NR. 24, 4. APRIL 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
DER AZZURRI CODE Cesare Prandelli
JORDANIEN FUSSBALL IM FLÜCHTLINGSCAMP
BLATTER EIN HANDSCHLAG FÜR DEN FRIEDEN
AUSTRALIEN MIT 10 000 FANS ZUR WM
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
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Cesare Prandelli: Weltmeisterlicher Stil Der italienische Nationaltrainer setzt Massstäbe – durch sein stilvolles Auftreten und durch den Umgang mit den Spielern. Im grossen Interview spricht der “Mister” über arrogante Fussballer, die bevorstehende WM und den Tod seiner grossen Liebe. Zu den Perspektiven seiner Mannschaft in Brasilien sagt er kryptisch: “Wir sind nicht die Besten, aber wir können die Besten schlagen.”
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Zuschauerrekord in Costa Rica Die U-17-WM der Frauen begeistert Tausende von Fans: Vom Studenten über den Ladenbesitzer bis zur 12-Jährigen Pamela. Für sie ist nun klar: “Ich möchte eines Tages Fussballprofi werden.”
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Festival der Hoffnung Die WM-Endrunde in Brasilien hat auch eine soziale Strahlkraft. Anlässlich des Football-for-Hope-Festivals treffen sich Kinder aus der ganzen Welt zum Gedankenaustausch – und zum Fussballspielen.
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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com
P residential Note: Fussball als Friedensbotschaft Mit dem Handshake for Peace will die FIFA den Friedensgedanken des Fussballs akzentuieren. Präsident Blatter schreibt in seiner Kolumne von “einer der stärksten zwischenmenschlichen Gesten, die für Respekt, Anstand und Ehrerweisung steht”.
Jordanien: Der Fussball als Rettungsanker Der syrische Bürgerkrieg treibt Hundertausende von Menschen in die Flucht. Im jordanischen Flüchtlingslager Za’atari versuchen viele Kinder, die traumatischen Erlebnisse zu vergessen. Der Fussball spielt dabei eine zentrale Rolle.
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“ 1974 war wie ein Märchen” Nationalcoach Ange Postecoglou erinnert sich an die erste WM-Teilnahme von Australien. Damals mussten die Spieler Urlaub eingeben, um nach Deutschland zu reisen.
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N etzer weiss es! Würde Ihnen das Fussballerleben von heute Spass machen? Günter Netzer macht in seiner Kolumne klar: Auf die schnellen Medien hätte er keine Lust, dafür würde er die vielen Experten rund um die Mannschaft schätzen.
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Turning Point Hidetoshi Nakata spielte sein Leben lang Fussball. Bis er sich eines Morgens entschied, die Welt zu bereisen. “Ich war 29, als ich merkte: Das war’s! Ich bin nicht mehr bereit für den Profisport.”
Deyna Castellanos Die Venezolanerin überzeugt an der U-17-WM
Gusti Cup 9. Mai 2014, Zürich 5. September 2014, Zürich
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Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com
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Blue Stars/FIFA Youth Cup 28. bis 29. Mai 2014, Zürich
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa 54 Mitglieder www.uefa.com
Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com
Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com
Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com
Hulk Will mit Zenit St. Petersburg die Saison retten
Der Azzurri-Code Das Titelbild zeigt Cesare Prandelli auf den Rängen im Henryk- Reyman-Stadion in Krakau (Polen). Entstanden ist die Aufnahme im Sommer 2012.
Cesare Prandelli Italiens Trainer gibt sich bescheiden
Hidetoshi Nakata Vom Fussballprofi zum Weltenbummler
Cover: Anan Sesa / imago Inhalt: imago, Getty Images (4)
Ange Postecoglou Der Australien-Coach im Interview
Fussball-Weltmeisterschaft 12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien
U-20 Frauen-Weltmeisterschaft 5. bis 24. August 2014, Kanada
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Olympische Jugendfussball turniere 15. bis 27. August 2014, Nanjing
FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
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UNCOVERED
Stille Wasser
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Antonio Calanni / AP
itelgeschichten können an einer Redaktionssitzung lange Diskussionen auslösen. Als wir uns vor Wochen zur ersten Besprechung dieser Ausgabe trafen, war das Cover-Thema in 30 Sekunden beschlossene Sache: Italien. Italien! Das Calcio-Dossier. Italiens Fussball steht für Tradition. Für Taktik und Kult. Auch deshalb bleibt der vierfache Weltmeister in Zeiten des Wiederaufbaus wettbewerbsfähig. Kein Nationalteam ist vor einem grossen Turnier so unberechenbar wie Italien. Nur Aussenseiter 2014? Man sagt, am gefährlichsten seien die Azzurri, wenn sie keiner auf dem Plan hat. Wie 1982 und 2006. Nach einem langen Gespräch mit Nationalcoach Cesare Prandelli ausserhalb von Florenz kam unsere Redakteurin Doris Ladstaetter zum Schluss: Dieser Mann, der seiner Mannschaft einen Verhaltens-Kodex auferlegt hat,
geht das Projekt Brasilien verdächtig bedacht an. “Wir sind nicht die Besten. Aber wir können die Besten besiegen.” Als Ort des Treffens wählte Prandelli übrigens eine Bibliothek.
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ein Berufskollege aus Australien mag nicht über Fussball-Trophäen nachdenken. Wie auch, wenn daheim alle von Cricket und Rugby reden? Auf dieses und andere Klischees gab uns Aussie-Coach Ange Postecoglou seine erfrischenden Antworten. Zum Beispiel, dass sich sagenhafte 10 000 australische Fans für die WM-Reise nach Vitória angemeldet haben.
z wischenmenschliche Respekt darf nie verloren gehen. Sepp Blatter lädt deshalb die Team-Kapitäne ein, sich nach jeder WM-Partie am Mittelkreis zu treffen. “Ein Fussballspiel mag mit dem Schlusspfiff enden”, sagt der FIFA-Präsident in seiner wöchentlichen Kolumne. “Unser Kampf für Frieden, Integration und Gerechtigkeit geht dann aber erst richtig los.” Å Alan Schweingruber
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ls besondere Geste wird in Brasilien auch der gerade lancierte “Handshake for Peace” von sich Reden machen. Es ist eine Friedensbotschaft, die der Handschlag in die Welt tragen soll: Egal, wie ein Spiel endet, der
Warten auf die grosse Welle Das italienische Team badet im brasilianischen Meer (Konföderationen-Pokal, Juni 2013). T H E F I FA W E E K LY
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Name Claudio Cesare Prandelli Geburtsdatum, Geburtsort 19. August 1957, Orzinuovi (Italien) Kinder Niccolò (1984), Carolina (1987) Italienische Nationalmannschaft Seit 2010 Erfolge als Spieler Dreifacher italienischer Meister und Europapokal Gewinner mit Juventus Turin Erfolge als Trainer
Massimo Sestini
Italienischer Meister Serie B, Vize-Europameister 2012, Dritter beim KonfĂśderationen-Pokal 2013
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“Wir können die Besten besiegen” Cesare Prandelli verkörpert Eleganz und Stil. Sein Verhaltenskodex im Nationalteam ist einmalig. Im grossen Interview spricht der italienische “Mister” über arrogante Fussballer, die anstehende WM und den Tod seiner grossen Liebe. Mit Cesare Prandelli sprachen Doris Ladstaetter und Franco Nicolussi, Coverciano
Cesare Prandelli ist ein eleganter Mann. Im braun-grauen Anzug schüttelt der 56-Jährige in Coverciano Hände und wird mit einem ehrfurchtsvollen “Buongiorno Mister” begrüsst. Herr Prandelli, bestehen Sie darauf, als “Mister” angesprochen zu werden?
Stapeln Sie nicht ein bisschen tief? 2012 haben Sie mit einer jungen italienischen Mannschaft das Finale der EM erreicht, im letzten Jahr beim Konföderationen-Pokal den dritten Platz belegt. Die erste Runde gegen England, Uruguay und Costa Rica sollte zu schaffen sein. Es macht keinen Sinn, eine junge Mannschaft wie die unsere mit zu hohen Erwartungen zu belasten. Klüger ist es, realistische Ziele zu setzen. Die erste Runde ist realistisch. Ein Turnier wie die Weltmeisterschaft kann man nur Schritt für Schritt gewinnen.
Cesare Prandelli (lächelt): Aber nein. Es ist so einfach üblich in Italien. Jeder, der hier eine Mannschaft trainiert, ist ein “Mister”.
Sie haben die physische Kondition der potenziellen italienischen Nationalspieler vor kurzem als “peinlich” bezeichnet. In der italienischen Serie A herrscht seitdem helle Aufregung.
Vier Monate vor der Weltmeisterschaft sind Sie DER Mister in Italien.
Mag sein. Aber es ist nun einmal wahr: Die Geschwindigkeit, mit der in Europa Fussball gespielt wird, ist nicht die, mit der in Italien gespielt wird. Normalerweise waren unsere Fussballer im März in guter Verfassung. Bei unserem letzten Spiel war das nicht der Fall. Hätte ich das verschweigen sollen?
Vor ein paar Tagen trank ich in einem Café meinen Espresso, als die Tür aufging, ein Mann reinkam und laut “Ciao Mister!” rief. Ich drehte mich um und wollte ihn begrüssen. Der Mann übersah mich völlig und lief stattdessen strahlend auf den Trainer der Schulmannschaft zu.
Jetzt sind Sie so bescheiden wie Giovanni Trapattoni, der bei Juventus sechs Jahre lang Ihr Trainer war. Giovanni war mir immer ein Vorbild. Er schaffte es stets, auch Spielern wie mir, die weniger spielten, Selbstvertrauen zu schenken. Er hat immer seine Träume gelebt und seinen Enthusiasmus behalten, egal was passiert ist.
Träumen Sie davon, die WM in Brasilien zu gewinnen? Ich bin froh, wenn wir die erste Runde überstehen.
Tragen die Klubs die Schuld an diesem niedrigen Niveau? Ich habe niemanden beschuldigt. Ob das an der Vorbereitung oder an der Kondition liegt, kann ich nicht beurteilen.
Was werden Sie unternehmen? In den drei Wochen, die Sie sich mit den Spielern auf die WM vorbereiten können, werden Sie die physische Kondition eines Spielers nicht entscheidend verändern können. Das müssen wir aber. Diese drei Wochen müssen reichen. Wir werden uns mit Sicherheit auf die Verbesserung der physischen Kondition der Mannschaft konzentrieren. Die T H E F I FA W E E K LY
wird in Brasilien den Ausschlag geben. Ich habe meine Lektion beim Konföderationen- Pokal im letzten Jahr gelernt.
Was ist da passiert? Zum ersten Mal in meinem Dasein als Trainer bin ich an meine Grenzen gestossen. Bei zwei Spielen haben mich gleich acht Spieler gebeten, ausgewechselt zu werden. Die ersten zwanzig Minuten hielten sie sich wacker, dann spielten sie fünfzehn weitere Minuten, als hielten sie die Luft an. Schliesslich wollten sie nur noch raus aus dem Spiel. Unseren Gegnern erging es nicht viel besser, es war ein ständiges Auf und Ab.
Wer sind Ihre WM-Favoriten? Die üblichen vier. Brasilien aufgrund der Technik, Tradition und weil sie zu Hause spielen. Spanien, weil sie in den letzten Jahren den Weltfussball dominiert haben. Deutschland, weil sie neue Spieler geschickt in eine Gewinner- Mentalität eingefügt haben. Argentinien wegen der Fülle an Talenten. Kolumbien und Belgien können die Überraschungen werden.
Und Italien? Wir sind nicht die Besten. Aber wir können die Besten besiegen. Wir werden mit der Gewissheit zur WM fahren, dass wir in der richtigen Kondition jeder Mannschaft Probleme bereiten können.
