The FIFA Weekly Ausgabe #25

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NR. 25, 11. APRIL 2014

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

Niederlande

ORANJE NIEMEYER FUSSBALL UND KINO

BLATTER KARTEN SIND SIGNALE

WAMBACH NACH DEM TORREKORD

W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


I N H A LT

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Sehenswertes 4:4 in den USA Die Major League Soccer erlebte eines ihrer spannendsten Spiele überhaupt: Die Portland Timbers und die Seattle Sounders trennten sich 4:4, nachdem den Gästen in den Schlussminuten noch zwei Tore gelungen waren.

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WM 2014 in Brasilien: Noch 62 Tage FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke sagt im Hinblick auf Brasilien 2014: “Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur kommt den künftigen Generationen zugute.”

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D ie erfreulichste E-Mail seines Lebens Schiedsrichter Mark Geiger leitete schon mit 13 Jahren Fussball­spiele. Allerdings nur, um etwas Geld zu verdienen. Mit 39 geht nun sein Traum in Erfüllung: Die FIFA bot den US-Amerikaner für die WM auf.

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Sehnsucht WM-Titel Die Amerikanerin Abby Wambach hat in ihrer Karriere fast alles erreicht – nur der WM-Titel fehlt.

Oranje Wohin der Weg des niederländischen Nationalteams auch führt: auf seine Fans ist Verlass. Sie lassen die Tribünen immer wieder orangefarben erstrahlen.

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Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

Cover: imago / VI Images Inhalt: Getty Images (3), imago (1)

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com

Die Niederlande im Umbruch Was ist los in den Niederlanden? Coach Louis van Gaal spricht öffentlich davon, sein Team sei nicht gut genug für den Titel an der WM 2014. Die Stars haben ihren Leistungszenit überschritten, die Jungen sind noch nicht weit genug. Ist der kunstvolle niederländische Fussball im Verfall begriffen? David Winner legt den Finger auf die Wunde.

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D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L

Europa 54 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

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Presidental Note Sepp Blatter ruft den wahren Zweck der Gelben und Roten Karten in Erinnerung.

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Filmfestival Zu Besuch bei “11 mm” in Berlin. Spektakuläre Aufnahmen und unveröffentlichtes Material etwa von Thierry Henry oder der WM 1974.

Alexi Lalas Wäre der US-Nationalspieler nicht Fussballer geworden, würde er heute mit der Gitarre durch die Lande ziehen.

Schweden: Damallsvenskan Saisonstart: 13. April 2014

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England: Women’s Super League Saisonstart: 16. April 2014

USA: National Women’s Soccer League Saisonstart: 13. April 2014

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EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT

Feel the Beauty

BE MOVED

THE NEW 4K LED TV

“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.


UNCOVERED

Die Kunst des Gewinnens

Wie weiter? Arjen Robben, eine Teamstütze der “Elftal”, nach dem gegen Spanien verlorenen WM-Finale 2010 in Johannesburg.

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Hassan Ammar / A P Photo

anche sehen im niederländischen Nationalteam ein Beispiel dafür, wie man in Schönheit untergehen kann. Oft genug spielten die Erfinder des “Totalen Fussballs” inspiriert und innovativ – und verliessen den Platz bezwungen: 1974 im WM-Finale von München gegen Deutschland, 1978 in Buenos Aires gegen Argentinien; im WM-Finale 2010 in Johannesburg trat die “Elftal” mit grosser Härte und phantasielos an – aber auch dieser bewusste Stilbruch brachte gegen Spanien nichts ein. Wie steht es nun um die Spielkultur im Land des Europameisters von 1988? Wie um die Absichten und Erwartungen bezüglich der WM in Brasilien? Unser Mitarbeiter David Winner, Verfasser eines Standardwerks zum niederländischen Fussball (“Oranje Brillant”) und zuletzt der Dennis-Bergkamp-Biographie, beleuchtet die grossen niederländischen Momente von einst und benennt die Defizite von heute.

D

er Kunst des schönen Spiels suchte der Brasilianer Carlos Niemeyer mit der Filmkunst beizukommen. Seine Dokus sind legendär – und manche werden in den Archiven erst jetzt entdeckt. Am Fussball-Filmfestival “11 mm” in Berlin erfuhren die Kinofilme des 1999 ver­ storbenen Niemeyer eine Renaissance. Ronald Düker war für uns vor Ort. T H E F I FA W E E K LY

A

bby Wambach war im vergangenen Januar in Zürich sichtlich enttäuscht, als ihr der Ballon d’Or 2013 nicht zugesprochen wurde. Der 218-fachen US-Nationalspielerin – und ­Gewinnerin des Ballon d’Or 2012 – kommt aber das Verdienst zu, den internationalen Tor­ rekord gebrochen zu haben: Keine Spielerin hat mehr Länderspiel-Treffer erzielt als Wambach (167). Im Gespräch erzählt sie von ihrem nächsten grossen Ziel: die WM 2015 in Kanada.

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elbe und Rote Karten dürfen nicht als Machtdemonstration verstanden und den fehlbaren Spielern in herausfordernder Weise vorgezeigt werden, betont FIFA-Präsident Blatter in seiner wöchentlichen Kolumne. Ein souveräner Schiedsrichter ruft den Spieler zu sich, informiert ihn über seinen Entscheid und streckt die Karte ohne Gefühlsregung für alle sichtbar in die Höhe, so Sepp Blatter. Å Perikles Monioudis

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Niederländische Raumaufteilung Frans Hals malte um 1615 Enge und Ergötzen in Orangerot (“Merrymakers at Shrovetide”)

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The Metropolitan Museum

Niederländische Meister


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Patrick Post / laif

Die Niederlande sind normalerweise ein Garant für Spielkultur. Zur WM nach Brasilien reisen sie aber mit eher kleinen Erwartungen. Ist der ­kunstvolle niederländische Fussball im Verfall begriffen?

Kunst kommt von Können Robin van Persie (vorn) und Arjen Robben (2.v.r.) sollen es für Oranje richten.

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David Winner

ie Mannschaft von Louis van Gaal hat sich überaus souverän für die WM 2014 qualifiziert – ungeschlagen und mit einer Tordifferenz von 35:4. Aber es gibt eine Reihe von in die Jahre gekommenen niederländischen Nationalspielern, für die es das letzte Hurra werden wird. Es fehlt an talentiertem Nachwuchs, der die nötige Reife mitbringt. Zudem plagen sich einige Schlüsselspieler mit Verletzungen herum. Vielen niederländischen Fans schwant da Übles. Dass die Mannen in Orange just dieses Jahr ihr viertes WM-Endspiel erreichen könnten, wird als nahezu ausgeschlossen angesehen. Manch einer unkt sogar, nach der Vorrunde könnte schon Schluss sein. Nun gibt es natürlich bei so ziemlich jeder Weltmeisterschaft eine “Todesgruppe”, aber die der Niederlande macht dieses Jahr tatsächlich einen besonders tödlichen Eindruck. So kommt es gleich zum Auftakt zur Neuauflage des Duells mit Welt- und Europameister Spanien, der so etwas spielt wie den besseren niederländischen Idealfussball und damit vor vier Jahren im Endspiel erfolgreich war. 8

Dann warten die unangenehm zu spielenden, körperbetont zur Sache gehenden Australier, gegen die noch nie eine niederländische Nationalmannschaft gewinnen konnte, und zum Abschluss die hoch gehandelten Chilenen mit Juventus-Mittelfeldstar Arturo Vidal und FC-Barcelona-Mittelstürmer Alexis Sanchez in ihren Reihen. Beobachter gehen davon aus, dass die Niederländer nur dann eine realistische Chance auf das Erreichen des Viertelfinals haben, wenn sie Gruppenerster werden, da sonst bereits im Achtelfinale das Duell gegen Brasilien droht. Dann, befürchtet Auke Kok, einer der führenden niederländischen Sportjournalisten, könnte es für die Elftal nur darum gehen, eine Blamage zu vermeiden. “Können Sie sich vorstellen, dass Ron Vlaar [Aston Villa, Anwärter auf einen Posten als Innenverteidiger] gegen Neymar spielt?”, lautet seine rhetorische Frage. “Allein der Gedanke ist schrecklich. Als Fussballnation haben wir einfach keine Verteidiger vom Kaliber eines Jaap Stam oder Frank de Boer mehr.” Van Gaal ist einer der erfolgreichsten Vereins­trainer der vergangenen 25 Jahre, aber es stehen ihm schlicht nicht genügend Weltklassespieler zur Verfügung. Dazu passt, dass er diese Woche zugab, “die Schnauze voll davon” zu haben, Bondscoach zu sein. T H E F I FA W E E K LY

Die Kopisten des Systems Nur einer von drei Spielern, die das Prädikat “Weltklasse” wirklich verdienen, ist im Augenblick auch fit: Flügelstürmer Arjen Robben vom FC Bayern München. Mittelfeldfstabilisator Kevin Strootman von AS Rom – der “niederländische Roy Keane” – verpasst die WM wegen einer Knieverletzung, die er sich vergangenen Monat im Spiel gegen die SSC Neapel zugezogen hat. Auch Kapitän Robin van Persie laboriert an einer Knieverletzung, wenngleich er wohl rechtzeitig fit werden dürfte. Derweil haben Führungsspieler der Mannschaft von 2010 wie Giovanni van Bronckhorst und Mark van Bommel ihre aktive Karriere beendet und einst gute Mittelfeldspieler wie Wesley Sneijder, Rafael van der Vaart oder Dirk Kuyt ihren Leistungszenit überschritten. Sie lassen ihre Karrieren gerade bei Galatasaray Istanbul, dem Hamburger SV und Fenerbahçe Istanbul mehr oder minder ausklingen. Die wahren Gründe für die niederländische WM-Misere aber versteht man erst, wenn man einen kurzen Abstecher in die Geschichte macht. Im neunzehnten Jahrhundert stieg Grossbritannien dank der industriellen Revolution zur Weltmacht auf. Das kulturelle und politische Umfeld der damaligen Zeit führte auf der Insel zu einem energetischen Wettlauf der Kreativität, der

Corbis

Anbau neuer Laufwege “Wenn Du mich liebst, schenk mir eine Tulpe” (niederl. Sprichwort).


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Robin Utrecht / Keystone / ANP

Unerfüllte Hoffnung Die Niederländer warten noch immer auf den ersten WM-Titel (Amsterdam, 11. Juli 2010, WM-Finale gegen Spanien).

schliesslich Eisenbahnen, Baumwollspinnereien und vieles mehr hervorbrachte. Auf all das hatten die Briten freilich keinen Kopierschutz – also wurde kopiert, was das Zeug hielt. Technologisch und geistig hatte Grossbritannien eine Zeit lang einen Vorsprung. Doch als es in grösseren Ländern zu Nachahmungseffekten (und Verbesserungen) kam, war der Abstieg der ersten industriellen Supermacht der Welt besiegelt. Im Fussball könnte es den Niederlanden nun ähnlich ergehen. Ende der 1960er Jahre hatten die inspirierten Niederländer den Fussball revolutioniert. Rinus Michels – der “FIFA-Trainer des Jahrhunderts” – erfand in Amsterdam bei Ajax den “Fussball total” für die aussergewöhnliche Spielergeneration rund um Superhirn Johan Cruyff. Die neue Ajax-Schule propagierte flüssigen Kombinationsfussball, frühes Pressing, phänomenale Technik und gnadenlose Offensive. Das war fantastisch anzusehen, allerdings schwierig umzusetzen. Aber wenn die passenden Spieler mit der entsprechend hohen Veranlagung es zelebrierten, war gegen totaalvoetbal praktisch kein Kraut gewachsen. Der niederländische Schriftsteller Arthur van den Boogaard behauptete deshalb, das bringe Fussball auf eine “metaphysische Formel”. Nun war aber auch die Erfindung von “Fussball total” nur durch die kulturellen und politischen

