NR. 8, 13. DEZEMBER 2013
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
MEHR ALS NUR EIN SPIEL RUMMENIGGE: DIE KLUB-WM ALS GROSSES ZIEL
IBISEVIC: WENDEPUNKT BOSNIENKRIEG
MOURINHO: MADRIDER MACHTSPIELE
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
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Tokyo Sexwale über Madiba Mandelas Weggefährte nennt zwei Dinge, die er vom Freiheitskämpfer gelernt hat: Beharrlichkeit und Demut.
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Fussball auf Robben Island Das einzige Vergnügen der politischen Gefangenen auf Robben Island war der Fussball.
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Das warme Lächeln FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke über seinen Besuch bei Nelson Mandela.
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Fussballbücher Weihnachten steht vor der Tür. Lesen Sie statt der Berichte aus den Ligen Rezensionen neuer Fussballbücher wie «Girls With Balls» über den Frauenfussball oder die neuste MourinhoBiographie.
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“Bayern will die Klub-WM gewinnen” Der FC Bayern München visiert in Marokko seinen fünften Titel im laufenden Jahr an. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge spricht über Pep Guardiola, die “Bayern-Arroganz” und die Ästhetik des Fussballs.
Aztekenstadion Kathedrale des Fussballs
W ie ein Hirsch den Fussball revolutionierte Bis weit in die 1970-er Jahre war Werbung im Fussball tabu. Dann hatte ein deutscher Schnapsproduzent eine geniale Idee und eroberte gemeinsam mit Eintracht Braunschweig neue Märkte. Top 11: die Stadion-Monumente Wembley, San Siro, Aztekenstadion. Ein Streifzug durch die beeindruckendsten Arenen der Fussball-Welt.
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D ie Geschichte der Klub-WM Die Klub-Weltmeisterschaft der FIFA hat sich aus unterschiedlichen Wettbewerben entwickelt. Heute ist sie aus dem Jahres kalender des Weltfussballs nicht mehr wegzudenken.
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N etzer weiss es! “Wann gewinnt endlich eine afrikanische Nation die WM?” Günter Netzer antwortet einem Leser aus Senegal.
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Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com
A tletico Mineiro in Marokko Nach dem Gewinn der Copa Libertadores greift der brasilianische Traditionsverein Clube Atletico Mineiro jetzt nach dem Titel an der Klub-WM.
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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com
Nelson Mandela – ein Kämpfer und Fussballfan FIFA-Präsident Blatter verband mit Madiba, wie Mandela gerufen wurde, eine enge Freundschaft. Im Gespräch lässt er seinen Erinnerungen an die südafrikanische Legende freien Lauf.
Atletico Mineiro Ronaldinho greift an
Gruppen A – C Gruppe A
Turning point Der VfB-Stuttgart-Profi Vedad Ibisevic sieht den Wendepunkt in seinem Leben in der Tatsache des Bosnienkriegs begründet: Einst war er Flüchtling, heute ist er ein Star in der deutschen Bundesliga.
Gruppe B
Gruppe C
Brasilien
Spanien
Kolumbien
Kroatien
Niederlande
Griechenland
Mexiko
Chile
Elfenbeinküste
Kamerun
Australien
Japan
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D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa 53 Mitglieder www.uefa.com
Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com
Karl-Heinz Rummeningge Sehnsucht Klub-WM
Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com
Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com
Vedad Ibisevic Fussball-Reisender
NR. 8, 13. DEZEMBER 2013
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Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
MEHR ALS NUR EIN SPIEL RUMMENIGGE: DIE KLUB-WM ALS GROSSES ZIEL
IBISEVIC: WENDEPUNKT BOSNIENKRIEG
MOURINHO: MADRIDER MACHTSPIELE
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Kick it like Madiba! Für Nelson Mandela war der Fussball ein entscheidender Integrationsfaktor - und viel mehr als ein Spiel..
Cover: David Brauchli/Keystone
Inhalt: Getty Images
Nelson Mandela Afrikanische Ikone
Gruppen D – H Gruppe D
Gruppe E
Gruppe F
Gruppe G
Gruppe H
Uruguay
Schweiz
Argentinien
Deutschland
Belgien
Costa Rica
Ecuador
Bosnien-Herzegowina
Por tugal
Algerien
England
Frankreich
Iran
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Russland
Italien
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UNCOVERED
Hoffnungsträger: Mandela kurz vor seiner Wahl zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas 1994.
Er machte Utopie zur Realität Walter De Gregorio
Per-Anders Pettersson/Corbis
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ollen wir Nelson Mandela aufs Cover heben und ihn ausführlich würdigen? Diese Frage wurde innerhalb des Weekly-Teams kontrovers diskutiert. Ausser Zweifel steht, dass er es verdient hat, und zwar bedingungslos. Die Lebensgeschichte Mandelas ist einzigartig, trotz oder gerade auch wegen seinen Widersprüchen. Auch er war ein Mensch mit all seinen Fehlern. Aber keiner hat so konsequent an die Idee geglaubt, Mauern niederzureissen und Brücken zu schlagen. Er hat sich nicht nur aus dem Gefängnis auf Robben Island befreit, sondern auch seine Kerkermeister in die Freiheit entlassen. In dem er versuchte, den Feind zu verstehen, hinter die Fratze des Grauens zu blicken, den Menschen zu erkennen, selbst wenn es sich um seine Peiniger handelte. Die Vorstellung, dass sogar im Bösen der Keim des Guten schlummern könnte, ist zwar schwer zu ertragen. Doch genau das ist das Vermächtnis Mandelas: die Hand zu reichen. Es ist den Historikern überlassen, Madiba zu würdigen, wenn der Blick für die klare Analyse frei ist. Die Gefahr der Geschichtsklitterung besteht immer, wenn ein Mensch schon zu Lebzeiten eine Legende ist. Schon beim Schreiben
dieser Zeilen wird einem sehr bewusst, auf welch schmalem Grat man sich bewegt. Die Frage darum: Wollen wir uns einreihen in die lange Liste der Trauernden, von denen einige in der Vergangenheit wenig unternommen haben, den Gefangenen mit der Registriernummer 46 664 im Straflager auf Robben Island zu unterstützen? Die Auseinandersetzung mit der historischen Persönlichkeit Nelson Mandelas ist letztlich immer auch ein Auseinandersetzen mit dem eigenen Gewissen. Regierungen, die heute ihre Fahnen auf Halbmast setzen, hatten jahrelang mit dem Apartheid-Regime kollaboriert; Unternehmen, die in diesen Tagen den Trauerflor tragen, hatten trotz Sanktionen ihre Geschäfte mit dem Regime getätigt. Mehrere Gründe, die dafür sprechen, auf den nächsten Seiten an Mandela zu erinnern, auch in einem Fussball-Magazin: Keiner hat die positive Kraft des Sports, vor allem auch die des Fussballs, erkannt und so konsequent genutzt wie er. Dass Mandela ausgerechnet am Tag vor der Gruppenauslosung zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien starb, ist eine Ironie des Schicksals. Mit der Gruppenauslosung wurde die WM letzte Woche offiziell lanciert. Genau in dem Moment erreichte uns die Nachricht vom Tod von Nelson Mandela. Als wollte er auf seine Art die Weltmeisterschaft in SüdT H E F I FA W E E K LY
afrika definitiv an Brasilien und die Welt übergeben. Aber auch losgelöst von jedem metaphysischem Deutungsversuch: Tatsache ist, dass der letzte öffentliche Auftritt von Mandela an der WM in Südafrika stattfand. Er verabschiedete sich just zu dem Zeitpunkt, als ein Milliardenpublikum für die Gruppenauslosung zugeschaltet war. Als wäre es der programmierte Epilog eines perfekten Drehbuchs. Mandela machte die Utopie zur Realität und bewies, dass wir allein es sind, die die Grenzen des Möglichen ziehen. Er nimmt uns das Alibi, Probleme nicht lösen zu wollen, weil sie nicht lösbar sind. Sie sind es eben doch. Å
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Reuters
W체rdentr채ger: Sepp Blatter verleiht Nelson Mandela 1998 den FIFA Order of Merit.
