The FIFA Weekly Ausgabe #5

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NR. 5, 22. NOVEMBER 2013

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

Die WM 2014 in Brasilien mit Traumbesetzung

Spektakel garantiert

SEPP BLATTER: PRIVATAUDIENZ BEIM PAPST

GUY ROUX: DER FRANZÖSISCHE DENKER

FRANCESCO TOTTI: COMEBACK FÜR ITALIEN? W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


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Das Wunder von Kairo Vom politischen Ausnahmezustand in Ägypten ist auch der Fussball betroffen. In der Liga ruht der Spielbetrieb, Al-Ahly, der bedeutendste Klub des Landes, darf sein eigenes Stadion nicht nutzen. Trotzdem gewann er die afrikanische Champions League.

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Die russische Premjer-Liga boomt Im Schatten der europäischen Top-Ligen ist die russische Meisterschaft zu einem attraktiven Betätigungsfeld geworden. Der ­P­etrodollar rollt, die Klubs setzen auch in Europa Akzente. Selbst aus Brasilien blickt man interessiert in Richtung Osten.

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Im Interview: Francesco Totti 37 Jahre – und so gut wie in seinen besten Tagen. Francesco Totti spielt mit der AS Roma in der Serie A eine herausragende Saison. Das macht ihn auch für Nationaltrainer Cesare Prandelli zu einem Thema.

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Südamerika 10 Mitglieder 5,5 WM-Plätze www.conmebol.com

Weekly Top 11 Von München bis Zürich – das Ranking der spektakulärsten Aufholjagden der Fussballgeschichte.

Guy Roux – der ewige Trainer Er war 44 Jahre Trainer der AJ Auxerre, er lehnte zweimal ein Angebot des französischen Verbandes ab, sein Wort hat noch heute Gewicht. Guy Roux erklärt das Rezept für Unvergänglichkeit.

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder 3,5 WM-Plätze www.concacaf.com

Ronaldo und das Fest der Weltmeister Mit Uruguay qualifizierte sich am Donnerstag die letzte Mannschaft für die WM-Endrunde in Brasilien. Das Feld der 32 Teilnehmer liest sich wie ein Who is Who der Fussball-Geschichte: Alle acht Weltmeister greifen in Brasilien nach dem Titel. Der herausragende Individualist steht in einem Team, das noch auf den ersten internationalen Grosserfolg wartet: Cristiano Ronaldo – der König von Portugal.

Lionel Messi WM-Titelfavorit mit Argentinien

epp Blatter zu Besuch beim Papst S Der Fussball überwindet ethnische und religiöse Grenzen. Auch weil er Ideologien keine Plattform bietet. FIFA-Präsident Sepp Blatter schreibt in seiner Kolumne über seine Einstellung zur Religion und erzählt von der Privataudienz bei Papst Franziskus.

D ie grosse Lektion fürs Fussball-Mutterland Vor 60 Jahren spielte sich an einem nebligen Nachmittag auf dem Wembley-Rasen Geschichtsträchtiges ab: Das ungarische Wunder-Team demontierte England 6:3. Es war der erste Sieg einer kontinentaleuropäischen Mannschaft im Fussball-Mutterland.

Qualifiziert

Qualifiziert

USA

Brasilien (Gastgeber)

Costa Rica

Argentinien

Honduras

Ecuador

Mexiko

Chile Kolumbien Uruguay

iedergeburt in der Telefonzelle W Partys, Joints, Frauen: Wynton Rufer, Ozeaniens Fussballer des Jahrhunderts, war kein Kind von Traurigkeit. Doch dann erfuhr sein Leben in den Schweizer Bergen eine überraschende Wende.

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D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S

Europa 53 Mitglieder 13 WM-Plätze www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder 5 WM-Plätze www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder 4,5 WM-Plätze www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder 0,5 WM-Plätze www.oceaniafootball.com

Guy Roux Eine Begegnung Ferenc Puskas Erinnerungen an Ungarns Wunderteam

Kim Jin Su Auch der Südkoreaner trägt die Religion auf den Platz

NR. 5, 22. NOVEMBER 2013

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

Die WM 2014 in Brasilien mit Traumbesetzung

Spektakel garantiert

SEPP BLATTER: PRIVATAUDIENZ BEIM PAPST

GUY ROUX: DER FRANZÖSISCHE DENKER

FRANCESCO TOTTI: COMEBACK FÜR ITALIEN? W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY

Spektakel garantiert Cristiano Ronaldo sicherte Portugal mit vier Toren gegen Schweden das WM-­ Ticket. Jetzt will er mit seinem Land den ersten internationalen Titel holen.

Francesco Totti Im Interview Cristiano Ronaldo Mann der Stunde

Cover: Michael Campanella/EQ Images  Inhalt: AFP/Getty Images

Wynton Rufer Was 1986 geschah

Qualifiziert

Qualifiziert

Qualifiziert

Italien

Algerien

Australien

Niederlande

Elfenbeinküste

Japan

England

Nigeria

Iran

Russland

Kamerun

Korea

Belgien

Ghana

keine Teams qualifizier t

Schweiz Bosnien-Herzegowina Deutschland Spanien Por tugal Frankreich Griechenland Kroatien

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UNCOVERED

Der Einzigartige

Gestylt und bereit für die WM: Cristiano Ronaldo hat für Brasilien eingecheckt.

Thomas Renggli

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r polarisiert wie kein anderer Fussballer, er wird vom gegnerischen Publikum bei jeder Ballberührung ausgepfiffen, denn Bescheidenheit gehört nicht zu seinen grössten Tugenden: “Die Leute sind neidisch auf mich, weil ich gut aussehe, reich und ein grossartiger Fussballer bin”, sagt er. Während das Aussehen Ansichtssache ist, besteht bei den anderen beiden Einschätzungen kein Interpretationsspielraum. Mit einem Transferwert von 94 Millionen Euro und einem bei Real Madrid vertraglich zugesicherten Jahresgehalt von 17 Millionen Euro ist er, Cristiano Ronaldo, der teuerste Fussballer der Welt. Und er ist gut – sehr gut. Dies musste am vergangenen Dienstag im WM-Playoff selbst Zlatan Ibrahimović anerkennen. Der Schwede, ebenfalls kein Muster an Demut und Zurückhaltung, applaudierte Ronaldo auf dem Platz der Friends Arena in Solna unverblümt – in einem Gefühl aus Konsternation, Bewunderung und Ohnmacht.

Ronaldo hatte genau das getan, was er für Real Madrid Woche für Woche mit einer überwältigender Zuverlässigkeit tut, das angesichts seiner Selbstdarstellung und Aussenwahrnehmung aber fast ein bisschen in Vergessenheit gerät: Er erzielte Tor um Tor und entschied das Spiel praktisch im Alleingang. Mit vier Treffern in den beiden Playoff-Spielen gegen Schweden (bei einem Gesamtscore von 4:2) lieferte der 28-jährige Stürmer in den entscheidenden Partien alle Tore zur portugiesischen Qualifikation – im Hinspiel mit einem grandiosen Flugkopfball im Rückspiel mit meisterlicher Schusstechnik.

spricht aber gegen ein lusitanisches Sommermärchen auf dem Gebiet der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Wer in der Qualifikationsgruppe an Russland scheitert, wer sich in der Barrage gegen Schweden nur mit Hängen und Würgen durchsetzt – und wer derart von einem einzelnen Spieler abhängig ist, hat über eine gesamte Endrunde betrachtet möglicherweise nicht die besten Karten. Ronaldo muss dies nicht stören. Er wird die Weltmeisterschaft so oder so zur persönlichen Show verwandeln. An seine fussballerische Klasse kommt derzeit niemand heran. Å

In der Übertragung des portugiesischen Fernsehens entstand das Gefühl, nicht die Auswahl Portugals spiele gegen Schweden – sondern allein Ronaldo. Die Kommentatoren jedenfalls klangen wie Bewegungssensoren einer Einbruchssicherung. Kam Ronaldo auch nur in die Nähe des Balles, heulten sie auf. Dank Ronaldo träumt Portugal in Brasilien vom grossen Coup. Die sportliche Wahrheit T H E F I FA W E E K LY

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Der Portugiese Cristiano Ronaldo (l.) erzielt im Playoff-R端ckspiel in Stockholm seinen ersten von drei Treffern gegen Schweden. 6

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Gipfeltreffen. Das Teilnehmerfeld der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien steht fest. Es verspricht im Land des Rekordweltmeisters ein Spektakel der Superlative.

Joel Marklund/Bildbyran/fresh focus

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Thomas Renggli und Perikles Monioudis

n Paris feiern die Zuschauer, als hätte die französische Nationalmannschaft Weltmeisterschaft und Olympische Spiele gleichzeitig gewonnen: Die Marseillaise im Ohr, die Tricolore vor Augen. Verteidiger Patrick Evra geht in die Offensive und drückt Trainer Didier Deschamps einen schmatzenden Kuss auf die Wange. “Das ist die Magie des Fussballs”, spricht Deschamps, der Weltmeister von 1998, später in die Mikrofone. Aus Deutschland meldet sich der Ex-Internationale Andreas Möller, Europameister von 1996, zu Wort: “Wer sich mit einer derartigen Willensleistung im letzten Moment für die WM qualifiziert, steigt mit grossem Schwung in die Endrunde. Dieser Erfolg ist für die Teambildung ganz wichtig”, sagt er über den Auftritt des Rivalen.

Die grosse Ronaldo-Show Dies gilt für alle europäischen Teams, die den Umweg über die Playoffs gehen mussten. Mit Griechenland (gegen Rumänien), Kroatien (gegen Island) und Portugal (gegen Schweden) setzten sich ausnahmslos die im FIFA-Ranking höher dotierten Mannschaften durch. Dass der Erfolg des portugiesischen Teams gleichwohl in den Köpfen haften bleibt, ist vor allem auf einen Mann zurückzuführen: Cristiano Ronaldo, den so genialen wie umstrittenen Goalgetter von Real Madrid. In einem hochstehenden Duell mit dem schwedischen Star Zlatan Ibrahimovic (The FIFA Weekly, Nr. 4/2013) erzielte Ronaldo alle vier Tore seiner Mannschaft und lässt ganz Portugal hoffen, dass von dem eigenen Team im kommenden Juli nicht nur ­melancholische Fado-Klänge zu hören sind. Sie bestätigten 8

Q U A L I F I Z I E R T : Frankreich. Weltmeister 1998. Im Bild: Karim Benzema (l.) und Mamadou Sakho.

sich als Playoff-Spezialist. Zum dritten Mal in Folge qualifizierten sie sich über Umwege für eine Endrunde. Zwei Wochen vor der Auslosung der Vorrundengruppe im Badeort Costa do Sauipe sind aus Europa allerdings andere Mannschaft stärker einzuschätzen. Allen voran das deutsche Team, das auf seinem Sturmlauf durch die Qualifikation nur zwei Punkte verloren und mit Abstand am meisten Tore (36) aller Europäer erzielt hat. Ohne Niederlagen kamen auch Titelverteidiger Spanien, die Ex-Weltmeister Italien und England sowie die Niederlande (mit Topscorer Robin van Persie), Belgien (The FIFA Weekly, Nr. 2/2013) und die Schweiz über die Runden.

Die spanische Mannschaft lieferte vor allem in der Defensive eine nahezu makellose Leistung ab – mit nur drei Gegentreffern in acht Spielen. Das gleiche gilt für die belgische Auswahl, die sich in der unbequemen Gruppe gegen Kroatien und Serbien überlegen durchsetzte, sowie für die Schweiz, die in zehn Spielen nur bei drei Unentschieden Punkte einbüsste. Dank ihren konstanten Leistungen haben sich Belgien (5.) und die Schweiz (7.) im FIFA-Ranking so weit nach vorn gearbeitet, dass sie auf Kosten von arrivierten Nationen wie die Niederlande, Italien oder England für die Gruppenauslosung in Topf 1 gesetzt sind. Bosnien als neue Grösse Zu den neuen Grössen im europäischen Geschäft zählt Bosnien-Herzegowina. Von den Top

“Wer sich mit einer derartigen Leistung im letzten Moment für die WM qualifziert, steigt mit grossem Schwung in die Endrunde.” Andreas Möller T H E F I FA W E E K LY

Getty Images

Der Erfolg der Franzosen wertet die 20. WM-Endrunde zusätzlich auf: Sämtliche acht Weltmeister der Geschichte spielen im kommenden Juli in Brasilien um den Titel. Bei allem französischen Überschwang in der Stunde der Erlösung darf allerdings eines nicht vergessen werden: Das 3:0 gegen die Ukraine war kein meisterlicher Auftritt, sondern vorerst nur die Schadensbegrenzung nach einer enttäuschenden Qualifikationsphase im Allgemeinen und einer blamablen Vorstellung im Playoff-Hinspiel in Kiew im Speziellen (0:2). Mit dem Erreichen der Endrunde hat Frankreich die Pflicht erfüllt – mehr nicht. Vom Anspruch, den die Grand Nation an sich selber stellt, sind die Bleus noch weit entfernt.


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Q U A L I F I Z I E R T : Italien. Weltmeister 1934, 1938,

Q U A L I F I Z I E R T : Spanien. Weltmeister 2010.

Q U A L I F I Z I E R T : Deutschland. Weltmeister

1982 und 2006. Im Bild: Pablo Daniel Osvaldo.

