The FIFA Weekly Ausgabe #39

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NR. 39/2015, 2. OKTOBER 2015

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

VIETNAM BINH DUONG FC DAS MASS ALLER DINGE DOMINIKANISCHE REPUBLIK PROFILIGA DANK WIN-WIN-PROGRAMM ENGLAND DIE GROSSE FUSSBALLNOSTALGIE

Spielertransfers FIFA\TMS

DAS CLEVERE SYSTEM W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com

Spielertransfers Schliesst das Transferfenster, gehen kurz zuvor nochmals Hunderte Vereinswechsel über die Bühne. Annette Braun über das hektische Geschäft fünf Minuten vor zwölf und das ausgeklügelte System von FIFA\TMS.

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Ö sterreich Tabellenführer Rapid Wien besiegt Josko Ried dank Neuzugang Matej Jelic. Jetzt kommt’s zum Spitzenkampf gegen Red Bull Salzburg.

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Wales Wie Trainer Chris Coleman das Nationalteam um Superstar Gareth Bale an ihre erste WM nach 1958 führen will.

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S tefan Rehn Pokale schön und gut: Wirklich emotional war für den ehemaligen Profi aus Schweden aber vor allem die Geburt seines Sohnes.

Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

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Für immer jung Niemand schwelgt so schön in alten Zeiten wie der englische Fussballfan. (Im Bild: Bobby-Moore-­ Figur)

28 Cleveres System Die Torhüter-Illustration auf dem Cover symbolisiert das hektische Transfer­ geschäft. Oft verpflichten die Klubs Spieler am letztmöglichen Tag.

Dominikanische Republik Die neue Profiliga existiert auch dank des Win-Win-Programms der FIFA. (Im Bild: Aneury Mateó/Atlético Pantoja, Mateo Zazo/Atlántico FC)

The-FIFA-Weekly-App The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA, erscheint jeden Freitag in vier Sprachen und ist auch auf Smartphone und Tablet kostenlos verfügbar. http://de.fifa.com/mobile 2

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FIFA U17-Weltmeisterschaft

FIFA Klub-Weltmeisterschaft

17. Oktober – 8. November 2015, Chile

10. – 20. Dezember 2015, Japan

Simon Bruty / Any Chance, Got, Not Got

Illustration: Sarah Gasser


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Europa 54 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

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Günter Netzer “Bei einem Sabbatical darf nicht der persönliche wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund stehen.”

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Horstmüller / imago, La Guaira

Venezuela La Guaira hat es überraschend an die Tabellenspitze geschafft. (Im Bild: Gustavo Rojas)

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UNCOVERED

Sichere Sache E

in Spieler wechselt den Klub. Eben noch war er für seine vertrauten Farben im Einsatz – nun trainiert er mit seinen neuen Teamkollegen in einer anderen Stadt, in einem anderen Land, mitunter auf einem anderen Kontinent. Das ist nichts Aussergewöhnliches. Der globale Fussball lebt nicht zuletzt von seinen Stars und ihren herausragenden Qualitäten. Und ist nicht jeder, der sich seinen Kindertraum erfüllt hat und im Schweisse seines Angesichts Profifussballer geworden ist, ein Star? Ob Champions-League-Sieger oder Zweitliga­Ergänzungsspieler: Sein Transfer von Klub A zu Klub B folgt einem von der FIFA festgelegten Prozedere. Der Fussball-Weltverband homologiert jeden internationalen Transfer im ­Profifussball. D ­ amit erlangt sowohl der Spieler als auch der Klub Rechtssicherheit, was den Status des neuen Mitarbeiters anbelangt. Wie es dazu kommt, und was es mit dem Transfer-Deadline-Day auf sich hat, schildert ab Seite 6 unsere Redakteurin Annette Braun, die FIFA\TMS in Zürich einen Besuch abgestattet hat. Å

Mario Wagner / 2Agenten

Perikles Monioudis

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Wenn der Markt heiss läuft

Deadline Day Bis zur letzten Sekunde wird bei den Vereinsverantwortlichen über mögliche Zu- und Abgänge diskutiert.

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Der Transferschluss am 31. August hat auch in diesem Jahr wieder für Furore gesorgt. Was genau geschieht am letzten Tag? Annette Braun hat die Antworten. Mit einer Illustration von Sarah Gasser

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icktack, ticktack, ticktack. Zweimal im Jahr läuft der Countdown für Vereine, die international Transfers abwickeln wollen – nämlich immer dann, wenn sich die Transferperiode dem Ende zuneigt. Ticktack, ticktack ertönt dann die Uhr, und nicht nur in den Klubs wird noch bis zum Ablauf der Frist unter Hochdruck gearbeitet, um vielleicht einen letzten Wechselcoup zu landen, sondern auch in der FIFA\TMS-Schaltzentrale in Zürich. So lange, bis das Transferfenster für das nächste halbe Jahr wieder geschlossen wird und es heisst “Rien ne va plus – nichts geht mehr”. 295 Spieler wurden in diesem Sommer noch am letztmöglichen Tag zu einem anderen Klub transferiert. Nervenkitzel und der Kampf gegen die Uhr gehören zum Fussball irgendwie dazu. Während die Transferperiode immer noch bis zur letzten Sekunde ausgereizt wird, hat sich die Handhabung in den letzten Jahren verändert – der Grund heisst ITMS. Das Transferabgleichungssystem ermöglicht den Vereinen durch seine Online-Plattform nicht nur die Abwicklung der Spielerwechsel nach den Regularien der FIFA, sondern es versucht gleichzeitig, durch die gesammelten Daten den oft undurchsichtigen Markt von Grauzonen zu befreien und transparenter zu gestalten. Vergessen sind damit die Zeiten, als die notwendigen Formulare noch von jedem Verein mit der Hand ausgefüllt werden mussten und dann auf dem Postweg oder per Fax an die FIFA geschickt wurden. Damals konnte ein Streik im öffentlichen Dienst verheerende Folgen haben, ein defektes Faxgerät oder ein nicht geahndeter Papierstau über die Zukunft von Spielern entscheiden. Ganz zu schweigen von den 8

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zeitlichen Einbussen, die mit diesem Verfahrensweg verbunden waren. “Wir haben einen Transfer in weniger als zehn Minuten abgeschlossen”, gibt Vira Egli, Marketingleiterin von FIFA\TMS, Auskunft. Ein Transfer ist, sollten sich beide Vereine geeinigt haben, nur wenige Mausklicks entfernt. Dementsprechend gestaltet sich auch die Inneneinrichtung der FIFA\TMS-Zentrale. Papierstapel sucht man vergebens. Das Herzstück der Büros sind Bildschirme, viele Bildschirme, mit vielen Namen und vielen Zahlen. Teilweise installiert in abgedunkelten Räumen, um die Einstrahlung der Sonne zu vermeiden und einen uneingeschränkten Blick auf die Daten zu gewährleisten. Ein bisschen so wie in “Matrix” – zwar ohne Keanu Reeves, dafür aber mit einem engagierten Team, dessen Vision den Transfermarkt verändern soll. Objekt der Begierde: Der Freigabeschein Steht ein Wechsel eines männlichen Spielers von Klub A zu Klub B über die Ländergrenzen hinweg an, müssen beide Vereine bestimmte Informationen ins System eintragen. Stimmen diese Informationen, die den Spieler, den Vermittler und die Zahlungsformalitäten betreffen, überein, gibt es grünes Licht für den Transfer. Der Freigabeschein wird an den neuen Mitgliedsverband gesendet, damit der Spieler bei besagtem Verband registriert werden kann und für seinen neuen Klub auflaufen darf. Dann sind alle Parteien glücklich: die Klubs, der Spieler und ITMS. Knapp gescheiterte Transferversuche gibt es in jedem Jahr, schliesslich entsteht durch den Zeitdruck ein unglaublich hektischer Markt, der sich – je näher der Deadline Day rückt – zuspitzt. Ist der


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KLUB A

Kurz vor 12 Zum Ende der Transferperiode loten Vereine nochmals Angebot und Nachfrage aus.

•Name des Klubs •Name des Verbands •Details zum Spieler •Art des Transfers •Agent des Klubs •Zahlungsmethode •Transfergebühren •...

KLUB B •Name des Klubs •Name des Verbands •Details zum Spieler •Art des Transfers •Agent des Klubs •Zahlungsmethode •Transfergebühren •...

gewünschte Spieler noch verfügbar? Muss sich der Verein nach einer Alternative umsehen? Erhöht er nochmals sein Angebot? Da wird gefeilscht, diskutiert und nicht immer zueinandergefunden. Gerade dann entstehen grosse Schlagzeilen. Nervenkitzel und der Kampf gegen die Uhr gehören zum Fussball dazu. Manchmal geht dieser Kampf der Klubs und damit auch der Spieler gegen die Uhr verloren. Der Startschuss für das innovative Projekt erfolgte beim 57. FIFAKongress im Jahr 2007. 2010 ging das entwickelte System schliesslich online. Für über 6500 Profiklubs der 209 FIFA-Mitgliedsstaaten ist die Nutzung seitdem obligatorisch. “Jeder Verband muss mindestens

AFP Photo / Josep Lago

ITMS — WAS, WIE, WARUM? Das in dem ver bindlichen FIFA - Regelwer k eingebet tete Inter nationa le Trans f erabgleic hungs s ys tem (I T MS) is t eine Online - Plat t f or m, auf der seit Ok tober 2010 alle Trans f er s männlic her Prof ispieler regis ­ tr ier t werden. Um den Wechsel eine s Spieler s ins Ausland er folgreich abzuw ic keln, müs sen daher der abgebende (K lub A) und auc h der auf nehmende K lub (K lub B) obligator ische A ngaben wie zum Beispiel die Identität de s Betref f enden, A ns tellungsbedingungen, die verein bar te Trans f er summe und die Beteiligung von Ver mit tler n ins Sys tem eingeben. Er s t, wenn die Daten beider K lub s übereins timmen, er hält der wec hselwillige Spieler einen Freigabe sc hein, der ihm den Trans -

f er von einem Mitglieds ver band zu einem anderen er möglic ht . I T MS is t f ür alle 209 FIFA - Mitglieds ver bände obligator isc h und wird von mehr als 650 0 K lub s genut z t . Neben der kos tenlosen Bereit s tellung de s Sys tems (Inter netplat tf or m) agier t T MS auch als Diens tleis ter und wer tet die ge sammelten Daten zum Trans f er ver halten und zu den Trans f er bewegungen aus. Die Studien und Statis tiken lief er n nic ht nur Hinweise zur Ent wic klung de s Trans f er ver haltens, sonder n sollen eine grös sere Transpa renz und Integr ität im Fus sballge sc häf t sc haf f en. br a

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einen TMS-Manger in seinen Reihen haben, der von FIFA\TMS geschult und mit dem System betraut wird”, sagt Egli. Die Resonanz ist durchweg positiv, und die TMS-Manager sind es auch, die Vorschläge einbringen und stetig mithelfen, das System zu verbessern. Das Ziel ist das grosse Ganze, ein vollständiges Bild des Transfermarktes, der oftmals durch die Konzentration auf finanzstarke Wechsel verzerrt wird. Mark Goddard, Chef von FIFA\TMS, sagt: “Bei den meisten Transfers, die für Schlagzeilen sorgen, geht es um hohe Transferentschädigungen. In Tat und Wahrheit erfolgen aber nur 13 Prozent aller Transfers weltweit gegen Bezahlung, während Gehälter Gegenstand jedes einzelnen Vertrags sind.”