NELSON MANDELA
“Mandela hat einen Traum wahr gemacht” Weggefährten. Nelson Mandela und Sepp Blatter verband eine enge Freundschaft. “Mandela verkörperte Respekt und Demut vor den Mitmenschen und dem Leben”, erinnert sich der FIFA-Präsident in einem persönlichen Gespräch.
Können Sie sich an die erste Begegnung mit Nelson Mandela erinnern? Sepp Blatter: Ja, sicher – das war zu Beginn des Jahres 1992 in Kapstadt. Mandela war zwei Jahre zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden. Ich fungierte damals noch als Generalsekretär der FIFA und begleitete Präsident Havelange. Von Danny Jordaan, dem jetzigen Präsidenten des südafrikanischen Verbands, wurden wir Mandela am Hauptsitz des African National Congress vorgestellt. Ich erinnere mich genau, wie Mandela sofort auf uns zukam und uns mit offenen Armen willkommen hiess – wie er den Kontakt suchte. Wenn ich an unsere erste Begegnung denke, kommen mir seine Sanftheit und der Respekt, den er ausstrahlte, in den Sinn. Man hört ja immer wieder, dass ein langer Gefängnisaufenthalt die Menschen abstumpft, sie kalt werden lässt. Bei Mandela war das Gegenteil der Fall. Er hatte einen grossen Nachholbedarf an zwischenmenschlicher Nähe.
durch – und gewann überraschend das Finale gegen Tunesien. Damals sass ich neben Mandela im Stadion. Und er trug das Trikot der Nationalmannschaft.
Wie viel hat er von Fussball verstanden? Viel. Er war ein grosser Fussballfan und hat die positive Kraft unseres Sports zur Zusammenführung der Rassen genutzt. Der Fussball war die grosse integrative Kraft nach der Apartheid – nicht Rugby. Es ist bezeichnend, dass die Gefangenen auf Robben Island Fussball und nicht Rugby oder Cricket spielten. Für Mandela war der Fussball auf Robben Island lebenserhaltend, obwohl man vor seiner Zelle eine Mauer errichten liess, damit er nur das kleine Spielfeld sehen konnte. Ich sah seine Zelle mit eigenen Augen – unvorstellbar: nur eine kleine Luke, durch die kaum Licht drang. In einer Ecke befand sich die Toilette. Im Gegensatz zu den anderen Häftlingen war Mandela total isoliert.
“Mandela hat in der Geschichte eine entscheidende Rolle gespielt. Er hat einige herausragende Dinge getan; nicht nur für sein Land, sondern für die ganze Welt.” Zinédine Zidane
“Nelson Mandela ist mein Idol ausserhalb des Fussballs. Ich habe das grosse Glück gehabt, ihn einige Male zu treffen. Er hatte sehr viel Ahnung von Fussball.” Ryan Giggs
Ihn muss eine magische Aura umgeben haben ... Definitiv. Sein Charisma und seine Persönlichkeit waren sehr beeindruckend. Wenn er in einen Raum kam, war der Raum voll. Es zählt zu meinen grössten Erlebnissen, dass ich von Mandela mit dem südafrikanischen Orden der Menschlichkeit ausgezeichnet wurde. Mandela seinerseits ist Träger des “FIFA Order of Merit”. Was ich damit sagen will: Meine Beziehung zu ihm beruhte auf einem grossen gegenseitigen Verständnis. Seine Ideale sind meine Ideale – Respekt und Demut vor den Mitmenschen und dem Leben. Er ist einer der grossen Humanisten unserer Zeit.
Welche Rolle spielte der Fussball bei Ihrer Begegnung? Eine grosse. Mandela freute sich umso mehr über unseren Besuch, weil wir den Fussball repräsentierten. Unser Sport war von zentraler Bedeutung für Südafrikas Rückkehr zur Normalität. 1992 wurde das Land wieder in die FIFA aufgenommen. 1996 führte Südafrika den African Cup of Nations
Hat er Ihnen über die Zeit nach seiner Freilassung erzählt? Er hat immer gesagt: Man darf nicht vergessen, aber man muss verzeihen. Mandela hat verziehen – das ist aussergewöhnlich für einen Menschen, der so lange weggesperrt war. Als er freigelassen wurde, hatten die Weissen Angst vor seiner Rache. Sie befürchteten, dass Mandela die Schwarzen aufwiegelt und aufhetzt. Doch er tat genau das Gegenteil. Er rief zu Respekt, Offenheit und zum Abbau von Vorurteilen auf und schaffte so die Grundlage, um das Land zusammenzuführen. Seiner Grosszügigkeit ist es zu verdanken, dass der Friede und die Gleichberechtigung wieder hergestellt wurden.
“Mandela hat auf der Welt eine grosse Bedeutung. Er ist etwas Besonderes. Es gibt in der Geschichte der Menschheit nur wenige Menschen mit einem solchen Charisma.” Ruud Gullit
Hätte es die WM 2010 ohne ihn gegeben? Kaum. Er war der grosse Botschafter dieser Idee. Die Gefahr, dass Südafrika 2010 verhindert würde, kam von jenen Stimmen, die Marokko portierten. Als ich 1998 zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde, gab es für T H E F I FA W E E K LY
“Ich bin dankbar für Madibas Vermächtnis und ihn als Vorbild. Er wird immer bei uns bleiben.” Cristiano Ronaldo 7
NELSON MANDELA
mich zwei Prioritäten: Das Goal-Projekt und die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Und für mich war immer klar, dass die WM in Afrika südlich der Sahara stattfinden muss. Nur das konnte das erforderliche starke Zeichen sein. Am Ende fiel die Entscheidung 2004 nur knapp zugunsten von Südafrika aus – mit 14:10 Stimmen.
Mandela war damals in Zürich … Ja – zusammen mit Thabo Mbeki, Frederik Willem de Klerk und Bischof Tutu. Mbeki wollte vor der Vergabe abreisen, um die Bekanntgabe des Ergenbnisses mit seinen Landsleuten mitzuerleb en und er sagte mir noch: Lasst uns nicht fallen. Ich verbrachte den Abend mit Mandela – am nächsten Tag erhielt Südafrika den Zuschlag. Damals wurde das Foto von Mandela mit der WM-Trophäe gemacht. Ich erhielt das Bild vom abtretenden südafrikanischen Botschafter in der Schweiz ausgerechnet in der vergangenen Woche vor meiner Abreise an die Gruppen-Auslosung nach Brasilien. Es war wie eine symbolische letzte Botschaft von Mandela an mich – kurz vor seinem Tod und dem Übergang von der WM 2010 an die WM 2014. Das hat mich tief berührt.
