The FIFA Weekly Ausgabe #18

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NR. 18, 21. FEBRUAR 2014

DEUTSCHE AUSGABE

Die Gegner Messi und Neymar in doppelter Mission

DÄNEMARK DAS WUNDER VON GÖTEBORG BLATTER EIN PLÄDOYER FÜR DEN VIDEOBEWEIS KAREMBEU VON DER INSEL AUF DEN FUSSBALLTHRON W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


I N H A LT

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Messi und Neymar: Freund und Feind Bisher überstrahlte der Argentinier Lionel Messi in Barcelona alle – und vertrieb selbst Ausnahmekönner wie Ibrahimovic, Villa oder Eto’o aus dem Fussballparadies. Seit dieser Saison muss er die Aufmerksamkeit mit dem Brasilianer Neymar teilen. Obwohl das Duo bisher in nur 30 Prozent aller absolvierten Spielminuten gemeinsam auf dem Platz stand, geht die Rechnung auf. Doch ­spätestens bei der WM ist die argentinisch-brasilianische Interessen­ gemeinschaft aufgehoben. Dann kämpfen Neymar und Messi im Nationaltrikot gegeneinander.

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Südamerikanischer Glamour in Malaysia Der Argentinier Pablo Aimar gilt in Malaysia als Vorbild für die einheimischen Fussballer. Richtig glücklich ist der 34-Jährige in Südostasien nicht, auch wenn seine Taten im Trikot von Johor Darul Ta’zim eine andere Sprache sprechen.

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WM 2014: Kampf gegen Doping und Hitze Die Endrunde in Brasilien erfordert auch medizinisch ausserordentliche Vorkehrungen. Dies betrifft unter anderem die Dopingkontrollen, aber auch Massnahmen gegen die Hitze. Zusätzliche Pausen und der Einsatz von Erfrischungstüchern könnten gestattet werden.

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latter: Die grosse Video-Debatte B Wie weit soll der Videobeweis in die Regelauslegung einfliessen? FIFA-Präsident Blatter vertritt eine klare Meinung: Bei gravierenden Verstössen gegen den Fair-Play-Gedanken müssen die Disziplinar­ organe nach dem Spiel auf offensichtliche Fehlentscheidungen zurückkommen können – auch bei Schwalben und Zeitschinden.

Schiedsrichter Sepp Blatter plädiert für den Videobeweis

Das Wunder von Dänemark Mit dem Gewinn des EM-Titels gelang Dänemark 1992 eine der grössten Überraschungen in der Fussballgeschichte. Im Zentrum des Triumphs stand der kürzlich verstorbene Trainer Richard Möller Nielsen. Ein Rückblick auf ein Fussball-Märchen und ein Nachruf auf eine grosse Persönlichkeit.

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eekly Top 11: Die besten Spieler aus dem Kosovo W Der kosovarische Fussball-Verband sitzt im Wartezimmer des Weltfussballs. The FIFA Weekly sagt, welche Spieler für eine mögliche Nationalmannschaft in Frage kämen.

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ucien Favre glaubt nicht an Brasilien L Lucien Favre, bester Trainer der Bundesliga-Vorrunde, erzählt im The-FIFA-Weekly-Interview von seinen Zukunftsplänen, erklärt, wie Deutschland ihn verändert hat, und sagt, warum die Seleção die WM nicht gewinnen wird.

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C hristian Karembeu: “Ich bin ein Kind der Insel” Mit 17 Jahren nahm Karembeu eine Reise von 2 ­ 0 000 km auf sich und legte in Frankreich beim FC Nantes den Grundstein für eine grosse Karriere. Der Welt- und Europameister hat dennoch nie vergessen, wo seine Wurzeln sind.

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Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

Prof. Jiri Dvorak Neue WM-Massnahmen gegen Hitze und Doping

U-17 Frauen-Weltmeisterschaft 15. März bis 4. April 2014, Costa Rica

T H E F I FA W E E K LY

Blue Stars/FIFA Youth Cup 28. bis 29. Mai 2014, Zürich

Cover: David Ramos / Getty Images

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com


D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S

Europa 53 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

Richard Möller Nielsen Ein genialer Trainer geht

Lucien Favre Im Interview

Die Gegner Beim Klubspiel des FC Barcelona gegen Sevilla am 14. September 2013 umarmt der Brasilianer Neymar seinen argentinischen Teamkollegen Lionel Messi nach dessen Treffer. Bei der WM im Juni riskieren die südamerikanischen Superstars, zu Widersachern im Nationaltrikot zu werden. Pablo Aimar Vorbild mit Heimweh

Christian Karembeu Im Herzen in der Heimat geblieben

Getty Images, Foto-Net, Keystone

Volker Finke Hoffnungsträger in Kamerun

Fussball-Weltmeisterschaft 12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien

U-20 Frauen-Weltmeisterschaft 5. bis 24. August 2014, Kanada

T H E F I FA W E E K LY

Olympische Jugendfussball­ turniere 15. bis 27. August 2014, Nanjing

FIFA Klub-Weltmeisterschaft 10. bis 20. Dezember 2014, Marokko

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UNCOVERED

Wie Pelé und Maradona

Tango-Samba Messi und Neymar verzaubern in Barcelona die Fans. Im Juni wird die gemeinsame Mission vorübergehend eingestellt.

Thomas Renggli

David Ramos / Getty Images

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ohn Lennon und Paul McCartney, Stan Laurel und Oliver Hardy, Magic J ­ ohnson und Michael Jordan. Das Zusammenspiel von Ausnahmetalenten schafft den Stoff für Legenden. Doch eins und eins macht nicht zwangsläufig zwei. Die Summe von herausragenden Individualisten ist nicht immer ein Dreamteam – schon gar nicht im Fussball. Der FC Barcelona hält von solchen Bedenken wenig und stellt seinem argentinischen Ballzauberer Lionel Messi dessen brasilianisches Äquivalent Neymar zur Seite. Die Fussballwelt blickt gespannt auf Camp Nou. Ist die Steigerung des Superlatives tatsächlich möglich? Oder verglüht Himmelstürmer Neymar neben Superstar Messi – wie zuvor andere, die als potentielle Traumpartner nicht aus der hauseigenen Talentschmiede La Masia stammten? Wird Neymar zum Messi-Opfer – wie vor ihm Ibrahimovic, Eto’o oder David Villa? Eine Momentaufnahme spricht für den Erfolg der

katalanischen Zusammenführung der brasilianisch-argentinischen Fussballkunst. Messi und Neymar funktionieren auf Klubebene im Rennen um alle wichtigen Titel. Bis zum nächsten Mai will das kongeniale Duo den europäischen Fussball aufmischen. Im Juni muss die Liaison der Ballvirtuosen pausieren: Dann heisst es anlässlich der Weltmeisterschaft in Brasilien nicht Neymar mit Messi – sondern Neymar gegen Messi. Brasilien gegen Argentinien. Veranstalter Brasilien geht als grosser ­Favorit ins Turnier. Alles andere als der Titelgewinn wäre für die Seleção eine nationale Tragödie. Der 22-jährige Neymar steht vor ­ ­seiner persönlichen WM-Premiere unter höchstem Druck. Auch Messi ist gefordert. Mit 26 Jahren verfügt er über weltmeisterliche Routine und Reife. Auf dem Terrain des ­grossen Rivalen bietet sich ihm die beste Chance zum Titelgewinn – vielleicht die letzte. Brasilien oder Argentinien? Bisher liess sich der Vergleich der beiden südamerikanischen Fussball-Giganten an zwei anderen NaT H E F I FA W E E K LY

men festmachen: Pelé und Maradona. Wer ist der grösste Fussballer der Geschichte? Die FIFA umdribbelte die Antwort elegant und ernannte beide zum Fussballer des 20. Jahrhunderts. Der dreifache Weltmeister Pelé wurde von einer Fachjury ausgezeichnet, Maradona, Champion von 1986 und “Hand ­ Gottes”, siegte in einer Internetumfrage. Pelé reagierte mit Unverständnis: “Es ist wie in der Musik. Dort gibt es Beethoven und die anderen. Und im Fussball gibt es Pelé und die anderen.” Zuvor hatte Maradona durch seine Ehefrau ausrichten lassen, dass er nur an der Preisverleihung in Rom teilnehmen werde, wenn er garantiert gewinne. Pelé oder Maradona? Brasilien oder Argentinien? Neymar oder Messi? In Barcelona sind momentan noch zwei Namen zulässig: Neymar und Messi. Spätestens am 13. Juli 2014 wird im Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro aber eine klare Antwort fällig. Å

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MESSI – NEYMAR

Und dann kam

Neymar Er wurde mit praktisch jedem Spitzenklub in Verbindung gebracht und hat sich für den FC Barcelona entschieden. Nun muss er sich neben Lionel Messi beweisen. Aber: Schon an der WM in Brasilien könnten sich die beiden Stars gegenüberstehen.

David Ramos / Getty Images

I

Jordi Punti

m Fussball sind die Traditionen wichtig, weshalb gesagt werden kann, dass der Ursprung der Verpflichtung Neymars auf das Jahr 1931 zurückgeht: Als das brasilianische Team Vasco da Gama ­seine erste Europatournee unternahm. Ende Juni jenes Jahres bestritt der Klub aus Rio de Janeiro zwei Freundschaftsspiele gegen Barça, und irgendjemand wurde auf zwei seiner Stars aufmerksam: auf Fausto dos Santos, einen Mittelfeldspieler, und auf einen extravaganten Torhüter namens Jaguaré Bezerra de Vasconcelos. Kurze Zeit später unterbreitete ihnen der katalanische Klub ein Angebot, und beide blieben, um in Spanien zu spielen. Das waren die ersten dunkelhäutigen Fussballer in den Reihen des FC Barcelona. Die ­Fotos aus jener Zeit zeigen zwei hochgewachsene und elegante Sportsleute, gut frisierte Dandys, immer mit einer Zigarette in der Hand. Es waren andere Zeiten. Im Fall von Jaguaré stellte sich ausserdem sehr bald heraus, dass er ein übermütiger Spassvogel war. In den Chroniken wird er als jemand dargestellt, der gern auf Risiko spielt und die Gegner nicht selten reizt. Er versuchte beispielsweise, den Ball mit einer Hand zu fangen, um ihn dem Gegenspieler T H E F I FA W E E K LY

höhnisch zu zeigen, oder er provozierte den Gegner mit absurden, völlig unnötigen Dribblings. Da der spanische Verband den beiden Brasilianern nicht erlaubte, an den offiziellen Spielen teilzunehmen, machten sich Jaguaré und Dos Santos am Ende jener Spielzeit auf zu neuen Ufern. Der Mittelfeldspieler wurde zu den Young Boys Bern in die Schweiz transferiert, Jaguaré ging nach Frankreich. Der Torhüter landete schliesslich bei Olympique Marseille, wo seine Scherze noch grössere Berühmtheit erlangten und er als erster Torhüter bekannt wurde, der Handschuhe verwendete. Auch wenn ihre Gastspiele beim katalanischen Team kaum mehr als eine Anekdote sind, stehen die beiden Spieler für den Beginn einer wertvollen und erfolgreichen Tradition: Seitdem haben mehr als 30 Brasilianer für Barça gespielt. Allgemein werden sie mit kreativem und schönem Fussball in Verbindung gebracht – und mit dem Klischee eines fröhlichen Lebenswandels. Die Liste der Namen beinhaltet einige Reinfälle, aber vor allem zahlreiche Spieler, die Spuren hinterliessen. Insbesondere in den 1980er-Jahren kursierten in den Medien regelmässig Gerüchte über einen “neuen Pelé”, den angeblich alle grossen Klubs verpflichten wollten. Nein, es ist nicht nötig, die Fehleinkäufe aufzuzählen – man könnte eine ordentliche Mannschaft daraus bilden. Aber es lohnt sich sehr wohl, zum Beispiel an jene fantastischen Jahre zu erinnern, in denen Romario (1993–95), Ronaldo (1996–97), Rivaldo (1997–2002) und Ronaldinho (2003–2008) sich die Klinke in die Hand gaben. In den letzten Jahren hat der FC Barcelona vor allem ein Auge auf brasilianische Aussenverteidiger geworfen, die, wie man weiss, im 7



MESSI – NEYMAR

“Die Champions League ist grossartig, aber die WM ist etwas ganz Besonderes.”