Im Bild: Sergio Ramos.

1954, 1974 und 1990. Im Bild: Mesut Özil.

4 in der europäischen Torschützenliste gehören zwei Spieler – Edin Dzeko und Vedad Ibisevic – zur Mannschaft von Trainer Safet Susic. Die Aufsteiger der Qualifikationskampagne forderten ihre Opfer: Kein Verband aus Nordeuropa schaffte den Sprung nach Brasilien. Und auch aus dem früheren Ostblock glänzen – abgesehen von Russland – alle Mannschaften durch Abwesenheit. Prominentester Verlierer ist die tschechische Auswahl, die sich hinter Italien und Dänemark in ihrer Ausscheidungspoule mit Platz 3 begnügen musste.

zu den Schlüsselspielern des Coaches Reinaldo Rueda aus Kolumbien.

über die Playoffs (The FIFA Weekly Nr. 3/2013). Allein mit den Stürmern Luis Suarez (Liverpool FC), Edinson Cavani (Paris St-Germain) und dem Altstar Diego Forlan als Joker müsste Uruguay dem Gegner das Fürchten lehren. Dass das Team in die Playoffs (gegen Jordanien) musste, um sich für Brasilien 2014 zu qualifizieren, war für seine Anhänger demütigend. Allerdings kannten sie das bereits. Auch für die WM 2010 musste sich Uruguay über die “Hoffnungsrunde” (gegen Costa Rica) empfehlen – dann aber folgte der dritte Rang im WM-Turnier von Südafrika.

Uruguays Umweg Die Qualifikation endete nicht nur in Europa ohne allzu grosse Überraschungen. Auch in den anderen Kontinenten bzw. Konföderationen haben sich jene Verbände durchgesetzt, von denen man das im Allgemeinen erwartet hatte – mit wenigen Ausnahmen wie Südafrika.

Kolumbien, die Nummer vier der Welt, war zuletzt in Frankreich 1998 mit von der Partie und rückt 2014 zum fünften Mal ins WM-Tableau. Der Stürmer Falcao (AS Monaco) soll einen Marktwert von 60 Millionen Euro haben. Zuspiele erhält er in Klub wie Nationalteam vom jungen Mittelfeldspieler James Rodriguez (22, 32 Millionen). Der Stürmer Jackson Martinez (FC Porto) soll 30 Millionen Euro wert sein, Chelsea und Arsenal interessieren sich für den 27-Jährigen. Doch für die grösste Überraschung in der Conmebol sorgte der zweifache Weltmeister Uruguay, die Weltnummer sechs: Das Verpassen der direkten Qualifikation und der Umweg

In der Concacaf fanden mit Mexiko, den USA, Costa Rica und Honduras jene vier Teams ins WM-Tableau, die man da auch vermutet hätte. Mexiko allerdings musste den Umweg über Neuseeland in Kauf nehmen (Playoffs).

Aus der Conmebol mit Brasilien als Gastgeber und Argentinien als zweifachem Weltmeister haben sich auch Chile, Ecuador und Kolumbien für die Endrunde qualifiziert. Chile, die Nummer 12 im FIFA-Ranking, war 2010 in Südafrika dabei und darf sich in Brasilien über die neunte Teilnahme an einer WM freuen. Arturo Vidal (Juventus Turin) im Mittelfeld und der Rechtsaussen Alexis Sanchez (Barcelona) gehören zu den Teamstützen. Das Freundschaftsspiel beim WM-Gastgeber verlor die Mannschaft des argentinischen Coaches Jorge Sampaola am vergangenen Mittwoch 1:2. Ecuador (FIFA-Nr. 22) nimmt zum dritten Mal an einer Endrunde teil, der Verband war zuletzt 2006 in Deutschland im Feld. Der Aussenstürmer Antonio Valencia (Manchester United), der Mittelfeldspieler Christian Noboa (Dinamo Moskau) oder der weitgereiste Skorer Felipe Caicedo (Lokomotive Moskau) gehören

Q U A L I F I Z I E R T : England. Weltmeister 1966. Im Bild: Wayne Rooney.

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“Wir müssen die Gruppenphase überstehen.” US-Trainer Jürgen Klinsmann

Q U A L I F I Z I E R T : Brasilien. Weltmeister 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002. Im Bild: Neymar.

Die USA unter dem deutschen Coach Jürgen Klinsmann schaffte die “schwere Aufgabe” und hat das Potenzial in Brasilien die Gruppenphase zu überstehen (The FIFA Weekly Nr. 3/2013).

Q U A L I F I Z I E R T : Uruguay. Weltmeister 1930 und 1950. Im Bild: Luis Suarez.

Keine Überraschung in Asien Auch in Asien gab es keine grossen Überraschungen. Umso spannender wird es nun sein, die Teams aus Japan (FIFA-Nr. 44, 5. WM-Teilnahme) und Südkorea (FIFA-Nr. 56, 9.) in Brasilien zu verfolgen. Das spielstarke japanische Team besteht praktisch nur aus Professionals, die in Europa unter Vertrag stehen. Keisuke Honda (Lokomotive Moskau) oder Shinji Kagawa (Manchester United) zaubern im Mittelfeld, und der Stürmer Shinji Okazaki (1. FSV Mainz 05) trifft – insgesamt acht Mal in der Qualifikation. Das macht den 27-Jährigen zum besten Torschützen in der AFC. Australien (FIFA-Nr. 57, 4.) und Iran (FIFA-Nr. 49, 4.) komplettieren die asiatischen Vertreter. Iran schaffte das Kunststück, mit acht erzielten Treffern in acht Partien die Gruppe zu gewinnen.

Getty Images, Reuters

In Afrika reüssierten Algerien (FIFA-Nr. 32, 4. WM-Teilnahme), Kamerun (59, 7.), Ghana (23, 3.), die Elfenbeinküste (17, 3.) und Nigeria (33, 5.). Ghana erzielte in sechs Spielen 18 Treffer und musste in den Playoffs gegen das starke Team Ägyptens antreten, mit dem man dann allerdings leichtes Spiel hatte. Die sieben WM-Teilnahmen Kameruns bedeuten Afrikarekord.

Q U A L I F I Z I E R T : Argentinien. Weltmeister 1978 und 1986. Im Bild: Lionel Messi.

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Werden die Letzten die Ersten sein? Was heisst das alles für den Juli 2014? Können die Teams von ihren positiven Erlebnissen in der Qualifikation zehren (Deutschland)? Oder werden sich vielmehr jene Teams sozusagen als Erste erweisen, die sich nun als Letzte qualifiziert haben (Frankreich, Portugal, Uruguay, Mexiko)? Was ist mit Belgien, dem europäischen “Wunderkind”? Was mit Japan, dem asiatischen Powerteam? Freuen wir uns auf die WM! Å

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BLICK IN DIE LIGEN

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N Ägyptische Premier League

D a s Wu n d e r vo n K a i r o Mark Gleeson ist ein Südafri­ kanischer Journalist und Fuss­ ball-Kommentator und lebt in Kapstadt.

Seit Monaten herrscht in Ägypten der Ausnahmezustand. Fast täglich kommt es zu schweren Unruhen und gewalttätigen Zusammenstössen. Angst und Unzufriedenheit in der Bevölkerung sind gross. Doch mitten in dieser verfahrenen Situation sorgt der Kairoer Spitzenklub Al-Ahly für eine unerwartete Ablenkung. Al-Ahly gilt schon lange als bester Klub des afrikanischen Kontinents und wurde 1999 offiziell zu “Afrikas Klub des Jahrhunderts” gekürt. Auch in den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends vermochte der Klub diesen Status zu wahren. Der zweite Titel­ gewinn in Folge in der CAF Champions League – der fünfte in den vergangenen acht Jahren – kann allerdings als kleines Fussballwunder bezeichnet werden. Al-Ahly sieht sich gegenwärtig mit Problemen konfrontiert, die weit über die sportlichen Aspekte hinaus­ gehen: In der nationalen Meisterschaft wird momentan nicht gespielt und das Heim­

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stadion darf für internationale Spiele nicht genutzt werden. Dazu kommt der ideolo­ gische Kampf, der hinter den politischen Unruhen im bevölkerungsreichsten Land Nordafrikas steht. Anfang 2012 kamen bei Tumulten im Stadion von Port Said 74 Zuschauer ums Leben, die meisten von ihnen Al-Ahly-Fans. Daraufhin wurde der Ligabetrieb in Ägypten eingestellt und Zuschauer bei den meisten Spielen verboten. Nur gelegentlich gab es Genehmigungen für eine (geringe) Zuschaueranzahl. Doch obwohl dem Team die regelmässige Spielpraxis fehlte, gewann Al-Ahly erneut den prestigeträchtigsten Klubwettbewerb des Kontinents. Im Februar dieses Jahres wurde der Spiel­ betrieb in der ägyptischen Liga wieder aufgenommen, allerdings galten weiterhin starke Einschränkungen. Für die Klubs war die Situation angesichts fehlender Eintrittsgelder prekär geworden. Al-Ahly überstand die Vorrunde der Champions League, doch als das Militär Anfang Juli die Regierung von Mohammed Mursi absetzte, wurde der Spielbetrieb der Liga erneut ausgesetzt – ausgerechnet kurz vor Beginn der entscheidenden Playoff-Phase. Angesichts all dieser Probleme schwanden die Chancen der Ägypter auf die erfolgreiche Titelverteidigung. Quasi als Höchststrafe

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erhielt der Klub keine Genehmigung, seine Spiele in Kairo oder in Alexandria auszutragen. Er wurde in die Anonymität des Touristenortes El Gouna am Roten Meer verbannt. Das dortige kleine Stadion fasst nur wenige Tausend Zuschauer. Aus Angst vor weiteren Gewaltausbrüchen oder politischen Demonstrationen wollte das Militär grosse Menschenmassen verhindern.

“Al-Ahly gilt schon lange als bester Klub des afrikanischen Kontinents.” Hinzu kommt, dass das Stadion in El Gouna nicht über die erforderliche Flutlichtanlage für die Ausrichtung von Champions-League­Spielen verfügt, die in ganz Afrika übertragen werden. Daher mussten alle Partien bei Tageslicht ausgetragen werden – somit oftmals bei glühender Hitze. Zwei Spiele fielen ausserdem in den Fastenmonat Ramadan. Die gläubigen Spieler mussten während der Tagesstunden auf Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verzichten. Trotz aller Widrigkeiten gewann Al-Ahly seine Gruppe und zog in die Halbfinalrunde ein. Dort setzten sich die Kairoer gegen Coton Sport aus Kamerun im Penaltyschiessen durch.

Al-Ahly Fans freuen sich auf das Final-Rückspiel gegen die Orlando Pirates aus Südafrika. 12

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Khaled Desouki/AFP Photo

Im Finale – mit Hin- und Rückspiel – bezwang Al-Ahly die Orlando Pirates aus Südafrika mit einem Gesamtergebnis von 3:1. Das Rückspiel durfte der Klub dann doch in Kairo austragen, allerdings im etwas kleineren Arab-Contractors-Stadion. Dort bildeten 30 000 euphorisierte Fans den würdigen Rahmen für den bemerkenswerten Erfolg. Å


Premjer-Liga Russland

Hu l k s Z e n it

“In Hulks Heimat Brasilien geniesst die Premjer-Liga hohes Ansehen.”

Sven Goldmann ist Fussball­ experte beim «Tagesspiegel» in Berlin.

Für das europäische Estab­ lishment ist der Osten noch fern und weitgehend unbekannt. Aber die Zeiten ändern sich. Für russische Nationalspie­ ler wie Juri Schirkow, Alexander Kokorin (beide Dynamo Moskau) oder Andrej Ascharwin (Zenit St. Petersburg) ist die Heimat längst auch aus finanziellen Gründen eine lohnende Alter­ native zu den traditionell potenten Arbeitge­ bern in England, Spanien oder Italien. Russlands Klubs zahlen gut und zuverlässig. Das macht sie auch interessant für internatio­ nales Personal wie den Brasilianer Hulk oder den Belgier Axel Witsel – beide verdienen ihr Geld in St. Petersburg. Vor zwei Jahren schaffte es der russische Milliardär Suleiman Kerimow mit seinem Geld, den Weltstar Samuel Eto’o zu einem Engagement bei Anschi Machatschkala in der südrussischen Provinz Dagestan zu überreden. Das Experiment in Machatschkala ist mittler­ weile beendet. Eto’o hat den Klub in diesem Sommer Richtung FC Chelsea verlassen, aber das gestiegene Interesse an der Premjer-Liga ist geblieben. Nach der Hinrunde führt Zenit St. Petersburg in der Tabelle vor den Mos­kauer Klubs Lokomotive, Spartak, ZSKA und Dyna­ mo. Daran dürfte sich auch nach dem zweiten Spieltag der Rückrunde an diesem Wochenende nichts ändern. Das Heimspiel gegen FK Rostow ist für den Zweiten der letzten Saison kaum mehr als eine Ouvertüre für den kommenden Dienstag, für das Gipfel­treffen in der Cham­ pions League mit Atletico Madrid. Atletico hat nach vier Siegen in vier Spielen das Viertelfinale bereits erreicht. Zenit hätte zumindest eine Vorentscheidung herbeiführen können. Vor zwei Wochen, als der FC Porto im Petrowski-Stadion an der Newa gastierte. Es war kein schöner Abend für Givanildo Vieira de Souza, St. Petersburgs brasilianischer Stürmer, den alle nur Hulk nennen. Den Künstlernamen haben ihm die comicverliebten Japaner gegeben, nach dem Incredible Hulk, einer fiktiven Figur, die, wenn sie zornig ist, grün, gross und stark wird. Hulk hat ein paar Jahre in Japan gespielt, aber zum Weltstar ist er erst in Porto aufgestiegen. Er schoss denn auch ein Tor gegen die alten

Freunde, aber es hätte noch ein zweites sein können, ja sein müssen. Hulk aber scheiterte mit einem Elfmeter an seinem brasilianischen Landsmann Helton, und am Ende reichte es für Zenit nur zu einem 1 : 1. Hulk hat im Sommer mit Brasilien den Con­ fed-Cup gewonnen, er galt als Wunschkandi­ dat in Chelsea oder Monaco und wechselte dann doch lieber nach St. Petersburg. 55 Millionen Euro hat Zenit für ihn bezahlt. Noch ein Zeichen dafür, wie ernst es die Russen mit ihrem Anspruch meinen, ganz oben in Europa mitzuspielen. In Hulks Heimat geniesst die Premjer-Liga schon hohes Ansehen. Seitdem vor ein paar Jahren Vagner Love bei ZSKA zum Nationalspieler wurde, registrieren die Brasilianer sehr genau, was da so alles passiert zwischen Moskau und St. Petersburg. Als Hulk im Sommer nach St. Petersburg wechselte, tat er das in der festen Überzeugung, dass sein Stammplatz in der Seleção nicht in Gefahr gerät. Und das im Jahr vor der Welt­ meisterschaft in der Heimat. Å

Argentinien: Primera División

E i n Zy k l o n i s t i m A nmarsch JordÍ Punti ist Romanautor und Verfasser zahlreicher Fussball-­ Features in den spanischen Medien.