Bis auf Gianluigi Buffon und Daniele De Rossi haben Ihre Spieler kaum Erfahrung bei internationalen Turnieren vorzuweisen. Wie vermitteln Sie dem Rest der Mannschaft das Selbstvertrauen zum Gewinnen? Ich muss mich bei weniger kompletten Spielern auf ihre Qualitäten konzentrieren. 7
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Freunde Der ehemalige Nationalcoach Giovanni Trapattoni und Prandelli
Diesen Verhaltenskodex haben Sie der Nationalmannschaft gleich bei Ihrem Antritt vor vier Jahren aufgebrummt. Wer sich nicht benehmen und kontrollieren kann, darf nicht spielen, lautet Ihre Devise. Brauchen italienische Fussballer solche erzieherische Massnahmen? Ich wollte, dass ein Spieler wieder das Gefühl kriegt, dass er sich seinen Platz in der Mannschaft verdienen muss. Das Trikot der Azzurri zu tragen ist eine Ehre und die muss man sich verdienen, nicht nur mit technischen Qualitäten und guten Leistungen, sondern auch mit korrektem Verhalten. Ein Spieler, der dem Gegner ins Gesicht spuckt oder immer wieder mit einer Schwalbe zu Boden geht, verdient es nicht, zu diesem Zeitpunkt in die Nationalmannschaft berufen zu werden – egal wie gut er spielt.
Der Ethik-Kodex könnte Sie in Bedrängnis bringen, wenn ein entscheidender Spieler wie Daniele De Rossi vor Beginn der WM die Beherrschung verliert. Theoretisch ja, praktisch nein. Ich denke nicht, dass einer der wichtigen Spieler vor der Weltmeisterschaft die Beherrschung verliert. Wenn er das tun würde, dann wäre es kein wichtiger Spieler, auf den ich zählen kann, und die WM ohnehin nicht sein Platz.
Welcher der Spieler hat sich gegen diesen Ethik-Kodex gewehrt? Kein einziger. Höchstens Funktionäre oder Trainer hatten Einwände. 8
Auch De Rossi nicht, als Sie ihn Anfang März für ein Freundschaftsspiel gegen Spanien nicht nominiert haben, weil er in einem Ligaspiel die Fäuste eingesetzt hat?
Der italienische Fussballverband hat Sie unabhängig vom WM-Ergebnis für zwei weitere Jahre verpflichtet. Fehlt Ihnen nicht eine Erfahrung im Ausland?
Auch er nicht. Spieler schätzen solche Regeln. Sie müssen sich auch an etwas festhalten können. Die Spieler, die zur WM fahren, wissen, dass sie Auserwählte sind. Auch das vermittelt einer Mannschaft ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstvertrauen.
Ja, die würde ich gerne machen. Vor wenigen Tagen hat Carlo Ancelotti mir erzählt, dass ihn in den zwei Jahren bei Chelsea kein einziger gegnerischer Fan beleidigt hat. Wenn ich das höre und an all die überflüssigen Polemiken denke, die wir hier in Italien führen, will ich sofort aufbrechen.
Was mögen Sie an der Welt des Fussballs nicht?
Sie waren dreissig Jahre lang verheiratet. Wie haben Sie den Tod ihrer Frau verarbeitet?
Die Arroganz und den Umstand, dass sich viele Leute so wichtig nehmen.
Sie kennen es auch anders? Als ich spielte, haben wir uns nicht so wichtig genommen. Wenn wir am Sonntag ein Spiel verloren, blieben wir am nächsten Tag vor Scham zu Hause. Wir fühlten uns verantwortlich für ein verlorenes Spiel. Wir waren dankbar für das aussergewöhnliche Leben, das wir als Zwanzigjährige führen durften. Ausserhalb des Spielfeldes lebten wir leichter. Wir mussten unsere Wohnungen selbst mieten und unsere Rechnungen selbst bezahlen. Wir hatten keine Entourage, die uns die unliebsamen Dinge des Alltags abnahm.
Sie wollten eigentlich Architekt werden. Ja, aber dann mischte sich meine Mutter ein. “Das Diplom, Cesare, das Diplom”, sagte sie. Also habe ich mein Diplom als Geometer gemacht.
Gefällt es Ihnen, etwas zu kreieren? Und sei es nur eine Idee auf dem Fussballfeld? Und wie! Wir könnten uns jetzt Wochen darüber unterhalten, was ich erschaffen und verändern möchte: Wohnungen, Häuser, Kleider. Ich bin für alles zu haben. T H E F I FA W E E K LY
Ich war achtzehn, meine Frau nicht einmal fünfzehn. Wir trafen uns in unserem Heimatdorf bei Brescia. Von diesem Tag an waren wir zusammen. Es war mein Drama, als sie vor sieben Jahren starb. Deshalb will ich diesen Teil meines Lebens eigentlich immer für mich behalten. Aber dann sage ich mir: Warum nicht? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Menschen tröstet, wenn ich darüber spreche.
Was erzählen Sie diesen Menschen? Dass meine Frau mich und meine Kinder getröstet hat, obwohl sie diejenige war, die im Sterben lag. Und nicht nur uns, auch unsere Freunde, die gesamte Verwandtschaft. Es war ein Montag als sie starb. Der Tag, an dem Spieler und Trainer sich ausruhen. Während ihrer letzten Stunden haben die Kinder und ich uns zu ihr ins Bett gelegt und ununterbrochen mit ihr geredet. Die Ärzte ihrer Schmerztherapie haben uns erzählt, dass Todkranke als letztes ihr Gehör verlieren. Sie war grossartig. Sie hat uns erlaubt, diesen schmerzvollen Abschied mit Gelassenheit zu leben. Das werde ich nie vergessen. Å
Gero Breloer / AP, Claudio Villa / Getty Images (3)
Ich habe nicht die Zeit, um an ihren Schwächen zu arbeiten. Meine wichtigste Aufgabe ist es, der Mannschaft ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln. Das passiert auch über so angebliche Nebensächlichkeiten wie den Ethik-Kodex.
“Die Spieler, die zur WM fahren, wissen, dass sie Auserwählte sind. Auch das vermittelt einer Mannschaft ein Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstvertrauen.”
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QUO VADIS ITALIA? In Italien dankt eine Generation gealterter Klubbesitzer ab. Sie gehen mit hohen Verlusten und hinterlassen zweitklassige Spieler und veraltete Stadien. Im Nachwuchs klafft (noch) ein Loch. Doris Ladstaetter
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ange haben die italienischen Klub-Krösusse ihre Sorgen einfach totgeschwiegen. Sie haben ihre Schulden mit teuren Einkäufen überdeckt und mit Millionen um sich geworfen. So bemerkte im letzten Jahrzehnt kaum jemand, wie die einst schönste Liga der Welt zu leiden begann und still vor sich hin welkte. 1990 noch gewann Deutschland die Weltmeisterschaft in Italien mit neun Spielern – darunter so klangvolle Namen wie Klinsmann, Matthäus und Hässler –, die ihr Brot allesamt in der Serie A verdienten und in diesen Jahren in keiner anderen Liga spielen wollten. Aus Südamerika und Europa wurde nur die Elite des Fussballs in die italienischen Klubs geholt: Maradona, Careca, Zico, Platini, Van Basten, Gullit – die Namenslisten bei Juventus Turin, Napoli, beim AC Milan oder bei Inter Mailand lasen sich wie das Who’s Who des Weltfussballs. Klar war im Belpaese bald auch jeder ein Fussballfan. Die Stadien waren mit siegverwöhnten Tifosi prall gefüllt. Italien war ein Fussballparadies: Zu Recht nannte jedermann die Serie A die schönste Liga der Welt. Die grossen Stars verlassen Italien Zwei Jahrzehnte später stehen all diese Gewissheiten Kopf. Zu den bekanntesten ausländischen Spielern in den italienischen Klubs zählen Carlos Tévez und Fernando Llorente – beide sind nicht für die zur WM antretenden National m annschaften ihrer Heimatländer A rgentinien und Spanien nominiert. Die Superstars kommen nicht mehr gerne, umso lieber setzen sich die, die schon da sind, ab. Kaká, dem AC Mailand seit Jahren eng verbunden, schluckte zu Saisonbeginn eine Gehaltskürzung von zehn auf vier Millionen pro Jahr, um nach einem Wechsel zu Real Madrid wieder in Italien spielen zu können. Die zweite Lohneinbusse, die ihm jetzt droht, will er nicht mehr verdauen. Bald könne man ihm in Florida beim Kicken zusehen, munkelt man in Italien. 10
Zwischen 2004 und 2013 erreichten nur fünf Mannschaften aus dem Belpaese das Viertelfinale der Europa League – zwischen 1994 und 2003 waren es immerhin 17 gewesen. “Die Geschwindigkeit, mit der in Europa Fussball gespielt wird, ist nicht die, mit der in Italien gespielt wird”, hat Nationaltrainer Cesare Prandelli erkannt. Angesichts der gebotenen Leistung in den Fussballstadien rätselt Italien inzwischen darüber, womit sich die Tifosi ihre Zeit am Sonntag totschlagen. In den Stadien nicht – dort gähnen den Klubchefs leere Ränge entgegen. Nicht einmal das Mailänder Derby oder Milan – Juventus vermochten in den letzten zwei Jahren ein “Ausverkauft!” zu melden. Beim AC Mailand sahen zuletzt im Schnitt noch etwa 44 000 Zuschauer ein Spiel. Bei Borussia Dortmund sind es fast doppelt so viele. Käufer gesucht Im einst so fussballverrückten Italien spielen deshalb immer öfter die Klubbesitzer verrückt. Hoch verschuldet, wütend und ohne Wachstumsstrategie hangeln sie sich seit Jahren in immer wechselnden und wiederkehrenden A llianzen von Saison zu Saison. Jedes Jahr quält sie das Gefühl, Gefangene ihrer Leidenschaft zu sein, ein wenig mehr. Inzwischen schweigen sie nicht mehr und geben ihre v erzweifelte Suche nach einem Käufer oder w enigstens einem finanzstarken Partner lautstark kund. “Wer Genoa will, soll sich melden”, bot Enrico Preziosi seinen für weniger als eine Million Euro erstandenen Klub vor zwei Jahren an. Massimo Cellinos mal ernsthaft verfolgte und dann wieder aufgeschobene Absicht, seinen Cagliari Calcio in Sardinien an einen Scheich abzutreten, hält die Fans seit Jahren in Atem. Seit 2011 suchte auch Inter-Präsident Massimo Moratti nach einem Käufer. Im letzten Jahr trat er 75 Prozent seiner Anteile an Inter Mailand an den indonesischen Verleger Erick Thohir für angebliche 250 Millionen Euro ab. In 18 Jahren als Präsident investierte Moratti mehr als 1,2 Milliarden Euro aus seinem inzwiT H E F I FA W E E K LY
schen kriselnden Familienimperium, um die ständig roten Zahlen bei seiner grossen Liebe Inter zu verschönern. Und nun bereitet der Klubbesitzer aller Klubbesitzer seinen Ausstieg vor. “Mit dem AC Mailand verliere ich jährlich 50 Millionen Euro”, klagte der inzwischen rechtskräftig verurteilte Silvio Berlusconi vor wenigen Tagen der “Gazzetta dello Sport” sein finanzielles Leid. Hunderte Millionen Euro muss der Cavaliere wegen Steuerhinterziehung und anderer Vergehen zahlen, dazu kommen Verluste mit seinem Mondadori-Verlag und ein Minus von beinahe 50 000 Euro, das jeden Tag für Unterhaltszahlungen an Exfrau Veronica Lario fällig wird. Als Berlusconi 1986 den AC Mailand übernahm, wurde aus dem Vollen geschöpft. Zusammen mit seinem Freund und Vizepräsidenten Adriano Galliani ging der Cavaliere auf Einkaufstour. Eine verwöhnte Mannschaft um Gattuso, Pirlo, Kaká, Maldini, Nesta, Leonardo, Inzaghi und Seedorf lebte zwei Generationen lang prächtig von seinem Geld. Inzwischen scheint es dem 77-jährigen Berlusconi zu schwanen, was er bei der Kaufeuphorie über all die Jahre beharrlich vergessen hat: Ein eigenes Stadion zu bauen, sein Erbe zu regeln und den Nachwuchs zu fördern. Serie A als Talent-Lieferant? Versäumnisse, die seiner Tochter Barbara das Leben schwer machen werden – für den Fall, dass sie es tatsächlich schafft, sein Erbe zu übernehmen. Ihr ist längst bewusst, dass der Klub die fehlende Qualität nicht mehr einfach zukaufen kann. Sie selbst zu entwickeln, wird dauern. “Frühestens in drei Jahren”, schätzte Barbara Berlusconi, werden die Massnahmen beim Umbau der Jugendausbildung zu greifen beginnen. Bis dahin hechelt eine Mannschaft, bei der sich mangels alternativem Nachwuchses alle Hoffnungen auf den erst 23 Jahre alten Mario Balotelli reduzieren, hinter Juventus her. Gleichzeitig wird beim AC Mailand weiter kräftig gespart: Ein kleines Minus von 16 Mil-
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Zuversicht sieht anders aus: Ein Bild aus dem Nationalteam-Camp mit Christian Maggio (links oben), Emanuele Giaccherini und Andrea Pirlo (rechts) .
