und die ketzerische Frage gestellt: “Könnte Sir Alex zurückkehren?” Ferguson wird kaum zurückkehren – zu bewusst hat er den Zeitpunkt seines Abschieds gewählt, zu genau weiss er, dass er mit einem Comeback nur sein eigenes Denkmal beschädigen könnte. Und er weiss auch aus eigener Erfahrung, dass jeder Anfang schwer sein kann. Als Ferguson 1986 zum Trainer von Manchester United bestimmt wurde, kämpfte er dreieinhalb Jahre lang für den Durchbruch. Erst im Frühling 1990 hielt er den ersten Pokal (den FA Cup) als ManU-Chef in den Händen. “Erst durch den Erfolg wird ein Manager Herr seines eigenen Schicksals”, schrieb er später in seiner Autobiographie. “Erfolg öffnet alle Türen – und lässt die Spieler alles akzeptieren, was du sagst.” Ferguson weiss, wovon der spricht. Er führte Manchester United aus der englischen Durchschnittlichkeit zurück an die Weltspitze, machte den Klub zu einer der wertvollsten Marken im Sport und stellte dabei sogar T H E F I FA W E E K LY
seinen legendären Vorgänger Matt Busby in den Schatten. Selber avancierte er mit einem geschätzten Vermögen von 34 Millionen Pfund zum reichsten Trainer des Landes. Dass er jetzt das Leben eines Pensionärs führen soll, passt nicht in die Wahrnehmung der Fussball-Gemeinde. Allein deshalb wird seine Rückkehr spätestens bei der nächsten Niederlage von Manchester United wieder einmal gefordert werden. Å
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DEBAT T E
FIFA Ballon d’Or – wichtiger denn je
Das Lächeln des Besten: Johan Cruyff und seine Gattin Danny mit dem Ballon d’Or 1971.
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ussball ist ein Mannschaftssport. Ohne sein Team ist der einzelne Spieler auf sich selbst zurückgeworfen und könnte eine Partie nicht für sich entscheiden – ganz allein gegen elf noch so schwache Spieler. Jede Auszeichnung eines besten Spielers und einer besten Spielerin ist deshalb unter dem Vorbehalt zu sehen, dass er oder sie in ein Team integriert ist, in dem herausragende Fähigkeiten überhaupt erst in Anschlag gebracht werden können. Das gilt heute noch deutlicher als noch vor zehn, zwanzig oder dreissig Jahren. Denn im perfektionierten Systemfussball der Jetztzeit hat der Individualist zwar nicht ausgedient, aber doch weniger Auslauf als früher. Abzule sen ist das auch daran, dass die Spielpositionen des Liberos und des Spielmachers mit der Num mer zehn abgeschafft wurden zugunsten eines Tiki-Taka, das Fussballgenies ins – wenngleich sehr erfolgreiche – Kollektiv zwingt. Mit dem fortschreitenden Verfall der Indi vidualpositionen im Fussball ist es umso wich tiger, die inspiriertesten Spieler jenseits von Turnieren und Wettbewerben und mithin unabhängig von ihren Teams zu küren.
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Der FIFA Ballon d’Or wird jährlich an den besten Spieler der Welt vergeben. Die FIFA ver anstaltet die Gala zum Ballon d’Or heuer zum vierten Mal. An den ersten drei Auflagen hat Lionel Messi vom FC Barcelona die Trophäe errungen. Auch für 2013 figuriert der Argen tinier unter den drei Nominierten, neben dem Portugiesen Cristiano Ronaldo (Real Madrid) und Franck Ribéry (Bayern München). Der FIFA Ballon d’Or ist 2009 aus der Fusion zweier ähnlicher Auszeichnungen her vorgegangen: dem FIFA Player of the Year (ab 1991) und dem Ballon d’Or der Zeitschrift “Fran ce Football” (ab 1956). So gehören die Legenden Stanley Matthews, Alfredo Di Stefano, Eusébio (siehe Seiten 17 und 26 ), Johan Cruyff oder Franz Beckenbauer zu den Ballon-d’Or-Preisträgern. Und Lothar Matthäus, Marco van Basten, Roberto Baggio oder Zinéd ine Zidane wurden von der FIFA als Spieler des Jahres ausgerufen. Und doch läuft alles über den erwähnten Lionel Messi zusammen. 2009 wurde ihm sowohl der Ballon d’Or als auch der Titel des FIFA Player of the Year zugesprochen. Ein Jahr später komplettierte der Offensivspieler – be günstigt von der Fusion der Preise – mit dem FIFA Ballon d’Or die Sammlung und kann unter Umständen der einzige Spieler bleiben, T H E F I FA W E E K LY
der alle drei Auszeichnungen entgegennehmen konnte. Dabei hätte ein Argentinier vor 1995, also vor der entsprechenden Regeländerung im Ballon d’Or, diesen gar nicht gewinnen können – der Goldene Ball war bis dahin Europäern vorbehalten. Darin liegt auch begründet, dass Diego Maradona nicht zum Handkuss kam; er war dazu reglementarisch gar nicht berechtigt. Ab 1995 durften Nicht-Europäer, die in Europa in Lohn und Brot standen, für den Bal lon d’Or nominiert werden. 2006 wurden die Regeln schliesslich dahingehend geändert, dass grundsätzlich jeder Professional der Jury vorgeschlagen werden durfte. Diese besteht heute aus den Kapitänen und Trainern der Nationalteams aus den 209 FIFA-Mitgliedsver bänden sowie aus Fachjournalisten. Ihre Wahl für 2013 wird am 13. Januar 2014 in Zürich an der Gala zum Ballon d’Or bekanntgegeben. Å
Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-TheWeekly@fifa.org.
Imago
Perikles Monioudis
DEBAT T E
Diese Nörgler, die über alle Veranstaltungen lästern und sie dann doch heimlich am Fernsehen anschauen, nerven. Warum soll der beste Fussballspieler oder der beste Trainer der Welt nicht anständig gewürdigt werden? Der FIFA Ballon d’Or ist eine ehrliche Veranstaltung mit einer breit abgestützten Jury. Als Fan von Lionel Messi hoffe ich sehr, dass mein Landsmann den Titel des Weltfussballers nochmals gewinnt. Blendet man seine kurzen Tiefs bei Barcelona aus, war er auch 2013 der beste Fussballer der Welt. Federico Pérez, Rio Gallegos (Argentinien)
Ich freue mich sehr auf die Wahl vom 13. Januar 2014. Die Fussballwelt braucht diese Auszeichnung, wie die Filmwelt ihre pompöse Oscar-Veranstaltung braucht. Der Gewinner in Zürich muss Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi heissen. Ronaldo ist längst so gut, dass sein einziger Ballon d’Or aus dem Jahr 2008 einfach nicht reicht. Messi hat ja sonst schon genug gewonnen. Und Franck Ribéry durfte sich schon über die UEFA-Trophäe “Europas Fussballer des Jahres” freuen. Meiner Meinung war er da schon die falsche Wahl. Antonio Vadini, Lecce (Italien)
Für mich machen individuelle Auszeichnungen in einem Mannschaftssport wenig Sinn. Letztlich kommt es immer auf die Leistung des Kollektivs an. Eine Gruppe ist nur so gut wie ihr schwächstes Mitglied. Martin Hard, Hamburg (Deutschland)
Die Glaubwürdigkeit einer AwardVerleihung spiegelt sich logischerweise im Resultat. Und da kann es für mich in diesem
PRESIDENTIAL NOTE
Jahr nur einen Gewinner geben: Franck Ribéry. Er bietet mit Bayern unglaublich starke Leistungen. Die fünf Titelgewinne im Jahr 2013 sind zu einem wesentlichen Teil auf ihn zurückzuführen. Diese Konstanz muss unbedingt mit dem Ballon d’Or honoriert werden. Anton Hotz, Innsbruck (Österreich)
“Verteidiger werden viel zu W selten berücksichtigt.” Ich bin der Ansicht, dass bei diesen Wahlen viel zu selten den Abwehrspielern Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es war auch in diesem Jahr nur ein einziger Verteidiger auf der Long-List. Meiner Meinung nach hätte Philipp Lahm den Preis verdient – obwohl ich kein Bayern-Fan bin. Siegfried L., Köln (Deutschland)