David Ramos / Getty Images

Lionel Messi

Grunde Mittelfeldakteure sind. Zu nennen wären Sylvinho, Belletti, Maxwell, Adriano und Alves. Bei der Analyse all dieser Verpflichtungen fällt ein klares Muster auf: Damit ein Brasilianer in Barcelona triumphieren kann, muss er sich zuvor in Europa eingewöhnt haben. Romario und Ronaldo spielten zunächst in Holland. Ronaldinho kam über Paris Saint-Germain zu Barça. Es scheint, als gelänge es den brasilianischen Spielern erst nach einigen regenreichen Winterabenden in einem holländischen, deutschen oder französischen Stadion, ihre Fantasie wirkungsvoll einzusetzen ... Doch dann kam Neymar. Er stiess vom FC Santos dazu – mit 21 Jahren, einem ansteckendem Lächeln, langen Beinen und rebellisch geschnittenem Haar –, ohne zuvor in einer anderen europäischen Liga gespielt zu haben, doch zugleich ohne den geringsten Zweifel an seiner Fähigkeit, sich die Spielphilosophie des FC Barcelona zu eigen machen zu können. Die Geschichte wiederholt sich oft, aber nicht immer. Um alle Pessimisten und Statistikpropheten zu beruhigen, hier zwei Argumente, die für die Verpflichtung von Neymar sprechen: Das erste ist die Globalisierung des Fussballs. Heutzutage können wir uns jederzeit Spiele aus ­a llen Kontinenten anschauen, wir erfahren zeitgleich alle Einzelheiten aus den grossen ­Ligen und üben in den Videospielen neue Kombinationen ein. Pelé beispielsweise hatte Santos – ausser für sein spätes Abenteuer bei Cosmos New York – nie verlassen, obwohl er Dutzende Angebote hatte. Doch das war in den 1960er-Jahren, als in Europa niemand wusste, wie man eine Feijoada kocht. Heute kommt Neymar ruhmreich im spanischen Fussball an – mit einer Sammlung von Spielzügen und Treffern, die wir dutzendfach im Internet gesehen haben. Neben Neymars medialer Bekanntheit gibt es noch ein zweites Argument, das für ihn spricht. Er ist in einem Moment der Ruhe zum FC Barcelona gestossen. Er soll zwar für mehr Qualität sorgen, steht aber unter keinem ­grösseren Druck als jeder andere Star, dem eine grosse Zukunft prophezeit wird. T H E F I FA W E E K LY

Und er kam ohne das Gefühl an, irgendjemanden retten zu müssen. Obwohl er finanziell attraktivere Angebote aus Europa vorliegen hatte, wählte Neymar den FC Barcelona. Die Gründe waren das grosse Prestige des Klubs und die offensichtliche Verlockung, an der Seite von Messi und in der – in den letzten Jahren – besten Mannschaft der Welt zu spielen. Erst später wurde diese Ruhe durch unerwartete Ereignisse gestört. Es gab selten eine so hindernisreiche Saisonvorbereitung für den FC Barcelona als in diesem Jahr. Der gesundheitliche Rückfall von Tito Vilanova hatte die abrupte Trennung des Coaches von der Mannschaft und die Ankunft eines neuen Trainers zur Folge. In aller Eile wurde der Argentinier Gerardo Tata Martino verpflichtet. Ende Juli stiessen dann die Spieler zum Kader, die am Konföderationen-Cup teilgenommen hatten. Zu ihnen gehörte der Neuling Neymar, bei dem nach einer medizinischen Untersuchung eine Blutarmut festgestellt worden war. Einige Tage später erreichte er wieder sein Idealgewicht. Es war nur drei Wochen hin bis zum Beginn der neuen Saison, und es herrschte das Gefühl, dass der FC Barcelona eine halb fertige Mannschaft hatte. Martino wiederholte ein ums andere Mal, es sei seine Absicht, die Fussballphilosophie von Pep Guardiola und Tito Vilanova fortzuführen. Es wurde über die Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers ­spekuliert, doch Neymar blieb der einzige Neuzugang in diesem Jahr, und die Fans waren nicht sicher, ob sein fröhliches Posieren auf den ersten Fotos reine Naivität oder eher ein Zeichen von Optimismus war. Neymar und Messi Kaum waren die ersten Trainings und Freundschaftsspiele vergangen, richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf das Thema, das die Gedanken der Fans seit Monaten beschäftigte: Wie passen Messi und Neymar auf dem Feld zusammen? Sind sie dazu bestimmt, sich zu ergänzen? Werden sie zum Albtraum der gegnerischen Verteidiger? Die Euphoriker stellten schon 9


MESSI – NEYMAR

430 Gramm Feijoada Ein Nationalgericht aus der Dose gilt nirgendwo als kultiviert. In Europa aber ist das Fleisch-­ Bohnen-Reis-Gericht aus Brasilien auch in dieser Form beliebt.

­ ositive Vergleiche an. Messi und Neymar seien p wie Michael Jordan und Magic Johnson, Lennon und McCartney, Batman und Robin. Auf der anderen Seite standen die Skeptiker – eine Gruppe, die unter den Barça-Fans besonders viele Mitglieder zählt, vor allem unter den Älteren, die Epochen voller Sehnsucht und ­Niederlagen erlebt haben. Sie fürchteten vornehmlich um das Gleichgewicht der Egos. ­Gewiss sei Messi ein aussergewöhnlicher und mannschaftsdienlicher Spieler, sagten sie, doch nicht selten würde sein Spiel Opfer in den eigenen Reihen fordern. Man dachte an Eto’o, ­Ibrahimovic oder in diesem Jahr David Villa: Grosse Namen, die den Klub unter dem Verdacht verliessen, nicht mit dem Genie harmoniert zu haben. Vielleicht aufgrund dieser Befürchtungen suchte die Presse in den ersten gemeinsamen Tagen von Messi und Neymar ständig nach ­einem Foto, das sie vereint zeigte. Sie wiederholte die Willkommensgrüsse von Messi oder die Erklärung Neymars, dass er den Argentinier als besten Spieler der Welt anerkenne. Symbolische Gesten. Es ist uns zwar allen klar, dass grosse Fussballer normalerweise das Spiel ihrer Kameraden verbessern, doch bisher war es schwierig, sich von der Beziehung zwischen Messi und Neymar ein vollständiges Bild zu machen. Seit Beginn der Saison scheinen beide Akteure geradezu von einem Fluch verfolgt zu werden, der sie daran hindert, gemeinsam auf dem Platz zu stehen. Nachdem sie im November 2013 damit

die Kombinationen und Pässe, die wir uns alle vorgestellt hatten, waren nur spärlich zu sehen. Am vergangenen Samstag setzte sich der FC Barcelona 6:0 gegen Rayo Vallecano durch, ein Sieg, mit dem die Katalanen ihre Führung in der Meisterschaft verteidigen konnten. Messi traf doppelt, Iniesta und Cesc boten einmal mehr ein Festival der Ballbeherrschung, und am Ende kehrte auch Neymar nach seiner Verletzung wieder zurück und hatte noch Zeit, ein aussergewöhnliches Tor zu erzielen. Messi war da bereits ausgewechselt worden. Sie waren nur zwölf Minuten lang gemeinsam auf dem Rasen, doch erneut war dieses vorübergehende Zusammenspiel ein Versprechen von grösseren Dingen, die da kommen sollten, wenn die wichtigste Phase der Saison mit der K.-o.Runde der Champions League und den entscheidenden Meisterschaftsspielen ansteht. Denn wirklich interessant wird es sein, wie die Chemie zwischen den beiden langfristig funktioniert, etwa dann, wenn sich die persönlichen Ziele mit den Erfolgen der Mannschaft kreuzen. Messi und Neymar werden für dieselben Farben spielen und Erfolge teilen, doch es darf nicht vergessen werden, dass sich am Horizont die WM in Brasilien 2014 immer ­ ­k larer abzeichnet. Wenn die Saison beendet ist, werden die sportlichen Herausforderungen die beiden Akteure auf verschiedene, um nicht zu sagen gegensätzliche Wege führen können. Laut Statistik ist Argentinien ein ernsthafter Kandidat für den Gewinn des Weltmeistertitels 2014. Mit seinen 26 Jahren verfügt Messi

“Wir haben die WM natürlich schon alle im Hinterkopf.” Lionel Messi

begonnen hatten, sich in der Offensive Barce­ lonas abzustimmen, verletzte sich Messi bei dem Versuch, einen Pass von Neymar zu er­ reichen. Es war die dritte Verletzung in dieser Saison, die ihn zudem fast zwei Monate lang zum Zuschauen zwang. Im Januar 2014 absolvierte der Argentinier endlich wieder ein Pflichtspiel, doch nur eine Woche darauf war es Neymar, der sich in einer Pokalbegegnung verletzte: Stauchung des Knöchels, ein Monat Pause. Im Verlauf dieser Spielzeit haben Messi und Neymar lediglich in 30 Prozent der absolvierten Spielminuten zusammen agiert. Es kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass ihr gemeinsames Spiel nach wie vor eher ein Versprechen als Realität ist. Beide haben gute Leistungen gezeigt, ins­ besondere Messi. Doch der spielerische Austausch, 10

inzwischen über die erforderliche Reife für den WM-Titel mit seiner Nationalmannschaft. Es bietet sich ihm eine grossartige Gelegenheit, einen Titel zu erringen, der ihn zum besten ­Spieler der Geschichte krönen könnte. Maradona gewann die WM mit 25 Jahren, Zidane war 26, Iniesta ebenfalls 26. Es ist aber das kleine Detail zu berücksichtigen, dass Messi die Weltmeisterschaft ausgerechnet in einem Finale im Maracana-Stadion gewinnen müsste. Dabei kann das brasilianische Team um Neymar ein Hindernis sein. Brasilien mit Neymar und Argentinien mit Messi im WM-Finale 2014: Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht auszudenken, welche Dramatik diese ­Begegnung auslösen würde. Å

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MESSI – NEYMAR

D i e “ O p fe r ” vo n L io n e l Me s s i Samuel Eto’o (Kam)

Zlatan Ibrahimovic (Swe)

David Villa (Esp)

In Barcelona

In Barcelona

In Barcelona

2004–09, 145 Spiele, 108 Tore

2009–10, 29 Spiele, 16 Tore

2010–13, 77 Spiele, 33 Tore

Position

Position

Position

Angriff

Angriff

Angriff

Kam von

Kam von

Kam von

RCD Mallorca (Esp)

Inter Mailand (Ita)

CF Valencia (Esp)

Ging zu

Ging zu

Ging zu

Inter Mailand (Ita)

AC Milan (Ita)

Atlético Madrid (Esp)

Weltmeister

Weltmeister

Weltmeister

2010

FIFA World Player of the Year

FIFA World Player of the Year

FIFA World Player of the Year

Pionier: Fausto dos Santos (Bra) In Barcelona 1931, kein Pflichtspiel Position Mittelfeld Kam von Vasco da Gama (Bra) Ging zu Young Boys Bern (Sui) Weltmeister – Gestorben

Getty Images

1939, im Alter von 34 Jahren

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MESSI – NEYMAR

B a r c e l o n a s b r a s i l i a n i s c h e St a r s Romario (Bra)

Ronaldo (Bra)

Rivaldo (Bra)

In Barcelona

In Barcelona

In Barcelona

In Barcelona

1993–95, 46 Spiele, 34 Tore

1996–97, 37 Spiele, 24 Tore

1997–2002, 157 Spiele, 86 Tore

2003–08, 145 Spiele, 70 Tore

Position

Position

Position

Position

Angriff

Angriff

Angriff

Angriff

Kam von

Kam von

Kam von

Kam von

PSV Eindhoven (Ned)

PSV Eindhoven (Ned)

Deportiva La Coruña (Ned)

Paris Saint-Germain (Fra)

Ging zu

Ging zu

Ging zu

Ging zu

Flamengo (Bra)

Inter Mailand (Ita)

AC Milan (Ita)

AC Milan (Ita)

Weltmeister

Weltmeister

Weltmeister

Weltmeister

1994

1994, 2002

2002

2002

FIFA World Player of the Year

FIFA World Player of the Year

FIFA World Player of the Year

FIFA World Player of the Year

1994

1996, 1997, 2002

1999

2004, 2005

Pionier: Jaguaré Bezerra de Vasconcelos (Bra) In Barcelona 1931, kein Pflichtspiel Position Torhüter Kam von Vasco da Gama (Bra) Ging zu Olympique Marseille (Fra) Weltmeister – Gestorben 1946, im Alter von 41 Jahren

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Ronaldinho (Bra)

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NEYMAR

“Mir war nicht klar, wie gut er wirklich ist” Sie sind jetzt seit einigen Monaten in Barcelona. Glauben Sie, dass Sie sich seit Ihrem Weggang von Santos als Spieler bereits verändert haben?

darüber unterhalten. Es war eine Riesen­ freude, den Konföderationen-­Pokal zu gewinnen.

Neymar: Nein, ich bin immer noch der­ selbe. Obwohl ich natürlich Erfahrung dazu gewonnen habe. Eben durch die Tatsache, dass ich in einem anderen Land, an einem anderen Ort, in einem anderen Umfeld bin. Man eignet sich andere Dinge an, lernt eine neue Kultur kennen. Und das ist sehr gut.