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Im einst so fussballverrückten Italien spielen immer öfter die Klubbesitzer verrückt.
lionen Euro hat der Klub in den letzten zehn Jahren mit Transfers angehäuft. Verglichen mit den über 300 Millionen, die beim FC Barcelona in zehn Jahren mehr für Spieler ausgegeben als eingenommen wurden, ist das eine untypische Bilanz. “Die italienischen Fussballklubs sind bei Weitem nicht so hoch verschuldet wie so manche in der spanischen oder englischen Liga und das ist gut”, sagt Demetrio Albertini, Vizepräsident des italienischen Fussballverbandes und ehemaliger Mittelfeldspieler bei Milan, der seit Jahren vehement für eine Reform eintritt, die den Nachwuchs in den Mittelpunkt stellt. “Wir müssen uns entscheiden, was wir sein wollen: Ein Talent-Lieferant für Ligen im Ausland oder eine Spitzenliga”, sagt Albertini. Millionen-Honorare waren einmal In Udine hat Klubbesitzer und Holzmagnat Gianpaolo Pozzo – wie Berlusconi seit 1986 im Fussballgeschäft – darauf eine Antwort gefunden und gezeigt, dass man auch in Krisenzeiten Geld mit Fussball verdienen kann. Udinese holt junge Spieler aus dem Ausland und verkauft sie dann weiter. Seit wenigen Jahren besitzt Pozzo nicht nur Udinese, sondern auch den spanischen Klub Granada und den englischen Watford Football Club. Auch bei Juventus Turin gibt es trotz Krise Gewinne, vorallem dank eigenem Stadion, dem einzigen im ganzen Land, das nicht im Besitz einer Stadtgemeinde ist. AS Roma will es Juventus gleichtun und noch in diesem Jahr mit dem Bau eines neuen Stadiums in Rom beginnen. Bis zum Start der Saison 2016/17 soll es fertig sein. Aussehen wird es wie ein ultramodernes Kolosseum. Es sieht so aus, als hätte sich Italiens Klubbesitzer längst entschieden, in welche Richtung es nach der grossen Krise in Zukunft gehen wird. Keine Fussballstars mit Millionenhonoraren mehr, das war einmal. Bald werden wir von in Italien ausgebildeten Topspielern hören, die wie Gladiatoren losziehen, um den Weltfussball zu erobern. Å 12
Fünfter WM-Titel als schwierige Mission Die Italiener Daniele De Rossi (links) und Mario Balotelli müssen sich in der WM-Gruppe erst mal gegen die ehemaligen Weltmeister England und Uruguay durchsetzen.
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Die vier Weltmeistertitel 1982 1934
Ein dreifaches erstes Mal: Zum ersten Mal nimmt Italien an einer Weltmeisterschaft teil. Zum ersten Mal trägt Italien eine solchen Wettbewerb aus, zum ersten Mal gewinnt Italien die WM gegen die Tschechoslowakei. Diktator Benito Mussolini nutzt die WM als Werbung für den Faschismus. Die Azzurri werden von einem seltsamen Paar angeführt: Vittorio Pozzo, einem Pirelli-Funktionär, und Giorgio Vaccaro, einem General der faschistischen Miliz. Die beiden isolieren die Mannschaft eineinhalb Monate lang mit einer militärischen Vorbereitung. Das Finale wird im Nationalstadion der Faschistischen Partei in Rom vor 50 000 Zuschauern ausgetragen.
Wee Khim, Getty Images / Hulton
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Eine spielerisch verbesserte aber noch immer militärisch gedrillte Mannschaft um das Trio Colaussi-Piola-Meazza triumphiert in Frankreich im Finale gegen Ungarn 4:2. Wieder nutzt Mussolini das Turnier für seine nationalistische Politik und gibt bekannt, dass für die Italiener nichts weniger als der Sieg vorgesehen ist. Widerspruch wird nicht geduldet. Die italienische Mannschaft spielt in schwarzen Trikots und gewinnt das Finale erst in der Verlängerung. Jeder Spieler erhält 20 000 Lire Preisgeld. Ein Jahr später führt Mussolini die Italiener in den Zweiten Weltkrieg, die WM wird erst 1950 wieder ausgetragen. T H E F I FA W E E K LY
Die Azzurri schreiben eines der schönsten Märchen der Fussballgeschichte. Nachdem Italien in der V orrunde kein einziges Spiel gewinnen kann und sich nur aufgrund eines erzielten Treffers mehr als Gruppenzweiter hinter Polen für die Zwischenrunde qualifizieren kann, tobt die Polemik um das italienische Team vor dieser WM so schlimm, dass die Azzurri zum Presseboykott ausholen und den wenig gesprächigen Dino Zoff zum Pressesprecher küren. Paolo Rossi schiesst am kraftvollsten zurück und steigt mit sechs Treffern zum Torschützenkönig auf – nachdem er zuvor mit einer Sperre wegen Totobetruges und Gerüchten um seine angebliche Homosexualität zermürbt worden war. Die Mannschaft von Enzo Bearzot ist das beste Team der WM und besiegt Argenti nien mit Maradona (2:1), Brasilien mit Zico (3:2), Polen mit Boniek (2:0) und schliesslich im Finale Deutschland mit Rummenigge (3:1).
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fährt eine Mannschaft zur WM in Deutschland, die in den Augen der Italiener zu alt und korrupt ist. Der Calciopoli-Skandal hat das Vertrauen der Fans in die Azzurri zerstört – ein Grossteil der Italiener spricht sich im Vorfeld dieser WM dafür aus, dass die Mannschaft zu Hause bleibt, nachdem Schiedsrichterabsprachen in der Serie A zu Tage gekommen sind. Im Zentrum des Skandals stehen Juventus und die Söhne von Nationaltrainer Marcello Lippi und Juve-Generaldirektor Luciano Moggi. Juventus wird nach zwei gewonnenen Meisterschaften in die Serie B zurückgestuft. Bei der WM zeigen die Italiener perfekten Defensivfussball. Das Finale gegen Frankreich gewinnt Italien im Elfmeterschiessen. Zuvor war Zidane in der Verlängerung wegen eines Kopfstosses gegen Marco Materazzi vom Platz gestellt worden. Å Franco Nicolussi
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U -17 - F R A U E N - W M C O S T A R I C A
→ http://www.fifa.com/u17womensworldcup
Ein Sieg für den Frauenfussball Die U-17-WM der Frauen in Costa Rica hat sich als Schaubühne für den Frauenfussball erwiesen. 209 658 Zuschauer strömten in der Gruppen phase in die Stadien – ein neuer Rekord
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Abeer Elsayed, San José
Jamie McDonald / FIFA via Getty Images
ir haben nicht erwartet, dass das Niveau so hoch sein würde. Wir sehen den Frauenfussball jetzt in einem ganz anderen Licht und werden die Entwicklung dieser jungen Spielerinnen verfolgen.” Das sind die Worte eines der vielen Fans, mit denen die FIFA in den Stadien gesprochen hat. Unter den befragten Zuschauern ist auch Esteban, ein Student, der sich ein Spiel im Esta dio Nacional in San José angeschaut hat. “Vor dieser Weltmeisterschaft habe ich noch nie Frauenfussball gesehen”, sagt er beim Ver lassen des Stadions. “Ich bin gekommen, um Venezuela zu unterstützen, weil ich finde, die Venezolanerinnen waren hier bis jetzt gemein sam mit Nigeria das beste Team. Es hat wirk lich Spass gemacht, beiden Mannschaften zu zuschauen.” “Dasselbe Niveau wie die Jungs” Paola Ramirez, ebenfalls eine Anhängerin des Frauenfussballs, kann ihm da nur zustimmen: “Ich hätte nicht gedacht, dass Mädchen auf demselben Niveau spielen können wie die Jungs”, meint sie lachend, “aber ich bin jetzt wirklich begeistert vom Frauenfussball. Ich fand Span ien und Japan beeindruckend, aber ich werde stets Venezuela unterstützen.” Doch nicht nur in San José zeigten sich die Leute begeistert. Adrian, ein 29-jähriger Fan des Teams von Herediano, das in der costa- ricanischen Meisterschaft zurzeit den zweiten Platz belegt, wurde während der WM sogar eines besseren belehrt. “Ich war wirklich nicht sonderlich begeistert davon, Mädchen beim Fussballspielen zuschauen zu müssen”, gibt er zu. “Ich muss allerdings sagen, dass mich ihre Leistungen beeindruckt haben, insbesondere die der japanischen Mannschaft. Ich habe K arten bekommen und bin heute extra herge kommen, um die Japanerinnen spielen zu sehen.” Adrian hat während des Turniers eine Lieblingsspielerin gefunden: “Deyna Castella nos ist unglaublich für ihr Alter. Ich werde ver suchen, sie für unser Team unter Vertrag zu nehmen”, scherzt er.
“Die Stars von morgen” Die U-17-Frauen-Weltmeisterschaft ist seit je eine Schaubühne für talentierte Nachwuchs spielerinnen. Costa Rica 2014 ist da keine Aus nahme, und Castellano, Gloriana Villalobos, die beiden Garcias – Nahikari and Gabriela – und Marie Levasseur sind nur einige Beispiele für aufstrebende Stars, die die Fans mit ihrer her ausragenden Technik zu beeindrucken wissen. “Es macht sehr viel Spass, Villalobos und Castellano beim Fussballspielen zuzuschauen, und ich glaube, die beiden haben eine strahlen
de Zukunft vor sich”, sagt Rafael Romano, ein einheimischer Ladenbesitzer, der sich die Auf taktspiele im Fernsehen anschaute und davon so angetan war, dass er beschlossen hat, ins Stadion zu gehen. Das Turnier hat auch die Träume der 12-jäh rigen Pamela beflügelt, die im Stadion war, um Italien anzufeuern und Manuela Giugliani in Aktion zu sehen. “Ich möchte eines Tages Fuss ballprofi werden und für Costa Rica spielen”, sagt die erklärte Anhängerin von Lionel Messi und Neymar. “Das wird aber noch etwas dauern.” Å
Teilnehmende Verbände 16 Finalspiel Japan – Spanien (am 4. April) in San José Siegesserie Japan mit fünf Spielen ohne Niederlage Zuschaueraufkommen in der Gruppenphase 209 658 Besucher Treffer pro Spiel 3,43
Dynamik und Spielfreude Barbara Serrano (Venezuela; links) im Spiel gegen die Gastgeberinnen. T H E F I FA W E E K LY
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BLICK IN DIE LIGEN
N Russland: Premjer-Liga
Zenit fokussiert das Duell am 2. Mai Sven Goldmann ist Fussball experte beim “Tagesspiegel” in Berlin.
