The FIFA Weekly Ausgabe #28

NR. 28, 2. MAI 2014

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

BRASILIEN DAS WM-TRAUMA VON 1950 HODGSON ENGLANDS KLARE VISION BLATTER MEHR TORE DANK FAIRPLAY

Die Uruguayer WM-Legende Ghiggia

W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY

I N H A LT

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com

Uruguay Ein Land mit 3,3 Millionen Einwohnern spielt in der Regel eine kleine Rolle im Fussball. Im Falle von Uruguay ist das anders. Der zweifache Weltmeister bringt dank guten Schulen immer wieder erst­ klassige Spieler hervor und besiegt grosse Fuss­ ballnationen. Eine Spurensuche – 64 Jahre nach dem WM-Triumph in Brasilien 1950.

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Mexiko Hexenmeister und Zauberei: Wie übernatürliche Kräfte die Fans und die Spiele in der mexikani­ schen Primera División beeinflussen.

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S epp Blatter Trotz vielen Regeländerungen in den letzten 25 Jahren sinkt die Torquote stetig. Der ­FIFA-Präsident sagt: “Es gibt eine Zauberformel, um den Fussball spektakulärer zu machen.

Sie ist einfach und komplex zugleich: Fairplay.”

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G ünter Netzer Der ehemalige Mittelfeldstratege zeigt kein Verständnis für die ständige Kritik an Testspielen.

“Für die Nationalteams sind die Zusammen­ künfte von existenzieller Wichtigkeit. Das müssen auch die Klubs endlich akzeptieren.”

Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

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Finale WM 1950 Der Jules-­RimetPokal stand schon für Brasilien bereit.

Dann erzielte Uruguays Ghiggia kurz vor Schluss das 2:1.

WM-Gruppen A – C

Die Uruguayer Alcides Ghiggia posiert mit 23 Jahren im damaligen Fussball-Outfit. Die Aufnahme von Bob Thomas ist 1950 entstanden. Im gleichen Jahr schoss Ghiggia das legendäre WM-Tor im Finale in Rio.

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Gruppe B

Gruppe C

Brasilien

Spanien

Kolumbien

Kroatien

Niederlande

Griechenland

Mexiko

Chile

Elfenbeinküste

Kamerun

Australien

Japan

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Cover: Albert Gea / Reuters

Gruppe A

D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L

Europa 54 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

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Nam Taehees Der “koreanische Messi” zog mit 16 Jahren nach Europa. Jetzt will er sich seinen Traum einer WM-Teilnahme erfüllen.

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Roy Hodgson Englands Nationalcoach will vom Enthusiasmus im eigenen Land profitieren.

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Flucht aus der DDR Falko Götz kehrte 1983 nach einem Auswärtsspiel nicht mehr in sein Land zurück. Der Deutsche erzählt seine Geschichte.

WM-Gruppen D – H

Inhalt: Getty Images (4)

Gruppe D

Gruppe E

Gruppe F

Gruppe G

Gruppe H

Uruguay

Schweiz

Argentinien

Deutschland

Belgien

Costa Rica

Ecuador

Bosnien-Herzegowina

Por tugal

Algerien

England

Frankreich

Iran

Ghana

Russland

Italien

Honduras

Nigeria

USA

Korea

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EVERY GASP EVERY SCREAM EVERY ROAR EVERY DIVE EVERY BALL E V E RY PAS S EVERY CHANCE EVERY STRIKE E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L SHALL BE SEEN SHALL BE HEARD S H A L L B E FE LT

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UNCOVERED

Typisch Uruguay

E

Andres Stapff / Reuters

s gibt viele Gründe, das schöne Uruguay zu besuchen. Die Bauten. Das Klima. Die Menschen. Und dann sind da noch Kinderträume.

Sie folgen keiner logischen Argumentation. Sven Goldmann, der unsere Coverstory über den uruguayischen Fussball umsetzte, schrieb in einer E-Mail an die Redaktion: “In das Land Uruguay habe ich mich als kleiner Junge verliebt. Ich fand den Namen so spannend und habe mir in meiner Phantasie alles Mögliche zusammengereimt.

Später musste ich das natürlich überprüfen.”

Herausgekommen ist nach mehreren Aufenthalten eine tiefgründige Reportage mit wundervollen Bildern und der Kernfrage: Wie kann eine kleine Nation mit 200 000 Fussballspielern eine dominante Rolle im Weltfussball spielen? Der Hauptartikel endet mit einem jungen Aussenstürmer, der mit seinem Finaltor 1950 den zwei-

ten WM-Titel Uruguays wahr machte: ­A lcides Ghiggia. Er ziert das Titelbild dieser Ausgabe.

G

higgia ist 64 Jahre nach seinem Tor der einzige noch Lebende des Weltmeisterteams von 1950. Er ist heute 87 Jahre alt. Wie sein 2:1-Treffer von damals ein ganzes Land in eine Schockstarre versetzte, dokumentiert unsere History-Doppelseite. In Rio de Janeiro stand am 16. Juli 1950 alles bereit für die Feier des vermeintlichen Weltmeisters Brasilien. Es kam anders.

N

ach Plan hingegen lief die Flucht von Falko Götz. Der ehemalige DDR-Spieler entschied sich 1983 bei einem Auswärtsspiel in Belgrad, nie mehr in sein Land zurückzukehren. Die Flucht in einem Taxi war der Wen-

depunkt im Leben des Deutschen, der später mit Leverkusen den UEFA-Cup gewann. Ein Krimi auf gut 100 Zeilen.

D

ie einwandfreie Organisation im Team und die starke Physis der Spieler haben die Torquote in den letzten Jahren sinken lassen.

Das Reglement steht für Sepp Blatter deswegen nicht zur Debatte. “Eher muss das konstruktive Spiel geschützt werden”, sagt der FIFA-Präsident in seiner Kolumne. “In der Verantwortung stehen auch die Fussballer. Denn Fairplay macht das Spiel spektakulärer.” Å Alan Schweingruber

Montevideo, Juni 2010 Eine Familie feiert Uruguays Einzug ins WM-Viertelfinale im fernen Südafrika auf ihre Weise.

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Natacha Pisarenko / Keystone / AP

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Symphonie in Himmelblau Immer wieder überrascht Uruguay die Welt mit grossartigem Fussball und exzellenten Spielern.

Wie macht die kleine Nation das bloss?

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Sven Goldmann

hre Trikots leuchten so blau wie der Himmel über Brasilien strahlen wird in ein paar Wochen, wenn es endlich losgeht beim Mundial zwischen Manaus und Porto Alegre. Über dem aufgestickten Emblem thronen vier Sterne, was auf den ersten Blick ein wenig irritierend wirkt, schliesslich hat Uruguay erst zweimal die Copa gewonnen, in den Jahren 1930 und 1950, als sie noch dem früheren FIFA-Präsidenten Jules Rimet gewidmet war. Óscar Washington Tabárez kennt die Fragen nach den vermeintlichen überzähligen Sternen, aber er beantwortet sie immer wieder gern. “Bei uns zu Hause zählen wir auch die beiden Olympiasiege von 1924 und 1928 mit”, sagt der Maestro aus Montevideo und hält einen kurzen Vortrag über die Jahre vor der ersten offiziellen WM. Über die Gründerjahre des Fussballs, als die Olympischen Spiele den Status von Weltmeisterschaften hatten und die Uruguayer scheinbar aus dem Nichts über die etablierte Fussball-Welt kamen, die sich damals in Europa zu Hause ­wähnte. Óscar Washington Tabárez betreut seit acht Jahren die Celeste, wie die Uruguayer ihre Nationalmannschaft wegen der himmelblauen Trikots gern nennen. Das heisst, eigentlich ist er schon seit 1988 dabei, seit der Kampagne für

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die WM 1990 in Italien, aber nach dem damaligen Aus im Achtelfinale hat er sich enttäuscht zurückgezogen und als Vereinstrainer versucht, einmal auch für ein Jahr bei der AC ­Milan. Als dann nach der verpassten Qualifikation gegen Australien – Madre de Dios, gegen Australien! – für Deutschland 2006 die Not gross war, hat er sich noch einmal breitschlagen lassen. Tabárez ist der Vater des kleinen Wunders von Südafrika, des vierten Platzes beim Mundial 2010, als erst die Niederländer den Uruguayern den Weg ins Finale ver­ sperrten.

Der Maestro hat es still genossen und doch sofort als Verpflichtung begriffen für ein ­Dacapo in diesem Sommer. Mit einer Mannschaft, die noch höher eingeschätzt wird, dank grandioser Einzelkönner wie Edinson Cavani und Luis Suárez, beide zählen sie zu den begehrtesten Spielern der Welt und könnten in Brasilien den vielleicht besten Angriff des Turniers bilden.

Der grosse WM-Triumph 1950 Der Fussballlehrer Tabárez hat vor ein paar Wochen seinen 67. Geburtstag gefeiert und war gerade drei Jahre alt, als die Himmelblauen von der östlichen Seite des Río de la Plata zum bislang letzten Mal die Fussballwelt in Atem hielten. Damals, bei der ersten WM beim grossen Nachbarn, als es kein Finale gab, sondern nur eine Finalrunde mit vier Mannschaften. Brasi-

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Der Mann für schwierige Fälle Óscar Tabárez coacht Uruguay seit acht Jahren und sorgte auch für den wichtigen WM-Qualifikationssieg gegen Argentinien im Oktober 2013

lien benötigte im letzten Spiel nur noch ein Unentschieden. Die Sonderausgaben der Zeitungen waren schon gedruckt, aber dann kam kurz vor Schluss der kleine Alcides Ghiggia und schoss Brasilien mit seinem Tor zum 2:1 in eine nationale Depression, die bis heute nicht vergessen ist. Die Brasilianer haben eine eigene Vokabel erfunden für die nachhaltigste aller Niederlagen: Bis heute trauern sie über das ­Maracanaço, worüber sich die Uruguayer dann doch ein bisschen wundern. Óscar Washington Tabárez sagt, dass so ein Leben in der Vergangenheit doch nichts bringe.

Natürlich seien sie alle stolz auf die Vergangenheit, aber Stolz allein schiesse keine Tore und gewinne schon gar keine Spiele. Er sei beim Maracanaço 1950 drei Jahre alt gewesen und könne sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass ihm seine Eltern vorgeschwärmt hätten von den Wundertaten der Señores Alcides Ghiggia, Juan Schiaffino und Obdulio ­Varela.

Das Geheimnis in Alto Rendimento Aber natürlich haben sie besonderen Spass daran, die grossen Nachbarn ein bisschen zu ärgern. Bei der Copa América vor drei Jahren kickten sie im Viertelfinale von Santa Fe die gastgebenden Argentinier aus dem Turnier, es war der Anfang vom Ende des glücklosen

Das Wunder von Südafrika Uruguay schlägt Ghana an der WM 2010 (im Bild die Ansprache vor der Verlängerung) und zieht ins Halbfinale ein.

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­ rainers Sergio Batista. Im Finale siegten die T Uruguayer leicht mit 3:0 über Paraguay, es bedeutete die Qualifikation für den Konföderationen-Pokal in Brasilien, wo sie der übermächtigen Seleçao so heftigen Widerstand leisteten wie keine andere Mannschaft – und sich erst kurz vor Schluss 1:2 geschlagen geben mussten. “Kompliment an Uruguay, das war ein sehr hartes Stück Arbeit für uns”, sagte Trainer Luiz Felipe Scolari, und wer um die Bewunderung des brasilianischen Trainers für harte Arbeit weiss, der vermag dieses Kompliment richtig einzuschätzen.

Einmal mehr stand die Fussballwelt ratlos vor der kickenden Symphonie in Himmelblau und fragte sich: Wie machen die das bloss? Wie kann eine winzige Nation mit 200 000 Fussballspielern in 1000 Klubs nur so eine domi-

Getty Images (3)

Die frühe, konzentrierte Nachwuchsförderung hält das kleine Uruguay für auf höchstem Niveau konkurrenzfähig.

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Fotogloria (2), Getty Images

nante Rolle spielen? Wer Antworten sucht, sollte sich auf den Weg machen ins Centro de Alto Rendimento, das Trainingszentrum des uruguayischen Fussballverbandes. Fünf Fuss­ ballplätze und alles, was sonst noch dazu ge­ hört, nur ein paar Autominuten entfernt von Montevideos internationalem Flughafen Car­ rasco.