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Big-5-Sommertransferfenster 2015 Übersichtstabelle

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Big-5-Report So verwundert es nicht, dass die Mitarbeiter von FIFA\TMS beim neuesten Big-5-Report stolz auf erste Statistiken zu Spielergehältern sind. Der Bericht, der am Schluss einer jeden Transferperiode veröffentlicht wird, konzentriert sich auf die Transferbewegungen der fünf grossen europäischen Ligen England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich. Aus der aktuellen Ausgabe geht hervor, dass 57 Prozent des Umsatzes auf dem internationalen Transfermarkt Spielergehälter sind und 80 Prozent der Gehälter, die seit 2013 im Zusammenhang mit internationalen Transfers vereinbart wurden, von den Vereinen der UEFA ausgingen, dicht gefolgt von der asiatischen Konföderation (AFC). Insgesamt wurden 2014 in den fünf europäischen Ländern 6,02 Milliarden US-Dollar an Gehältern für transferierte Spieler vereinbart – ein Anstieg zum Vorjahr um 33 Prozent. Allerdings muss bei den Zahlen immer in Betracht gezogen werden, dass dieser Wert auch durch äusserst hohe Gehaltszahlungen weniger Vereine zustande kommt. Die veröffentlichten Daten liefern neben einem Überblick über die durchschnittliche Höhe der Gehälter in einem Land auch die An-

zahl der Transfers und Informationen, aus welchem Land die Verbände ihre Spieler bevorzugt verpflichten. Es kann festgestellt werden, ob Länder mehr ausgeben, als sie einnehmen und ob Trends zu beobachten sind. So zeigt sich zum Beispiel, dass Portugal seit ein paar Jahren mehr einnimmt, als es ausgibt, und dass es sich mit England genau andersherum verhält. Interessant sind die Transferwege. Die Daten von TMS legen offen, dass es einen regen Wechsel von brasilianischen Spielern nach Japan gibt. In der Premier League werden die Zugänge von schottischen, walisischen und irischen Spielern angeführt. Aufgrund ihrer Vielzahl und ihrer vergleichsweise geringen Bezahlung sorgen sie dafür, dass England nicht in der Top-Ten-Liste der Länder mit den höchsten Gehältern auftaucht – trotz einschlägiger Transfercoups. Diese Liste führt übrigens Spanien vor Deutschland und Belgien an. Durch die Abwicklung von Transfers über ITMS soll nicht nur ein Schritt hin zu mehr Transparenz vollzogen, sondern es sollen auch Mittel geschaffen werden, um den früher oft im Halbdunkeln agierenden Transfermarkt zu öffnen und ihm zu mehr Glaubwürdigkeit und Integrität zu verhelfen. Über ITMS werden auch Abschlüsse unter Beteiligung von Minderjährigen ins Visier genommen. Die obligatorische erstmalige Registrierung von Minderjährigen im System dient dabei als ein Schlüsselelement im Kampf gegen Transfers unterhalb der Altersgrenze. Ticktack, ticktack. Für TMS steht die Uhr auch zwischen den Transferperioden nicht still. Und das Internationale Transferabgleichungssystem, das sich über die vergangenen Jahre hinweg bewährt hat, ist nur der Anfang. Darüber hinaus gibt es nämlich mit DTMS schon ein Produkt für die nationale Transferabwicklung – nicht kostenlos und obligatorisch wie das internationale Pendant, sondern auf freiwilliger Basis. Der niederländische Verband KNVB nutzt es zum Beispiel und profitiert dadurch von einer Plattform, auf der er sich

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Quelle: FIFA TMS


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Im Fokus Bleibt ein Spieler bei seinem Klub oder steht nochmals ein Wechsel an?

“Wir haben einen Transfer in weniger als zehn Minuten abgeschlossen.” FIFA\TMS-Marketingleiterin Vira Egli

imago / fotoarena

um alle internationalen und nationalen Transfers von Profispielern auf einmal kümmern kann. Bei der Hektik eines Deadline Days – bei diesem regen Hin und Her, dem Geben und Nehmen, diesem Haben und Nichthaben – durchaus ein Vorteil. Schritt für Schritt zur Fussball-Community Beim niederländischen Verband sind nun Papierstapel Mangelware. Sie hätten auch gar nicht mehr gewusst, wohin mit all den Kisten und den archivierten Dokumenten, sagen sie. Sie hatten auch keine Lust mehr auf den erhöhten administrativen Aufwand und die Schreibarbeit. Die Lösung bot DTMS. “Mit einem digitalen System können die Klubs effizient miteinander kommunizieren”, sagt Ninon Kok, TMS-Managerin von KNVB. Bis zur letzten Sekunde der Transferperiode. “Durch das System hat der Verband ein besseres Verständnis für Transfers entwickelt”, fügt sie an und hebt das Vertrauen aller Klubs in die Plattform hervor. Mit IRT existiert bei ITMS zudem ein Tool, das die Arbeit mit Vermittlern reguliert. Für das kommende Jahr ist darüber hinaus die Realisierung von GPX geplant. “Das Ziel von GPX ist, ein Fussball-Netzwerk zu schaffen, durch das der Austausch zwischen den T H E F I FA W E E K LY

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“Fairness ist entscheidend”

­ imberly T. Morris, wie würden Sie das Ziel Ihrer Arbeit als Head of K Integrity and Compliance bei FIFA\TMS beschreiben? Kimberly T. Morris: In einem FIFA-Artikel heisst es, die FIFA ist “verantwortlich dafür, die Regeln des Spiels zu wahren, den Sport zu fördern und grundsätzlich als Verfechter und Vorbild für Fairness und Solidarität rund um den Globus fungieren.” Die Aufgabe der Abteilung Integrity and Compliance bei FIFA\TMS ist es, sicherzustellen, dass die FIFA-Transferregularien, die den Transfer von Spielern regeln, eingehalten werden. Unsere Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass Klubs und Verbände überall auf der Welt die gleichen Regeln befolgen. Es geht um Fairness und um Chancengleichheit auf dem internationalen Transfermarkt. Wie gestaltet sich Ihre alltägliche Arbeit, um das dargelegte Ziel zu erreichen? Wir überwachen alle Transfers, die über das Internationale Transfer­ system abgewickelt werden. Wir überprüfen die Dokumente und Informationen, die von den Klubs und Verbänden in das Internationale Transfer-­ Abgleichungssystem eingegeben werden, um sicherzustellen, dass alles den Regularien entspricht. Wir bekommen aus verschiedenen Quellen Informationen über Verstösse und Fehlverhalten, beispielsweise über minderjährige Spieler, die ohne entsprechende Anträge bei der FIFA transferiert werden, oder auch über Spieler, an denen Dritte Besitzrechte haben. Was passiert mit den Erkenntnissen, die Sie durch Ihre Recherchen gewinnen? Wir haben die Berechtigung, Klubs und Verbänden Sanktionen bis zu CHF 14 000 aufzuerlegen. Wenn wir schwerwiegendere Verstösse untersuchen, werden die Erkenntnisse der FIFA Disziplinar- und Governance-Abteilung zugeleitet, die sie dann letztlich der FIFA-Disziplinarkommission vorlegt. Die FIFA-Disziplinarkommission kann auch höhere Sanktionen verhängen. Durch ihre Arbeit stehen sie in engem Kontakt zu Klubs und Verbänden. Welche Erfahrungen haben Sie im Rahmen der Zusammenarbeit gemacht? Neben jährlichen Schulungen führen wir auch Besuche bei Klubs und Verbänden durch. Wir bringen es pro Jahr auf acht Besuche. Diese persönlichen Gespräche helfen uns, die Menschen besser zu verstehen, die für die Verbände und die Klubs arbeiten. Dies wiederum führt zu einem besseren Verständnis darüber, wie der Fussball in den jeweiligen Ländern ganz allgemein funktioniert. Ich halte es für wichtig, auch die jeweilige Kultur

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kennenzulernen und zu erfahren, was sie erreichen wollen. Wir sprechen nicht nur über die internationalen Transfers, sondern bitten die Verbände und Klubs auch, ihre Bilanzen der letzten zwei Jahre vorzulegen. Die Klubs werden immer professioneller und die Menschen, die für die Klubs arbeiten, kommen oftmals von ausserhalb der Fussballwelt. Dies bringt einen weiteren Aspekt in die Entwicklung des Klubs ein. Klubs werden oftmals wie Wirtschaftsunternehmen geführt. Die wirtschaftliche Seite des Fussballs sehen wir dann im ITMS. So erzielen die Klubs oftmals erhebliche Einkünfte aus ihren internationalen Transfers, die wir dann in Form von entsprechenden Informationen im ITMS wiederfinden. Wie werden Sie bei Ihren Besuchen in den verschiedenen Mitgliedsverbänden empfangen? Wir werden sehr herzlich empfangen. Die Leute würdigen, dass wir an ihrer Arbeit interessiert sind. Sie wollen die Gelegenheit nutzen, ihre Geschäfte zu erklären und sind sehr dankbar für die Unterstützung, die die FIFA ihnen bietet. Zudem sind sie sehr lernwillig, sie wollen sich verbessern und die Transferregeln noch besser beachten. Ich bin gerade erst aus Griechenland zurückgekommen. Nach unseren Besprechungen haben die Leute Emails geschickt und uns für unseren Besuch und unser Interesse gedankt. Was würden Sie als grösste Herausforderung bezeichnen, der sich Ihre Abteilung stellen muss? Die Möglichkeit, noch mehr zu schaffen. Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn man sich die jüngsten Sanktionen der Disziplinarkommission anschaut. Die FIFA hat als internationale Regulierungsinstanz des Transfermarkts die Verantwortung, eine harte Haltung gegenüber Klubs und Verbänden einzunehmen, die die Regeln brechen. Nur auf diese Weise kann die FIFA zeigen, dass Fairness unabdingbar ist. Wenn man eine Regel festlegt, dann muss man auch bereit sein, sie durchzusetzen. Bei Transfers arbeiten Klubs zusammen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie bei ihren Transaktionen fair und in Übereinstimmung mit den Regeln handeln. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung, die die eingehende Betrachtung des Transfermarktes bis jetzt herbeigeführt hat? Definitiv. Ich denke, dass unsere Abteilung gut mit den anderen FIFAAbteilungen zusammenarbeitet, die den Transfermarkt betreffen, also die Kommission für den Status von Spielern und die Disziplinar- und Governace­Abteilung. Gemeinsam stellen wir sicher, dass gegen diejenigen Klubs und Verbände, die die Regeln nicht einhalten, angemessene Sanktionen ­verhängt werden. Auf diese Weise zeigen wir als internationale Regulierungsinstanz Stärke. Wir arbeiten für einen regelkonformen Transfermarkt. Ihre Wurzeln liegen nicht im Fussballbereich. Wie hat das Ihre Herangehensweise beeinflusst, als Sie vor drei Jahren zu FIFA\TMS kamen? Ich komme aus Kanada, wo in erster Linie Eishockey gespielt wird! I­ch habe vorher als Wirtschaftsanwältin gearbeitet. Daher sehe ich die Klubs und Verbände und ihre Verpflichtung zur Achtung der Regeln vielleicht aus einem etwas anderen Blickwinkel. Für mich muss der Schwerpunkt stets auf Fairness und Gerechtigkeit liegen. Darauf arbeiten wir hin. Um noch einmal auf das anfängliche Zitat zurückzukommen – es geht darum, ein Verfechter von Fairness und Solidarität rund um den Globus zu sein. Mit Kimberly T. Morris sprach Annette Braun

Privat

Den Transfermarkt im Blick Kimberly T. Morris.