Wie war Ihre Begegnung mit Mandela an der WM 2010? Mandela war gesundheitlich schon angeschlagen. Ausserdem trauerte er um seinen Urenkel, die kurz vor der Eröffnung bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Ich besuchte ihn bei sich zu Hause und wir pflegten regen Kontakt. Er nannte mich immer “Sepp”. Ich habe es noch genau im Ohr, wie er sagte “Sepp, Sepp, Sepp”. Ich glaube, er mochte diesen Namen.
Die Geschichte der Apartheid ist auch die Geschichte des südafrikanischen Fussballs. Die FIFA spielte dabei nicht immer eine unumstrittene Rolle. Als in Südafrika in den 1950erJahren zwei nationale Verbände bestanden, sprach sich der Weltverband für die regierungs- (bzw. Apartheids-)nahe South African Football Asscociation aus. Wie beurteilen Sie die damalige Haltung?
Sie haben viele der ganz Grossen getroffen – Papst Franziskus, Barack Obama, Vladimir Putin, Kofi Annan – wie ordnen Sie Mandela in diese Reihe ein?
“Er ist unser verehrter Ältester und der Vater unserer stolzen Nation, aber er hatte auch immer ein Lächeln parat und dieses Funkeln in den Augen.”
Es ist schwer, diese Persönlichkeiten zu vergleichen. Aber spontan würde ich drei Begegnungen ganz besonders gewichten – diejenige mit Mandela, mit Papst Johannes Paul II. und mit Kofi Annan. Barack Obama hat es genau richtig gesagt: Mandela war der letzte grosse Befreier des 20. Jahrhunderts. Vor allem war er ein Befreier, der friedlich gekämpft hat. Seine Waffen waren Grosszügigkeit, Toleranz und Weitsicht. Er war ein Kämpfer des Herzens und des Geistes.
Danny Jordaan
Das Beispiel Mandelas beweist, dass der Fussball Brücken schlagen kann … Das beweist der Fussball ständig – etwa in Bosnien, wo die Fussball-Nationalmannschaft die verschiedenen Religionen und Ethnien vereint. Oder in Palästina und Israel, wo die Parteien über den Fussball wieder das Gespräch aufgenommen haben. Oder auf Zypern, wo der Zusammenschluss plötzlich ein Thema ist. Der Fussball gibt selbst verfeindeten Lagern eine gemeinsame Basis. Er steht über Nationalitäten, Kulturen und Religionen.
Aber er sendet auch widersprüchliche Signale aus. Didier Drogba und Emmanuel Eboué bedankten sich am vergangenen Wochenende nach ihrem Spiel mit Galatasaray gegen Elazigspor mit einer Aufschrift auf ihren T-Shirts bei Nelson Mandela. Vom türkischen Verband droht ihnen ein Busse wegen politischen Botschaften. Das ist doch keine politische Botschaft. Ich würde diese Spieler auf keinen Fall bestrafen. Es gibt nur einen Mandela. Und wer Menschen bestraft, die sich bei ihm bedanken, handelt diskriminierend. Wir müssen Nelson Mandela applaudieren – und uns vor ihm verneigen. Er hat einen Traum wahr gemacht. Mit Sepp Blatter sprach Thomas Renggli
Nachdem Havelange 1974 zum Präsidenten gewählt worden war, sprach er sich vehement für den Ausschluss Südafrikas aus – und damit gegen die Apartheid. Ich erinnere mich genau an den Kongress in Montreal 1976, als er den Entscheid durchboxte. Die Welt musste sich ändern. Und der Fussball spielte eine wichtige Rolle. Da gebührt Havelange ein grosses Kompliment. 8
“Nelson Mandela war einer der einflussreichsten Menschen in meinem Leben. Er war mein Held, mein Freund, und auch ein Begleiter für mich im Kampf für die Menschen und den Weltfrieden.” Pelé
“Er hat sein ganzes Leben lang für Gleichheit und Gerechtigkeit gekämpft.” Samuel Eto’o
“Nelson Mandela ist der Vater unseres Landes, er hat eine sehr wichtige Rolle beim Versuch gespielt, die Diskriminierung in Südafrika und in der ganzen Welt zu beenden.” Steven Pienaar
“Der grösste Mann der Welt ist gestorben.” Gary Lineker T H E F I FA W E E K LY
Witters
Weltmeisterlich: Nelson Mandela 2004 beim Zuschlag für die Organisation der WM 2010: “Ich fühle mich wie ein junger Mann mit 15 Jahren”
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AFP
Dankbarkeit: Didier Drogba gedenkt nach dem Spiel mit Galatasaray gegen Elazigspor Nelson Mandela.
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NELSON MANDELA
Madibas Liebe zum Fussball Tokyo Sexwale
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ch kam 1978 auf Robben Island an. Nelson Mandela oder “Madiba”, wie wir ihn nannten, war dort bereits seit 1964 inhaftiert gewesen. Er war daher der Gefangene Nummer 466-64. Zeitvertreibe wie Monopoly, Tischtennis und andere sportliche Aktivitäten waren uns untersagt. Die Gefangenen begannen in ihrer Freizeit Fussball zu spielen. Wir haben uns aus Putzlappen einen Fussball gebastelt. In späteren Jahren kam eine Blase aus Aluminium hinzu, die aus Abfällen gewonnen wurde. Nach und nach lernten wir mehr darüber, wie ein Ball beschaffen sein sollte, wie er fliegen sollte und wie wir ihn verbessern konnten. Später, als wir an echte Fussbälle kamen, erfuhren wir, was es mit Pumpen, Ventilen und all dem Rest auf sich hatte. Wir stellten Mannschaften zusammen und hatten am Ende mehr als ein Dutzend. In späteren Jahren wurde ich Leiter unserer “Fussballliga”, als Generalsekretär unter dem General Recreation Committee (Freizeitausschuss). Madiba und andere, die in Isolationshaft waren, durften keine Fussballspiele anschauen, aber sie müssen uns hinter der Wand gehört haben, die die Gefängnisflügel voneinander trennte. Jahre später gab es dann Reformen und die Leute aus Madibas Abteilung kamen herunter und durften sich das Fussballspektakel aus nächster Nähe ansehen. Er war ein grosser Fussballfan und seine Liebe zum Fussball wurde dort noch stärker. Auf Robben Island haben wir viele Regeln der Apartheid-Regierung gebrochen, aber wir haben nie auch nur eine einzige FIFA-Regel gebrochen! Mit der Wahl Nelson Mandelas zum Präsidenten eines neuen, demokratischen Südafrika wurde das Kapitel des üblen Systems der Apartheid abgeschlossen – einer Form der Rassendiskriminierung, gegen die wir gekämpft hatten und wegen der wir eingesperrt wurden. Infolge dieses Kampfes schloss die FIFA unter Generalsekretär Sepp Blatter und Präsident João Havelange das rassistische Südafrika 1976 aus der globalen Fussballfamilie aus. Auch die Vereinten Nationen schlossen den Apartheidstaat Südafrika aus der internationalen Gemeinschaft aus, indem sie Sonderresolutionen verabschiedeten, in denen die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Bedrohung des Weltfriedens beschrieben wurde. Obwohl seine Urenkelin am Abend vor dem Eröffnungsspiel der WM 2010 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, fand sich diese betagte Führungspersönlichkeit doch