Langsam löst sich die A nspannung bei Zenit St. Petersburg, diese rätselhafte Frühjahrs müdigkeit, die den von Gazprom finanzierten Klub zum Beginn des neuen Fussballjahres in der Premjer-Liga befallen hatte. Die Unruhen rund um die Entlassung des italienischen Trainers Luciano Spalletti waren nur allzu gut vom Tableau abzulesen: Erst ein Unentschieden daheim gegen Tom Tomsk, dann eine Niederlage bei ZSKA Moskau. Russlands oberster Fussballfan Wladimir Putin dürfte mit einiger Irritation verfolgt haben, was sich da bei seinem Lieblingsverein tat. Seit der Rekrutierung des Portugiesen André Vilas-Boas für den Job auf der Trainerbank aber geht es wieder aufwärts. Dass die Tabellenspitze nach zuletzt zwei Siegen gegen Krylja Sowjetow Samara und Ankar Perm nur noch einen Punkt entfernt ist, haben die Petersburger aber auch dem mangelnden Geschick der Konkurrenz zu verdanken. Im Gipfeltreffen des 23. Spieltages reichte es für Tabellenführer Lokomotive gegen den Moskauer Ortsrivalen Spartak nur zu einem 0:0. Die permanente Überlegenheit der Eisenbahner zeitigte nur zwei Pfostenschüssen durch Sergej Tkatschew und Alexander Samedow. Fünf Minuten vor Schluss durfte noch Lokomotives einstiger Weltstar Roman Pawljutschenko auf den Platz, doch auch ihm gelang nichts mehr. Für Zenit war der Sieg im Fernduell mit Lokomotive allerdings nur ein kleines Licht in diesem ansonsten doch sehr dunklen Frühjahr. Das Prestige gibt es woanders zu gewinnen. Auf höchstem europäischen Niveau sind die russischen Klubs im Allgemeinen und die Petersburger im Besonderen immer noch nicht ebenbürtig. Das liegt nicht nur, aber auch an einem geografisch bedingten Wettbewerbsnachteil. Der russische Winter lässt von Anfang Dezember an drei Monate lang keinen Spielbetrieb zu. Das verträgt sich nicht gut mit den Playoffs in der Champions League, die ihre erste Runde stets für Mitte Februar anberaumt. Ohne Wettkampfpraxis ist dort nichts zu holen. Diese 16
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“Für ihr schönes Geld bekommen die russischen Klubs zumeist nur internationale B-Prominenz.” Erfahrung machte Zenit in diesem Jahr aufs Neue – diesmal gegen Borussia Dortmund. Das Weiterkommen wurde schon durch eine 2:4-Niederlage daheim im Hinspiel verspielt. Da half auch ein 2:1-Sieg im Rückspiel nichts, obwohl den Petersburgern dabei das selten erlebte Kunststück gelang, die Dortmunder Fans zum Auspfeifen ihrer eigenen Mannschaft zu animieren. Das kann aber natürlich nicht der Anspruch der kostspieligen Teams der ehemaligen Sowjetunion sein. Seit langem schon wird Zenit und ZSKA und Spartak und Lokomotive ein Aufstieg in höchste europäische
Sphären vorausgesagt. Doch für ihr schönes Geld bekommen die russischen Klubs zumeist nur internationale B-Prominenz: Spieler wie Lassana Diarra (Lokomotive), Lucas Barrios (Spartak), Keisuke Honda (ZSKA) oder Hulk (Zenit). Zenit, im vergangenen Jahr in der Premjer- Liga nur Zweiter hinter ZSKA, muss nun die Saison halbwegs retten – mit einer Rückkehr auf den russischen Thron. Gelegenheit dazu bietet sich am 2. Mai: Drei Runden vor Schluss reisen die Petersburger zum mutmasslich die Meisterschaft entscheidenden Duell ins Moskauer Lokomotiv-Stadion. Å
Obenauf Miguel Danny (FC Zenit; r.) gegen Reginal Goreux (FC Krylja Sowjetow Samara). Das Spiel endete 2:1. T H E F I FA W E E K LY
Imago
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Freudenschrei Stürmer Bryan Rochez (Real España) ist in Topform.
Liga Nacional
Alle gegen die Löwen Nicola Berger schreibt über den honduranischen Fussball.
Orlando Sierra / AFP Photo
Olimpia gegen Marathon, das ist in Honduras eine grosse Sache: Tegucigalpa gegen San Pedro Sula, die “Löwen” gegen das “grüne Monster”, darum geht es im Superclásico. Für Rekordmeister Olimpia endete das ewige Duell am Sonntag unerfreulich: Vor heimischem Anhang ging das Team des Technikers Danilo Tosello mit 0:3 unter. Die Schmach kam überraschend, Marathon hatte die Apertura noch auf dem letzten Platz abgeschlossen, ist akut abstiegsgefährdet und war erst am 22. März zu Hause von Real España mit 1:6 gedemütigt worden. Marathon plagen zudem andere Sorgen. Das von der
Armut geplagte San Pedro Sula gilt als gewalttätigste Stadt der Welt und verzeichnete 2013 einen traurigen Rekord: Nirgendwo sonst war die Mordrate höher. In der 1000 Meter über Meer gelegenen Hauptstadt Tegucigalpa gibt es gleichfalls soziale und sportliche Brennpunkte, die Fans können sich aber immerhin damit trösten, dass Olimpia das Klassement zwei Runden vor dem Ende der Qualifikation anführt. Der Ligaprimus hat gute Chancen, sich für den Gran Final, das zweiteilige Endspiel um den Titel vom ersten Mai-Wochenende, zu qualifizieren. Der 28. Titelgewinn wäre nichts als logisch; das ursprünglich als Baseball-Team gegründete Olimpia hat vier der letzten fünf Meisterschaften für sich entschieden und stellt abermals die beste Equipe. Die härtesten Konkurrenten sind das noch titellose Real Sociedad mit Goalgetter Ronny “Ronigol” Martinez (25, 23 Saisontore) und der in San Pedro Sula angesiedelte Apertura-Champion Real España mit dem hoch veranlagten T H E F I FA W E E K LY
Angreifer Bryan Rochez (19, bereits 20 Saisontore). Sollte Rochez dem favorisierten Olimpia den Titel entreissen, es würde nicht einer gewissen Ironie entbehren: Das Talent stammt aus Tegucigalpa. Rochez dürfte sein Glück bald anderswo versuchen. Wie vielen zentralamerikanischen Meisterschaften fehlt es auch dem honduranischen Fussball an Infrastruktur und Finanzkraft. Die wichtigsten Nationalspieler des WM-Teilnehmers sind Emilio Izaguirre (27, Celtic Glasgow) und Maynor Figueroa (30, Hull). Beide haben die Liga Nacional längst verlassen. Zumindest Letzterer dürfte den Superclásico indes auch von seinem britischen Exil aus verfolgt haben: Bis 2008 hatte er selber für Olimpia gewirkt. Å
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KUNSTRASEN-BOOM
Vorteil Kunstrasen
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n den 1960er Jahren erlebte die Welt des Sports eine kleine Revolution: in den USA wurde eine ganze Reihe Kunstrasenplätze gelegt. Der erste wurde im April 1966 im Houston Astrodome für die Austragung von Baseballspielen eingerichtet, wenige Jahre später fand auf dieser Unterlage eine Super Bowl statt, und alle Feldhockey-Begegnungen der Olympischen Spiele von Montreal 1976. Der Fussball verfolgte diese Initiative mit grossem Interesse. Mehrere Klubs in Europa beschlossen, in diesen Belag zu investieren, insbesondere in den skandinavischen Ländern. Die Vorteile sind vielseitig: Zum einen die Unabhängigkeit vom Wetter und die Beständigkeit in schwierigen klimatischen Bedingungen. Zum anderen ist es die einzige Lösung für überdachte Stadien, die im Schatten hoher Tribünen liegen. Zudem ist die Pflege weniger zeitintensiv und kostengünstiger, und die Unterlage ist für die Austragung verschiedenster Ereignisse geeignet, ob für Fussballspiele oder kulturelle Veranstaltungen. Diese Vorteile überzeugten auch die FIFA, die heute den Bau von Kunstrasenplätzen fördert. Im Februar 2001 führte der Weltfussballverband ein Qualitätskonzept sowie das Siegel “FIFA Recommended” ein, das sich als international anerkannte Norm etablierte. Tests im 18
Labor und auf dem Platz zeigten die Widerstandskraft, die Unveränderlichkeit oder die positive Wechselwirkung mit dem Spieler. 2004 beschloss das International Football Association Board (IFAB), die Kunstrasenplätze in die Spielregeln aufzunehmen. Gewiss, die Kunstrasenplätze bieten Angriffsfläche für Kritik. Puristen werden den Geruch des Rasens und den Kontakt mit der Natur vermissen. Auch wurde der Vorwurf laut, die Kunstrasenplätze seien schädlich für die
F IFA - QUALI TÄT SPRO G R AMM F ÜR KUN S T R A SEN Star t: 2001 Entwicklung FIFA zer tifizier ter Felder: 2007: 110; 2013: 1587, davon: AFC: 142, C AF: 83, CONC AC AF: 111, CONMEBOL: 30, OFC: 20, UEFA: 1201 Hersteller: 30, die die hohen Anforde rungen er füllen, davon neun “FIFA Preferred Producer ”. Nutzung von Kunstrasen: WM Qualifikationsspiele, UEFA-Cham pions-League, Seria A (Italien), Ehrendivi sion (Niederlande), Ligue 1 (Frankreich), Premjer Liga (Russland), FA Cup (England; siehe The FIFA Weekly 28. März). T H E F I FA W E E K LY
Gesundheit der Sportler oder für die Umwelt, weil der Plastikrasen Farbstoffe und Zusätze enthält. Um die eigenen Anforderungen, insbesondere bezüglich der Qualität der Kunstrasenplätze für den Spitzenfussball weiter zu verschärfen, entwickelte die FIFA 2004 ein neues Siegel: “FIFA 2 Star RECOMMENDED”. 2009 wurde die Initiative “FIFA Preferred Producer Initiative” gestartet, deren Ziel es ist, das System in jeder Etappe seines Lebenszyklus zu verbessern: von der Produktion über die Installation des Kunstrasens bis zur Wartung. Der technologische Fortschritt und die Investitionen in Forschung und Entwicklung machten es möglich, einige der Schwächen zu beseitigen. Insbesondere die grösste Befürchtung, nämlich die Sicherheit der Spieler, konnte durch wissenschaftliche Studien zerstreut werden. Mehrere Studien belegen, dass die Unfallzahl auf Kunstrasen ungefähr derjenigen auf Naturrasen entspricht und die Schwere der Verletzungen nicht vom Spieluntergrund abhängt. Letztlich fand der Kunstrasenplatz im Verlauf der letzten 15 Jahre nach und nach Eingang in die Gewohnheiten des Fussballs. Å Stu Forster/Getty Images
Xavier Breuil
Schritt in die Zukunft Der Kunstrasen ist mehr als nur eine Alternative zum natürlichen Spiel untergrund.
C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 6 9 T A G E
→ http://www.fifa.com/worldcup
Festival der Hoffnung Die WM-Endrunde in Brasilien ist nicht nur die Bühne der Besten des Sports. Sie bietet auch die perfekte Gelegenheit, den Fussball als sozialen Faktor zu fördern. Honey Thaljieh, Thomas Renggli
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ls Dachorganisation des Weltfussballs spielt die FIFA eine soziale Schlüssel rolle. Das Programm Football for Hope gehört zu den wichtigsten Inst rumenten in diesem Bereich. Es unter stützt Projekte, die Fussball und so z iale Entwicklung verbinden – durch fi nanzielle Mittel, Know-how, Ausrüstung oder Schulungen zu Themen wie Finanzmit telbeschaffung, vernetztes Arbeiten, persön liche Entwicklung und Kommunikation. Wenn im kommenden Juli die WM-End runde in ihre entscheidende Phase geht, rückt auch Football for Hope ins Scheinwerferlicht. Anlässlich des Football-for-Hope-Festivals
treffen sich 32 Teams von 15- bis 18-Jährigen aus der ganzen Welt, um ihre Gedanken aus zutauschen und Erfahrungen zu teilen. Die Teilnehmenden kommen aus sozial engagier ten Organisationen und feiern in Rio de Jan eiro ihre erreichten Ziele und demonstrieren die soziale Kraft des Fussballs – auf wie auch neben dem Platz. Sie demonstrieren im Klei nen, welch integrative Wirkung der Fussball im Grossen haben kann. Der Sport, der Völker verbindet und die Brücke zwischen nationalen, religiösen und ethnischen Grenzen schlägt. Im Rahmen dieser sozialen WM messen sich Teams mit je drei Spielerinnen oder Spie lern im sportlichen Wettkampf. Im Zentrum stehen aber nicht Leistungsgedanken und Resultate, sondern das Vermitteln der sozia
len Entwicklung durch Fussball und der G edankenaustausch durch interkulturelle Begegnungen – Teambildung auf natürliche und spielerische Art. Schiedsrichter kommen in diesen freundschaftlichen Vergleichen nicht zum Einsatz. Bei strittigen Situationen müssen die Spieler vermitteln und schlich ten – quasi Entscheidungen auf diplomati schem Parkett fällen, um den Zugang zum Fair Play selbstständig zu finden. Fussball kann als erzieherisches Mittel dienen – ohne dass der Mahnfinger gehoben oder eine Gelbe Karte gezeigt wird. Auch für diesen Gedan ken ist die WM die ideale Plattform. Å
Felipe Dana /AP Photo
Spielfreude Fussball kann Kinder in der persönlichen Entwicklung fördern und helfen, Grenzen zu überwinden.
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First Love
Or t: Rom, Italien D at u m : 2 7. Au g u s t 2 0 1 2 Zeit: 15.05 Uhr
Tino Soriano / NGC
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DEBAT T E
Geste mit grosser Wirkung Fussball verbindet und integriert. Mit dem Handshake for Peace will die FIFA diesen Gedanken akzentuieren.