Es gab schon mal ruhigere Tage, denn gera­ de erst ist die gesamte Verbandsspitze zurück­ getreten, nach einem heftigen Streit mit Staats­ präsident José Mujica, weil er die teuren Polizeieinsätze gegen uruguayische Hooligans nicht mehr bezahlen will. In Alto Rendimento aber geht der Alltag weiter. Hier wird sich die Celeste auf die WM in Brasilien vorbereiten.

Suárez, Cavani und Forlán – sie alle sind im Alto Redimento gross geworden und schauen heute doch nur noch selten vorbei, seitdem sie ihr Geld in den grossen Ligen fern der Heimat verdienen. Óscar Washington Tabárez aber ist so gut wie jede Woche da und bringt sich ein im Tagesgeschäft. Wo gibt es das schon in einer etablierten Fussballnation, dass der Cheftrai­ ner persönlich die Passübungen der 15- und 16-Jährigen begutachtet?

Die Uruguayer haben nicht viele Fussball­ spieler, und deswegen müssen sie Wert darauf legen, die wenigen sehr guten rechtzeitig zu erkennen und möglichst perfekt auszubilden.

Hier ist die räumliche Enge des zwischen Bra­ silien und Argentinien eingequetschten Zwerg­ staates von Vorteil, zumal sich alles für den Fussball Relevante in einer einzigen Stadt ab­ spielt. Die Primera División de Uruguay ist eine bessere Stadtmeisterschaft von Montevideo. ­­ 14 der 16 Klubs kommen aus der Haupt­ stadt, natürlich leisten sie auch die Nachwuchs­ arbeit. In beiderseitigem Interesse haben Klubs und Verband vereinbart, dass die grössten Ta­ lente dreimal in der Woche gemeinsam im ­Centro de Alto Rendimento trainieren.

Begierde aus dem Ausland Hier bildet Uruguay seine Zukunft aus. Die Na­ tionalspieler, die im Juni nach Brasilien reisen, kennen sich seit frühesten Jugendtagen, auch wenn sie in unterschiedlichen Vereinen gross geworden sind. Diese frühe, konzentrierte Nachwuchsförderung hält das kleine Uruguay auf höchstem Niveau konkurrenzfähig. Es weckt diese Arbeit allerdings auch früh die Be­ gierde der ausländischen Konkurrenz. Schon jetzt müssen die uruguayischen Nachwuchs­ trainer ihre Spieler aus der halben Welt einflie­ gen lassen, wenn es zu internationalen Turnie­ ren geht. Von der U 20, die im vergangenen Sommer bei der Weltmeisterschaft in der erst im Finale den Franzosen unterlagen, verdingen sich bereits sechs Spieler in Europa. Zum Bei­

87 Jahre alt Der Uruguayer Alcides Ghiggia ist der letzte noch lebende Spieler der Weltmeistermannschaft 1950.

Das Bild in der Mitte dokumentiert seinen legendären Treffer zum 2:1-Sieg gegen Brasilien.

Weltmeisterteam Uruguay posiert vor dem Finale am 16. Juli 1950 in Rio.

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spiel Nicolás López. Der Torschützenkönig der vorangegangenen Copa América zählt zu den grossen Hoffnungen Uruguays für die Zukunft und verdient sein Geld in der italienischen Serie A bei Udinese Calcio.

Es ist das Schicksal der Fussballnation Uruguay, dass ihre bekanntesten Interpreten über die ganze Welt verstreut sind. “Wir sehen uns nicht so oft, aber wenn, dann haben wir immer sehr viel Spass”, sagt Diego Forlán. Der WMHeld von 2010 ist vor ein paar Wochen eigens aus Japan zu einem Testspiel nach Österreich gereist. Kaum ein uruguayischer Profi bleibt länger als unbedingt nötig in der Heimat. ­Dafür ist die heimische Liga nicht konkurrenzfähig genug.

87-jähriger Maracanã-Held Andrade war der erste Weltstar des Fussballs.

Und er war schwarz. Dass so einer überhaupt mitspielen durfte, war für die eben nur vermeintlich aufgeklärten Europäer eine Ungeheuerlichkeit. Über den Fussball profilierten sich die Uruguayer als moderne und aufgeklärte Nation. Über den Fussball bekamen sie aber auch die Arroganz der Alten Welt zu spüren.

1930, als sie zum 100. Geburtstag der Unabhän10

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Enrique Marcarian/Reuters (3)

Losgelöst Was macht eine WM unvergesslich? Mit Sicherheit auch herzerwärmende Jubelszenen, wie die von Uruguays Forlan und Suarez.

Die Erfindung des Doppelpasses Die Zeiten, da Montevideos Grossklubs Nacional und Peñarol die grossen Turniere gewannen, liegen lange zurück. 1961 siegte Peñarol im Finale des Weltpokals gegen Eusébios Benfica Lissabon und fünf Jahre später gegen Gentos Real Madrid. Óscar Washington Tabárez gewann mit Peñarol 1987 immerhin noch die Copa Libertadores.

Es ist der Fussball, der Uruguay einen Platz im Fokus der Weltöffentlichkeit garantiert.

“Bei der WM in Südafrika haben viele Menschen durch uns doch überhaupt erst von Uruguay gehört”, sagt Óscar Washington Tabárez.

So ist das in der Gegenwart, und so war es in der Vergangenheit. Als die Uruguayer 1924 bei den Olympischen Spielen in Paris mit ihrem technisch vollendeten Spiel begeisterten, staunte das Publikum über die erstmals vorgestellte Erfindung des Doppelpasses, über die Kombinationen über mehr als drei Stationen, über die zauberhaften Dribblings des Dandys José Leandro Andrade, der während der Olympischen Spiele von Paris nebenbei als Tänzer und Sänger auftrat, seine Band hiess “Die armen kubanischen Neger”. Der französische Schriftsteller Henry de Montherlant schwärmte von einer Offenbarung: “Dies hier ist der eigentliche, der wirkliche Fussball. Das, was wir bisher kannten, was wir spielten, war, verglichen mit diesem hier, nicht mehr als ein Zeitvertreib von Schuljungen.”

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gigkeit die erste WM ausrichteten, aber nur vier europäische Verbände es der Mühe wert befanden, sich auf die lange Reise an den Río de la Plata zu machen. Fussballnationen wie Deutschland, Italien und England boykottierten die erste WM, für die Uruguay eigens das damals grösste Stadion der Welt errichtet ­hatte.

Das Estadio Centenario im Parque Batlle ist bis heute ein Monument der nationalen Andacht, auch wegen des 4:2-Sieges über den ­grossen Nachbarn Argentinien im Finale dieser ersten WM. Es passen nicht mehr wie damals 100 000 Zuschauer rein, aber der Geist der Vergangenheit weht über jede einzelne Steinstufe.

Die Tribünen und Kurven tragen die Namen Olimpica, Colombes, America und Amsterdam – Reminiszenz an die Orte grosser Triumphe der Celeste.

20 Jahre lang waren die Uruguayer bei Weltmeisterschaften ungeschlagen. Diese einmalige Bilanz verdanken sie ihrer Weigerung, zu den Turnieren 1934 nach Italien und 1938 nach Frankreich zu reisen, immer noch beleidigt darüber, dass Europa sich der WM-Premie-

Uruguayisches Nationalteam

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on 1924 bis 1930 ge­ wann die uruguayische Nationalmannschaft fünf grosse Titel in sechs Jahren: die olympischen Fussball­ turniere in Paris und Amsterdam, 1930 die erste Fussball-WM sowie 1924 und 1926 die Copa América.

1950 triumphierte die kleine Nation (heute 3,3 Millionen Einwohner) zum zweiten Mal an einer WM – der Finalsieg gegen das über­ mächtige Brasilien gilt als legendär. Uruguay nahm insgesamt an 11 von 19 Weltmeisterschaften teil.

Jüngst überraschte das Team von Óscar Tabárez an der WM 2010 mit dem 4. Platz.

SZ Photo/Spaarnestad,Getty Images (2)

“Bei der WM in Südafrika haben viele Menschen durch uns doch überhaupt erst von Uruguay gehört.” Óscar Washington Tabárez re am Río de la Pata verweigert hatte. Als sie 1950 wieder mitmachten, gab es im entscheidenden Spiel vor 200 000 Zuschauern das ­sagenumwobene 2:1 über Gastgeber Brasilien.

Alcides Ghiggia, Schütze des Siegtreffers, verewigte sich mit dem schönen Satz: “Ich bin neben dem Papst und Frank Sinatra der einzige Mensch, der das Maracanã-Stadion zum Schweigen gebracht hat.”

Alcides Ghiggia ist jetzt 87 Jahre alt und der einzige noch lebende Fussballspieler der Weltmeistermannschaft von 1950. In diesem Sommer wird er, so es seine Gesundheit erlaubt, auf Einladung der FIFA zur WM nach Brasilien reisen. Zum Finale am 13. Juli 2014 im Maracanã, das er vor 64 Jahren zum Schweigen brachte. Å

Dribbelkönig Der Uruguayer José Leandro Andrade begeis­ terte an Olympia 1924 in Paris und an der Heim-WM 1930.

Olympia 1928 Fussballer Andrade, der auch als Sänger und Tänzer auftrat, übt sich als ­Barmann in einem Amsterdamer Lokal (Bild unten). Seine Teamkollegen geniessen die Pause.

Mehr zur WM 1950 in Uruguay lesen Sie auf Seite 30.

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Systemtreue und Geniestreiche Die uruguayische Nationalmannschaft von heute: Die Eleganz von einst ist moderner Zweckmässigkeit gewichen.

Sven Goldmann

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ruguays Celeste ist zu Beginn des dritten Jahrtausends eine Mannschaft, deren Stil am allerwenigsten mit dem zu tun hat, was man sich unter südamerikani­ schem Fussball vorstellt. Kritiker mach­ ten sich schon vor vier Jahren in Süd­ afrika darüber lustig, dass Uruguay sein Spiel nahezu unter Ausklammerung jeglicher Mittel­ feld-Aktivitäten aufgezogen hätte: Hinten hielt die Abwehr dicht, vorn zauberten Diego Forlán und Luis Suárez.

Uruguays Stärke speist sich aus der Fähig­ keit, Systemtreue und individuelle Qualität mit­ einander in Einklang zu bringen. Diego Forlán steht vor seinem 35. Geburtstag, er spielt seit ein paar Monaten in Japan und ist in der National­ mannschaft nicht mehr erste Wahl. Dafür erlebt Edinson Cavani eine überragende Saison an der Seite von Zlatan Ibrahimovic bei Paris St-Ger­ main, und auch Luis Suárez hat beim FC Liver­ pool sein hohes Niveau noch einmal gesteigert.

“Zurzeit ist er der beste Fussballspieler der Welt”, sagt Liverpools Kapitän Steven Gerrard über seinen Torjäger. Die Football Supporters’

Federation hat den wilden, ungestümen Luis Suárez zum Spieler des Jahres 2013 der Premier League gewählt – trotz seiner zahlreichen Roten Karten und einen immer noch nicht ganz ver­ gessener ­Rassismus-Affäre mit Manchester Uni­ teds Franzosen Patrice Evra, in der ihn Staat­ spräsident José Mujica höchst persönlich verteidigte.

In den Eliminatores, dem südamerikani­ schen WM-Qualifikationsturnier, erzielte ­Suárez elf Tore, eines mehr als der Argentinier Lionel Messi. Ohne diese Tore wäre es eng ge­ worden für die Uruguayer, die es wie gewohnt spannend machten. Erst dank eines gewaltigen Endspurts reichte es zu Platz 5, der zu zwei Playoff-Spielen gegen Jordanien berechtigte.

Diese beiden Spiele waren ein bizarres ­Gesamtkunstwerk, und sie zeigten, wie gross die Unterstützung und die Erwartungen im Land sind. Eigentlich war ja schon alles klar nach dem 5:0-Sieg im Hinspiel in der jordani­ schen Hauptstadt Amman, aber der Vollstän­ digkeit halber musste noch das Rückspiel abgewartet werden. 55 000 Fans im Centena­ rio von Montevideo feierten ein auch in dieser Höhe verdientes 0:0. Å Corbis

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Das Herzstück Wie das junge belgische Team gilt auch Uruguay als Geheimfavorit in Brasilien. Aber wie geheim kann ein Tipp sein, wenn die Mannschaft über den vielleicht besten WM-Sturm überhaupt verfügt? Die Angreifer Luis Suárez (Liverpool; l.) und Edinson Cavani ­(Paris SG) gehören derzeit zu den gefährlichsten Angreifern weltweit. Sie bilden das ­Herzstück des uruguayischen Nationalteams. Publikumsliebling Diego Forlán (r.), der Dritte im Bunde, hat seinen Stammplatz in der Celeste verloren, dürfte an seiner dritten WM aber zu Teilein­ sätzen kommen.