noch im Soccer City Stadium ein. Unter dem grossen Jubel der Zuschauer wurde er mit einem Golfcart über das Spielfeld gefahren. Trotz des grossen Familienschmerzes wollte er eine Botschaft vermitteln: The Show must go on! Er hat Südafrika das Recht beschert, die Weltmeisterschaft auszurichten. Die Nation war im Bewerbungsverfahren für 2006 nicht zum Zuge gekommen, und die Weltmeisterschaft fand in Deutschland statt. Doch Nelson Mandela weigerte sich aufzugeben. Er kämpfte für die Weltmeisterschaft und sicherte sich die Unterstützung von Erzbischof Tutu und dem ehemaligen Präsidenten De Klerk, die beide wie er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden waren. Dann gesellte sich auch noch Thabo Mbeki dazu, der damalige Staatspräsident von Südafrika. Daher wurde der FIFA die Bewerbung Südafrikas von drei Nobelpreisträgern und drei Präsidenten präsentiert! Mandela appellierte persönlich an die FIFA und die Fussballwelt. Er fand nie, dass das unter seiner Würde sei. Er gab sich bescheiden und brachte sich persönlich ein. Das hätte er nicht tun müssen, aber er wollte die Weltmeisterschaft nach Südafrika holen – für Afrika. Da ich wusste, wie nah sich FIFA-Präsident Blatter und Herr Mandela standen und vermeiden wollte, dass Herr Blatter aus den Medien vom Dahinscheiden Madibas erfuhr, rief ich Sepp Blatter an, während er sich zur Auslosung in Brasilien aufhielt, und übermittelte ihm die traurige Nachricht. Erwartungsgemäss arrangierte er vor der gesamten Weltöffentlichkeit eine Hommage an Mandela. Das ist in Südafrika sehr gut angekommen. Er versprach, Mandela im Januar anlässlich des Afrikanischen Nationen-Pokals (CAN) an seinem Grab die Ehre zu erweisen. Zu den Dingen, die Nelson Mandela uns alle gelehrt hat, gehören Beharrlichkeit und Bescheidenheit und dass der Wert des Fussballs als einende Kraft ebenso gross ist wie sein Unterhaltungswert. Aus diesem Grund sollten die negativen Zwischenfälle im Zusammenhang mit Rassismus und Diskriminierung aus diesem schönen Spiel und seinem Umfeld herausgekickt werden. Folgerichtig hat die FIFA mit ihrer neuen globalen Task Force gegen Rassismus unter dem Vorsitz von FIFA-Vizepräsident Jeffrey Webb den richtigen Weg eingeschlagen – Mandelas Weg. Å
“Mandela beim Finale an der FIFA WM 2010 zu sehen, war einfach grossartig für mich. Es war einer dieser Augenblicke, die man nie mehr vergisst.” Tokyo Sexwale
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Freiraum hinter Mauern
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ie Mannschaften hatten Namen wie Gunners, Bushbucks, Dynamos, Atlantic Raiders oder Hotspurs. Die Liga war unterteilt in drei Stärkeklassen, gespielt wurde immer samstags. Es gab eine Schiedsrichterkommission, eine Disziplinarkommission, einen Vorstand. Die Spielpläne wurden von denjenigen Trainern koordiniert, die langfristig planen konnten. Die Gefahr, dass ein Stürmer plötzlich ins Ausland wechselte, war ausgeschlossen. Die Spieler hatten langfristige “Verträge” ohne Ausstiegsklausel. In der Regel für zehn bis zwanzig Jahre. Es gab nur Heimspiele, alle auf Robben Island, einer kleinen Atlantikinsel, zwölf Kilometer von Kapstadt entfernt. Bei den Spielern, die auf keiner Transferliste standen, handelte es sich um politische Gefangene, deren subversive Energie sich oft darin erschöpfte, als Schwarzer eine eigene Meinung zu haben. Der Bürgerrechtler Steve Biko war von einem Richter einst gefragt worden: “Wieso
nennt ihr euch Schwarze, ihr seid doch braun.” “Warum nennt ihr euch Weisse, ihr seid doch rosa.” Steve Biko, Begründer der Black-Consciousness-Bewegung, hatte keine Chance, Fussball zu spielen; während eines Verhörs wurde er gefoltert, er starb an den Folgen daran, mit dreissig Jahren. Robben Island war das härteste aller Straflager im südafrikanischen Apartheid-Staat. Schon im 16. Jahrhundert war die Insel als Straflager genutzt worden, da eine Flucht im eiskalten Wasser mit starken Strömungen unmöglich ist. Das erste Fussballspiel auf Robben Island fand im Dezember 1967 statt, es dauerte nur gerade eine halbe Stunde. Dann mussten die Häftlinge wieder in ihre Zellen. Trainiert wurde in den Duschräumen. Als Ball diente alter Stoff, der zu einem Knäuel geformt worden war. Eine Mauer als Sichtschutz Zwei Jahre später wurde die Makana Football Association (MFA) gegründet. Es war das Jahr von Woodstock und der ersten Mondlandung, die Beatles veröffentlichten “Abbey Road”,
Geschlossenes Tor: Auf dem Fussballplatz auf Robben Island stand der Goalie mit dem Rücken zur Wand . 12
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“Seitdem er auf Robben Island inhaftiert war, ist er eine Symbolfigur für alle Afrikaner – nicht nur für die Südafrikaner, sondern für uns alle. Er ist die Symbolfigur für Freiheit und Hoffnung.” Kalusha Bwalya
George Best war der erste Popstar im Fussball, und Pelé schoss mit dem FC Santos sein tausendstes Tor. Von alldem bekamen die Mitglieder der MFA nichts mit. Nelson Mandela nicht einmal etwas davon, was vor seiner eigenen Zelle geschah: Eine Mauer war hochgezogen worden, damit er die Spiele der MFA auf dem Gefängnishof nicht sehen konnte. Es ist dem Historiker Chuck Korr zu verdanken, dass die vergessene Geschichte von Robben Island heute bekannt ist. Er war in einem Archiv auf siebzig Kartonschachteln gestossen, deren Inhalt er zusammen mit Marvin Close in einem
Patrick Barth/laif
Walter De Gregorio
NELSON MANDELA
Keystone
Buch präsentiert.1 Es ist die Geschichte von Menschen, die sich gegen das Apartheid-Regime auflehnen, denen man alles nahm, oft auch das Leben, nie aber den Stolz und die Hoffnung, bis zuletzt an Gerechtigkeit und Freiheit zu glauben. Mandela glaubte fest daran, dass der Fussball die Welt verändern kann; er veränderte sie zuerst auf Robben Island, 547 Hektar gross, später dann auch in Südafrika. Viele ehemalige Gefangene von Robben Island gehörten nach dem Ende der Apartheid zur politischen Elite des Landes, Mandela wurde 1994 Staatspräsident, viele seiner Minister, Verfassungsrichter und Parlamentarier kannte er aus seiner 27-jährigen Haftzeit. Der aktuelle Präsident Südafrikas, Jacob Zuma, war auf Robben Island Captain der Rangers. Der Fussball sei eine Art Kaderschmiede gewesen, er habe die Anhänger des African National Congress (ANC) und des Pan Africanist Congress (PAC) gezwungen, sich miteinander zu versöhnen, erinnerte sich Mandela in einem Interview. Der Sport war der sprichwörtliche Strohhalm, an den sich alle klammerten. Histo-