Feedback zur Presidential Note Perikles Monioudis Die Presidential-Note-Kolumne des FIFAPräsidenten Sepp Blatter von vergangener Woche (“Stoppt die Laienschauspieler”) hat weltweit ein lautes Echo ausgelöst. Nach Ansicht von “NBC Sports” aus den USA liegt Sepp Blatter mit seiner Einschätzung richtig, Foul- und Zeitschinder gehörten bestraft: “Es ist Zeit für einen Wandel, und eine Zeit strafe für Schwalben könnte der richtige Weg dazu sein.” Die Boulevardzeitung “Bild” aus Deutschland lancierte am Erscheinungstag von The FIFA Weekly Nr. 11 (3. Januar) eine Internetumfrage unter ihren Lesern. Die 19 437 Teilnehmenden sprachen sich zu 77 Prozent dafür aus, dass
Schwalbenkönige künftig mit einer Zeitstrafe belegt werden sollen. Der “Telegraph” aus London schreibt: “Blatters Intervention gegen Schwalben wird von vielen Fans, Trainern und Spielern positiv aufgenommen werden. Sie ist ein klares Zeichen an die Schiedsrichter bezüglich der WM im Sommer. (...) Schwalben bleiben eines der kontroversen Themen im englischen Fussball. In dieser Saison wurden bereits 13 Gelbe Karten für Schwalben verteilt.” Auch aus der Zunft der Trainer erhielt Blatter Beifall. Manchester-City-Coach Manuel Pellegrini, Everton-Coach Roberto Martinez oder Chelsea-Coach José Mourinho begrüssen die Forderungen des FIFA-Präsidenten ausdrücklich. Å
Adeus Eusébio
er ist der beste Fussballer 2013? Wer ist der grösste Fussballer der Geschichte? Über beide Fragen werden hitzige Diskussionen geführt – und eine abschliessende Entscheidung kann nie alle zufriedenstellen. Am kommenden Montag erhalten wir im Zürcher Kongresshaus eine Antwort auf die erste Frage – wenn der FIFA Ballon d’Or Messi, Ribéry oder Ronaldo (alphabetische Reihenfolge!) über geben wird. Doch ein anderes Ereignis wird uns ebenso sehr beschäftigen wie die Auszeichnung des besten Fussballers von heute. Wir müssen uns in diesen Tagen von einem der überragenden Fussballer des vergangenen Jahrhunderts verabschieden: Eusébio da Silva Ferreira – kurz Eusébio. Der in Mosambik geborene Portugiese war einer der dominierenden Spieler der 1960er-Jahre, die Symbolfigur von Meistercupsieger Benfica Lissabon und WM-Torschützenkönig 1966. Er steht für eine Epoche, in der sich die Wege einiger der grössten Legenden unseres Sports kreuzten: Pelé, Alfredo di Stefano, Ferenc Puskás und Eusébio. Wie Di Stefano und Puskás wurde Eusébio nie Weltmeister. Doch mit seiner technischen Brillanz, seiner Durchschlagskraft und Abschlussstärke setzte er Massstäbe. Neben vielen anderen Auszeichnungen gewann der “Schwarze Panther” 1965 den Ballon d’Or. Gerade sein Beispiel macht deutlich, welch hohe Bedeutung individuelle Auszeichnungen im Mannschaftssport haben können. Die Krönung des Einzelnen muss unabhängig von der Mannschaftsleistung möglich sein. Eusébio war an der WM 1966 der dominierende Spieler. Doch im Halbfinale scheiterte Portugal an England. An der herausragenden Leistung des portugiesischen Stars ändert das nichts. Wir werden Eusébio ein weltmeisterliches Andenken wahren – als Fussballer und als Mensch.
Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY
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Das grosse Abenteuer
Dschungel-Oper: Das Teatro Amazonas spiegelt die Bedeutung von Manaus während des Kautschukbooms.
Hitzige Diskussionen um vier Vorrundenspiele. Die Dschungelmetropole Manaus weckt Ängste und verursacht Schweissausbrüche. Dabei hat die Zweimillionen-Stadt viel zu bieten. Thomas Renggli
Frank Tophoven/laif
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ie Engländer schwitzen seit der Gruppen-Auslosung quasi auf Vorrat, der amerikanische Nationaltrainer Jürgen Klinsmann spricht vom logistisch “schlechtesten der schlechten Fälle” und sein Schweizer Branchenkollege Ottmar Hitzfeld überlegte sich spasseshalber, das Vorbereitungscamp in die Sauna zu verlegen. Der Grund (bzw. der Ort), der die Gemüter in Wallungen versetzt und die Köpfe zum Rauchen bringt, ist eine der zwölf Austragungsstätten der Weltmeisterschaft – Manaus. “Das ist der Platz, an dem man lieber nicht spielen würde”, sagte der englische Teammanager Roy Hodgson schon vorzeitig. Die Retourkutsche vom lokalen Bürgermeister, Arthur Virgilio, liess nicht lange auf sich warten: “Wir hätten es auch lieber, wenn die Engländer nicht kommen würden.” Manaus – sechs Buchstaben, die Fantasien erzeugen, Ängste verbreiten und (zumindest für die Engländer) fast schon so unangenehm sind wie ein Penaltyschiessen gegen Deutschland. Vor allem die extremen Wetterbedingungen rufen den europäischen Teams in Erinnerung,
dass (und weshalb) noch nie eine Auswahl aus der Alten Welt auf dem amerikanischen Kontinent den Titel zu gewinnen vermochte. Die durchschnittlichen Klimawerte der Stadt bewirken tatsächlich Schweissausbrüche: 31,4 Grad, 83 Prozent Luftfeuchtigkeit, 180 Regen tage. Jahreszeiten gibt es zwei: Die Regensaison zwischen Dezember und Mai und die Trockenzeit, in die das WM-Turnier fällt, mit Spitzentemperaturen bis zu 40 Grad. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Doch es gibt auch einen anderen, wesentlich positiveren Ansatz in der Situationsbeurteilung. Kaum ein WM-Spielort ist exotischer und facettenreicher als die mystische Millionenstadt im Dschungel. Während des Kautschukbooms Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Manaus zu den reichsten Städten der Welt – mit direkten Schiffsverbindungen nach Liverpool und New York. Die örtliche Noblesse schwelgte im Luxus und liess kaum eine Extravaganz aus: Weil das Wasser des Rio Negro als zu dreckig erachtet wurde, schiffte sie die Kleider zum Waschen nach Europa. Es ist vermutlich der längste Waschgang der Menschheitsgeschichte. T H E F I FA W E E K LY
In der Blüte der Stadt entstand das Teatro Amazonas, das Opernhaus von Manaus. Das imposante Gebäude ragt wie ein Monolith aus dem sonst ärmlichen Stadtbild. Ein Grossteil der Baumaterialien stammt aus Europa. Die Kacheln der Dachkuppeln wurden aus Deutschland importiert, die Pflastersteine auf dem Vorplatz aus Portugal. Nach dem Kurssturz an der Kautschuk börse fiel der letzte Vorhang anfangs des 20. Jahrhunderts. Auch die Stadt Manaus verlor ihre Bedeutung als Handels- und Wirtschaftsknotenpunkt. Ende der 1980er-Jahre wurde die Oper, die unter anderem auch durch den Werner-Herzog-Film “Fitzcarraldo” die alte Berühmtheit zurückerlangte, nach aufwändigen Renovationsarbeiten wieder eröffnet. Die gros sen Problempunkte bei der Wiederherstellung des Bauwerks: die hohe Luftfeuchtigkeit und die Termitenplage. Durch die WM ist dem Opernhaus städtebauliche Konkurrenz erwachsen. Das altehrwürdige Vivaldo-Lima-Stadium wurde einem umfassenden Facelifting unterzogen und erstrahlt als Arena da Amazonia in neuem Glanz. Mit seiner futuristischen Fassade setzt das 42 000-Zuschauer-Stadion einen beeindruckenden Kontrastpunkt zur wildromantischen Umgebung – und liefert einen weiteren Grund, sich auf die Reise nach Manaus zu freuen. Ein grösseres Abenteuer hatte der Weltfussball schon lange nicht mehr zu bieten. Å
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Elephant Island, Antarktis
1800 Meilen wollte Sir Ernest Shackleton mit seiner Crew auf dem Weg durch die Antarktis zurücklegen. Nach 85 Meilen endete das Abenteuer. Das Eis schloss sich um das Expeditionsschiff Endurance. 22 Männer und 69 Schlittenhunde sassen fest. Sie (die Männer) vertrieben sich die Zeit mit Pokern, Theateraufführungen und Fussballspielen. Fünf Monate dauerte die Wartezeit – genug für eine ganze Meisterschaft. Wie gezielt die Spieler auf der unwirtlichen Unterlage an ihrer Technik feilen konnten, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall kehrten sie als Experten in der Pinguin- und Seelöwen-Jagd nach Hause.