Gegebenheiten in den Niederlanden zu jener Zeit möglich. Im Zuge kultureller Liberalisierung im Land hielt eine neue Professionalität Einzug in den Sport, während zugleich ein neuer Freiheitsgedanke die Runde machte und Innovationen befeuerte. Die so typisch niederländische Tradition der Erschaffens und Erforschens, die sich in Kunst, Architektur und selbst der Landschaft widerspiegelt, wurde gewissermassen auf den Fussballplatz übertragen. Fussball total war durch und durch niederländisch. Aber die Niederländer hatten keinen Kopierschutz darauf. Und so kam, was kommen musste. So wie Grossbritannien zuvor industriell und militärisch überholt worden war, kupferten jetzt die grösseren Fussballnationen munter bei den Niederländern ab, bis sie besser waren als das Original. An der Überheblichkeit gescheitert Die typischen Merkmale des niederländischen Fussballs, wie wir ihn heute kennen, prägen auch die Triumphe und Traumata der frühen 70er Jahre. Denn bis in die 1960er waren die Niederlande fussballerisch gesehen nachgerade rückständig. Dann jedoch gewann Ajax Amsterdam drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister, und bei der WM 1974 erreichte Fussball total beinahe seine Perfektion. T H E F I FA W E E K LY

Zuvor waren Michels und Cruyff gemeinschaftlich nach Barcelona gezogen. In der National­ mannschaft wurden sie mit AjaxSpielern wie Ruud Krol, Johan Neeskens und Johnny Rep wiedervereint und von den Feyenoord- und Anderlecht-Stars Wim van Hanegem und Rob Rensenbrink ergänzt. Das Ergebnis war, dass Fussball total erstmals in orangen Trikots gespielt, nein, zelebriert wurde – eine Sensation. Die kluge niederländische Taktik des aggressiven Forecheckings mit ständigen Positionswechseln stellte nacheinander Uruguay, Bulgarien, Argentinien und die DDR vor unlösbare Probleme. Dann wurde auch Titelverteidiger Brasilien in einem sehr einseitigen Spiel um den Finaleinzug abgefertigt. Prompt packte die Niederländer die Überheblichkeit. Sie fühlten sich allmählich unbesiegbar, zumal sie im Finale in München gegen Gastgeber Deutschland auch noch in Führung gingen, noch bevor überhaupt ein Gegner am Ball gewesen war. Dass die Elftal danach nicht nachlegte, sondern die deutsche Mannschaft vorzuführen versuchte, sollte sich als katastrophale Entscheidung erweisen. Die Deutschen kamen bekanntlich zurück ins Spiel und drehten es noch zu einem 2:1. In den Niederlanden, wo die Erinnerungen an die 9



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Corbis, Martin Dijkstra

Ikone der Porträtmalerei Jan Vermeers “Mädchen mit dem Perlenohrgehänge” (um 1665) nimmt Blickkontakt auf.

Besetzung durch Nazi-Deutschland noch frisch waren, wurde die schockierende Niederlage als schlimmstes nationales Trauma des späten 20. Jahrhunderts empfunden. Seitdem hat es keine niederländische Nationalmannschaft mehr gegeben, die nicht massiv unter dem Eindruck von 1974 gestanden hätte. Schönen Fussball zu bieten, wurde zur Pflicht – in Schönheit zu sterben zur Gewohnheit. Niederländische Nationalmannschaften haben sich oft selbst geschlagen, so etwa 1990, als das Team um die beiden Superstars Marco van Basten und Ruud Gullit in Grüppchen zerfiel, die hoffnungslos zerstritten waren. Nur die Mannschaft von 1978, die das Pech hatte, im Endspiel auf Gastgeber Argentinien zu treffen und Johan Cruyff nicht mehr mit an Bord zu haben, sowie die grossartige Elf von 1998 mit Dennis Bergkamp, Edgar Davids und Patrick Kluivert, die das Halbfinale gegen Brasilien im Elfmeterschiessen verlor, hatten schlicht Pech, nicht Weltmeister geworden zu sein. Selbst das oft kritisierte WM-Team von 2010 kann als späte Reaktion auf das Trauma von 1974 gesehen werden. Denn Bert van Marwijk verordnete seiner Mannschaft einen drögen Defensiv-Pragmatismus; um den Fluch von München endlich zu brechen und den WM-Titel zu gewinnen, brach er mit 40 Jahren Tradition.

Ikone des Oranje-Teams Auf den Skorer Robin van Persie richten sich die Blicke der Niederländer.

Verfall der Ajax-Standards Unterdessen hatte sich Fussball total weiter verbreitet. Niederländische Spieler und Trainer hatten die Kunde von ihrem Fussball bis nach Toronto, Tel Aviv, Mailand und Seoul getragen. Der emsigste Missionar war dabei Cruyff höchstselbst. Erst schrieb er Fussball total als Spielweise der niederländischen Nationalmannschaft fest, dann setzte er seine Vorstellungen auch beim FC Barcelona durch – zunächst als Spieler, dann als Trainer. Oder, wie es der spätere ­Barcelona-Trainer Pep Guardiola ausdrückte: “Cruyff hat uns eine Kathedrale gebaut. Wir halten sie nur instand.” Das Tiki-taka der fast unschlagbaren Mannschaften Spaniens und Barcelonas unserer Zeit ist eine lokale Abwandlung des niederländischen Originals. Der zweite richtungsweisende niederländische Trainer der jüngeren Vergangenheit ist Louis van Gaal, der allerdings eher ein Anhänger von Rinus Michels ist als von Johan Cruyff. Als Cheftrainer von Ajax Amsterdam schuf van Gaal Anfang der 90er Jahre seine eigene Version eines schnelleren Fussball total. Er förderte eine neue Spielergeneration und machte Patrick Kluivert, die de-Boer-Brüder und Edgar Davids zu Stars. 1995 gewann er die Champions League. Anschliessend wechselte er zum FC Barcelona, wo er unter anderem dem Teenager Xavi HernT H E F I FA W E E K LY

andez auf Anhieb eine Schlüsselrolle in der Mannschaft anvertraute. Vielleicht noch wichtiger war jedoch van Gaals Trainerwirken bei Bayern München ab 2009. Der Niederländer beorderte Bastian Schweinsteiger umgehend von der Aussenbahn in die Zentrale und machte ihn zum Chef im Mittelfeld. Zudem verhalf er Talenten wie Thomas Müller zum Durchbruch. Innerhalb von zwei Jahren machte van Gaal so aus Deutschlands Vorzeigeklub eine Mannschaft niederländischer Prägung. Der aktuell von Guardiola trainierte FC Bayern hat heute die besten Total-Fussballer (und die beste Vereinsmannschaft) der Welt. Doch im selben Masse wie Barça, Bayern und die Nationalmannschaften Deutschlands und Spaniens durch Übernahme niederländischer Methoden zulegten, baute der niederländische Fussball ab. Die “Methode Ajax” – bestehend aus Technik, Taktik und ausgeklügeltem Kurzpassspiel in bestimmten Räumen – ist nach wie vor ein nationales Markenzeichen. Aber der niederländische Fussball hat zuletzt immer weniger dazu passende Spieler hervorgebracht. Mittlerweile bleibt der entsprechend ausgebildete Nachwuchs sogar fast völlig aus. Besonders dramatisch ist der Verfall der Standards bei Ajax Amsterdam. Die dort von 11


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F U S S B A L L T O TA L mon. Dem Begrif f des Totalen Fussballs liegt die Vorstel lung zugrunde, jeder Feldspieler müsste grundsätzlich auf jeder Position spielen können. Das hat Auswirkungen auf die taktische, technische und physische Ausbildung der Spieler, vor allem aber auf das Spielsystem, das als weg weisend gilt. Ist das Team in Ballbesitz, sind stets alle Feldspieler in die Angrif fsbemühungen involvier t; umge kehr t ver teidigt stets das ganze Team, von den Stürmern bis zu den Ver teidigern. Bei Bedar f tauschen die Spieler ihre Positionen, ein Stürmer kann als Ver teidiger auf treten, ein Ver teidiger als Stürmer. Lücken in den Positionen dür fen nicht entstehen – genau das forder t den Spielern sehr viel ab. Um den Totalen Fussball zelebrieren zu kön nen, sind Spieler nötig, die sich einerseits streng an die Vorgaben des Systems halten und andererseits zu grosser Kreativität begabt sind. Das niederländische Team der 1970er Jahre um Johan Cruy f f und Ruud Krol war das erste, das Fussball total zeigte.

Johan Cruyff Mitte der 80er-Jahre geschaffene und später von van Gaal geleitete Akademie war das Vorbild für Barcelonas berühmtes Fussball­ internat La Masia ebenso wie für andere Nachwuchsleistungszentren in ganz Europa, egal ob in Schottland, Belgien oder Dänemark. Ausgerechnet in Amsterdam aber war Sand im Getriebe. Als Dennis Bergkamp 2008 als Trainer zu seinem Stammverein zurückkehrte, war er schockiert darüber, dass die Ausbildung bei Ajax in seiner Abwesenheit zu einem Fussball-Abziehbild der fiktiven Filmgemeinde Stepford mit ihren computergesteuerten Cyber-Ehefrauen geworden war. In seiner Autobiografie schreibt Bergkamp: “Es war, als wären alle Kinder vom selben Band gerollt. Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Sie waren alle gut, ordentlich, technisch ziemlich beschlagen, aber eben nicht einzigartig oder flexibel oder kreativ. Sie machten das, was von ihnen verlangt wurde. Sie kannten ihre Positionen und füllten ihre Rollen aus, aber selbst in der ersten Mannschaft versprühten sie kaum Kreativität. Wenn Improvisation gefordert war, sahen sie hilflos zur Seitenlinie, als wollten sie fragen: ‘Was sollen wir jetzt machen?’ ... Vollkommen uninspiriert, total lethargisch. … Da fehlte das Herz. Ich habe keinen einzigen typi12

schen Ajax-Jungen alter Schule gesehen, der einfach mal frech sagt: ‘Gib mir den Ball, ich kann was damit anfangen!’” 2011 stritten verschiedene Gruppierungen ehemaliger Spieler um Cruyff auf der einen und van Gaal auf der anderen Seite um Einfluss bei Ajax. (Beide Männer sind sich in inniger Abneigung verbunden, auch wenn niemand so recht weiss, warum.) Letztlich setzte sich die Cruyff-­ Fraktion durch, und der Klub begann mit der Umsetzung der radikalen Reformen des Altmeisters. Erklärtes Ziel war es, neue Generationen von Weltklassespielern hervorzubringen. Statt der van Gaalschen Schwerpunkte Taktik und Systemtreue setzt man bei Ajax nun also wieder intensiv auf die Förderung aussergewöhnlicher Individualisten. Stepford war gestern; heute ist eher Oxford University oder französische Grande Ecole angesagt. Einige der besten ehemaligen Ajax-Spieler sind heute Mentoren. Sie geben Wissen, Weisheit und Erfahrung an die Nachwuchstalente weiter. Die neuen Cruyffianer bei Ajax – darunter Wim Jonk, Marc Overmars und eben Dennis Bergkamp – sind überzeugt, dass ihr neues Konzept die bisherige Talentförderung verdrängen wird. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob sie Recht haben. T H E F I FA W E E K LY

Nicht mehr gut genug Zuletzt ist Ajax mit Trainer Frank de Boer drei Mal in Folge niederländischer Meister geworden. Das gelang zuvor nur Rinus Michels Ende der 1960er und Louis van Gaal in den 1990er Jahren. Diese Saison spricht alles dafür, dass Amsterdam auch den vierten Meistertitel in Folge erringt. Es wäre ein Novum für die niederländische Liga. Die aber ist nicht mehr das, was sie einmal war. Die neue Ajax-Dominanz spricht nicht automatisch dafür, dass im niederländischen Fussball wieder goldene Zeiten anbrechen. Gewiss, Ajax hat einige begeisternde junge Spieler, allen voran Davy Klaassen, den eleganten Spielmacher mit Qualitäten im Torabschluss. Doch in der aktuellen Europa League war Amsterdam gegen Red Bull Salzburg vollkommen chancenlos und verlor in der Addition beider Spiele 1:6. Darin zeigt sich ein beunruhigendes Muster in den wichtigen Spielen seit 2010. Bei der Europameisterschaft 2012 verloren die Niederlande ihre drei Gruppenspiele gegen Dänemark, Deutschland und Portugal. Im jüngsten Freundschaftsspiel in Paris gab die bessere Offensive der Franzosen den Ausschlag, und die auf vielen Positionen veränderte niederländische Elf verlor 0:2. Å