riker Korr schreibt dazu: “Sie organisierten den Verband so professionell wie möglich, die Vereine schrieben sich untereinander hochoffizielle Briefe, auch wenn sie in benachbarten Zellen sassen.” Es ging darum, mit dem Fussball eine eigene Wirklichkeit zu schaffen, in der sie selber, die Häftlinge, und nicht das Regime, die Regeln diktieren konnten. Das FIFA-Handbuch war das am häufigsten ausgeliehene Regelwerk in der Gefängnisbibliothek nach dem Klassiker von Karl Marx “Das Kapital”. Ein Disziplinarverfahren der MFA konnte Monate dauern. Der faire Prozess, den die Gefangenen im Gerichtssaal nie hatten, sollte im Fussball mit aller Konsequenz gelebt werden. Es ist keine Nummer 10, die in Südafrika und in die Welt über den Rasenziegel hinaus Spuren hinterlässt, sondern ein Mann mit der Rückennummer 46 664. Mandela bekam diese Nummer 1964 bei seiner Registrierung auf Robben Island. Drei Jahrzehnte später, inzwischen Staatspräsident, sagte er: “Der Sport hat die Macht, die Welt zu verändern. Er hat die Macht zu inspirieren. Er
hat die seltene Macht, Menschen einander näherzubringen. Er spricht die Jugend in einer Sprache an, die sie versteht. Der Sport kann Hoffnung schaffen, wo einst nur Verzweiflung war. Er ist beim Beseitigen von Rassenschranken mächtiger als Regierungen. Er lacht jeder Art von Diskriminierung ins Gesicht.” Å
1 Marvin Close und Chuck Korr: “More Than Just a Game” Harper-Collins, 2008
“Er hat so viel für die Menschheit getan und wird in die Geschichte eingehen. Seinen Beitrag können wir hoffentlich noch lange in Ehren halten und sein Leben feiern.” Mark Fish
Mehr als eine Zahl: Die Häftlingsnummer von Nelson Mandela wurde zum Symbol der Gleichberechtigung in Südafrika. T H E F I FA W E E K LY
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NELSON MANDELA
“Der Höhepunkt meines Lebens”
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ie zahllose andere Menschen rund um die Welt war ich ergriffen von der Lebensgeschichte von Nelson Mandela, einer der grössten Symbolfiguren unserer Zeit. Aus der Ferne konnte ich beobachten, wie dieser Mann Südafrika durch eine der turbulentesten Perioden des Landes und des gesamten Kontinents führte – eines Kontinents, dem ich seit meiner Jugend, als ich einige Jahre in Togo verlebte, sehr verbunden bin. Ich verfolgte mit grossem Interesse, wie er rund um die Welt für ein Ende der sportlichen Isolation warb, mit der man Südafrika während der Apartheid belegt hatte. Ich war fasziniert und wollte mehr erfahren über diesen Mann, der fast drei Jahrzehnte lang im Gefängnis sass – eingesperrt wegen seiner Überzeugungen und wegen seines Widerstands gegen die rassistische ApartheidRegierung – und der bei seiner Freilassung Frieden statt Vergeltung predigte. Seine Lebensgeschichte ist wahrlich aussergewöhnlich. Nie liess er sich von Rachegelüsten verleiten. Nichts konnte sein Bestreben trüben, sein Volk nicht nur von der Apartheid sondern auch vom Hass zu befreien. Ich habe bewundert, mit
welcher Stärke und Überzeugung Madiba sich für die Versöhnung zwischen allen Volksgruppen einsetzte, um nach dem Ende der Apartheid den Frieden zu sichern. Ich hatte das grosse Glück, zwei historische Ereignisse in Südafrika zu erleben, die vom Geist Mandelas und der Mission der Schaffung einer friedlichen und gleichberechtigten Gesellschaft getrieben wurden. 1994 war ich aufgrund meiner Beteiligung an den Vorbereitungen für die Rugby-Weltmeisterschaft von 1995 erstmals in Südafrika. Damals wurde ich persönlich Zeuge der Veränderungen und der Auswirkungen, die dieses Ereignis auf die junge Demokratie in Südafrika hatte. Nach meinem Treffen mit Mandela wollte ich mehr über seine Rolle in der Geschichte Südafrikas und der Welt erfahren – eines Landes, das ich während der Vorbereitungen für die Fussball-WM 2010 sehr lieb gewann und dessen Bürger ich letztlich wurde. Heute ist die Welt dank Mandela eine bessere Welt. Afrika hat dank seiner Generation ein anderes Gesicht bekommen. Südafrika ist dank der Opfer, die Madiba und seine Generation gebracht haben, ein freies Land. In seine
“Ich erinnere mich noch gut, wie aufgeregt ich war, als wir Mandelas Haus in Johannesburg betraten und ich Madiba in seinem Arbeitszimmer sitzen sah, wo er uns mit seinem warmen Lächeln begrüsste.”
Jérôme Valcke, FIFA-Generalsekretär
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Fussstapfen zu treten ist nicht nur eine grosse Herausforderung; dazu braucht es Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft, den Willen zu dienen, Mut und Bescheidenheit – alles Charaktereigenschaften, die er verkörperte. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Treffen mit Madiba im September 2008. Gemeinsam mit Präsident Blatter besuchten wir zuerst den damaligen Präsidenten Thabo Mbeki und noch am gleichen Morgen den damaligen ANC-Präsidenten und heutigen Staatspräsidenten Jacob Zuma. Ich kann mich noch gut erinnern, wie aufgeregt ich war, als wir Mandelas Haus in Johannesburg betraten und ich Madiba auf einem Stuhl in seinem Arbeitszimmer sitzen sah, wo er uns mit seinem warmen Lächeln begrüsste. Ich war überwältigt von seiner geradezu überlebensgrossen Persönlichkeit. Mit Worten lässt sich dieser Moment kaum beschreiben. Alle vier Treffen mit Mandela waren etwas ganz Besonderes, doch dieses erste bleibt der Höhepunkt meines Lebens. Ich war sehr beeindruckt von seinem Interesse an der WM 2010 und dem Stellenwert, den die Ausrichtung dieses Turniers genau in dieser Zeit für sein Land hatte. Ich war fasziniert davon, wie er sich ausdrückte und alles in einen analytischen Kontext stellte. Wir hatten eine sehr persönliche Diskussion und alle Einschätzungen, die er während dieses Treffens äusserte, erwiesen sich als richtig. Von Mandela und seinem Leben habe ich einige der wichtigsten Lektionen über Führungsqualitäten gelernt, nicht nur aus dem was er sagte, sondern auch daraus, wie er sich verhielt und handelte. Madiba mag von uns gegangen sein, aber sein Vermächtnis wird weiterleben. Seine Vision hat viele Generationen inspiriert und wird noch viele weitere anspornen, die heute noch nicht einmal geboren sind. Sein Leben bleibt ein wichtiger Bezugspunkt, wann immer die Welt ihre moralische Richtschnur verliert. Sein Lebensweg ermutigt uns, zu träumen und nach neuen Höhen zu streben. Der Sport und ganz besonders der Fussball haben sehr von seinem grossherzigen Geist profitiert. Die WM war seine Vision. Ich habe mich sehr gefreut, dass er bis zum Ende beteiligt war und miterleben konnte, was für ein grosser Erfolg das Turnier war. Jetzt ist es an der Menschheit, dafür zu sorgen, dass das Lebenswerk Mandelas fortgesetzt wird – und dass sein Streben nach Frieden und Gleichheit weiterlebt. Å
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AFP
Weltweite Anteilnahme: Auch Emmanuel EbouĂŠ, Teamkollege von Didier Drogba, ist in Gedanken bei Madiba.