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Frank Hurley/Courtesy the Ralls Collection
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1500 Seemeilen südlich von Hobart, Antarktis
Zhang Jiansong/Xinhua/Dukas
2014 Hundert Jahre später sorgt das Eis erneut für den grossen Stillstand. Der chinesische Eisbrecher Snow Dragon, der das eingeschlossene russische Touristenschiff Akademik Shokalskiy befreien wollte, bleibt ebenfalls im Eis stecken. Immerhin fehlte es der Besatzung nicht an Ablenkungsmöglichkeiten: Das chinesische Schiff ist unter anderem mit einem Fitnessraum, einem Kino, Pingpong-Tischen und Proviant bis Ende April ausgerüstet. Die Bootsleute vertrieben sich die Zeit auch mit Fussball. Mittlerweile ist das Terrain allerdings nicht mehr bespielbar. Am 7. Januar überwand der Eisbrecher das frostige Abwehrbollwerk der Antarktis.
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FREE KICK
Die längsten Sololäufe
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90 Meter: George Weah 8. September 1996 AC Milan – Hellas Verona 4:1
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80 Meter: Wolfgang Schäfer 19. März 1986 Bayer Uerdingen – Dynamo Dresden 7:3
“Think While You Shoot” Perikles Monioudis
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chiessen ist eine Frage der Präzision. Der Ball will beim Freistoss aus Abschluss distanz einerseits über die Mauer, ande rerseits vom Torhüter weg gedreht sein. Mit anderen Worten: Seine Bahn be schreibt den Flug einer jagenden Libelle. Die neuen Materialien machen das möglich. Der Ball ist heute ein Hightech-Wunder, der Fussballschuh ebenfalls. Beide haben mit Leder nichts mehr zu tun. Und doch waren da auch Freistossschützen aus der Frühzeit des Fussballs, die den Ball mirakulös zu treten wussten. Sie wurden abge löst von Pelé, dessen Balltechnik unerreicht bleibt. Zu ihm gesellten sich über die Zeit Beck ham und Ronaldo, zum Beispiel. Präzision und Intuition beim Schiessen war aber beileibe nicht nur den Akteuren in den kurzen Hosen vorbehalten. Kaum einer schoss so exakt wie Martin Munkacsi (1896 – 1963). Mit seiner neuen Art zu fotografieren eroberte er die Magazine und erlangte Weltruhm. Sein Credo lautete: “Think While You Shoot”. Munkacsis Denkleistung erschöpfte sich dabei nicht im korrekten Aufziehen des Films im Apparat oder im Nachführen der Blende – die Konzentration auf die handwerkliche Rou tine mit dem Material. Vielmehr verstand der Ungar mit als Erster, dass die Bewegung auf dem Rasen nicht abgebildet werden kann, ohne dass er sich ihr dabei ergibt: Er dachte darüber nach, was als Nächstes vor seiner Linse gesche hen würde, stellte schon einmal scharf und drückte dann ab, wenn die Realität sein Bild eingeholt hatte. Wie sonst hätte er etwa Tor hüterparaden in jenem Moment festhalten können, da sie ausgeführt wurden?
Munkacsi war ein Meister der Antizipation, schon bevor dieser Begriff seinen Siegeszug durch die Fussballwelt antrat. Der Flügelstür mer wird gleich vors Tor flanken, dort werden der Angreifer und sein Gegenspieler zum Kopf ball hochspringen, der Torhüter zur Faustab wehr. Zu dritt werden sie, begleitet vom Ball, ein Bild für die Ewigkeit abgeben – schnell die Blende nachstellen und auf den Augenblick warten. Jetzt! Pech gehabt, der Ball des Flügel stürmers flog hinter die Grundlinie, die Spieler vor dem Tor sprangen gar nicht erst hoch. Wie oft Munkacsi sich geirrt hat, ist egal. Das hatte er den Spielern voraus. Denn sie müs sen treffen, jeder Fehlschuss ist einer zu viel. Lag Munkacsi aber richtig, bannte er den Fussballsport nicht nur auf Celluloid, sondern auch auf unsere Netzhäute. Ein Munkacsi-Bild aus dem Stadion vergisst man so schnell nicht mehr. “Think While You Shoot”. Der “totale” Fuss ball, das Tiki-Taka, das Spiel mit der flüchtigen Rollenverteilung: Munkacsi war längst da, wo die Holländer, der FC Barcelona und Arsenal FC später hinkamen. Die Künste sind manchmal etwas weiter als der Fussball. Im Idealfall aber schafft der Fussball eine eigene Schönheit, die nur darauf wartet, erfasst zu werden. Å
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77 Meter: Jefferson Farfan 22. Oktober 2011 Leverkusen – Schalke 0:1
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70 Meter: Arjen Robben
29. Februar 2012 England – Holland 2:3 70 Meter: Kakà 3. September 2006 Brasilien – Argentinien 3:0
70 Meter: Pelé 3. März 1961 Santos – Fluminense 3:1
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60 Meter: Nicola Berti 23. November 1988 Bayern München – Inter Mailand 0:2
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50 Meter: Diego Maradona
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22. Juni 1986 Argentinien – England 2:1 50 Meter: Roberto Baggio 17. September 1989 Napoli – Fiorentina 0:1 50 Meter: Lionel Messi 18. April 2007 Barcelona – Getafe 5:2 49 Meter: Yassine Chikhaoui 23. September 2007 FC Zürich – Grasshopper Club 1:0
Gab es noch längere Sololäufe? Ihre Meinung an: feedback-TheWeekly@fifa.org
Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY
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EUSÉBIO
Die letzte Ehrenrunde
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Jordi Puntí
as Estádio da Luz von Benfica Lissabon füllte sich am vergangenen Montag mit über 10 000 Fans, die dem legendären Eusébio die letzte Ehre erweisen wollten. Der “Schwarze Panther”, eine Fussballlegende in Portugal und auf der ganzen Welt, war am Sonntag, den 5. Januar, im Alter von 71 Jahren einem Herz- und Atemstillstand erlegen. Eusébio hatte bei mehr als einer Gelegenheit gesagt, sein letzter Wille sei es, dass man ihm nach seinem Tod eine Ehrenrunde im Stad ion gewährt. Und so fuhr der Wagen mit dem Sarg eine Ehrenrunde, bevor er sich in Richtung der Kirche des Stadtteils Benfica in Bewegung setzte, wo die Trauerfeier stattfand. Auf der ganzen Wegstrecke wurde der Trauerzug von Menschen gesäumt, die dadurch zum Ausdruck brachten, welche Bewunderung sie für Eusébio empfinden. 26
Er war zeit seines Lebens ein Aushängeschild des portugiesischen Sports. Als die Regierung die traurige Nachricht erhielt, rief sie sogleich eine dreitägige Staatstrauer aus. Nach Eusébios Tod liessen die Reaktionen der Fussballwelt nicht lange auf sich warten. FIFAPräsident Blatter sagte: “Der Fussball hat eine Legende verloren, doch Eusébio wird für alle Zeiten zu den Besten gehören.” Franz Beckenbauer und Luis Figo waren sich darin einig, dass er einer der ganz Grossen war. Pelé bedauerte den Tod seines “Bruders Eusébio”. José Mourinho bezeichnete ihn als “unsterblich”. Sein Landsmann Cristiano Ronaldo liess über Twitter verlauten: “Für alle Zeiten unvergesslicher Eusébio, ruhe in Frieden” und widmete ihm die beiden Tore, die er am selben Abend für Real Madrid erzielte, indem er mit einer Geste gen Himmel deutete. Ein Mann der Bescheidenheit Die ganz grossen Spieler haben bei zwei Gelegenheiten das Privileg, den Status des Unvergänglichen zu erreichen: bei ihrem Rückzug T H E F I FA W E E K LY
vom Fussball und bei ihrem Tod. Eusébio war voller Mitgefühl und Bescheidenheit und konnte deshalb eine besondere Beziehung zu den Menschen aufbauen. Während vieler Jahre war er die Identifikationsfigur des portugiesischen Fussballs. Seine beiden Europapokalsiege mit Benfica, die Auszeichnung mit dem Ballon d’Or als Europas Fussballer des Jahres 1965 sowie ein glanzvoller Auftritt bei der WM 1966, an der er Torschützenkönig wurde, machten dem ganzen Land, das in Armut lebte und unter der Militärdiktatur litt, Mut. 1998 wurde er von der FIFA zu einem der zehn besten Spieler aller Zeiten erkoren. Eusébio da Silva Ferreira wurde 1942 in Maputo (Mosambik) geboren, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie. Sein Vater, der aus Angola stammte, starb an Wundstarrkrampf, als Eusébio acht Jahre alt war. Der Junge wuchs bei seiner Mutter auf. Nachdem er zunächst beim Fanklubteam Os Brasileiros gespielt hatte, zeigte Eusébio im Alter von 15 Jahren bei Sporting Lourenco Marques, dem Klub seines Stadtteils, zum ersten Mal herausragende Leistungen.