Echte Fussballfans in Argentini­ en müssen auch Experten im Entschlüsseln der Spitznamen sein, die dort zuhauf für Spieler, Trainer, Mannschaften und sogar für Stadien vergeben werden. So könnte man beispielsweise sagen: Demonio hat für die Academia von Mosta­ za getroffen. Gemeint ist in diesem Fall, dass der Stürmer Gabriel Hauche ein Tor für seinen Verein Racing Club de Avellaneda erzielt hat, der von Reinaldo Merlo trainiert wird. Mit diesem Spielchen haben die Fans, Radiomoderatoren und Journalisten eine Parallelwelt erschaffen, die laut dem Trainer und Philosophen Ángel Cappa die Essenz des argentinischen und vielleicht des südamerikanischen Fussballs ist: das Verschau­ keln, Verspotten und die Schalkhaftigkeit, sei es nun auf dem Spielfeld oder auf den Tribünen. T H E F I FA W E E K LY

Manchmal basieren diese Spitznamen auf Jahrzehnte alten Geschichten und haben ihre ursprüngliche Bedeutung inzwischen einge­ büsst, aber sie belegen in jedem Fall, dass wir hier von einem Phänomen mit viel Tradition sprechen. Das ist beispielsweise bei einem der intensivsten Duelle der argentinischen Liga der Fall, das in Rosario zwischen den “Leprakran­ ken” (Leprosos) und den “Schurken” (Canallas) ausgetragen wird und in diesem Jahr entschei­ dende Auswirkungen auf den Verlauf des Torneo Inicial gehabt zu haben scheint. Unter dem Beinamen “La Lepra” sind die Newell’s Old Boys bekannt. Die Geschichte besagt, dass das Carrasco-Krankenhaus Anfang des 20. Jahrhun­ derts Newell’s und den Club Atlético Rosario Central bat, ein Benefizspiel zugunsten der Leprakranken auszutragen. Newell’s sagte zu, Rosario Central weigerte sich jedoch. Von diesem Tag an nannten die Fans von Newell’s die Rivalen von Central “Schurken”. Diese reagier­ ten darauf, in dem sie die Anhänger von Newell’s als “Leprakranke” bezeichneten. Nachdem eines der Teams drei Spielzeiten in der zweiten Liga verbracht hatte, kam es also vor einem Monat zum Klassiker zwischen den “Leprakranken” und den “Schurken”. Im Vorfeld schien das Kräfteverhältnis eindeutig zu sein. Rosario Central war erst dieses Jahr in die erste Liga aufgestiegen, während sich Newell’s im Torneo Final 2013, der Rückrunde der argentini­ schen Meisterschaft, den Titel gesichert hatte. Aber es ist ja allgemein bekannt, dass es bei Lokalderbys oft mit dem Teufel zugeht, und in diesem Fall bot sich den Zuschauern eine schöne und ausgeglichene Partie, die am Ende das Heimteam für sich entschied. Ein 2:1 für Rosario Central stand auf der Anzeigetafel, die Treffer hatten Flaco Donatti und Sapito Encina erzielt. Diese Niederlage hatte für Newell’s einen ausge­ sprochen negativen Effekt. Bis zu jenem Spieltag hatte das Team eine fast perfekte Saison hinge­ legt und rangierte auf dem ersten Platz. Seitdem gab es für den Klub nur noch drei magere Unent­ schieden und diese Woche dann eine bittere Niederlage bei Tigre, nach der man auf den zweiten Platz abrutschte. Tatsächlich haben diese Turbulenzen ihre Gründe. Nach dem Weggang von Gerardo Martino zum FC Barcelona befindet sich Newell’s in einer Übergangsphase. Der neue Trainer, Alfredo Berti, möchte den Geist der 13


Only eight countries have ever lifted the FIFA World Cup Trophy.

Yet over 200 have been winners with FIFA. As an organisation with 209 member associations, our responsibilities do not end with the FIFA World Cup™, but extend to safeguarding the Laws of the Game, developing football around the world and bringing hope to those less privileged. Our Football for Hope Centres are one example of how we use the global power of football to build a better future. www.FIFA.com/aboutfifa


“Goldenen Ära” von Tata Martino aufrechterhalten und hat dafür ein Rezept, das plausibel erscheint: Er verschrieb sich derselben Spielweise wie sein Vorgänger – mit dem Hauptaugenmerk auf Ballbesitz und einer Offensive über die Flügel – passte sie jedoch an seine neuen Spieler an. “El Pelado” Berti kennt dieses System als Trainer gut, schliesslich war er bei der chilenischen Nationalmannschaft bereits Assistent von Marcelo Bielsa. Ausserdem hat er ein Team zusammengestellt, dessen Kombination in der Regel Erfolg versprechend ist: Junge, fussballhungrige Spieler werden von drei Routiniers unterstützt, die bereits in Europa aktiv waren und ihre Erfahrung einbringen. Bei den dreien handelt es sich um Maxi Rodríguez, Gabriel Heinze und David Trézéguet, den französischen Torjäger, der in Argentinien einen zweiten Frühling erlebt, allerdings gegen Tigre einen Elfmeter verschoss, der sich noch als entscheidend erweisen könnte.

aus New South Wales in die vierzehn Teams umfassende I-League, die vor allem halb professionelle Spieler kennt. Er ist dabei, sich in Indien einen Namen zu machen. Die Partie im Balewadi Stadium zu Pune verfolgten allerdings nur ein paar Hundert Zuschauer. Zum Vergleich: In der achtgrössten indischen Metropole ist auch das Cricket-Team Pune Warriors India zu Hause, es trägt seine Heimspiele im neuen Subrata Roy Sahara Stadium aus, das 55 000 Zuschauer fasst. Cricket ist und bleibt die Nummer eins im indischen Sport. Der Fussball fristet nicht etwa ein Mauerblümchen-Dasein. Der FC Bayern München trat 2008 vor fast 120 000 Fans in Kalkutta auf. Aber auf die Beine kommt der Fussball im Subkontinent dennoch nicht. Dabei hörte sich schon der vor-

Celebrity Management Group (CMG) vergeben. Zustande kam die Liga dann doch nicht. Der neuste Versuch wurde soeben verschoben. Der Start einer Indian Super League soll im September 2014 erfolgen, so der Promoter IMG-Reliance, und nicht schon in ein paar Wochen. Es wird gemunkelt, dass die IMG-R so gar nicht gefasst war auf all die logistischen Vorbereitungen, die zu treffen gewesen wären. Der Promoter setzte auf einen Hype, doch der tat kein Wunder. Die Liverpool-­ Legende Kenny Dalglish etwa sagt, er sei für eine Verpflichtung angefragt, dann aber nie mehr kontaktiert worden. Auch die AIFF ist unzufrieden. Die IMG-R habe sie und die I-League-Klubs im Ungewissen gelassen. Am meisten brüskiert wird sich

Nur drei Spieltage vor dem Ende des Torneo Inicial, der Hinrunde der argentinischen Meisterschaft, hat Newell’s dafür gesorgt, dass das Rennen um den Titel wieder völlig offen ist – und einem “Zyklon (El Ciclón) Tür und Tor geöffnet. So lautet nämlich der Spitzname des Klubs San Lorenzo de Almagro, der unter dem Optimismus versprühenden Trainer Juan Antonio Pizzi beständige Leistungen bringt. “Das Turnier ist jetzt packender, mit mehr Spannung und Stress”, so Pizzi nach dem letzten Sieg seiner Mannschaft. Mit seinen Worten schien er Newell’s ins Nervenzentrum treffen zu wollen, und das hat er wohl auch geschafft. Jetzt ist alles wieder offen. Selbst Lanús, Arsenal und die Boca Juniors werden ihre Chancen bekommen. Å

I-League Indien

Re ic h e r a l s Ro o n e y Sean Rooney macht sich als Topskorer in Indien einen Namen.

Perikles Monioudis ist Redakteur bei “The FIFA Weekly”.

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Ein gewisser Rooney hätte am 9. Spieltag mit einem Treffer sein Team auf dem zweiten Tabellenplatz halten können. Doch dem zweitbesten Torschützen der Liga war im 6-Punktespiel kein Torerfolg vergönnt: Sein Bengaluru FC verlor beim Pune FC 0 : 1. Wir sprechen hier nicht von der Premier League und Wayne Rooney von Manchester United, sondern von der I-League, der höchsten indischen Liga. Sean Rooney, der 24-jäh­ rige Australier, kam vom Blacktown City FC

letzte Versuch recht vielversprechend an. Eine Superliga musste her – mit Stars aus Europa und Südamerika, mit Legenden auf dem Platz und Legenden an der Seitenlinie. Um gegen Cricket im TV-Markt halbwegs gut dazustehen, waren nur die grössten Namen gut genug – auch als Bezeichnung für die Liga: Premier League India. Sie hätte parallel zur I-League der All-India Football Federation (AIFF) ab Frühjahr 2012 veranstaltet werden sollen, mit den Aushängeschildern Fabio Cannavaro, Hernan Crespo, Robert Pires, Robbie Fowler oder Jay-Jay Okocha. Die fünf Franchisen für die Klubs wurden von der T H E F I FA W E E K LY

der TV-Rechtehalter fühlen. Star TV Network hat die Rechte für die kommenden zehn Jahre gekauft und sich überdies mit 30 Prozent an der Indian-Super-League beteiligt. Aber vielleicht klappt es ja doch noch im September 2014, und der indische Fussball startet durch. Bis auf Weiteres allerdings wird die “Forbes”-Liste der hundert reichsten Sportler der Welt den Cricket-Star Mahendra Singh Dhoni, Kapitän des indischen Nationalteams, weit vor Wayne Rooney führen – und nicht etwa einen indischen Fussballer. Å 15


Name: Francesco Totti Geburtsdatum, Geburtsort: 27. September 1976, Rom AS Roma: 1989 - heute Erfolge: Weltmeister 2006 Italienischer Meister 2000/01 TorschĂźtzenkĂśnig 2007 Auszeichnungen:

Davide Monteleone/Dukas/Contrasto

Italiens Fussballer des Jahres 1998 und 2004

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DAS INTERVIEW

“Der Scudetto war emotional das Grösste” Als ihn die meisten schon abgeschrieben hatten, kehrte Francesco Totti furios zurück. Mit 37 Jahren spielt der offensive Mittelfeldspieler bei der AS Roma eine bislang geniale Saison. Und ganz Italien fragt sich: Kommt Nationalcoach Prandelli um ihn herum?

Francesco Totti, was ist Ihr Geheimnis der ewigen Jugend? Francesco Totti: Die Leidenschaft. Fussball zu spielen macht mir noch immer genauso viel Spass wie in den jungen Jahren.

Sie hätten ja eigentlich ausgesorgt. Woher nehmen Sie die Motivation, auch mit 37 Jahren noch den grossen physischen und mentalen Aufwand des Fussballerlebens auf sich zu nehmen? Gegen Spieler, die Ihre Söhne sein könnten … Ich fühle mich gesund und fit. Ich kann noch immer auf hohem Niveau mit den jungen Spielern mithalten und spielbestim­ mend sein. Wenn der Moment gekommen ist, in dem diese schnellen Rhythmen zu intensiv werden für mich, bin ich der Erste, der dies zugeben wird.

“Sempre Roma” – für Sie sind das keine leeren Worte. Haben Sie je darüber nachgedacht, die AS Roma zu verlassen? Ich bin sicher sehr stolz auf meine Karriere und auf die Tatsache, immer nur im Tenü des Clubs gespielt zu haben, den ich verehre und liebe. Es gab Momente, wo ich sicherlich auch hätte weggehen können. Heute bin ich aber sehr froh, bei der AS Roma geblieben zu sein.