Kimberly T. Morris ist Head of Integrity and Compliance bei FIFA\TMS. Die Kanadierin spricht im Interview über Gerechtigkeit im Fussball­ geschäft, die Verantwortung der FIFA und die bereits erzielten Fortschritte auf dem Transfermarkt.


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Die Bälle werden neu gemischt Ist der Deadline Day vorüber, gilt die Konzentration der Vereine wieder dem Liga-Alltag.

Der niederländische Verband vertraut neben ITMS auch auf die nationale Variante DTMS und verwaltet alle Transfers auf einer Plattform.

imago / BPI

Vereinen erleichtert und eine umfangreiche Spielerdatenbank geschaffen wird”, erklärt Egli. Während sich im ITMS die betroffenen Parteien erst dann zusammenfinden, wenn der Transfer zum Abschluss gebracht werden soll, steckt hinter GPX ein Kanal, der den Interessensvertretern die Möglichkeit bietet, schon zuvor in einem koordinierten System Kontakt miteinander aufzunehmen und Informationen über Spieler zu sammeln. In der Ära sozialer Medien und des digitalen Zeitalters ist diese angestrebte Datenquelle fast schon eine logische Entwicklung. Und da wird er auch wieder deutlich, dieser Wunsch nach dem grossen Ganzen, nach einem vollständigen Bild des Transfermarktes und nach einem einzigen System, das Zugang zu allen Kanälen liefert. Stichwort Effizienz, Stichwort Effektivität. FIFA\TMS hat sich den Anspruch auferlegt, diesem Ziel in den nächsten Jahren so nah wie möglich zu kommen. Von einer Transferperiode zur nächsten, Baustein für Baustein, Schritt für Schritt. Å

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BLICK IN DIE LIGEN

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Österreich: Bundesliga

R a p i d s Je l ic s c h i e s s t s ic h w a r m Alan Schweingruber ist Redakteur bei The FIFA Weekly.

Jetzt lästert sie wieder, die Gegnerschaft von Rapid Wien. Mit Glück gewann der Rekordmeister aus Österreich gegen Josko Ried 1:0. Im Direktduell blickt er nun auf die beneidenswerte Serie von acht Siegen in Folge zurück. Allerdings muss festgehalten werden, dass das Wort “beneidenswert” im Zusammenhang mit Rapid Wien in jüngster Vergangenheit nicht gerade Popularität genoss. Eher das Wort “bemitleidenswert”.

Walter Luger / GEPA

Ende August war es, als der Klub fussballe­ rische Klasse zeigte. Der Wunsch nach zehn Jahren endlich wieder in der UEFA­Champions-League mittun zu dürfen, war so stark, dass im Rückspiel gegen Schachtar

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Donezk plötzlich alles wieder im Bereich des Möglichen schien. Nach dem enttäuschenden 0:1 im Hinspiel spielte Rapid Wien auswärts gross auf und lag zwischenzeitlich 2:1 in Führung. Dann gelang Schachtar das 2:2. Knapper als Rapid kann man dem internationalen Ruhm samt zehn Millionen Euro Einnahmen nicht entgehen: In der 90. Minute setzte der slowenische Stürmer Robert Beric einen Kopfball aus sechs Metern an die Latte. Und in der 95. Minute (!) traf Philipp Prosenik nur den Pfosten. Ein Tor hätte den Wienern für die Qualifikation gereicht. Danach entschied sich Robert Beric, den Klub zu verlassen. Er unterzeichnete bei Saint Étienne, und so kamen die Wiener wenigstens zu einem Erlös von 5,5 Millionen Euro. Natürlich waren viele Fans erbost über den Verkauf des slowenischen Topskorers. Da half es auch nicht, dass der Klub nur Stunden nach Berics Abgang den 24-jährigen Stürmer Matej Jelic als Ersatz präsentierte. Dass Tabellenführer Rapid Wien jetzt weiterhin vier Punkte vor Red Bull Salzburg und

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Austria Wien steht, verdankt es genau diesem Jelic. Unwiderstehlich war der ­Auftritt des Hauptstadtklubs gegen Ried nicht und keiner hätte sich am Schluss beschweren dürfen, wenn der Gastgeber aus dem 11 000-Einwohner-Städtchen Ried im Innkreis das Spiel für sich entschieden hätte. Dem eingewechselten Jelic gelang das 1:0 erst in der 93. Minute. Es war das erste Meisterschafts­tor des Kroaten. Und natürlich erinnert man sich jetzt auch wieder daran, warum Jelic gleich bis zum Sommer 2019 engagiert wurde: Bei seinem alten Klub ­MSK Zilina aus der Slowakei traf der Stürmer letzte Saison in 29 Spielen 19-mal. Nun trifft Rapid Wien im Spitzenspiel am 4. Oktober auf Red Bull Salzburg. Ein bisschen achtsamer wird die Verteidigung im Heimspiel agieren müssen. Beim Verfolger spielt der 30-jährige Stürmer Jonatan ­Soriano gerade den Fussball seines Lebens. Der Spanier schoss beim 4:2 gegen ­Mattersburg alle vier Tore. Seine grandiose Salzburger Bilanz: 154 Pflichtspiele, 139 Tore, 54 Assists. Å

Die Erlösung Neuzugang Matej Jelic (l.) jubelt nach seinem ersten Meisterschaftstor, das Rapid Wien den Sieg sicherte. T H E F I FA W E E K LY

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Gustavo Rojas La Guairas Stürmer erzielte in der Nachspielzeit das Siegtor zum 3:2.

L a G u a i r a s t ü r mt a n d i e S p it z e Sven Goldmann ist Fussballexperte beim “Tagesspiegel” in Berlin.

Zwei stritten sich um die Vorherrschaft in der Primera División di Venezuela, aber weil beide vor lauter Streit das Toreschiessen vergassen, freute sich am Ende ein Dritter. 0:0 endete das Spitzenspiel zwischen dem Aragua FC und dem Zamora FC. Wenn denn einer von ihnen gewonnen hätte, wäre ihm nach diesem zwölften Spieltag die Tabellenführung sicher gewesen. So aber blickt jetzt eine Mannschaft von oben herab, die in dieser Saison ein bisschen spät dran ist. Wegen den internationalen Verpflichtungen in der Copa Sudamericana hinkt Deportivo La Guaira mit zwei Spielen der Konkurrenz hinterher. Es spricht für die Qualität der Mannschaft aus einem Vorort der Hauptstadt Caracas, dass ihr auch ein reduziertes Programm für die Tabellenführung reicht. Beim Auswärtsspiel im Estadio 16

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Misael Delgado von Valencia feierte La Guaira einen späten und hart umkämpften 3:2-Sieg beim Carabobo FC. Gustavo Rojas erzielte in der 4. Minute der Nachspielzeit das umjubelte Siegtor. Für La Guaira war es der sechste Saisonsieg bei vier Unentschieden. Die Mannschaft hat in dieser Saison ohnehin erst ein Spiel verloren, dieses aber deutlich: Das 0:4 im Rückspiel der zweiten Runde bei den Paraguayern von Sportivo Luqueño bedeutete das Aus in der Copa Sudamericana. La Guaira steckte den Schock weg und spielt in der Heimat weiterhin so erfolgreich auf wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Die währt allerdings auch erst seit gut sieben Jahren. Im Juli 2008 kam es in der Hafenstadt La Guaira zur Gründung des Real Esppor Club – Esppor ist ein Akronym aus den Wörtern España und Portugal, ein Verweis auf die spanischen und portugiesischen Wurzeln der Gründer des Klubs. Der junge Verein stand immer ein wenig im Schatten des venezolanischen Rekordmeisters Caracas FC. Zu der rund 30 Kilometer entfernten Hauptstadt hat Deportivo schon deshalb einen engen Bezug, weil es seine Heimspiele im Stadion der Universität von

Caracas ausrichtet. Zu einem Meistertitel hat es noch nicht gereicht, doch schon im ersten Jahr nach der Umbenennung in Deportivo La Guaira folgte 2014 ein Triumph in der Copa Venezuela. In dieser Saison nun will die Mannschaft auch in der Liga ganz oben mitspielen. Gegen Carabobo sah es lange Zeit nur nach einem Teilerfolg aus. Der Uruguayer Ignacio González und Ángel Osorio hatten La Guaira zwar zweimal in Führung geschossen, doch Édgar Jiménez und Eduard Bello war jeweils der Ausgleich gelungen. Am Ende entschied ein kleiner Geniestreich das Spiel, und wie es sich gehört, steckte sein Urheber im Trikot mit der berühmten Nummer 10. Gustavo Rojas hatte seinen grossen Auftritt: Nach einem langen Pass hob La Guairas Mittelfeldspieler den Ball erst über Carabobos Verteidiger Alejandro Fuenmayor und erspähte dann, wohl aus dem Augenwinkel, dass sich der 37 Jahre alte Torhüter-Veteran Leonardo Morales arg weit nach vorn gewagt hatte. Also vollführte Rojas einen weiteren Heber, und zum Entsetzen von Morales senkte sich der Ball in hohem Bogen hinab ins Tor. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel noch kurz an und danach gleich wieder ab. La Guaira hatte es auf den Gipfel geschafft! Å

La Guaira

Ven e z u e l a: Pr i m er a D i v i s i ó n


Vietnam: V-League

Bi n h Duong FC m it D o u b l e Emanuele Giulianelli ist freier Fussballautor und lebt in Mailand.

Binh Duong FC hat sich zum vierten Mal in der Klub­ geschichte den vietnamesi­ schen Meistertitel gesichert. Die Mannschaft aus Thu Dau Mot, 20 Kilometer nördlich von der grössten Stadt des Landes, Ho-Chi-MinhStadt, gelegen, hat ihre beherrschende Stellung im vietnamesischen Fussball zudem durch den 4:2-Sieg im Pokalfinale gegen Ha Noi T&T untermauert. Ein historisches Double für die Schützlinge von Trainer Nguyen Thanh Son.