Darf man erfahren, was Sie sich über dieses Spiel so erzählen?

Sprechen Sie schon Spanisch? Ein bisschen [sagt er auf Spanisch, die Red.]. Es ist dem Portugiesischen sehr ähn­ lich, wenn auch etwas schwieriger.

Hat es Sie überrascht, wie schnell Sie sich bei Ihrem neuen Klub eingewöhnt haben? Nein, überrascht hat es mich nicht. Gott sei Dank hatte ich viel Glück, vor allem, weil ich hier eine tolle Mannschaft vorgefunden habe, mit Spielern, die mich sehr gut auf­ genommen haben. Das gilt für den ganzen FC Barcelona. Das sind Spieler, die in ihrem Leben schon fast alles gewonnen haben und trotzdem bescheiden geblieben sind. Das ist der Hauptgrund dafür, dass alles gut läuft.

Wir scherzen. Aber das sind Scherze, die unter uns bleiben.

Als Trainer ist er ein ganz einfacher, bescheidener Mensch, genau wie wir. Er macht Scherze, aber er greift wenn nötig auch hart durch. Er ist ein Mensch, der hart arbei­ tet und immer gewinnen will. Damit hat er die Mannschaft für sich gewonnen.

Was hat sich bei der Seleção mit der Ankunft Scolaris verändert?

Was bedeutet es für Sie, die erste WM zu bestreiten, noch dazu zu Hause?

Ich weiss nicht, was sich verändert hat. Ich glaube, die Mannschaft hat sich eine eigene Identität aufgebaut. Wir brauchten Zeit, um zu trainieren und uns besser ken­ nenzulernen, damit der Spielfluss zustande kommt. Beim Konföderationen-Pokal hatten wir diese Zeit und es ist gut gelaufen. Der Zusammenhalt der Mannschaft war auf und neben dem Platz einfach fantastisch und hat jeden von uns noch zusätzlich motiviert, sich für den anderen ins Zeug zu legen. Das hat uns zum Titelgewinn verholfen.

Uns ist sehr wohl bewusst, dass dies eine einzigartige Chance ist. Wir freuen uns ausserdem sehr darüber, dass Menschen aus anderen Ländern nach Brasilien kommen und unsere Kultur und unser Land kennenlernen werden. Ich weiss, dass Brasilien seine Türen für die ganze Welt öffnen wird.

Sie haben sich immer begeistert über Lionel Messi geäussert, aber jetzt wird er ein direkter Rivale im Kampf um die Verwirklichung des grossen Traums sein ... (Lacht) Ja, ich habe sogar schon mit ihm über ein mögliches Finale zwischen Brasilien und Argentinien gesprochen. Mit Brasilien als Weltmeister natürlich. Ich war immer ein Fan von ihm und jetzt, da ich ihn kenne, gilt das umso mehr. Ich habe das Glück, jeden Tag an seiner Seite zu sein, und ich wünsche ihm für alles nur das Beste.

Was vermissen Sie an Brasilien? Ich vermisse mein Zuhause schon. Meine Freunde und meine Familie fehlen mir immer. Aber wie ich schon sagte, bin ich auch sehr glücklich darüber, dass ich neue Dinge ken­ nenlernen kann. Es war mein Kind­ heitstraum, bei einem europäischen Klub zu spielen. Diesen Traum lebe ich jetzt.

Gibt es etwas, das Sie an ihm überrascht hat, seit er Ihr Teamkamerad ist? Er hat mich sehr überrascht. Selbst als Spieler. Als ich ihn nur im Fernsehen gesehen habe, war mir nicht klar, wie gut er wirklich ist.

Sind die Barça-Fans mit denen des FC Santos zu vergleichen? Können Sie unbehelligt durch die Strassen gehen?

Welche Botschaft möchten Sie den Fans im Hinblick auf das Turnier im Juni mit auf den Weg geben?

Sie sind ebenfalls herzlich und fanatisch. Und ich kann unbehelligt durch die Strassen gehen. Einige erkennen mich natürlich, aber das ist normal.

FIFA via Getty Images

Was zeichnet “Felipão” als Trainer besonders aus?

Ich hoffe, dass sie uns bis zum Finale anfeuern werden. Wir werden alles für sie geben. Å Mit Neymar sprach Alejandro Varsky

Als Sie das Finale des Konföderationen-Pokals bestritten, stand Ihr Wechsel zum FC Barce­ lona bereits fest. Was war das für ein Gefühl, in diesem Stadium des Turniers Ihren künftigen Teamkameraden gegenüberzustehen? (Lacht) Das war schon etwas anderes, in einem Finale gegen meine künftigen Kollegen anzutreten. Inzwischen haben wir uns schon T H E F I FA W E E K LY

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A FIFA World Cup in Brazil is just like Visa: everyone is welcome.

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BLICK IN DIE LIGEN

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N Kamerun: Elite One

Eindruck machen Mark Gleeson ist ein südafri­ kanischer Journalist und Fuss­ ball-Kommentator und lebt in Kapstadt.

Die Fussball-WM rückt immer näher und allmählich läuft den Spielern in der Liga Kameruns die Zeit davon, um Nationaltrainer Volker Finke noch mit starken Leistungen zu beeindrucken und sich damit einen Platz im Kader für Brasilien zu sichern.

Imago

Der Sprung ins Team der “Unzähmbaren Löwen” ist bislang ohnehin nur wenigen Spielern aus der heimischen Liga gelungen, da so viele talentierte Kameruner in den grossen Ligen rund um die Welt spielen. Dennoch gibt es für den Auswahltrainer den Druck, zumindest einen oder zwei Spieler aus einheimischen Klubs zu nominieren. 2010 schaffte es nur ein einziger Akteur eines kamerunischen Klubs in den Kader für Südafrika, nämlich der junge Stürmer Vincent Aboubakar, der schon bald darauf vom französischen Klub Valenciennes abgeworben wurde und heute in der Ligue 1 für Lorient spielt, wo er sich in dieser Saison als sehr erfolgreicher Torjäger auszeichnet.

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I

Die Meisterschaft in Kamerun hat erst kürzlich begonnen, sodass es für die Spieler noch schwerer ist, tatsächlich durch starke Leistungen zu beeindrucken. Die neue Saison in Kamerun ist gerade einmal vier Wochen alt, und erneut haben sich die anderen Klubs das Ziel gesetzt, die Vorherrschaft von Coton Sport aus Garoua zu beenden, dem Verein, der im letzten Jahrzehnt die Szene beherrscht hat. Seit 2001 hat das Team 10 von 13 Meisterschaften gewonnen und im vergangenen Oktober das Halbfinale der CAF Champions League erreicht, in dem man erst im Elfmeterschiessen gegen den späteren Titelträger Al Ahly aus Ägypten ausschied. Es ist ungewöhnlich, dass ein Klub aus einer Provinzstadt eine solche Machtposition in einer afrikanischen Liga hält, wo die meisten Ressourcen in den grossen städtischen Zentren konzentriert sind. Früher war es im kamerunischen Fussball so, dass Klubs aus der wichtigen Handelsstadt Douala und der Hauptstadt Yaoundé die Meisterschaften meist unter sich

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ausmachten. Vereine wie Union Douala und Canon Yaoundé gewannen die kontinentalen Vereinswettbewerbe und in den 70er- und 80er-Jahren war nicht nur die Nationalmannschaft Kameruns eine Macht, sondern auch die Klubmannschaften des Landes. Dann jedoch gelang es Coton Sport aus dem trockenen Norden, die Machtverhältnisse grundlegend zu verschieben. Ein entscheidender Faktor dabei waren die Ressourcen des halbstaatlichen Unternehmens, dem der Klub gehört. Diese ermöglichten die Verpflichtung von Spielern aus anderen afrikanischen Ländern sowie von mehreren französischen Trainern, nämlich Denis Lavagne, Alain Oumbléon, Sebastien Desabre und jetzt Didier Gomez Da Rosa. Coton Sport ist mit vier Spielen ohne Niederlage in die neue Saison gestartet (zwei Siege und zwei Unentschieden) und verharrt mit nur zwei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer Unisport Bafang in Lauerstellung. Å

“Die Zeit wird knapp, um National­ trainer Volker Finke zu beeindrucken.”

Buntes Schuhwerk Die Spieler des Kameruner Coton Teams. T H E F I FA W E E K LY

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Liga ZON Sagres

Benfica im Höhenflug Jordi Punti ist Romanautor und Verfasser zahlreicher Fussball-­ Features in den spanischen Medien.

Der Adler mit dem Namen Vitória ist im Wappen des beliebten portugiesischen Spitzenklubs Benfica Lissabon anzutreffen, aber auch in luftiger Höhe. Kurz vor dem Anpfiff jeder Partie im Estadio da Luz schwingt sich nämlich ein echter, mit rot-weissen Bändern geschmückter Adler in den Himmel und dreht unter dem donnernden Applaus der Fans einige Kreise durch das Stadion, bevor er schliesslich auf dem Vereinswappen landet.

Die Zuschauer sassen bereits auf ihren Sitzen und die Spieler schickten sich an, das Spielfeld zu betreten, als der Wind Teile der Dachkonstruktion mit sich riss und einige Scheiben zu Bruch gingen. Angesichts der Gefahrenlage wurde die Partie abgesagt und der Adler kehrte in seine Behausung zurück. Drei Tage später konnte das Spiel dann stattfinden; ohne Wind und mit der gewohnten Leidenschaft, die ein solches Derby ausmacht. Mit einem komfortablen 2:0-Sieg und Toren der Argentinier Gaitán und Enzo Pérez untermauerte Benfica seine Titelambitionen. Dazu muss man sagen, dass dies in Portugal keine Überraschung ist. Benfica ist der Klub mit den meisten Titelgewinnen in der heimischen Liga. Tatsächlich gingen bisher fast alle Titel an einen von drei Vereinen: Benfica, FC Porto und Sporting Lissabon. 16

Das Siegen gewohnt Lazar Markovic nach seinem Treffer für Benfica in Pacos de Ferreira (2:0 am 16. Februar).

Seit 1934 hat nur bei zwei Gelegenheiten keiner dieser drei Traditionsklubs die Meisterschaft gewonnen. Allerdings war es in den letzten Jahren der FC Porto, der die Liga dominierte, wobei Benfica dem Klub immer dicht im Nacken sass. In dieser Saison scheint das Team von Trainer Jorge Jesús nun aber die beständigeren Leistungen zu bieten. Daher sollte man den Sieg der “Adler” gegen Sporting als eine Bestätigung der Titelchancen des Teams sehen, auch wenn sich bei den Fans bereits etwas Pessimismus breitmachte. Der Weggang von Nemanja Matic im Winter-­ Transferfenster (er wechselte zu Chelsea) sowie die langfristige Verletzung von Torjäger Óscar Cardozo aus Paraguay liessen einige Zweifel an den Lissabonnern aufkommen. Allerdings treten Akteure wie Lima und Roberto immer stärker in den Vordergrund, und das Team überzeugte gegen den Lokalrivalen mit viel Ballbesitz, kontrollierte den Gegner und liess ihm keine Chance. Der beste Beweis dafür ist, dass Sportings bester Torschütze Fredy Montero bis zur 82. Minute zu keinem einzigen Torschuss kam. Die portugiesische Liga ist traditionell eine Art Vorzimmer für südamerikanische Spieler, die nach Europa wechseln. Da die Akteure aus dem eigenen Land bei den besten Klubs Europas aktiv sind, verpflichten die portugiesischen Vereine Nachwuchsspieler aus SüdT H E F I FA W E E K LY

amerika. Wenn sie die Feuerprobe in Portugal einmal bestanden haben, triumphieren sie später häufig auch in stärkeren Ligen. Gleichzeitig können Routiniers, die jahrelang in Europa aktiv waren, ihre Karriere in dieser Liga auf etwas geruhsamere Weise beenden. Ein Blick auf die Torjägerliste genügt, um diesen Zusammenhang zu erkennen: Kolumbianer und Brasilianer stehen in Portugal ganz oben auf der Torschützenliste, von Jackson Martínez oder Freddy Montero bis hin zu Derley oder Evandro. In diesem Zusammenhang liegt die grösste Stärke Benficas derzeit darin, dass es dem Klub gelungen ist, eine Reihe junger und engagierter Spieler für sein Projekt zu gewinnen. Nach den Partien des letzten Wochenendes konnte Benfica seine Positivserie fortsetzen und führt die Tabelle mit vier Punkten Vorsprung auf den FC Porto und fünf auf Sporting weiterhin an. Noch stehen zwar viele Spiele aus, aber bei dem Team mit dem Adler im Wappen weiss man, dass dieser Vorsprung möglichst bis zum letzten Spieltag der Meisterschaft im Mai gehalten werden sollte. Gegner ist nämlich kein Geringerer als der grösste Rivale: der FC Porto. Da will man möglichst kein Risiko eingehen, denn für die Benfica-Fans gäbe es im Todesjahr des grossen Eusébio nichts Schöneres, als dem “schwarzen Panther”, dem grossen Star des Teams, mit einem Meistertitel die Ehre zu erweisen. Å

Rafael Marchante / Reuters

Der 8. Februar war einer der Tage, an denen der Adler mehr Symbolcharakter hatte denn je: Benfica, der Tabellenführer der portugiesischen Liga, trat im Lokalderby gegen den Erzrivalen und Tabellenzweiten Sporting Lissabon an. Und doch war bereits einige Minuten vor der Partie klar, dass Vitória seine Flügel nicht ausbreiten würde. Plötzlich fegten nämlich orkanartige Windböen durch das Stadion, die immer stärker wurden. Das Estádio da Luz wurde vor zehn Jahren anlässlich der Europameisterschaft in Portugal eröffnet worden und wird dieses Jahr im Mai Schauplatz des Champions-League-Finales sein. Wir haben es also mit einem modernen und komfortablen Stadion zu tun, diesen Extrembedingungen hielt es jedoch nicht stand.