Was hätte es gebraucht, dass Sie zu Juventus oder zu der AC Milan gewechselt wären? Einerseits hätte die Roma tatsächlich bereit sein müssen, mich zu verkaufen. Zum anderen hätte es stark davon abgehan­ gen, ob ich selbst Lust verspürt hätte, diesen Verein zu verlassen. Beides ist aber nie eingetroffen.

Mit der AS Roma gewannen Sie den Scudetto, mit Italien die Weltmeisterschaft. Welcher Titel war emotionaler? Ich habe es in Vergangenheit schon gesagt: Mit der Roma die Meisterschaft zu gewinnen, hat in mir die grössten Emo­ tionen ausgelöst. Ich bin Römer und ein

“Romanista” – ein Fan der AS Roma. Ich weiss genau, was der Scudetto den Fans bedeutet. Weltmeister zu werden war aber gleichermassen schön.

Apropos Nationalmannschaft – nach dem WM-Titel 2006 erklärten Sie Ihren Rücktritt – gaben aber Ihr Comeback. Auch jetzt stehen Sie vor einer spektakulären Rückkehr. Hätten Sie je daran gedacht, mit fast 38 Jahren noch an einer WM teilzunehmen? Im Moment ist mein Comeback ein Thema in Italien. Ich weiss nicht, ob ein solche Rückkehr eintreffen wird. Gewisses Entschei­ dungen werden eventuell erst dann getroffen, wenn sich die Chancen dafür bieten.

Was liegt für Italien nächstes Jahr in Brasilien drin?

Werden Sie auch im Herbst 2014 als Profi spielen? Oder ist die WM in Brasilien der krönende Abschluss? Das ist weit weg. Eines aber ist sicher: Solange es mir gut geht, werde ich Fussball­ spielen.

Haben Sie Pläne für Ihre Zeit nach der Aktivkarriere. Wird es je einen Trainer Totti geben? Ich sehe mich nicht als Trainer. Ich sehe mich eher als Funktionär, aber es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.

Der AS Roma werden Sie auf jeden Fall erhalten bleiben … Ich werde der AS Roma immer verbunden bleiben. Die AS Roma ist mein Leben. Å Interview: Giovanni Marti

Ich erwarte eine grossartige Weltmeister­ schaft. Italien hat eine gute Mannschaft und Cesare Prandelli ist ein ausgezeichneter Trainer. Ich denke mir, dass es eine erfolgreiche WM für Italien wird.

Welche Gegner muss denn Italien am meisten fürchten? Sicherlich den Gastgeber Brasilien und jene Teams, die immer stark sind. Also Spani­ en, Argentinien und Deutschland.

Zuerst geht’s aber in der Serie A um den Titel. Was macht die AS Roma in dieser Saison so stark? Bis jetzt lief es uns ganz gut. Wir dürfen uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Wir haben ein ausgezeichnetes Team und wir glauben an unsere Stärken. Wir haben aber auch grosse Lust, gut zu spielen und wir haben vor allem einen sehr guten Trainer, der alles aus uns herausholt.

Wie viel würden Sie auf den Titelgewinn wetten? Ich wette nicht. Wir müssen arbeiten, um so weit nach oben zu kommen wie möglich. T H E F I FA W E E K LY

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Ein “Heimspiel” für Japan Am 12. Juni 2014, wenn die WM eröffnet wird, feiern auch 1,5 Millionen “brasilianische Japaner” vor Ort den Fussball. Die beiden Länder v­ erbindet eine besondere Beziehung. Bruno Sassi und Alan Schweingruber

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pielt man die euphorische WM-Stimmung in den Strassen von Brasilien vor seinem geistigen Auge ab, dann sieht man viele tanzende Brasilianer. Samba vier Wochen lang. Dazwischen irgendwo ein paar Deutsche oder Engländer, die als Fussball-Touristen mitfeiern und warten, bis ihr Team im Stadion spielt. Was man dabei fast vergisst: Wie viele fremde Kulturen im Gastgeberland fest vertreten sind. Allen voran Japan. Über 1,5 Millionen Menschen in Brasilien sind japanischer Abstammung – sie werden auch «brasilianische Japaner» genannt. Es ist die grösste Gemeinde im Ausland. Sehr bekannt ist der Stadtteil Liberdade in São Paulo, wo viele Schilder japanisch beschriftet sind und die Feste auch mal gefeiert werden wie im Land der aufgehenden Sonne. Trainer Alberto Zaccheroni, der sich mit Japan als erstes Team für die WM qualifiziere, sagt: “Das ist zweifellos eine Zusatzmotivation für unsere Jungs, aber auch eine Verantwortung. Das ist ein wenig, als wäre man zu Hause.”

kerungsgruppen bald auch auf andere Bereiche übergriff. Nach einigen Generationen gliederten sich die Immigranten so gut ein, dass es am Ende Japaner gab, die brasilianischer waren als die Brasilianer selbst. Manchmal sogar im Fussball. Dribblings und Tricks abgeschaut Stellen Sie sich ein Dribbling von Ronaldinho vor, bei dem er den Ball mit dem Aussenrist des Fusses auf eine Seite zu befördern scheint und ihn dann auf halbem Wege auf die andere Seite schiebt. Man nennt diese Technik auch “Elástico”. Wo hat er sich diese Technik wohl abgeschaut? Von Roberto Rivellino vielleicht? Ja, sicherlich, aber der Erfinder dieser Technik ist ein anderer. Das Patent dafür hat Sérgio Echigo, ein sogenannter Nisei, also ein Sohn ja-

panischer Immigranten, der in den 1960er-Jahren für Corinthians spielte. “Bei einem Probetraining sicherte er sich den Ball auf der Flanke und fing an so zu dribbeln. Er drängte Eduardo, einen unserer Abwehrspieler, fast bis hinter die Aus-Linie ab”, erinnert sich Rivellino Jahre später. “Ich starrte ihn überrascht an: ‘Hey, Japaner, was ist das, was du da machst?’ Und dann hat er es mir gezeigt.” Zico schwärmt von den Japanern Als der japanische Klub Kashima Antlers den brasilianischen Altstar Zico 1991 zu ihrem Botschafter machte, war der Hauptgrund die Tatsache, dass der Fussball in Brasilien einen so hohen Stellenwert einnimmt. Aber auch in diesem Fall kamen beide Seiten so gut miteinander klar, dass sich aus dieser Zusammenarbeit schnell mehr entwickelte. Zico, der später Nationalcoach wurde (2002 – 2006), schwärmt: “Ich wurde nur wegen der Leute Trainer. Weil sie mir so dankbar waren. Da konnte ich einfach nicht ablehnen. Ich habe dort im Alltag abseits des Spielfelds die japanische Kultur hautnah erlebt und mich in diesem Land sehr wohl gefühlt.” Å

Paulo Fridman/Corbis/Dukas

Die Immigration 1908 Eine besondere Beziehung, die eine lange Vorgeschichte hat. 165 japanische Familien, die im April 1908 an Bord des Schiffes Kasato Maru gingen, wussten nicht wirklich, was sie 50 Tage später in Brasilien erwarten würde. Eines wussten sie allerdings: Sie traten diese Reise an, um zu arbeiten. Und zwar nicht nur sie, sondern die insgesamt fast 180 000 Japaner, die bis 1940 im Hafen von Santos (São Paulo) von Bord gingen. Die Geschichte der japanischen Immigration nach Brasilien geht auf folgendes Szenario zurück: Ein Land, in dem dringend Arbeitskräfte benötigt werden, nimmt Menschen auf, die ihre Heimat aus unterschiedlichen Gründen – sei es nun ein Krieg oder eine demographische Krise – verlassen möchten. Es ist eine Geschichte, in der die Gastfreundschaft und Flexibilität der Brasilianer auf der einen und der grosse Arbeitseinsatz und die Disziplin der Japaner auf der anderen Seite der Gleichung stehen. Diese Symbiose war so perfekt, dass das Zusammenwirken der Bevöl-

São Paulo: Japanerinnen feiern im Stadtteil Liberdade ein traditionelles Fest. T H E F I FA W E E K LY

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Wembley, London

Bedeckt. Das FA-Cup-Finale 1923 zwischen West Ham United und den Bolton Wanderers zieht die Massen an: Offiziell werden anlässlich der Premiere im fertig gebauten Wembley 126 047 Zuschauer gemeldet. Gemäss Schätzungen soll sich die Kulisse aber auf 150 000 bis 300 000 belaufen haben. Die Bolton Wanderers gewannen 2:0. Ein Hattrick wurde höchstens vor den Eingängen oder auf der Tribüne erzielt.

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Topical Press/Getty Images

1923


ZEITSPIEGEL

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Olimpijskyj, Kiew

Sergei Supinsky/AFP

2013 Gedrängt. 90 Jahre später sind Hüte nicht mehr en vogue. Ungebrochen ist das Interesse am Fussball. In Kiew belagern die ukrainischen Fans vor dem Playoff-Hinspiel gegen Frankreich die Kassen des Olympiastadions. 67 732 Zuschauer sahen am 15. November den überraschenden 2:0-Sieg des Heimteams. Hätte das Spiel 45 Jahre früher stattgefunden, wären noch ein paar mehr Tickets zur Verfügung gestanden. 1968 bot die Arena nach der Erweiterung 100 000 Zuschauern Platz und umfasste unter anderem eine Skisprungschanze.

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Magische Au f h o l ja gd e n

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Bayern München – Manchester United 1:2 26.05.1999: Im Champions-League-Finale führt Bayern 1:0, es laufen die letzten Sekunden, als in der 91. Minute den Eng­ ländern erst das 1:1 und dann gar der Sieges­ treffer gelingen.

Schiedsrichter sind Luft Thomas Renggli

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m Anfang war der Fussball. Dann kamen die Fouls. Worauf die Gefoulten die Regeln erfanden. Die ersten Boxregeln gehen auf das Jahr 1743 zurück. Die Fussballregeln entstanden 105 Jahre später an der Universität Cambridge.

Regelüberwacher waren die beiden Mannschaftskapitäne. Als immer mehr Fouls begangen wurden, fühlten sich die Spielführer überfordert und traten ihre Kompetenz an einen Unparteiischen ab. Dieser wurde im Mutterland des Fussballs Referee genannt und erhielt als Erkennungsmerkmal (und Berufswerkzeug) eine Pfeife. Trotz der Möglichkeit, sich dadurch Gehör zu verschaffen, haben es Schiedsrichter nicht leicht. Ihr Sozialprestige bewegt sich zwischen demjenigen von autoritären Hausmeistern und griesgrämigen Türstehern. Treten Schiedsrichter in den Mittelpunkt, hat dies meistens nichts Gutes zu bedeuten. Der Schweizer Gottfried Dienst tat es im WM-Finale 1966, als er den berühmtesten Lattenschuss der Sportgeschichte zum Wembley-Tor veredelte, der Ecuadorianer Moreno an der WM 2002, als er Totti sowie dem restlichen Italien die Rote Karte zeigte und quasi über Nacht berühmter wurde als Berlusconi und der Papst zusammen, und der Uruguayer Jorge Lorrionda tat es acht Jahre später im Achtelfinale zwischen Deutschland und England, als er Frank Lampards Ausgleich übersah und damit (unfrei­w illig) den Steilpass zur Einführung der Tor­l inien-Technologie spielte. Schiedsrichter werden ist nicht schwer. Schiedsrichter sein dagegen sehr. Nur in ganz seltenen Fällen wollen die vor dem Stadioneingang wartenden Sportfreunde vom Schiedsrichter ein Autogramm. Um die Gefahr für Leib

und Seele auf ein Minimum zu reduzieren, entstand im Verlauf der Jahre die Spezies der Heimschiedsrichter. Sie ist streng neutral und entscheidet nach dem Selbstschutzprinzip “in dubio pro domo”. Viele Fussballschiedsrichter waren früher selber Fussballer, brachten es aber kickenderweise auf keinen grünen Zweig. Deshalb wechselten sie die Fronten. Die natürliche Selektion setzt oft schon auf dem Schulhausplatz ein. Werden die Mannschaften zusammengestellt, wird der Kleinste zum Schiedsrichter ernannt (bzw. degradiert). Der Volksmund kennt für den Schiedsrichter viele Synonyme. Die meisten stammen aus “Brehms Tierleben” oder beziehen sich auf Körperteile unter der Gürtellinie. Leider gibt es dennoch keine Schiedsrichterschutzvereinigung. Und in der ersten verfassungsrecht­lichen Formulierung der Menschenrechte anno 1776 wurden die Schiedsrichter vergessen. Vom Reglement her ist der Schiedsrichter schwer fassbar. Wird er angeschossen und verändert sich dadurch die Flugbahn des Balles, geht das Spiel einfach weiter. Gemäss Regelwerk ist der Schiedsrichter Luft. Das allerdings dokumentiert seine Wichtigkeit. Ohne Luft kann der Mensch nicht leben. Å

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AC Milan – FC Liverpool 5:6 n.E. 25.05.2005: Beim Stand von 3:0 für die Ita­ liener gleicht Liverpool innerhalb von drei Minuten aus und gewinnt den Titel im Elfmeterschiessen.