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Sehbehinderte erleben WM neu An der WM werden ehrenamtliche Helfer für Blinde und Sehbehinderte die Spiele kommentieren – das Projekt wird auch nach dem Turnier Bestand haben.

Alexandre Cossenza

Getty Images

“E

ine sehbehinderte Person kann die Aktionen in einem Fussballstadion nur dann richtig erleben, wenn sie versteht, was auf dem Spielfeld und um sie herum vor sich geht.” Mit diesen Worten von Joyce Cook, Generaldirektorin des “Zentrums für Zugang zum Fussball in Europa” fiel der Startschuss zum praktischen Teil eines bahnbrechenden Projekts der Weltmeisterschaft in Brasilien.

In dem Bestreben, das WM-Erlebnis für Blinde und Personen mit stark eingeschränkter Sehfähigkeit in den Stadien zu verbessern, wird in vier Stadien der WM erstmals ein Audiodeskriptionsdienst angeboten. Die Audiodeskription gleicht einem Radiokom­ mentar, die Betonung liegt jedoch auf dem Erlebnis im Stadion. Der speziell geschulte Kommentator liefert zusätzlich eine Beschreibung aller wichtigen visuellen Informationen wie ­Körpersprache, Gesichtsausdrücke, Umfeld, Trikots, Farben sowie anderer Aspekte, die wichtig sind, um das Erscheinungsbild und die Atmosphäre im Stadion einzufangen. “In der Audiodeskription wird beschrieben, wie die Fans sich verhalten, welche Scherze gemacht werden, wie der Schiedsrichter läuft … Dinge, die niemand für wichtig hält, weil man sie ja schliesslich sieht”, so Anderson Dias, Präsident der Nichtregierungsorganisation Urece Esporte e Cultura, die partnerschaftlich mit der FIFA zusammenarbeitet und Projekte realisiert, die eigens für Menschen mit Sehbehinderungen entwickelt wurden.

Der audiodeskriptive Kommentar wird in vier Stadien der Weltmeisterschaft in portugiesischer Sprache zur Verfügung stehen: Belo Horizonte (Estádio Mineirão), Brasília (Estádio Nacional de Brasília), Rio de Janeiro (Estádio do Maracanã) und São Paulo (Arena de São Paulo). Pro Spiel wird es zwei Sprecher geben, der Kommentar wird über Funk auf individuelle Kopfhörer übertragen. Blinde oder sehbehinderte Zuschauer können den Kommentar auf beliebigen Plätzen im Stadion empfangen.

Ein Projekt für die Zukunft Ebenso wichtig wie der innovative Aspekt dieses Projekts ist sein Vermächtnis für Brasilien.

Nach der WM wird die für die Kommentare erforderliche Ausrüstung an lokale Einrichtungen gespendet, die bereit sind, das Erbe des Projekts anzutreten. “Das Interessanteste an der Sache ist das Humanerbe, das wir hinterlassen: Die ehrenamtlichen Helfer bekommen die Kenntnisse vermittelt, die erforderlich sind, um für Blinde und Sehbehinderte zu kommentieren”, betont Paula Gabriela Freitas, Leiterin des FIFA-Teams für Nachhaltigkeit in Brasilien.

“Das sind Brasilianer, die hier bleiben werden

und diesen Dienst später weiterhin anbieten können – und zwar nicht nur für Fussballspiele oder Sportveranstaltungen, sondern auch für Kulturveranstaltungen und andere Ereignisse.”

Joyce Cook ist derselben Ansicht und steckt ehrgeizige Ziele für Brasilien. “Unser Wunsch ist es, dass alle Stadien und Sportarenen diesen Dienst anbieten, dass er zu etwas ganz Normalem wird. Wir möchten, dass Blinde und Sehbehinderte Sportveranstaltungen besuchen können wie jeder andere auch, dass sie den audiodeskriptiven Kommentar hören und einen kompletten Service geniessen können.”

Menschen mit Behinderungen machen mindestens zwölf Prozent der Weltbevölkerung aus: Insgesamt sind das über 840 Millionen Menschen mit Behinderungen, von denen 285 Millionen blind sind oder ein eingeschränktes Sehvermögen haben. Derzeit bieten nur sehr wenige Einrichtungen in Brasilien Dienste für Blinde und Sehbehinderte bei Live-Veranstaltungen wie Fussballspielen an. Å

Ein Erlebnis für alle Sinne An der WM 2014 werden die Spiele speziell für Blinde kommentiert.

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BLICK IN DIE LIGEN

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Albanischer Meistertanz Das Team von KF Skenderbeu feiert den Titelgewinn 2013.

Und ewig lockt die Ferne Nicola Berger schreibt über den albanischen Fussball.

Albanien ist eine Fussball­ hochburg. Eigentlich. In den Cafés der Hauptstadt Tirana etwa kann man mühelos stundenlang über das Verschwinden des Trequartista fach­ simpeln. Und, natürlich, weltumspannend auf jedes erdenkliche Spiel ein Vermögen wetten. Fussball ist auch im Balkanstaat ­König – und längst eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Wenn National­ helden wie Lorik Cana (30, Lazio Rom) im Einsatz stehen, klebt die Nation vor dem Bildschirm.

So gross die Begeisterung für die grossen Fussballbühnen der Welt ist: Geht es um die eigene “Kategoria Superiore”, hält sich das Interesse im überschaubaren Rahmen. Kein Team lockt durchschnittlich mehr als 4000 16

Fans an, nur zwei – Flamurtari und Meister Skenderbeu – spielen regelmässig vor mehr als 3000 Zuschauern.

gehobener sind. In der aufstrebenden Nationalmannschaft gilt längst als Exot, wer kein Legionär ist.

Die Probleme im albanischen Fussball sind vielfältig – und teilweise hausgemacht. Das Championat muss derzeit mit 11 statt 12 Teams beendet werden, nachdem KS Bylis Ballsh Mitte März vom Meisterschafts­ betrieb ausgeschlossen wurde. Präsident Besnik Kapllanaj hatte nach einem 0:0 gegen KF Laci einen Verbandsdelegierten mit einem Knüppel verprügelt. Er wurde lebenslang gesperrt.

Selbst Meister KF Skenderbeu stellt mit Verteidiger Arapi und Ersatzkeeper Shehi bloss zwei Nationalspieler. Den Erfolg des nach dem gleichnamigen Fürsten und Freiheitskämpfer aus dem 15. Jahrhundert benannte Team beeinträchtigt das nicht: Am vergangenen Mittwoch realisierten sie mit einem 3:3 gegen Kukesi den dritten Titel in Serie.

Gianni De Biasi (57, Ex-Udine und Levante) prognostiziert der Liga dennoch eine erfolg­ reiche Zukunft. Der Italiener firmiert seit drei Jahren als albanischer Nationaltrainer und sagt: “Der albanische Fussball hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Wir befinden uns auf einem guten Weg, der Grundstein ist gelegt, die Spieler sind taktisch ausgezeichnet ausgebildet.”

Die Kategoria Superiore dürfte davon kaum profitieren. Wer kann, wechselt früh ins Ausland, wo Entlöhnung und Infrastruktur T H E F I FA W E E K LY

Die Frage ist nur, wie viele im Land den Triumph registrieren werden. Å

LSA / Jurgen Dino

Albanien: Kategoria Superiore

Mexiko: Primera División

Von Hexenmeistern und Flüchen Jordi Punti ist Romanautor und Verfasser zahlreicher Fussball-­ Features in den spanischen Medien.

Mexiko ist ein Land des Aberglaubens und der Hexerei, der Zauberei und der übernatürlichen Kräfte, und der Fussball ist gemeinhin ein guter Nährboden dafür. Einer der bekanntesten Hexenmeister ist Antonio Vázquez Alba, El Brujo Mayor (der Oberhexenmeister), ein Herr mit einem wallenden weissen Bart, der von Zeit zu Zeit eingeladen wird, sich in den Mittelkreis des Aztekenstadions zu begeben, um den Platz durch seine Anwesenheit von negativen Energien zu befreien und der Nationalmannschaft Glück zu bringen. In der WM-Qualifikation vollführte El Brujo Mayor ein esoterisches Ritual, um Mexiko zum Sieg gegen Neuseeland zu verhelfen, dessen Spieler laut dem grossen Hexenmeister über Tätowierungen und “magische Symbole verfügten, die

ihnen Kraft und Macht über ihre Feinde verleihen”. Unter den Amuletten, die er für die Zeremonie verwendete, waren ein Kojotenfell, eine mit 100 Händen angefertigte Sphinx sowie ein alter magnetisierter Ball.

Aberglauben und Böse Blicke haben Einfluss auf Spieler, Fans, Stadien und sogar auf historische Rivalitäten. 1997 traten im Finale des Torneo Invierno Cruz Azul und Club León FC gegeneinander an. Hin- und Rückspiel gestalteten sich sehr ausgeglichen, mit einem Tor für jedes Team. In der Verlängerung zeigte der Schiedsrichter nach einem bösen Foul von Leóns Torhüter Ángel Comizzo an Stürmer Carlos Hermosillo auf den Elfmeterpunkt.

Der gefoulte Stürmer verwandelte den Strafstoss selbst und brachte Cruz Azul mit seinem “goldenen Tor” den Sieg. Im nächsten Jahr ging ein Gerücht um, das besagte, auf beiden Teams laste aufgrund dieses katastrophalen Finales mit wenig überzeugendem Fussball ein Fluch. Keinem der beiden Klubs wollten gute Ergebnisse gelingen. Im Sommer 2002 stieg Club León in die zweite Liga ab, was die Fangemeinde des Vereins zum Anlass nahm, einen noch konkreteren Fluch auszusprechen: Abrakadabra … Cruz Azul würde in der Liga so lange keinen Titel mehr gewinnen, bis

Das Double als Ziel Cruz Azul, hier mit Mariano Pavone (links) trifft in den Playoffs auf Club León (im Bild Rafael Márquez).

León wieder in die erste Liga aufgestiegen wäre und sich den Titel geholt hätte, der dem Team 1997 durch die Lappen gegangen war.

Bekanntlich ist Fussballfans alles Übernatürliche willkommen, wenn es ihnen dabei hilft, weiter an das eigene Team zu glauben. Dieser Fluch sollte sich jedoch tatsächlich bewahrheiten. Cruz Azul bestritt noch fünfmal das Ligafinale, konnte es jedoch kein einziges Mal gewinnen. Club León stieg seinerseits erst zehn Jahre später wieder in die erste Liga auf, und zwar zum Apertura-­Turnier 2012. Gleich in der ersten Saison in der Eliteliga machte der Klub Furore und landete auf dem dritten Platz. Aber wirklich interessant ist für uns die aktuelle Saison. Hexenmeister, bereitet eure Zaubertränke vor.

Vor einigen Monaten endete nämlich das Apertura-Turnier 2013 mit einem Sieg von Club León. “La Fiera” (das Raubtier), wie der Klub auch genannt wird, konnte im Finale gegen América einen deutlichen Sieg einfahren. Mit Gustavo Matosas auf der Trainerbank und dem Routinier Rafael Márquez im Abwehrzentrum scheint es steil bergauf zu gehen. Ein Teil des Fluchs von 1997 war damit aufgehoben. Das letzte Wochenende war nun vielleicht der Anfang vom Ende des zweiten Teils. Cruz Azul beendete die reguläre Saison des Clausura-Turniers 2014 als Tabellenführer und hat nun gute Chancen auf den Einzug ins Finale. Der Klub aus dem Distrito Federal wird derzeit von Luis Fernando Tena trainiert und liefert gerade eine der besten Saisons aller Zeiten ab. Die Tabellenführung nach der regulären Saison ist einem kraftvollen, aggressiven und auf mannschaftliche Geschlossenheit ausgelegten Fussball geschuldet. Vor einigen Tagen, am 23. April, gewann Cruz Azul dann auch noch das Finale der CONCACAF Champions League gegen Toluca und sicherte sich damit die Teilnahme an der nächsten Klub-Weltmeisterschaft. Den letzten Titelgewinn in der CONCACAF Champions League hatte der Klub in besagtem Jahr 1997 verbuchen können und zwar unter demselben Trainer. Da scheint schon eine gewisse Magie im Spiel zu sein.