BFC

Auf den ersten drei Tabellenplätzen rangier­ ten die gleichen drei Mannschaften wie im vergangenen Jahr, nämlich Binh Duong auf Platz 1, Ha Noi T&T auf Platz 2 und Thanh

Hoa auf Platz 3. Dies ist ein deutliches Indiz für das unterschiedliche Niveau der Teams in der Meisterschaft und zudem für eine gefes­ tigte, kaum umzustossende Hierarchie. In der Liga, in der 2009 auch Denilson spielte, als man in Vietnam erstmals ver­ suchte, den Fussball auf diesem Niveau zu etablieren, dürfte die Vorherrschaft von Binh Duong auch in den kommenden Jahren unge­ brochen bleiben. Das Team, das aufgrund seiner Finanzstärke auch als der Chelsea FC Vietnams bezeichnet wird, gehört der Beca­ mex IDC Corporation, dem grössten Baukon­ zern des Landes. Angesichts dessen könnte die Kluft zu den anderen Teams sogar immer tiefer werden. Auf kontinentaler Ebene ist das Team indes noch weit von einem Niveau entfernt, auf dem nennenswerte Resultate gegen die Spitzenteams aus Japan, Thailand, China, Südkorea und Australien möglich wären: Dieses Jahr brachte man es in der Ausschei­ dungsrunde der AFC-Champions-League auf magere vier Punkte. Ein Sieg, ein Unent­

schieden und vier Niederlagen – mehr war in der asiatischen Königsklasse nicht drin. Allerdings war dieses Abschneiden im Vergleich zur letzten Teilnahme im Jahr 2008 eine deutliche Steigerung. Damals hatte man aus sechs Spielen nämlich nur einen einzigen Punkt geholt. Ein grosses Hindernis für vietnamesische Mannschaften erfolgrei­ cher zu agieren, ist die Regelung, dass pro Team nur zwei ausländische Spieler (plus ein eingebürgerter) zulässig sind. Die nächste Saison der AFC-Champions-­ League wird zeigen, ob nun doch der ­Moment gekommen ist, in dem der vietna­ mesische Fussball eine auf kontinentaler Ebene konkurrenzfähige Mannschaft hervorbringt. Å

In Feierlaune Binh Duong FC triumphierte in der Meisterschaft und im Pokal. T H E F I FA W E E K LY

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DAS INTERVIEW

“Wir haben uns Platz 8 verdient” Chris Coleman, Trainer der walisischen Nationalmannschaft, über die Gründe für den Erfolg seines Teams und die Aussichten, nach 1958 wieder einmal an einer WM-Endrunde teilnehmen zu können. Chris Coleman, die Stimmung im Lager dürfte angesichts der Fortschritte fantastisch sein. Chris Coleman: Ja, allerdings! Mit drei Punkten gegen Israel hätten wir uns den Startplatz für Frankreich 2016 gesichert, aber wir haben immerhin den einen Punkt geholt, und wenn uns vor dem letzten Trainingslager jemand vier Punkte aus den zwei Partien angeboten hätte, hätten wir sie genommen. Wir haben noch zwei Spiele und brauchen noch einen Punkt. Wir liegen gut im Rennen.

Wie schwer ist es, so kurz vor dem Ziel konzentriert zu bleiben? Wir haben versucht, für diese Mannschaft Anforderungen festzulegen und ihr eine Identität zu geben. Das ist uns beziehungs­ weise den Spielern mittlerweile gelungen. Wir repräsentieren Wales, und das bedeutet uns alles. Unabhängig davon, gegen wen oder um was wir spielen, gehen wir immer mit demsel­ ben Einsatz, mit derselben Einstellung und Entschlossenheit an die Sache heran. Und das bedeutet wiederum, dass die Spieler alles geben.

Welche Fortschritte hat die Mannschaft in den 40 Monaten seit Ihrem Amtsantritt gemacht? Die Spieler haben sich sehr entwickelt. Einige von ihnen haben wirklich eine neue Dimension erreicht. Wir haben einen breit aufgestellten Kader, und wie bei jeder Mann­ schaft ist es oft entscheidend, wie stark die Reserve ist. Der Kader wächst, wird stärker und besser. Selbst Spieler wie Gareth Bale, Aaron Ramsey, Ashley Williams oder Joe Allen, deren Namen in aller Munde sind, haben sich spielerisch verbessert. Und bei ihnen ist das in vielerlei Hinsicht noch schwieriger, weil sie ohnehin schon auf einem sehr hohen Niveau spielen.

Als Sie im Oktober 2012 in der Qualifikation für die WM 2014 gegen Schottland ange­treten sind, hatten Sie noch keinen einzigen Sieg zu verzeichnen und eine 1:6-Niederlage gegen Serbien hinter sich. Wir werden oftmals zu schnell beurteilt, insbesondere auf internationaler Ebene. Beim ersten Turnier muss man häufig erst einmal Fuss fassen. Wenn man dann ein oder zwei Mal Pech hat, kann es ganz schnell bergab 18

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gehen. Doch das liegt in der Natur der Sache, und die Medien nehmen einen dann leider gleich aufs Korn. Die Erwartungen sind oft unrealistisch. Ich selbst fand mich in einer paradoxen Situation wieder. Wir hatten uns seit 1958 nicht mehr für eine WM qualifiziert und waren 10 bis 15 Jahre lang nicht einmal in die Nähe einer Qualifikation gekommen. Ausserdem habe ich das Amt nach dem Tod des vorherigen Nationaltrainers Gary Speed unter furchtbaren Umständen übernommen. Und doch stand ich unter dem Druck, dass wir uns unbedingt qualifizieren sollten. Dabei waren wir im sechsten Lostopf.

Lastet das Vermächtnis der erfolgreichen Qualifikation für 1958 seitdem auf den ­walisischen Teams? Ich denke, das beste walisische Team, das ich je gesehen habe, war das von Terry Yorath, mit Ian Rush, Ryan Giggs, Neville Southall, Mark Hughes, Dean Saunders, Gary Speed – diese Mannschaft war einfach mit äusserst guten Spielern gespickt. Es war bestimmt nicht Terrys Schuld, aber die Qualifikation für die WM 1994 in den USA haben wir im letzten Spiel verpasst. Er hat mit dem Team eine hervorragende Position erreicht, und wir haben gegen die wohl beste rumänische Mannschaft aller Zeiten über zwei Spiele den Kürzeren gezogen. Das letzte Gruppenspiel in Cardiff haben wir 1:2 verloren. Ich glaube, das war unser bestes Team seit 1958. Doch jetzt hat die aktuelle Mannschaft das Potenzial, die damalige Leistung zu überbieten – und das Team ist genau auf Kurs. Man nennt sie schon seit einiger Zeit die “Goldene Genera­ tion”. Wenn wir uns qualifizieren, dann haben sie diese Bezeichnung wirklich verdient.

Vor vier Jahren rangierte Wales in der FIFA­Weltrangliste auf Platz 117. Jetzt haben Sie mit Rang 8 die beste Platzierung seit je erreicht. Was sagt das über das Team aus? Nun, die Weltrangliste spiegelt die fuss­ ballerischen Ergebnisse eines bestimmten Zeitraums wider, 12 bis 18 Monate, knapp 2 Jahre – und in dieser Zeit haben wir nur ein einziges Spiel verloren, nämlich auswärts in den Niederlanden. Wir haben 10 Pflichtspiele ohne Niederlage hinter uns. Das ist eine Riesenleistung. Wir haben uns den Platz in

den Top Ten redlich verdient und stehen kurz davor, etwas wirklich Bemerkenswertes zu erreichen.

Die hervorragende Platzierung in der Welt­ rangliste hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Schliesslich war Wales ­dadurch bei der Vorrundenauslosung für Russland 2018 in Lostopf 1. Die Teams in unserer Gruppe haben sich wahrscheinlich von allen gesetzten Mann­ schaften am ehesten Wales gewünscht. Was uns angeht, befinden wir uns in unbekann­ ten Gewässern. Bei der Auslosung haben wir es genossen, zu den als Gruppenköpfen gesetzten Teams zu gehören und einmal im Rampenlicht zu stehen. Was die Gruppe selbst angeht, haben wir das Gefühl, dass wir es schaffen könnten, aber es wird ­natürlich nicht leicht. Österreich hat eine fantastische Qualifikation für die Europa­ meisterschaft 2016 hingelegt und sich ohne eine einzige Niederlage qualifiziert. Serbien hat zwar nicht gut abgeschnitten, aber leicht ist es gegen die Serben nie. Die Partie gegen die Republik Irland wird wie ein Derby, ganz klar.

Gareth Bale scheint die Verantwortung, die seine Rolle mit sich bringt, zu geniessen. Er kennt seinen Wert genau und weiss, wie wichtig er ist – schliesslich ist er ein Weltklassespieler. Und auch wir wissen, welchen Wert er hat, wenn er das walisische Nationaltrikot trägt. Man erkennt seine Leidenschaft und die grosse Freude, die er empfindet, wenn er für Wales antritt. Er geniesst einfach jede Minute, weil er unglaub­ lich gern für Wales spielt. Natürlich ist er ein grosser Publikumsliebling in Wales, und er weiss, dass er andere Akteure übertreffen und es an ein grosses Turnier schaffen kann. Das ist die richtige Bühne für so grossartige Spieler. Å Mit Chris Coleman sprach Daniel Masters


Name Christopher Patrick Coleman Geburtsdatum, Geburtsort 10. Juni 1970, Swansea, Wales Position Verteidiger Stationen als Spieler 1987–1991 Swansea City 1991–1995 Crystal Palace FC 1995–1997 Blackburn Rovers 1997–2002 Fulham FC

Bradley Ormesher

Stationen als Coach 2003–2007 Fulham FC 2007–2008 Real Sociedad 2008–2010 Coventry City 2011–2012 AE Larisa seit 2012 Nationalteam Wales Nationalteam Wales 32 Einsätze, 4 Tore

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First Love Or t: Da hsc hu r, Ă„g y pten Datum: 20. Dezember 2014 U hrzeit: 11. 22 Uhr Fotog ra f: Serge Siber t

Cosmos

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GRASSROOTS

FIFA inspiring girls and boys to play football FIFA’s Grassroots programme is the core foundation of our development mission, aimed at encouraging girls and boys around the world to play and enjoy football without restrictions. Grassroots focuses on the enjoyment of the game through small-sided team games, and teaching basic football technique, exercise and fair play. For more information visit FIFA.com