Super League Malaysia

Argentinisches Kronjuwel Sarah Steiner ist redaktionelle

die Organisation ist gefestigt, für Nachwuchs ist gesorgt. Besonders die erste Sportschule des Landes, die Bukit Jalil Sport School, hat im Juniorenbereich viel getan. Jetzt hofft man in Malaysia, dass die Jahre kommen, in denen die Früchte des Erfolges geerntet werden können.

Mitarbeiterin bei “The FIFA Weekly”.

Der malaysische Fussball sorgt in diesen Tagen für Negativschlagzeilen. Im Skandal um verschobene Spiele sind Anfang Monat 17 Spieler mit Geldstrafen belegt worden. Schon im Dezember waren gegen 5 Spieler und 3 Verbands­ vertreter lebenslange Sperren wegen Spiel­ manipulation ausgesprochen worden. Der nationale Verband FAM geht davon aus, dass die Fussballer zur Mani­pulation gezwungen wurden. Es wird von Erpressung und körperlicher Gewalt gesprochen. Doch der Ball muss weiterrollen. Die Meisterschaft ist erst fünf Partien alt und soll von weiteren Skandalen verschont bleiben. Denn der malaysische Fussball befindet sich im Aufwind und soll weiter an Attraktivität gewinnen. Die Liga steht in ihrer 11. Ausgabe,

Der nationale Nachwuchs soll mit Vorbildern gedeihen. Eines dieser Vorbilder spielt beim Super-League-Verein Johor Darul Ta’zim: Pablo Aimar. Der auch in Südamerika und Europa bekannte Mittelfeldspieler soll für Tore und Spektakel sorgen. Der Argentinier ist kein unbeschriebenes Blatt. Er wechselte in der Saison 2000/01 für 21,25 Millionen Euro von River Plate zum FC Valencia, stand anschliessend in Diensten von Real Saragossa und Benfica Lissabon, bis er im letzten Herbst in die malaysische Super League wechselte. In Südostasien gilt

er als das Kronjuwel der JDT-Mannschaft und wird von den Fans verehrt. Die Erwartungen sind auch hoch, weil Aimar der bestbezahlte Spieler der Liga ist. Doch Geld allein macht bekannterweise nicht glücklich. Und so erzählt der 34-Jährige Aimar den Medien: “Ich geniesse es nicht, hier Fussball zu spielen. Es ist schwierig.” Wenige Tage später zeigt der Mittel­feldspieler auf dem Platz ein anderes Gesicht und beweist den Zuschauern, dass er sein Geld wert ist. Sein taktisch und technisch ausgefeilter Fussball wirkt auch in Malaysia. In der Partie gegen den Meister Lions XII spielt er - bedrängt von drei gegnerischen Spielern -, zuerst einen haargenauen Pass, der zum 1:0 führt. Dann, in der 42. Minute, lenkt er einen Freistoss ins Netz. Wenn das der unglückliche Aimar ist, darf sich Malaysia auf den glücklichen freuen. Å

“Ich geniesse es nicht, hier Fussball zu spielen. Es ist schwierig.”

AFP

Gefeiert Der Argentinier Pablo Aimar (m.) inmitten von Fans des Johor Darul Ta’zim FC.

T H E F I FA W E E K LY

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C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 1 6 W O C H E N

→ http://www.fifa.com/worldcup

Gesund zum Fussball Auch aus medizinischer Sicht sind für die Fussball-WM in Brasilien 2014 alle Vorkehrungen ­getroffen worden. Das biologische Spielerprofil konsolidiert sich weiter. Perikles Monioudis

imago

M

an ist bereit, die WM kann kommen. Vergangene Woche erklärten sich Vertreter der FIFA, des Lokalen Organisationskomitees der Fussball-WM in Brasilien 2014 und der brasilianischen Regierung an einer Medienkonferenz. Zu den Themen gehörten die Notfallversorgung in den Stadien, die Gesundheit der Zuschauer, der Besucher und der Mannschaften, Klima und Hitze, die medizinische Untersuchung der Spieler vor dem Turnier, Dopingkontrollen während des Wettbewerbs und das FIFA-Programm “11 für die Gesundheit”, das in den zwölf WM-Städten gestartet wurde. Der FIFA-Chefmediziner Professor Jiri Dvorak, der medizinische Generalkoordinator des LOK, Luis Fernando Correia, der Koordinator des Programms “11 für die Gesundheit” in Brasilien, Dr. Edilson Thiele, sowie Gesundheitsminister Ademar Arthur Chioro dos Reis betonten dabei das Vermächtnis, das die Organisation der Fussball-WM in Brasilien 2014 in Gesundheitsfragen hat. Prof. Jiri Dvorak sprach zunächst über das neue Programm in der FIFA-Dopingkontrolle: “Unsere Anti-Doping-Strategie stützt sich auf Aufklärung einerseits und Vorbeugung andererseits. So haben wir es auch schon beim Konföderationen-Pokal praktiziert. Für die Tests müssen die Spieler im Rahmen unserer neuen Strategie gegen Doping Blut- und Urinproben abgeben, mit denen wir ein biologisches Profil der Athleten anlegen. Alle Spieler, die an der Fussball-WM in Brasilien teilnehmen, können ab sofort jederzeit und überall auf der Welt mindestens einmal getestet werden.” Ein weiteres Thema war die brasilianische Hitze. Prof. Dvorak sieht ihr gelassen entgegen: “Hinsichtlich der Diskussion um die hohen Temperaturen in bestimmten Regionen Brasiliens während des Wettbewerbs ist festzuhalten, dass all unsere Beschlüsse auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Wir haben im Sommer in der Türkei Tests durchgeführt und die Körpertemperatur von Fussballern in Spielsituationen gemessen. Diese Studie haben wir im ‘Scandina-

vian Journal of Medicine & Science in Sports’ veröffentlicht. Ich halte die Bedingungen in Brasilien nicht für so schwierig, wie sie teilweise dargestellt wurden. Wir könnten zusätzliche Pausen einführen, in denen die Spieler Flüssigkeit zu sich nehmen können. Auch die Benutzung von Erfrischungstüchern wird möglicherweise gestattet. Aber diese Entscheidungen werden von Fall zu Fall vor den Spielen von unserem medizinischen Stab getroffen. Wir sind jedenfalls bestens v ­ orbereitet und werden alles tun, um die ­Gesundheit der Spieler zu schützen.” Ausserdem kam das FIFA-Programm “11 für die Gesundheit” zur Sprache. Prof. Dvorak sag-

te dazu: “Wir freuen uns über die Unterstützung der brasilianischen Regierung für das Programm ‘11 für die Gesundheit’ und sind uns sicher, dass es für das Land ein Vermächtnis der Weltmeisterschaft wird. Der Fussball verfügt über enorme Kraft. Wenn ein Arzt mit einem Kind spricht, ist das eine Sache, aber wenn Messi oder Neymar einfache Botschaften zur Gesundheit verbreiten, hat das enorme Auswirkungen.” Dr. Edilson Thiele, Koordinator des Programms “11 für die Gesundheit” fügte hinzu: “Wir haben das Projekt in Brasilien mit 450 Kindern an 15 öffentlichen Schulen in ­Curitiba begonnen. Sie haben Informationen erhalten und an Aktivitäten zur Förderung eines gesunden Lebens mittels sportlicher Betätigung und Gesundheitsvorsorge teil­ ­ genommen. Bis 2015 sollen weltweit zwei Millionen Kinder an diesem Programm teilgenommen haben.” Fussball und Gesundheit gehören zwingend zusammen. Å

“Wir sind bestens vorbereitet.”

Streching im Schatten Der Offensivspieler Wesley Lopes Beltrame von der S. E. Palmeiras trotzt der Hitze. T H E F I FA W E E K LY

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First Love

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Ort: Beni Hasan, Ägypten Datum: 16. Oktober 2012 Zeit: 14.11 Uhr

Tim Dirven / Panos

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DEBAT T E

CSI Toronto

Telefonkonferenz Schiedsrichter in der National Hockey League holen Rat im “War Room” der Liga-Zentrale.

Thomas Renggli

E

ishockeyschiedsrichter können einen der ältesten Menschheitsträume erfüllen: die Uhr anhalten und im Bedarfsfall sogar zurückdrehen. Die vergleichsweise grosse Zahl von Unterbrüchen ist eine Voraus­ setzung für die Umsetzung des Video­ beweises während der Partie. Beschränkt sich die technische Kontrollmöglichkeit im Fussball im Spielverlauf auf die Torlinien-Technologie, ist im Eishockey der Videobeweis ein fester ­Bestandteil der Regelauslegung. Am konsequentesten wird dieses Verfah­ ren in der nordamerikanischen National 22

­ ockey League eingesetzt. Vom “NHL Video H Review Room” in Toronto aus, im Volksmund “War Room” genannt, werden alle Spiele über­ wacht – unabhängig davon, ob sie in Los Ange­ les, New York oder Phoenix stattfinden. Braucht der Referee im Stadion technischen Support, greift er zum Telefon und lässt sich mit Toronto verbinden. Lunch, Tea und Infrarot Noch umfassender werden Kamerabilder in der nordamerikanischen Profiliga des Ameri­ can Football (NFL) genutzt. Jede Entschei­ dung des Schiedsrichters kann vom Chef­ trainer eines der Teams angefochten werden – ­ a llerdings nur zweimal pro Partie. Der Hauptschiedsrichter zieht sich dann in eine spezielle Videokabine zurück und überprüft unter Berücksichtigung aller Videosequenzen sein Verdikt. Bleibt das Urteil bestehen, wird dem Team, das die Entscheidung in Frage ­gestellt hat, ein Timeout abgezogen. Der Videobeweis hat mittlerweile fast alle Sparten erobert – selbst Sportarten, in denen die Tradition über allem steht. Im Cricket T H E F I FA W E E K LY

­ erden die Partien zwar noch immer für w “Lunch” und “Tea” unterbrochen, das Protokoll kennt mittlerweile aber auch “Hot-Spot-Kame­ ras”, die Videobilder im Infrarotbereich auf­ nehmen. Die Einführung von technischen Hilfsmit­ teln führte in allen Sportarten zu heissen ­Diskussionen. Im Zentrum stand immer die Furcht, dass sich der Charakter des Spiels verändern könnte. Der menschliche Fehler ­ ­gehöre zum Spiel, sei ein wichtiger Bestandteil der Sportkultur, ist eines der oft gehörten ­A rgumente. Die amerikanischen Sportarten beweisen, dass die Faszination des Spiels durch technische Hilfsmittel in keiner Weise ­abnimmt. Å

Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-theweekly@fifa.org

Tony Gutierrez / AP Photo / Keystone

Braucht es den Video­ beweis? Die Frage, die im Fussball heiss disku­ tiert wird, ist in ande­ ren Sportarten längst beantwortet.


DEBAT T E

Schiedsrichterfehler gehören zum Spiel. Sie geben dem Fussball einiges an Dramatik. O.Demi, Ägypten

Die grösste Streitfrage im Fussball ist doch immer noch, ob der Ball die Torlinie vollständig überschritten hat oder nicht. Ich denke, um diese ewige Kontroverse im schönsten aller Spiele zu vermeiden und beiden Teams gegenüber fair zu sein, sollte der Videobeweis eingeführt werden. Die Technologie ist vorhanden, worauf warten wir also noch?. Acapulco, Mexiko

Fehlentscheidungen der Schiedsrichter mögen ja für Dramatik sorgen. Aber vor allem sorgen sie für Ungerechtigkeit. Ich bin es leid, wenn Teams ihre Spiele unverdient gewinnen, bloss weil Schiedsrichter Fehler machen. Vor hundert Jahren gab es noch keine Lösung, um menschliche Fehler zu vermeiden, aber jetzt gibt es sie. Wenn man sie nicht einführt, bleibt man der Vergangenheit verhaftet, statt sich zu entwickeln und zu verbessern. Natürlich ist Tradition wichtig, aber nicht wichtiger als Gerechtigkeit. Wenn es immer nur darum gehen würde, nichts zu verändern, dann sollten wir vielleicht auch wieder Einwechslungen verbieten, weil es im Fussball ja auch so begonnen hat! Lourouso, USA

Ich bin uneingeschränkt dafür. Das Einzige, was der Videobeweis bewirkt, ist mehr Gerechtigkeit im Fussball.