“S
Thomas Renggli, Honey Thaljieh
port hat die Macht, Menschen zu inspirieren und zusammenzuführen. Er ist das perfekte Mittel, um Fair Play und Gerechtigkeit zu propagieren.” Diese Worte stammen von Nelson Mandela. Sie müssen für das Geschehen auf den Fussballplätzen mehr Gewicht haben als jede taktische Anweisungen oder technische Finte. Denn sie zeigen, welche Rolle der Fussball spielen kann – auch in Konflikt zonen wie Palästina, Zypern oder dem früheren Jugoslawien, wo die Gesprächsbereitschaft der rivalisierenden Parteien auch durch den Fussball wieder in Bewegung kommt. Am kommenden Sonntag, dem 6. April, wird der Internationale Tag des Sports für Entwicklung und Frieden begangen. Initiiert von der Non-Profit-Organisation Peace and Sport wurde er auf Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees im August 2013 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen.
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Handshake for Peace Der Südafrikaner Aron Mokoena (l.) und der Norweger Morten Gamst Pedersen an der Nelson Mandela Challenge 2009.
damals die Ehre als Gastnation zuteil, weil das Land im Kampf gegen die Apartheid als Vermittler eine entscheidende Rolle gespielt hatte und es die Heimat des (1993 an Nelson Mandela verliehenen) Friedensnobelpreises ist. Nach dem Spiel reichten sich der Südafrikaner Aron Mokoena und der Norweger Morten Gamst Pedersen beim Trikottausch die Hand – und zwar nach afroamerikanischer Art (Jiveshake). “Bei dieser Form des Handschlags schauen sich die Menschen direkt in die Augen – und kommen sich näher als beim normalen Händeschütteln,” sagt F IFA-Präsident Blatter. Das Bild, das um die Welt ging Der norwegische Fotograf Trond Tandberg hielt den symbolträchtigen Moment mit seiT H E F I FA W E E K LY
ner Kamera fest. Das Bild ging um die Welt. Heute steht es für ein Ereignis, das die Welt ein klein wenig besser machte. Dank der Kampagne Handshake for Peace soll es die Botschaft weiterverbreiten. Mit 265 Millionen aktiven Fussballern und 209 Mitgliederverbänden (16 mehr als die Uno) kann die FIFA ihren B eitrag dazu leisten. Å
Trond Tandberg
Bestandteil des Spielprotokolls Dieser Tag soll ein Zeichen für die integrative Wirkung des Sports setzen. Unabhängig davon sendet die FIFA mit der Kampagne Handshake for Peace ein weiteres starkes Signal. Die anlässlich des FIFA-Kongresses 2012 in Budapest geborene Idee wurde in den vergangenen Monaten konkretisiert und ist an FIFA-Turnieren mittlerweile fester Bestandteil des Spielprotokolls. Nach jeder Partie versammeln sich die beiden Kapitäne sowie die Schiedsrichter zu dieser symbolischen Geste. Die ersten Überlieferungen von Handschlägen gehen auf die alten Griechen im fünften Jahrhundert vor Christus zurück. Der Ursprung des Handshake for Peace liegt in einer Initaitve des norwegischen Fussballverbandes und dem Nobel Peace Center. Sie führte zur Nelson Mandela Challenge, einem jährlich stattfindenden Benefizspiel, das die Bedeutung des Fussballs als Friedenssymbol in Südafrika demonstriert und 2009 zwischen Südafrika und Norwegen in Rustenburg ausgetragen wurde. Norwegen kam
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PRESIDENTIAL NOTE
Sport verfügt über die einzigartige und unersetzliche Fähigkeit, Menschen zu verbinden und überwindet dabei grosse ethnische, religiöse und soziale Differenzen. Ich bin überzeugt, dass der Sport dem Frieden langfristig dienen kann.
nationale Tag des Sports für Entwicklung und Frieden. Vielen Dank, dass sie uns dabei unterstützen, durch den Sport positive Veränderungen zu erreichen!
Prinz Albert von Monaco
Die Kraft des Sports ist grenzenlos. Tag für Tag wird das Leben der Menschen durch Sport bereichert, denn der Sport fördert Teamgeist, soziale Interaktion und natürlich auch einen gesunden Körper und Geist. Ich fordere alle dazu auf, auf diejenigen zu achten, die keinen oder nur einen beschränkten Zugang zum Sport haben, und zu versuchen, die Hindernisse zu beseitigen, die deren Teilnahme im Wege stehen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, den Sport für alle zugänglich zu machen. Ich hoffe, dass wir durch diesen Internationalen Tag das Bewusstsein dafür schärfen können, dass jeder die Möglichkeit bekommen muss, die Vorzüge des Sports zu erleben.
“Sportliche Solidarität kann sehr hilfreich sein.” Die beiden Atommächte Indien und Pakistan standen vor zehn Jahren kurz vor einer militärischen Konfrontation. Das in beiden Ländern als Nationalsport praktizierte Cricket konnte die angespannte Situation entschärfen: Das indische Nationalteam, das auch Tausende von indischen Fans mitbrachte, ging für einige Wochen auf Pakistan-Tour und spielte gegen pakistanische Mannschaften. Im Gegenzug besuchte das pakistanische Nationalteam wenig später, begleitet von Tausenden von pakistanischen Fans, Indien und spielte gegen dessen Mannschaften. Auf diesem Weg kamen sich die beiden Nationen diplomatisch wieder näher. Adolf Ogi, Alt Bundesrat, Schweiz
Sportliche Solidarität kann sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, Frieden zu stiften, wo er am dringendsten benötigt wird. Der 6. April 2014 ist der erste Inter
Paula Radcliffe, britische Langstreckenläuferin
Wilfried Lemke, UN-Berater für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung
Alles, was ich über Moral und Verpflichtungen weiss, verdanke ich dem Fussball. Albert Camus, französischer Schriftsteller
Durch die Einführung des 6. April als Internationaler Tag des Sports für Entwicklung und Frieden würdigen die UN und das IOC die einzigartige Rolle des Sports in unserer Gesellschaft und die damit einhergehenden konstruktiven und positiven Werte. Während des gesamten Jahres leisten alle Beteiligten enorme Arbeit, oftmals unter sehr schweren Bedingungen. Dieser Tag dient als Anerkennung und Förderung ihrer Leistungen. Wir haben die Website www.april6.org eingerichtet, um den verschiedenen Akteuren eine Plattform zu bieten, auf der sie ihre Aktionen der breiten Öffentlichkeit vorstellen können. Auch Sport-Champions spielen dabei eine grosse Rolle, denn als Vorbilder können sie zahlreiche Menschen motivieren, selbst mitzumachen. Der 6. April muss sich als wichtiges Datum für die Schaffung von Frieden durch Sport etablieren. Das ist einer der Eckpfeiler unserer Bewegung. Joël Bouzou, Präsident und Gründer
Die Friedens botschaft
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er Handschlag ist eine der stärksten zwischenmenschlichen Gesten. Er steht für Respekt, Anstand, Ehrerweisung – quasi eine Friedensbotschaft im kleinsten Rahmen. Ich durfte vielen grossen Persönlichkeiten die Hand reichen. Am besten ist mir der Hand shake mit Nelson Mandela in Erinnerung geblieben. Es war ein unvergesslicher Akt der Energie- und Gedankenübertragung. Die FIFA hat mit dem Nobel-Friedenszentrum in Oslo eine Vereinbarung getroffen, die dazu beitragen soll, die Friedensbotschaft noch stärker in die Welt zu tragen. Im Zentrum steht der Handshake for Peace. Anlässlich der KlubWM 2013 in Marokko war er erstmals ein fester Bestandteil des Spielprotokolls. In Brasilien soll er ein noch stärkeres Zeichen setzen. Er zeigt, dass selbst sportliche Wettkämpfe auf höchstem Niveau friedlich und respektvoll enden. Ich bin überzeugt, dass diese Botschaft weit über das Turnier in Brasilien hinausgeht. Wir laden alle Spielführer ein, sich nach der Partie zusammen mit dem gegnerischen Kapitän und dem Spielleiter zum Handschlag für den Frieden zu treffen – an jener Stelle, wo vor dem Kickoff die Münze geworfen wird. Ein Fussballspiel mag mit dem Schlusspfiff enden. Unser Kampf für Frieden, Integration und soziale Gerechtigkeit geht dann aber erst richtig los. Ich bitte deshalb die globale Fussball-Gemeinde, diese Idee zu unterstützen und mitzuhelfen, dass die Friedensbotschaft um die ganze Welt geht – nicht nur während 90 Minuten, sondern 24 Stunden – an 365 Tagen.
von “Peace and Sport”
“Die Kraft des Sports ist grenzenlos.” Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY
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A FIFA World Cup in Brazil is just like Visa: everyone is welcome.
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Momente des Glücks
Auf der Flucht Das syrische Mädchen Rama steht stell vertretend für Tausende von Kindern im Camp Za’atari.
Mutassem Malkawi
Im jordanischen Flüchtlingslager Za’atari, unmittelbar an der Grenze zu Syrien, versuchen Tausende Kinder, ihre traumatische Vergangenheit für einen kurzen Moment zu vergessen. Der Fussball spielt dabei eine zentrale Rolle.
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Andrew Warshaw
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ie neunjährige Rama lächelt bei der Begrüssung und streckt freundlich die Hand aus. “Ich freue mich, dass Sie da sind, um uns zuzusehen!”, sagt sie auf Arabisch, bevor sie wegrennt, um die Grundlagen von Passen, Dribbling, Torschuss und Zusammenspiel zu erlernen. Fussball gilt in vielen Ländern inzwischen als “Big Business”, in dem es um viel Geld geht und das bis in den letzten Winkel kommerzialisiert ist. Doch in den jordanischen Flüchtlingslagern unmittelbar an der Grenze zu Syrien dient der beliebteste Sport der Welt ganz anderen Zwecken: Er verändert sprichwörtlich das Leben vieler Tausender entwurzelter und traumatisierter Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten – und möglicherweise nie zurückkehren können. Das grösste dieser Flüchtlingslager ist Za’atari. Etwas mehr als eine Autostunde von der Hauptstadt Amman entfernt, haben sich Hunderttausende Flüchtlinge über die zwölf Kilometer entfernte syrische Grenze hierher gerettet, um den verheerenden Kämpfen in ihrer Heimat zu entkommen. Dicht an dicht stehen Zelte und Wohncontainer. Über die Hälfte der so untergebrachten über 100 000 Menschen sind Kinder. In Za’atari leben etwa 30 Prozent der syrischen Flüchtlinge auf jordanischem Boden. Es ist die weltweit drittgrösste Ansiedlung dieser Art überhaupt und in mancherlei Hinsicht ein Ort der Verzweiflung. Jeder hier hat Verwandte oder Freunde verloren. Ein Ort der Inspiration Das ist aber nur die eine Seite von Za’atari. Denn das Camp ist dank des unermüdlichen Einsatzes internationaler Hilfsorganisationen und eines Programms des gemeinnützigen Asian Football Development Project (AFDP) auch ein Ort der Inspiration. Ins Leben gerufen wurde es von FIFA-Vizepräsident und Chef des jordanischen Fussballverbandes Prinz Ali Bin Al Hussein mit Unterstützung des norwegischen Fussballverbands. Im Rahmen des Norway Football Fields Project schenkten beide Parteien dem Flüchtlingslager Za’atari zwei Fussballfelder. Sechs weitere wurden in der Umgebung angelegt. Dreimal in der Woche wird trainiert, einmal im Monat gibt es ein kleines Fest und Turniere für die verschiedenen Altersklassen, die von geschulten Aufsichtspersonen und ausgebildeten Trainern geleitet werden. Teils zum Schutz vor Wiedererkennung und teils aus kulturellen Gründen sind Fotoaufnahmen verboten. Einzige Ausnahme sind Anlässe von Mädchen unter 13 Jahren wie derjenige, der während meines jüngsten Besuchs in vollem Gange war. Auf einem improvisierten, steinigen Feld, das kaum grösser ist als ein kleiner Schulspielplatz und mit dicken Zeltplanen vor allzu neugierigen Blicken abgeschirmt wurde, haben sich über 70 Mädchen aufgestellt. Viele von ihnen 26
laufen barfuss oder allenfalls auf S ocken, keines hat eine richtige Fussballmontur. Die Mannschaften unterscheiden sich durch verschiedenfarbige Leibchen. Dann wird eine Stunde lang munter trainiert. Der Enthusiasmus und die Unbeschwertheit sind ansteckend. “Mach ein Bild von mir” Der Andrang für das Training ist so gross, dass nicht alle Mädchen mitmachen können. Viele der teils unter 8-Jährigen sitzen deshalb dicht gedrängt auf Betonbänken direkt am Spielfeldrand. Einige haben überhaupt keine Berührungsängste mit einem Fremden und wollen sogar ausdrücklich fotografiert werden. “Mach ein Bild von mir, ich will bei Al-Jazeera gezeigt werden!”, bekommen die Journalisten zu hören. Andere drücken sich schüchtern weg und schauen verwirrt.