Jorgen Caris / HoHo / laif

Immer für eine Überraschung gut Bondscoach Louis van Gaal


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Wer fährt für Oranje nach Brasilien? David Winner

V

an Gaal hat eine ganze Reihe gutklassiger Spieler zur Auswahl, aber nur wenige, die Weltklasse sind. Das Aufstellungspuzzle gestaltet sich so schwierig, dass selbst zu diesem späten Zeitpunkt niemand mit Sicherheit sagen kann, welche Spieler im Flugzeug nach Brasilien sitzen werden. Da Strootman ausfällt, könnte die zentrale Rolle im defensiven Mittelfeld Nigel de Jong von der AC Milan zufallen. In Südafrika war de Jong noch der Nebenmann des kompromisslosen Mark van Bommel. In Erinnerung geblieben ist vor allem sein unschöner Kung-Fu-Tritt gegen Xabi Alonso im Endspiel. Auch Nachwuchskräfte wie Adam Maher vom PSV Eindhoven oder Jordy Clasie von Feyenoord Rotterdam könnten in der Verlosung sein. Ebenso Jonathan de Guzman von Swansea. Welche Rolle Klaas Jan Huntelaar von Schalke 04 in den Überlegungen des Trainers spielt, ist unklar. Denn gegen mittelmässige Mannschaften trifft der Stürmer regelmässig, während er sich gegen starke Gegner schwer tut. An der Europameisterschaft 2012 gab es zudem Streit mit den Mitspielern. Entsprechend werden Huntelaar nur Chancen auf einen Platz

in der ersten Elf eingeräumt, wenn Robin van Persie (Manchester United) oder der momentan ebenfalls verletzte Siem de Jong (Ajax Amsterdam) nicht rechtzeitig fit werden. Besonderes Rätselraten herrscht aber, was die Besetzung der Abwehr angeht. Kandidaten sind unter anderen Stefan de Vrij, Bruno Martins Indi und Daryl Janmaat (alle Feyenoord), Ron Vlaar (Aston Villa), Gregory van der Wiel (Paris Saint-Germain) sowie Daley Blind (Ajax), der Sohn des Ex-Nationalspielers und heutigen Elftal-Assistenztrainers Danny Blind. Im Tor gibt es gleich sechs Anwärter auf die Nachfolge des grossen Edwin van der Sar, der über ein Jahrzehnt die unumstrittene Nummer eins war. Maarten Stekelenburg, einer der Helden von Südafrika, hat beim FC Fulham einen schweren Stand. Van Gaal soll nicht besonders überzeugt sein von Tim Krul (Newcastle United), Michel Vorm (Swansea) und Jeroen Zoet (PSV). Bleiben also nur noch Kenneth Vermeer und Jasper Cillessen, die beide bei Ajax unter Vertrag stehen. Henk Spaan, seines Zeichens Autor, TV-Experte und Herausgeber der Fussballzeitschrift “Hard Gras” hält das Fehlen von Toptalenten mit der nötigen Reife trotz allem für einen

­ orübergehenden Zustand. Seiner Meinung v nach befinden sich die Niederlande im Umbruch und nicht auf anhaltender Talfahrt. “Ich bin der Ansicht, dass wir viele gute Spieler zwischen 17 und 20 Jahren haben, für die das WM-Turnier allerdings noch zu früh kommt. Wenn wir positiv überraschen sollten, dann auf der Grundlage von Zusammenarbeit und Physis. Ich gehe davon aus, dass van Gaal versuchen wird, die Mannschaft extrem zusammenzuschweissen. Darin liegt auch ihre einzige Chance, denn vom Talent her kann sie allenfalls mit Robben und, mit Abstrichen, vielleicht noch mit van Persie aufwarten.” Journalist Kok seinerseits vermutet, dass van Gaal in die taktische Trickkiste greifen könnte. “Alle, die in den Niederlanden wirklich Ahnung von Fussball haben, sagen, dass wir es sehr schwer haben werden, die Vorrunde zu überstehen. Zugleich respektieren aber alle van Gaal. Ich bin sicher, dass er wieder etwas ganz Schlaues, Originelles und Unerwartetes austüfteln wird, wie er das in der Vergangenheit schon so oft getan hat. Van Gaal ist immer interessant, und er wird sich etwas ausdenken, worauf sonst niemand gekommen wäre. Aber das wird nicht reichen. Die Spieler sind einfach nicht gut genug, um dieses Jahr etwas zu reissen.” Å

Getty Images (4)

Fehlende Zutaten

Johan Cruyff Jahrgang: 1947 Nationalteam: 1966–1977 48 Länderspiele, 33 Tore

Johan Neeskens Jahrgang: 1951 Nationalteam: 1970–1981 49 Länderspiele, 17 Tore

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Ronald Koeman Jahrgang: 1963 Nationalteam: 1982–1994 78 Länderspiele, 14 Tore

Ruud Gullit Jahrgang: 1962 Nationalteam: 1981–1994 66 Länderspiele, 17 Tore

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Schön gespielt, dennoch verloren Die Niederlande müssen am 7. Juli 1974 im WM-Finale von München (Endstand 1:2 ) den entscheidenden Treffer Gerd Müllers (r.) hinnehmen

Marco van Basten Jahrgang: 1964 Nationalteam: 1983 – 1992 58 Länderspiele, 24 Tore

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Dennis Bergkamp Jahrgang: 1969 Nationalteam: 1990 – 2000 79 Länderspiele, 37 Tore

Frank De Boer Jahrgang: 1970 Nationalteam: 1990 – 2004 112 Länderspiele, 13 Tore

T H E F I FA W E E K LY

Edgar Davids Jahrgang: 1973 Nationalteam: 1994 – 2005 74 Länderspiele, 6 Tore

Imago, Getty Images (4)

Fehlende Zutaten


BLICK IN DIE LIGEN

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Kraftakt am Spielfeldrand Portland-Timber-Anheizer Joey Webber in seinem Element

Major League Soccer

Viel zu tun für Joey Webber David Winner ist Autor und Journalist in London. Zu seinen Büchern über Fussball gehören “Brilliant Orange” und “Dennis

Steve Dykes / Getty Images

Bergkamp: Stillness and Speed”.

Joey Webber, das Maskottchen der Portland Timbers, kann man kaum übersehen. Der hünenhafte Holzfäller mit dem silbernen Helm auf dem Kopf und einer langen Perlenkette um den Hals steht “bewaffnet” mit einer riesigen Kettensäge vor der Fangruppierung “Timbers Army” auf der Nordtribüne im Providence Park. Wann immer die Timbers ein Tor schiessen – das war in letzter Zeit allerdings nicht eben oft – wirft er seine dröhnende Monstersäge an und schneidet eine Scheibe von einem Baumstumpf ab, die er dann unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Fans in die Höhe hält, wie den Kopf eines Tyrannen. In der Partie gegen die Seattle Sounders am Samstag erbebte das alte Stadion nicht weniger als vier Mal unter dem Lärm der Kettensäge. Doch die “Emerald City Supporters” des

Gästeteams aus Seattle hatten auf der anderen Seite ebenfalls vier Mal Grund zu Jubelstürmen. Das dramatische 4:4 zwischen den Erzrivalen im Nordwesten der USA war eines der spannendsten Spiele in der Geschichte der MLS. Die Partie wogte hin und her und bescherte den Zuschauern zahlreiche spektakuläre Szenen und immer wieder auch dicke Patzer in der Abwehr. Schon in den ersten 24 Minuten fielen vier Tore, zwei auf jeder Seite. In der zweiten Halbzeit trafen dann Diego Chará und Maximiliano Urruti mit Distanzschüssen und brachten die Gastgeber mit 4:2 in Führung, so dass eigentlich alles klar schien. Doch in den Schlussminuten beförderte Clint Dempsey, Kapitän der Seattle Sounders sowie der US-Nationalmannschaft und bester Mann auf dem Feld, die Kugel noch zwei Mal ins gegnerische Netz und sorgte damit für grosse Enttäuschung bei den Timbers, die somit in dieser Saison noch sieglos sind. Das Spiel vor zwei der wohl besten Fangemeinden Nordamerikas war eine fantastische Werbung für die MLS und ein erneuter Beweis dafür, wie überwältigend Fussball sein kann. Die Timbers und die Sounders gibt es in verschiedenen Formen bereits seit fast 40 Jahren. Ihre Rivalität ist nach den Worten der New York Times “eine der besten Fehden” im amerikanischen Sport. Dabei gibt es eigentlich keinen T H E F I FA W E E K LY

Grund dafür. Denn die Fans haben vieles gemeinsam. Ihre Städte liegen geografisch recht nah beieinander und ähneln sich kulturell und politisch. Beide Teams tragen grüne Spielkleidung. Trotzdem bezeichnet man sich gegenseitig als “nicht authentisch”. Seattle schenkte der Welt in den 1990er Jahren Grunge-Musik und den Second-HandLook. Doch die Anhänger der Seattle Sounders mokieren sich über heutige Szenetypen aus Portland, indem sie Schlagwörter aus der TV-Serie “Portlandia” zitieren. Timbers-Fans wiederum verachten die “Unternehmerstadt” Seattle, Sitz von Amazon und Microsoft, vergessen dabei allerdings gern, dass auch in ihrer Stadt Grossunternehmen wie Hewlett Packard und Nike ansässig sind. Offenbar handelt es sich um einen klassischen Fall des “Narzissmus kleiner Differenzen” nach Siegmund Freud, nämlich dass es oftmals “gerade benachbarte und einander nahe stehende Gemeinschaften sind, die sich in andauernden Fehden gegenüberstehen und sich gegenseitig verhöhnen.” Im wahren Leben hat diese Form des Narzissmus immer wieder zu Diskriminierungen und sogar zu Kriegen geführt. In der symbolischen Traumwelt des Fussballs scheint sie jedoch eher neckische Formen des Widerstreits hervorzubringen. Å 15



Saudi Professional League

Riad schwelgt in Erinnerungen Sven Goldmann ist Fussball­ experte beim “Tagesspiegel” in Berlin.

Hristo Stoichkov hat hier gespielt, wenn auch nur zweimal, dabei hat der bulgarische Volksheld immerhin ein Tor geschossen. Aber keine Meisterschaft gewonnen. Genauso ging es dem brasilianischen Dribber Denilson: Im Herbst seiner Karriere hat er eine Saison lang das gelbe Trikot getragen. Und ist ohne Titel zum nächsten Engagement weitergereist. Der Ekuadorianer Carlos Tenorio hat zuverlässig seine Tore geschossen, doch es waren nicht genug, um die Sehnsucht der Fans zu stillen. Die Stars kamen und gingen, aber es hat ein Weilchen gedauert, bis sie endlich wieder eine Meisterschaft feiern durften. Al Nasr, der Klub aus der saudi-arabischen Hauptstadt Riad, ist nach sechsjähriger Regentschaft des Stadtrivalen Al Hilal endlich wieder dort, wo er dem einen Selbstverständnis nach hingehört, nämlich ganz oben. Zum Abschluss gab’s am 26. und letzten Spieltag der Saudi Professional League ein 1:1 bei Al Taawon. Mit dem gleichen Ergebnis hatte Al Nasr schon eine Woche zuvor gegen Al Shabab endlich den siebten Titel der Klubgeschichte ins ­König-Fahd-Stadion geholt und darf sich nach 19 langen Jahren wieder Meister nennen.