Francisco Leong/AFP
Mit seiner Bescheidenheit, seinem Mitgefühl und seiner Klasse wärmte er die Herzen vieler Menschen. Jetzt hat sich Eusébio, Portugals grösster Fussballer, in die Ewigkeit verabschiedet. Die Anteilnahme auf der ganzen Welt ist riesig.
EUSÉBIO
AFP
Wuchtig: Der “Schwarze Panther” während des Europapokal-Finales 1963 gegen Milan. Eusébio trifft zum 1:0, Benfica Lissabon verliert trotzdem.
Seine Mutter zog die Fäden Laut eigenen Angaben wurde ein Talentsucher von Juventus Turin dort auf ihn aufmerksam und schlug ihm einen Wechsel nach Italien vor. Seine Mutter lehnte das jedoch ab. Ein paar Jahre später, als Eusébio bereits zu einem pfeilschnellen Spieler mit kräftiger Statur und einem starken Schuss avanciert war, empfahl ihn der brasilianische Spieler José Carlos Bauer dem FC São Paulo. Da der Klub kein Interesse zeigte, machte er seinen Landsmann Béla Guttmann, der damals Trainer bei Benfica Lissabon war, auf Eusébio aufmerksam. Nach einigen Intrigen, die zustande kamen, weil Sporting Lissabon ihn ebenfalls unter Vertrag nehmen wollte, unterschrieb Eusébio schliesslich bei Benfica. Jahre später wurde berichtet, dass er zur Sicherheit mit einer Rückfahrkarte im Gepäck aus Mosambik angereist war. Seine Mutter hatte einen Vertrag unterzeichnet, der auch folgende Klausel enthielt: “Für den Fall, dass mein Sohn sich nicht eingewöhnen kann, wird das Geld bei der Bank von Mosambik hinter-
legt, und wir werden nicht einen Centavo abgehoben haben.” Die Rückfahrkarte war nicht nötig. Eusébio gab am 23. Mai 1961 anlässlich eines Freundschaftsspiels gegen den Atlético Clube de Portugal sein Debüt. Benfica gewann 4:2, und Eusébio erzielte einen Hattrick. Einige Wochen später kam er in Paris gegen den FC Santos zum Einsatz, bei dem Pelé aktiv war. Er wurde in der 70. Minute eingewechselt, als sein Team 0:5 zurücklag, und erzielte in den letzten 20 Spielminuten drei Tore. Diktator hielt Eusébio zurück Eusébio war 15 Jahre lang für Benfica Lissabon aktiv und erzielte für den Klub in 301 Spielen 317 Tore – ein herausragender Schnitt. Erst in den letzten Jahren seiner Karriere wagte er einige kurze Abstecher zu Klubs in Kanada, den USA und Mexiko. Im Lauf seiner langen Karriere gab es aber auch immer wieder Wechselgerüchte und geplatzte Transfers. Das mag damit zusammenhängen, dass im Fussball damals die Millionenverträge Einzug hielten. T H E F I FA W E E K LY
1964, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, unterbreitete ihm Inter Mailand ein offizielles Angebot über drei Millionen Dollar, und Benfica nahm es an. Der portugiesische Diktator Antonio de Oliveira Salazar machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Er erlaubte den Wechsel nicht, weil er Eusébio als Imageträger nicht verlieren wollte. Als man ihn Jahre später auf diese Angelegenheit ansprach, pflegte er zu antworten: “Der Ball ist meine Politik.” Eusébio erhielt zwar den Spitznamen “Pantera Negra”, seine Bewegungen waren aber eigentlich nicht einer Raubkatze ähnlich. Wenn man sich die Bilder der Spielzüge und Tore der legendären Nummer zehn noch einmal anschaut, wird deutlich, dass Eusébios grösste Tugend die Kraft war: ein schneller Spurt, hervorragende Ballkontrolle und zum Abschluss ein platzierter und kraftvoller Schuss. Seine schnellen Sprinteinlagen und Schüsse aus jeder Distanz, die in Portugal auch gerne als “Kracher” bezeichnet wurden, liessen den gegnerischen Verteidigern keine Zeit zum Eingreifen. Seine Schüsse waren so berühmt, dass 27
EUSÉBIO
Sportlich elegant: Eusébio als Vertreter eines Sportwagen-Produzenten.
Bedacht: Eusébio ist trotz seinem Ruhm immer Mensch geblieben.
“Wenn es in Europa jemanden gab, der betreffend Auftreten und Effizienz mit Pelé mithalten konnte, dann war das Eusébio.”
noch heute häufig von einem “Schuss à la Eusébio” die Rede ist. WM 1966: Legendäre Eusébio-Show Die besten Fussballer haben in der Regel alle eine Karriere zu verzeichnen, in der es von Erfolgen nur so wimmelt, Legendenstatus erlangen sie jedoch meist durch bestimmte Partien. Eusébio ist vor allem durch zwei Begegnungen zur Kultfigur avanciert. Die erste war das Europokal-Finale 1962 in Amsterdam, das Benfica 5:3 gegen Real Madrid gewann. Damit sicherten sich die Portugiesen zum zweiten Mal in Folge den Sieg in diesem prestigeträchtigen Wettbewerb und beendeten die Dominanz Real Madrids auf dem europäischen Parkett. Die Madrilenen hatten den Titel zuvor fünfmal in Folge gewonnen. Im Finale erzielte Eusébio zwei Treffer gegen die Truppe der “Königlichen”, in der unter anderem Alfredo Di Stefano, Ferenc Puskás und Francisco Gento antraten. Er war damals 20 Jahre alt. Zur zweiten entscheidenden Begegnung kam es bei der WM 1966 in England, wo er für 28
die portugiesische Nationalmannschaft antrat. Portugal belegte nach einer 1:2-Halbfinalniederlage gegen den Gastgeber den dritten Platz. Eusébio wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt und auch noch Torschützenkönig. In seiner Geschichte der Weltmeisterschaft (“History of the World Cup”) beschreibt Brian Glanville den “Schwarzen Panther” als einen Spieler von “makelloser Unschuld und Schönheit im Ruhezustand, der in Bewegung zugleich anmutig und ungeheuer kraftvoll wirkte. Wenn es in Europa jemanden gab, der betreffend Auftreten und Effizienz mit Pelé mithalten konnte, dann war er das.” Im Viertelfinale der WM 1966 trat Portugal gegen Nordkorea an. Die Nordkoreaner waren im Fussball eine unbekannte Grösse und führten mit schnellem Spiel nach 20 Minuten bereits 3:0. Die Portugiesen machten einen unsortierten Eindruck, und nur der beherzte Auftritt von Eusébio brachte sie zurück ins Spiel. Der Star erzielte vier Treffer, und sein Team ging mit einem 5:3-Sieg vom Platz. T H E F I FA W E E K LY
Muskeln angespannt, Blick offen Der Fussball ist ein epischer Sport, und dank den Erzählungen der Fans werden wichtige Ereignisse wieder und wieder in Erinnerung gerufen. Mittlerweile sind da immer weniger Menschen, die Eusébio mit eigenen Augen auf dem Spielfeld gesehen haben. Aber jene Zeit, seine Art zu schiessen und die Sicherheit, mit der er sich für den richtigen Abschluss entschied, sind fest in der Erinnerung der Fans verankert. Am letzten Sonntag begannen viele Partien rund um den Erdball mit einer Schweigeminute zu Ehren des “Schwarzen Panthers”. Genau wie bei der Statue, die vor dem Estádio da Luz in Lissabon an ihn erinnert, sehen wir Eusébio vor unserem geistigen Auge in abschussbereiter Position: die Muskeln angespannt, den Blick offen – voller Vorfreude auf den sicheren Treffer. Å
Robert Legos/Presse Sport/freshfocus, Witters
Brian Glanville, Autor “History of the World Cup”
THE EXPERT
Wir brauchen die Besten der Besten
Bewährtes Hilfsmittel: Mit dem Markierungsspray wird der 9,15 m-Abstand der Mauer angezeichnet.