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The best footballer of 2035
was born today. But where?
The FIFA Ballon d’Or is the highest accolade any footballer can hope to receive, a prize to which players all over the world aspire. FIFA takes great pride in being able to offer guidance to thousands of young players around the world through its grassroots programmes. FIFA promotes football skills, equality and fair play and helps to develop the football stars of tomorrow. www.FIFA.com
FUSSBALLBÜCHER
Unbezwungen zur britischen Meisterschaft 1920/21: Die Dick Kerr International Ladies erregten viel Aufmerksamkeit.
Über “Girls With Balls” Der Titel des Buches von Tim Tate beinhaltet ein englisches Wortspiel, das man etwa mit “Mutige Mädchen” wiedergeben könnte. Er ist eine Hommage an die Frauen, die von den 1880er Jahren bis Mitte der 1920er Jahre in Grossbritannien Fussball spielten.
Pepperfoto/Getty Images
Jean Williams Tim Tates Schilderung beginnt mit der ersten Partie zwischen England und Schottland im Jahre 1881 und geht zur kurzen Existenz des British Ladies’ Football Club (BLFC) von 1894 bis 1897 über. Die beiden grösste Impulsgeberinnen des BLFC waren die Präsidentin Lady Florence Dixie, die selbst nicht Fussball spielte sowie die bürgerliche Sekretärin Nettie (oder möglicherweise Nellie) Honeyball, die selbst aktiv war. Von den beiden scheint Honeyball die treibende Kraft gewesen zu sein, Dixie eher eine prominente Galionsfigur. Angesichts der Tatsache, dass der Frauenfussball sehr umstritten war, ist es zudem ziemlich wahrscheinlich, dass Honeyball ein Pseudonym ist. Leser, die diese Themen gern näher betrachten möchten, werden das Buch “Girls With Balls: The Secret History of Women’s Football” (etwa: “Mutige Mädchen: Die geheime Geschichte des Frauenfussballs”) – in Ergänzung zu James F. Lees Werk1 – sehr nützlich und interessant finden.
Über Hundert Partien wurden vom BLFC in den Jahren 1895 bis 1897 bestritten, im selben Zeitraum weitere 19 zusammen mit einem Klub namens “Mrs Graham’s Eleven”. Der Frauenfussball spielte als Unterhaltungselement eine recht bedeutende Rolle, zog pro Spiel bis zu 10 000 Zuschauer an und fand in den Medien viel Beachtung. Während des 1. Weltkriegs und kurz danach erreichte der Frauenfussball beispiellose Zuschauerzahlen, insbesondere in Grossbritannien, wo es mindestens 150 Klubs gab. Er war so populär, dass am 26. Dezember 1920 53 000 zahlende Zuschauer zu einer Partie in den Goodison Park strömten. Das wurde dem englischen Fussballverband (FA) wohl zu viel, denn 1921 untersagte er den Frauen die Benutzung der Stadien der ihm angeschlossenen Klubs. Obwohl dieses Verbot nicht global galt, hatte es nachhaltige Auswirkungen auf das Image der Sportart, die fortan als “unweiblich” galt. In den 1960er-Jahren überdachte die FIFA ihre Position zu dieser Frage und begann, den Frauenfussball T H E F I FA W E E K LY
weltweit zu fördern, was 1991 zur Organisation der ersten Frauen-WM in China führte. Der grösste Haken an Tim Tates Argumentation ist vielleicht, dass diese Geschichte längst kein Geheimnis mehr ist. Interessierte Leser könnten mit dem bahnbrechenden Werk von Alethea Melling beginnen. 2 Das akademische Interesse am Thema fällt mit dem steigenden Interesse der beteiligten Akteurinnen, der FIFA und des Internationalen Olympischen Komitees zusammen, das in Atlanta 1996 zum ersten Mal ein Frauenfussball-Turnier ausrichtete. In der Folge erreichte der Frauenfussball breite Zustimmung. Das war zur Zeit der ersten viktorianischen Pionierinnen undenkbar. 1
“ The Lady Footballers: Struggling to Play in Victorian Britain” (Routledge, 2008)
2
lethea Melling: “Ray of the Rovers: The Working Class A Heroine in Popular Football Fiction, 1915–25”, (The International Journal of the History of Sport, Bd. 15 S. 97–122). Weitere Veröffentlichungen zum Thema: David Williamson: “Belles of the Ball” (R&D Associates, 1991); Gail Newsham: “In A League of Their Own” (Scarlet, 1998); Barbara Jacobs: “The Dick, Kerr Ladies” (Constable and Robinson, 2004) sowie Patrick Brennan: “The Munitionettes” (Donmouth, 2007). Brennans Website enthält wertvolles Hintergrundmaterial (www. donmouth.co.uk). Weitere bahnbrechende Texte: Sue Lopez: “Women on The Ball” (Scarlet, 1997); Laurence Prudhomme-Poncet: “Histoire du Football Feminine au XXème Siècle: Espaces et Temps du Sport” (L’Harmattann, 2003); Jean Williams: “A Game for Rough Girls: A History of Women’s Football in England” (Routledge, 2003); Fan Hong und J. A. Mangan: “Soccer Women and Liberation Kicking Off a New Era” (Frank Cass, 2004) sowie Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza: “Verlacht, verboten und gefeiert” (Landpresse 2006)
Tim Tate: “Girls With Balls: The Secret Histor y of Women’s Football”, John Blake Publishing, London 2013, 288 p., £17.99 17
FUSSBALLBÜCHER
Madrider Machtspiele José Mourinho gilt als einer der besten Fussball-Coaches der Welt. Der “El País”-Journalist Diego Torres spürt in seinem Buch den Machtspielen des Portugiesen während dessen Jahren bei Real Madrid nach. Jordí Punti Ende 2000 wurde Real Madrid von der FIFA zum besten Klub des 20. Jahrhunderts erklärt. Kurze Zeit später holte Real Spieler wie Zidane, Beckham und Ronaldo nach Madrid, gewann 2002 die UEFA Champions League und avancierte zum Klub mit den weltweit höchsten Einnahmen, nachdem er in diesem Punkt Manchester United den Rang abgelaufen hatte. Der FC Barcelona hatte damals gerade Frank Rijkaard als Trainer verpflichtet und die ersten Titel gewonnen. Später wurde Rijkaard durch Pep Guardiola ersetzt, unter dessen Führung die Katalanen weiter fleissig Trophäen sammelten und zudem den Fussball des 21. Jahrhunderts mit Messi, Iniesta, Xavi und Co. revolutionierten. Es war die Geburt der besten Mannschaft überhaupt. Aus Madrider Sicht wirkten diese Jahre wie ein täglicher Alptraum. Die ewige Rivalität zwischen den beiden Giganten des spanischen Fussballs führte dazu, dass der Erfolg des einen als das Unglück des anderen gesehen wurde. 2009 übernahm Florentino Pérez und damit jener Mann, der einst die Spielergeneration der Königlichen aufgebaut und geprägt hatte, erneut das Amt des Klubpräsidenten von Real. Sein erklärtes Ziel lautete, den Verein in die Erfolgsspur zurückzuführen. Um das zu einem 18