Dibyangshu Sarkar / AFP

Der Name des Stadions ist Programm und Verpflichtung zugleich. Der 2005 verstorbene Monarch war ein begeisterter Fussballfan. Fahd gewährte der Nationalmannschaft so grosse Unterstützung, dass sie zwischen 1994 und 2006 viermal hintereinander an einer Endrunde der Weltmeisterschaft teilnahm. Und er holte als Ausrichter den Confederations Cup nach Saudi-Arabien, der Wettbewerb hiess am Anfang nicht zufällig König-Fahd-Pokal. In dieser Blütenphase des saudischen Fussballs gewann die Nationalmannschaft 1996 den Asien-Pokal. Zwei Jahre später eroberte Al Nasr sowohl den Asian Cup Winners Cup als auch den Asian Super Cup. In Riad denken sie gern zurück an diese goldenen Zeiten, aber sie sind nicht so leicht wiederzubeleben. Die grossen internationalen Stars absolvieren ihre Abschiedstournee lieber im Nordosten der arabischen Halbinsel, wo das Emirat Dubai mit viel Geld lockt und

Immer für eine Show gut Der kolumbianische Torwarttrainer René Higuita bei Al Nasr.

ein Wiedersehen mit ebenfalls würdevoll gealterten Kollegen von früher verheisst. In Saudi-Arabien muss es eine Nummer kleiner gehen. Kein Stoichkov mehr, kein Denilson und auch kein Tenorio. Der prominenteste Mann bei Al Nasr ist Torwarttrainer René Higuita. Der Kolumbianer gehörte in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrtausends zu den schillerndsten Torhütern der Welt. Und sonst? Als Nasrs erfolgreichste Torschützen sind Elton Rodrigues Brandão und Mohamed Al Sahlawi. Brandão ist ein von Corinthians São Paulo ausgeliehener Brasilianer, der sich in Polen und Portugal versucht hat und jetzt seit einem Jahr seine Tore in Riad schiesst. Al Sahlawi ist in T H E F I FA W E E K LY

­ audi-Arabien eine Berühmtheit, seitdem er S 2009 von Al Quadisiyah zu Al Nasr wechselte, für bemerkenswerte 32 Millionen saudische Riyals, das sind mehr als 8 Millionen Dollar. So viel wurde bis dahin noch nie für einen saudischen Fussballspieler bezahlt. Der Vater des Erfolgs kommt aus Uruguay, er heisst Daniel Carreño und gibt seit zwei Jahren als Trainer die Kommandos. Gleich im zweiten Jahr gewann er mit Al Nasr erst den saudischen Pokal und jetzt auch noch die Meisterschaft. Und, was für die Fans mindestens genauso wichtig ist: Beide Male reichte es für den grossen Rivalen Al Hilal nur auf Platz 2. Å 17


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Auf der Zielgeraden Jérôme Valcke

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oeben bin ich wieder in Zürich angekommen, nachdem ich in Südafrika ein E ntwicklungsseminar besucht hatte. ­ Dort konnte ich mich erneut davon überzeugen, dass die Fussball-WM viele positive Spuren hinterlassen hat. Ich erinnere mich noch gut an all die Zweifel und Kritik, die in den letzten Monaten der Vorbereitungen in Südafrika laut geworden waren und daran, wie die Durchführung der Veranstaltung von den Medien kontinuierlich in ­Frage gestellt wurde. Fast vier Jahre später ist man gemeinhin der Ansicht, dass es eine her-

ausragende Weltmeisterschaft war, die das Selbstbewusstsein einer ganzen Nation und das Vertrauen der internationalen Geschäftswelt steigerte. Ausserdem wurde das Land durch die Verbesserung der IT-Infrastruktur und der allgemeinen Infrastruktur bei gleichzeitigem Ausbau des Tourismus gestärkt. ­Leider ist der Pessimismus in Bezug auf die Ausrichtung von Grossveranstaltungen mittlerweile ein allgemeiner Trend. Am Ende funktioniert es jedoch immer. Obwohl die Zeit für die Umsetzung der letzten operativen Schlüsselelemente in Brasilien knapp ist, lässt sich bereits erkennen, dass ein ebensolches Vermächtnis auch dort Form an-

Eröffnungsfeier vom 5. April Das Beira-Rio-Stadion in Porto Alegre, Rio Grande do Sul.

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nimmt – zumindest für diejenigen, die es sehen wollen. Alle Berichte, die ich bekomme, besagen, dass in Brasilien schnell und hart daran gearbeitet wird, die Vorbereitungen abzuschlies­ sen, und zwar nicht nur für die Weltmeisterschaft, sondern auch für Verbesserungen an der urbanen Verkehrsinfrastruktur des Landes, die auch zukünftigen Genera­ t ionen zugutekommen werden. Brasilien vor einer neue Ära Die Sozialprojekte, in denen Menschen unter anderem für Tätigkeiten in einer Vielzahl von Dienstleistungsbereichen geschult werden, sind hervorragende Beispiele dafür. Ganz zu


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schweigen vom sportlichen Vermächtnis, das im Land des Fussballs niemals vergessen wer­ den sollte, denn Brasilien steht im Hinblick auf die Stadien und die Angebote für die Zuschau­ er vor dem Eintritt in eine neue Ära. Des Weiteren verfolgt die FIFA eine umfas­ sende Nachhaltigkeitsstrategie, die von der Schulung der Stadionbetreiber im Bereich der nachhaltigen Verwaltung und Wartung der ­Stadien bis hin zu audiodeskriptiven Kommen­ taren für blinde und sehbehinderte Fans geht. Einen solchen Dienst wird es während der Welt­ meisterschaft in Brasilien zum ersten Mal ge­ ben. Die Ausrüstung und die entsprechend ge­ schulten Fachkräfte werden in Brasilien bleiben.

Dies wird ein weiteres wichtiges Vermächtnis sein, über das bei Spielen der brasilianischen Meisterschaft künftig sicher­ gestellt werden kann, dass Fussball für alle zugänglich ist. “Walk again” gibt Hoffnung Ein anderes faszinierendes Projekt ist “Walk again” von Prof. Miguel Nicolelis. Unser Team arbeitet eng mit Prof. Nicolelis’ Team zusam­ men, um zu sehen, wie wir der Welt­ öffentlichkeit während der Eröffnungsfeier zum ersten Mal das Projekt präsentieren kön­ nen, das einem gelähmten Jugendlichen er­ möglicht, mit­hilfe eines mit Gedanken gesteu­ erten Roboteranzugs zu gehen und das Spielfeld zu betreten. Beim Fussball geht es um Hoffnung. Die Vision, dass in Zukunft Mil­ lionen gelähmter Menschen die Möglichkeit haben werden, zu erfahren, wie es ist, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und zu laufen, erscheint der FIFA und mir selbst uneinge­ schränkt unterstützenswert. Nun gehen wir gemeinsam auf die Zielge­ rade, und die meisten Vorbereitungen sind in vollem Gange. In den nächsten 62 Tagen bleibt jedoch noch einiges zu tun, und wir setzen un­ sere enge Zusammenarbeit mit den Verant­

→ http://www.fifa.com/worldcup

Service auf bestem Niveau Die Montage der ergänzenden Einrichtungen des Stadions, in dem das Eröffnungsspiel ausge­ tragen wird, ist in ein fortgeschrittenes Stadi­ um eingetreten, und wir sind zuversichtlich, dass die Auswirkungen auf den Zeitplan nicht allzu gross sein werden und wir dort von Mitte Mai an Testveranstaltungen durchführen kön­ nen. Solche Testveranstaltungen sind entschei­ dend und laufen bereits in mehreren Spielstät­ ten des Landes, beispielsweise in Manaus, wo einige Ablaufaspekte der Weltmeisterschaft umgesetzt wurden. Unsere Teams haben mit dem Aufbau der Infrastruktur für die Sendean­ stalten, die Torlinientechnologie und die Medie­ neinrichtungen begonnen. Wir werden eine Rekordbeteiligung der Medien zu verzeichnen haben. Etwa 18 000 Me­ dienvertreter aus über 160 Ländern auf der ganzen Welt werden erwartet. Wenn alle Par­ teien an einem Strang ziehen, werden wir rechtzeitig fertig sein. Ich vertraue darauf, dass seitens der Spielorte und der Bundesregierung alles getan wird, so dass wir trotz des engen Zeitplans einen Service auf bestem Niveau an­ bieten können. In der letzten Woche stand hier in Zürich der zweite Durchgang des Vorberei­

“Wenn alle am gleichen Strang ziehen, werden wir rechtzeitig fertig sein.”

Lucas Uebel / A FP Photo

wortlichen in Brasilien fort, damit alle Voraus­ setzungen für einen erfolgreichen Ablauf der Spiele gegeben sind. Schliesslich stehen wir gegenüber den fast 2,6 Millionen Fans, die ­bereits Tickets erworben haben, und den 32 Teams in der Pflicht. Der Unfall stimmt mich traurig In Curitiba und Porto Alegre geht es mit voller Kraft voran – und dort liegen zwei der drei grössten Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Der tragische Unfall in São Paulo hat mich sehr traurig gestimmt und tut dies noch immer. Sicherheit ist absolut vorran­ gig und hat sowohl beim Bau als auch bei der Veranstaltung selbst höchste Priorität. Ich bin in Gedanken bei der Familie und den Kollegen von Fabio Hamilton da Cruz. Es hat im Laufe der letzten Monate auf den Baustellen in Bra­ silien einige tragische Todesfälle gegeben, die mich als Familienmensch und Vater tief betrof­ fen gemacht haben. T H E F I FA W E E K LY

tungsseminars für die Schiedsrichter der Fuss­ ball-WM 2014 an. Ich freue mich im Hinblick auf die in den nächsten Wochen noch zu bewältigenden Her­ ausforderungen auf weitere positive Nachrich­ ten von unseren Partnern bei der Organisation der Weltmeisterschaft in Brasilien. Ebenso freue ich mich darauf, nach Ostern wieder nach Brasilien zu reisen. Etwa um dieselbe Zeit wird der WM-Pokal auf der letzten Etappe seiner Tournee rund um die Welt in Brasilien landen und im Rahmen der von unserem Partner Coca-Cola präsentierten Inlandstour auf die Reise durch alle 27 Bundesstaaten gehen. ­Begleitet wird die Tour vom offiziellen Song “We Are One (Ole Ola)”. Å

Jérôme Valcke ist der Generalsekretär der FIFA 19


First Love


Ort: Mirashkani, Georgien Datum: 4. Juni 2010 Z e it : 19. 3 5 U h r

Christian Bobst / 13 Photo

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DEBAT T E

Kartenspiele Noch in den 1960er-Jahren wurden Verwarnungen und Platzverweise nur mündlich ausgesprochen. Doch ein Tumult im Wembley brachte Farbe ins Spiel. Thomas Renggli

Die Vorfälle auf dem Wembley-­ Rasen lösten eine sportliche Revolution aus und führten zur Einführung von Gelben und Roten Karten (siehe Presidential Note). Seit 1970 ist Fussball auch ein Kartenspiel. An WM-Endrunden wurden seither 1904 Gelbe und 111 Rote Karten gezeigt. Dazu kommen 48 GelbRote Karten.

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oul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift – und Rot bedeutet duschen. Nicht immer waren Ansagen und Strafmass auf den Fussballplätzen so unmissverständlich. Als die Schiedsrichter noch keine Werkzeuge zur Visualisierung ihrer Entscheide in den Taschen trugen, führte die Kommunikation auf dem Spielfeld gelegentlich in die Sackgasse – beispielsweise während des Viertelfinales an der WM 1966 zwischen England und Argentinien. Der deutsche Schiedsrichter Rudolf Kreitlein hatte auf dem heiligen Wembley-Rasen schon zwei Engländer und drei Argentinier verwarnt – den argentinischen Kapitän Antonio Rattin gleich zweimal. Doch die Spieler liessen sich nur schwer bändigen “On more you go out”, soll der Regelwächter Rattin in mehr oder ­weniger korrektem Englisch zugerufen haben. Dieser konnte mit der Drohung schlecht umgehen und beschimpfte den Unparteiischen lauthals. Damit war das Mass voll. Schneidermeister Kreitlein – schmal von Statur und in ein selber genähtes WM-Trikot gekleidet – wies den hünenhaften Argentinier mit einer aus­ladenden Geste vom Feld.

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Marschbefehl Der Schalker Kyriakos Papadopoulos sieht Rot. Sein Verständnis dafür hält sich in engen Grenzen.

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Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-theweekly@fifa.org

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Sportliche Revolution Die Zeitungen verglichen den Auftritt des ­Unparteiischen mit einem “Burg­ theaterschauspieler”. Allerdings bewegte sich der argenti­n ische Sünder auf Augenhöhe – zumindest schauspielerisch: Er mimte das Unschuldslamm und tat, als ob er Kreitlein nicht verstehen würde. Auf dem Platz brachen tumult­a rtige Szenen aus. Es wurde gezerrt, geschubst und getreten. Erst als die Polizei eingriff und Rattin vom Platz führte, konnte das Spiel ­w ieder aufgenommen werden. Später soll ein Argentinier im Kabinengang Schiedsrichter Kreitlein mit einem Tritt gegen das Schienbein traktiert haben.