Leben ist dynamisch und Veränderungen sind ein konstanter Faktor, den man bereitwillig einbeziehen muss. Aber im Moment gibt es dafür keine Notwendigkeit. Mfonjohn, Nigeria

Weiter als bis zur Torlinien-Technologie würde ich nicht gehen. Andere Diskussions-

“Der VideoMit dem Videobeweis zum Fair Play beweis bewirkt mehr Gerechtig- D keit im Fussball.” teilnehmer verweisen auf die NFL und andere grosse Sportarten, die mit dem Videobeweis arbeiten. Aber in der NFL dauert ein Spiel, das aus vier Vierteln zu 15 Minuten und einer halbstündigen Pause besteht, gut und gerne drei Stunden. Natürlich spielt dabei auch die Werbung eine grosse Rolle, aber die langen Wiederholungen sind furchtbar. Torlinientechnologie ja – aber mehr auch nicht!

Jona Town, USA

Unterbrechungen zum Anschauen von Wiederholungen lenken vom Spiel ab und verlangsamen den Fussball. Ich denke aber dennoch, dass so etwas wie die NBA-Review und eine Bestrafung bei Schwalben eingeführt werden sollten, wenn nicht weltweit, dann zumindest in den Topligen der Welt, um ein Beispiel für Fair Play zu geben. Carabal, Kanada

Ich bin fast versucht, ja zu sagen, aber im eigentlichen Sinne lautet meine Antwort nein. Wenn wir den Videobeweis einführen, um menschliche Fehlentscheidungen zu verhindern, dauert ein Fussballspiel nicht mehr 90 Minuten plus ein bisschen Nachspielzeit, sondern möglicherweise zwei Stunden oder noch länger, je nachdem, wie viele Situationen begutachtet werden müssen. Das

PRESIDENTIAL NOTE

Chaser Ot, USA

Ich freue mich sehr, dass die FIFA diese Frage stellt. Ja, der Fussball braucht den Videobeweis. Kingboa Siako, Ghana

Wenn noch mehr Technologie in den Fussball einfliesst, können wir ihn auch abschaffen und durch ‘Roboball’ ersetzen. Die Regeln und die gesamte Konzeption machen den Fussball zur offensten aller Sportarten. Das Wesen des Fussballs liegt nicht in Fairness oder Beweisen, sondern in der Dramatik. Im Sport geschehen ebenso wie im Leben manchmal eben Dinge, die nicht fair sind. Wem das nicht gefällt, der muss sich für eine andere Sportart begeistern. R. Lippold, Schweiz

“Torlinien-Technologie ja – mehr aber auch nicht!” T H E F I FA W E E K LY

ie Zeiten ändern sich – und mit ihnen die Möglichkeiten, die Spielleitung noch effizienter zu gestalten. Die Einführung der Torlinientechnologie ist ein Schritt in die richtige Richtung – der Videobeweis ein weiterer. Dabei spreche ich nicht von einem neuen technischen Hilfsmittel zum Einsatz während des Spiels, sondern von der konsequenteren Umsetzung eines bereits bestehenden Instruments. Denn mit Artikel 96 des FIFA-Disziplinarreglements haben wir in dieser Beziehung das perfekte Mittel schon vor zwanzig Jahren ­ ­geschaffen: Für die Beweisführung zugelassen sind die Berichte des Schiedsrichters, der Assistenten, die Aussagen der Parteien und Zeugen, materielle Beweisstücke und Gutachten sowie Ton- und Bildaufzeichnungen. Es geht dabei nicht um falsche Abseits­ entscheidungen oder umstrittene Penalty­ pfiffe. Würden wir hier den Videobeweis zulassen, hätte das eine Prozessflut zur Folge, die das Spiel faktisch zerstören würde. Die Tatsachenentscheidung muss immer über allem stehen. Fällt ein Schiedsrichter eine solche, gibt es daran nichts zu rütteln. Hier geht es um gravierende Verstösse g ­ egen den Fair-Play-Gedanken wie etwa Tätlichkeiten, das Anspucken des Gegners, verbale Beleidigungen und rassistische Ausfälle – oder falsch ­adressierte Rote oder Gelbe Karten. Hier muss die vorhandene Möglichkeit wahrgenommen werden, auch nachträglich zu intervenieren. In diesem Zusammenhang müssen auch das Vortäuschens einer Verletzung, das absichtliche Fallenlassen (“Schwalben”) oder das Zeitschinden in die Überlegungen miteinbezogen werden. Wenn diese Unsportlichkeiten vom Referee während des Spiels nicht gesehen wurden, können wir darauf zurückkommen. Dies ist ein grosser Beitrag zum fairen Spiel – vorausgesetzt die Disziplinarorgane wenden den Videobeweis an. Und das sollten sie.

Ihr Sepp Blatter 23


DÄNEMARK

Das dänische Wunder Aus den Ferien zum EM-Titel. Der verstorbene Richard Möller Nielsen sorgte an der EM 1992 für eine der grössten Überraschungen im Weltfussball. Ein Blick auf die dänische Fussballgeschichte. Dominik Petermann

D

ie Leistungen der dänischen Fussballnationalmannschaft muten an wie eine Berg- und Talfahrt. Vom überraschenden Erfolg zum Misserfolg und zurück. Eine Konstante in dieser Geschichte zu finden, ist schwierig bis unmöglich. Wenn sich jemals so etwas wie ein von Erfolg gekrönter roter Faden durch die Fussballgeschichte Dänemarks zog, dann in der Zeit zwischen 1990 und 1996, als Richard Möller Nielsen der Nationaltrainer der dänischen Mannschaft war. Dabei begann die Geschichte der Teilnahme Dänemarks an der Europameisterschaft 1992 in Schweden skurril. Die Dänen verpassten die Qualifikation als Gruppenzweiter hinter Jugoslawien und mussten sich vorzeitig in den Urlaub verabschieden. Vor Turnierbeginn wurden die Balkan-Kicker aufgrund des ­Bürgerkrieges, der in ihrem zerfallenden Land tobte, von der Europameisterschaft ausgeschlossen. Der dänische Coach Richard Möller Nielsen musste ­seine Mannschaft, die es sich bereits an den schönen Stränden der Welt bequem gemacht hatte, innerhalb weniger Tage aus dem Urlaub zurücktrommeln. So unvorbereitet das Team angetreten war, so unbeirrt marschierte es durch das T ­ urnier: Die Dänen sicherten sich das Weiterkommen mit einem Sieg über Gruppengegner Frankreich, darauf folgte der Halbfinalsieg ­gegen die Niederlande im Elfmeterschiessen und schliesslich der Turniersieg mit einem 2:0 gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland. Coach Richard Möller Nielsen war zwei Jahre zuvor genauso unverhofft zu seinem ­ ­Posten gekommen. Nach dem Rücktritt von ­Josef P ­ iontek war sich der Verband eigentlich schon mit dem Deutschen Horst Wohlers einig, dessen Klub wollte ihn aber nicht aus seinem Vertrag entlassen. So entschloss sich der ­Verband schliesslich für die Notlösung Richard Möller Nielsen. Auch in Sachen Ernährung gelang der ­dänischen Elf Erstaunliches: Das dänische Team wurde als “Big-Mac-Truppe” verhöhnt, den Spielern wurde nachgesagt, sie ernährten sich während des Turniers vorwiegend von Cola und Big Macs. Immerhin umfasste die “­ Big-Mac-Truppe” Fussballgrössen wie Peter Schmeichel, Flem24

ming Povlsen oder Brian ­Laudrup. Dem ungesunden Ernährungsimage der dänischen Mannschaft zum Trotz wählte “World Soccer” Richard Möller Nielsen zum Trainer des Jahres 1992. Dänemark beansprucht für sich bis heute noch einen Titel: Es ist bis heute das an der Einwohnerzahl gemessen kleinste Land, das je eine ­ Europameisterschaft gewinnen konnte.

Nielsen blieb mit seiner Elf erfolgreich. Als Europameister war Dänemark 1995 für den ­Konföderationen-Pokal in Saudi Arabien qualifiziert. Nielsens Mannschaft sicherte sich den Finalsieg gegen Argentinien mit ­einem 2:0. Diese Turniersiege blieben bis heute die grössten Erfolge der dänischen Nationalmann-

Simon Bruty / Allsport / Getty Images, Allsport / Getty Images, Sven Simon


DÄNEMARK

Big-Mac-Truppe Nicht nur beim Feiern (hier Henrik Larsen) setzte Dänemark Massstäbe.

schaft. Weitere Erfolge gehen schon etwas weiter zurück. 1908, 1912 und 1960 gewannen die Dänen olympisches Silber bei den Fussballturnieren, 1948 die bronzene Medaille. Da bei den olympischen Fussballturnieren bis 1948 nur Amateurteams zugelassen waren, wurde 1908 der bekannte Däne Harald Bohr, selbst ein berühmter Mathematiker und Bruder des Nobel-

preisträgers für Physik Niels Bohr, Gewinner einer Silbermedaille. Das beste Ergebnis an einer Fussballweltmeisterschaft erreichte Dänemark 1998 in Frankreich, wo die Nationalelf bis ins Viertelfinale kam. Nicht mit Turniererfolgen aber dafür mit Legendenstatus belohnt, wurde das dänische

Spieler-Star-Ensemble um Michael Laudrup, Sören Lerby, Morten Olsen, Allan Simonsen und Preben Elkjaer. Unter dem Spitznamen “Danish Dynamite” wurde das Team der WM 1986 in Mexiko als bestes dänisches Kollektiv aller Zeiten berühmt. Die Namen dieser Mannschaft lassen sich im gleichen Atemzug mit den grossen Namen dieser Zeit wie Maradona,

“Danish Dynamite” Das Team von Richard Möller Nielsen feiert den Triumph gegen Deutschland im EM-Finale 1992 von Göteborg.

Schuss ins Glück Kim Vilfort (m.) entscheidet das EMFinale mit dem 2:0. Die Deutschen Andreas Brehme (l.) und Thomas Helmer stehen Spalier.

­ atthäus oder Platini nennen. Dänemark galt M zu dieser Zeit regelrecht als Angstgegner, alle wussten um die Stärke dieser Spieler. Wenn man sich die Kampagne 1986 anschaut, zeigt sich ein starkes dänisches Team mit drei Gruppen­spielsiegen unter anderem gegen Uruguay (6:1) und Finalist Deutschland (2:0). Auf ­Talfahrt ging das Team im Achtelfinale, als Spanien die Dänen mit 5:1 abfertigte und Starstürmer Emilio Butragueno das “Danish Dynamite” fast im Alleingang überrollte. An frühere Erfolge anknüpfen, lautet die heutige Doktrin unter Morten Olsen, der seit 2000 die dänische Mannschaft trainiert. Olsen gehört zu den dänischen Rekordnationalspielern mit 102 Einsätzen und führte als Kapitän bereits die 1986er-Truppe an. Zweimal schaffte man unter ihm die WM-Qualifikation (2002 und 2010). Für die Endrunde in Brasilien 2014 reichte es nicht, denn als schlechtester Zweitplatzierter in den Qualifikationsgruppen verpasste man die Europäischen Playoffs knapp. Die­“Olsenbande”, wie die Mannschaft in Anlehnung an eine ­ d änische Krimireihe auch genannt wird, muss sich wohl oder übel nochmals vier Jahre gedulden. An das Auf und Ab sind die Dänen ja g ­ ewöhnt. Å T H E F I FA W E E K LY

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RICHARD MÖLLER NIELSEN

Ein Grosser des Weltfussballs Eckdaten des dänischen Fussballs

1904

1995

Der dänische Fussballbund

Als amtierender Euro-

ist eines von sieben Grün-

pameister ist Dänemark

dungsmitgliedern der FIFA.

für den Konföderationen-Pokal qualifiziert und gewinnt das Turnier vor

22. Oktober 1908

Argentinien mit 2:0.

Dänemark gelingt im zweiten Länderspiel am ersten Olympischen Fussballtur-

1997

nier der höchste Sieg mit

Im Mai erreicht Däne-

17:1 gegen Frankreich.

mark mit Platz 3 seine

Dies ist bis heute der

bisher beste Platzierung

höchste Sieg einer euro-

in der FIFA-Weltrangliste.

päischen Mannschaft.