2014 wird für uns Schiedsrichter ein ganz besonders intensives Jahr. Der Moment der Wahrheit rückt näher. Wir sind alle sehr gespannt auf die WM in Brasilien, bis zu der es nur noch fünf Monate sind. Massimo Busacca
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nsere Vorbereitungen auf dieses Grossereignis begannen bereits im September 2011. Damals stellten wir eine lange Liste mit 52 potenziellen Schiedsrichtertrios zusammen. Wir haben hart trainiert und intensive Analysen durchgeführt, genau wie man es auch mit einer Fussballmannschaft machen würde. Jetzt ist die Zeit der Entscheidung gekommen: Mitte Januar werden wir 30 bis 33 Schiedsrichtertrios für Brasilien 2014 nominieren. Das wird keine leichte Aufgabe. Wir sind sehr zufrieden mit dem Niveau vieler unserer Schiedsrichter. Aber für die Weltmeisterschaft brauchen wir die Besten der Besten. Das war und bleibt unser Ziel. Angesichts der Grössenordnung und der Tragweite des Turniers ist das unabdingbar. Im Verlauf der vergangenen drei Jahre haben wir hart gearbeitet. Wir haben neue Hilfsmittel zur Verfügung, beispielsweise Torlinientechnologie und Markierungsspray. Die Erfahrungen, die wir damit bei der Klub-WM in
Marokko gemacht haben, waren sehr gut und zeigen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Doch letztlich sind und bleiben Torlinientechnologie und Markierungsspray nur Hilfsmittel. Die endgültige Entscheidung muss weiterhin der Schiedsrichter nach bestem Wissen treffen. Auf jeden Fall aber war das Turnier in Marokko der Abschluss einer bedeutenden Phase unserer WM-Vorbereitungen. Jeder potenzielle Kandidat war im vergangenen Jahr bei einem oder mehreren FIFA-Turnieren im Einsatz. Dabei konnten sich Schiedsrichterteams viel Respekt erarbeiten, was auch durch die Zahlen belegt wird. So gab es bei den FIFA-Turnieren 2013 deutlich weniger Gelbe und Rote Karten als bei früheren Turnierauflagen. Meiner Meinung nach zeigt dies, dass es echten Respekt zwischen den Spielern und gegenüber den Offiziellen gibt. Die Schiedsrichter entscheiden sehr einheitlich und bestätigen damit den Erfolg unserer gemeinsamen Arbeit. Verständnis für unterschiedliche Mentalitäten und taktische Ansätze im Fussball, darum geht es auf dem Rasen, und natürlich um die richtigen Laufwege T H E F I FA W E E K LY
und ein optimales Stellungsspiel – also zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. In diesen Bereichen erkennen wir deutliche Verbesserungen. Neben den neuen Hilfsmitteln für Schiedsrichter hat die FIFA auch einen offiziellen “Handschlag für den Frieden” vor den Spielen eingeführt. Ich bin davon sehr begeistert. Mit diesem Akt der Freundschaft sendet der Fussball eine wunderbare und wertvolle Botschaft in die ganze Welt: Schiedsrichter und Spieler schütteln sich als Zeichen des Friedens die Hände. Das ist definitiv ein guter Ansatz für die WM. Ich freue mich darauf, mit den Offiziellen an der endgültigen Liste zu arbeiten. Die letzten Monate im Vorfeld der WM werden noch einmal sehr intensiv. Die Offiziellen werden an zwei Trainingslagern teilnehmen, bei denen noch letzte Feinabstimmungen vor dem vierwöchigen Turnier in Brasilien erfolgen. Und dann werden wir die Früchte unserer Arbeit ernten. Wir müssen hochklassige Schiedsrichterleistungen bei der WM sicherstellen. Å
Massimo Busacca (44) ist ein ehemaliger Spitzenschiedsrichter. Heute ist er der Leiter der Abteilung Schiedsrichterwesen bei der FIFA. 29
BLICK IN DIE LIGEN
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N FA Cup
Rosa Schnurrbart David Winner ist Autor und Journalist in London. Zu seinen Büchern über Fussball gehören “Brilliant Orange” und “Dennis Bergkamp: Stillness and Speed”.
Wegen des neuen, rosafarbenen Balls und den eher schwachen Topteams wirkt der FA Cup dieses Jahr etwas fremdartig. Um den erstmals im Jahr 1872 ausgespielten Wettbewerb ranken sich alle möglichen Geschichten, er ist die Ur-Trophäe des Fussballs und letztlich stammen alle anderen Fussballturniere davon ab. In seiner Blütezeit wurde vom FA-CupFinale schlicht als “dem Cup-Finale” gesprochen, da es keine Konkurrenz gab. Im alt ehrwürdigen Wembley-Stadion wurden im Beisein von König oder Königin weisse Taschentücher geschwenkt, das grossartige Publikum sang “Abide With Me”, und man huldigte Seiner Majestät, dem König Fussball, in all seiner Erhabenheit. Der Wettbewerb beginnt im Spätsommer mit unterklassigen Teams. Traditionell ist die dritte Runde Anfang Januar die mit der grössten Fussballromantik, wenn nämlich die grossen Klubs ins Geschehen eingreifen und Favoritenstürze in der Luft liegen. Doch heutzutage sind die Favoriten leichter zu besiegen. Trotzdem lieben die Fans den Cup. Die Klubs und die Manager legen Lippen bekenntnisse ob seiner altehrwürdigen Erhabenheit ab. Und es gab auch noch eine ganze Reihe guter Spiele. Doch für die Spitzenklubs sind die anspruchsvollere – und lukrativere – Premier League und natürlich die Champions League weitaus wichtiger.
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In der vergangenen Woche meinte Paul Lambert, der Trainer von Aston Villa, der FA Cup sei eine Ablenkung von der wichtigeren Aufgabe, das Überleben in der Premier League zu sichern. Prompt verlor sein Team im nur halb gefüllten Villa Park 1:2 gegen den Drittligisten Sheffield United. Sam Allardyce von West Ham United plagen derzeit grosse Verletzungssorgen. Zudem stand für sein abstiegsbedrohtes Team nur drei Tage später das Halbfinale im Ligapokal auf dem Programm. Und so schickte er im FA-Cup-Spiel beim Zweitligisten Nottingham Forest quasi eine Jugendmannschaft aufs Feld, die 0:5 unterging. Auf Kritik der Fans entgegnete Allardyce lapidar, er handle lediglich “professionell”.
Elemente eine maximale Kontrastwirkung” erzielt werde. Trotzdem sieht er im Fernsehen und von den Tribünen einfach nur rosafarben aus. Die Traditionalisten sind damit alles andere als glücklich.
Die traditionsbewusste Football Association (FA) kann finanziell nicht mithalten und daher kaum etwas unternehmen, um derartige Demütigungen zu unterbinden. Der Beschluss allerdings, nun bei allen FA-Cup-Spielen einen neuen, rosafarbenen Ball zu verwenden, ist schwerer zu verstehen.
Andererseits tragen die Spieler des sizilianischen Fussballklubs Palermo bereits seit 1907 rosafarbene Trikots. Mehrere englische regionale Sportzeitungen wurden auf rosa farbenem Papier gedruckt. Und erst in der vergangenen Woche färbte sich der austra lische Cricket-Spieler Mitchell Johnson den Schnurrbart rosa und warf in einem Testmatch auf rosafarbenen Stumps. Offenbar verschieben sich die symbolischen Bedeu tungen überall und stetig. Å
Nike behauptet zwar, der Incyte sei “mangofarben” mit blauen Elementen und die exklusive Farbgestaltung verbessere “die Sichtbarkeit des Balles im Flug, wobei durch grafische
Der englische Fussball wurde entwickelt, um die zutiefst viktorianische Idee einer “Männlichkeit” zu fördern, die ritterlich, martialisch und – vor allem – schlicht war. Rosa indes wird traditionell mit Weiblichkeit und Homosexualität assoziiert. Jayne Mansfield meinte: “Eine Frau soll für einen Mann rosa und anschmiegsam sein.” Der rosa Winkel aus den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten ist heute ein trotziges Symbol des homosexuellen Selbstwertgefühls (“Gay Pride”).