Erste Pfeife 1878 Die farbigen Instrumente der Referees sind heute aus dem Fussball nicht mehr wegzudenken. Gehör verschaffen konnten sich die Unparteiischen übrigens schon lange vorher: 1878 wurde in England erstmals eine Schiedsrichterpfeife verwendet. Es war das erste technische Hilfsmittel in der Fussball-Historie – 134 Jahre vor Einführung der Torlinientechnologie. Å


DEBAT T E

Das demonstrative Zeigen der Gelben und Roten Karten ist ein Ärgernis. Gleichzeitig finde ich es aber auch unpassend, wenn der Schiedsrichter die Karte nur beiläufig hoch­ hält. Eine Karte muss ein klares Z ­ eichen sein.

PRESIDENTIAL NOTE

Professionalisiert das Schiedsrichterwesen! Denn erst dieser Status würde es den ­Referees erlauben, den Fussballern auf ­Augenhöhe zu begegnen. Vigo Olsen, Bergen (Norwegen)

Andrew Moore, Manchester (England)

Für mich ist ein Schiedsrichter eine absolu­ te Respektsperson. Er muss einen kühlen Kopf bewahren, sich deeskalierend verhalten und darf nicht noch zusätzlich die Stimmung auf dem Platz anheizen. Dieter Barsch, Wien (Österreich

“Der Schiedsrichter ist eine Respektsperson.”

Ich bin der Meinung, dass Schiedsrichter oft zu demonstrativ auftreten – zum Teil auch verbal. Es kann nicht angehen, dass ein Spieler von einem Schiedsrichter beleidigt oder provoziert wird. Ein Schiedsrichter besitzt eine Vorbildfunktion, die er immer innehat. Er muss in jedem Augenblick auf und neben dem Feld die Kontrolle haben und darf sich nicht von möglichen negativen Emotio­ nen leiten lassen. Peter Horst, Düsseldorf (Deutschland)

Schiedsrichter haben es nicht einfach. Gerade in unteren Ligen dienen sie oft als Blitzableiter für den Alltagsfrust von Spielern. Da ist es mehr als menschlich, dass auch sie zum Teil übertriebene Reaktion zeigen. Letztlich sind die Karten ihr einziges Mittel, um sich Respekt zu verschaffen. Rudi Scheepers, Utrecht (Niederlande)

Ich bin selber Schiedsrichter und weiss, wie schwierig es ist, ein Spiel zu leiten. Es ist wichtig, dass eine klare Linie gezogen und deutlich gemacht wird, wer auf dem Feld das Sagen hat. Wenn du nicht ab dem ersten Pfiff den Tarif durchgibst, tanzen dir die Spieler auf der Nase herum. Markus Herzog, Bregenz (Österreich)

Mit den immer aufwendigeren Fernseh­ übertragungen und der Aufschlüsselung jeder Spielsituation in Super-Zeitlupe wurde die Position der Schiedsrichter geschwächt. Deshalb kann ich es nachvollziehen, dass die Referees oft aus der Defensive agieren und zum Teil mit ihrer Gestik übertreiben. Für mich gäbe es einen simplen Lösungsansatz:

Der Referee ist am Ende auch nur ein Mensch. Man sagt zwar immer wieder, er müsse unparteiisch sein, aber während der 90 Minuten auf dem Platz passieren so viele Dinge, dass es für jeden schwer wird emotions­los über der Sache zu stehen. Mirjam Knecht, Malmö (Schweden)

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass bei Karten das Prinzip gelten sollte: Weniger ist mehr. Verteilt ein Schiedsrichter die Karten zu inflationär, beraubt er sich seiner Glaub­ würdigkeit. Die Art und Weise, wie er sie dem Spieler präsentiert, hängt von mir aus gese­ hen von der Schwere des Vergehens ab. Wie in allen anderen Situation auch, ist vom Schieds­ richter Fingerspitzengefühl gefordert. Olga Nabokowa, Donezk (Ukraine)

Das Signal

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arblich hält es der Fussball mit dem Stras­ senverkehr: Gelb bedeutet Vorsicht! Rot heisst Stopp! Die Idee der Kartenfarben ­hatte der englische Schiedsrichter Ken Aston Ende der 1960er-Jahre – angeblich bei einer Au­ tofahrt während der Rushhour in London. Erstmals kamen die Karten an der WM 1970 in Mexiko zum Einsatz. Im Eröffnungsspiel zwischen der Sowjetunion und Mexiko zeigte der deutsche Schiedsrichter Kurt Tschenscher dem sowjetischen Spieler Kakhi Asatiani in der 31. Minute Gelb. Heute gehören die Gelbe und Rote Karte zum Fussball-Alltag. Dabei geht oft vergessen, welche Funktion diese Instrumente eigentlich ­haben. Sie dienen der Information an Spieler und Publikum, dass eine Sanktion ausgespro­ chen wurde. Früher beliess es der Schiedsrich­ ter bei der mündlichen Botschaft an die Spieler und der Notierung auf einem Notizpapier. Da­ von zeugen die englischen Ausdrücke in der Fussball-Terminologie: “Booked” bedeutet ver­ warnt. “Sent off” ist der Platzverweis. Nicht immer scheinen sich die Referees der rein informellen Funktion ihrer Werkzeuge bewusst. Zuweilen missbrauchen sie die Karten als Machtdemonstration gegenüber den Spie­ lern und bauen sich vor den Tätern auf, halten ihnen die Karte ostentativ vor die Nase. Das ist ein falsches Zeichen – und eine unnötige Emo­ tionalisierung einer normalerweise schon auf­ geheizten Situation. Ein souveräner Referee hat ein derartiges Gehabe nicht nötig. Stattdes­ sen ruft er den Spieler zu sich, informiert ihn über das Verdikt und hebt die Karte emotions­ los in die Höhe. Denn egal, ob Rot oder Gelb. Die Karte ist ein Signal – wie im Strassenver­ kehr. Nicht mehr und nicht weniger.

“Professionalisiert das Schiedsrichterwesen.” Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY

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A FIFA World Cup in Brazil is just like Visa: everyone is welcome.

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FREE KICK

Das Ende der ewigen EuropacupRangliste

Rebellisch Alan Schweingruber

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ie Kommunikationsabteilung der FIFA hat jetzt eine eigene Rockband. Zwar läuft die Suche nach einem Namen noch, aber eines steht nach einer langen Nacht und dem Live-Debüt vor heimischem Publikum fest: The Rolling Stones können einpacken. Unsere fünf Kreativköpfe aus fünf Ländern trotzen nicht nur der viel diskutierten Ausländerregel, sondern begeistern auf der Bühne mit melancholischen Sturmläufen. Eine Neuseeländerin am Mikrofon, ein Schweizer an den Drums, ein Italiener am Bass, ein Franzose und ein britisches Mastermind an den ­ Gitarren – wahrscheinlich bringt kein Team der Erde seine Songs leidenschaftlicher rüber. Fussball ist die schönste Nebensache der Welt? Wenn dem so ist, dann liegt die Nebensache Musik fast gleichauf. Beim euphorischen Live-Gig wurde deutlich: Die Sparten Fussball und Musik verbindet eine intensive Liebe. ­Stürmer entspannen vor wichtigen Spielen gerne mit aufgesetzten Kopfhörern. WM-Songs sind schon vor der Veröffentlichung geschichtsträchtig. Und manche Fussballer, wie Alexi Lalas beispielsweise, besteigen die Rockbühne, kaum haben sie ihre Fussballschuhe ausgezogen (siehe auch unsere Rubrik Sound of Football auf Seite 36). Es gibt kluge Studien über diese Verbindung. Spannend ist aber vor allem die Erkenntnis, dass der Mensch ohne Gegensätze schlecht oder ungern über die Runden kommt. Wir sehen den rauchenden Coach von früher an der Seitenlinie. Die tätowierten Beine der Spieler. Fussballstars gaben sich schon immer rebellisch. The-Weekly-Kolumnist Günter Netzer besass in den Siebzigerjahren eine eigene Diskothek, fuhr extravagante Autos und konnte

sich kaum vor Liebesbriefen retten. Das erinnert an Punk und Rock’n’Roll. An The Sex Pistols. An Bier und Zigaretten, statt an viel Schlaf und Trennkost. Gut ist, was einem gut tut. Demnach müssen lange Nächte ihr Positives haben. Und bei der Regeneration hilft sich der Körper selbst, wenn man ihm die Zeit dazu gibt. Schaut man heute in das Gesicht von David Bowie, in seiner Blütezeit wahrlich kein Kind von Traurigkeit, glaubt man einen jungen Mann vor sich zu haben. Ziggy Stardust for ever! Vielleicht haben wir am Anfang dieses Artikels Mick Jagger und seiner Band Unrecht getan. Der 70-jährige Frontmann singt “Play With Fire” immer noch so gut wie 1965. Jagger scheint zwar nicht so fussballverrückt zu sein wie Rod Stewart, der vor dem Publikum auch mal mit dem Ball jongliert. Mit seinen Laufwegen könnte er es dafür mit jedem Spitzenfussballer aufnehmen (zirka zehn Kilometer pro Spiel). Seit 1962 sind sie auf Tournee, die Stones. Bei der Namensfindung liessen sich die Engländer übrigens von einem Song der ­Blues-Legende Muddy Waters inspirieren. Der verstorbene Mann aus Mississippi hätte da auch unserer Band einen Ansporn zu bieten: “All Night Long” hiess sein Hit 1952. Å

9 87.

P latz Domagnano (San Marino) 6 Spiele / 0 Punkte (0:22 Tore)

9 88.

Platz EPA Larnaca (Zypern) 6 / 0 (0:22)

9 89.

Platz Toftir (Färöer) 4 / 0 (0:22)

9 90.

Platz FC Lusitanos (Andorra) 6 / 0 (1:26)

9 91.

Platz FC Zurrieq (Malta) 6 / 0 (1:27)

9 92.

Platz Vikingur Reykjavik (Island) 10 / 0 (5:32)

9 93.

P latz SP Tre Penne (San Marino) 6 / 0 (4:33)

9 94.

P latz Stade Düdelingen (Luxemburg) 4 / 0 (1:32)

9 95.

P latz Etzelle Ettelbruck (Luxemburg) 12 / 0 (4:36)

9 96.

P latz Rabat Ajax (Malta) 8 / 0 (0:40)

9 97.

P latz CE Principat (Andorra) 6 / 0 (1:49)

Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY

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Akribisch Hatte er mit der Arbeit begonnen, war Regisseur Carlos Niemeyer nicht mehr zu stoppen. Seine Aufnahmen von der WM 1974 sind geschichtsträchtig.

Ronald Düker, Berlin

Wer Filme und Fussball liebt, kommt nicht um das Festival “11 mm” herum. Ein Augenschein in Berlin.