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Angola – Mali 4:4 10.01.2010: Und auch in Afrika gibt es die unglaublichen Wenden: 4:0 liegt Angola vorne, als Mali elf Minuten vor Schluss das grosse Comeback startet.

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Bayer Uerdingen – Dynamo Dresden 7:3 19.03.1986: Das Viertelfinal-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger geht als das Wunder von der Grotenburg in die Geschichte ein. In 28 Minuten schiesst Uerdingen sechs Tore!

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Werder Bremen – RSC Anderlecht 5:3 08.12.1993: Noch ein Wunder. Bis zur 66. Minute liegt Anderlecht 3:0 vorne, Coach Rehhagel stellt sein Mittelfeld um und prompt schiesst sein Team fünf Tore.

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Olympique Marseille – Montpellier 5:4 22.08.1998: Nach 34 Minuten liegt OM gegen den Underdog 0:4 zurück. Innert 30 Minuten korrigiert der Favorit das Resultat.

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Borussia Dortmund – Malaga 3:2 09.04.2013: Der deutsche Meister liegt im Rückspiel des Champions-League-Viertel­ finales gegen Malaga 1:2 zurück. Dann wendet er das Spiel innert 69 Sekunden zum 3:2.

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Charlton Athletic – Huddersfield Town 7:6 21.12.1957: Huddersfield führte 5:1. Dann schafft Charltons Summer mit vier Toren und zwei Vorlagen die Wende fast im Alleingang.

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Portugal U17 – Kamerun U17 5:5 20.08.2003: Ein irres Comeback. Nach 65 Minuten liegen die Kameruner 0:5 zurück, dann kehren sie spektakulär zurück.

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Deutschland – Frankreich 8:7 n.E. 08.07.1982: Im WM-Halbfinale in Sevilla geht Frankreich in der Verlängerung 3:1 in Führung. Aber Deutschland gewinnt trotzdem.

1 1 Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY

Grasshopper Club – FC Zürich 6:5 n.V. 03.03.2004: Halbfinale des Schweizer Cups. Sieben Minuten vor Schluss führt der FCZ 5:2, GC gewinnt die Partie in der Verlängerung. 23


BEGEGNUNG

Ort der Ruhe: Etwas ausserhalb von Auxerre besitzt Guy Roux ein kleines Landhaus mit See. Hier verbringt der 75-J채hrige den Sommer.

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BEGEGNUNG

Frankreichs Denker Keiner verkörpert den urigen Fussballfachmann so schön wie Guy Roux. Der Franzose war 44 Jahre lang Trainer der AJ Auxerre. Sein Wort hat Gewicht. Ein Mittagessen im Burgund.

Alan Schweingruber (Text) und Francois Wavre (Fotos) aus Auxerre

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enn eine Legende wie Guy Roux zum Mittagessen in seiner Heimat einlädt, weicht die Unlust wegen des trüben Wetters und komplizierte Reisen werden zur Nebensache. Je tiefer der Zug in die französische Provinz eindringt, desto grösser wird die Vorfreude auf das Treffen. Es ist ruhig am kleinen Bahnhof in Auxerre. Zwei Hunde streunen herum, Kinder spielen, eine alte Frau sitzt auf einer Bank und liest Zeitung. Etwas weiter hinten, bei den wenigen Parkplätzen, steht ein Mann neben einem Citroën und wartet. Er hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt und trägt einen dicken, dunkelblauen Anzug mit Krawatte und Pullover. Als wir uns nähern, beginnt er zu lächeln. “Willkommen in Auxerre. Steigen Sie ein. Gehen wir gleich essen. Ich hoffe, Sie haben Hunger.” Sein Geist schwebt über Auxerre Guy Roux lenkt den Wagen gemächlich durchs Städtchen. Hin und wieder winkt er jemandem zu und er erzählt aus der Kriegszeit, als Auxerre von Bomben getroffen wurde. Er kennt die alten Kirchen und Schulen, die historischen Brücken und Plätze der 45  000-Einwohner-Stadt. Roux redet gerne über Geschichte und man vergisst fast, bei wem man eigentlich im Auto sitzt: Bei der urigsten Trainerlegende, die Frankreich je hervorgebracht hat. Guy Roux, der Mann mit dem knautschigen Gesicht, war 44 Jahre lang Trainer der AJ Auxerre. Aus den Niederungen des Amateurfussballs hat er den Klub 1961 geholt und ihn bis in die europäische Königsklasse geführt. Auxerre hat mit Roux einen Meistertitel gewonnen, vier Pokalsiege gefeiert, einen UICup-Triumph realisiert und eben: in der Champions League die Grossen des Fussballs geärgert. AJ Auxerre war Guy Roux. Und Guy Roux war AJ Auxerre.

Ein bisschen ist das heute noch so. Und es ist schwierig, den Fussballklub nicht gleich mit der ganzen Stadt zu verwechseln. Es ist, als schwebe der Geist von Roux über Auxerre. Wie bei einem Firmenchef, der seinen Konzern nach einem halben Jahrhundert dem Sohn vererbt hat und danach trotzdem immer wieder in den Gängen auftaucht. Die Leute schauen. Sie grüssen mit Respekt. “Habe ich Ihnen etwa den letzten Parkplatz weggenommen?”, fragt eine junge Autolenkerin und macht grosse Augen. Roux lacht. “Ich hab den Parkplatz nicht gekauft.” Roux kontrollierte im K lub alles Roux war in seiner Trainerzeit bekannt dafür, alles zu kontrollieren. Er wusste über die renovierungsbedürftigen Ecken im Stadion

trag seines Chefs an gewissen Stellen das Gras höher wachsen, wenn eine Partie gegen eine starke Mannschaft anstand. Vorne rechts und hinten links zum Beispiel. So konnte der Gegner in beiden Halbzeiten nicht von der Schnelligkeit seines rechten Flügelspielers profitieren. Und dann waren natürlich die eigenen Spieler, über die sich Roux akribisch genau informierte: Eltern, Hobbys, Essgewohnheiten, Schlafrhythmen, Freunde, Liebschaften. Geheim blieb da im privaten Bereich nicht viel. Roux zog die Fäden und liess, wenn er nicht gerade schlief, keine Gelegenheit aus, das Maximum aus irgendeiner Sache rauszuholen. Es gibt die schöne Geschichte, als er es tatsächlich schaffte, ein Militärflugzeug für den Transport eines Babys aufzutreiben. Das Kind eines Spielers war blau angelaufen und

“Ein Trainer muss den Spieler lieben, mit all seinen Stärken und Schwächen. Er sollte sich mit ihm beschäftigen, versuchen ihn zu verstehen.” Guy Roux

Bescheid und pumpte vor dem Training die Bälle. Er beobachtete Junioren und Nachwuchsspieler, kannte deren Väter, Mütter und Geschwister und reiste selbst ins Ausland, wenn es darum ging, für die erste Mannschaft ein geeignetes Hotel zu finden. Gute, vor Lärm schützende Zimmerfenster waren ihm heilig. Auch mit den Handwerkern im Stadion pflegte Roux ein spezielles Verhältnis. Einen Sonderstatus hatte der Platzwart. Der liess im AufT H E F I FA W E E K LY

benötigte ärztliche Hilfe in Paris. Der Notfall endete dank Roux’ Engagement im Guten. Es riecht gut im Restaurant. Selbst wenn das “Rendez-vous” in absehbarer Zeit keinen Innovationspreis für Inneneinrichtungen gewinnen dürfte, der Duft verspricht gute Küche. Wir setzen uns, während Roux seine Begrüssungsrunde zu Ende bringt. An einem Tisch sitzt Bernard Casoni, Trainer der AJ Auxerre. 25


BEGEGNUNG

Weiss, wie der Fussball funktioniert: Guy Roux in seinem Lieblingsrestaurant “Rendez-vous” in Auxerre.

Die Szene erinnert an einen Oberarzt, der auf einen Buben trifft, der vielleicht mal Medizin studieren will. “Ein guter Trainer”, sagt Roux und setzt sich zu uns. Was ist ein guter Trainer, Herr Roux? Ein guter Trainer. Ein Zitat, so belanglos, wie eines aus dem Lexikon der belanglosesten Zitate. Aber das Zitat stammt von einem Mann, der es sich als Coach erlaube konnte, dem französischen Fussballverband zweimal eine Absage zu erteilen. Von einem, den die Staatspräsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy persönlich zum Ritter und Offizier der Ehrenlegion ernannt hatten. Was also, Herr Roux, ist ein guter Trainer? Und wer ist ein guter ­Trainer?

Roux bestellt ein Steak, blutig, mit Kartoffeln, dazu ein Glas Rotwein. Ein Irancy Mazelots. Er klappt die Speisekarte zu und sagt: “Es gibt drei Punkte, die ein Trainer erfüllen muss. An erster Stelle steht die Liebe zu den Spielern. Ein Trainer muss den Spieler lieben, mit all seinen Stärken und Schwächen. Egal, aus welchem Land er kommt oder wie es um seine Glaubensrichtung steht. Er sollte ihn lieben und sich mit ihm beschäftigen, versuchen ihn zu verstehen. Es gibt Spieler, die brauchen Aufmerksamkeit, sonst können sie ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Jupp Heynckes hat bei Bayern München grossartige Arbeit geleistet mit Franck Ribéry. Kein komplizierter Mensch, aber man muss mit Ribéry sensibel arbeiten.”

Name Guy Roux Geburtsdatum, Geburtsort 18. Oktober 1938, Colmar Familie Verheiratet (lebt getrennt), ein Sohn AJ Auxerre Trainer 1961 – 2005 Erfolge

Geliebtes Waldhaus mit See Der Wein schmeckt vorzüglich und Roux setzt zu einem kurzen Monolog über die regionalen Winzer an, bevor er zum Thema zurückkehrt. “Punkt zwei ist wichtig: die Kompetenz. Der Trainer sollte durch und durch kompetent sein. Im sozialen, im taktischen, sogar im logistischen Bereich des Vereins. Er muss kein guter Spieler gewesen sein. Ich denke da an Jürgen 26

Meister 1996 Pokalsieger 1994, 1996, 2003 und 2005 Sieger UI-Cup 1997 Auszeichnungen Französischer Trainer des Jahres: 1986, 1988, 1996 Ritter und Offizier der Ehrenlegion

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BEGEGNUNG

“Spanien kann es nochmals machen, sofern es nicht zu heiss wird in Brasilien.” Guy Roux

Klopp, an Ottmar Hitzfeld oder an mich selbst. Wir waren alle nur mittelmässige Fussballer. Die Spieler mögen die Vorstellung nicht, dass ihr Trainer einst mal besser gewesen sein könnte. Und drittens: Der Trainer muss die Kraft haben, viel zu arbeiten. 355 Tage im Jahr. Mindestens. Er kann sich nicht erlauben, lange Ferien zu machen und denken, danach laufe alles wunderbar weiter. Er muss Kontakt halten zu seinen Spielern, sich informieren, alles vorantreiben im Klub, sich Gedanken machen. Über das was war und über das was kommt.” Die Kellnerin serviert das Fleisch. Es herrscht Betrieb im “Rendez-vous”, wo man sich über Mittag trifft oder auch gerne nur auf einen Pastis vorbeischaut. Im Sommer, erzählt Roux, wenn die Touristen kommen, hält er sich nicht gerne im Städtchen auf. Dann verzieht er sich “in den Wald”, wie er es nennt. 20 Autominuten ausserhalb von Auxerre besitzt Roux ein kleines Waldhaus mit fünf Hektar Umschwung – See inklusive. Es ist der Ort, an dem Roux in den nervenaufreibendsten Trainerzeiten Kraft schöpfen konnte. Dort, wo er nach dem Herzinfarkt und der Bypass-Operation im Jahr 2001 wieder zur Ruhe fand. Heute? Er geht gelegentlich fischen und macht lange Spaziergänge. Oder er verbringt Zeit mit seinen drei Enkelkindern am Swimmingpool. Roux liebt sein Landhaus. Fussball-Fachmann der Nation Es ist erstaunlich, dass Roux’ Handy nie klingelt an diesem Mittag. Der 75-Jährige arbeitet für den TV-Sender Canal Plus und die Radiostation Europe 1, da rufen die Moderatoren gerne mal spontan an, wenn seine Meinung zu einem brisanten Thema gefragt ist. Überhaupt ist seine Person umworben, auch im achten Jahr seines Ruhestandes. Einer der genialsten Grundsätze im französischen Fussballgeschäft lautet: Triff nie eine Entscheidung, ohne vorher Guy Roux kontaktiert zu

haben. “Ich gebe gern Ratschläge. Meistens machen die jungen Spieler dann trotzdem das Gegenteil.” Er lacht auf und schiebt den leeren Teller beiseite. Roux reist seit 1966 an jede WM Der gebürtige Elsässer nimmt sich Zeit für den Menschen. Einmal, da weilte er mit seiner Mannschaft im schweizerischen Wallis, als er in einer rustikalen Kneipe einen Bauern kennenlernte. Roux kam mit dem Mann ins Plaudern und erfuhr zufälligerweise, dass beim zwangsrelegierten FC Sion ein Verteidiger spielte, der vom Spielertyp her ganz gut zur AJ Auxerre passte. Ein paar Wochen später unterzeichnete Stéphane Grichting im Burgund einen Vierjahresvertrag. Das Feuer und die

Leidenschaft hat Roux bis heute nicht verloren. Pro Woche schaut er sich sechs bis acht Fussballspiele an, zwei davon im Stadion. Und nächstes Jahr reist Roux zum 13. Mal in Folge an eine Weltmeisterschaft. Er besucht seit 1966 jede Fussball-WM über die volle Länge. “Das wird spannend”, sagt er. “Spanien kann es nochmals machen, sofern es nicht zu heiss wird in Brasilien. Die Mannschaft gehört zu den älteren am Turnier.” Analysen aus einem Guss. Mit Wehmut schauen wir auf die Uhr. Roux bestellt noch einen Espresso. “Ich bringe Sie gern noch zum Bahnhof.” Man muss erleben, wie schwer es einem fallen kann, die französische Provinz zu verlassen. Å

“Grossartiger Espirt des Nationalteams” Guy Roux über das französische Nationalteam: “Ich bin sehr glücklich über die WM-Qualifikation. Diese Barrage war – wie ich befürchtet habe – eine nervenaufreibende Angelegenheit. Dass wir es nach dem 0:2 in der Ukraine doch noch geschafft haben, liegt an dem grossartigen Esprit, den die Mannschaft im Stade de France gezeigt hat. Ich bin auch froh für Trainer Didier Deschamps. Seine Arbeit schätze ich sehr. Für die WM-Gruppenauslosung vom 6. Dezember sollten wir keine Wünsche äussern. Ich erinnere mich, dass sich Frankreich im Vorfeld der Barrage-Auslosung über die Ukraine als Gegner gefreut hatte.”