Ausser den drei Stunden Schul unterricht gibt es in der staubigen Halbwüste wenig Abwechslung. Neben dem Fussball haben die Flüchtlingskinder, die meist aus der syrischen Stadt Daraa und Umgebung stammen, wenig Grund zur Freude. Ausser den drei Stunden Schulunterricht täglich, die inzwischen im ganzen Lager eingeführt wurden, gibt es in der staubig-steinigen Halbwüste nicht viel Abwechslung. Für Prinz Ali ist die Einführung von Fussball in dem Flüchtlingslager auch aus diesem Grund eine grosse Leistung. Vieles habe sich zum Positiven verändert. Denn soziale Verantwortung hat mittlerweile auch im modernen Fussball Einzug gehalten, sodass immer mehr Vereine dem Sport etwas zurückgeben wollen. Doch nirgendwo ist sozialer Zusammenhalt, wie ihn der Fussball bewirkt, so wichtig wie in Za’atari. “Die Flüchtlinge werden mit allem Nötigen versorgt, aber letztlich haben gerade die Kinder in ihrer freien Zeit nichts zu tun”, weiss Prinz Ali. “Fussball ist deshalb Beschäftigung, Unterricht in Teamwork und Gesundheitsvorsorge zugleich. Zudem werden sie eine Weile von dem abgelenkt, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt haben. Es geht um die menschlichen Aspekte des Fussballs, die manchmal ausser Acht gelassen werden. Einige Flüchtlinge sind bei T H E F I FA W E E K LY
ihrer Ankunft mit Steinen beworfen worden. Fussball hält sie von Drogen und Banden fern. Es geht also nicht allein um den sportlichen Wettkampf.” In Za’atari kennt jeder jemanden, der zurückgelassen wurde. “Viele haben zerstörte Dörfer, Tote und Verwundete gesehen”, berichtet AFDP-Vorstand Merissa Khurma. “Die Leute hier haben eine Menge durchgemacht. Gerade die Kinder haben Dinge gesehen, die kein Kind sehen sollte. Diese Verzweiflung sieht man auch in ihren Augen. Aber wenn es um Fussball geht, haben die Kinder plötzlich wieder Elan. Ihnen eine Stunde lang ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, macht unglaublich viel aus.” Jordanien ist dabei nicht das einzige Land, im dem das AFDP tätig ist. Humanitäre Programme gibt es auch in Kambodscha, Malaysia und auf den Philippinen. Bei allen liegt der Schwerpunkt auf den Grundlagen des Fussballs und der Stärkung von Gemeinden. “Der einzige Daseinszweck des AFDP ist letztlich, mit Fussball Positives zu bewirken, dabei neue Wege zu gehen und – wenn man so will – neue Hoffnung zu geben”, so Khurma. “Die Botschaft ist dabei simpel: Man kann mit sehr wenig sehr viel bewirken!” Vom “Höllenloch” zur Heimat Niemand weiss indessen besser, wie wichtig Fussball für das Flüchtlingslager Za’atari geworden ist, als Kilian Kleinschmidt vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). In seinem Büro, das eigentlich nichts weiter als ein mittelgrosser Wohnwagen ist, deutet der bullige und stets mitfühlende Verwaltungschef des UNHCR auf eine Karte des Camps, in dem mittlerweile wie bei einer gut geölten Maschine ein Rädchen ins andere greift. Mehrere Hundert Flüchtlinge gehen stolz der Arbeit nach, die ihnen in Za’atari gegeben wurde. Das war jedoch nicht immer so. “Vor einem Jahr haben die Leute zu diesem Ort ‘Höllenloch’ gesagt. Die Lage war sehr angespannt”, erzählt Kleinschmidt, der schon in vielen Konfliktgebieten geholfen hat. “Wir hatten zwar sanitäre A nlagen und Unterkünfte, was wir aber nicht notwendigerweise hatten, war ein Zugang zu den Menschen. Es hat einige Zeit gedauert, bis sie verstanden haben, dass wir sie nicht verhaften und in Folterkammern stecken werden, dass wir ihnen ihre Würde lassen wollen und sie bei uns eigene Entscheidungen treffen dürfen.” Laut Kleinschmidt waren es vor allem die traumatisierten Kinder, die die grössten Probleme in Sachen Disziplin hatten. Fussball, glaubt er, hat ihrem Leben wieder etwas mehr Halt gegeben. “Wenn man diesen Kindern in die Augen blickt, sieht man ganz oft Erwachsene”, sagt er. “Viele der Kinder haben keine Orientierung mehr und brauchen eine Form der Normalität. Zu Fussball haben sie einen Bezug. Er gibt ihnen ihre Kindheit zurück.” Å
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FLÜCHTLINGSCAMP ZA’ATARI Za’atari ist ein Flüchtlingslager in Jordanien und heute Heimat von 106 073 Menschen (Stand 2. April 2014), die wegen des anhaltenden Bürger kriegs in Syrien geflohen sind. Mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Es ist das zweitgrösste Flüchtlingsc amp der Welt und umfasst eine Fläche von 3,3 Quadratkilome tern. Das Lager wurde am 28. Juli 2012 eröffnet und steht unter der gemeinsamen Administ ration der jordanischen Regierung und dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Unzählige NGOs sorgen für das Wohl der Men schen – von Behausun gen, über medizinische Versorgung und Bildung bis zu Wasser- und Sanitärversorgung.
Thomas Koehler / photothek, Mandel Ngan / Keystone
Das Norway Football Fields Project wird vom Norwegischen Fussball verband in Zusammenar beit mit dem jordani schen Verband und dem Asian Football Develop ment Project (AFDP) orga nisiert und hat Za’atari zwei der acht Fussball feldern, die im Norden Jordaniens finanziert worden sind, geschenkt.
Ablenkung In Trainings und Turnieren werden die Kinder unterhalten und gefördert.
Baracken so weit das Auge reicht Über 100 000 Menschen müssen Za’atari vorübergehend als ihr neues Zuhause akzeptieren.
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emirates.com
Tomorrow brings us all closer To new people, new ideas and new states of mind. Here’s to reaching all the places we’ve never been. Fly Emirates to 6 continents.
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FREE KICK
Die ältesten WM-Spieler
Vom Bambino zum Nonno Sarah Steiner
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ür die einen beginnt mit 40 Jahren ihre berufliche Laufbahn erst so richtig, für die anderen ist sie dann bereits beendet. Zwischen dem Spitzenfussball und dem “normalen” Arbeits a lltag eines Bank kaufmanns oder einer Floristin finden sich nicht viele Parallelen. Auch beim Einstiegs alter in den Beruf nicht. Bereits in jungen Jahren landen Nachwuchsfussballer auf der Wunschliste der grossen Vereine. Erst letzten Herbst hat Real Madrid den neunjährigen Japaner Takuhiro Nakai verpflichtet. Pipi, wie der Junge mit Spitznamen genannt wird, wird von den spanischen Medien als der neue Cristiano Ronaldo gehandelt. Und auch der FC Barcelona steht den Königlichen in nichts nach. Erst letzte Woche belegte die FIFA-Diszi plinarkommission den Verein wegen Transfers minderjähriger Spieler mit einer hohen Geld strafe und einem Transferverbot. Mit neun Jahren rannte Dino Zoff noch den Hühnern auf dem väterlichen Bauernhof im norditalienischen Friaul hinterher. Zwar war er schon seit seiner frühen Kindheit ein begeister ter Torhüter, der junge Dino mass aber mit 14 Jahren gerade einmal 1,60 Meter. Die Jugend abteilungen von Udinese Calcio und Inter Mai land lehnten dankend ab. Dino musste sich seine Sporen bei Marianese, dem Klub seines Heimat dorfes, abverdienen und absolvierte nebenher eine Ausbildung zum Automechaniker. Die hei mischen Hühner sollen der Legende nach aus dem Bauernjungen Dino Nationale g emacht haben. Seine Grossmutter verordnete ihm eine Eierkur – auf dem Speiseplan standen acht Stück am Tag; der Bambino werde dann schon wach sen. Und tatsächlich: Weitere 22 Zentimeter schaffte er bis zu seinem 19. Geburtstag.
1961 verpflichtete Udinese den Torwart. Bis zum definitiven sportlichen Durchbruch musste er sich weitere sechs Jahre gedulden. Der Italiener avancierte dann aber zum besten Torhüter, den die Squadra Azzurra je hatte. Sechsmal gewann er die italienische Meister schaft, zweimal die Coppa Italia, e inmal den UEFA-Pokal. Dazu kamen 112 Einsätze für die Nationalmannschaft und vier Weltmeister schaftsteilnahmen. 1982 krönte Zoff seine Karriere mit dem WM-Titel – im Alter von 40 Jahren. Bis heute ist er der älteste Weltmeister überhaupt. Seinen Rücktritt erklärte “Nonno” (der Grossvater), wie ihn seine Mitspieler nannten, mit den Worten: “Es gibt eine Sache, gegen die ich nicht ankämp fen kann, und das ist das Alter.” Gegen das Altern – besser gesagt das Älter werden – kann auch der kleine Pipi beim gros sen Real Madrid nichts tun. Bis aber seine Ge neration so weit ist, das Rückgrat der ganz grossen Teams zu bilden, werden noch einige Jahre ins Land ziehen. Pipi steht noch ganz am Anfang seiner Laufbahn, vieles ist noch un gewiss. Und ob seine Karriere auch nur an nähernd so erfolgreich sein wird, wie die des grossen Dino Zoff, steht in den Sternen. Nonno wird für ihn wohl höchsten im fussballerischen Geschichtsunterricht zum Thema werden. Zoffs Durchhaltewillen und Biss hingegen wür den Pipi auf dem Weg zum Erfolg sicher helfen. Und wer weiss, vielleicht hat auch der kleine Junge eine Grossmutter, die ihm mit Tipps und Tricks zur Seite steht. Å
Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY
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Roger Milla, Kamerun Turnier: WM 1994 Alter: 42 Jahre, 1 Monat
2
Pat Jennings, Nordirland Turnier: WM 1986 Alter: 41 Jahre, 0 Monate
3
Peter Shilton, England Turnier: WM 1990 Alter: 40 Jahre, 9 Monate
4
Dino Zoff, Italien Turnier: WM 1982 Alter: 40 Jahre, 4 Monate
5
A li Boumnijel, Tunesien Turnier: WM 2006 Alter: 40 Jahre, 2 Monate
6
Jim Leighton, Schottland Turnier: WM 1998 Alter: 39 Jahre, 10 Monate
David James, England Turnier: WM 2010 Alter: 39 Jahre, 10 Monate
8
A ngel Labruna, Argentinien Turnier: WM 1958 Alter: 39 Jahre, 8 Monate
Joseph Antoine, Kamerun Turnier: WM 1994 Alter: 39 Jahre, 8 Monate
10
S tanley Matthews, England Turnier: WM 1954 Alter: 39 Jahre, 4 Monate
11
Jan Heintze, Dänemark Turnier: WM2002 Alter: 38 Jahre, 9 Monate
Welche weiteren Altstars waren an Weltmeisterschaften involviert? Ihre Meinung an: feedback-TheWeekly@fifa.org 29
DAS INTERVIEW
“Fussball wurde belächelt” Ange Postecoglou war neun Jahre alt, als die Australier zu ihrer ersten Fussball-WM aufbrachen. “Der Juni 1974 war wie ein Märchen”, sagt er. In Brasilien will der 48-jährige Nationalcoach gegen die Favoriten Niederlande und Spanien bestehen.
Ange Postecoglou, wer in Australien Fussball spielt, gilt als Weichling. Stimmt das? Ange Postecoglou: Nein, das war früher mal so. Ich mag mich an die Zeit gut erinnern, da hatte Fussball keinen Stellenwert in Australien und wer den Sport mochte, wurde belächelt.