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Canal 100 (3)

Wie man Fussball noch nie gesehen hat

ussball und Kino: Dem klassischen Spielfilm und planmässigen Soccermatch ist gemeinsam, dass sie mehr oder weniger 90 Minuten lang dauern. Der Unterschied: Das gute oder böse Ende eines Films ist immer schon ausgemachte ­Sache, denn es steht bereits im Drehbuch. Der Fussballgott hingegen lässt sich bekanntlich nicht so gerne in die Karten schauen. Fussball findet in der Realität statt und ist daher so ­u nberechenbar wie das Leben selbst. Was aber geschieht, wenn das Vorherbestimmte und das


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Ungewisse, wenn also Film und Fussball in ­einer einzigen Kunstform zusammenfinden? “11 mm” heisst das internationale Fussballfilmfestival, das Anfang April nun schon zum 11. Mal in Berlin stattfand. Göttrik Wewer, der Vorsitzende der Kulturstiftung des deutschen Fussballbundes, die dieses Festival präsentiert, sagt, der Film könne “von Menschen erzählen, die den Fussball lieben und mit ihm leiden, ihre Leidenschaften, ihre Gefühle und ihre Kultur ist, was bewegt – nicht nur auf dem Platz, ­sondern auch im Kino.” Man kann nur feststellen: “11 mm” hat diese Erwartung nicht enttäuscht. Es waren die Stars des internationalen Fussballs zu sehen, aber aus ganz anderen Blickwinkeln als jenen, die die Zuschauer aus der Sportberichterstattung des Fernsehens ­gewohnt sind. Und auf einmal standen eben auch die Fans, passionierte Freizeitfussballer oder ­verrückte alte Männer aus Argentinien im ­Mittelpunkt, die mit heiligem Ernst ein selbst entwickeltes Tischfussballspiel zelebrieren, das mit Knöpfen betrieben wird. Legendäres Turnier im Regenwald Zugegeben, ein Western war nicht dabei. Sonst aber umfasste das Spektrum der gezeigten Filme nahezu alle denkbaren Genres und ­ ­Erzählformen des Kinos. Spielfilme erzählten davon, wie ein ehemaliger Fussballstar, den der Alkohol ins soziale Abseits getrieben hatte, ­einen Neuanfang als Trainer einer ziemlich verrückten Amateurmannschaft in der Provinz versucht (“Die Vollpfosten”); wie es dem brasilianische Superstürmer Heleno de Freitas in den 1940er-Jahren gelang, sein Leben als Rechtsanwalt, Frauenschwarm und Bohemien mit einer sagenhaften Karriere in der Seleção zu vereinbaren, für die er in 18 Spielen nicht weniger als 19 Tore schoss (“Heleno”); oder wie ein fanatischer Anhänger des Fussballklubs Standard Lüttich eine Frau kennenlernt und daraufhin eine Therapie beginnt, um sein ganz und gar dem Verein verschriebenes Herz für die neue Liebe zu öffnen (“Je suis supporteur de Standard”). Der grössere Teil des “11 mm”-Programms bestand allerdings aus Dokumentarfilmen, ­etwas über leidenschaftliche Fans auch unterklassiger Mannschaften oder Berichte aus entlegenen Teilen der Welt, in denen die Liebe zum Spiel teils bizarre Formen angenommen hat. Hat man zum Beispiel je vom Peladão gehört, dem grössten Fussballturnier der Welt? Es ­findet jedes Jahr im Regenwald des Amazonas statt, genauer gesagt im brasilianischen Manaus, das sich bis heute nur mit dem Schiff oder dem Flugzeug erreichen lässt. Hier treten bis zu tausend Mannschaften gegeneinander an, nachdem sie zumeist auf abenteuerlich schwankenden Kähnen zum Turnier geschippert sind. Das Besondere: Es geht hier längst

Elfte Ausgabe Das Fussballfilmfestival “11 mm” fand im Berliner Filmkunsthaus Babylon statt.

CANAL 100

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Canal 100 wurde im Jahr 1950 von dem damals dreissig jährigen Carlos Niemeyer gegründet, der 1999 in Rio de Janeiro gestorben ist. Ein Jahr nach seinem Tod stellte auch Canal 100 seinen Betrieb ein. Langfilme wie “Fute bol total” oder “Brasil Bom de Bola” waren eine Ausnahme in der Arbeit dieser Filmfirma. Canal 100 produzier te vor allem Material für dreiminütige Wochenschauen, die in brasilianischen Kinos als

­ orprogramm zu den eigentlichen V Filmen gezeigt wurden. Im Archiv, das heute von Niemeyers Sohn Alexandre gepflegt wird, lagern noch 2000 Stunden Filmmaterial, das seiner dringend nötigen Digitalisierung harr t.

Legendär Die Fussballbilder von Niemeyers Filmfirma Canal 100.

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nicht nur um das Fussballspiel der Männer. Jede einzelne Mannschaft, ganz gleich ob sie sich aus Indianern aus dem Regenwald, Gehörlosen oder den Angestellten einer Toshiba-Fabrik formiert, bringt eine Schönheitskönigin mit nach Manaus. Denn parallel zu den Matches kürt der Peladão auch die schönste Frau des Amazonas. Laufsteg und Spielfeld sind im komplizierten Austragungsmodus des Turniers eng miteinander verbunden: Scheidet zum Beispiel ein Team gegen ein anderes aus, kann es sein, dass die erfolgreiche Schönheitskönigin ihre Mannschaft wieder zurück ins Turnier bringt. Den Spielern und Frauen ist dabei gemein, dass sie sich vom Peladão einen Ausweg aus der Armut erhoffen – mit welcher Inbrunst, aber auch welchem Humor sie ihren Traum vom Profifussball oder einer späteren Modelkarriere leben, das 28

zeigt der Film in grandiosen Bildern und vor dem Hintergrund der atemberaubend schönen Landschaft im tropischen Brasilien. Material für filmische Sensation Beinahe zwangsläufig war Brasilien im Jahr der dort stattfindenden Fussball-WM auch das Schwerpunktthema dieses “11 mm”-Festivals. Und falls es noch einer Steigerung der Vorfreude auf das Turnier in diesem fussballversessenen Land bedurfte, dann wurde sie durch die Filme aus dem Archiv der brasilianischen Produk­ tionsfirma Canal 100 befeuert. Es handelt sich dabei um historisches Material, g ­edreht in Schwarz-Weiss und in Farbe, das auf der Leinwand aber so frisch wirkt, als könne sich die Sportfotografie bis ans Ende aller Zeiten daran orientieren. Eine Weltpremiere und filmische Sensation: “Futebol total” – ein abendfüllender T H E F I FA W E E K LY

Dokumentarfilm des Regisseurs Carlos Niemeyer, der die Seleção in Nahaufnahmen während der Fussball-WM 1974 in Deutschland begleitet. Ähnlich verfuhren später auch andere, etwa Sönke Worthmann, dessen “Deutschland. Ein Sommermärchen” die deutsche Nationalmannschaft während des Turniers von 2006 heranzoomte, oder zuvor schon Stéphane Meunier, der 1998 mit “Les Yeux dans les Bleus” genauso mit der Equipe Tricolore verfuhr. Obwohl “Futebol total” nun aber schon 40 Jahre alt ist, tauchte der Film erst vor Monaten und durch Zufall wieder aus den Tiefen des A ­ rchivs auf. Allzu grossen Schmerz hatte der vierte Platz, mit dem sich die favorisierten Brasilianer 1974 am Ende begnügen mussten, verursacht. So wagte es Niemeyer damals nicht, seinen Landsleuten dieses Dokument der Schmach

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Frankfurt, Juni 1974 Pelé schaut sich das torlose WM-Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Jugoslawien an.

“Futebol total” zeigt auch den damals gerade zurückgetretenen Weltstar Pelé, der sich im kühlen deutschen Sommer in einen Pelzmantel hüllt.


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40 Jahre Archiv Der Film “Futebol total” tauchte erst vor wenigen Monaten wieder auf.

Nähe Niemeyers Produktionen dokumentieren Emotionen.

Flutlicht Canal 100 fixierte Kameras fast auf Rasenhöhe.

Canal 100 (3), 11 mm

auch noch im Kino zu präsentieren. “Futebol total” zeigt deutsche Fussgängerzonen im ­Regen und den damals gerade vom Fussball zurückgetretenen Weltstar Pelé, der sich im kühlen deutschen Sommer in einen Pelzmantel hüllt. Die gefalteten Hände der Stadionbesu­ cher in Nahaufnahme, der rauchende Bundes­ kanzler Willy Brandt auf der Tribüne, eine deutsche Trachtengruppe, die während der Eröffnungsfeier in Frankfurt um ein riesiges Bierfass tanzt – hier breitet der Fussballfilm ein zeitliches und kulturelles Panorama aus. Aufnahmen aus allen Positionen Atemberaubend sind aber insbesondere die Aufnahmen des Spielgeschehens selbst. Nie­ meyer arbeitete mit unzähligen Kameraleuten, die die Sportler aus neuen Positionen und Blickwinkeln zeigen. Darunter eine extreme

Badezimmergeflüster Thierry Henry (links) und Lilian Thuram im Dokumentarfilm “Les Yeux dans les Bleus”.

Kameraeinstellung, mit der die beinahe auf ­Rasenhöhe fixierte Kamera die Spieler auf den Film bannt. Diese werden so zu überlebensgros­ sen Helden, die aber, und ganz anders als zum Beispiel im heroischen Sportfilm von Leni Rie­ fenstahl, niemals martialisch wirken. Im musi­ kalischen Wechsel von Zeitlupe und Origi­ naltempo fliessen ihre Bewegungen zu einem einzigen Leinwandballett zusammen. Nie ist die Eleganz und Kunst des Fussballs plasti­ scher geworden als durch Niemeyers Kameras. “Brasil Bom de Bola”, ein zweiter Langfilm dieses Regisseurs, der ebenfalls im Festivalpro­ gramm zu sehen war, spannt einen grösseren Bogen, er beobachtet die Seleção von 1958 bis zum Weltmeisterjahr 1970. Von Ball spielenden Kleinkindern bis zu den Barfusskickern an der Copacabana zeichnet Niemeyer hier mit leich­ ter Hand aber auch die nationale Evolution des T H E F I FA W E E K LY

Fussballs nach, bis man kaum mehr glaubt, dass dieses Spiel gar nicht in Brasilien erfun­ den worden ist. Was man aber glaubt: Mehr noch als um den Sieg geht es um die Kunst der schönen Bewegung selbst. So pathetisch die Stimme des Filmerzählers dabei auch klingt: “Beim Fussball sind die Nationalität, das Alter und die Religion völlig egal.” Und wäre das – im Hinblick auf den brasi­ lianischen WM-Sommer – nicht auch ein wun­ derbares Motto? Kaum irgendwo hätte es über­ zeugender klingen können als im Fussballfilm, dieser kunstvollen Vereinigung zweier eigent­ lich ganz unterschiedlicher Kunstformen. Å

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Name Mary Abigail “Abby” Wambach Geburtstag, Geburtsort 2. Juni 1980, Rochester, New York Position Sturm Klubs Washington Freedom, Magic Jack, Western New York Flash (seit 2013) National Women’s Soccer League (NWSL)

Mike Hewitt / Getty Images

Saisonstart: 12. April 2014 New York Flash – Washington Spirit am 13. April US-Nationalteam 218 Spiele, 167 Tore Wichtigste Auszeichnungen Fussballerin des Jahres (USA) 2003, 2004, 2007, 2010, 2011, 2013 Ballon-d’Or-Gewinnerin 2012 30

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DAS INTERVIEW

“Eine WM ist der reinste Stress” Wenn Abby Wambach Fussball spielt, gratuliert auch mal Barack Obama auf Twitter. Die 33-Jährige hat in ihrer Karriere fast alles erreicht. Nun will sie 2015 endlich den WM-Titel gewinnen.

Bei unserem letzten Interview im vergangenen Jahr waren Sie ziemlich aufgeregt wegen der neuen Liga in den USA. Wie sieht Ihr Fazit nach der ersten Saison aus? Abby Wambach: Ich halte die erste Saison für einen Erfolg. In den vergangenen Jahren wurde einiges übertrieben, was die Ausgaben für Stadien und die Gehälter für Mitarbeiter und Spielerinnen angeht. Jetzt geht es gewissermassen wieder bei null los. Einigen mag das zu wenig sein. In gewisser Weise stimme ich dem sogar zu. Aber es ist ja nicht so, dass es das Wachstumspotenzial nicht gäbe. Ich halte dies speziell für den Frauenfussball in den USA für sehr wichtig. Es ist egal, wo man anfängt. Entscheidend ist, dass es von dort aus aufwärts geht und man nicht stehen bleibt. Alles in allem bin ich stolz auf meine Mannschaft bei den New York Flash und generell auf alle Spielerinnen, die mitgemacht haben, damit dieser Liga hoffentlich Dauerhaftigkeit beschieden ist.