FR AUENFUSSBALL

PRESIDENTIAL NOTE

Frischer Wind in Grenada

Mehr Macht für mehr Frauen Besuch im Home of FIFA Malaika Church

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uf dem Rasen war es ein grossartiges Jahr für den Frauenfussball, doch eines ist klar: Der Fussball braucht mehr Frauen in den Führungsetagen. Trotz der Entwicklung des Frauenfussballs ist die globale, regionale und

nationale Führung des Fussballs weiterhin eine Männerdomäne. Wir haben die

FIFA

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n Grenadas Fussball gibt es derzeit grosse Veränderungen. Diese spielen sich allerdings nicht auf dem Platz oder im technischen Bereich ab, sondern im nüchternen Umfeld der Verbandsverwaltung. Malaika Church ist gerade einmal 30 Jahre alt und hat im Sommer den Posten der Generalsekretärin des Fussballverbandes des Landes übernommen. Damit ist sie eine der wenigen Frauen, die bei einem FIFA­Mitgliedsverband einen so hohen Posten bekleiden. “Sie ist sehr wissbegierig, arbeitet hart und mit vollem Einsatz”, so Cheney Joseph, Präsident des Fussballverbandes von Grenada und ehemaliger Kapitän der Männer-Nationalmannschaft. Er spielte eine entscheidende Rolle beim Aufstieg von Church von der Volontärin zu einer der wichtigsten Entscheidungsträgerinnen im Fussball-Epizentrum des Inselstaates. Joseph lernte Church vor vier Jahren kennen, als er Grenadas wichtigstem Fernsehsender ein Interview gab. Damals war sie dort Praktikantin in der Produktion und stellte sich dem mächtigsten Mann des Inselfussballs vor. Als sie einige Monate später beim Verband anrief, um sich um eine Volontariatsstelle zu bewerben, war der Präsident begeistert. Church weilt derzeit in Zürich im Home of FIFA, wo sie als eine von 35 Frauen aus der ganzen Welt im Rahmen des FIFA-Programms zur Förderung von weiblichen Führungskräften an einem einwöchigen Treffen teilnimmt. Das Treffen ist Teil eines neunmonatigen Kurses, der in Zusammenarbeit mit der THNK School of Creative Leadership mit dem Ziel durchgeführt wird, die Anzahl weiblicher Führungs­k räfte im Fussball zu erhöhen. Joseph ist nicht gerade begeistert davon, in einer geschäftigen Zeit auf eine seiner besten Mitarbeiterinnen verzichten zu müssen. Die GFA Premier League – die erste Liga des Landes – ist in vollem Gange, und Grenada bereitet sich auf die Ausrichtung der im März statt­ findenden CONCACAF-Qualifikation für die FIFA U17-Frauen-Weltmeisterschaft 2016 vor. “Wir haben hier gerade viel zu tun”, räumt der Präsident ein. “Aber wie ich Malaika kenne, wird sie trotzdem einen Grossteil Ihrer Arbeit von Zürich aus erledigen! Der Kurs wird auf lange Sicht uns allen zugutekommen.” Die Beförderung von Church ist nur die Spitze des Eisbergs, was die Förderung von Frauen in Grenadas Fussball betrifft. Acht weibliche Offizielle sind derzeit als Schiedsrichterinnen in der Eliteklasse der Männer tätig. Der Fussballverband des Landes plant zudem die Einstellung einer Kommunikationsleiterin und ist bemüht, ehemalige Spielerinnen zukünftig als mögliche Trainerinnen zu gewinnen. Mit Church als Antriebskraft dürften dem Fussball Grenadas noch bedeutende Veränderungen ins Haus stehen, die vielleicht auch Wellen schlagen und sich auf den gesamten Karibikraum auswirken. “Sie hat so viele Ideen”, meint Joseph abschliessend und schmunzelt dabei. Å tfw

Pflicht, dies zu ändern. Frauen müssen erfahren, dass sie im Fussball die gleichen Erfolgschancen haben wie ihre männlichen Pendants. Die FIFA, die Konföderationen und unsere Mitgliedsverbände müssen den Kreislauf durchbrechen, der Männern den Aufstieg in Führungspositionen so viel leichter macht. Und dies ist nicht nur eine moralische Verpflichtung. Es gibt bestechende Beweise dafür, dass Organisationen mit Geschlechtergleichgewicht bessere Entscheidungen treffen und bessere Resultate erzielen. Viele unserer Mitgliedsverbände unternehmen grosse Anstrengungen, um die weibliche Beteiligung auf dem Platz zu stärken, unterstützt durch FIFA-Entwicklungsprogramme wie “Live Your Goals”. Doch derartige Anstrengungen sind abseits des Platzes kaum zu finden. Das prominenteste Beispiel hierfür ist das FIFA-Exekutivkomitee. Wir haben zwar Fortschritte erzielt und im Exekutivkomitee drei Sonderposten für Frauen geschaffen, doch dass wir überhaupt solche Rollen schaffen müssen, spricht Bände über die Herausforderung, der wir gegenüberstehen. Ich beglückwünsche die CONCACAF, die in diesem Jahr als erste Konföderation eine Frau, nämlich Sonia Bien-Aime, für einen ihrer Sitze im Exekutivkomitee ernannt hat. Diesem Beispiel müssen auch andere folgen. Wann werden mehr Konföderationen aus freien Stücken Frauen auswählen, um sie in diesem höchsten Gremium zu repräsentieren? Wann werden mehr Verbände Frauen in die höchsten Führungspositionen wählen? Wann werden mehr Frauen die Chance bekommen, Nationalmannschaften zu führen? So wie die Dinge derzeit stehen, ist die Antwort auf diese Fragen ganz einfach: Wir brauchen bindende Quoten. Die FIFA Task Force für Frauenfussball unter dem Vorsitz von Maya Dodd empfiehlt, dass mindestens 30 Prozent der Entscheidungspositionen für weibliche Kandidatinnen reserviert werden sollten. Ich unterstütze diesen Vorschlag. Dies ist ein notwendiger Schritt auf unserem Weg hin zu einem gleichberechtigteren Sport. In der vergangenen Woche hat die Task Force das Exekutivkomitee aufgefordert, darauf zu bestehen, dass sich die FIFA-Reformkommission 2016 direkt mit dem Thema weiblicher Vertretung im Exekutivkomitee und im Fussball insgesamt beschäftigt. Die FIFA versucht auch auf andere Weise, die Situation zu verbessern. Unser neues Programm zur Förderung von weiblichen Führungskräften bietet 35 Frauen aus verschiedensten Ländern die Unterstützung, die sie benötigen, um in der Welt des Fussballs den Aufstieg zu schaffen. Es war mir eine Ehre, diese Woche die ersten Teilnehmerinnen bei der FIFA zu treffen. Ich bin sicher, dass diese Frauen ihre Ziele erreichen und Tausende weitere inspirieren werden, eine Karriere im Fussball einzuschlagen. Der Fussball braucht mehr Frauen in den Führungsetagen. Die Lenker des Fussballs müssen jetzt beweisen, dass wir es alle sehr ernst damit meinen und diesem Ruf folgen wollen.

Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY

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NOS TALGIE

Gib mir den Blues Ein Klangerlebnis für jeden Chelsea-Fan.

FÜR IMMER JUNG

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iemand liebt die alten Fussballzeiten so sehr wie die Engländer. Die Fans schwelgen in Erinnerungen an längst zurückgetretene Spieler, längst abgerissene Stadien und eroberte Trophäen. Im Umfeld der Spitzenklubs werden Statuen vergangener Helden aufgestellt und in den Souvenirshops kann man originalgetreue Trikots historischer Spiele kaufen. Es gibt sogar Retro-Magazine wie “Bobby FC”, die sich auf Berichte über Teams und Spieler aus den 70er- und 80er-Jahren spezialisiert haben. Früher war das zwanghaft-sentimentale Interesse an der Vergangenheit eine Domäne besonders eingefleischter Fans, doch mittlerweile ist daraus ein Trend geworden. Der Vorspann der BBC-Sportsendung “Match of the Day” mit den Höhepunkten des Spieltags macht diese Entwicklung deutlich. Fast 51 Jahre lang wurden zum Auftakt der Sendung Szenen aktueller Fussballspieler gezeigt. Doch jetzt überwiegen historische Szenen und der 40-sekündige Vorspann wirkt wie eine Hommage an die Geschichte des Fussballs. Unterdessen wird selbst die Geschichte recht unbekannter Klubs in Büchern mit Titeln wie “Cambridge United: 101 Golden Greats” oder “The Best Scunthorpe United Chants Ever” gefeiert. Der Wunsch, sich auf schöne Erinnerungen zu besinnen, kann zum Teil als Reaktion auf die Veränderungen im modernen englischen Fussball gesehen werden. Doch Derek Hammond, Co-Autor der beliebten Nostalgie-Buchreihe

Got, Not Got

Die Nostalgie im ­Fussball hat viele ­Aspekte und dient ­vielen Bedürfnissen, allen voran dem Bedürfnis, sich ­wieder jung zu f­ ühlen – so jung wie damals, als unsere alten Legenden noch für uns spielten, schreibt David Winner.


NOS TALGIE

Besondere Ehre Wer es auf eine Briefmarke schafft, hat Grosses geleistet.

Spiel mit mir Torejagd auf dem Sofa.

Got, Not Got (6), Getty Images

Klares Bekenntnis Luton-Town-Fans sagen Nein zum Umzug nach Milton Keynes.

Werbefigur Pat Jennings als Bleistiftspitzer.

“Got Not Got” (“Hab ich, hab ich nicht”, in Anlehnung an das Tauschen von Fussballerbildchen in den 70er-Jahren) sieht darin etwas sehr viel Grundsätzlicheres. “Ich glaube nicht, dass Nostalgie eine englische ­Eigentümlichkeit ist”, sagt er. “Man denke nur an das deutsche Wort Sehnsucht oder das portugiesische Saudade oder auch das ghanaische Sankofa. Das ist einfach Teil der menschlichen Natur.” (Schweizer Ärzte hielten Nostalgie – ein Begriff, der sich aus den griechischen Wörtern für Heimkehr und Schmerz ableitet – eine Zeit lang für eine Krankheit) Allerdings gibt Hammond zu, dass englische Fussballfans oftmals in ungewöhnlichem Masse auf die Vergangenheit fixiert sind. “Warum tun wir dies so sehr? Ich weiss es wirklich nicht.” In seinen Büchern unternimmt er Streifzüge durch die reichlich belanglose Welt der “verlorenen Kultur, Schätze und Vergnügungen des Fussballs” in einer Zeitspanne, die etwa von Mitte der 60er- bis Mitte der 90er-Jahre reicht. Der Schwerpunkt liegt auf Sammlerobjekten: Fotografien alter Eintrittskarten, Frisuren der Spieler und Zeitungsausschnitte. Ein neues Buch mit dem Titel “Fully Programmed” ist alten Stadionzeitungen gewidmet. Derart banale Gegenstände können auf Männer eines bestimmten Alters mächtige Auswirkungen haben. “Das ist doch genau das, worüber der französische Schriftsteller Marcel Proust geschrieben hat, nicht wahr? Wenn du ein Bild eines Manchester-City-Taschenmessers siehst, das du im Jahr 1970 einmal

Torgarant David Jack von den Bolton Wanderers. T H E F I FA W E E K LY

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Im Zeichen des runden Leders Ankündigungen, Plakate und Magazine.

besessen und seither nicht mehr gesehen hast, dann katapultiert dich das in eine andere Zeit. Doch die Erinnerung an vergangene Zeiten stimmt nicht unbedingt mit der damaligen Realität überein.” Eines der reizvollsten Beispiele der neuen Leidenschaft für eine vergangene Welt ist der Twitter-Feed eines Arsenal-Spielers. “Wir hier bei Arsenal sind alle gleich. Missgunst hat bei uns keinen Platz”, twitterte @DBNJack in der vergangenen Woche. Er fügte allerdings verwirrenderweise noch hinzu, das Team werde seinen hervorragenden Saisonstart fortsetzen. “Wir haben in dieser Saison auswärts noch nicht verloren und ich bin sicher, dass die Jungs diese Serie noch verlängern können.” Moment mal – hat Arsenal nicht einen schlechten Saisonstart hingelegt? Doch, natürlich. Aber die Stimme gehört auch nicht dem aktuellen Arsenal-Spieler Jack Wilshere, sondern der Vereinslegende David Jack – und die Äusserung bezieht sich auf die Saison 1931/32! Jack war ein eleganter Superstar seiner Tage. Er erzielte 1923 in Diensten der Bolton Wanderers das allererste Tor im neu erbauten Wembley-Stadion und wurde später zum Kapitän der englischen Nationalmannschaft und zum teuersten Spieler der Welt. Er verstarb bereits 1958, doch dank seines Enkels Chris Jack lebt sein Geist in diesem, die Zeiten überbrückenden, kleinen Blog weiter. Auf diese Weise stellt Chris die Verbindung zur Vergangenheit seiner Familie wieder her. Er erklärt es wie folgt: “Mein Vater, David R. Jack, der 1990 starb, war ein bekannter Fussballautor. Als Kind bin ich an den Wochenenden 26

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Got, Not Got (9)

Subbuteo Billy Bremner als Spielfigur.