Liverpool setzte sich dennoch problemlos gegen Oldham Athletic durch. Doch Manchester City, der Verlierer des letztjährigen Finales gegen Absteiger Wigan Athletic, kam gegen den Zweitligisten Blackburn Rovers nicht über ein Unentschieden hinaus, und Manchester United blamierte sich zu Hause gar mit einer 1:2-Niederlage gegen Swansea. 30
3. Runde FA Cup: Im Kampf um den rosa Ball verliert Barnsley gegen Coventry City 1:2. T H E F I FA W E E K LY
Nigel Roddis/Getty Images
Die englischen Spitzenklubs wollen natürlich auch weiterhin im alten Pokalwettbewerb gut abschneiden. Allerdings möchten sie allzu grosse Belastungen oder gar Verletzungen ihrer Topstars dafür lieber nicht riskieren. Daher schonten Liverpool, Manchester City und Manchester United in der dritten Runde dieses Mal einige ihrer besten Spieler.
BLICK IN DIE LIGEN
Serie A
Juventus allein auf weiter Flur Luigi Garlando ist Redakteur der “Gazzetta dello Sport” und Autor zahlreicher Kinderbücher.
Die Serie A läuft Gefahr, ein langweiliger Krimi zu werden. Der Täter ist bereits bekannt: Juventus Turin. Der Titelverteidiger schoss im ersten Spiel nach der Winterpause den Tabellenzweiten AS Roma, der keines der 17 vorangegangenen Ligaspiele verloren hatte, 3:0 aus dem Stadion. Der Vorsprung ist mittlerweile auf acht Punkte angewachsen, der dritte Titel in Folge scheint nur mehr Formsache zu sein. Dies wäre ein historischer Dreifacherfolg, den die Turiner zuletzt in den 1930er-Jahren erreichen konnten. Nach einem mässigen Saisonstart legte Juve einen Gang zu und zeigte nach der Verpflichtung von Carlos Tevez endlich wieder jene Durchschlagskraft in der Offensive, die man zuvor hatte vermissen lassen. Auch die Defensivleistungen wurden immer stärker: In den letzten zehn Partien, die allesamt gewonnen wurden, musste die Alte Dame nur einen einzigen Gegentreffer hinnehmen. Juventus scheint im Moment zu stark für die Konkurrenz und marschiert allein auf weiter Flur. Die Römer, die nach einem fulminanten Saisonstart zuletzt in ein Formtief geschlittert waren, beendeten das Spiel in Turin nach Platzverweisen gegen De Rossi und Castan mit nur neun Mann. Nun stellt sich die Frage, ob das Team von Rudi Garcia in der Lage sein wird, diese erste Niederlage ohne Weiteres wegzustecken und die Stimmung im Zaum zu halten, die im Handumdrehen von Begeisterung zu Niedergeschlagenheit kippen kann. Nach dem Sieg gegen Sampdoria Genua hat die SSC Napoli nur noch zwei Punkte Rückstand auf die Giallorossi. Die offensive Spielweise von Rafa Benitez, die die Ausrichtung der Mannschaft auf den Kopf gestellt hat, macht sich nun bezahlt. Inter Mailand musste sich hingegen bei Lazio Rom geschlagen geben. Für das Tor des Tages zeichnete Miroslav Klose verantwortlich. Für den neuen Lazio-Trainer Edi Reja bedeutete dies den ersten Sieg. Die Streitigkeiten zwischen dem Verein und dem entlassenen Trainer Vladimir Petkovic, der nach der WM
Kann sein Glück kaum fassen: Paul Pogba nach dem Sieg gegen die seit 17 Spielen ungeschlagene AS Roma.
“Auch Luca Toni zählt zu den Kandidaten für einen Platz im WM-Kader.” die Nationalmannschaft der Schweiz betreuen wird, werden vor Gericht fortgesetzt. Die AC Milan hingegen konnte den 101. Treffer von Kaká bejubeln und sich nach drei sieg losen Spielen endlich wieder über einen vollen Erfolg freuen: 3:0 gegen Atalanta Bergamo.
bare Märchen mit Happy End entwickelt sich nun erneut zu einer Tragödie. Sogar die Teilnahme an der WM 2014 in Brasilien ist in Gefahr. Nationaltrainer Cesare Prandelli kündigte zwar bereits an, auf ihn warten zu wollen, unterdessen jedoch auch nach weiteren Kandidaten für den Platz im Angriff neben Mario Balotelli zu suchen. Zu diesen Kandidaten zählt auch ein Altbekannter: der mittlerweile 36-jährige Luca Toni, der 2006 in Berlin Weltmeister wurde. Mit seinen neun Treffern hatte er massgeblichen Anteil am überraschenden Erfolg von Aufsteiger Verona. Die Stadt von Romeo und Julia erlebt eine Welle der Begeisterung wie zuletzt in der Saison 1984/85, als man mit dem Titelgewinn Geschichte schrieb, und bereitet sich nun auf das Heimspiel gegen die SSC Napoli vor, das auch aufgrund sozialer Spannungen (Nord-Süd-Gefälle) von besonderer Brisanz ist. Diese Partie ist der Schlager des nächsten Spieltags, der die Hinrunde abschliesst. Å
Die schlechteste Nachricht des 18. Spieltags war die erneute schwere Knieverletzung des vom Pech verfolgten Fiorentina-Stürmers Giuseppe Rossi. Zwischen 2011 und 2013 ist Rossi dreimal operiert worden. Seine Rückkehr und seine Leistungen auf dem Platz waren die grösste Überraschung der Hinrunde: 14 Tore in 18 Ligaspielen und die Nominierung für die Nationalmannschaft. Dieses schein T H E F I FA W E E K LY
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emirates.com
Tomorrow brings us all closer To new people, new ideas and new states of mind. Here’s to reaching all the places we’ve never been. Fly Emirates to 6 continents.