Ihre Erwartungen in der National Women’s Soccer League haben sich also erfüllt? Änderungen wird es, glaube ich, sowieso jedes Jahr geben. Ich weiss, dass der Verband US Soccer unbedingt eine der besten Ligen der Welt schaffen will. Das geht nur, wenn man auch aus seinen Fehlern lernt. Mit der Zeit werden die Einrichtungen besser, es wird bessere Verträge und mehr Gehalt geben und das Training wird sich auch verbessern. Es wird grundsätzlich alles besser werden, solange die Leute in die Stadien kommen und sich die Spiele anschauen. Darauf freue ich mich schon. Es ist bekannt, dass die MLS in den USA besonders erfolgreich darin war, Frauenmannschaften zum Durchbruch zu verhelfen. Die Portland Timbers haben die Portland Thorns gekauft. Kaum besassen Sie diese Mannschaft, kamen 15 000 Zuschauer zu einem Frauenfussballspiel. Das sind doch tolle Neuigkeiten. Insofern bin ich gespannt, was in der Zukunft mit der NWSL möglich ist.

In Ihrer Titelsammlung fehlt nur noch eines: Der Weltmeister-Titel. Ist Ihnen die WM nächstes Jahr in Kanada besonders wichtig?

Einige Spielerinnen werden das nicht zugeben, aber eine WM zu spielen, ist der reinste Stress. Im Vergleich dazu macht es Spass, einfach mal nur Zuschauerin zu sein wie dieses Jahr während der Männer-WM. Aber ja, die Weltmeisterschaft 2015 in Kanada wird toll. Erstens findet sie nahe der Heimat statt und zweitens ist Kanada unser Erzrivale. Ich hoffe, wir haben das nötige Quäntchen Glück. Eine WM bedarf enorm viel Vorbereitung und ganz viele Dinge kann man einfach nicht beeinflussen. Ich brenne darauf, es trotzdem zu versuchen.

Wer ist denn Ihr Titelfavorit für Brasilien? Da muss ich natürlich die USA nennen. Ich denke, wir haben eine schwierige Gruppe erwischt, aber wenn die Ergebnisse stimmen, kommen wir vielleicht weiter. Die WM ist etwas ganz Besonderes. Da kommen so viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen, die doch alle eine Gemeinsamkeit haben. Das verbindet – auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Es wird toll sein, die Spiele zu schauen, und zu sehen, wie sie ausgehen und wer dann am Ende ganz oben auf dem Treppchen steht. Man weiss nie, was passieren wird. Daran knüpfen auch die Menschen in den USA ihre Hoffnungen.

Im vergangenen Jahr haben Sie Mia Hamms Länderspiel-Torrekord gebrochen. Wie haben Sie diesen Moment erlebt? Das war ein ganz besonderer Moment, nicht nur für mich, auch für meine Mannschaft. Ich weiss nicht, was Mia dazu sagen würde, aber nach so vielen Toren denkt man automatisch nach und fragt sich, wie es dazu gekommen ist. Wie konnte das geschehen? Aber es kam ja nicht aus heiterem Himmel, sondern war lange vorauszusehen. Ausserdem ist dieser Rekord das Ergebnis von viel Arbeit – nicht nur von mir, sondern von der ganzen Mannschaft. Meine Mitspielerinnen müssen nicht nur auf ihren Positionen gut sein, sie müssen auch den Glauben an sich und an mich mitbringen. Genau das zeichnet diese Mannschaft aus. Ich gehöre ja nun nicht zu T H E F I FA W E E K LY

den Spielerinnen, die den Gegnerinnen Knoten in die Beine dribbeln, ich bin eine Strafraumstürmerin, die möglichst viele Chancen verwertet. Solche Weltrekorde gehören meinen Mannschaftskameradinnen, denn sie haben sie erst ermöglicht.

Nachdem Sie Mia Hamms Rekord gebrochen hatten, hat Präsident Barack Obama getwittert: “Congratulations @AbbyWambach, the greatest goal scorer in the history of women’s soccer – you’ve made your country proud. #ChasingAbby.” Waren Sie beeindruckt? Und ob ich beeindruckt war! Ich glaube, seine Töchter spielen auch Fussball. Und Anerkennung vom amerikanischen Präsidenten ist schon der Hammer. Obendrein habe ich ganz viele Anrufe bekommen und eine SMS von Mia, die mir aufrichtig und stolz gratuliert hat. Auf diese Dinge kommt es an. Besonders dankbar bin ich aber auch Freunden und Familienmitgliedern, die mich unmittelbar nach dem entscheidenden Tor kontaktiert haben.

Wie wichtig war Mia Hamm für Ihre Laufbahn? Es lässt sich gar nicht ausreichend erklären, wie wichtig sie im Verlauf meiner Karriere war. Zu Beginn war ich in ihrer Mannschaft. Sie hat mir – direkt oder indirekt – viel beigebracht. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob sie sich dessen bewusst war. Sie hat sich immer ganz in den Dienst der Mannschaft gestellt. Das würde ich auch von mir behaupten. Mia hat mich gelehrt, wie ich mich auf dem Platz zu verhalten habe, wie ich mich abseits des Platzes zu verhalten habe. Sie war mein Idol, meine Mentorin. Mia ist nicht nur eine Freundin und eine fantastische Mannschaftskameradin. Sie ist eine Pionierin des Sports. Å Mit Abby Wambach sprach Nicole Rätzmann

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Hannover, Deutschland

1961

imago

Die Spieler von Hannover 96 befleissigen sich des Springens mit verkßrztem Seil – einer nicht nur in der Halle schweisstreibenden Angelegenheit.

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ZEITSPIEGEL

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Gelsenkirchen, Deutschland

2011

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Schalker Profis beim Springen ßber das lange Seil – neu ist das nicht, aber noch immer effektiv.

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emirates.com

Tomorrow brings us all closer To new people, new ideas and new states of mind. Here’s to reaching all the places we’ve never been. Fly Emirates to 6 continents.


DAS FIFA-R ANKING Rang Team

1 2 3 4 5 6 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 25 25 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 47 49 50 51 52 53 54 54 56 56 58 59 59 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 76

Rang­veränderung Punkte

Spanien Deutschland Portugal Kolumbien Uruguay Argentinien Brasilien Schweiz Italien Griechenland

0 0 1 1 1 -3 3 -1 -1 3

1460 1340 1245 1186 1181 1174 1174 1161 1115 1082

England Belgien USA Chile Niederlande Frankreich Ukraine Russland Mexiko Kroatien Elfenbeinküste Schottland Dänemark Ägypten Bosnien und Herzegowina Schweden Algerien Ecuador Slowenien Serbien Rumänien Honduras Armenien Costa Rica Panama Tschechische Republik Iran Ghana Türkei Österreich Venezuela Kap Verde Peru Ungarn Nigeria Slowakei Japan Wales Tunesien Kamerun Guinea Finnland Usbekistan Paraguay Montenegro Republik Korea Norwegen Island Mali Australien Burkina Faso Libyen Senegal Jordanien Republik Irland Südafrika Vereinigte Arabische Emirate Bolivien El Salvador Albanien Sierra Leone Polen Bulgarien Sambia Saudiarabien Trinidad und Tobago Marokko

1 -2 1 1 -4 1 1 1 1 -4 3 15 -1 2 -4 2 0 -5 2 -2 1 4 8 0 -6 -6 5 -3 -1 4 -2 -9 -3 -1 2 4 1 2 -5 0 2 6 2 5 -8 4 1 -6 -3 4 1 9 6 2 3 -2 -6 2 9 -16 1 1 -6 0 0 0 1

1043 1039 1015 1011 967 935 913 903 876 871 830 825 819 798 795 795 795 790 787 759 756 754 750 744 739 731 715 713 711 673 670 665 653 623 620 616 613 613 597 583 580 578 577 555 555 551 551 546 545 545 528 522 511 510 504 500 499 497 488 486 484 479 460 456 455 454 454

Rang

Nov. 2013

Dez. 2013

Jan. 2014

→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html

Feb. 2014

März 2014

April 2014

1 -41 -83 -125 -167 -209

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 106 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 122 124 125 126 127 128 129 129 131 131 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 143

Platz 1

Aufsteiger des Monats

Israel Haiti EJR Mazedonien Oman Jamaika Belarus Nordirland Aserbaidschan Uganda Gabun DR Kongo Togo Kuba Botsuana Kongo Estland Angola Katar VR China Benin Simbabwe Moldawien Irak Äthiopien Niger Georgien Litauen Bahrain Kenia Zentralafrikanische Republik Kuwait Lettland Kanada Neuseeland Luxemburg Äquatorial-Guinea Mosambik Libanon Vietnam Sudan Kasachstan Liberia Namibia Malawi Tansania Afghanistan Guatemala Burundi Dominikanische Republik Malta Zypern Suriname Ruanda Gambia Syrien Tadschikistan Grenada St. Vincent und die Grenadinen Neukaledonien DVR Korea Lesotho Antigua und Barbuda Thailand St. Lucia Malaysia Belize Philippinen

T H E F I FA W E E K LY

-13 0 2 0 -2 0 2 6 -1 1 -4 0 3 4 -5 -1 2 6 2 -3 4 9 3 -1 2 -4 1 1 3 1 2 4 2 -21 8 6 1 1 9 5 9 -22 4 -7 -5 5 2 4 -15 7 -6 2 5 5 6 -12 -2 4 -18 -4 5 5 8 5 -1 -3 -13

Absteiger des Monats

450 446 443 418 414 404 400 398 395 386 380 374 371 369 367 366 347 336 333 332 329 325 324 319 315 303 293 289 284 284 283 273 272 271 266 261 252 251 242 241 235 234 233 227 226 226 224 215 212 204 201 197 197 190 190 188 184 181 174 172 159 158 156 155 153 152 152

145 145 147 147 149 150 151 152 153 153 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 164 166 167 168 169 170 171 172 173 174 174 176 177 178 179 180 181 182 183 184 184 186 187 188 189 190 191 191 191 194 195 195 197 197 199 200 201 202 202 204 205 206 207 207 207

Singapur Indien Kirgisistan Puerto Rico Liechtenstein Guyana Indonesien Mauretanien Malediven St. Kitts und Nevis Aruba Turkmenistan Tahiti Hongkong Nepal Dominica Pakistan Barbados Bangladesch Palästina Färöer São Tomé und Príncipe Nicaragua Bermuda Tschad Chinese Taipei Guam Salomon-Inseln Sri Lanka Laos Myanmar Mauritius Seychellen Curaçao Swasiland Jemen Vanuatu Fidschi Samoa Komoren Guinea-Bissau Bahamas Mongolei Montserrat Madagaskar Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Südsudan Somalia Macau Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln

4 7 -1 3 2 3 3 3 4 3 7 -14 -19 -13 1 -1 -3 -1 -1 3 -2 -1 1 1 1 1 2 -7 0 -2 -1 0 -1 0 0 5 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 1 -2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0

144 144 143 143 139 137 135 127 124 124 122 119 116 111 107 103 102 101 98 91 91 86 84 83 80 78 77 75 74 73 73 67 66 65 64 60 55 47 45 43 43 40 35 33 32 28 26 26 26 23 21 21 18 18 16 11 10 8 8 6 5 3 0 0 0

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THE SOUND OF FOOTBALL

DAS OBJEK T

Perikles Monioudis

Hanspeter Kuenzler Multitalente haben es nicht leicht auf dieser Erde. Besonders dann nicht, wenn ihre Talente sich auf einer Bühne abspielen, die für die meisten Menschen ein Reich der Träume bleibt. Milla Jovovich begann als Fotomodel, avancierte zum Filmstar und veröffentlichte mit 19 Jahren ihr Debütalbum “The Divine Comedy”. Neid und ­Eifersucht triumphierten: Das Album wurde verhöhnt oder ignoriert, obwohl es feinen, folkigen Pop-Konfekt enthält. Ein ähnliches Schicksal ereilte Alexi Lalas. Nicht nur besass er Beine, die smart genug waren, aus ihm den ersten US-Amerikaner zu machen, der in der italienischen Serie A spielen durfte. Der Rotschopf verfügte darüber hinaus auch noch über ein bärtiges Charaktergesicht, das perfekt zum Slacker-Rock passte, den er in seiner “Freizeit” kredenzte. Fussballstar und Rock’n’Roller 36

in einem – eine Kombination, die nebst dem üblichen Futterneid auch noch gewisse Grundsatzfragen aufwarf. Wie zum Beispiel schaffte es dieser Mann, den Lebensstil eines Spitzensportlers mit dem eines Sängers, Songschreibers und Gitarristen einer Rockband ­namens The Gypsies zu vereinbaren? Panayotis Alexander Lalas aus Birmingham, Michigan, geriet erst als Teenager in den Bann des “Soccer” – dann aber so richtig! Über das CollegeTeam der Universität Rutgers rutschte er in die Olympia-Auswahl, zwei Jahre später gab er bei der WM 1994 im eigenen Land mit 24 Jahren sein Debüt als National­spieler, obwohl er noch nicht lange als Profi agierte. Viel wichtiger: 1994 erschien der Erstling “Woodland” seiner Band The Gypsies. Zwei Beiträge von ihm ­zieren ein 1995 erschienenes, von Spanisch sprechenden Künstlern geprägtes TributAlbum für Bruce Springsteen.