Victor Straffon / A FP

Bei den Titelfeiern beschlossen die Spieler von Cruz Azul, ihrer Fangemeinde eine Botschaft zukommen zu lassen: “Jetzt wollen wir das Double.” Aber die Wege des Schicksals sind bekanntlich unergründlich, und so trifft man in der ersten Partie der Playoff-Runde ausgerechnet auf Club León.

Die Hexenmeister brauen bereits die Zaubertränke. Å T H E F I FA W E E K LY

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Name Roy Hodgson Geburtsdatum, Geburtsort 9. August 1947, Croydon (England) Wichtigste Stationen als Trainer Jonne Roriz / Getty Images

Malmö, Schweiz, Inter Mailand, Blackburn Rovers, FC Kopenhagen, Udinese, Finnland, Liverpool, England (seit 2012) Grösste Erfolge Vierfacher Meister und zweifacher Pokalsieger in Schweden, Dänischer Meister

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T H E F I FA W E E K LY

DAS INTERVIEW

“Ich bin aufgeregt” Aussenseiter statt Favorit: Wie schlägt sich England in der neuen Rolle?

Der Enthusiasmus im Land sei gross, sagt Nationalcoach Roy Hodgson. Von dieser Energie könne sein Team an der WM zehren.

Roy Hodgson, welche Fussball-Weltmeisterschaft ist die erste, an die Sie sich erinnern?

Was wird so besonders sein an der Weltmeisterschaft in Brasilien?

Roy Hodgson: Das dürfte die von 1958 sein.

Aber das liegt in erster Linie daran, weil ich später einige Jahre in Schweden gelebt habe.

Leider habe ich vom eigentlichen Turnier nicht viel gesehen. Ich bin nicht einmal sicher, ob wir 1958 ein Fernsehgerät hatten.

Dabei war ich damals elf und fussballverrückt. Später habe ich viel über das Turnier in Schweden erfahren, zumal Orvar Bergmark, der mit seinen 92 Länderspielen einen Rekord hielt, ein guter Freund von mir wurde. Und natürlich hatte ich viele Trainerkollegen, die 1958 als Spieler dabei waren – Bengt Gustavsson und Agne Simonsson zum Beispiel. An die WM 1962 in Chile erinnere ich mich kaum. An die von 1966 in England dagegen sehr gut.

Man könnte nun sagen: Brasilien und Fussball-WM, das passt einfach, weil die ganze Gesellschaft Fussball liebt in dem Land.

Wir alle kennen die Bilder von den Leuten, die an der Copacabana Fussball spielen. Aber das allein ist es nicht. Es hat auch etwas mit all den brasilianischen grossartigen Spielern zu tun, die rund um die Welt spielen und gespielt haben. Dann bietet das Land natürlich eine grosse Vielfältigkeit. Ich denke dabei an den einmaligen Karneval, die Musik, den Samba und die vielen Kulturen.

Welche Erinnerungen haben Sie an das Turnier von 1966? Haben Sie Spiele im ­Stadion gesehen?

Seien wir ehrlich: Der Heimvorteil ist nicht zu unterschätzen, erinnern wir uns nur an Frankreich 1998. Auch Deutschland hat 2006 alle Erwartungen übertroffen. Vor dem Turnier hätte niemand mit Platz 3 gerechnet.

Trotzdem glaube ich, dass der Vorteil auf dem eigenen Kontinent zu spielen, nicht mehr so gross ist wie früher. Die europäischen Mannschaften werden stärker und können die Umstellung auf ein anderes Klima besser verkraften. Die meisten südamerikanischen Nationalspieler stehen in Europa unter Vertrag.

Nein. Abgesehen von den Spielen in ­Wembley wurden viele Partien ja anderswo im Land ausgetragen. Und um ehrlich zu sein, ich konnte mir weder die Fahrkarten noch die Eintrittskarten leisten. Ich habe viele Partien im Fernsehen verfolgt. Ich erinnere mich noch gut daran, besonders an die Spiele von England.

Welche Mannschaften oder Spieler der ­jüngeren Zeit sind Ihnen im Gedächtnis haften geblieben?

Ich weiss nicht, ob ich Spiele noch aus der Sicht eines Fans sehe, weil ich beruflich so viel damit zu tun habe. Ich kann mir ein bestimmtes Spiel ansehen und das Spiel an sich auch toll finden, aber trotzdem nicht viel davon in Erinnerung behalten. Doch an die WM-Spiele von 1994 zum Beispiel erinnere ich mich sehr genau, weil ich als Trainer mit der Schweiz dabei war. Bei den Partien gegen die USA und Rumänien war das Stadiondach geschlossen, und der Rasen wurde eingerollt.

Das war damals revolutionär. Zudem waren die Hitze und Feuchtigkeit im Silverdome-­ Stadion in Detroit enorm.

Bislang wurden alle sechs Weltmeisterschaften in Mexiko oder Südamerika auch von südamerikanischen Mannschaften gewonnen.

Halten Sie das für Zufall oder sehen Sie da noch andere Faktoren?

Wie fühlen Sie sich inmitten der Vorbereitungen mit dem englischen Nationalteam?

Ich bin aufgeregt. Im positiven Sinne. Wir tragen eine grosse Verantwortung, aber ich glaube, die Stimmung im Land ist sehr gut.

Wir bekommen viel Unterstützung. Der Enthusiasmus ist gross, die Hoffnungen auch.

Wir empfinden das als spannend. Wir glauben, dass wir von dieser Energie zehren können und in einer guten Position sind. Wir werden uns bestmöglich vorbereiten. Der Rest ist Kaffeesatzleserei. Man kann sich kleinreden. Man kann sich auf Gedanken­ spiele einlassen. Man kann sich grossreden.

Zählen tut das, was in Brasilien auf dem Platz T H E F I FA W E E K LY

geschieht, wenn das Gerede im Vorfeld vorbei ist. Fakt ist: Wir haben drei Spiele. Und wir hätten gern möglichst viele mehr.

Es stehen in der englischen Premier League noch mehrere Spiele aus. Macht Sie das nervös?

Nein, gar nicht. Dazu habe ich schon seit langer Zeit eine viel zu klare Vorstellung davon, was ich mit diesem Kader anfangen will. Spätestens in den vergangenen Wochen hat sich ziemlich klar herauskristallisiert, wie ich mir die Mannschaft vorstelle. Aber klar, Sie spielen mit Ihrer Frage auf Verletzungen an. Das wünscht man sich natürlich nicht.

Aber darauf hat man ja keinen Einfluss, demnach ist es auch sinnlos, sich deswegen Sorgen zu machen.

Sir Alex Ferguson hat immer betont, Erfahrung sei das A und O. Wie wertvoll ist Ihre Erfahrung und die Ihrer Mitarbeiter?

Ich halte Erfahrung im Trainerstab für hilfreich, weil sie einem hilft, die Dinge richtig einzuordnen. Man hebt bei einem guten Ergebnis nicht total ab und ist bei einem schlechten nicht gleich am Boden zerstört. Wenn die Spieler mit Leidenschaft, Energie und Enthusiasmus dabei sind und dann von Trainerseite auch noch Erfahrung dazu kommt, kann das nur positiv sein.

Negative Aspekte sehe ich nicht. Es sei denn, Erfahrung bedeutet, dass die Person zum Zyniker oder Skeptiker geworden ist und in der Leidenschaft nachgelassen hat. Wer als Nationaltrainer vernünftige Arbeit abliefern will, muss zunächst Grundlegendes beherrschen. Dazu braucht es Eigenschaften wie Einsatz, Enthusiasmus, Führungsqualitäten, Motivationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen.

Diese Eigenschaften kann man auch schon in jungen Jahren besitzen. José Mourinho und Sir Alex Ferguson haben schon als junge Trainer Titel errungen. Die richtige Balance zu finden, ist alles. Å Mit Roy Hodgson sprach Martin O’Boyle

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First Love

Ort: Finima, Bonny Island, Nigeria D a t u m : 5 .  J u n i 2 0 0 6 Zeit: 14. 32 Uhr

Ed Kashi / VII

T H E F I FA W E E K LY

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DEBAT T E

Umringt Andrés Iniesta (m.) hat gegen die Squadra Azzurra das Nachsehen.

Diverse Regeländerungen haben in den ­vergangenen 25 Jahren das Offensivspiel ­begünstigt. Doch die Torquote sinkt. Gegen gute Organisation und starke Physis kommt kein Reglement an.

Thomas Renggli

“A

ngriff ist die beste Verteidigung”, wird behauptet. Oder: “Wer gewinnen will, muss ein Tor mehr erzielen als der Gegner”. Karl Rappan, österreichischer Fussballlehrer mit Schweizer Wirkungsgebiet, hatte keinen Sinn für solch romantische Gedanken. Er sagte sich: 22

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die Wichtigkeit des ersten Treffers erhöht das Taktikbewusstsein und reduziert die Risikobereitschaft. Gemäss einer Statistik gewinnt an grossen internationalen Wettbewerben in 70 Prozent aller Spiele jene Mannschaft, die das Score eröffnet. In 16 Prozent erreicht sie ein Unentschieden. Nur in 14 Prozent steht sie am Schluss ohne Punkt da.

Wohl noch bedeutender sind aber die verbesserte Organisation der Teams, die Ausgeglichenheit der Teilnehmerfelder in den Wettbewerben sowie die optimierte Ausbildung der Spieler. Im defensiven Bereich lieferte ausgerechnet die Rückpassregel die Initialzündung zur spielerischen Verbesserung: Sie nötigt Verteidiger und Torhüter zu einer konstruktiven Lösung und fördert indirekt die technische Schulung. Überhaupt hat der Fussball in den vergangenen 40 Jahren einen gewaltigen Entwicklungsschub durchgemacht – ist viel athletischer, schneller und dynamischer geworden. Wer sich eine Partie aus den 1970erJahren anschaut, hat oft das Gefühl, er sehe eine Zeitlupen-Aufnahme – und kommt zum Schluss: Nicht allein die Torquote definiert die Attraktivität des Fussballs. Å

Die Weekly-Debatte.

Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-theweekly@fifa.org

Markus Ulmer

Riegel, Regel, Torerfolg

“Wer kein Tor kassiert, kann nicht verlieren” und erfand in den 1930er-Jahren den Rappan-Riegel. Zwar wurde die Schweiz auch unter Rappan nie Weltmeister, doch das Spielsystem sollte Generationen prägen. Der Argentinier Helenio Herrera nahm den taktischen Steilpass seines Berufskollegen auf, perfektionierte die Abwehrstrategie und sorgte als Trainer von ­Inter Mailand mit dem Catenaccio für eine fussballerische Revolution. Mit Herrera gewann Inter in den 1960er-Jahren dreimal das italienische Championat, zweimal den Meistercup und einmal den Weltpokal.

Damit waren die Zeiten der taktischen Grenzenlosigkeit und der offensiven Freidenker zu Ende. “Offense wins games – defense wins championships” (“der Angriff gewinnt Spiele, die Verteidigung Meisterschaften”) – die Wahrheit aus dem American Football hat sich längst auch im (europäischen) Fussball etabliert: Bis 1990 sank die Torquote an WM-Endrunden kontinuierlich (siehe “Presidential Note”).

Mit gezielten Regeländerungen wurde versucht, den Trend zu stoppen und die offensiven Spieler zu schützen: Seit 1990 gilt “gleiche Höhe” nicht mehr als Abseits, seit 1992 ist es verboten, den Ball mit dem Fuss zum Torhüter zurückzuspielen, und seit 1993 wird ein “Notbremse-Foul” mit einer Roten Karte bestraft. Dazu kam 1994 die Einführung der Drei-Punkte-Regel. Sie gewichtet den Sieg im Vergleich zum Unentschieden höher und soll die Mannschaften zu einer offensiveren Spielausrichtung motivieren.

Vor dem Hintergrund der taktischen und physischen Entwicklung im Profifussball haben diese regeltechnischen Eingriffe aber eine beschränkte Wirkung. Auch das Wissen um

DEBAT T E

PRESIDENTIAL NOTE

T h e F I FA We e k l y f r a g te au f f i fa . c o m : We l c h e Re ge l k ö n nte d i e To r q u o te s te ige r n?

Man sollte das Spiel belassen, wie es ist.

Hingegen bin ich dafür, dass das Tor vergrössert wird. Dies würde dazu führen, dass all die Pfosten- und Lattenschüsse im Tor landen würden. Zudem würde es die Spieler animieren, auch aus grösserer Distanz zu schiessen.