­A ktuell steht das Team

Im Finale holt man Silber

auf Platz 20.

gegen Grossbritannien.

1998 1984

Zweite WM-Teilnahme

Dänemark erreicht mit

nach zwölf Jahren.

modernem Offensivfuss-

Mit dem Erreichen des

ball das Halbfinale der

Viertelfinales (3:2 gegen

Europameisterschaft

Brasilien) ist dies das

1984 in Frankreich.

beste WM-Ergebnis einer

Trainer mit Herz Richard Möller Nielsen verstarb am 13. Februar im Alter von 76 Jahren.

dänischen Auswahl an einer WM.

Walter Gagg

1986 WM-Premiere für das dänische Team: Mit drei

2010

Siegen und einem Torver-

Letzte WM-Teilnahme

hältnis von 9:1 erreicht

bisher, das Aus kommt

die dänische Nationalelf

bereits in der Gruppen-

das Achtelfinale, wird

phase.

dann aber von den Spaniern 5:1 abgefertigt.

15. Oktober 2013

Johnny Anthon Wichmann

Dänemark gewinnt zwar

1992

das letzte Qualifikations-

Die dänische Mannschaft

spiel gegen Malta 6:0,

darf auf Kosten Jugosla-

die 16 Punkte genügen

wiens trotz Nichtqualifika-

aber nicht, um die

tion an der EM teilnehmen

Playoffs zu erreichen.

und wird überraschend

Dänemark ist in Brasilien

Europameister.

nicht dabei.

D

änemarks EM-Titelgewinn 1992 war eine der grössten Sensationen im modernen Fussball – und eine herausragende Leistung des Trainers. Damit ­sicherte sich Richard Möller Nielsen einen Platz in der Fussballgeschichte. Ich hatte das Vergnügen, den Dänen 1996 in New York anlässlich eines Spieles einer F IFA-Weltauswahl gegen die brasilianische ­ Olympia-Mannschaft (mit drei Spielern über 23 Jahren) persönlich kennenzulernen. Für die Brasilianer, für die das Spiel die Hauptprobe vor Olympia in Atlanta war, waren Bebeto, Ronaldo und Rivaldo dabei. Für die FIFA-­ Selektion spielten Jürgen Klinsmann, Fernando Hierro, Marcel Desailly und Michael Laudrup. Als Trainer der Weltauswahl fungierte Möller Nielsen. Auch bei diesem Spiel zeigte sich Möller Nielsens Sonderstellung. Stargehabe und Allüren waren ihm völlig fremd. Wie kaum einer konnte er auf die Spieler eingehen – er fühlte die Chemie in der Mannschaft, besass ein ­feines Sensorium für kurz- und langfristige Entwicklungen. Sein Fingerspitzengefühl war der Schlüssel zum dänischen Sommermärchen 1992. Möller Nielsen wusste genau, wann Autorität gefordert war und wann er die Zügel schleifen lassen konnte.

T H E F I FA W E E K LY

Seine Grandezza war auch abseits des Fussballplatzes spürbar. Er wusste genau, wann Disziplin und Seriosität gefragt waren und wann Lockerheit und Humor. Ich kann mich erinnern, wie er in New York auf Englisch und Deutsch zur Mannschaft sprach und seine Anweisungen von Jürgen Klinsmann auf Italienisch und Spanisch übersetzen liess. Als Klinsmann dolmetschte, intervenierte Möller Nielsen: “Das habe ich so nicht gesagt.” Klinsmann entgegnete: “Wie ich es übersetzte, ist es noch besser.” Wir haben alle schallend gelacht. Mit Möller Nielsen ist ein grosser Fussballlehrer von uns gegangen – und eine herausragende und liebenswürdige Persönlichkeit. Autorität verschafft man sich nicht durch laute Worte, sondern durch Fachkompetenz und Intelligenz. Oder wie es Franz Kafka beschrieb: ­“Alles reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt.” Wir werden Richard Möller Nielsens ­A ndenken in Ehren wahren. Å

Walter Gagg ist FIFA-Direktor und diplomier ter Fussballinstruktor. Er spielte für Neuchâtel Xamax und Thun in der Nationalliga B und war Mitglied der Schweizer Junioren-­ Nationalmannschaft. 27


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W E E K LY T O P 11

FREE KICK

Die besten Spieler aus dem Kosovo *

Feige Fans Alan Schweingruber

“Das macht doch alles keinen Sinn mehr.” “Das Leben?” “Nein Eckart, der HSV natürlich.” “Ich dachte schon.” Johannes greift in seine Manteltasche und holt ein paar Lederhandschuhe hervor: “Schau da, die Touristen! Machen eine Hafenrundfahrt bei dem Sauwetter.” “Weshalb bist du eigentlich ein Fan des Hamburger SV, Johannes?” “Weshalb? Weil ich schon immer ein HSVFan war. Da braucht es keinen Grund.” “Aber irgendwann hast du dich für diesen Verein entschieden.” “Mein Vater hat mich mitgenommen. In den Dreissigern war das. Gegen Hindenburg Allenstein haben wir gespielt. Gibt’s heute nicht mehr, Allenstein. Das gehört jetzt alles zu Polen.” “In dem Alter habe ich gescheitere Sachen gemacht. Da geht man doch nicht zum Fussball.” “Klar geht man da zum Fussball, Eckart.” “Ich habe Eisenbahn gespielt. Oder gebastelt.” “Gebastelt? Du bist ja auch ein Bayern-Fan.” Johannes lacht auf. “Was ist falsch daran, ein Bayern-Fan zu sein?” “Nur Münchner oder Ahnungslose sind Bayern-Fan. Sich für Bayern München zu entscheiden, ist wie Fischen im Aquarium.” “Fischen im Aquarium? Und was hat das mit Bayern zu tun?” “Gute Erfolgschancen! Bayern-Fans sind feige.” “Mein Grossvater war aus einem Münchner Vorort. Ich bin da auch reingewachsen.” “Hat er dich zu den ersten Bayern-Spielen mitgenommen?” “Das kann schon sein. Ich weiss es nicht mehr so genau.” “Ich dachte, du hast Eisenbahn gespielt?”

“Es war zu dieser Zeit nicht einfach, ein Bayern-Fan zu sein. Diese grossen Erfolge gab’s damals noch nicht in München.” “Schwierige Zeiten, he?! Hast du nun Eisenbahn gespielt oder Bayern geschaut, Eckart?!” Pause. “Ich glaube, du willst von deinen HSV-Sorgen ablenken. Viel Spass dann nächste Saison, in Sandhausen und Paderborn …” Johannes greift nochmals in seine Mantel­ tasche. Diesmal zieht er eine Mütze raus. “Oder Ingolstadt”, schiebt Eckart nach. “Die spielen doch auch in der Zweiten Liga.” Johannes reagiert nicht: “Schau die Touristen. Jetzt sitzen sie alle im warmen Schiff drin. Wie feige.” “Weisst du noch in Ingolstadt? Die wunder­ bare Hochzeit von Hans und Hilde? Da bist du noch in die Donau gesprungen in deinem Leichtsinn. ’Ich liebe Ingolstadt!’ hast du geschrien.” Jetzt lacht Johannes auf. “Stimmt! Das war ein tolles Wochenende. Da müssten wir wieder mal hinfahren. Wo genau liegt das schon wieder?” “In Bayern.” “Ach.” “Oberhalb von München. Es gibt gute Verbindungen mit der Bahn. Wie wär’s mit Samstag?” “Unmöglich. Da empfängt Hamburg Borussia Dortmund.” Å

Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY

1

Xherdan Shaqiri (22/Bayern München/Mittelfeld)

2

Lorik Cana (30/Lazio/Mittelfeld)

3

Adnan Januzaj (18/Manchester United/Mittelfeld)

4

Granit Xhaka (21/Mönchengladbach/Mittelfeld)

5

Valon Behrami (28/Napoli/Mittelfeld)

6

Ilir Berisha (22/Örebro/Verteidiger)

7

Blerim Dzemaili (27/Napoli/Mittelfeld)

8

Almen Abdi (27/Watford/Mittelfeld)

9

Besart Berisha (28/Melbourne Victory/Stürmer)

10

Ardian Gashi (32/Helsingborg/Mittelfeld)

11

Ilir Azemi (22/Greuther Fürth/Stürmer)

* Die FIFA erlaubt seit diesem Jahr Freundschaftsspiele mit Beteiligung von Vereinen und Verbandsmannschaften des Kosovo. Allerdings dürfen die kosovarischen Teams keine nationalen Symbole (Fahnen, Embleme) präsentieren oder Nationalhymnen abspielen. Über eine Aufnahme des Fussballverbands von Kosovo (FFK) wird frühestens dann entschieden, wenn der Kosovo von der Uno als Nation anerkannt wird. Gibt es noch weitere Kandidaten? Wie sieht Ihr kosovarisches D ­ ream-Team aus? Ihre Meinung an: feedback-theweekly@fifa.org 29


DAS INTERVIEW

“Ich weiss nicht, ob Brasilien gut genug ist” Lucien Favre, Coach in Mönchengladbach, wurde zum besten Trainer der Bundesliga-­Vorrunde gewählt. Im Interview spricht er über die WM, über Bayern München und fragt sich, wie lange die Champions League das Publikum noch begeistern kann.

Lucien Favre, Sie sind seit sieben Jahren in Deutschland. War es ein Wechsel in die beste Liga Europas? Lucien Favre: Es ist eine andere Welt. Ob es die beste Liga ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ist eine der besten Ligen, das ist klar. Als französischsprachiger Trainer habe ich eigentlich nicht damit ge­ rechnet, in der Bundesliga zu landen. Meine Gedanken waren in Frankreich, vielleicht Spanien. Dank des grossen Erfolges, den ich in Zürich feiern durfte, kam dann der Anruf aus Berlin. Ich habe lange gezögert. Auch weil ich sehr am FCZ hing. Doch dann habe ich mir gesagt: “Lucien, du hast ein Angebot aus der Bundesliga!” Ich musste es annehmen.

Hat Sie die Bundesliga verändert? Inwiefern ist Lucien Favre ein anderer als noch 2007? Ich habe immer versucht zu lernen – egal wo ich war. Wenn man nicht allzu dumm ist, kommt man weiter, entwickelt sich. Und ich habe mich immer wieder selbst überrascht. Ich bin gewachsen, kenne meine Qualitäten, bin aber auch in der Lage, meine Schwächen zu sehen. Vor allem in der Beziehungsarbeit habe ich dazugelernt. Die Kommunikation mit Spielern, Mitarbeitern, der Presse, dem Verband und allen weiteren Akteuren ist von enormer Wichtigkeit.

Nicht nur Sie haben sich verändert, sondern auch der Fussball. Er ist in den letzten Jahren schneller, dynamischer, athletischer geworden. Hat Sie das als Trainer beeinflusst? Nach wie vor ist das Training das Wich­ tigste. Aufgrund seiner Qualität und der Leistung, die wir da erbringen, erhalten wir am Wochenende unsere Resultate. Doch andere Aspekte sind dazugekommen.

der Schnelligkeit hat sich auch die Intensität verändert. Wir müssen an der Technik des Spielers feilen, an seinen Bewegungen, seiner Antrittskraft und seiner mentalen Stärke.

sind seit Jahren an der Spitze, national wie international. Dies wird auch so bleiben. Bayern ist ein professionell geführter Verein, der praktisch alles richtig macht.

Gibt es den perfekten Spieler?

Sie haben einmal gesagt, dass Bayern für die Bundesliga gefährlich werden kann. Warum?

Perfektion gibt es nicht. Und es wird sie zum Glück nie geben. Wir können bloss versuchen, uns ihr anzunähern. Was ein guter Spieler mitbringen muss? Technik, Schnellig­ keit, Beidfüssigkeit und Intelligenz. Er muss lernen, schnell zu denken und das Spiel zu lesen. Messi kommt dem heute am nächsten.

Sie sind bekannt dafür, jungen Spielern eine Chance zu geben. Worin sehen Sie da Ihre Verantwortung? Es ist wichtig, für ihre ersten Einsätze den richtigen Moment zu wählen, denn die Konse­ quenzen können fatal sein. Der psychologische Aspekt ist immens. Man muss zu viel Druck vermeiden und die Spieler Schritt für Schritt an diese Aufgabe heranführen. Es gilt, darauf zu achten, dass die Spieler nicht verheizt werden. Ganz allgemein ist es für mich zentral, nahe am Spieler und der Mannschaft zu sein. Ich muss sie spüren. Für den Spieler ist es wichtig, die Aufrichtigkeit seines Trainers zu spüren.