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Guy Roux über Bayern München: “Ein Klub, der sehr breit abgestützt ist und über gesunde Strukturen verfügt. Der Zusammenhalt der ehemaligen Bayern-Spieler im Verein und an der Klubspitze ist beeindruckend. Bayern wird noch länger eine führende Rolle in Europa innehaben.” Guy Roux über Arsène Wenger: “Für mich der beste Trainer der Welt. Was Wenger bei Arsenal in 17 Jahren alles auf die Beine gestellt hat, ist unvergleichbar. Es sind nicht nur seine guten fussballerischen Kenntnisse, sondern auch seine nachhaltige Arbeit und seine Visionen, die ihn auszeichnen.” Å 27


DEBAT T E

Fussball und die Religionen: Der grosse Integrator

Dankesgebet: Die Spieler der syrischen Mannschaft verbeugen sich nach einem Sieg in Richtung Mekka.

Thomas Renggli Der Fussball als Brückenbauer und Wegbereiter – politisch wie religiös. In kaum einem Land trifft diese Feststellung besser zu als in Bosnien-Herzegowina. Der 3,8-Millionen-Staat in Südosteuropa steht zum ersten Mal im Tableau einer WM-Endrunde. Und in kaum einem anderen Land wurde der Erfolg mit grösserer Hingabe gefeiert. Viele Bosnier und Herzegowiner erhoffen sich von der WM-Teilnahme eine Wirkung, die weit über den Sport hinausgeht: die Überwindung des ethnischpolitischen Konflikts im Land. Sportlich stehen die mannschaftliche Geschlossenheit und die spielerische Klasse in der Offensive (vor allem dank den Ausnahme28

stürmern Vedad Ibisevic und Edin Dzeko) für den Sturmlauf durch die Qualifikation. Abseits des Terrains aber spiegelt der Erfolg das Zusammenrücken einer Bevölkerung, die aus verschiedenen Ethnien und Religionsgemeinschaften besteht und noch immer von den Kriegswirren der 1990er-Jahren gezeichnet ist. Die meisten Einwohner des Landes werden dem Islam (43 Prozent), den serbisch-orthodoxen Christen (31 Prozent) und den kroatischen römisch-katholischen Christen (17 Prozent) zugeordnet. Während sich die Muslime seit der Neugründung des Fussballverbands 1992 mit dem Nationalteam solidarisierten, wendeten sich die serbisch- und kroatischstämmigen Einwohner anfänglich ab. So wurden die Partien in den Serbengebieten lange Zeit nicht im Fernsehen übertragen. Mit den Erfolgen hat die Stimmung aber gedreht. Die Nationalmannschaft ist zu einem Integrationsfaktor für die Mehrheit der Einwohner geworden. Der Fussball hilft nicht nur in Bosnien, Grenzen zu überwinden. Auch in vielen anderen Auswahlen (Jordanien, Palästina, Syrien oder Libanon) verfolgen Spieler und Spielerinnen mit unterschiedlichen ethnischen und religiösen Wurzeln ein gemeinsames Ziel. T H E F I FA W E E K LY

Gleichzeitig beinhaltet das Regelwerk klare Vorgaben: Spieler, die beim Torjubel ein T-Shirt mit religiöser oder politischer Botschaft präsentieren, werden gemäss Beschluss des International Football Association Board von 2002 verwarnt. Die FIFA legt Wert darauf, dass der Sport nicht als Plattform für politische oder religiöse Botschaften missbraucht wird. Spieler, die mit dem Finger nach oben deuten, sich beim Betreten des Platzes bekreuzigen oder im Interview den göttlichen Beistand erwähnen, werden gleichwohl nicht sanktioniert. Ohnehin wird Gott pro Spiel und Team so oft angerufen, dass er in den Ausstand treten müsste, um nicht permanent Überstunden zu leisten. Å

Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-TheWeekly@fifa.org.

Marwan Naamani/AFP

Der Fussball überwindet ethnische und religiöse Grenzen. Auch, weil er Ideologien keine Plattform bietet.


DEBAT T E

“Ich halte es für verwerflich, dass Spieler, die nach einem Treffer ihrer Freude freien Lauf lassen, mit der Gelben Karte bestraft werden. Das ist ein typischer Missstand, das Reglement muss geändert werden. Sonst wird man noch, wenn man ein Kreuz schlägt, vom Platz gestellt.” Ovideo Ban, Timisoara (Rumänien)

“Fussball und Religion weisen Parallelen auf. Menschen entscheiden sich eines Tages für einen Verein oder einen Glauben, sie pilgern ins Stadion oder in die Kirche, singen Lieder, die seit Generationen überliefert worden sind, fühlen sich in der Gemeinschaft aufgehoben und glauben an Wunder. Und auch die Fanatiker, die ihre Glaubenskriege führen, gibt es leider sowohl im Fussball als auch in den Religionen.” Benjamin Striegan, Viechtach (Deutschland)

“Die Nachricht vom Tod Papst Johannes Paul II erreichte mich während des Spiels Lech Poznan gegen Pogon Szczecin. Die Fans zündeten Leuchtfeuer in Form des heiligen Kreuzes, und uns allen – vom Spieler bis zum Fan – standen Tränen in den Augen. Es war einer der emotionalsten Momente, die ich im Fussball erlebt habe. Religion und Fussball gehört für mich ganz klar zusammen. Hier in Polen sowieso.”

PRESIDENTIAL NOTE

Als Maurice ‘Mo’ Johnston, der zuvor für Celtic spielte, im Sommer desselben Jahres zu den Rangers wechselte – und das als Katholik – stand Glasgow Kopf. Heute ist es ‘normal’, dass Spieler unterschiedlicher Religion und Herkunft für beide Vereine spielen. Nicht geliebt, aber geduldet!” David Stirling, Glasgow (Schottland)

“Religion ist und bleibt Privatsache.”

Tomasz Krawczyk, Poznan (Polen)

“Das Verbot der FIFA ist falsch. Meiner Meinung nach sollten Spieler beim Torjubel ihr T-Shirt unter dem Trikot zeigen dürfen, auch wenn darauf eine religiöse Botschaft zu sehen ist. Schliesslich ist die Religion für diese Spieler von grosser Bedeutung und war auf ihrem Weg zum Fussballprofi enorm wichtig. Das Stichwort ist: Toleranz! Man soll jeden so akzeptieren, wie er ist. Die FIFA kann doch nicht wollen, dass Spieler nach einem Torerfolg emotionslos zurück in ihre Platzhälfte laufen, als ob nichts geschehen wäre.” Julia Prusko, Wallisellen (Schweiz)

“Die Religion hat unsere Stadt sehr lange geprägt. Rangers ist der Klub der Protestanten, Celtic ist der katholische Verein. Es war früher undenkbar, dass sich die Konfessionen vermischen. Bis 1989 verpflichteten die Rangers ausschliesslich protestantische Spieler.

“Das Spiel verbindet – über Religionen hinweg. In der Schweiz wurde zur Förderung der interreligiösen Verständigung 2008 der FC Religionen gegründet. Geistliche unterschiedlicher Religionen spielen hier gemeinsam Fussball: Imame, Rabbiner, Pfarrer und Priester. Sämtliche Spieler tragen die Nummer 7, weil diese in vielen Religionen eine heilige Zahl ist. Doch die grösste Gemeinsamkeit ist die Freude am Spiel.”

Zu Besuch beim Papst

D

as mit der Religion ist so eine Sache: Man kann sie positiv oder negativ nutzen. Das gilt auch für den Fussball. Marx sagte, die Religion sei das Opium fürs Volk und wählte damit den negativen Ansatz. Er hätte auch sagen können, Religion verbinde über alle sozialen Grenzen hinweg. Das hätte aber nicht in seine politische Agenda gepasst. Camus sagte, dass alles, was er über Moral und Ethik im Leben wisse, ihm der Fussball beigebracht habe; er legte es positiv aus. Man könnte ihm die Worte im Mund umdrehen und genau das Gegenteil behaupten. Dies verhält sich nicht anders bei der Religion. Die Geschichte ist geprägt von Kriegen, die vermeintlich im Namen Gottes geführt wurden. Letztlich stellt sich die Frage, wie man im und zum Leben steht. Die Religion kann völkerverbindend sein. So wie der Fussball auch. Aber man muss das Gute sehen wollen und danach streben. Und die Kraft haben, Kritik auszuhalten. Wer das Gute sucht, wird oft des Bösen beschuldigt: alles doch nur ein Schwindel!

Simon Hofstetter, Bern (Schweiz)

“Ich stosse mich an den Glaubensbekundungen der Spieler. Religion ist und bleibt Privatsache und hat auf dem Fussballplatz nichts verloren. Ob Christ oder Muslim, Jude oder Hindu – die Spieler werden bezahlt, um Fussball zu spielen und nicht, um ihre persönliche Meinung kundzutun. Schliesslich werden im Stadion auch keine politischen Meinungen toleriert. Das ist richtig und soll so bleiben.” Giannis Kasapis, Kos (Griechenland)

“Das Stichwort ist Toleranz.” T H E F I FA W E E K LY

Papst Franziskus beeindruckt, wie er Tabus bricht. Und wie er versucht, alte Denkmuster zu hinterfragen, Mauern niederzureissen. Es liegt mir fern, verwegene Vergleiche anzustellen: Aber genau darum geht es doch auch im Fussball. Brücken bauen, verbinden. Wer nicht daran glaubt, wird dies belächeln. Für andere bedeutet es Hoffnung. Ich freue mich, Papst Franziskus diese Woche persönlich kennenzulernen. Eine Privataudienz, die weit über das Private hinausgeht. Å

Ihr Sepp Blatter 29



DAS FIFA-R ANKING Rang Team

1 2 3 4 5 6 7 8 8 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 44 46 47 47 49 49 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 61 63 64 65 66 67 68 69 70 71 71 73 74 75 76 77

Rang­veränderung Punkte

Spanien Deutschland Argentinien Kolumbien Belgien Uruguay Schweiz Niederlande Italien England

0 1 -1 1 1 1 7 1 -4 7

1513 1311 1266 1178 1175 1164 1138 1136 1136 1080

Brasilien Chile USA Portugal Griechenland Bosnien-Herzegowina Elfenbeinküste Kroatien Russland Ukraine Frankreich Ecuador Ghana Mexiko Schweden Dänemark Tschechische Republik Serbien Rumänien Slowenien Costa Rica Algerien Nigeria Honduras Schottland Panama Venezuela Armenien Peru Türkei Mali Kap Verde Ungarn Japan Wales Island Norwegen Tunesien Paraguay Iran Ägypten Burkina Faso Österreich Montenegro Usbekistan Republik Korea Australien Albanien Kamerun Republik Irland Libyen Südafrika Finnland Senegal Slowakei Israel Sambia Guinea Polen Jordanien Vereinigte Arabische Emirate Bolivien Sierra Leone Kuba Togo Bulgarien Marokko

-3 4 0 -3 -3 2 2 -8 -4 6 4 -2 1 -3 -3 -3 5 15 2 -1 2 -4 3 6 28 -1 -1 17 -5 9 -3 2 -13 -2 8 8 -8 -1 -8 -1 -1 -1 -6 -27 2 2 -4 -13 2 -1 9 7 -7 2 -5 3 4 8 -4 3 11 -9 -1 10 2 -12 -3

1078 1051 1040 1036 983 925 917 901 874 871 870 862 860 854 850 824 783 778 767 752 744 741 724 720 715 702 692 687 686 670 668 662 636 634 634 633 632 632 613 613 610 598 596 584 582 569 564 563 554 550 540 540 538 530 528 515 513 512 503 502 496 496 493 492 488 487 478