Es wäre interessant, wenn die Anzahl der Tore der Anzahl der Punkte entsprechen würde, die jede Mannschaft erhält. Dann wäre das Interesse an hohen Ergebnissen im Kampf um die Tabellenführung viel grösser und es würden automatisch mehr Tore fallen.

danpentke (Kanada)

Das Abseits muss abgeschafft werden.

Dafür muss eine Zonenregelung eingeführt werden, wie dies im Lacrosse der Fall ist. Die Mannschaft muss dann beispielsweise ein bis zwei Spieler haben, die immer in der gegnerischen Hälfte stehen und nicht mehr als sieben Spieler innerhalb des Strafraums.

Heutzutage spielen Teams, die gegen Mannschaften mit einer Offensivstrategie (wie Brasilien, Spanien, Argentinien, Kolumbien etc.) chancenlos sind, vielfach mit fünf bis sechs Verteidigern und warten auf Kontermöglichkeiten (Ghana, Griechenland etc.).

Das macht das Spiel unglaublich langweilig.

Das wird auch an der WM der Fall sein – da bin ich mir zu 100% sicher. jeapaisa (USA)

Eine Stoppuhr, wie etwa im Basketball, würde die Spieler davon abhalten, das Spiel zu verlangsamen, den Ball ins Aus zu schlagen oder wegen nichts auf dem Feld herum zu liegen. Das würde zu mehr aktueller Spielzeit führen und somit auch zu mehr Chancen und Toren.

Hassan Ghenaw (Libyen)

Es ist nicht das Offside-Problem per se, das viele Tore verhindert. Das Problem sind die Schiedsrichter, die Tore fälschlicherweise aberkennen. Die Lösung? Der vierte Referee braucht eine Kameraeinstellung, um die jeweiligen Spielsituationen zu analysieren.

TruSake (USA)

Um die Tore pro Spiel zu erhöhen, muss man den Spieler, der ein Foul begeht, sofort vom Platz stellen und zusätzlich einen Penalty aussprechen. Und das in jeder Situation, in welcher der angreifende Spieler nur noch den Torhüter als gegnerischen Spieler vor sich hat, sei das im Strafraum oder aber auch ausserhalb.

Pablo.G.C. (Costa Rica)

“Das Abseits muss ­abgeschafft werden.”

Die alte North American Soccer League hatte eine 35-Yard-Linie für das Offsideproblem implementiert. Nach dieser Linie konnte der Spieler nicht im Offside stehen und wurde dementsprechend nicht zurückgepfiffen, auch wenn er vor dem letzten Verteidiger stand. chimike9607 (USA)

Das Abschaffen oder zumindest Anpassen der Offside-Regel würde die Anzahl Tore pro Spiel erhöhen. Viele Tore sind von den Linienrichtern annulliert worden, obwohl der Spieler eigentlich nicht im Offside stand. Das Element Mensch kann nicht gänzlich aus dem Sport herausgehalten werden. Die FIFA hat der Einführung der Torlinientechnologie für die nächste Weltmeisterschaft in Brasilien zugestimmt. Dies stellt für mich eine grosse Entwicklung dar. Wenn nun auch noch über die Offside-Regel nachgedacht wird, werden wir mit Sicherheit mehr Tore per Spiel zu sehen bekommen.

jamel.belaid (Algerien)

mfonjohn (Nigeria) T H E F I FA W E E K LY

Mit Respekt zu mehr Toren

V

ergleicht man die Torquote an WM-Endrunden, kommt man zu interessanten Erkenntnissen. Nach dem Allzeithoch 1954 in der Schweiz (5,38 Tore pro Spiel) war die Tendenz rückläufig – bis zum tiefsten Wert 1990 in Italien (2,21). Nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel stieg die Trefferanzahl pro Partie an der WM 1994 in den USA zwischenzeitlich auf 2,71. Seither fallen wieder weniger Tore – 2010 in Südafrika noch 2,27 pro Spiel.

Wie lässt sich dieser Trend stoppen? Soll man die Tore vergrössern? Oder das Abseits abschaffen? Nein – solche Eingriffe ins Regelwerk würden den Fussball in seiner Kernsubstanz verändern und wären nicht zu rechtfertigen.

Der Schlüssel liegt darin, das konstruktive Spiel (und damit die offensiven Spieler) besser zu schützen. Mit einer konsequenteren Anwendung der bestehenden Regeln können die Schiedsrichter einen wichtigen Teil dazu beitragen. In der Verantwortung stehen aber vor allem auch die Fussballer selber. Sie haben es in der Hand (beziehungsweise in den Füssen), mit grösserer Disziplin und mehr Respekt gegenüber ihren Gegnern das Spiel offener zu gestalten. Behinderungsfouls wie Trikothalten oder Sperren ohne Ball hemmen den Spielfluss entscheidend. Gerade bei Eckbällen oder Freistössen ist es für die Schiedsrichter extrem schwierig, die Übersicht zu bewahren.

Deshalb gibt es eine Zauberformel, um den Fussball noch spektakulärer zu machen. Sie ist einfach und hochkomplex zugleich. Sie heisst: Fairplay!

Ihr Sepp Blatter 23

KORE A REPUBLIK

Den Ball im Fokus Nam Taehee an den Olympischen Spielen 2012.

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KORE A REPUBLIK

Kindheitstraum Weltmeisterschaft

“U

m tausend Kilometer zurückzulegen, muss man mit dem ersten Schritt beginnen.” So lautet das Motto von Nam ­Taehee aus Korea Republik, der im Alter von 16 Jahren beschloss, seine Familie zu verlassen, um in den grossen ausländischen Ligen sein Glück zu versuchen. Er war noch ein Gymnasiast in Seoul, als er 2007 nach England aufbrach, um schliesslich 2008 dem Ausbildungszentrum des FC Reading beizutreten. Den meisten Menschen wäre diese Entscheidung schwer gefallen, doch Nam erschien sie logisch. “Mein Umzug nach Europa mit 16 Jahren war kein Problem für mich. Ich war von der Schule aus ab meinem zehnten Lebensjahr daran gewöhnt, weit weg von meiner Familie zu sein”, sagt der 22-Jährige.

Das Schicksal führte ihn schon bald weiter.

Im Jahr darauf überquerte er den Ärmelkanal, um beim FC Valenciennes seinen ersten Profivertrag zu unterschreiben. Die ersten Wochen waren nicht einfach für Nam. Die Eingewöhnung war schwierig, und er beherrschte die Sprache nicht. Zudem war sein Wechsel nach Frankreich nicht ganz freiwillig. “Reading hatte mir einen Vertrag angeboten, doch ich musste England aus behördlichen Gründen verlassen. Die beste Lösung war, nach Frankreich zu Valenciennes zu wechseln. Der Klub gab mir die Möglichkeit, mich in der Ligue 1 zu präsentieren. Ich habe mich sehr gefreut, in der ersten Mannschaft spielen und meinen ersten Profivertrag unterschreiben zu können.”

Nam war drei Spielzeiten lang in der französischen Meisterschaft aktiv. Die erste Partie bestritt der damals 18-Jährige im August 2009 gegen AS Nancy und wurde damit zum jüngsten asiatischen Fussballer, der je in der Ligue 1 spielte. “Ich war jung und musste mein Spiel entwickeln. Ich habe in Frankreich an der Seite guter Spieler und eines sehr erfahrenen Trainers viel gelernt.”

Stuart Franklin (FIFA via Getty Images)

Nam Taehees grosser Wunsch ist es, mit der Nationalmannschaft der Korea Republik nach Brasilien zu fahren: “Ich träume seit zwölf Jahren von der WM.”

T H E F I FA W E E K LY

Mohammed Hallal

Und wieder geht es weiter Doch der “koreanische Messi”, wie er in Valenciennes genannt wurde, zog 2012 weiter in Richtung Katar, wo er bei Lekhwiya unterschrieb. Der Erfolg stellte sich postwendend ein. In den Emiraten setzte er sich schnell durch und wurde mit seinem Team auf Anhieb Zweiter und Pokalsieger. Im Jahr darauf gelang dann sogar der Gewinn der Meisterschaft. “In Valenciennes habe ich nicht viel gespielt, deshalb beschloss ich, nach Katar zu wechseln, um mehr Spielzeit zu erhalten.” Alt werden will Nam aber fussballerisch auf dem asiatischen Kontinent nicht. Sein grosses Ziel ist und bleibt 25

game onor game over

all in or nothing

adidas.com/worldcup Š 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

KORE A REPUBLIK

Name Nam Taehee Geburtsdatum, Geburtsort 3. Juli 1991, Jinju (Korea Republik) Position Mittelfeld Vereine 2008–2009 FC Reading 2009–2012 FC Valenciennes 2012 Lekhwiya Nationalteam Korea Republik 11 Spiele, 0 Tore

AFP

eine Rückkehr nach Europa. Und so sagt er auch: “Ich habe jetzt drei Saisons bestritten und denke, dass es an der Zeit ist, wieder nach Europa zurückzukehren und eine neue Herausforderung zu suchen.”

Doch nicht nur Nams Klubgeschichte wird in mehreren Kapiteln geschrieben. Auch in der Nationalmannschaft der Korea Republik ist der 22-Jährige aktiv. 2012 gab es für ihn ein Wiedersehen mit England, als er mit dem Nationalteam an den Olympischen Spielen in London teilnahm. Nam und seine Mitstreiter kamen zum zweiten Mal in der Geschichte ihres Landes über die Gruppenphase hinaus und konnten sich am Ende sogar über den Gewinn der Bronzemedaille freuen. Es war der bisher grösste Erfolg des Teams bei Olympia. “Das Olympische Turnier ist anspruchsvoll, doch wir haben gute Spiele gezeigt. Wir haben gelernt, besser zusammenzuspielen, und bewiesen, dass wir mit prestigeträchtigen Mannschaften konkurrieren können.” Die Ambitionen sind seither gewachsen. Doch das Turnier wird den Spielern in Erinnerung bleiben und gilt als Ansporn für weitere Erfolge. “Der Gewinn der Bronzemedaille war ein geniales Erlebnis für mich und meine Teamkameraden, und es war redlich verdient. Ich erinnere mich noch gut an das Spiel gegen Grossbritannien, das wir durch Elfmeterschiessen gewannen. Dieses Turnier wird für immer in meinem Gedächtnis bleiben.”

Die WM – ein Kindheitstraum Im Gegensatz zur Olympia-Auswahl hatte die A-Nationalmannschaft der Korea Republik ihre liebe Mühe, sich für die Weltmeisterschaft in Brasilien zu qualifizieren. Das Team sicherte sich das Ticket dank der besseren Tordifferenz gegenüber Usbekistan als Zweiter der Gruppe A. Nam ist der Ansicht, dass das in den letzten Jahren gestiegene Niveau in Asien die Qualifikation für die Weltmeisterschaft immer schwerer macht. “In einigen Spielen hatten wir das Glück auf unserer Seite. Dennoch denke ich, dass wir die Qualifikation verdient haben,

Ambitioniert Nam im Luftduell für Lekhwiya.

Korea Republik an der WM Gruppe: H Spiele: 7. Juni, Cuiabá: Russland – Korea Republik; 22. Juni, Porto Alegre: Korea Republik – Algerien; 26. Juni, São Paulo: Korea Republik – Belgien Nationaltrainer: Hong Myungbo Stars: Son Heungmin (Bayer 04 Leverkusen), Koo Jacheol (1. FSV Mainz 05), Lee Chungyong (Bolton Wanderers), Shinwook Kim (Ulsan Hyundai), Lee Keunho (Sangju Sangmu FC)

nachdem wir zuletzt gute Leistungen gezeigt hatten. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung mitnehmen können.”

Beim weltweiten Gipfeltreffen stehen Korea Republik drei grosse Herausforderungen bevor.

Die Gruppengegner lauten Belgien, Russland und Algerien. “Diese Gruppe ist nicht leicht, und die Prognosen sind nicht gut”, so die Einschätzung Nams. “Wir können weiterkommen, T H E F I FA W E E K LY

wenn wir unser wahres Gesicht zeigen. Das erste Spiel gegen Russland wird entscheidend sein.

Anschliessend müssen wir zusehen, wie wir gegen Belgien und Algerien spielen. Das sind zwei starke Mannschaften”, sagte der Mittelfeldspieler, der in Brasilien auf seinen Teamkameraden bei Lekhwiya, Madjid Bougherra, treffen wird. “Ich spreche jeden Tag mit Madjid über die WM. Unser Trainer Eric Gerets ist Belgier und diskutiert mit uns ebenfalls über diesen Wettbewerb und die Chancen unserer jeweiligen Länder”, verrät er lachend.