Wie schwierig ist es, dass man als Trainer Spieler formt, um sie dann an einen anderen Klub zu verlieren? So ist das Leben und so ist auch der Fuss­ ball. In einem Verein wie Mönchengladbach müssen wir lernen, mit dieser Tatsache zu leben. Wir werden nie mit Bayern, Dortmund oder Leverkusen konkurrieren können – zu­ mindest nicht, was die finanziellen Rahmenbe­ dingungen betrifft.

Die da wären?

Apropos Bayern München. Führt ein Weg an diesem Verein vorbei?

Als Trainer musst du die Psychologie des Spiels verstehen. Der Fussball ist ein Spiegel der Gesellschaft. Heute ist alles schneller, die Züge, die Flugzeuge, die Arbeit und eben auch der Fussball. Wir müssen uns anpassen. Neben

Bayern hat für 37 Millionen Goetze ge­ kauft und im Sommer kommt Lewandowski. Mit allen Transfers haben sie nicht nur sich selbst gestärkt, sondern auch ihre Konkurrenz geschwächt. Bayern ist keine Eintagsfliege. Sie

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Es geht nicht nur um die Bundesliga und Bayern, sondern ganz generell um den Fuss­ ball. Der Unterschied zwischen den Vereins­ budgets ist zu gross. Und er ist gefährlich. Die Champions League mag ja schön sein, aber sie schafft auch grosse Diskrepanzen. Klubs, die weit kommen, verdienen unglaublich viel Geld. Geld, das andere Vereine so nicht beschaffen können. Zudem frage ich mich, wie lange die Champions League die Men­ schen noch begeistern kann. Es sind jedes Jahr diesselben Klubs: Barça, Real, Milan, Juve, Bayern …

Können Sie sich vorstellen, dem Klubfussball einmal den Rücken zu kehren, um eine Nationalmannschaft zu übernehmen? Ja. Es ist eine ganz andere Aufgabe, aber sie würde mich reizen. Als Ottmar Hitzfeld seinen Rücktritt als Schweizer Nationaltrai­ ner verkündet hat, habe ich sofort Klarheit schaffen wollen. Der Moment ist für mich der falsche, aber prinzipiell … einmal die Schweiz trainieren? Ja, warum nicht!

Wen sehen Sie bei der Weltmeisterschaft in Brasilien als Favorit? Ein südamerikanisches Team wird gewin­ nen, das ist für mich klar. Die Europäer haben auf diesem Kontinent nie triumphie­ ren können. Ob es Brasilien ist, wage ich zu bezweifeln. Die Seleção ist eine gute Mann­ schaft, das steht ausser Frage. Aber ich weiss nicht, ob sie gut genug ist. Ihr fehlt ein Spieler mit dem Format eines früheren Ronaldo. Die Argentinier hingegen könnten es schaffen, wenn sie ihre Abwehrprobleme in den Griff bekommen. Å Mit Lucien Favre sprach Sarah Steiner


Name Lucien Favre Geburtsdatum, Geburtsort 2. November 1957, Saint-Barthélemy (Schweiz) Stationen als Spieler 1976–1979 FC Lausanne-Sport 1979–1981 Neuchâtel Xamax 1981–1983 Servette FC 1983–1984 FC Toulouse 1985–1991 Servette FC

David Klammer / laif/ Keystone

Stationen als Trainer 1991–1994 FC Echallens 1999–2000 Yverdon-Sport FC 2000–2002 Servette FC 2003–2007 FC Zürich 2007–2009 Hertha BSC 2011–Borussia Mönchengladbach Grösste Erfolge als Trainer Schweizer Cupsieger (2001, 2005), Schweizer Meister (2006, 2007), Trainer des Jahres (Schweiz: 2006, 2007; Deutschland: 2009, 2011)

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ZEITSPIEGEL

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Bad Neuenahr, Deutschland

1976

Imago

Pionierinnen. Die Schwestern Charlotte (l.) und Christa Nüsser gehören in den 1970er-Jahren zu den ersten Stars im deutschen Frauenfussball. 1975 mit dem SC Bonn und 1978 mit dem SC Bad Neuenahr gewinnen sie die deutsche Meisterschaft. Damit sind sie echte Vorkämpferinnen im Zuge der sportlichen Emanzipation. Der deutsche Fussball-Bund hebt das Verbot von Frauenfussball erst am 31. Oktober 1970 offiziell auf. Die Nüssers gelten als technisch hochbegabt und taktisch sehr versiert. Doch eine Frage bleibt: Wer ist ihr Frisör?

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ZEITSPIEGEL

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Wolfsburg, Deutschland

Boris Streubel / Bongarts / Getty Images

2013 Seriensiegerinnen. Vierzig Jahre später führen Alisa (l.) und ­Laura Vetterlein die Tradition der fussballspielenden Schwestern auf höchstem Niveau fort. Mit dem VfL Wolfsburg räumen sie die Schalen, Pokale und Medaillen stapelweise ab – gewinnen unter anderem nationale Meisterschaft, Pokal und die europäische Champions-League. Beim VW-Werksklub ist die Gleichberechtigung so weit fortgeschritten wie in kaum einem anderen Verein. Allerdings gibt es einen grossen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Die Frauen sind (viel) besser.

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Only eight countries have ever lifted the FIFA World Cup Trophy.

Yet over 200 have been winners with FIFA. As an organisation with 209 member associations, our responsibilities do not end with the FIFA World Cup™, but extend to safeguarding the Laws of the Game, developing football around the world and bringing hope to those less privileged. Our Football for Hope Centres are one example of how we use the global power of football to build a better future. www.FIFA.com/aboutfifa


DAS FIFA-R ANKING Rang Team

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 18 20 21 22 23 24 25 26 27 27 29 30 31 32 33 34 35 35 37 38 38 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 62 64 65 66 67 68 69 70 70 72 73 74 75 75 77

Rang­veränderung Punkte

Spanien Deutschland Argentinien Portugal Kolumbien Schweiz Uruguay Italien Brasilien Niederlande

0 0 0 1 -1 2 -1 -1 1 -1

1506 1314 1255 1219 1211 1159 1157 1135 1125 1122

Belgien Griechenland USA Chile England Kroatien Bosnien und Herzegowina Ukraine Frankreich Dänemark Mexiko Russland Elfenbeinküste Ecuador Schweden Algerien Slowenien Kap Verde Serbien Armenien Tschechische Republik Panama Rumänien Schottland Costa Rica Venezuela Ghana Ägypten Iran Honduras Peru Türkei Österreich Ungarn Tunesien Kamerun Nigeria Island Paraguay Japan Wales Montenegro Australien Slowakei Albanien Israel Usbekistan Vereinigte Arabische Emirate Mali Norwegen Republik Korea Burkina Faso Guinea Südafrika Finnland Senegal Republik Irland Libyen Jordanien Polen Bolivien Bulgarien Sierra Leone Marokko Sambia Saudiarabien Trinidad und Tobago

0 0 1 1 -2 0 2 0 2 5 0 0 -6 -1 1 1 2 8 1 8 -3 4 0 3 -3 4 -13 -7 -4 3 1 3 4 2 -1 4 -6 1 2 -2 4 0 3 6 1 7 8 5 -19 -1 -8 -4 -1 -10 1 2 0 -6 3 7 -1 2 3 0 -6 -2 1

1117 1084 1044 1038 1032 966 919 917 917 907 887 862 841 831 821 819 799 799 775 771 760 754 746 742 734 734 733 729 729 716 704 703 678 673 656 626 616 613 603 601 598 594 576 574 571 570 569 565 561 557 556 554 554 550 540 529 528 523 514 494 494 486 484 454 450 450 444

Rang

Sept. 2013

Okt. 2013

Nov. 2013

→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html

Dez. 2013

Jan. 2014

Feb. 2014

1 -41 -83 -125 -167 -209

78 79 80 80 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 91 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 111 113 114 115 116 117 118 118 120 121 122 123 124 124 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144

Platz 1

Aufsteiger des Monats

El Salvador Haiti Oman Jamaika Belarus EJR Mazedonien Uganda Nordirland Kongo Gabun VR China Neuseeland Togo DR Kongo Estland Aserbaidschan Botsuana Angola Liberia Benin Kuba Katar Simbabwe Äthiopien Litauen Georgien Niger Zentralafrikanische Republik Bahrain Moldawien Kenia Kuwait Tadschikistan Lettland Dominikanische Republik Kanada Irak Malawi Tansania Neukaledonien Mosambik Äquatorial-Guinea Luxemburg Libanon Zypern Sudan Namibia Burundi Guatemala Philippinen Kasachstan Turkmenistan Myanmar Malta Suriname Syrien Ruanda Grenada DVR Korea Gambia Afghanistan Lesotho Tahiti St. Vincent und die Grenadinen Belize Vietnam Hongkong

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10 0 -1 1 1 1 3 5 -1 -2 4 2 -19 -10 2 1 3 -6 1 2 2 2 5 -6 1 -1 0 2 4 -11 1 -3 3 5 3 -2 1 2 2 4 2 -10 2 2 3 -4 1 0 -14 0 0 4 -1 -1 0 2 -4 -1 -1 1 0 -1 1 14 10 0 -7

Absteiger des Monats (Togo) Absteiger des Monats (Mali) 436 430 426 426 423 402 400 397 393 386 380 378 376 373 373 372 360 356 354 335 334 331 330 329 326 325 316 310 308 305 300 299 285 282 282 275 269 268 254 252 251 251 247 243 240 236 234 234 229 219 214 203 200 199 197 196 195 194 191 190 184 182 179 177 176 172 170

144 146 147 148 148 150 150 150 153 154 154 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 172 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 184 186 187 187 189 190 190 190 193 194 194 196 196 198 198 200 200 202 203 204 205 206 207 207 207

Palästina Antigua und Barbuda Thailand St. Lucia Kirgisistan Liechtenstein Singapur Malaysia St. Kitts und Nevis Indien Guyana Laos Puerto Rico Indonesien Mauretanien Guam São Tomé und Príncipe Tschad Malediven Bangladesch Pakistan Dominica Nicaragua Barbados Nepal Chinese Taipei Sri Lanka Aruba Färöer Salomon-Inseln Bermuda Seychellen Mauritius Curaçao Vanuatu Mongolei Fidschi Samoa Guinea-Bissau Swasiland Bahamas Jemen Madagaskar Montserrat Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Komoren Andorra Eritrea Macau Südsudan Somalia Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln

-2 -2 1 -2 -2 6 -1 4 -3 2 -3 -3 -1 3 -14 2 -1 2 0 0 7 1 -8 -2 3 -3 -2 -2 -2 -2 0 0 0 0 0 1 1 1 1 2 1 -6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 -1 0 0 0 0 0 0 0

170 164 158 155 155 152 152 152 150 149 149 146 141 135 127 123 122 121 120 116 107 103 102 101 98 97 90 87 87 86 83 67 66 65 55 49 47 45 43 40 40 39 33 33 30 26 26 26 23 21 21 18 18 17 17 11 11 10 8 6 5 3 0 0 0

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NET ZER WEISS ES!

DAS OBJEK T

Muss das AusländerKontingent wieder eingeführt werden? Frage von Alex Wild, New York (USA)

Perikles Monioudis

A

uf keinen Fall. Diese Frage stellt sich für mich nicht. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft und auch der Fussball hat sich weiterentwickelt. Und er bewegt sich in die richtige Richtung. Ich weiss aber, worauf Sie anspielen. Da ist eine gewisse Tradition verloren gegangen. Oft stehen wenige oder gar keine einheimischen Akteure mehr in der Startformation einer Mannschaft. Das ist aber nicht weiter schlimm, solange sich der Spieler selbst in die Verpflichtung nimmt und sich mit seinem Klub identifiziert. Zu meiner Zeit durften die Trainer zwei Ausländer einsetzen. Diese Regelung beeinflusste die gesamte Transfermentalität eines Klubs. Es war in Europas S ­ pitzenvereinen üblich, die Fans alle zwei Jahre mit einer Attraktion aus dem Ausland zu verwöhnen. Blieb ein grosser Transfer aus, konnte es unruhig werden im Umfeld. Erstaunlich ist, dass die Abschaffung des Ausländer-Kontingents in den meisten ­Ländern akzeptiert wurde. Gerade in England hätte ich dies nicht für möglich gehalten, weil sich die 36

Briten hinsichtlich neuer Regeln ungern verbiegen. Der englische Fussball konnte von der Modernisierung aber sehr profitieren. Das ­ ­Niveau in der Premier League, wo die besten Trainer der Welt arbeiten, ist sehr hoch. Traditionen in Ehren – aber Ausländer-­ Kontingente sind auch im Fussball nicht mehr zeitgemäss. Å

Was wollten Sie schon immer über Fussball wissen? Fragen Sie Günter Netzer: feedback-theweekly@fifa.org T H E F I FA W E E K LY

Alamy / Mauritius

Anstoss in Düsseldorf Jupp Heynckes, Heino und Günter Netzer (v.l.) bei einem Benefizspiel (30. Dezember 1972).