Zeitpunkt, da sich die erste Amtszeit Guardiolas ihrem Ende näherte, auch erreichen zu können, stand für ihn fest, dass er eine Art Gegenentwurf des katalanischen Erfolgscoaches unter Vertrag nehmen musste: José Mourinho. “Macht Euch aufs Scheitern gefasst” – so ungefähr könnte man den Titel übersetzen, den Diego Torres (“El País”) seiner wunderbaren Chronik des Wirkens von Mourinho in Madrid gegeben hat. Seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren setzte der Portugiese alles daran, Real wieder zur besten Klubmannschaft der Welt zu machen. Gelungen ist ihm das allerdings nicht. Dabei war Mourinho schon vor seiner Madrider Zeit ein echter Siegertyp, der als Trainer die mit Abstand grössten Erfolge in Europa aufzuweisen hatte. Kein Wunder, dass er sich bei Real bereits als Coach für die Ewigkeit sah. Sein Ziel war es, bei den Königlichen künftig die gleiche Rolle zu spielen, wie sie Sir Alex Ferguson bei Manchester United inne hatte. Ähnlich wie Ferguson wollte er ein Höchstmass an Entscheidungsbefugnis und Kontrolle erlangen und erreichen, dass er in die Vereinsgeschichte der Madrilenen eingeht. Diesem Ziel ordnete er auch seine Strategie unter, die darauf abstellte, dass er im Zentrum der Aufmerksamkeit einer Sportart stand, in der Ruhm, Geld, Einfluss und nicht zuletzt egozentrischem Verhalten Tür und Tor geöffnet sind. T H E F I FA W E E K LY
Dank seiner profunden Kenntnisse von der Person Mourinhos beschreibt Diego Torres in seinem Buch die Machtspiele mit einer Detailtreue, die beim Leser den Eindruck erwecken kann, es handle sich um ein Drama von Shakespeare. Wegen seiner launenhaften und unberechenbaren, jähzornigen und zugleich motivierenden Art trägt Mourinho in der Torres-Chronik Züge von Falstaff und Othello, von Richard III. und Lady Macbeth. Zudem schildert der Autor, wie die Ambitionen von “The Special One” von Anfang an mit dem Charakter eines Klubs mit gefestigten Hierarchien kollidierten. Das wollte Mourinho als Real-Coach auf seine Art und Weise umkrempeln, möglicherweise sogar – wie Torres vermutet – mithilfe einer geheimen Agenda, über die die kommerziellen Aktivitäten seines Spielervermittlers Jorge Mendes laufen. Mendes vertritt auch Spieler wie Pepe, Cristiano Ronaldo, Di María, Carvalho oder Coentrao, für den Real Madrid insgesamt 30 Millionen Euro (auf direkte Initiative von Mourinho) bezahlte – ein mit Sicherheit zu hoher Preis. Als Sportjournalist, der über eine langjährige Berufserfahrung bei der Tageszeitung “El País” verfügt, zeigt Torres in seinem Buch, dass er mit der Dynamik und der Mannschaft Real Madrids bestens vertraut ist. Er stützt seine Schilderungen auf persönliche Gespräche mit den RealSpielern und dem Betreuerstab ab, worüber sich Mourinho seinerzeit mächtig aufregte. Torres gelang es, ein Porträt des portugiesischen Trainers zu zeichnen, das zugleich einen Blick auf den aktuellen Fussball in Spanien freigibt.
Diego Torres: “Preparense para perder. La Era Mourinho 2010 -2013” (“Macht Euch aufs Scheitern gefasst”). Ediciones B, Barcelona 2013, 250 S., € 16.50
Jamie McDonald/Getty Images
“The Special One”: José Mourinhos Machtspiele sind legendär.
FUSSBALLBÜCHER
Sofageschichten: Der einstige Bundesligaspieler und -Trainer Heinz Höher (1990).
Anruf mit Folgen Ein Rückblick kann mehr als seichte Unterhaltung sein. Ronald Reng ist mit “Spieltage” ein witziges Buch über 50 Jahre Bundesliga gelungen – dank Heinz Höher.
Imago
Alan Schweingruber Fünfzig Jahre alt ist die Bundesliga dieses Jahr geworden, und man konnte sich im Vorfeld schon ausdenken, was für abgedroschene Geschichten auf den Markt drängen. Offene Fleischwunden, gebrochene Torpfosten – die Anekdoten sind berüchtigt, und lassen sich immer wieder verkaufen. Aber es geht auch eleganter. Sportjournalist Ronald Reng ist mit “Spieltage” ein amüsantes Buch gelungen, das zum Bestseller avancierte (6. Auflage). Einerseits deshalb, weil der Frankfurter spannende Erzählkunst pflegt. Andererseits aber auch, weil am Anfang die gute Idee stand, die Geschichte der Bundesliga mit einem Protagonisten zu verknüpfen, der über 480 Seiten nebenher läuft. Sein Name: Heinz Höher, einst talentierter Fussballer mit mässigem Erfolg, später talentierter Trainer mit mässigem Erfolg. Und: ein Mann mit einem Hang zum Alkohol. Die Mischung ist packend. 50 Jahre deutscher Fussball liefert süffiges und witziges Material. Und für das Dramatische ist dann eben Höher zuständig. Der eigenbrötlerische
Nürnberger, heute 75 Jahre alt und trocken, ist an vielen Orten mit seiner Art angeeckt. Er war jahrelang von Selbstzweifel geplagt, verspielte sein Vermögen, verlor eines seiner drei Kinder durch einen Autounfall. Höher selbst spricht vom “Leben im inneren Nebel”. Das ist eindrücklich und verwirrend. Nur: Wer kann diesen Mann verstehen? Wahrscheinlich der 43-jährige Autor, der schon mit seinem Erstling “Traumhüter” überzeugte (nach dem Freitod von Robert Enke). Ronald Reng bringt die Storys auf den Punkt, verliert sich aber nie in Höhers persönlicher Akte. Der deutsche Fussball bleibt im Zentrum. Einmal schrieb Höher als Trainer selbst Bundesliga-Geschichte: Es war 1984, als beim 1. FC Nürnberg eine Gruppe älterer Spieler revolutionierte. Aktionen, die im Normalfall mit einer Trainerentlassung enden. Höher aber hielt stand; so lange, bis die aufständischen Spieler gehen mussten. Die Frage bleibt: Wie kommt Ronald Reng in einer Welt der Extrovertierten ausgerechnet auf den doch eher kauzigen Heinz Höher? Höher kam auf Reng: “Spieltage” beginnt mit einem Telefongespräch zwischen Nürnberg und T H E F I FA W E E K LY
Barcelona, wo Reng lebte. Es war der Ursprung einer guten Idee: “Höher” – “Guten Tag. Hier ist Ronald Reng. Sie haben versucht, mich anzurufen?” – “Herr Reng, danke, dass Sie zurückrufen! Herr Reng, ich muss Sie treffen!” – “Worum geht’s denn?” – “Das kann ich Ihnen nicht am Telefon sagen. Bitte geben Sie mir nur ein paar Stunden Ihrer Zeit. Ich möchte Ihnen etwas erzählen. Ich muss Ihnen etwas erzählen!”