Es steht zwar noch nicht fest, ob er in Brasilien dabei sein wird, doch Nam zeigt sich optimistisch: “Als Kind habe ich die WM in Korea Republik und Japan verfolgt, und seitdem träume ich davon, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Ich hoffe, dass ich die Gelegenheit habe, an diesem Weltturnier teilzunehmen.” Å

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A FIFA World Cup in Brazil is just like Visa: everyone is welcome.

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FREE KICK

WMRekordtorschützen

Am Seitenaus Perikles Monioudis

A

ls Heranwachsender erschien einem der Fussball quasi dreigeteilt. Das Schönste am Fussball war selbstredend der Fuss­ ball selbst: das Fussballspielen, die Trai­ nings und dann die Spiele, im Sommer die Hitzeschlachten, im Herbst die Re­ genpartien, denen, besonders jenen unter Flut­ licht, ein wahrer Zauber eignete – die Nacht wurde gebannt, das Spiel hatte auf eine faszi­ nierende Weise die Kraft, den Tag zu verlän­ gern, um 90 und mehr Minuten ins fortge­ schrittene Dunkel.

Doch da waren noch zwei weitere Beschäf­ tigungen, die das Fussballspielen begleiteten.

Das eine war das Verfolgen von Partien im Sta­ dion und öfter noch im Fernsehen, Europa­ pokalabend um Europapokalabend, die gros­ sen Nächte mit grossen Siegern und grossen Verlierern, das nachahmerische Eindenken in die Selbstverständlichkeiten des Fussball­ spiels, die einem selbst – im Kleinen – auf dem Platz begegneten: Ein versöhnlicher Hand­ schlag nach dem taktischen Foul, ein Einwurf, den man auf den Gegner spielte, weil doch der Linienrichter, ein noch jüngerer Jugendspieler als man selbst, falsch angezeigt hatte.

Das Dritte nun waren tatsächlich diese Hilfsdienste am Seitenaus. Wir Jugendspieler mussten am Sonntag im Turnus zur Flagge greifen und eine Partie des Fanionteams lang den Schiedsrichter unterstützen. Näherte sich der Ball der Seitenlinie, schauten wir genau hin, man wollte schliesslich nichts verpassen, und schon gar keine Fehlentscheidung treffen – auch wenn einem das nur halb so schlimm vor­ kommen mochte, wenn es den Gast und nicht den eigenen Klub betraf. Solcher Gedanken galt es, sich zu entledigen; denn die Angelegenheit erforderte ohnehin eine gewisse Konzentra­ tion. Rollte der Ball ins Aus, hatten wir vor lau­ ter Konzentration oft und oft vergessen, wel­ ches Team ihn nun zuletzt berührt hatte. Das mag seltsam klingen, zu allem Überfluss war

aber auch das anschliessende Signalisieren mit der Flagge nicht ganz ohne – zeigt man doch mit der Flagge in die Richtung, in die der Ball gespielt werden wird, und nicht etwa zur Platz­ hälfte jenes Teams, das den Ball ins Aus gespielt hat. Das widersprach dem ersten Reflex, den wir mit der Zeit allerdings zu bändigen ver­ mochten.

Und doch war uns klar geworden: Da ist ein Unterschied zwischen dem, was man am Sei­ tenaus sieht, und dem, was man auf dem Platz erlebt. Im Zweikampf war uns in den allermeis­ ten Fällen ganz klar, wem ein Einwurf zuge­ sprochen werden musste – auch wenn man bisweilen in die Unsitte verfiel, dem Gegner den Einwurf abluchsen zu wollen, indem man den Ball aufnahm und einwarf, wohl wissend, dass das falsch war. Manchmal war man eben um jede Sekunde froh, die ereignislos verstrich, besonders dann, wenn man knapp in Führung lag und das Spiel nicht mehr allzu lange dauer­ te. Aber klar war einem schon, welches Team den Einwurf verdient hatte. Das war am Seiten­ aus nicht so. Die absolute Gewissheit zerfiel, sobald man kein Spieler war, sondern als Teil des Unparteiischen-Teams fungierte.

Wir konnten nur ahnen, um wie viel an­ strengender die Rolle des Schiedsrichters auf dem Platz sein musste – ein Himmelfahrtskom­ mando. Er musste nicht bloss auf die Linie schauen und auch einmal scheu ein Abseits anzeigen, er leitete das Spiel. Was das heissen muss, überstieg unsere jugendliche Vorstel­ lungskraft. Å

1

Ronaldo, Brasilien Tore: 15 Turniere: 1998, 2002, 2006

2

Gerd Müller, BRD Tore: 14 Turniere: 1970, 1974

3

Just Fontaine, Frankreich Tore: 13 Turniere: 1958

4

Pelé, Brasilien Tore: 12 Turniere: 1958, 1962, 1966, 1970

5

Jürgen Klinsmann, Deutschland Tore: 11 Turniere: 1990, 1994, 1998

Sandor Kocsis, Ungarn Tore: 11 Turniere: 1954

7

Gabriel Batistuta, Argentinien Tore: 10 Turniere: 1994, 1998, 2002

eofilo Cubillas, Peru T Tore: 10 Turniere: 1970, 1978

iroslav Klose, Deutschland M Tore: 10 Turniere: 2002, 2006

rzegorz Lato, Polen G Tore: 10 Turniere: 1974, 1978, 1982

ary Lineker, England G Tore: 10 Turniere: 1986, 1990

Quelle: FIFA (FIFA World Cup, Superlatives, Statistical Kit 5, 4.8.2010)

Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY

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HISTORY

Maracanaço Alles stand schon bereit für die grosse Sause im eigenen Land. Brasilien benötigte lediglich ein Unentschieden zum Weltmeistertitel 1950.

Doch dazu sollte es nicht kommen.

Dominik Petermann

N

icht einmal der damalige FIFA-Präsident Jules Rimet ahnte, was in wenigen Minuten auf ihn und auf ein ganzes Land zukommen würde. Er hatte sich gut vorbereitet – die Dankesrede war auf Portugiesisch übersetzt worden, und das Papier hatte in seiner Westentasche Platz gefunden. In seiner Rechten die nach ihm benannte WM-Trophäe, die er gleich dem Weltmeister übergeben würde. Alles war bereit für die Siegerehrung. Rimet machte sich eine gute Viertelstunde vor Abpfiff von der Tribüne auf den Weg, um sich rechtzeitig auf dem Rasen einzufinden. Es stand 1:1 im entscheidenden “Gruppenspiel” der Finalrunde zwischen Brasilien und Uruguay im Maracanã-Stadion zu Rio. Ein Spielstand, der den Brasilianern aufgrund des Turniermodus für den Titel reichen würde.

Dazu später mehr.

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Rimet war nun in den Katakomben angekommen und wollte gerade die Treppe zum Rasen hinaufsteigen, als ein Pfiff durch das Stadion hallte. Und dann herrschte Stille – eine lange, unbehagliche Stille. Es war der Pfiff des Schiedsrichters. Doch was war geschehen?

Wäre es ein Foul gewesen, hätten einige Fans auf den Rängen sicher lauthals protestiert. Und für den Abpfiff war es noch zu früh. Es muss ein Torpfiff gewesen sein. Aber warum brach die Menge nicht in Jubel aus? Rimet musste es ahnen: Der Pfiff und die darauffolgende Stille konnten nur eins bedeuten – Tor für Uruguay.

Das 1:2 war gefallen. Die Zuschauer fanden sich in der gleichen Schockstarre wieder wie Rimet.

Auf dem Spielfeld war Alcides Ghiggia, der Flügelstürmer, wieder einmal über rechts durchgebrochen und hatte sich Richtung brasilianisches Tor gedribbelt. Die Brasilianer kannten diesen Spielzug von Ghiggia bestens: Zuerst zog er bis vors Tor, um im letzten Moment den T H E F I FA W E E K LY

15 Tage lang daheim Der brasilianische Fussball stürzte an diesem Nachmittag in seine grösste Krise. Das neue, für die WM 1950 erbaute Maracanã-Stadion war noch nicht mal angestrichen und wurde schon von der ersten grossen Tragödie heim­ gesucht. Man wollte es erst nach dem letzten Spiel anstreichen. In gleissendem Weiss sollte es erstrahlen – den Farben des Weltmeisters.

Brasilien hatte bis dato immer ganz in Weiss gespielt. Nun streifte man das Trikot ab. Als verflucht galt es fortan. Das Stadion beliess man betonfarben.

Auch die Lust aufs schöne Spiel war vergangen. Fast zwei Jahre lang trug die Mannschaft kein Spiel mehr aus. Die Spieler hatten am schwersten am Trauma zu nagen. Ademir sagte später: “Ich musste erst mal verschwinden.

Weit weg, um alles zu vergessen. Ich nahm ­meine Familie und floh nach Itacuruçá.” (ein Fischerort, 94 km von Rio entfernt, die Red.) Auch Juvenal erzählte, wie er nach dem Spiel nach Hause ging und mit niemandem sprechen

Getty Images (3)

Schockiert Der damalige FIFA-Präsident Jules Rimet überreicht den nach ihm benannten Pokal an Uruguay.

Ball per Querpass in die Mitte zu spielen. Der brasilianische Keeper Barbosa liess sich nicht täuschen und hielt die kurze Ecke etwas offen, damit er den Querpass abschneiden konnte.

Ghiggia aber kam es gar nicht in den Sinn, den Ball quer zu spielen. Er hielt drauf; auf die kurze Torwartecke. Zu spät war Barbosa am Boden.

Der Ball schlüpfte unglücklich unter ihm durch ins Tor. Er war geschlagen. 2:1 hiess es jetzt für Uruguay, zehn Minuten vor Schluss.

Als der Abpfiff ertönte, war die Tragödie Realität geworden. Brasilien verlor das Endspiel auf eigenem Boden gegen den kleinen Nachbarn Uruguay. Der Traum vom ersten WM-Titel war geplatzt. Fussball-Brasilien erlitt ein Trauma, und eine der tragischsten WM-Geschichten war geschrieben worden: Die des Maracanaço.

Erst nach einer Weile konnte Jules Rimet im Durcheinander den uruguayischen Kapitän Obdulio Varela auf dem Spielfeld ausmachen, um ihm den Pokal zu überreichen. Ganz nebenbei geschah das, niemand auf den Rängen nahm Notiz davon. Keine pompöse Siegerehrung, keine Dankesrede, keine Blaskapelle. Ein ganzes Land war beschäftigt mit seinen eigenen Tränen. Man suchte nach Erklärungen – in der Hitze des Gefechts auch nach Schuldigen: “War es nicht Barbosas Ecke gewesen? So einen Ball muss er doch halten! Oder nahm die Mannschaft das Spiel am Ende auf die leichte Schulter?” Es kursierten viele Erklärungen im Nachhinein. Der Gottesdienst am Vormittag, der mit zwei Stunden zu lange gedauert haben soll oder die Reden der Lokalpolitiker vor dem Mittagessen hätten die Konzentration der Spieler beeinträchtigt. General Eurico Gaspar Dutra, damaliger Präsident Brasiliens, ermahnte in seiner Rede vor dem Spiel die Spieler, ihre Pflicht zu erfüllen und den Pokal zu erringen.

Ob der Druck von oben zu gross war?

HISTORY

Gastgeberstolz Brasilien spielte 1950 noch in Weiss.

Pokalübergabe Uruguay ist Weltmeister 1950.

©2012 FIFA TM

Brasilien 1950 WM-Plakat mit Zuckerhut.

Brasilien 2014 1950-Zitat mit Ball und Bein.

wollte. Er blieb 15 Tage daheim. Zizinho hatte noch Tage danach Alpträume: “Immer wieder träumte ich vom Spiel. In meinem Traum hatte die Partie noch nicht begonnen, und wir betraten gerade das Feld. Alles, was geschehen war, war nur eine Lüge, ein böser Traum. Das eigentliche Spiel würde gleich losgehen.” Auch Kapitän Augusto träumte Ähnliches: “Ein paar Mal träumte ich vom Spiel. Aber diesmal war es anders. Wir gewannen, und ich sah mich, wie ich den Pokal hochstemmte. Viele Male hatte ich das geträumt.” Für Torhüter Barbosa blieb aber die grösste Schmach. Das Volk sah in ihm einen Hauptschuldigen. Kaum ein Einkauf oder Kino­besuch endete nicht in einem Wortgefecht. In einem TV-Interview sagte Barbosa 1993 einmal: “Die Höchststrafe in diesem Land liegt bei 30 Jahren. Die habe ich bereits um 13 Jahre überschritten.” Er sollte noch weitere sieben Jahre büssen, bevor er 2000 im Alter von 79 Jahren verstarb.