Das erfolgreiche Tiki-Taka, das der FC Barcelona und das spanische Nationalteam in der jüngeren Vergangenheit praktiziert haben, gründet auf einer eigentümlichen Version des Spiels: dem Fussball in der Halle. Denn das ausgeprägte Kurzpassspiel, das Wichtigste beim Tiki-Taka, lernt man im Futsal besonders früh und besonders gründlich. Und das im Futsal übliche 4 gegen 4 ist auch im Rasenfussball ein wiederkehrendes Motiv. Die Grundsituation im 4 gegen 4 sieht vor, dass auf engstem Raum in hohem Spieltempo dem Ballführenden stets zwei Anspielstationen geboten werden. Das hat zur Konsequenz, dass der Ball im Dreieck gespielt wird. Die Spieler legen mit dem Ball Dreiecke hin, bis der öff­ nende Pass in die Tiefe möglich wird. Anders gesagt: Die 1-2-1-Formation, die beim 4 gegen 4 gebildet wird, entspricht einer Raute. Setzt man dieser Raute eine weitere Raute an, entsteht ein Mittelfeld in der Form eines Diamanten, der aus unterschiedlichen beweglichen Rauten besteht – und zu einem schillernden Spiel führt. Alle Spieler des FC Barcelona üben das 4 gegen 4 bis zum Alter von zwölf Jahren exzessiv, und viele Spanier, darunter die Weltmeister Iniesta und Xavi, bekamen ihren ersten Spielerpass im Futsal. Was sie heute auf den Rasen zaubern, haben sie in der Halle gelernt. Im Idealfall nimmt das Tiki-Taka das Wesen eines Flipperkastens der alten Art an. Der Ball (die Kugel) wird eingeworfen und springt von Nagel zu Nagel. In einem zufällig wirkenden Katarakt gelangt der Ball in die Nähe des Tors am unteren Rand – im abgebildeten englischen Flipperkasten aus den 50er-Jahren (FIFA-Sammlung) mit “Goal” gekennzeichnet. Das Spiel ist allerdings selten so spannend wie ein gut aufgezogenes Tiki-Taka. Å


TURNING POINT

“Mit 17 wurde ich zum Mann” Aufgewachsen in Neukaledonien, packte Christian Karembeu 1988 seine Koffer und machte sich auf die Reise ins 20 000 Kilometer ­entfernte Frankreich.

Name Christian Karembeu Geburtsdatum, Geburtsort 3. Dezember 1970, Lifou (Neukaledonien, Frankreich) Position Mittelfeld, Abwehr

Lukas Maeder / 13 Photo

I

ch habe 17 Brüder und Schwestern. Der Kontakt zu ihnen ist nie abgerissen, sie sind meine Familie, da ist es für mich nur normal, dass wir regelmässig telefonieren und uns sehen. Wo hingegen mein Zuhause ist, ist schwierig zu definieren. Heimat ist jeweils da, wo ich gerade bin. Meine Wurzeln hingegen sind in Neukaledonien, ich bin ein Kind der Insel. Meine Kindheit habe ich da verbracht, nach der Messe mit meinen Freunden Fussball auf dem Dorfplatz gespielt, war in der hiesigen Fussballakademie. In den 80er-Jahren führten die Bestrebungen nach Unabhängigkeit auf den Inseln zu Unruhen. Diese Zeiten waren nicht einfach. Meine Eltern haben mich gebeten, das Land zu verlassen. Durch den Fussball hat sich mir diese Möglichkeit geboten. Dafür bin ich dankbar und demütig. Auch wenn die Beziehungen zum Mutterland nicht immer reibungslos verliefen, sind wir alle mit Frankreich verbunden. Wir gehören zu Frankreich, sind Franzosen. Trotzdem war es alles andere als einfach, als ich dann mit 17 Jahren die Insel verliess, um mein Glück in Nantes zu versuchen. Die Reise kostete mich 72 Stunden. Knappe 20 000 Kilometer von meinem Zuhause entfernt, war ich nun plötzlich auf mich alleine gestellt. Natürlich waren da Menschen, die für mich verantwortlich waren, die zu mir geschaut haben, aber prinzipiell wurde von mir verlangt, nun erwachsen zu sein. Da war niemand mehr, der mich am Morgen weckte, um rechtzeitig in der Schule zu sein. Ich musste Verantwortung übernehmen – mit 17 wurde ich zum Mann. In Frankreich unterscheidet sich alles von Neukaledonien. Das Klima, die Menschen, das Zeitgefühl. Ich weiss noch, wie ich im Car zu den Auswärtsfahrten immer ganz vorne neben dem Trainer sass und ihn fragte “Coach, wo gehen wir hin? Nach unten oder nach oben?” Für ihn

Vereine FC Nantes, Sampdoria Genua, Real Madrid, FC Middlesbrough, Olympiakos Piräus, Servette Genf, SC Bastia Nationalteam Frankreich 53 Einsätze, 1 Tor

war völlig unverständlich, was ich damit sagen wollte. Aber bei uns Zuhause kennen wir keine Himmelsrichtungen, wir gehen entweder hoch Richtung Berg, oder runter Richtung Strand. Die Zeit in Nantes war unglaublich lehrreich – in allen Belangen. Ich habe in meiner Karriere viel erreicht. Ich war bei Real Madrid, wurde mit Frankreich Welt- und Europameister, gewann den Confederations Cup. Das sind Titel, die man nie vergisst. Es ist der Höhepunkt einer jeder Karriere, davon träumt jeder Fussballer. Ich habe mich immer als Franzose gefühlt, und war aus diesem Grund auch immer sehr stolz, dass blauweiss-rote Dress zu tragen. Doch neben meinem Fussballerdasein war ich aber vor allem Mensch. Ich war stets vielseitig interessiert und habe mich für meine Überzeugungen einT H E F I FA W E E K LY

gesetzt. Als die französische Regierung ihre Atomwaffentest im Südpazifik lancierte, war mir klar: Du musst dich dagegen auflehnen. Auch hier spielt meine Herkunft eine Rolle. Ich stamme von einem Volk ab, dessen wichtigste Nahrungs- und Einnahmequelle das Meer ist. Es ist untragbar, dieses fahrlässig zu zerstören. Respekt ist das Schlüsselwort – gegenüber unserem Planeten und unseren Mitmenschen. Das ist die wichtigste Botschaft, die mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Å Aufgezeichnet von Sarah Steiner

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37


www.kia.com

Einzigartiges Design. Zur Perfektion gebracht. Der neue Kia

*Ausstattung kann länderspezifisch variieren

Kraftstoffverbrauch in l/100 km: kombiniert 7,2-4,9; innerorts 9,6-5,7; außerorts 5,9-4,4. CO2-Emission: kombiniert 168-129 g/km. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer

Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Hellmuth-Hirth-Straße 1, 73760 Ostfildern (www.dat.de) unentgeltlich erhältlich ist.


The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

FIFA - R ÄT SEL - CUP

Internet: www.fifa.com/theweekly

Zwei Clubs wollen Weltmeister werden und Coca-Cola in schwarz-weiss – raten Sie mit!

Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878 Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke

Y Azteca 1

Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio

H Maracanã

C Wembley

W Hampden-Park

Welches war - gemäss Schätzung der FIFA - das WM-Endspiel, mit den vermutlich meisten Besuchern im Stadion?

Chefredakteur: Thomas Renggli Art Director: Markus Nowak

2

Redaktion: Perikles Monioudis (Stv. Chefred.), Alan Schweingruber, Sarah Steiner

Es gibt Länder, die im Elfmeterschiessen häufig untergehen, wie etwa England. Welches Fussball-Nationalteam der Männer schied zuletzt durch Elfmeterschiessen in einem Weltturnier aus? A Grossbritannien O England

Ständige Mitarbeiter: Jordi Punti, Barcelona; David Winner, London; Hanspeter Kuenzler, London; Roland Zorn, Frankfurt/M.; Sven Goldmann, Berlin; Sérgio Xavier Filho, São Paulo; Luigi Garlando, Mailand Bildredaktion: Peggy Knotz, Adam Schwarz

E Schottland X Irland

3

Produktion: Hans-Peter Frei (Leitung), Richie Krönert, Marianne Bolliger-Crittin, Mirijam Ziegler, Susanne Egli, Peter Utz

Das Logo von Coca-Cola in Schwarz-Weiss – das gibt es fast nur hier. Wo? R  La Bombonera L  Camp Nou

N Anfield I Allianz-Arena

Korrektorat: Nena Morf Redaktionelle Mitarbeit in dieser Nummer: Dominik Petermann, Alejandro Varsky, Walter Gagg Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch

Getty Images / AFP

Kontakt: feedback-theweekly@fifa.org Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus dem The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.

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Die komplette Elf, die im WM-Finale auflief, spielte für nur zwei Vereine aus der gleichen Stadt. Für wen?

Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: FAME (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus

Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 26. Februar 2014 an die E-Mail feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis zum 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmer die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY

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FR AGEN SIE DIE FIFA!

UMFR AGE DER WOCHE

Gewinnt erstmals eine europäische ­Mannschaft in Südamerika die WM?

Welches war die bis anhin effizienteste Leistung in der Fussballgeschichte? Yves Aegerter, Stallikon (Schweiz) Antwort von Thomas Renggli, Chefredaktor: Die Frage lässt mehrere Antworten zu. Ich kann das Beispiel des russischen Klubs Alanija Wladikawkas anbieten: Die Südrussen schafften in der Saison 2010 den Einzug in die Europa League – ohne ein Tor (aus dem Spiel heraus) erzielt zu haben. Im russischen Pokal erreichten sie das Finale jeweils nach einem 0:0 nach Verlängerung und Sieg im Elfmeterschiessen. Ausnahme war das Viertelfinale gegen Saturn Moskau. Vor dem Spiel mussten die Moskauer Insolvenz anmelden. Alanija gewann Forfait. Im Finale bekam es Wladikawkas mit ZSKA Moskau zu tun. Weil der Favorit aber als Meisterschaftszweiter bereits für den Europacup qualifiziert ist, stand auch der Finalgegner vorzeitig im internationalen Geschäft.

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Auf der dreiwöchigen Atlantik-Überfahrt trotz viel frischer Luft die Form verloren: Frankreich scheitert an der WM 1930 in Uruguay schon in der Vorrunde. Geht es den Europäern diesmal besser? Meinungen an: feedback-theWeekly@fifa.org

ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Braucht es ein Videourteil, um ein Strafmass nachträglich erhöhen zu können?

Getty Images, AFP

AUF DEM S TEUER AMT

Millionen Euro hat Diego Maradona dem italienischen Fiskus als Vergleichszahlung für seine Steuerschulden angeboten. Dieser Betrag liegt deutlich unter den geforderten 40 Millionen. Der Weltmeister a. D. möchte die Sache so schnell wie möglich vom Tisch haben. Denn er hat bei der SSC Napoli grosse Pläne: Er möchte den Klub, mit dem er als Spieler zweimal Meister wurde, gemäss eigenen Aussagen nun als Trainer zu altem Ruhm zurückführen. Ein Bewerbungsgespräch fand allerdings noch nicht statt.

58%

Ja, es braucht ein Videourteil. Nein, die Torlinientechnologie genügt vollkommen.

25%

Nein, technische Hilfsmittel widersprechen dem Grundgedanken des Fussballs.

17%

13

AUF DEM ABSPRUNG Titel hat Nadine Angerer schon gewonnen – 7 mit der deutschen National-Elf, 6 auf Klubebene. Gut möglich, dass an diesem Wochenende der 14. dazukommt. Die Weltfuss­ballerin des Jahres steht mit ihrem australi-

AUF DEM SCHLEUDERSIT Z

143

Tage war der Holländer Bert van

schen Klub Brisbane Roar

Marwijk Trainer des Hamburger

im Finale der W-Le-

SV – bis zur 2:4-Niederlage gegen

ague. Für die 35-jährige

Schlusslicht Braunschweig. Nach der achten Niederlage in Serie zo-

Torfrau ist der

gen die Hanseaten die Notbremse.

Saisonhöhe-

Van Marwijk hatte den Posten auf

punkt auch der

dem Hamburger Schleudersitz am

persönliche Abschied von

25. September 2013 von Thorsten

“Down Under”.

Fink übernommen. Van Marwijk

Ab April fängt sie die

“feierte” in Braunschweig neben

Bälle für Portland

­seinem Ausstand auch ein Jubiläum.

Thorns in der amerika-

Es war sein 100. Bundesligaspiel als

nischen Liga.

Trainer. Champagner spendierte er trotzdem keinen.

40

T H E F I FA W E E K LY


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