Rugby und Cricket sind nach wie vor die populären Sportarten. Wird Fussball überhaupt wahrgenommen? Es ist schwierig, alte Traditionen aufzubrechen. Unser Land liebt Rugby und Cricket. Aber Fussball entwickelt sich in eine positive Richtung. Neuerdings werden die Spiele live am Fernsehen übertragen – gratis. Das ist gut. Wie kann man sich für einen Sport entscheiden, wenn man ihn gar nicht kennt?
Wie kamen Sie zum Fussball? Meine Familie ist griechischer Abstammung. Zum Zeitpunkt unserer Auswanderung nach Australien war ich fünf Jahre alt. Ich hatte keine Wahl. Mein Vater meinte damals, ich soll ins Fussballtraining gehen. Ich kann mich vage erinnern, dass wir schon in Griechenland gemeinsam in den Stadien waren.
Hatte Ihr 14-jähriger Sohn überhaupt eine Wahl? Nein (lacht). Er spielt übrigens auf der gleichen Position, auf der ich gespielt habe. Er ist Verteidiger.
Australien verfügt über den sehr reichen Verbandspräsidenten Frank Lowy. Was hat er zur Entwicklung des australischen Fussballs beigetragen? Sehr viel. Seit Lowy Präsident ist (seit 2003, Red.) hat sich viel getan im australischen Fussball. Er ist unter anderem verantwortlich für die Gründung der A-League. Auch die Übertragung am Fernsehen ist grösstenteils sein Verdienst. Er hat ein exzellentes Beziehungsnetz. Wir haben Glück, dass Frank Lowy ein begeisterter Fussballfan ist. Er könnte seine Kraft und sein Geld auch anders investieren. 30
Hat er sich für Sie stark gemacht, als es um die Nachfolge von Holger Osieck ging letztes Jahr?
Norden ist ein Thema. Ich glaube, das wird generell unterschätzt.
Ja. Frank Lowy wollte nach zwei ausländischen Coaches wieder einen australischen Trainer einstellen.
Erinnern Sie sich an Australiens erste WM-Teilnahme 1974?
Nach Ihrer Ankunft hat sich das Team verkracht. Vor allem Kapitän Lucas Neill hat Stimmung gemacht. Ja, das stimmt. Aber seine Aussagen sind auch auf die Emotionen zurückzuführen, das darf man nicht vergessen. Die beiden Freundschaftsspiele gegen Frankreich und Brasilien, die Osieck mit der Mannschaft verloren hatte (zweimal 0:6, Red.) waren schmerzvoll.
So etwas vergisst man nie. Es war fantastisch. Ich war erst neun Jahre alt, aber die Geschichte ist in allen Zeitungen erschienen. Unsere Nationalmannschaft bestand aus Fussballern, die nebenbei alle gearbeitet haben. Die Spieler mussten Urlaub nehmen. Und Geld zum Reisen war auch keines da. Die Mannschaft hat sich erstaunlich gut geschlagen. Ein 0:3 gegen das grosse Westdeutschland mit Franz Beckenbauer und Gerd Müller – das war bemerkenswert. Dieser Juni 1974 war wie ein Märchen für Australien.
Neill wurde aus dem WM-Kader gestrichen ... Ich habe nie gesagt, dass er in Brasilien nicht dabei ist. Lucas Neill stand ein paar Monate ohne richtigen Klub da, deshalb war seine Personalie immer wieder ein Thema. Er muss Spielpraxis sammeln, sonst kann ich ihn nicht für eine WM-Endrunde aufbieten.
Der starke Zusammenhalt der Australier ist bekannt. Ihr Verband hat nach der Gruppenauslosung als erstes das WM-Quartier des Teams kommuniziert, um viele Fans in brasilianische Vitória zu locken. Vielleicht weil wir uns noch besser vorbereiten und akklimatisieren müssen als die anderen Nationen. Die Reise von Australien nach Brasilien ist enorm. Wir werden, wenn ich richtig informiert bin, das erste Team sein, das in Brasilien ankommt. Und wir wollen auch sichergehen, dass wir viel Unterstützung von zu Hause bekommen. 10 000 australische Fans sind in der Stadt Vitória bereits angemeldet. Das ist toll.
Wo liegt Australiens grösste Herausforderung an der WM? Wir befinden uns in einer richtig guten Gruppe. Die Spiele gegen die Niederlande und gegen Spanien werden schwierig, Chile ist ebenfalls stark. Auch die Feuchtigkeit im T H E F I FA W E E K LY
Wann findet die erste Fussball-WM in Australien statt? Hoffentlich bald. Mit der Austragung 2022 hat es nicht geklappt. Ich bin überzeugt, dass Australien ein grossartiger Gastgeber wäre. Wir sind ein sportbegeistertes Land. Wenn ich an Sidney 2000 denke – es waren grossartige Olympischen Spiele. Å Mit Ange Postecoglou sprach Alan Schweingruber
Name Ange Postecoglou Geburtsort/Geburtsdatum Athen, 27. August 1965
Mark Metcalfe / Getty Images
Klubs als Trainer South Melbourne, U20 Australien, Panachaiki, Brisbane Roar, Melbourne Victory, Australien (seit 2013) WM 2014 Gruppenspiele: Chile (13. Juni), Niederlande (18. Juni), Spanien (23. Juni)
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ZEITSPIEGEL
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Estadio Santiago Bernabéu, Madrid, Spanien
Zinédine Zidane, Weltmeister und Europameister, eine Legende des Spiels – im Fussball galt seine Sorge nicht nur dem Ball (hier im Real-Dress, Champions League, 23. November 2004), sondern auch seinem Sohn Enzo.
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Andreas Rentz / Bongarts / Getty Images
2004
ZEITSPIEGEL
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Stade Charléty, Paris, Frankreich
2014
Franck Fife / AFP
Wie der Vater, so der Sohn: Der 18-jährige Enzo Zidane spielt in der Farbe, die schon sein Vater trug: das königliche Weiss Real Madrids (UEFA Youth League, 11. März 2014).
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game onor game over
all in or nothing
adidas.com/worldcup Š 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
DAS FIFA-R ANKING Rang Team
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 44 46 47 48 49 50 50 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
Rangveränderung Punkte
Spanien Deutschland Argentinien Portugal Kolumbien Uruguay Schweiz Italien Brasilien Belgien
0 0 0 0 0 1 -1 0 0 1
1510 1336 1234 1199 1183 1126 1123 1112 1104 1084
Niederlande England Griechenland USA Chile Kroatien Frankreich Ukraine Russland Mexiko Bosnien und Herzegowina Dänemark Ecuador Elfenbeinküste Algerien Ägypten Schweden Serbien Panama Tschechische Republik Slowenien Rumänien Kap Verde Costa Rica Ghana Honduras Schottland Türkei Venezuela Peru Armenien Iran Ungarn Tunesien Österreich Montenegro Nigeria Japan Wales Slowakei Kamerun Island Guinea Albanien Usbekistan Mali Norwegen Finnland Paraguay Republik Korea Vereinigte Arabische Emirate Burkina Faso Australien Südafrika Israel Jordanien Bulgarien Republik Irland Senegal Bolivien Libyen Sierra Leone Polen Sambia Saudiarabien Trinidad und Tobago Marokko
-1 3 -1 -1 -1 0 1 0 3 1 -4 -2 1 -1 1 12 -2 1 3 1 -4 1 -6 1 2 4 -3 4 -4 1 -11 -4 1 1 -1 6 0 2 2 4 -4 -4 9 1 2 3 3 7 -10 1 -3 0 -10 0 -9 3 5 -1 -3 0 -3 1 -3 1 0 1 -3
1077 1045 1038 1017 998 955 929 911 889 888 863 858 855 839 819 790 789 762 755 748 746 740 739 732 729 725 721 710 704 703 699 692 652 641 641 639 626 622 609 588 588 582 572 569 565 561 559 556 554 552 550 548 545 536 526 521 518 513 512 511 508 481 475 458 453 446 443
Rang
Okt. 2013
Nov. 2013
Dez. 2013
Jan. 2014
Feb. 2014
März 2014
1 -41 -83 -125 -167 -209
78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 122 124 125 126 127 127 129 130 131 132 133 134 134 136 137 138 139 140 141 142 143 144
Platz 1
Aufsteiger des Monats
El Salvador Haiti Jamaika Oman EJR Mazedonien Belarus DR Kongo Uganda Nordirland Kongo Gabun Togo Neuseeland Aserbaidschan Estland Kuba Benin Botsuana Angola Liberia VR China Georgien Äthiopien Katar Simbabwe Irak Niger Litauen Bahrain Zentralafrikanische Republik Moldawien Kenia Kuwait Dominikanische Republik Kanada Lettland Malawi Mosambik Libanon Tansania Neukaledonien Äquatorial-Guinea Luxemburg Tadschikistan Sudan Zypern Namibia Vietnam Guatemala Afghanistan Kasachstan Burundi Philippinen Suriname Grenada DVR Korea Malta Ruanda Gambia Syrien Tahiti St. Vincent und die Grenadinen Belize Malaysia Turkmenistan Lesotho Antigua und Barbuda
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0 0 0 -1 1 -1 7 -1 -1 -1 -1 1 -1 2 -1 5 3 -1 -1 -1 -10 4 1 -2 -2 11 0 -3 0 -2 -1 -1 -1 0 1 -2 1 3 5 -1 -1 -1 0 -11 1 0 0 18 0 11 1 -5 -3 1 3 3 -3 0 1 -4 2 2 2 9 -13 -4 2
Absteiger des Monats
438 430 429 426 421 420 392 391 388 382 381 377 373 369 367 362 357 355 348 347 339 333 331 330 328 317 315 314 312 310 303 293 287 282 279 265 260 258 254 253 252 251 242 237 236 236 227 224 219 213 213 211 200 197 192 191 186 186 184 183 179 177 176 175 166 165 159
145 146 146 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 162 162 165 165 167 168 169 170 171 172 173 173 173 176 176 178 179 180 181 182 183 183 185 185 187 188 188 190 191 191 191 194 195 195 197 197 199 200 201 202 203 204 205 206 207 207 207
Hongkong St. Lucia Kirgisistan Thailand Singapur Puerto Rico Liechtenstein Indien Guyana Indonesien Mauretanien St. Kitts und Nevis Malediven Pakistan Dominica Nepal Barbados Aruba Färöer Bangladesch Salomon-Inseln São Tomé und Príncipe Palästina Nicaragua Bermuda Tschad Chinese Taipei Laos Guam Myanmar Sri Lanka Mauritius Seychellen Curaçao Swasiland Vanuatu Fidschi Samoa Komoren Guinea-Bissau Bahamas Jemen Mongolei Kambodscha Montserrat Madagaskar Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Südsudan Macau Somalia Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln
-1 2 2 -1 1 7 -1 2 1 4 4 -3 6 7 7 9 7 10 10 2 9 -4 -23 -1 6 -8 -1 -16 -13 -43 -2 1 0 0 5 -1 0 0 15 0 -1 1 -7 1 -1 -3 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 1 -2 0 0 0 0 0 0 0
156 155 155 151 144 143 139 138 137 128 127 125 114 107 103 102 101 87 87 87 86 86 85 84 83 81 76 73 68 68 68 66 66 65 63 55 47 45 41 41 40 40 38 33 33 30 26 26 26 23 21 21 18 18 15 11 10 9 8 6 5 3 0 0 0
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NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Würde Ihnen das seriöse Fussballer-Leben von heute noch Spass machen? Frage von Antonio Pace, Mailand (Italien)
Perikles Monioudis
D
as moderne Fussballerleben beinhaltet Verpflichtungen, mit denen ich mich nur bedingt anfreunden könnte. Der Beruf ist komplex geworden. Ihre Frage, Herr Pace, muss ich in zwei Teilen beantworten. Zuerst: Nein, ich hätte keine Lust jeden Tag 24 Stunden unter Beobachtung zu stehen. Die Vielfalt der Medien und deren Schnelligkeit haben das Leben eines Fussballstars drastisch verändert. Bekannte Spieler haben heute wenig Privatsphäre. Ob beim Bäcker oder am Kiosk – hinter jeder Ecke kann ein Fan mit einem Smartphone lauern. Das ist anstrengend für den Protagonisten. Er kommt nicht drumherum, Social Media zu akzeptieren und mitzumachen. Ich würde aber die neuen Strukturen rund um den modernen Profifussball begrüssen. Es ist bewundernswert, wie die Spezialisten das Optimum aus dem Spieler herausholen. Wenn ich an die Arbeit der Ernährungsberater und der Physiotherapeuten denke – ihr Teil ist unverzichtbar geworden. Zu meiner Zeit besass eine Profimannschaft im besten Fall einen 36
Torhütertrainer. Den Rest erledigte der Coach. Immer wieder werde ich auch mit der Frage konfrontiert, ob die Stars der früheren Jahren im heutigen Fussball bestehen würden. Die Zeiten sind schwer miteinander zu vergleichen. Es herrschten andere Bedingungen. Aber wir verfügten damals alle über die fussballerischen Fähigkeiten. Ja, ich denke wir würden bestehen.Å
Was wollten Sie schon immer über Fussball wissen? Fragen Sie Günter Netzer: feedback-theweekly@fifa.org T H E F I FA W E E K LY
Panini
Hast du den schon? Der Panini-Sticker mit Günter Netzer zur WM 1974.