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Klamottensticker Team West Ham.

Ticket ins Glück FA-Cup-Finale 1964.

Sammel­ leidenschaft Die Stars von Tottenham Hotspur.

immer mit ihm zu den Spielen gegangen. Aber wir haben nie wirklich über seinen Vater und die alten Zeiten gesprochen. Das bedaure ich heute sehr.” Chris bezieht sein Material aus einem Buch über Trainerarbeit, das David Jack geschrieben hat, und aus dem Familienarchiv. Gelegentlich gestattet er sich etwas künstlerische Freiheit und erfindet beispielsweise ein Treffen des grossen Fussballers mit dem grossen Schriftsteller George Orwell (Orwell verkehrte in einem Pub, der Jack gehörte, doch es ist nicht bekannt, ob beide tatsächlich zusammentrafen). Doch für gewöhnlich bleibt Chris mit seinem Blog der Geschichte treu. Nostalgie funktioniert eben ein bisschen anders. Eine sachlichkühle Einschätzung des englischen Fussballs in den 80er-Jahren würde wohl anmerken, dass dies das Jahrzehnt war, in dem der englische Fussball fast untergegangen wäre. Das spielerische Niveau war dürftig, die Zuschauerzahlen gingen wegen der Hooligans zurück, und es gab die Stadionkatastrophen in Bradford, Heysel und Hillsborough. Und doch wird diese Ära heute als “Goldenes Zeitalter” und “Ära der Unschuld” gefeiert. Dies, so Hammond, liege daran, dass sich Nostalgiker eigentlich an etwas völlig anderes erinnern (wollen), nämlich an die Zeiten, als sie jung und glücklich waren. “Es gibt immer drei Wahrheiten”, sagt er und zitiert den grossartigen Filmproduzenten Robert Evans. “Meine Wahrheit, deine Wahrheit, und die wahre Wahrheit. Dabei lügt niemand. Die kollektive Erinnerung dient eben vielen verschiedenen Bedürfnissen.” Å

1979-1982 Das Trikot des Liverpool FC.

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WIN -WIN - PROGR AMM

Ein Traum wird wahr Mithilfe des Win-Win-Programms der FIFA wurde von März bis August 2015 die Auftaktsaison der ersten Profiliga der Dominikanischen Republik ausgetragen. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Fussballs im Land.

Starker Auftakt Atlético Pantoja feiert den ersten Meistertitel der neu gegründeten dominikanischen Profiliga.

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ls sich am 9. August Atlético Pantoja in einer packenden Partie gegen den ­Atlántico FC 3:1 durchsetzte, wurde er gekürt, der erste Meister der ersten Profiliga der Dominikanischen Repub­ lik. Jubel brach im Stadion unter den 11 000 Fans aus, es wurde gefeiert, und die Sonne strahlte auf freudig erregte Gesichter. Im Mittelpunkt stand nicht nur der Titel­ träger aus Santo Domingo, sondern eine Sai­ son voller spannender und qualitativ hoch­ wertiger Spiele. “Die Organisation der Profiliga und die Durchführung der ersten Spielzeit stellt den bisherigen Höhepunkt des 28

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dominikanischen Fussballs dar”, sagt Yaneri Martínez vom dominikanischen Fussball­ verband. Lange haben sie im Inselstaat auf diesen Moment gewartet. Seit 2002 existiert mit der Liga Mayor ein Amateurwettbewerb, der einer klaren Struktur einschliesslich Schiedsrich­ tern, Trainern und Spielern den Weg ebnete und für den Prozess der Einführung der ers­ ten Profiliga wichtig war. Damit einhergehend propagierte Verbandspräsident Osiris Guzman eine nachhaltige Entwicklung. Sie nahm dank des Zehnjahresplans, der zusammen mit der FIFA festgelegt worden war, Formen an. Durch

Grosser Andrang auf die Ligaplätze Die gewünschte professionelle Liga sollte Rea­ lität werden. In nur wenigen Monaten wurde auf den Stützen Recht, Wettbewerb, Marke­ ting und Kommunikation, Management und Finanzen der Start der ersten Saison vorberei­ tet. 30 Lizenzanträge von Klubs gingen beim Verband ein, sie alle wollten Teil eines histori­ schen Moments in der Fussballgeschichte des Landes werden. Zehn Teams haben es ge­ schafft und kämpften von März bis August um den Meistertitel. Unterhaltsam waren die Partien, meist knapp die Ergebnisse. In neun Stadien wurden die Spiele der Vereine Atlético Pantoja, Atlán­ tico FC, Bauger FC, Moca FC, Cibao FC, Univ. O&M FC, Barcelona Atlético, Atlético Vega Real, At. San Cristóbal und Delfines del Este ausgetragen. Der Zuschauerschnitt erhöhte sich von 250 Besuchern pro Spiel in der Ama­ teurliga auf durchschnittlich über 2000 in der Profiliga. Insgesamt verfolgten 209 636 Perso­ nen die Partien in den Stadien. Die Begeisterung erlebte am finalen Liga­Spieltag einen Höhepunkt, als eben jenes Team von Atlético Pantoja Platz 1 eroberte. Von ar­ gentinischen Immigranten gegründet, ging der Klub als Favorit ins Titelrennen. Investitionen wurden getätigt, der Druck auf die Mannschaft erhöht. Die Spieler wurden den grossen Erwar­ tungen gerecht.

Simon Bruty / FIFA

die Umsetzung des Win-Win-Programms wur­ de im Herbst 2014 der letzte Schritt zu einer Professionalisierung des Fussballs gemacht. Die Dominikanische Republik ist seit je ein sportbegeistertes Land. Bis jetzt auf der Beliebtheitsliste ganz oben stehen Baseball und Basketball. Wie sehr Fussball aber in den Herzen der Bewohner der Insel verankert ist, zeigt eine Marktstudie, die im Rahmen des Win-Win-Programms durchgeführt wurde. “Über 90 Prozent der Befragten wünschten sich eine professionelle Fussballliga”, gibt ­Javier L ­ ozano Auskunft, der als FIFA-Berater die ­Realisierung des Projekts betreut.


WIN -WIN - PROGR AMM

“Die Einführung der Profiliga stellt den bisherigen Höhepunkt des dominikanischen Fussballs dar.” Yaneri Martínez, dominikanischer Fussballverband

Positives Zwischenfazit Die Liga steht wirtschaftlich auf gesunden Beinen. Ein Namenssponsor konnte für vorerst drei Spielzeiten gefunden werden, und vier von fünf Spielen pro Runde wurden im Fernsehen übertragen. Yaneri Martínez freut es besonders, dass der Spielplan vollständig eingehalten werden konnte. Ein Indiz für die Professionalität aller Beteiligten. Das Fazit der ersten Saison fällt daher durchweg positiv aus. “Wir sind auf einem guten Weg”, bilanziert Javier Lozano. Es zeige sich, dass das Konzept rentabel ist, dass guter Fussball geboten wird und die Zuschauer den neuen Ligaalltag aufnehmen. Gleichzeitig will der Berater aber weiterhin nach Perfektion streben. Die Infrastruktur soll verbessert und einige Spielstätten erneuert werden. Ziele hat sich auch der Verband gesteckt, darunter die Verbesserung der Spieler und die Verpflichtung neuer Sponsoren. Die Nachfrage der Klubs ist auf jeden Fall vorhanden. Neue Lizenzanträge gingen für die zweite Saison bereits ein, die Liga gewinnt weiter an Attraktivität. Es gibt bereits den Wunsch nach einer zweiten Division. Die Einnahmen aus der ersten Spielzeit kamen den Klubs und der Nachwuchsarbeit zugute. Seit Kurzem unterstützt die FIFA ausserdem das Programm Escuelas de talentos (Talentschulen). Yaneri Martínez sagt: “Dieses Programm verfolgt das Ziel, Talente zu entwickeln, sie entsprechend ausgebildet in die Juniorenkategorien zu überführen und ihnen so die Möglichkeit zu geben, Profi zu werden.” Der Fussball ist angekommen in der Dominikanischen Republik. Å Annette Braun

Die FIFA arbeitet mit Fussball-Entwicklungsländern an Projekten, die für den Fussball nachhaltige und unabhängige Einnahmen generieren sollen. Die Mitgliedsverbände wenden sich mit einer Projektidee an die FIFA. Die FIFA prüft die Idee, bevor sie finanzielle und fachliche Unterstützung für die Umsetzung und den Betrieb leistet. Einnahmen aus dem Projekt müssen in den Fussball in diesem Land reinvestiert werden, was eine positive Dynamik schafft und das Wachstum des Fussballs vorantreibt.

D as W in- W in - P r ogr amm A lle v ier Jahre f eier n Fans r und um den Globus die Mannschaf ten bei der Fus s ball - Weltmeis ter schaf t und schaf f en damit Gänsehautmomente. Die FIFA möch te die Begeis ter ung weitergeben, auch an Nationen, die noch nicht im Fokus der Fus sball - Ö f f entlichkeit s tehen. Das von der FIFA ins L eben ger uf ene W in - W in Programm hat den A nspr uch, auf s trebenden Fus sballnationen mit Potenzial f ür Mehreinnahmen durch den Star t nachhaltiger Projek te zu einer grös seren f inan ziellen Unabhängigkeit zu ver helf en. Die Projek te f ür die einzelnen Ver bände – 40 sind f ür den Z eitraum von 2015 bis 2018 geplant – sind auf deren Umge bung abge s timmt und müs sen sic h nac h z wei Jahren selb s t tragen. E xper ten und von der FIFA einge set z te Berater begleiten die Ver bände bei der Umset zung de s Programms und helf en, das Potenzial der Projek te aus zuschöpf en. Inner halb de s W in - W in - Pr ogramms f inanzier t der Welt ver band zum Beispiel Fluc htlic htanlagen. Dadurc h können in südlic hen L änder n am A bend bei ange nehmer en Temp er atur en als tagsüb er Spiele s tat t f inden, wo dur c h mehr Z u sc hauer ins Stadion geloc k t, die T ic ke teinnahmen er höht und die Nac hf rage von T V- Sender n sowie Wer bepar tner n ge s teiger t werden. A lle Einnahmen, die von den Ver bänden durch das Programm gener ier t werden, f lie s sen in die f us sballer isc he Ent wic k lung der jeweiligen L änder zur üc k . L ang f r is tig soll dadurc h nic ht nur die Unabhängigkeit der Ver bände von der FIFA und von s taatlic her Unter s tüt zung gef örder t, sonder n auc h die Qualität und der Stellenwer t de s Fus sballs er höht werden. bra