Neuer Turniermodus Die WM 1950 in Brasilien schien schon im Vorfeld unter keinem guten Stern zu stehen. Zum einen wollte das brasilianische Organisationskomitee das Turnier nicht wie 1934 und 1938 im K.-o.-System austragen, sondern im Gruppensystem. Die vier Gruppensieger sollten in einer Finalrunde gegeneinander spielen. Dies war auch mit der Erwartung von höheren Einnahmen durch eine grössere Anzahl Spiele gekoppelt. Im Falle einer Ablehnung seitens der FIFA hätte Brasilien “leider” als Veranstalter ausfallen müssen, liess das Komitee verlauten. Zähneknirschend willigte die FIFA ein, musste daraufhin aber den Rücktritt des WM-Mitbegründers und Mitglieds des Organisationskomitees Henri Delaunay hinnehmen.

Zum anderen sagten drei Teams die Teilnahme kurz vor Turnierbeginn ab. Schottland war nur gewillt, als Gruppensieger der Qualifikation die Reise nach Brasilien anzutreten.

Dieses Ziel verpasste man – im letzten Spiel gegen England. Obwohl Schottland auch als Zweitplatzierter qualifiziert gewesen wäre, blieb der Verband hart und sagte ab.

Die Türkei sollte im entscheidenden Spiel in der Qualifikation gegen Österreich antreten.

Die beiden Verbände wurden sich aber nicht einig darüber, wann und vor allem wie oft gespielt werden sollte. Während die Türkei auf dem vom WM-Organisationskomitee vorgeschlagenen Hin- und Rückspiel bestand, wollte Österreich das Ganze in nur einem Spiel über die Bühne bringen. Ob der Uneinigkeit sagte Österreich schliesslich ab. Somit wäre die Türkei teilnahmeberechtigt gewesen, hatte aber Geldprobleme und konnte sich die Reise nach Brasilien nicht leisten. So sagten auch die Türken ihre Teilnahme an der WM ab. Das waren schon zwei bittere Pillen, die das WM-Organisationskomitee schlucken musste. Es kam aber noch dicker: Indien würde sich ebenfalls zuT H E F I FA W E E K LY

rückziehen. Um diese Absage ranken sich die skurrilsten Gerüchte. Die Legende besagt, dass sie ihre Teilnahme zurückzogen, nachdem ihnen verboten worden war, barfuss zu spielen.

Die FIFA verbot das Barfussspielen aber nie explizit. Man äusserte in einer Organisationssitzung lediglich folgende Bedenken: “Die Organisationskommission ist der Auffassung, dass alle Spieler mit Schuhen spielen sollten.”

Allerdings sei bekannt, dass in einigen Ländern Fussball ohne Schuhe ausgeübt werde, vorwiegend in Indien. Ein Brief wurde an den indischen Fussballverband versandt, der auf den Artikel 4 der Spielregeln hinwies. Dieser besagt, dass die Schuhe Teil der Ausrüstung sind und der Schiedsrichter aufgrund dieses Artikels das Barfussspielen verbieten kann.

Viele Ausfälle In einer anderen Erzählweise heisst es, dass Indien gar nichts von seiner Qualifikation gewusst habe. Denn das eigentlich für Asien qualifizierte Team aus Burma musste sich kurzfristig zurückziehen; im Land war eine “Rebellion” ausgebrochen und sämtliche Nationalspieler mussten zu den Waffen greifen. Die Philippinen zogen sich ebenfalls zurück, und Indone­ sien durfte als (noch) nicht vollwertiges F IFA-Mitglied nicht teilnehmen. Somit war ­ Indien kampflos qualifiziert. Offenbar trafen die FIFA-Telegramme aber zu spät in Indien ein. Obwohl die FIFA später dem indischen Verband die Reisekosten offerierte, sagte dieser ab.

Nach Angaben seitens der Inder wegen “Meinungsverschiedenheiten über die Teamauswahl und unzureichender Trainingszeit”.

Die FIFA lud zwar kurzfristig noch Frankreich und Portugal ein, teilzunehmen, worauf aber auch nur Absagen folgten. So blieb das Teilnehmerfeld bei 13 statt der vorgesehenen 16 Teams. Statt die Teilnehmer auf die vier Gruppen zu verteilen, beharrte Brasilien auf den am 22. Mai 1950 ausgelosten Gruppen. Dies hatte zur Folge, dass zwei der vier Gruppen dezimiert waren: zwei Gruppen à vier Teams, eine mit drei und eine mit zwei Teams. Uruguay hatte das Glückslos gezogen und spielte in Gruppe 4 nur gegen Bolivien. So konnten Uruguay mit nur einem Spiel die Finalrunde erreichen. Die Gastgeber hingegen mussten zwei Spiele mehr absolvieren und waren entsprechend müder.

Brasilien musste 64 Jahre lang warten, bis die WM wieder ins Land kam. Die brasilianische Spielkleidung ist mittlerweile in den Landesfarben gehalten – gelbes Trikot, blaue Hosen und weisse Stulpen. Und diese brachte das erhoffte Glück. Fünf WM-Titel errang die Seleçao bis jetzt in dieser Spielkleidung. Å

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ZEITSPIEGEL

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Hertfordshire, England

1975

Bullspress / Mirrorpix

Die Engländer Kevin Keegan (r.) und Emlyn Hughes (l.) verfolgen den Putt ihres Teamkollegen David Johnson.

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T H E F I FA W E E K LY

ZEITSPIEGEL

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Urbanización Cala Golf, Malaga, Spanien

2014

Andy Mueller / freshfocus

Im Trainingslager zum Abschlag: Grasshoppers-Zürich-Profi Shkelzen Gashi mit Teamkollegen.

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emirates.com

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DAS FIFA-R ANKING Rang Team

1 2 3 4 5 6 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 25 25 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 47 49 50 51 52 53 54 54 56 56 58 59 59 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 76

Rang­veränderung Punkte

Spanien Deutschland Portugal Kolumbien Uruguay Argentinien Brasilien Schweiz Italien Griechenland

0 0 1 1 1 -3 3 -1 -1 3

1460 1340 1245 1186 1181 1174 1174 1161 1115 1082

England Belgien USA Chile Niederlande Frankreich Ukraine Russland Mexiko Kroatien Elfenbeinküste Schottland Dänemark Ägypten Bosnien und Herzegowina Schweden Algerien Ecuador Slowenien Serbien Rumänien Honduras Armenien Costa Rica Panama Tschechische Republik Iran Ghana Türkei Österreich Venezuela Kap Verde Peru Ungarn Nigeria Slowakei Japan Wales Tunesien Kamerun Guinea Finnland Usbekistan Paraguay Montenegro Republik Korea Norwegen Island Mali Australien Burkina Faso Libyen Senegal Jordanien Republik Irland Südafrika Vereinigte Arabische Emirate Bolivien El Salvador Albanien Sierra Leone Polen Bulgarien Sambia Saudiarabien Trinidad und Tobago Marokko

1 -2 1 1 -4 1 1 1 1 -4 3 15 -1 2 -4 2 0 -5 2 -2 1 4 8 0 -6 -6 5 -3 -1 4 -2 -9 -3 -1 2 4 1 2 -5 0 2 6 2 5 -8 4 1 -6 -3 4 1 9 6 2 3 -2 -6 2 9 -16 1 1 -6 0 0 0 1

1043 1039 1015 1011 967 935 913 903 876 871 830 825 819 798 795 795 795 790 787 759 756 754 750 744 739 731 715 713 711 673 670 665 653 623 620 616 613 613 597 583 580 578 577 555 555 551 551 546 545 545 528 522 511 510 504 500 499 497 488 486 484 479 460 456 455 454 454

Rang

Nov 2013

Dez 2013

Jan 2014

→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html

Feb 2014

Mrz 2014

Apr 2014

1 -41 -83 -125 -167 -209

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 106 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 122 124 125 126 127 128 129 129 131 131 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 143

Platz 1

Aufsteiger des Monats

Israel Haiti EJR Mazedonien Oman Jamaika Belarus Nordirland Aserbaidschan Uganda Gabun DR Kongo Togo Kuba Botsuana Kongo Estland Angola Katar VR China Benin Simbabwe Moldawien Irak Äthiopien Niger Georgien Litauen Bahrain Kenia Zentralafrikanische Republik Kuwait Lettland Kanada Neuseeland Luxemburg Äquatorial-Guinea Mosambik Libanon Vietnam Sudan Kasachstan Liberia Namibia Malawi Tansania Afghanistan Guatemala Burundi Dominikanische Republik Malta Zypern Suriname Ruanda Gambia Syrien Tadschikistan Grenada St. Vincent und die Grenadinen Neukaledonien DVR Korea Lesotho Antigua und Barbuda Thailand St. Lucia Malaysia Belize Philippinen

T H E F I FA W E E K LY

-13 0 2 0 -2 0 2 6 -1 1 -4 0 3 4 -5 -1 2 6 2 -3 4 9 3 -1 2 -4 1 1 3 1 2 4 2 -21 8 6 1 1 9 5 9 -22 4 -7 -5 5 2 4 -15 7 -6 2 5 5 6 -12 -2 4 -18 -4 5 5 8 5 -1 -3 -13

Absteiger des Monats

450 446 443 418 414 404 400 398 395 386 380 374 371 369 367 366 347 336 333 332 329 325 324 319 315 303 293 289 284 284 283 273 272 271 266 261 252 251 242 241 235 234 233 227 226 226 224 215 212 204 201 197 197 190 190 188 184 181 174 172 159 158 156 155 153 152 152

145 145 147 147 149 150 151 152 153 153 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 164 166 167 168 169 170 171 172 173 174 174 176 177 178 179 180 181 182 183 184 184 186 187 188 189 190 191 191 191 194 195 195 197 197 199 200 201 202 202 204 205 206 207 207 207

Singapur Indien Kirgisistan Puerto Rico Liechtenstein Guyana Indonesien Mauretanien Malediven St. Kitts und Nevis Aruba Turkmenistan Tahiti Hongkong Nepal Dominica Pakistan Barbados Bangladesch Palästina Färöer São Tomé und Príncipe Nicaragua Bermuda Tschad Chinese Taipei Guam Salomon-Inseln Sri Lanka Laos Myanmar Mauritius Seychellen Curaçao Swasiland Jemen Vanuatu Fidschi Samoa Komoren Guinea-Bissau Bahamas Mongolei Montserrat Madagaskar Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Südsudan Somalia Macau Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln

4 7 -1 3 2 3 3 3 4 3 7 -14 -19 -13 1 -1 -3 -1 -1 3 -2 -1 1 1 1 1 2 -7 0 -2 -1 0 -1 0 0 5 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 1 -2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0

144 144 143 143 139 137 135 127 124 124 122 119 116 111 107 103 102 101 98 91 91 86 84 83 80 78 77 75 74 73 73 67 66 65 64 60 55 47 45 43 43 40 35 33 32 28 26 26 26 23 21 21 18 18 16 11 10 8 8 6 5 3 0 0 0

35

NET ZER WEISS ES!

DAS OBJEK T

Sind Testspiele der Nationalteams sinnvoll?

Frage von Serge Fontannaz, Paris (Frankreich)

Mit Weitblick Der 27-jährige Netzer ein Jahr vor seinem Wechsel von Mönchengladbach zu Real Madrid.

T

estspiele der Nationalteams geben immer wieder zu reden. Leider. Sie werden vor allem zum Thema, weil sich die Klubtrainer und Manager darüber beschweren, dass sie mitten in der Meisterschaft ihre besten Spieler abgeben müssen. Der Rhythmus wird unterbrochen, wichtige Teamstützen fehlen. Die Haltung der Vereine ist zwar nachvollziehbar. Aber ich habe dafür kein Verständnis.

Die Vereine müssen endlich einsehen, dass sie die Konsequenzen tragen, wenn sie einen Nationalspieler unter Vertrag nehmen. Dies beinhaltet, dass man ihn nach dem Aufgebot ohne zu Murren ziehen lässt. Für einen Nationalcoach sind Zusammenkünfte von existenzieller Wichtigkeit. Wie soll er sonst vernünftig zu arbeiten imstande sein? Wie soll er längerfristig etwas aufbauen können?