DAS FIFA-R ANKING Rang Team
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 39 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 54 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 65 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
Rangveränderung Punkte
Spanien Deutschland Argentinien Kolumbien Portugal Uruguay Italien Schweiz Niederlande Brasilien
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
1507 1318 1251 1200 1172 1132 1120 1113 1106 1102
Belgien Griechenland England USA Chile Kroatien Elfenbeinküste Ukraine Bosnien und Herzegowina Frankreich Mexiko Russland Ecuador Ghana Dänemark Algerien Schweden Tschechische Republik Slowenien Serbien Costa Rica Rumänien Iran Schottland Armenien Venezuela Nigeria Panama Kap Verde Peru Ägypten Honduras Türkei Ungarn Mali Österreich Japan Tunesien Island Kamerun Paraguay Montenegro Burkina Faso Republik Korea Norwegen Wales Albanien Australien Libyen Slowakei Guinea Südafrika Israel Finnland Senegal Jordanien Republik Irland Usbekistan Sambia Bolivien Vereinigte Arabische Emirate Togo Marokko Bulgarien Sierra Leone Polen Gabun
0 0 0 0 0 0 0 0 2 -1 -1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 12 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 -3 -1 0 0 -3 0 1 1 1 1 1 1 5 0 0 0 0 1 4 0 5 -1 -1 0 0 5 0 0 3 -1 0 5 2 2 -1 2 3
1098 1055 1041 1019 1014 971 918 907 899 893 892 870 852 849 831 800 793 766 762 752 741 734 720 717 716 711 710 705 698 698 695 690 677 668 664 648 638 632 624 615 600 594 591 577 577 574 571 565 558 557 555 554 548 539 536 536 528 526 523 519 507 504 490 486 471 461 453
Rang
Juli 2013
Aug. 2013
Sept. 2013
Okt. 2013
Nov. 2013
Dez. 2013
1 -41 -83 -125 -167 -209
78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 90 92 93 94 94 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 110 112 113 114 115 116 116 118 119 120 121 121 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 133 135 136 137 138 138 140 140 142 143 144
Platz 1
Aufsteiger des Monats
Trinidad und Tobago Haiti Jamaika Belarus DR Kongo EJR Mazedonien Kongo Oman Uganda Saudiarabien Angola Nordirland Neuseeland El Salvador VR China Äthiopien Aserbaidschan Estland Moldawien Botsuana Liberia Benin Kuba Georgien Litauen Katar Niger Kuwait Zentralafrikanische Republik Simbabwe Äquatorial-Guinea Kenia Irak Bahrain Kanada Guatemala Tadschikistan Dominikanische Republik Malawi Lettland Mosambik Sudan Tansania Neukaledonien Libanon Luxemburg Burundi Namibia Zypern Philippinen Kasachstan Syrien Myanmar Gambia Malta Ruanda Suriname Turkmenistan Grenada Palästina Lesotho DVR Korea Afghanistan Hongkong Mauretanien Tahiti Vietnam
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1 -6 1 1 1 1 0 2 0 12 1 1 1 1 1 0 1 2 1 1 7 1 -53 0 0 0 0 1 0 -1 3 8 -1 8 2 2 2 -27 5 3 2 11 4 1 2 1 -12 1 1 6 4 6 10 3 4 -6 6 2 -6 5 0 -25 -11 4 2 -2 14
Absteiger des Monats
441 440 439 431 427 425 421 408 402 391 384 381 378 378 376 374 363 363 359 357 354 342 334 330 326 325 318 315 310 299 294 293 292 292 291 287 286 282 272 272 264 259 256 249 249 243 239 237 229 219 216 207 204 202 198 197 197 195 194 192 187 187 184 184 180 179 167
145 146 147 147 149 150 150 152 153 154 154 154 154 158 159 160 161 161 163 164 164 166 167 167 169 170 170 172 172 172 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 187 189 190 190 190 193 194 194 196 196 198 198 200 201 201 203 204 205 206 207 207 207
Antigua und Barbuda Thailand St. Lucia Kirgisistan St. Kitts und Nevis Guyana Singapur Laos St. Vincent und die Grenadinen Liechtenstein Puerto Rico Malaysia Indien São Tomé und Príncipe Belize Nicaragua Guam Indonesien Malediven Tschad Bangladesch Barbados Chinese Taipei Dominica Sri Lanka Aruba Färöer Salomon-Inseln Nepal Pakistan Bermuda Seychellen Mauritius Curaçao Jemen Vanuatu Mongolei Fidschi Samoa Guinea-Bissau Bahamas Swasiland Madagaskar Montserrat Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Komoren Andorra Eritrea Südsudan Macau Somalia Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln
-36 -4 14 -1 -2 0 4 11 -2 -2 -2 4 -6 -3 -2 0 8 1 -14 0 -8 2 7 8 -3 3 0 -1 -7 -5 -3 24 1 -3 -2 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 0 0 -5 0 -1 0 0 1 -1 0 0 0 0 0
164 162 155 155 150 149 149 144 142 141 141 141 141 139 136 130 123 123 120 116 116 101 95 95 90 87 87 86 86 86 83 67 66 65 54 53 49 47 45 42 40 37 33 33 28 26 26 26 23 21 21 18 18 17 17 11 10 10 8 6 5 3 0 0 0
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First Love
Or t: K ir tipu r, Nepa l Datum: 12. August 2013 Zeit: 12.05 Uhr
Navesh Chitrakar/Reuters
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NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Welcher Spieler war 2013 der beste? Und weshalb? Frage von Tim Smith, Brisbane (Australien)
Perikles Monioudis
Der Mann für heisse Shootings: Netzer 1970 während der WM in Mexiko.
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anchmal steht der Sieger schon vor der Wahl fest, zumindest inoffiziell. Dann ist die Bekanntgabe für Fans und Beteiligte mehr eine nette Kür, als eine spannende Preisverleihung. Dass die Ballon-d’Or-Auszeichnung letztes Jahr zum vierten Mal in Folge an Lionel Messi ging, war keine Überraschung. Er spielte 2012 mit Abstand den besten Fussball. Dieses Mal sieht es etwas anders aus. Der Argentinier hat zwar erneut ein spielstarkes Jahr hinter sich, keine Frage, aber die vielen Verletzungspausen wiegen zu schwer. Die Konkurrenz spielte durchwegs gross auf, auch in der Zeit, als Messi lädiert auf der Tribüne sass. Allen voran Cristiano Ronaldo und Franck Ribéry. Ronaldo und Ribéry – zwei gross a rtige Fussballer, beides Ausnahmekönner, die imstande sind, eine Mannschaft zum Sieg zu führen. Aber die Wahl zum Weltfussballer des Jahres 2013 müsste auf Ribéry fallen. Der Franzose konnte sich trotz seiner guten Leistungen in den Jahren zuvor nochmals markant verbessern. Der Grund dafür liegt nicht im physischen Bereich. Ribéry hat seine Denkweise 36
verändert – und zwar im Grundsatz. In seinem siebten Jahr hat er bei Bayern München endlich begonnen, Verantwortung zu übernehmen. Und es ist ganz offensichtlich, dass er sich in dieser Rolle sehr wohl fühlt, denn Ribéry spielt mit viel Initiative und einer sagenhafter Konstanz den Fussball seines Lebens. Bayern München gewann letztes Jahr fünf Titel – Ribéry hat grossen Anteil an diesem Erfolg. Ob es dem Franzosen auch gelingen wird, mit solchen Leistungen die Auftritte der Nationalmannschaft zu prägen, wird sich an der Weltmeisterschaft in Brasilien zeigen. Sein Nationalteam steckt schon seit längerer Zeit in einer Krise und könnte einen Aufschub gut gebrauchen. Zu wünschen wäre es Ribéry. Å
Was wollten Sie schon immer über Fussball wissen? Fragen Sie Günter Netzer: feedback-TheWeekly@fifa.org T H E F I FA W E E K LY
Die Panhellenischen Spiele im Altertum wussten ihre Besten noch zu würdigen. Die Sieger wurden zunächst mit einem Kranz bedacht, den die heran schwebende Siegesgöttin Nike triumphierend bereithielt. In Olympia bestand der Kranz aus Zweigen eines wilden Olivenbaums, in Delphi aus Lorbeer, in Korinth aus Kiefernzweigen, in Nemea aus Sellerieblättern. Dazu gab es für den Sieger oft auch die Taenia, ein rotes Wollband, das er sich stolz um den Kopf legen durfte. In die Hand bekam er einen Palmzweig. In ihren Geburtsstädten wurden die Sieger zu hohen Würdenträgern ernannt, denn der Glanz des Siegers sollte auch auf seine Stadt strahlen – die ihn bei seiner Rückkehr ausgiebig feierte. Der Sieger durfte sich eine Statue errichten lassen. Dichter besangen seine Taten. Mit seinem Konterfei wurden Münzen geprägt. Die mit Olivenöl gefüllten Amphoren, die der Sieger zuweilen erhielt, waren so kostbar wie ihr Inhalt. Hohen materiellen Wert hatten auch die bronzenen Dreifüsse, Bronzeschilde und Silberpokale. Womit wir beim Thema wären. Der oben abgebildete Silberpokal aus der Sammlung der FIFA stammt aus dem England des 19. Jahrhunderts, genauer aus dem Jahr 1870. Ein Fussballer ist darauf zu sehen, unter ihm eine dreibeinige Stütze in der Form dreier mutmasslicher Eckfahnen. Mutmasslich deshalb, weil ja dann eine fehlen würde. Auch 1870 war das Spielfeld kein Dreieck mehr – falls es das jemals war. Der Glanz des Pokals immerhin scheint auf den, der ihn in die Höhe stemmt. Nike aber hat längst frei. Å
TURNING POINT
“Als ich mich in den englischen Fussball verliebte” Seine Berufskollegen flogen alle nach London, doch er wollte nach Liverpool: Das Studienjahr 1969 gab dem Leben von Gérard Houllier eine neue Richtung.