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Football breaks down barriers Football builds bridges. It has a unique power to inspire friendship, respect and equality. FIFA’s Say No To Racism campaign is part of our commitment to tackle all forms of discrimination in football. Everyone should have the right to play and enjoy football without fear of discrimination. Say no to racism. For more information visit FIFA.com


FREE KICK

SPOTLIGHT ON

ALLGEMEINE INFORMATIONEN Land: Hongkong FIFA-Kürzel: HKG Konföderation: AFC Kontinent: Asien Hauptstadt: Hongkong

Teil des grossen Ganzen Sarah Steiner

Mario Wagner / 2Agenten

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exiko ist Weltmeister! Doppelweltmeister sogar. Am Homeless World Cup in Amsterdam schlug das Männerteam im Finale die Ukraine 5:2, und die Frauen bezwangen Chile 3:1. Grund zum Feiern also. Und Grund für einen offiziellen Staatsempfang. Präsident Enrique Peña Nieto empfing die Teams nach ihrer Rückkehr und sagte: “Die Spieler haben beweisen, dass Erfolg trotz Armut und sozialer Ausgrenzung erreicht werden kann.” 49 Nationen – 16 Frauen- und 48 Männerteams – kämpften Mitte September in der ­n iederländischen Hauptstadt um den Titel. Obdachlose, Strassenzeitungsverkäufer, trockene Alkoholiker und ehemalige Drogen­ abhängige, auch Flüchtlinge waren für den Wettbewerb zugelassen. Inmitten der anhaltenden Krise erlangte die 13. Auflage des Turniers eine ganz besondere Bedeutung. Und so verwunderte es dann auch nicht, dass der König der Niederlande persönlich die WM ­ eröffnete. Willem-Alexander musste gegen ­ den heimischen Keeper antreten. Auf dem Museumsplatz vor dem weltberühmten Rijksmuseum verschoss er den ersten Strafstoss, den zweiten verwandelte er sicher. Ins Leben gerufen wurde das Strassenfussballturnier 2003 von der Caritas Steiermark (Österreich) und dem Weltverband der Strassenzeitungen. “Man kann mit Fussball ein Leben verändern”, sagt der Präsident des Homeless World Cup, Mel Young. Das Turnier soll den Teilnehmenden helfen, aus der Isola­

tion herauszufinden, in die sie ihre Situation gebracht hat. Sowohl Freundschaft und Teamgeist als auch Vertrauen und Verantwortung sind wichtige Erfahrungen, die die Spielerinnen und Spieler spüren lassen, dass sie Teil ­eines grossen Ganzen sind. Die Begeisterung war grenzenlos. Der englische Kapitän Richard Jamieson gab der “Daily Mail” stolz ein Interview und erzählte: “Als vor dem ersten Spiel die Nationalhymne gespielt wurde, habe ich mich gefühlt, als ­w ürde ich gleich explodieren!” Ein Höhepunkt im Leben des 27-Jährigen, der nach dem Tod seiner Mutter im Drogen- und Alkoholsumpf und schliesslich im Gefängnis landete. Seine Mannschaft erhielt in Amsterdam prominente Unterstützung. Harry Redknapp, der frühere Coach von Southampton, Portsmouth, Tottenham Hotspur und den Queens Park Rangers, gesellte sich zum englischen Team und bot seine Unterstützung an. Sichtlich beeindruckt von den Spielern sagte er: “Sie sind voller Leidenschaft und Enthusiasmus. Ihre Probleme könnten jeden treffen. Wir sollten diesen Menschen mehr Mitgefühl entgegenbringen.” Å

GEOGR APHISCHE INFORMATIONEN Landesfläche: 1 104 km² Höchster Punkt: Tai Mo Shan 958 m ü. M. Nachbarmeere und -ozeane: Südchinesisches Meer

FUSSBALL MÄNNER FIFA-Ranking: 153. Rang Weltmeisterschaften: Bisher keine Teilnahmen

FUSSBALL FR AUEN FIFA-Ranking: 75. Rang Weltmeisterschaften: Bisher keine Teilnahmen

LET Z TE RESULTATE Männer: Hongkong - Katar 2:3 8. September 2015 Frauen: Hongkong - Palästina 2:2 15. März 2015

FIFA-INVES TITIONEN Seit 2003:

Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion

USD 3 914 964 T H E F I FA W E E K LY

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ZEITSPIEGEL

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Paris, Frankreich

1963

Getty Images

Kriegsversehrte vertreiben sich mit Kicken die Zeit.

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ZEITSPIEGEL

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Nairobi, Kenia

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Simona Maina / AFP

Ibrahim Wafula (r.) und Dedan Ireri beim Training des nigerianischen Nationalteams der Amputierten.

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Š 2015 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

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NET ZER WEISS ES!

Ist das Sabbatical für einen Trainer sinnvoll?

Z I TAT E DER WOC HE

“Ich gebe es zu: Mihajlovic und Balotelli haben sich kurz vor Ende des Transferfensters auf einem Parkplatz in Florenz in einem Auto mit getönten Scheiben getroffen. Es wirkte wie eine Szene aus einer Spionagegeschichte!” Adriano Galliani (Vizepräsident und Geschäfts­ führer der AC Milan) zum Verhältnis von Milans Trainer und seiner Nummer 45

“Sein grosses Ego entstand durch seine ­E itelkeit, durch seinen fantastischen Körper. Ronaldo bewunderte sich selbst im Spiegel, und die anderen warfen ­S tutzen und Suspensorien nach ihm.” Sir Alex Ferguson über Cristiano Ronaldo

“So etwas habe ich noch nie erlebt. Fünf Tore in neun Minuten. Etwas Ähnliches werde ich wohl auch nie mehr erleben.” Bayern Münchens Trainer Pep Guardiola über den historischen Fünferpack von Robert Lewandowski

Zürich, 1977 Günter Netzer bei einem privaten Shooting.

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ch war überrascht, als ich zum ersten Mal davon hörte, dass sich ein Trainer offiziell ein Sabbatical gönnt. Diese Art von ­Auszeit ist in den letzten Jahren in Mode gekommen. Meines Erachtens eine negative Entwicklung, sofern nicht tiefere Gründe am U ­ rsprung der Entscheidung stehen. ­G eschieht das Sabbatical nicht öfters aus einer Laune heraus? Ein Grund für eine längere Auszeit mag eine Weiterbildung sein, optimalerweise im Ausland. Ein anderer Grund ist die Gesundheit. Das Verschleisspotenzial hat in diesem Beruf zugenommen, und es ist nachvollziehbar, dass sich der eine oder andere Trainer am Ende einer turbulenten Spielzeit ausgebrannt fühlt. Falscher Ehrgeiz könnte sich fatal auswirken, und es macht Sinn, eine ­Situation zu prüfen und den Vertrag womöglich vorzeitig aufzulösen. Allerdings kritisiere ich es, wenn bei ­einem Sabbatical der persönliche wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund steht. Zum Beispiel wenn ein Trainer spontan eine ­ ­Auszeit einschiebt, um sich in eine bessere

Position für den nächsten Job zu bringen. Sich auf diese Weise Aufmerksamkeit zu verschaffen, schadet nicht nur dem Geschäft, sondern längerfristig auch der Person, die ja als authentisch wahrgenommen werden möchte. Ein guter Trainer sollte deshalb sein taktisches Geschick immer auf dem Fussballfeld unter Beweis stellen und nicht auf dem Arbeitsmarkt. Å

“Ich bin mit Phillip Cocu ins Krankenhaus gefahren. Am Anfang war die Situation dort ziemlich schwer für mich. Aber Luke war sehr nett und hat mir keine Schuld gegeben. Er hatte die Bilder von der Szene auch gesehen und meinte: ‘Das gehört nun mal zum Fussball.’ Da konnte ich wieder ein bisschen lächeln.” Héctor Moreno (Eindhoven) über seinen ­Krankenhausbesuch bei Luke Shaw (Manchester United), dessen Bein er gebrochen hatte

“15 Punkte nach 8 Spielen ist irre. Wir haben es geschafft, unsere Stärken auszuspielen, die Stärken unseres Klubs, unsere kollektive Disziplin. Wir sind nicht verrückt und natürlich wissen wir, dass Marseille individuell und kollektiv stärker ist als wir. Aber im Fussball können eben auch kleine Teams den grossen das Leben schwer machen.” Was wollten Sie schon immer über Fussball w­ issen? Fragen Sie Günter Netzer: feedback-theweekly@fifa.org

Stéphane Moulin, Trainer von Angers, nach dem 2:1-Sieg bei Marseille T H E F I FA W E E K LY

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FIFA PARTNER


TURNING POINT

“Kevins Geburt veränderte mein Leben” Vier Klubs, sechs Meistertitel, vier Pokalsiege. Seinen schönsten Moment erlebte der Schwede ­Stefan Rehn aber nach seiner aktiven Karriere.

Joel Marklund / BILDBYRÅN

M

eine letzte Saison als Fussballprofi endete 2002 grandios. Erst mein ­ sechster schwedischer Meistertitel mit Djurgardens IF. Dann, im glei­ chen Jahr, der Triumph im Landes­ pokal. Das Double war selbst als Routinier mit 36 Jahren sehr emotional. Was es aber heisst, wenn einen die Gefühle über­ mannen, erlebte ich erst ein Jahr später: Am 29. Mai 2003 kam mein Sohn Kevin zur Welt. Annelie, meine Frau, blickte der Geburt eher gelassen entgegen. Es erstaunte mich, wie ruhig sie war, als wir gemeinsam zum Krankenhaus in Stockholm fuhren. Auf der Station herrschte viel Betrieb, und es schien erst, als hätte niemand Zeit für meine Frau. Ich war nervös. Was konnte alles schief­ gehen? War das Kind gesund? Bleibt Annelie gesund? Zwölf Stunden dauerte die Geburt, und ich spüre heute noch diesen unbeschreibli­ chen Stolz, als ich meinen gesunden Kevin zum ersten Mal auf den Armen trug. Die Uhrzeit? Es war mitten in der Nacht. Das sonst so pulsierende Stockholm schlief. Und Annelie und ich waren die glücklichsten Menschen in der Stadt. Kevins Geburt war deshalb ein Wende­ punkt in meinem Leben, weil sich von dem Moment an grundlegende Dinge um mich

herum veränderten. Nach verlorenen Fuss­ ballspielen verhielt ich mich zu Hause oft sonderbar, war manchmal unausstehlich. Selbstverständlich verliere ich auch heute nicht gern. Aber mal ganz ehrlich: Gibt es nicht Wichtigeres als Dribblings, Tore und Punkte im Leben? Nach Niederlagen fällt es mir heute leichter, den Fussball einfach mal beiseitezuschieben. Mein Sohn ist dieses Jahr zwölf Jahre alt geworden und spielt in unserem Dorf Näset, unweit von Stockholm, Fussball. Er ist im defensiven Mittelfeld positioniert. Vor allem aber macht er mich als Zuschauer an der Sei­ tenlinie sehr glücklich. Oft denke ich dann an diese Nacht im Jahr 2003 zurück, als er zum ersten Mal neben mir einschlief. Å Aufgezeichnet von Alan Schweingruber