Rang

Mai 2013

Juni 2013

Juli 2013

Aug. 2013

Sept. 2013

Okt. 2013

1 -41 -83 -125 -167 -209

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 103 105 106 107 107 109 110 111 112 112 114 115 116 117 118 119 120 121 121 123 124 125 126 127 128 129 129 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 141 143 144

Platz 1

Aufsteiger des Monats

Dominikanische Republik Neuseeland Haiti Trinidad und Tobago Jamaika Belarus Gabun Uganda EJR Mazedonien DR Kongo Aserbaidschan El Salvador Nordirland Kongo Oman Angola Benin Äthiopien Moldawien VR China Botsuana Estland Georgien Saudiarabien Simbabwe Litauen Irak Katar Liberia DVR Korea Zentralafrikanische Republik Kuwait Niger Kanada Guatemala Antigua und Barbuda Guyana Mosambik Tadschikistan Lettland Kenia Äquatorial-Guinea St. Vincent und die Grenadinen Libanon Burundi Bahrain Malawi Turkmenistan Neukaledonien Luxemburg Namibia Ruanda Tansania Suriname Grenada Afghanistan Zypern Kasachstan Sudan Philippinen St. Lucia Gambia Malta Syrien Lesotho Thailand Tahiti

T H E F I FA W E E K LY

9 -12 -2 4 -4 -3 -1 -4 -11 4 19 4 -4 1 4 -4 -4 -2 33 2 6 -11 -3 8 -1 9 2 3 8 6 -4 0 -8 -5 -12 -1 16 1 1 -2 0 -21 2 -1 3 -2 -2 0 -31 -1 -1 2 -2 4 -13 -1 0 -3 4 4 0 -3 2 2 6 -4 2

Absteiger des Monats

474 470 464 457 456 441 438 431 430 411 407 404 399 394 381 380 378 376 369 365 354 351 350 338 328 323 323 313 312 310 310 307 306 296 294 294 286 282 280 277 274 273 271 267 267 266 263 254 249 247 246 242 242 237 233 223 219 216 215 213 203 202 192 183 183 181 179

145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 162 162 165 166 167 168 169 170 171 171 173 173 175 176 177 178 178 180 181 182 183 183 185 186 186 188 189 190 191 192 193 193 195 196 197 198 199 200 201 202 202 204 204 206 207 207 207

Belize Palästina St. Kitts und Nevis Hongkong Myanmar Kirgisistan Vietnam Mauretanien Nicaragua Indien Singapur Tschad Malediven Liechtenstein Puerto Rico Malaysia Bermuda Indonesien São Tomé und Príncipe Bangladesch Nepal Sri Lanka Laos Pakistan Dominica Curaçao Salomon-Inseln Guam Barbados Aruba Färöer Chinese Taipei Jemen Samoa Mauritius Madagaskar Guinea-Bissau Vanuatu Swasiland Mongolei Fidschi Amerikanisch-Samoa Tonga Bahamas Montserrat Komoren Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Brunei Darussalam Osttimor Eritrea Seychellen Papua-Neuguinea Kambodscha Britische Jungferninseln Andorra Somalia Dschibuti Cook-Inseln Südsudan Macau Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln

0 3 -10 0 13 -6 2 -2 0 1 4 2 -5 -2 1 1 -4 8 1 4 -2 2 5 2 -2 4 -2 4 -22 -8 7 -1 -4 -1 -1 -1 -1 -1 3 2 2 2 2 3 4 3 -1 0 -11 -11 0 0 0 1 -2 0 0 1 1 1 -2 0 0 0 0

178 175 172 171 169 161 159 158 155 151 149 148 147 141 139 137 127 120 120 120 119 108 105 102 89 88 86 86 82 82 81 79 72 62 62 57 56 53 49 49 47 43 43 40 33 32 30 29 26 26 24 23 21 20 18 16 14 11 11 10 10 3 0 0 0

31


First Love

32

T H E F I FA W E E K LY


Ort: Dehdadi, Afghanistan Datum: Dienstag, 6. November 2012 Zeit: 16.15 Uhr

Qais Usyan/AFP

T H E F I FA W E E K LY

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HISTORY

Ungarns Blütezeit, Ungarns Untergang

Einlauf zur Zeitenwende: Der englische Kapitän Billy Wright (r.) schreitet mutig voran.

Es ist 60 Jahre her, dass Ferenc Puskas England zeigte, wie das Fussballspielen geht. Am 25. November 1953 demontierte Ungarn das Mutterland des Fussballs im Wembley-Stadion 6:3. David Winner

P

aradoxerweise zaubern sowohl das Endergebnis als auch das Datum noch heute Fussballfans beider Länder ein Lächeln ins Gesicht. Es war ein legendäres Spiel. England hatte noch nie zuvor auf heimischem Boden gegen ein ausländisches Team verloren. Ungarns Goldene Generation mit den kirschroten Trikots war der amtierende Olympiasieger. Die Aranycsapat waren seit drei Jahren ungeschlagen. Hinter den Kulissen stand der ungarische Trainer Gusztav Sebes allerdings stark unter Druck. In seinem Heimatland regierten die Stalinisten. Sie betrachteten das Team als Möglichkeit, den Kommunismus in die Welt hinauszutragen. Eine Niederlage hätten sie nicht hingenommen. 34

Die Begegnung selbst wurde als “Spiel des Jahrhunderts” bezeichnet. Die Schlacht war aber in etwa so fair wie ein Kampf zwischen mit Speeren bewaffneten Einheimischen und britischen Kolonialisten mit Maschinengewehren. Die hochmütigen Engländer hatten sich jahrzehntelang nur um sich selbst gedreht. Sie traten in der unflexiblen W-M-Formation an, die noch auf die 1920er zurückging. Die technisch weit überlegenen Ungarn spielten hingegen den Fussball der Zukunft mit schnellen Passfolgen. Ihr Stil ebnete den Weg für das brasilianische 4-2-4 zu Zeiten Pelés, den niederländischen “Totalen Fussball” sowie das moderne Tiki-Taka Barcelonas und Spaniens. Am denkwürdigsten war an jenem nebligen Nachmittag in London das dritte Tor Ungarns. T H E F I FA W E E K LY

Der Ball erreichte über acht Stationen den Torjäger Puskas. Dieser düpierte den englischen Kapitän Billy Wright, indem er den Ball mit der Fusssohle zurückzog, sich um sich selbst drehte und dann einschoss. Die Engländer waren verwirrt angesichts der feinen ungarischen Spielzüge, der Positionswechsel und der damaligen Version der “falschen Neun” mit dem aus der Tiefe kommenden Mittelstürmer Nandor Hidegkuti, der dem Spiel damals mit seinem Hattrick den Stempel aufdrückte. Das Rückspiel in Budapest gewann Ungarn mit 7:1. Englands Syd Owen meinte damals, gegen Ungarn zu spielen, sei “wie gegen Ausserirdische zu spielen”. In Ungarn wird das Spiel einfach ganz kurz als “das 6:3” bezeichnet. Es ist bis heute der grösste Moment in der Sportgeschichte des Landes. Immer wieder wird darauf Bezug genommen. Der mitreissende Ferenc Puskas Zur Aranycsapat, von manchen als bestes Team aller Zeiten bezeichnet, gehörten so grossartige Talente wie Sandor Kocsis, Zoltan Czibor und Jozsef Bozsik. Doch der Star des


HISTORY

Teams war Puskas, der Kapitän und mitreissende Torschütze der Ungaren. Später startete er im Exil mit Real Madrid eine zweite beeindruckende Karriere. Seit seinem Tod im Jahr 2006 gilt er als Inbegriff des goldenen Fussballzeitalters seines Landes. In Touristenläden in Budapest werden bis heute Puskas-Andenken und -Trikots verkauft. Ausserdem trägt das grösste Stadion der Stadt seinen Namen – genauso wie die FIFA-Puskas-Auszeichnung für das schönste Tor des Jahres.

erklärt: “Die Partie 1953 war mehr als ein Fussballspiel. Ungarn war fast ein totalitärer Staat. Das stalinistische System befand sich auf seinem Höhepunkt, und der Fussball war das Einzige, was den Menschen etwas Vergnügen oder Hoffnung bescherte. Als Ungarn dann das WM-Finale (1954 in Bern gegen Deutschland) verlor, wollten die Leute einfach nicht glauben, dass es sich dabei um ein richtiges Spiel gehandelt hatte. Sie waren absolut davon überzeugt, dass das Spiel manipuliert worden ist.”

Doch was ist nach jenem grossen Spiel geblieben? Die Engländer waren vor allem schockiert. Der Fussballredakteur Brian Glanville bezeichnete die Niederlage als kalte Dusche. “Es war der Moment der Wahrheit, das Ende einer Illusion.” Der Illusion, dass England immer noch die grösste aller Fussballnationen ist.

Der Historiker Arpad von Klimo meint, das Regime habe einen grossen Fehler gemacht, indem es den Fussball zu Propagandazwecken missbraucht und versucht habe, den Sport zu kontrollieren. “Die Menschen hatten nichts zu essen. Aber sie hatten diese glanzvolle Fussballmannschaft. Als das Team verlor, brachen alle Dämme. Es heisst, die Ausschreitungen nach dem Finale seien der Beginn der Revolution von 1956 gewesen. Zum ersten Mal hatten die Leute keine Angst vor der Geheimpolizei, dem Verwaltungsapparat und politischer Repression.”

Rückblickend lässt sich zudem feststellen, dass dieser Verlust des sportlichen Ansehens mit dem Abstieg Grossbritanniens als Weltmacht Hand in Hand ging. Damals fühlten sich die Engländer jedoch immer noch als mächtige Nation. Sie reagierten daher auf die demütigende Niederlage mit Anerkennung und Bewunderung für die Ungarn statt mit Verbitterung. Dies war eines der ersten grossen Spiele, bei denen sich viele Zuschauer vor dem Fernseher versammelten. In der Londoner Victoria Station fanden sich grosse Menschenmassen ein, um den “wunderbaren Ungarn” eine gute Heimreise zu wünschen. Die ungarische Spielweise regte einige Spieler und zukünftige Trainer dazu an, sich genauer mit der Taktik zu beschäftigen. Alf Ramsey, Englands Rechtsverteidiger beim Spiel in Wembley, führte England später als Nationaltrainer an der Weltmeisterschaft 1966 zum Sieg.

Zwei Jahre später folgte der ungarische Volksaufstand, der zunächst durch sowjetische Panzer plattgewalzt wurde. Danach flohen 200 000 Ungarn ins Exil, einschliesslich der meisten Spitzenfussballer. Für den ungarischen Fussball begann der langsame und unerbittliche Abstieg. Aktuell steht das Land in der Weltrangliste auf Platz 43, direkt hinter Kap Verde. Im letzten Monat verlor das Team bei einem WM-Qualifikationsspiel 1:8 gegen die Niederlande. Die Ungarn denken immer noch mit Freude an den November 1953 zurück. Doch durch den nachfolgenden Verfall bekommen die schönen

Nach dem Sieg: Der ungarische Kapitän Ferenc Puskas (vorne links) im Glück.

Erinnerungen einen faden Beigeschmack. Von Klimo: “Die Ungarn zählen mit zu den pessimistischsten Völkern der Welt. Aber wir haben gelernt, auch unsere Niederlagen zu lieben. Vor dem Hintergrund des 6:3 ist es umso unerträglicher, mit anzusehen, wo Ungarn jetzt steht. Wir sind nicht wie die Färöer, die nie eine grosse Fussballnation waren. Die Leute schauen zurück und denken: ‘Wir hatten einmal eine der stärksten Mannschaften der Welt, doch das ist ein für alle Mal vorbei.’ Wir blicken mit einem lachenden und einem weinenden Auge in die Vergangenheit: Wir sind stolz darauf, aber es schmerzt auch.” Å

United Archives, EFE, Allsport, Keystone

Es wurde allerdings nur wenig unternommen, um die technischen Schwächen der Engländer auszugleichen. Wie in einer Fussballversion des Films “Und täglich grüsst das Murmeltier” durchlebten die Engländer das Drama von 1953 immer wieder von vorn. So wunderten sie sich jedes Mal aufs Neue, wenn sie gegen ausländische Mannschaften verloren, die den Ball einfach besser kontrollieren und passen konnten. Die Ungarn hatten derweil ganz andere Sorgen. Der Sieg gegen die Engländer war ein einzigartiger Triumph. Doch das Team musste seine Leistungen in einem immer instabileren politischen Umfeld abrufen. Als im Jahr 1954 die Goldene Elf überraschend das WM-Finale gegen die BR Deutschland verlor, strömten in Budapest die verärgerten Massen auf die Strassen. Der Schriftsteller Tibor Fischer ist Autor des Buchs “Under The Frog”. In diesem Roman beschreibt er mit schwarzem Humor den ungarischen Sport unter den Kommunisten. Er

Ganz in Weiss: Ferenc Puskas in Madrid (1959). T H E F I FA W E E K LY

35


THE SOUND OF FOOTBALL

DAS OBJEK T

Perikles Monioudis Dr. Leo Francis Hoye begab sich in die Archive des englischen Fussballverbands und kehrte mit sich selbst zurück.

Hanspeter Kuenzler

Fussball, Tanz und Musik sind Künste, die in Brasilien seit jeher zusammengehören. “Ich war ein guter Tänzer, und das half mir beim Fussball”, erklärte Domingos da Guia, der Mann, der in den 30er- und 40er-Jahren mit unvergleichlicher Eleganz die brasilianische Verteidigung organisierte: “Den Stil von meinen kurzen Dribblings mit dem kleinen Hüftschwenker, habe ich vom Samba gelernt.”