Es geht in den Tagen rund um die Testspiele nicht nur um die Taktik und das System, wie 36

viele glauben. Es geht auch darum, dass sich die Mannschaft wiedersieht. Der Nationaltrainer will Gespräche führen, muss Probleme unter vier Augen besprechen können. Die Spieler ihrerseits brauchen den Zusammenhalt. Es wird nicht funktionieren, dass sich ein Nationalteam nur zum Ernstkampf trifft und auf Knopfdruck den maximalen Ertrag erzielt. Qualifikationsspiele gegen kleine Fussballländer sehen auf dem Blatt leicht aus. Fehlt einem Nationalteam aber der Kitt, dann kann daraus gerne eine Niederlage resultieren und die Qualifikation gefährden.

Kurz: Testspiele der Nationalteams sind notwendig. Es wird Zeit, dass dies alle Parteien akzeptieren. Å

Was wollten Sie schon immer über Fussball wissen? Fragen Sie Günter Netzer: feedback-theweekly@fifa.org T H E F I FA W E E K LY

Beim Einwurf ist es den Feldspielern erlaubt, den Ball in die Hand zu nehmen. In jeder anderen Spielsituation sähen sie dafür die Gelbe Karte. Der Einwurf wird damit zum einzigartigen, wenn auch nicht zum einmaligen, Moment im Spiel – denn das Feld ist begrenzt. Verlässt der Ball die Umrisse des Platzes, muss er (immer) wieder ins Spiel gebracht werden; an der Seitenlinie geschieht das von Hand.

Das Einzigartige des Einwurfs ist selten Gegenstand von Betrachtungen (oben die Bronzestatuette von C.B. Fry, ca. 1900, FIFA-Sammlung), genauso selten wird der Einwurf bzw. die Spielerin oder der Spieler speziell beim Einwurf abgelichtet. Dabei kommt dem Einwurf nicht nur eine Singularität im Reglement zu, er hat auch eine solche zur Folge: Auf ihn kann kein Offside folgen. Der Ball darf zu jedem Mitspielenden auf dem Feld eingeworfen werden, unabhängig davon, wo der oder die sich gerade aufhält. Der Einwerfende erweitert somit den spielbaren Bereich des Feldes – das gelingt sonst nur den begabtesten Stürmern, Skorern vom Schlage eines Pippo Inzaghi, der sich an der Grenze zum Abseits bewegte und oft genug auch abseits stand. Wenn aber seine Mitspieler den Pass zum Tor hin im richtigen Augenblick schlugen, entkam der Italiener seinen Bewachern und zog allein aufs gegnerische Tor los.

Hier hätte sich eine Verknüpfung der beiden Momente angeboten, der “Grenzgänger” Inzaghi und der Einwurf – allein, die Gegner waren auf der Hut: Der Einwurf ist in seiner Anlage statisch. Der Stürmer nah am Abseits aber zehrt von der Situation aus dem Spiel heraus. Und doch: Ohne Einwurf endet das Spiel am Feld­rand. Å

Keystone / interfoto / Schinkel

Perikles Monioudis

TURNING POINT

“Wir flohen durch einen Nebengang” Am 3. November 1983 gelingt Falko Götz, was nur wenige DDR-Sportler schafften: Die Flucht nach Westdeutschland. Im Exil startet der Angreifer durch.

Name Falko Götz Geburtsdatum, Geburtsort 26. März 1962, Rodewisch Position Mittelfeld/Sturm

Mark Roberts

M

eine Familie zieht 1974 nach Berlin-­ Treptow. Ich bin zwölf Jahre alt. Und von da an sehe ich sie jeden Tag: die Mauer. Gross, hoch, lang. Es dauert eine Weile, bis ich begreife: Das ist kein Schutzwall. Sondern Beton, der mich von meiner Freiheit trennt. Die DDR empfinde ich als zunehmend einengend, in mir reift der Wunsch, den Osten zu verlassen.

Ich will weg. Und bald ist mir klar, dass der Fussball mein einziges Ticket in den Westen ist.

Ich bin Stürmer. Kopfballstark und mit physischen Qualitäten, vor allem aber ehrgeizig. Obwohl mir die Idealförderung verwehrt wird, behaupte ich mich beim BFC Dynamo Berlin. Dem Klub der Stasi. Mit 19 bin ich Junioren­ nationalspieler. Für DDR-Verhältnisse geht es mir gut: Als Profi verdiene ich das Zehnfache eines normalen Arbeiters.

Aber auch bei uns ist die Bundesliga des Westens allgegenwärtig – und verlockend. Jeden Samstag schaue ich mit meiner Familie die Sportschau. Ich träume davon, selbst einmal dort zu spielen und der Drang wird stärker, als mich bei einem Nationalmannschaftsspiel in Schweden ein Scout anspricht. Denn für mich ist klar, dass mir die ganz grosse Karriere im Osten verwehrt bleiben wird. Ich habe viele Verwandte im Westen. In der paranoiden DDR ist das verdächtig.

Mit meinem Jugendfreund und Teamkollegen Dirk Schlegel plane ich die Flucht. Mein Vater ist skeptisch. Er rät mir, mich erst einmal in der DDR-Oberliga durchzusetzen. 1982 ­qualifizieren wir uns mit Dynamo für den ­Europapokal der Landesmeister. Dirk und mir ist klar: Auf einer der Auslandsreisen muss es passieren. Wir spielen gegen Jeunesse Esch in Luxemburg. Ich rufe einen Freund im Westen an, aber er kann uns nicht rechtzeitig gefälschte Papiere beschaffen.

Im November 1983 treffen wir auf Partizan Belgrad. Wir fliegen in der Dienstmaschine von Stasi-Chef Erich Mielke nach Jugoslawien. Am Tag vor dem Spiel geht es zum Einkaufsbummel in die Innenstadt. Unsere Aufpasser scheinen

Stationen BFC Dynamo, Leverkusen, Köln, Galatasaray Istanbul, Saarbrücken, Hertha Berlin Grösste Erfolge Dreifacher Meister mit BFC Dynamo (1981–1983) UEFA-Cup-Sieg mit Leverkusen (1988) zweifacher Meister mit Galatasaray (1993, 1994)

heiss zu sein auf den Shoppingtrip, sie geben jedenfalls nicht sonderlich gut acht. Dirk und ich schlendern in einen Plattenladen und schleichen uns durch einen Nebengang unbemerkt ins Freie.

Jetzt rennen wir. Bloss nicht umdrehen. Wir stoppen ein Taxi und fahren zur Deutschen Botschaft. Via Zagreb und Ljubljana schleust man uns nach München. Der heikelste Moment jedoch sollte noch bevorstehen: Grenzkontrolle in Jesenice. Wenn wir auffliegen, ist alles vorbei.

Mir ist klar: Zu Hause würde das Gefängnis ­warten. Republikflucht ist in der DDR kein Kavaliersdelikt. Wieder hilft uns der Promibonus, den wir der Karriere als Fussballer zu verdanken haben: Der Zöllner ist mehr an einem Autogramm interessiert als an unseren Pässen.

In dem Moment fällt die gesamte Anspannung von mir ab. Das Glücksgefühl lässt sich kaum beschreiben, einen solchen Moment der Freude habe ich seither nie wieder erlebt. In München angekommen, kaufen wir uns die “Bild”-Zeitung, weil wir das Ergebnis des BFC-Spiels wissen wollen. Auf der TitelT H E F I FA W E E K LY

seite lesen wir die Schlagzeile: “Zwei DDR-Spieler geflüchtet. Wo sind Sie?” Wir kommen ins Aufnahmelager nach Giessen, wo der ein paar Jahre zuvor geflohene Fussballlehrer Jörg Berger den ersten Kontakt zu Bayer Leverkusen herstellt. Ich unterschreibe für ein Grundgehalt von 5000 Mark. Weitere 2500 Mark erhalte ich, weil ich während des ersten Jahres im Bayer-Kaufhaus an der Kasse arbeite. Spielen kann ich nicht – ich bin international für ein Jahr gesperrt.

Meine Bundesliga-Premiere erlebe ich am 3. November 1984 – exakt 365 Tage nach der Flucht. Beim Auswärtsspiel in Bielefeld werde ich eingewechselt. Zu Hause sehen mich meine stolzen Eltern in der “Sportschau”. Spätestens jetzt weiss ich: Wir haben alles richtig gemacht. Å Aufgezeichnet von Nicola Berger Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben.

37

The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

FIFA - R ÄT SEL - CUP

Internet: www.fifa.com/theweekly

Ein Auge, ein Armband und der erste Weltmeister im Maracanã – raten Sie mit!

Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878

1

Wer wurde als erste Mannschaft Weltmeister im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro – und zwar in einem FIFA-Weltturnier?

Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio Chefredakteur: Perikles Monioudis

R

Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Art Direction: Catharina Clajus Bildredaktion: Peggy Knotz

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3

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W

Wer kam in drei aufeinanderfolgenden Weltmeisterschaften durch Elfmeterschiessen weiter?

O Argentinien

Produktion: Hans-Peter Frei Layout: Richie Krönert (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Mirijam Ziegler

S

I Italien

E England

A Deutschland

Welches war das erste WM-Finale, in dem einer der Kapitäne eine Kapitänsbinde trug?

Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach Ständige Mitarbeiter: Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn Mitarbeit an dieser Ausgabe: Nicola Berger, Alexandre Cossenza, Mohammed Hallal, Markus Nowak, Martin O’Boyle, Dominik Petermann, Andreas Wilhelm (Bild) Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com

M 1966

4

V 1970

K 1974

L 1978

Grüezi – ich stehe in der Eingangshalle des FIFA-Hauptsitzes in Zürich und ich heisse ...

E Fuleco T Zakumi

Q Sepp Y Questra

Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Kontakt: feedback-theweekly@fifa.org Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.

Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.

Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: STAR (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly).

Inspiration und Umsetzung: cus

Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 7. Mai 2014 an die E-Mail feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis zum 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY

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FR AGEN SIE DIE FIFA!

UMFR AGE DER WOCHE

Welche grosse Fussballnation wird als Erste aus der WM ausscheiden?

Welche Stadt hatte am meisten Klubs im selben EuropapokalWettbewerb?

Siri Häkkinen, Tampere (Finnland)

ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Wer wird Torschützenkönig an der WM in Brasilien?

25%

Suárez

23%

Messi

23%

Ronaldo Neymar

22%

Benzema

6%

andere

1%

Z AHLEN DER WOCHE

zugleich die höchste Heimniederlage

5

Paredes am Sonntag in Chile zum 5:3-Sieg von

Kuwait City am Sams-

seit 35 Jahren. 1963 hatte Dinamo

­C olo Colo gegen Ñublense bei. Mit seiner Ein-Mann-

tag eine nahezu perfek-

Zagreb im damaligen Messepokal den

Show sorgte Paredes auch für ein würdiges Ende

te Saison mit einer

Bayern eine 1:4-Schlappe beschert. Mit

der Clausura-Meisterschaftsrunde für den chileni-

Gesamtbilanz von 21

0:4 hatten die Bayern letztmals 1979

schen Rekordmeister, der den 30. Titelgewinn

gegen Arminia Bielefeld verloren.

bereits vorher unter Dach und Fach gebracht hatte.

4

Gegentore durch Real Madrid ohne einen eigenen Treffer bedeuteten am Abend des 29. April 2014 die höchste Niederlage, die der FC Bayern München jemals auf europäischer Ebene kassiert hat und

0

Niederlagen in 26 Spielen lautet die Bilanz, mit der der neue kuwaitische Meister Al Qadisiyah die Saison beendet hat. Mit einem 1:0-Sieg gegen Al Nasr

Tore innerhalb von nur 47 Minuten trug Esteban

schloss das Team aus

T H E F I FA W E E K LY

Siegen und 5 Unentschieden ab.

imago, Getty Images (4)

Die Antwort von Thomas Renggli: 1996 qualifizierten sich vier Teams aus der russischen Hauptstadt für den UEFA-Pokal: Spartak, Dynamo, Torpedo und ZSKA. Rekord! Diesem Wert kamen London und Athen am nächsten. Aus der englischen Hauptstadt spielten 1999 Arsenal, Tottenham und West Ham im UEFA-Pokal, aus der griechischen Metropole AEK, Panathinaikos und Olym­piakos 2003 in der Champions League. Für die Königsklasse war das innerstädtische Tripple eine Premiere.

An der WM 2010 in Südafrika ereilte Italien und Frankreich das Aus schon in der Gruppenphase. Beiden Verbänden war ein Sieg nicht vergönnt. Wen wird es 2014 als Erstes treffen? Ihre Antwort bitte an feedback-theweekly@fifa.org