An der Seite von Randy Edelman sang er für den Sound­ track des Filmes “The Big Green” seinen Fussball-Song “Kickin’ Balls” ein. Es folgte mit “Jet Lag” ein zweites Album, gefolgt von e ­ iner Europa-­ Tournee im Vorprogramm von “Hootie & The Blowfish”. “Ginger” hiess 1998 sein erstes Solo-Album, dem folgten zwei weitere Werke, zuletzt 2010 “So It Goes”. Wäre Lalas nicht auf die schiefe Bahn des Soccer geraten, würde er heute mit der Gitarre durch die Lande tingeln. Seine ein bisschen bei Nirvana, ein wenig bei Springsteen angelehnten Lieder gemahnen an Bands wie “Soul Asylum” und “Gin Blossoms”. Und ja, in den Tiefen gibt es Nuggets zu entdecken, etwa das subtil unterspielte “Pop School”. Aber eben: Nie wird ihm weder die Fussballwelt verzeihen, dass er auch noch singen kann, noch die Rockwelt, dass er ein Fussballstar ist. Æ

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Sion Ap Tomos

Keiner rockt wie Lalas

Wie lässt sich ein Spieler aufziehen? Mit Hilfe eines Schlüssels! Man wickelt damit die Springfeder in seinem Innern so lange auf, bis sie ihre ganze Spannkraft auf den gewünschten Körperteil zu übertragen vermag, etwa auf das Schussbein, das quasi selbsttätig ausschlägt. Ein echter Fussballspieler und eine echte Fussballspielerin bedürfen bekanntlich weit mehr der Ausbildung und Motivation, bis sie auf dem Platz loslegen können. “Aufziehen” heisst hier Training, Training und nochmals Training. Aber so leicht wie der putzige kleine Spielapparat lassen sich Menschen zum Glück ohnehin nicht manipulieren. Aufziehen muss sich schon jeder selbst. Die oben abgebildete, kleine mechanische, rot und weiss lackierte Figur stammt aus amerikanisch-deutscher Fertigung (“Made in U.S. Zone Germany”) aus den 1950-er Jahren und ist Teil der FIFA-Sammlung. Sucht man an der ­Figur ein Schlüsselloch, wird man enttäuscht. Nicht der Spieler lässt sich aufziehen, sondern der Ball. Den metallenen Fussball kann man an seiner Umfanglinie aufklappen – sichtbar wird dann auch besagte Springfeder, die eben direkt den Ball antreibt und nicht den Spieler, der ihm hinterherspringt oder besser -rollt, im Bestreben, ihn zu kontrollieren. Die Frage stellt sich: Wer spielt hier mit wem? Und, vielleicht dann doch grundsätzlich: Ist der Ball nicht immer die Instanz, die das Geschehen vorgibt – und wir Spieler lediglich seine Erfüllungsgehilfen? Den Blick auf die Figur und den aufgeklappten Ball geheftet, scheint die Antwort unausweichlich: Wer den Ball beherrscht, der hat sich selbst gut aufgezogen; wer aber vom Ball, dessen Kapriolen und Frivolitäten in Flugund Rollverhalten, beherrscht wird, für den gilt: Ab ins Grundlagentraining! Es gibt keinen kleinen Schlüssel, der da helfen könnte. Å


TURNING POINT

“Die E-Mail kam nachts um 2.24 Uhr” Der amerikanische Schieds­ richter Mark Geiger leitet seit seinem 13. Lebensjahr Fuss­ ballspiele. Heute, 26 Jahre ­später, erfüllt sich sein Traum von der Weltmeisterschaft.

Paolo Dutto / 13 Photo

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urch die WM 1994 im eigenen Land hat sich der amerikanische Fussball stark entwickelt. Es sind finanzielle Mittel vorhanden, die Spieler haben eine gute spielerische Klasse und die Fans sind begeisterungsfähig. Die Major League Soccer ist somit für mich zu einem perfekten Arbeitsumfeld geworden, das Schiedsrichtertum zu einem Traumberuf. Mein erstes Spiel habe ich mit 13 Jahren geleitet. Ich war damals – wie extrem viele andere amerikanische Kinder – ein leidenschaftlicher Fussballspieler. Denn Soccer ist bei Kindern in den USA eine der beliebtesten Sportarten. Üblicherweise folgen dann in den Teenagerjahren American Football, Baseball oder Basketball. Ich brauchte damals einen Job, wollte ein bisschen Geld dazuverdienen. Es ist mehr daraus geworden. Die E-Mail mit dem Aufgebot der FIFA für die WM in Brasilien habe ich um 2.24 Uhr in der Nacht erhalten. Es ist schwer zu beschreiben, was mir in jenem Moment durch den Kopf gegangen ist. Ich war sprachlos, begeistert, gerührt, stolz. Es ist ein Traum, der in ­Erfüllung geht. Als am Morgen um halb sieben Uhr der Wecker klingelte, hatte ich schon m ­ ehrere SMS von Freuden erhalten, die mir gratulierten. Überhaupt waren die Reaktionen von Fans, Spielern und Trainern grossartig. Das bestätigt mich auch in meiner täglichen Arbeit. Vor etwa einem Jahr habe ich meinen Traumberuf als Mathematiklehrer aufgegeben, um mich voll auf meine Schiedsrichterkarriere zu konzentrieren. Zwischen dem Lehren und dem Pfeifen gibt es viele Parallelen. Du musst deinen Stil immer wieder an deine Klasse respektive an die Spieler anpassen, du musst gut mit Menschen arbeiten, auf sie eingehen können. Auf dem

Name Mark Geiger Geburtsdatum 25. August 1974 Herkunft Beachwood, USA Erlernter Beruf Mathematiklehrer Auszeichnungen US-Schiedsrichter des Jahres 2011

Spielfeld sind wir viel mehr als nur diejenigen, die pfeifen und Karten zeigen. Wir sind Manager. Wir müssen versuchen, 22 Spieler durch Kommunikation in ihrem Spiel zu unterstützen, wir müssen einen Rahmen bieten und die Spieler schützen. Dies ist nicht immer einfach. Im Fussball geht es um Emotionen, und die können manchmal auch überkochen. Die ­Körpersprache ist wichtig. Die Signale meiner Hände, die Lage meiner Stimme – wenn nicht alle Spieler die gleiche Sprache sprechen, zählen diese Dinge umso mehr. Das Wichtigste vor jedem Spiel ist die Vorbereitung. Wir müssen die Taktik des Trainers kennen, die Aufstellung und auch die Charaktere der Spieler. Die Unterstützung meiner ­Assistenten Joe und Sean ist da immens wichtig. Ohne sie stünde ich heute nicht da, wo ich jetzt T H E F I FA W E E K LY

stehe. Wir ergänzen uns perfekt, die ­Chemie stimmt zu 100 Prozent. Nun muss uns das ­erste WM-Spiel gelingen. Wir wollen schliesslich weiterkommen, im Idealfall bis ins Finale am 13. Juli. Da unterscheiden wir uns nicht von den Spielern. Å Aufgezeichnet von Sarah Steiner

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37


game onor game over

all in or nothing

adidas.com/worldcup Š 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.


The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

FIFA - R ÄT SEL - CUP

Internet: www.fifa.com/theweekly

Die ersten Roten Karten, die drei fairsten Teams und viermal Zweiter – raten Sie mit!

Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878

Es war das erste Mal, dass es im Endspiel eines Weltturniers Rote Karten setzte. Gleich drei Fussballspieler einer Nationalmannschaft mussten vom Platz. Wo?

1

Präsident: Joseph S. Blatter

F Wankdorf P  Estadio Azteca

Generalsekretär: Jérôme Valcke

L Wembley R  Estadio River Plate

Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio Chefredakteur: Perikles Monioudis

2

Viermal Zweiter innerhalb von zwei Monaten – Vizeweltmeister, Vize-Champions-League-Sieger, Vizemeister, Vizepokalsieger. Wem gelang diese historische Tat?

Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner

A

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Art Direction: Catharina Clajus Bildredaktion: Peggy Knotz Produktion: Hans-Peter Frei

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Layout: Richie Krönert (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Mirijam Ziegler Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach

3

Ständige Mitarbeiter: Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn

Wann gewann zum letzten Mal das Team eines Landes die WM, in dem man üblicherweise “Football” sagt? C 1998

Mitarbeit an dieser Ausgabe: Ronald Düker, Nicole Rätzmann, Markus Nowak (Beratung AD), Andreas Wilhelm (Bild) Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com

4

G 1970

L 1966

N 1930

Manche Teams sind ausgesprochen fair. Drei dieser Nationalmannschaften begingen bei einer ganzen WM kein einziges Foul. Welche beging doch ein Foul?

O  Italien 1958 in Schweden E  Frankreich 1982 in Spanien

H  Argentinien 1970 in Mexiko K  England 1994 in den USA

Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Kontakt: feedback-theweekly@fifa.org

Getty Images

Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt. Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.

Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: MARK (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus

Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 16. April 2014 an die E-Mail feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis am 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY

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FR AGEN SIE DIE FIFA!

UMFR AGE DER WOCHE

Wer gewinnt die Champions League?

Antwort von Thomas Renggli: Sieben Trainer haben je zwei Champions-League-Triumphe vorzuweisen: Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Vicente del Bosque, Sir Alex Ferguson, Carlo Ancelotti, José Mourinho und Ottmar Hitzfeld. Mit insgesamt vier Finalteilnahmen hebt sich Sir Alex Ferguson von seinen Berufskollegen ab. Der 72-jährige Schotte war in seiner Karriere 19-mal in der Königsklasse dabei.

Blue is the Colour! Chelsea feiert den Last-Minute-Sieg gegen Paris S ­ t-Germain im Viertelfinale. Jubeln die Londoner auch nach dem Finale in Lissabon am 24. Mai? Meinungen an feedback-theweekly@fifa.org

57+43

ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE

Müsste man die Ausländerzahl in den Top-Ligen beschränken?

JA

NEIN

43% 57%

7 24 23 DIE MAKELLOSEN

DIE WAR TENDEN

DIE ALUSCHÜTZEN

Mal traf der 1. FC Nürnberg in dieser Saison schon die

Siege in 7 Spielen errangen die japanischen Junio-

Jahre wartet der FC ­­ Liverpool auf den 19. Meister-

Torumrandung – Bundes­

rinnen an der U17-WM in Costa Rica – dank

titel der Klubgeschichte. Fünf Runden vor Saison-

liga-Rekord. Die Alumini-

technischer Brillanz, taktischer Disziplin und

schluss stehen die Chancen gut, dass diese

umtreffer könnten den Club

einem nicht zu bändigenden Offensivgeist. Im

­“Dürreperiode” an der Anfield Road zu Ende gehen

teuer zu stehen kommen.

Endspiel setzten sie mit einem 2:0 gegen Spanien

könnte. Nach dem 2:1 bei West Ham (dank zwei

Nach 29. Runden stehen

den goldenen Schlusspunkt. Schon in der 5. Minute

Penaltytoren von Steven Gerrard) liegen die Reds

die Franken auf einem

eröffnete Meika Nishida (Bild) das Score.

zwei Punkte vor Chelsea.

Abstiegsplatz. T H E F I FA W E E K LY

Julian Finney / Getty Images, Getty Images, Imago (2)

Welcher Trainer gewann am häufigsten die Champions League? Jelena Zuewa, Moskau


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