Die Zeit läuft. Viele Menschen denken, sie liefe ihnen davon. Die Wahrheit ist, dass das die Zeit nicht kümmert – sie läuft auch ohne uns. Das zumindest lässt sie uns glauben. Denn die Zeit hat bestimmt keine Vorstellung von sich selbst; der Mensch aber schon – von sich selbst und von der Zeit. Bleiben wir bei letzterer, ohne ersteres zu verlassen. Die Hopi-Indianer in Nordamerika kultivierten einen Zeitbegriff, der mit “unserem” sehr wenig zu tun hat. Würde man sich mit einem Hopi-Indianer an einem bestimmten Tag, sagen wir in drei Tagen, verabreden wollen, wäre das nicht gut möglich. Denn die Hopi- Indianer dachten sich die Zeit nicht linear, sondern zyklisch. Die Zeit läuft den Hopi-Indianern nicht davon, sie wiederholt sich; es wird Morgen, dann Mittag, Nachmittag, anschliessend Abend, und am kommenden Tag fängt der Tag und eben die Zeit von vorn an. “In drei Tagen” ergibt für den Hopi-Indianer keinen Sinn. Auch 90 Minuten wären für ihn schwer zu fassen. Doch ohne die Konvention, ein Fussballspiel dauere 90+ Minuten, kann es kein Fussballspiel geben. Hier nun kommt die oben abgebildete Kuckucksuhr (FIFA-Sammlung) ins Spiel. Sie misst die Zeit in “unserem” Sinne, zeigt die Stunden und Minuten an und liefert mithin die Grundlage für das Fussballspiel. Sie stammt aus deutscher Fertigung und ist ungefähr 80 Jahre alt. Das heisst nicht, dass sie ihre eigene Lebenszeit gemessen hat. Vielleicht stand sie zwischendurch still. Auch das ein Artefakt unseres Zeitbegriffs. Den Hopi-Indianern war Stillstand fremd. Sie lebten den Tag. Å
TURNING POINT
“Eines Morgens wurde mir klar: Das war’s” Hidetoshi Nakata hat seine Fussballschuhe schon früh an den Nagel gehängt. Brücken zu bauen und Menschen zu verbinden sieht er in der Zeit nach seiner Karriere als seine Berufung.
Name Hidetoshi Nakata Geburtsdatum, Geburtsort 22. Januar 1977, Kofu (Japan) Position Mittelfeld
Wee Khim
I
ch habe meine Karriere mit 29 Jahren been det. Es ist schwierig zu erklären warum. Ich war immer mit Leib und Seele Fussballer, habe diesen Sport voller Leidenschaft gespielt. Das musst du auch, denn sonst bist du nicht gut, in dem was du machst. Eines Morgens während eines Trainings wurde mir plötzlich klar: Das war’s! Ich bin nicht mehr bereit dazu. Es wurde zu Arbeit und das mach te mich nicht mehr glücklich. Man muss wis sen, ich habe nie Fussball gespielt, um Geld zu verdienen. Zumindest nicht in erster Linie. Es hat sich einfach falsch angefühlt. Also habe ich beschlossen, meine Fussballschuhe in berufli cher Hinsicht an den Nagel zu hängen. Ich war jung und habe mir gesagt: Vielleicht ändere ich meine Meinung und fange eines Tages wieder damit an. Ich habe sie nicht geändert. Seit meinem Karriereende habe ich über hundert Länder bereist. Nach dieser langen Tour wurde mir bewusst, dass ich nun einen grossen Teil der Welt gesehen hatte. Ich wurde während dieser Jahre oft auf Japan angesprochen und mir wurde klar, dass ich meine eigenes Land kaum kannte. Also habe ich auch Japan bereist, seine Kultur intensiv erlebt und kennengelernt. Es war fantastisch. Reisen bedeutet für mich leben. Ich wusste immer, dass Fussball weit mehr als nur ein Spiel ist. Es ist viel mehr als 22 Män ner, die einem Ball nachjagen. Fussball hat eine enorme Macht. Er ist fähig, die Welt zu ver ändern. Denn seine wichtigste Eigenschaft ist es, Menschen zu verbinden – über politische, wirtschaftliche und kulturelle Grenzen hinweg.
Vereine 1995–1998 Bellmare Hiratsuka 1998–2000 AC Perugia 2000–2001 AS Roma 2001–2004 AC Parma 2004 FC Bologna (Leihe) 2004–2006 AC Florenz 2005-2006 Bolton Wanderers (Leihe) Nationalteam Japan 77 Spiele, 11 Tore
Diese Macht gilt es zu nutzen. Ich habe also mei ne eigene Stiftung gegründet und spiele viele Charity-Partien. Und ich empfand noch nie so viel Freude, in meiner gesamten Aktivzeit nicht, wie wenn ich auf den Strassen dieser Welt mit Kindern und Jugendlichen Fussball spiele. Mit meiner Aktivzeit verbinde ich aber auch unglaublich viele schöne und wichtige Erinne rungen. Klar, es war am Anfang nicht einfach. Ich war 21 Jahre alt, als ich von Japan nach Italien wechselte. Es veränderte sich vieles. Die Kultur, die Lebensweise, die Menschen. Doch am Ende bleibt Fussball Fussball. Ganz egal wo auf der Welt man ihn spielt. Er bildet eine Art gemeinsame Sprache. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, die Sprache des Landes zu sprechen. Ich habe also Italienisch gelernt, das fiel mir nicht besonders schwer. Man muss aber auch sagen, dass man mir meinen Einstand nicht schwer gemacht hat. Ich wurde sehr herzlich empfan gen und im Team aufgenommen. Und am Schluss diskutierst du über deine Leidenschaft, den Sport, und alles ist gut. T H E F I FA W E E K LY
Über Fussball zu diskutieren macht gene rell Freude. Im Moment spricht jeder darüber, die WM steht schliesslich vor der Tür. Ein solch grosses Turnier ist immer unberechen bar. Es ist schwierig, einen Favoriten zu be stimmen. Klar würde ich mir für meine Lands leute wünschen, dass sie ein erfolgreiches Turnier spielen. Aber ich denke, es wird schwierig für das japanische Team. Å Aufgezeichnet von Sarah Steiner
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37
EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
FIFA - R ÄT SEL - CUP
The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) Internet: www.fifa.com/theweekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878
Ein Platz mit Fehlern, ein Stadion ohne Namen, ein Weltmeister ohne Gegentore – raten Sie mit!
Irgendwas fehlt doch da: Auf der Werbekarte für eine WM scheint der Platz für unsere Augen nicht komplett. Jedenfalls war es die letzte WM mit so einem Fussballfeld. Wann?
1
Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke
M 1934 D 1966
Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio
H 1950 B 1982
Chefredakteur: Perikles Monioudis Art Director: Catharina Clajus, Markus Nowak
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Wer wurde mit seinem Nationalteam zuletzt FIFA-Weltmeister?
Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner
O
Ständige Mitarbeiter: Jordi Punti, Barcelona; David Winner, London; Hanspeter Kuenzler, London; Roland Zorn, Frankfurt/M.; Sven Goldmann, Berlin; Sérgio Xavier Filho, São Paulo; Luigi Garlando, Mailand
A
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I
Bildredaktion: Peggy Knotz Produktion: Hans-Peter Frei (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Richie Krönert, Peter Utz, Mirijam Ziegler
Ein Stadion ohne rechten Titel ... Unter welchem Namen kennt man es heute?
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C Bernabéu N Estadio da Luz
Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach
L La Bombonera R Maracanã
Redaktionelle Mitarbeit an dieser Ausgabe: Nicola Berger, Xavier Breuil, Abeer Elsayed, Doris Ladstaetter, Franco Nicolussi, Honey Thaljieh, Andrew Warshaw, Andreas Wilhelm (Bild) Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh
Wer wurde Weltmeister ohne ein Gegentor im ganzen Turnier? (Das Eigentor und die Elfmetertore vergessen wir.)
4
Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com
C Uruguay O Spanien
Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub
K Italien S Brasilien
Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch
Getty Images / AFP
Kontakt: feedback-theweekly@fifa.org Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus dem The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt. Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: BOOK (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 9. April 2014 an die E-Mail feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis am 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Müsste man in den Top-Ligen die Ausländerzahl beschränken?
Puskás, Maradona, Messi, Gullit – sind Linksfüsser die besseren Fussballer? Louis Fernando Gil, Buenos Aires Die Antwort von Thomas Renggli: Die Wissenschaft hat keine verbindliche Antwort. Sportlich gibt es aber Erklärungsansätze: Linksfüsser gelten als Spieler, deren Bewegungen und Aktionen unberechenbarer sind und die eher einen überraschenden Pass spielen als rechts schiessende Fussballer. Die Liste von Ausnahmekönnern mit starkem linken Fuss liesse sich fast beliebig verlängern: Robben, Rivaldo, Zico, Raul, Giggs oder Roberto Carlos. Ähnlich wie im Boxen, wo allerdings die Linksauslage dem Normalfall entspricht, sind die “Ausnahmeathleten” für die Gegner schwerer einzuschätzen. Trotzdem würde ich mich nicht auf die Behauptung versteifen, dass Linksfüsser die begabteren Fussballer sind. Grundsätzlich gilt: Die besten Fussballer treffen mit links und mit rechts.
In 123 von 472 Klubs der europäischen Topligen beträgt der Ausländeranteil über 50 Prozent. In England sind sogar in 18 der 20 Premier-League-Teams die “Söldner” in der Mehrheit. Mit 17 Treffern gehört der Ivorer Yaya Touré von Manchester City (Mitte) zu den dominierenden Spielern der Premier League.
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Die FA sagt “Ja” – ist das der endgültige Durchbruch für den Kunstrasen? 60% NEIN Beim Fussballspielen muss man den Rasen riechen können. 25% JA Dem Kunstrasen gehört die Zukunft. 15% SOWOHL ALS AUCH Fussball soll auf beiden Unterlagen gespielt werden können.
fertigten die Reds Tottenham 4:0
2 43
ab – u nter anderem dank dem 29.
Mit 16 Treffern belegt der
DIE TORMASCHINE
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DER TORGAR ANT
DIE TORLOSEN
Mal wurde Josip Drmic in
seiner Schweizer Heimatgemeinde Freienbach die
Einbürgerung verweigert.
Unter anderem, weil er im
Wissenstest bei den Geographie- und Politik-Fragen
zu wenig treffsicher war.
Liverpool in den vergangenen acht Partien der Premier League geschossen und dabei achtmal gewonnen. Zuletzt
Saisontreffer von Liga-Topscorer
2010 erhielt der gebürtige Kroate den
Schweizer Pass doch noch – zum grossen
Mal hatte der italienische Titelverteidiger Juventus
Glück für den
Turin (im Bild Carlos Tévez) in Meisterschaftsspie-
Schweizer Fussball.
len mindestens einen Treffer erzielt. Am Sonntag
Nürnberg-Stürmer den
endete diese Serie beim 0:2 in Neapel abrupt. Doch auch nach der zweiten Saisonniederlage darf sich
Luis Suárez (im Bild). Damit
2. Platz der Bundes
die Alte Dame beruhigt zurücklehnen. Der Vor-
lösten sie Chelsea als Tabellen
liga-Torschützen
sprung auf den ersten Verfolger, die AS Roma,
führer ab.
liste.
beträgt elf Punkte.
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Getty Images (4)
Treffer hat der FC