PhotoPQR/Voix du nord/Max Rosereau
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he Beatles hatten die Stadt längst verlassen, weil sie Weltruhm erlangten und auf Tournee waren. Ohnehin spielte die Musik in London. Oder man entschied sich als Lehrer für ein Auslandjahr im Süden von England. Aber ich wollte nach Liverpool. Die Stadt faszinierte mich wegen des Fussballs. Dort im August 1969 angekommen, stand ich dann also eines Morgens vor meiner Schulklasse und musste gleich Partei ergreifen: Everton oder Liverpool? Die Buben und Mädchen, alle aus unterprivilegierten Verhältnissen, wollten ein Bekenntnis von mir. Die Entscheidung geschah intuitiv – und es gab kein Zurück mehr: Ich war nun Anhänger des FC Liverpool. Drei Wochen später, als mein fussballbegeisterter Freund Patrice Bergues aus Frankreich zu Besuch kam, fuhren wir an die Anfield Road. Um eines vorweg zu nehmen: Wer für spannende neunzig Minuten zu dieser Europapokal-Partie gegen Dundalk (9-facher irischer Meister, die Red.) gekommen war, wurde enttäuscht. Liverpool gewann die Partie 10:0, damals ein Klubrekord. Schon zur Halbzeit führten die Gastgeber 5:0. Aber wer vermisste schon den Nervenkitzel? Die Show des FC Liverpool mit seinen Stars Evans, Lawler und Smith war eine Gala-Vorstellung, eine Darbietung mit Herzblut und Kampfgeist, wie ich es noch nie gesehen hatte. Sogar beim Stande von 8:0, kurz vor Schluss, drängten die Engländer leidenschaftlich nach vorne und schossen zwei Tore. Ein “physisches Commitment”. An diesem Abend des 16. September 1969 verliebte ich mich in den englischen Fussball. Ich unterrichtete in Französisch, spielte selbst im Team der Alsop-High-School und zwischendurch, wenn es die Zeit erlaubte,
Name: Gérard Houllier Geburtsdatum, Geburtsort: 3. September 1947, Thérouanne Stationen als Spieler: Liverpool Alsop, Hucqueliers, AC Le Touquet Stationen als Trainer: AC Le Touquet, US Noeux-les-Mines, RC Lens, Paris S aint-Germain, Frankreich, Liverpool, Olympique Lyon, Aston Villa, Red Bull (Sportdirektor) Grösste Erfolge: 3mal französischer Meister, Uefa-Pokal, FA Cup
besuchte ich die Heimmatches des grossen FC Liverpool. Es fiel mir nicht einfach, mein Studienjahr 1970 zu beenden. Wer wusste denn schon, dass ich an die gleiche Stätte fast 30 Jahre später wieder zurückkehren würde? Der Anruf von Peter Robinson kam nach der WM 1998. Ich hatte als Trainer bereits Erfolge mit Paris Saint-Germain und der französischen U18-Auswahl feiern können, als mir der damalige Chef des FC Liverpool eine Offerte unterbreitete, den Klub nach seinen Visionen aufzubauen. Was für eine Ehre. Noch nie hatte zuvor ein ausländischer Coach an der Anfield Road trainiert. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt ein interessantes Angebot aus Frankreich hatte, zögerte ich keinen Moment und unterzeichnete in Liverpool. Welch schöne Geschichten das Leben schreiben kann: Mit im Flieger nach Nordengland sass mein alter T H E F I FA W E E K LY
Freund Patrice Bergues. Der Klub engagierte ihn als meinen Assistenten. Unsere gemein samen Jahre in Liverpool – wir gewannen den Uefa-Pokal und den FA Cup – bleiben unvergessen. Und vom 10:0 reden wir heute noch. Å Aufgezeichnet von Alan Schweingruber
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37
FIFA - R ÄT SEL - CUP
The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)
Sieben Titel für einen Spieler und acht Mannschaften für einen Titel – raten Sie mit!
Internet: www.FIFA.com/TheWeekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. : +41-(0)43-222 7777 Fax : +41-(0)43-222 7878
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Bei der Eröffnungsfeier zur WM waren noch acht Mannschaften im Rennen um den Titel. Bei welcher WM?
Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio
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Chefredakteur: Thomas Renggli Art Director: Markus Nowak
Die Breite des Tors verhält sich zur Höhe wie ...
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A 2 : 1 O 3 : 1
Redaktion: Perikles Monioudis (Stv. Chefred.), Alan Schweingruber, Sarah Steiner
E 2,5 : 1 U 3,33 : 1
Ständige Mitarbeiter: Jordi Punti, Barcelona; David Winner, London; Hanspeter Kuenzler, London; Roland Zorn, Frankfurt/M.; Sven Goldmann, Berlin; Sérgio Xavier Filho, São Paulo; Luigi Garlando, Mailand Bildredaktion: Peggy Knotz
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Produktion: Hans-Peter Frei (Leitung), Richie Krönert, Marianne Bolliger-Crittin, Mirijam Ziegler, Peter Utz
Welcher Spieler ist siebenfacher Titelverteidiger mit seinem Club und der Nationalmannschaft?
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Korrektorat: Nena Morf Redaktionelle Mitarbeit in dieser Nummer: Honey Thaljieh, Giovanni Marti
Ein legendärer Torschütze in Wembley. Wer war der Gegner?
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E England Y Real Madrid
Redaktionssekretariat: Loraine Mcdouall
A AC Milan P Nordkorea
Übersetzung: Sportstranslations.com Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Kontakt: feedback-TheWeekly@fifa.org Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus dem The FIFA Weekly – auch auszugsweise – ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (© The FIFA Weekly, 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Das FIFA-Logo ist ein eingetragenes Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: POST (ausführliche Erklärungen auf FIFA.com/theweekly). Der Gewinner der zwei Eintrittskarten für den FIFA Ballon d’Or ist: Cordoba Burbano Nereida del Carmen, Mérida (Venezuela) Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 15. Januar 2014 an die E-Mail feedback-TheWeekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis am 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für den WM-Final am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Teilen Sie die Meinung von Sepp Blatter? Soll das Simulieren mit einer “Zeitstrafe” sanktioniert werden?
Wer ist der Fussballer, der die meisten Auszeichnungen gewann? Steg Limpar, Aarhus (Dänemark) Antwort von Thomas Renggli, Chefredakteur: Es kann nur einen geben: Franz Beckenbauer. Der Kaiser erhielt in seiner Karriere je nach Leseart zwischen 51 und 70 persönliche Auszeichnungen. Von der FIFA-Ehrennadel über den Ballon d’Or bis zum deutschen Verdienstkreuz (1. Klasse) gewann er alles, was es zu gewinnen gibt. In seiner Trophäensammlung stehen unter anderem: der ChampagnePreis für Lebensfreude, das Ehrendoktor-Diplom der nationalen Sportakademie Sofia, der Prinzenorden von Düsseldorf und der “Bravo Otto”. Ausserdem wurde er zum Generalbefehlshaber der Armee von Togo ernannt.
Antworten Sie unter: feedback-TheWeekly@fifa.org
Wer wird der Trainer des Jahres 2013?
(im Bild: Xavi) wurden bisher in die Mannschaft des Jahres gewählt – seit 2005 durch die internationale Spielervereinigung (FIFPro) das erste Mal diese Weltauswahl aufgestellt wurde. Mit 21 bzw. 10 Nominierten stehen Real Madrid und die AC Milan auf den Plätzen 2 und 3 des “Klubrankings”. Lionel Messi und Cristiano Ronaldo figurierten schon je sechsmal in den
40
52%
DAS NEUE FUSSBALL-MAGA ZIN The FIFA Weekly erscheint jede Woche freitags – als Printausgabe sowie als E-Magazin (www.Fifa.com/TheWeekly). Neben Berichterstattungen über Stars und Tore steht der Doppelpass mit den Lesern im Zentrum. Nehmen Sie an der Diskussion teil. Reaktionen an: feedback-TheWeekly@fifa.org
J UPP HEYNCKES A LEX FERGUSON JÜRGEN KLOPP
Spieler des FC Barcelona
Top 11.
15%
33%
D I E W E LTAU S WA H L
32
52+33+15
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE:
10
DER EVERGREEN
DAS COMEBACK
2
Monate
fehlte Lionel Messi dem FC Barcelona. Vor einer Woche gab der vierfache Weltfussballer des Jahres im Training sein Comeback. Seine ersten Schritte wurden beobachtet, als handle es
-mal gehörte die brasilianische Ausnahmekönne-
sich um den Champions-
rin Marta zu den Nominierten (auf der Short-List)
League-Final. Die Statistik
für die Auszeichnung als Weltfussballerin des
zum Training: Messi
Jahres. Sie gewann den Titel fünfmal. Am
erzielte drei Tore und
nächsten kommt ihr die Deutsche Birgit Prinz
bereitete einen Treffer vor.
mit acht Nominationen und drei Siegen.
Zuschauerzahl: 13 000.
T H E F I FA W E E K LY