Person vereint als das BallGenie Edson Arantes do Nascimento alias Pelé. Die schönste Pelé-Hymne heisst “O Nome do Rei é Pelé” und stammt vom Altmeister Jorge Ben (seit 1988 Jorge Ben Jor). “Samba Nova” nannte der grosse Erneuerer seinen Stil, als er in den 70er­Jahren anfing, jazzigen Bossa Nova mit Rock, Soul und Funk zu vereinen. Mit “O Nome Do Rei e Pelé” erschuf er dem Ballzauberer ein würdiges Denkmal.

Die brasilianischen Fans waren es auch, die in den 40er­ Jahren als erste anfingen, die Tribünen mit Tanz, Musik und Kostümen in einen Mini-Karneval zu verwandeln. Entsprechend ernst genommen wird Fussball von den Musikern des Landes als Inspiration für ihre Lieder.

Nicht minder leidenschaftlich und doch ganz anders besingt Jackson do Pandeiro die Talente des “O Rei, Pelé”. Der 1982 verstorbene Do Pandeiro war ein Vertreter des im Nordosten des Landes populären Forro, der ein beschwingtes Akkordeon mit Perkussion zusammenbringt. Zwischen Bossa Nova und amerikanischem Singer-Songwritertum angesiedelt ist das “Pelé”-Tribut

Und kein Fussballer hat mehr Lobeshymnen auf seiner 36

von Palavra Cantada, derweil die Künstler Aracatuba im Namen von Pelé einen wahren Perkussionssturm auslösen (zu finden auf dem 2003 erschienenen Sammelalbum “Musica de Futebol”). Selbst das amerikanisch-deutsche Schlagersternchen Peggy March hat sich Pelé angenommen – “Pelé” findet sich auf der B-Seite ihrer 1972 erschienenen Single “The Beatles – John, Paul, George und Ringo”, die damit den Zeitgeist perfekt auf zwei VinylSeiten einfängt. Aber Achtung: Nicht alles, was Pele heisst, meint Pelé den Fussballer: Im Albumtitel “Boys for Pele” der amerikanischen Künstlerin Tori Amos geht es um die furchteinflössende hawaiianische Göttin der Vulkane. Æ

T H E F I FA W E E K LY

Der kleine Leo posierte mit dem Maskottchen, das die englische WM 1966 feiern sollte, für die Weltpresse – mit dem ersten Maskottchen für eine Fussball-WM, für einen Sportanlass überhaupt. Willie wurde auf Tassen, Handtüchern, Tellern, Mützen, Shirts usw. abgebildet und löste eine Begeisterungswelle für derartige Artefakte aus. Heute spricht man in diesem Zusammenhang von Merchandising, und das Geschäft mit Souvenirs und Logos generiert Millionenumsätze. World Cup Willie fasziniert Leo noch heute. Man kann es als Selbstsuche auffassen, wenn der Linguist am Centennial College der University of Hong Kong der Hervorbringung seines Vaters nachgeht. In den Archiven der FA suchte er weiteres Material aufzustöbern, das sein abgewandeltes Abbild weiter grundiert und mithin sein Leben als Willie ein klein wenig weiter erklärt. “World Cup Willie: The Story of a Mascot, A Game, An Era” lautet Leos Arbeit, an der er – Gott sei Dank – noch immer schreibt. Glück hatte auch die FIFA, als sie neulich einen Original-Willie auf Ebay ersteigern konnte. Er führt eine lange Reihe einschlägiger Nachfahren auf dem Regal dort hinten an. Kannst du ihn sehen, Leo? Å

Photo: Gian Paul Lozza, Illustration: Sion Ap Tomos

“Pelé, Held der Lieder”

Er kannte das Gefühl schon. Sein Vater, der Zeichner Reg Hoye, hatte World Cup Willie nach dem 12-jährigen Leo entworfen, einen handzahmen Löwen im Union-Jack-Shirt und mit Strubbelhaaren – oder doch der Beatles-Frisur der 60er-Jahre.


TURNING POINT

“Meine Wiedergeburt in der Telefonzelle” In seiner Zeit als Spieler feierte der Neuseeländer Wynton Rufer (50) wilde Partys. Bis eine Begegnung mit einem Heilsarmee-Soldaten in den Schweizer Bergen 1986 sein Leben veränderte.

I

Name

m November 1986 veränderte sich mein Leben von einer Minute auf die andere. Es war während eines Telefongesprächs mit meiner zukünftigen Frau Lisa.

Wynton Rufer Nationalität Neuseeland/Schweiz Geburtsdatum 29. Dezember 1962 Nationalteam Neuseeland

Lisa und ich hatten uns ein Jahr zuvor durch einen Zufall kennengelernt. Es war in einem ­ Hotel in Wellington, wo ich eigentlich gar nicht hätte sein dürfen. Mein Verein, der FC Zürich, hatte mir die Reise zum WM-Qualifikationsspiel gegen Australien verboten. Das Neuseeländische Nationalteam lag mir aber so am Herzen, dass ich die Busse in Kauf nahm (10 000 Schweizer Franken) und mich trotzdem ins Flugzeug setzte.

Christian Schroedter/Imago

Und da sass sie nun, Lisa, an der Hotelbar, mit ihren Eltern. Gerade mal 18 Jahre alt war sie und von der halben Neuseeländischen Mannschaft in der Bar umworben. Nicht gerade eine einfache Situation um mit einer Person in Kontakt zu treten. Als ihr Vater zu den Toiletten verschwand, bin ich ihm gefolgt und habe ihn in ein Gespräch verwickelt. Ich verhielt mich bescheiden, obwohl ich damals einer der bekanntesten Spieler im Team war. Offenbar hat ihm das – so viel weiss ich heute – grossen Eindruck gemacht. Er stellte mich Lisa vor, wir beide verliebten uns und vierzehn Monate später, am 7. Dezember 1986, planten wir zu heiraten.

23 Einsätze Erfolge · 174 Spiele, 59 Tore für Werder Bremen · Deutscher Meister 1993 (Bremen) · Auszeichnung zu “Ozeaniens Fussballer des Jahrhunderts”

Alles gut, könnte man meinen. Ich war 23 Jahre alt, hatte einen Profivertrag in der ­Tasche, verdiente genug Geld und stand vor der Hochzeit mit der wunderbarsten Frau der Welt. Und trotzdem war ich nicht glücklich. Etwas fehlte in meinem Leben. Es war die Bekanntschaft mit Jesus.

Vorfreude in das einzige Restaurant im Dorf. Auch ich sehnte mich nach guter Küche und einem Glas Wein. Aber es kam anders. An meinem Tisch sass ein Heilsarmee-Soldat, mit dem ich schnell ins Gespräch kam. Der Mann erzählte mir in einer langen Unterhaltung die Geschichte von Jesus, von der Kraft der Liebe zu Jesus und von der Bibel. Ich war überwältigt. Begeistert lief ich aus dem Restaurant zu einer Telefonzelle, um Lisa anzurufen. Kaum stand die Leitung nach Neuseeland, wo der Tag gerade begonnen hatte, übermannte mich ein intensiver Weinkrampf. Drei Minuten lang brachte ich kein Wort über die Lippen. Ein unglaublicher Moment. Es war wie eine Wiedergeburt.

Diese machte ich, als ich im November 1986 mit dem Schweizer Militär in den Bergen weilte. Unser Vorgesetzter gewährte uns einen freien Abend und die ganze Kompanie steuerte mit

Auf einen Schlag hatte sich mein Leben verändert. Ich hatte fortan keine Lust mehr auf die wilden Zeiten neben dem Fussballfeld, für die ich so bekannt war. Ich verzichtete auf die T H E F I FA W E E K LY

Disco­besuche und auch auf meine gelegentlichen Joints. An jenem Novemberabend fand ich die Liebe zu Jesus, und die erfüllte mich vollkommen. Meinen neuen Weg schlug ich natürlich mit meiner Ehefrau Lisa ein. Wir lieben uns noch heute und haben zwei erwachsene Söhne. Mit dem Heilsarmee-Soldat bin ich übrigens seit dem Gespräch in den Schweizer Bergen eng ­befreundet. Å Aufgezeichnet von Alan Schweingruber

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37


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Impressum

FIFA - R ÄT SEL - CUP

The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

Diesmal geht es um rettendes Gemüse und zwei deutsche Kapitäne. Raten Sie mit!

Internet: www.FIFA.com/TheWeekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich, Tel. : +41-(0)43-222 7777 Fax : +41-(0)43-222 7878

1

Ich habe den World Cup gerettet! Mein Name?

Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke

F

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Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio Chefredakteur: Thomas Renggli Art Director: Markus Nowak 2

Redaktion: Perikles Monioudis (Stv. Chefred.), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Ständige Mitarbeiter: Jordí Punti, Barcelona; David Winner, London; Hanspeter Kuenzler, London; Roland Zorn, Frankfurt/M.; Sven Goldmann, Berlin; Sérgio Xavier Filho, São Paulo; Luigi Garlando, Mailand

In welchem Stadion fanden bereits zwei Endspiele der Fussball-WM der Männer statt?

A  Olympiastadion

E  Stade de France

I  Estadio Azteca

O  Stadio Olimpico

Bildredaktion: Peggy Knotz Produktion: Hans-Peter Frei (Leitung), Richie Krönert, Philipp Mahrer, Marianne Crittin, Mirijam Ziegler, Peter Utz, Olivier Honauer

3

Wann gab es für die Auslosung der Gruppenphase in der WM-Endrunde keine gesetzten Mannschaften? F  1998 N  1958

Korrektorat: Nena Morf Redaktionelle Mitarbeit in dieser Nummer: Giovanni Marti, Honey Thaljieh, Dominik Petermann Redaktionssekretariat: Loraine Mcdouall

K  1978 T 1938

Waren das noch Zeiten! Wann nahmen erstmals zwei Mannschaften aus Deutschland an der Qualifikation zu einer WM teil?

4

Übersetzung: Sportstranslations.com Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Druck: Zofinger Tagblatt AG Kontakt: feedback-TheWeekly@fifa.org www.ztonline.ch Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus dem The FIFA Weekly – auch auszugsweise – ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (© The FIFA Weekly, 2013) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Das FIFA-Logo ist ein eingetragenes Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.

E

1953/54

K

1957/58

A

1961/62

X  1965/66

Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: COLD (ausführliche Erklärungen auf FIFA.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus

Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 27. November 2013 an feedback-­TheWeekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis am 31. Dezember 2013 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für den FIFA Ballon d’Or 2013 am 13. Januar 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY

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FR AGEN SIE DIE FIFA!

UMFR AGE DER WOCHE

Sind 32 Mannschaften an der WM genug oder soll man das Teilnehmerfeld aufstocken?

Antwort von Thomas Renggli, Chefredaktor: Neben Griechenland kann auch Frankreich das “Urheberrecht” an den Olympischen Spielen geltend machen. Denn der französische Pädagoge Pierre de Coubertin war es, der die Spiele 1896 (in Athen) zu neuem Leben erweckte. Vier Jahre später fanden die zweiten Spiele der Neuzeit in Paris statt. Dem Olympischen Gedanken verdanken auch viele Sportklubs – wie etwa Olympique de Marseille oder Olympique Lyonnais – ihre Namen.

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ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE:

34+22+20177

An wen geht der FIFA Ballon d’Or 2013?

 CRISTIANO RONALDO  FRANCK RIBÉRY  ZLATAN IBRAHIMOVIĆ  LIONEL MESSI  ÜBRIGE

7%

17%

34%

20%

22%

The FIFA Weekly erscheint jede Woche freitags – als Printausgabe sowie als E-Magazin (www.Fifa.com/TheWeekly). Neben Berichterstattungen über Stars und Tore steht der Doppelpass mit den Lesern im Zentrum. Nehmen Sie an der Diskussion teil. Reaktionen an: feedback-TheWeekly@fifa.org

-mal war die Aus-

die englische National-

wahl von Bosnien-Her-

mannschaft auf einen

zegowina bisher an einer

Sieg gegen Chile. Am

WM. Unter anderem

vergangenen Freitag

dank den Goalgetter-Qua-

verlor sie in London

litäten von Edin Dzeko (im

gegen die Südamerikaner

47

Bild) feiert sie im kommen-

0:2. Für die Mannschaft

sche ­Ausnahmekönner selbst

den Sommer die Premiere. Am

von Roy Hodgson endete

nach verpasster WM-Teilnah-

anderen Ende der Skala steht der

damit eine Serie von

me in bester Gesellschaft.

Gastgeber. Brasilien war als einziges

zehn Spielen ohne

Günter Netzer lebt auf

Team an allen 19 Endrunden dabei.

Niederlage.

ebenso grossem Fuss.

0 60 VOR DER PREMIERE

AM WAR TEN

Jahre schon wartet

40

DAS NEUE FUSSBALL-MAGA ZIN

AUF GROSSEM FUSS

ist die Schuhgrösse von

Zlatan Ibrahimovic. Damit befindet sich der schwedi-

T H E F I FA W E E K LY

Keystone; Imago, Getty Images

Wie kommt Olympique de Marseille zu olympischen Ehren? Ulla Margareta Jansen, Vejbystrand (Schweden)


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