Name Jan Stefan Rehn Geburtsdatum, Geburtsort 22. September 1966, Stockholm, Schweden Position Mittelfeldspieler Stationen als Spieler 1984–1989/2000–2002 Djurgardens IF 1989–1990 Everton FC 1990–1995 IFK Göteborg 1995–2000 Lausanne Sports Stationen als Coach 2007–2010 IFK Göteborg 2011–2013 Jitex BK seit 2014 Kopparbergs / Göteborg FC Nationalteam Schweden 45 Einsätze, 6 Tore

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. T H E F I FA W E E K LY

37


W E LT R A N G L I S T E D E R M Ä N N E R

Argentinien (unverändert) Spanien (6, plus 5) Rumänien (13, minus 6) 149 Amerikanisch-Samoa, Cook-Inseln, Gabun, Samoa, Tonga (je 3 Spiele) Norwegen (plus 243 Punkte) Liberia (plus 65 Ränge) Rumänien (minus 134 Punkte) Zypern, EJR Mazedonien (je minus 28 Ränge)

Spitzenreiter Aufsteiger in die Top 10 Absteiger aus den Top 10 Spiele insgesamt Teams mit den meisten Spielen Grösster Aufsteiger nach Punkten Grösster Aufsteiger nach Rängen Grösster Verlierer nach Punkten Grösster Verlierer nach Rängen Rang Team

+/- Punkte

Rang Team

+/- Punkte

Rang Team

+/- Punkte

Letzte Aktualisierung: 1. Oktober 2015 Rang Team

+/- Punkte

1 Argentinien

0 1419

55 Guinea

8

582

109 Simbabwe

-1

313

163 Myanmar

-1

147

2 Deutschland

1 1401

55 Japan

3

582

110 Georgien

37

308

164 Amerikanisch-Samoa

35

145

3 Belgien

-1 1387

57 Jamaika

-5

576

111 Botsuana

7

305

165 Puerto Rico

-13

134

4 Portugal

2 1235

58 Australien

3

567

112 St. Kitts und Nevis

7

303

166 Cook-Inseln

39

132

5 Kolumbien

-1 1228

59 Trinidad und Tobago

-5

564

113 Burundi

21

302

167 Indien

-12

128

6 Spanien

5 1223

60 DR Kongo

5

563

114 Zypern

-28

300

168 Mauritius

17

123

7 Brasilien

-2 1204

61 Paraguay

-6

552

115 Aruba

22

299

169 Neukaledonien

-3

120

8 Wales

1 1195

62 Mali

-2

546

116 Litauen

-7

298

170 Osttimor

-7

118

9 Chile

-1 1177

63 Serbien

3

538

117 Kuba

-4

294

171 Malaysia

-2

111

10 England

0 1161

64 Finnland

28

534

118 Belize

10

292

171 Indonesien

-6

111

11 Österreich

2 1100

65 Gabun

-2

529

119 Dominikanische Republik

4

290

173 Bhutan

-9

106

12 Schweiz

5 1044

65 Panama

-6

529

120 Niger

-19

287

174 Dominica

-2

102

13 Rumänien

-6 1042

67 Äquatorial-Guinea

-5

510

121 Sierra Leone

-16

286

175 Tschad

-4

100

14 Niederlande

-2 1004

96

15 Tschechische Republik

5

983

69 Venezuela

16 Kroatien

-2

965

67 Bolivien

0

510

122 St. Vincent und die Grenadinen

-6

284

176 Malediven

1

-19

501

123 Syrien

-2

283

177 Pakistan

-7

89

70 Vereinigte Arabische Emirate

0

491

123 Bahrain

-11

283

178 Amerikanische Jungferninseln

-2

88

17 Italien

-1

962

71 Sambia

3

487

125 Namibia

-14

274

179 Laos

-5

85

18 Slowakei

-3

936

72 Montenegro

5

470

126 Zentralafrikanische Republik

42

271

180 Jemen

-5

82

19 Algerien

0

927

73 Südafrika

-1

465

127 Madagaskar

-6

262

181 Suriname

20 Uruguay

-2

919

74 Usbekistan

2

464

128 Kuwait

-1

260

-15

79

182 Bangladesch

-9

77 69

21 Elfenbeinküste

0

916

75 Uganda

-4

455

129 DVR Korea

-3

252

183 Chinese Taipei

-4

22 Frankreich

2

899

76 Burkina Faso

-3

427

130 Palästina

-11

246

184 Seychellen

8

67

23 Island

0

882

77 Haiti

10

418

131 Kenia

-15

245

184 Montserrat

-6

67

24 Ukraine

5

874

78 Bulgarien

-10

414

132 EJR Mazedonien

-28

239

186 Kambodscha

-6

66

25 Ghana

2

849

79 Togo

0

411

132 Moldawien

-8

239

187 Brunei Darussalam

-5

61

26 Russland

6

845

80 Marokko

5

407

134 Philippinen

-9

238

188 Tahiti

-6

60 59

27 Mexiko

-1

842

81 VR China

3

405

135 Swasiland

0

224

189 Fidschi

-8

28 Dänemark

-6

835

82 Guatemala

16

401

136 Tansania

4

218

190 Nepal

-5

51

29 USA

-1

807

83 Antigua und Barbuda

22

400

137 Guyana

17

210

191 Sri Lanka

-7

49

30 Bosnien und Herzegowina

0

787

84 Sudan

5

399

138 Bermuda

-6

209

191 Cayman-Inseln

-4

49

31 Ecuador

3

765

85 Irak

-3

396

139 St. Lucia

-8

208

193 Komoren

-3

48

32 Albanien

-7

755

85 Färöer

-10

396

140 Libanon

-7

201

193 Macau

-6

48

33 Ungarn

4

741

87 Estland

-7

388

140 Lesotho

-12

201

193 São Tomé und Príncipe

-3

48

34 Norwegen

35

739

88 Saudiarabien

5

384

142 Kasachstan

3

199

196 San Marino

-3

35

35 Nordirland

6

724

89 Mauretanien

25

379

142 Luxemburg

-1

199

197 Turks- und Caicos-Inseln

-3

33

36 Tunesien

-3

722

89 Honduras

-8

379

144 Südsudan

54

198

197 Salomon-Inseln

-10

33

37 Türkei

9

717

91 Armenien

-8

377

145 Thailand

-8

196

199 Britische Jungferninseln

-4

27

38 Senegal

0

713

92 Katar

2

365

146 Kirgisistan

9

195

200 Tonga

-1

17

39 Iran

1

703

93 Ruanda

-15

364

147 Guinea-Bissau

-5

193

201 Vanuatu

-4

13

40 Schottland

-9

702

94 El Salvador

13

363

148 Neuseeland

-12

188

202 Eritrea

-1

8

41 Kap Verde

15

701

95 Liberia

65

360

149 Vietnam

3

187

203 Mongolei

-1

6

42 Costa Rica

-3

691

95 Nicaragua

44

360

150 Afghanistan

-20

183

203 Somalia

-1

6

43 Polen

-9

680

97 Angola

-9

353

150 Guam

-4

183

205 Andorra

-3

5

44 Griechenland

0

676

98 Belarus

-1

350

152 Curaçao

-4

181

206 Dschibuti

-1

4

45 Schweden

-9

672

99 Jordanien

-8

348

153 Hongkong

-2

180

206 Papua-Neuguinea

-1

4

46 Slowenien

-1

662

100 Benin

15

341

154 Barbados

-10

175

208 Anguilla

0

0

47 Israel

-1

659

101 Malawi

-5

339

155 Turkmenistan

-6

172

208 Bahamas

0

0

48 Kamerun

-6

640

102 Oman

-2

338

156 Liechtenstein

-6

170

49 Kongo

-7

636

103 Lettland

-13

335

157 Singapur

0

164

50 Peru

-2

623

104 Kanada

-2

333

157 Malta

3

164

51 Ägypten

-2

620

105 Aserbaidschan

5

328

159 Grenada

-1

159

52 Nigeria

1

600

105 Libyen

-7

328

160 Tadschikistan

-2

156

53 Republik Korea

4

590

107 Mosambik

-12

327

161 Gambia

-18

154

54 Republik Irland

-3

587

108 Äthiopien

-5

315

162 Samoa

34

152

38

T H E F I FA W E E K LY

http://de.fifa.com/worldranking/index.html


PUZZLE

Ziel beim Sudoku-Lösen ist es, die leeren Zellen des Spielfeldes mit den Ziffern 1 bis 9 so auszufüllen, dass in jeder Zeile und in jeder Spalte sowie in jedem 3x3-Teilquadranten jede dieser Ziffern genau ein Mal steht.

Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

Präsident Joseph S. Blatter

1

8

2

4

3

4

3

9

5 7

Geschäftsführender Generalsekretär Markus Kattner

8

Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Nicolas Maingot (a. i.)

3

Chefredakteur Perikles Monioudis

6

2 7

6

7

9

8

3

8

7

MIT TEL

7

4

2

6

5 9

9 5

7

2

2 4

3

4 4

Redaktionsassistenz Alissa Rosskopf

3

5

2

6

7 1

7

1

Projektmanagement Bernd Fisa, Christian Schaub

9

3 8

Produktion Hans-Peter Frei

1

6

8

3

8

5

4

SCHWER

1

3

4

4

Kontakt feedback-theweekly@fifa.org

8 3

6

2

7

4

Internet www.fifa.com/theweekly

Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.

5

4

2

Mitarbeit an dieser Ausgabe Emanuele Giulianelli, Daniel Masters

Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2015) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.

8

5

Ständige Mitarbeitende Ronald Düker, Matt Falloon, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Andreas Jaros, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn

Druck Zofinger Tagblatt AG

8

1

Korrektorat Nena Morf (Leitung), Martin Beran, Kristina Rotach

Übersetzung www.sportstranslations.com

3

1

Art Direction Catharina Clajus

Layout Richie Krönert (Leitung), Tobias Benz, Susanne Egli

9

2

Redaktion Alan Schweingruber (Stv. Chefredakteur), Annette Braun, Sarah Steiner

Bildredaktion Peggy Knotz, Christiane Ludena (13 Photo; Vetretung)

1

LEICHT

8 5

7

6

9

7

2

3 1

4 6

2

6

4 1

1

8

7

T H E F I FA W E E K LY

Puzzles courtesy: opensky.ca/sudoku

Herausgeberin FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Telefon +41-(0)43-222 7777, Fax +41-(0)43-222 7878

39


FOOTBALL FOR HOPE

Football for Hope ist unser weltweites Bekenntnis, mithilfe des Fussballs eine bessere Zukunft zu gestalten. Bislang haben wir über 550 lokale Projekte unterstützt, die sich mit dem Fussball verantwortungsvoll für soziale Anliegen einsetzen und so Jugendlichen und ihrem Umfeld ein besseres Leben und neue Perspektiven eröffnen.

Weitere Informationen finden Sie unter der Rubrik Nachhaltigkeit auf FIFA.com.


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