Ronald Reng: “Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga” Piper Verlag, München 2013, 480 S., € 20.– 19
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FUSSBALLBÜCHER
Rollenspiele
Stillleben mit Ziege: Ein improvisiertes Fussballfeld im Land des zweifachen Weltmeisters Argentinien.
Zwei Jahre nach Erscheinen ist das Buch bereits ein Klassiker: Xavier Breuil zeigt auf, dass der Fussball bei der Emanzipation der Frau wichtig war und ist. Die Erfolge der Frauenteams aus Amerika, Deutschland oder Schweden sieht der Sporthistoriker in der Rolle der Frau in aufgeklärten Gesellschaften begründet. Ein überzeugender Blick auf den Frauenfussball. (mon) Breuil, Xavier: “Histoire du football féminin en Europe”, Nouveau Monde Editions, Paris 2011, 340 S., € 24,40
Hier spricht der Patron! Der Fussballklub-Präsident ist eine gesellschaftliche Figur. Als solche äussert sie sich unablässig – gleichviel, ob sie etwas zu sagen hat oder nicht. Zwei Journalisten der “Gazzetta dello Sport” präsentieren eine herrliche Zitatensammlung dazu – nicht nur für das italienische Publikum! Mit 400 Aussprüchen von Berlusconi bis Zamparini. (mon) Arcidiacono, Massimo, und Nicita, Maurizio: “Papaveri e Papere. Prodezze e nefandezze dei presidenti del calcio”, Imprimatur Editore, Reggio Emilia 2013, 190 S., € 14,50
Guter Lückenbüsser Einer der besten Fussballer unserer Zeit hat eine der besten Fussballer-Autobiographien der letzten Jahre veröffentlicht: Zlatan Ibrahimovic. Der Schwede und sein Nationalteam werden an der WM 2014 fehlen. Wer das nicht akzeptieren möchte, den wird das äusserst unterhaltsame und aufschlussreiche Buch des Superstars trösten. (mon) “I am Zlatan Ibrahimovic”, Penguin, London 2013, 352 S., £8.99
Fussball durch den Sucher 3 Freunde, 18 Monate, 27 Länder: Der Bildband “Terre de Foot” ist das sehenswerte Ergebnis einer faszinierenden Reise quer durch die Kontinente.
Sarah Steiner “Auch wenn im Fussball Millionen von Euro zirkulieren, ist es nicht das Geld, das zum Träumen anregt. Es sind die Spieler, die es verdienen. Und sie alle haben auf der Strasse ihre ersten Pässe gespielt.” Eric Cantona, der legendäre französische Fussballer, spielt in seinem Vorwort auf die Szenen an, die im Mittelpunkt des Fotobandes “Terre de Foot” stehen: Kinder und Jugendliche überall auf der Welt, die mit Begeisterung einem Ball nachjagen. Ihnen wollten die drei Autoren Aurélien Abels Eber sowie Romain und Thomas de La Bouvrie begegnen. Die drei verbindet eine Leidenschaft: der Fussball als Vermittler zwischen Menschen – über Kulturen, Geschlechter und Sprachen hinweg. Drei Stangen, vier Winkel In sieben Abteilungen erzählen sie mit ihren Bildern Geschichten, die sich, fernab vom Medienrummel, um den Fussball ranken – Momente voller Emotionen. Auf den Bildern steht der Ball nicht immer im Mittelpunkt, er nimmt aber stets eine zentrale Rolle ein: sei es in La Rioja in Argentinien, wo in einer Wüstenlandschaft mit Büschen eine Ziege in die Kamera schaut – hinter ihr zwei improvisierte Tore aus schiefen Holzlatten – oder auf Gorée im Senegal, T H E F I FA W E E K LY
die als Sklaveninsel traurige Berühmtheit erlangte. Heute treffen sich dort die Kinder auf dem Dorfplatz zum täglichen Elfmeterschiessen. Das wiederkehrende Sujet der drei Stangen und vier Winkel zieht sich als Symbol durch den Bildband. Von Peru bis Kambodscha “Wir hatten Gelegenheit, Fussball in der Wüste und auf 4000 Meter über Meer zu erleben, wir haben mit der königlichen Familie von Kambodscha gekickt, den Kaiser der Mossi-Monarchie in Burkina Faso kennengelernt und waren bei Roger Milla in Yaoundé eingeladen”, sagt Thomas de La Bouvrie. Die Begeisterung des Autors ist auf jeder Buchseite zu spüren. Ein Wermutstropfen: Die Reproduktionen der Fotos sind im broschierten Band ein bisschen zu klein ausgefallen. Ein grosser Hochglanzband wäre den sehr schön komponierten und kadrierten Bildern sicher angemessen gewesen.
Aurélien Abels Eber, Romain de La Bouvrie, Thomas de La Bouvrie: “Terre de Foot” Editions Intervalles. Paris 2013, 19 x 24 cm, 165 Farbf otografien, 173 S., € 29.– 21
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Leipzig, Deutschland
1922
Keystone
Schon Jahrzehnte, bevor die Bundesliga ihren Betrieb aufnahm, war man in Deutschland neugierig auf den Fussball. Der Leiterverleih florierte, wie etwa am Spiel Hamburger SV gegen den 1. FC Nürnberg. Und man führte ganz nebenbei das geflügelte Wort ad absurdum: “Wenn alle auf den Zehenspitzen stehen, ist niemandem gedient.”
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Genf, Schweiz
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Paul Ellis/AFP
Der Fussball hat sich entwickelt. Man kiebitzt heute nicht nur an wichtigen Spielen – auch die Trainings sind hochinteressant, wie hier das der holländischen Nationalmannschaft. Leitern allerdings sind nicht mehr en vogue – und die Abschrankungen des Stadions muss man nicht mieten.
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Die Hähne krähen wieder Titel-Comeback nach 42 Jahren. Nach dem Gewinn in der Copa Libertadores greift der brasilianische Traditionsverein Clube Atletico Mineiro jetzt nach der Klub-WM. Marcio Mac Culloch, Rio de Janeiro
Douglas Magno/AFP Photo
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er brasilianische Fussball blickt auf bewegte Tage zurück. Die Auslosung der Vorrunden-Gruppen in Costa do Sauípe markierte vor Wochenfrist den emotionalen und atmosphärischen Kick-off zur ersten Endrunde seit 64 Jahren. “Die WM 2014 wird die beste aller Zeiten”, sagte FIFA-Präsident Sepp Blatter, “Ich freue mich sehr, dass unser Turnier endlich in dieses Land zurückkehrt.” Staatspräsidentin Dilma Rousseff strich die gesellschaftliche Bedeutung des Fussballs hervor: “Nirgendwo ist der Fussball so sehr Teil des Alltags wie bei uns.” Brasilien gehörte nach der Auslosung zu den (vermeintlichen) Gewinnern: Mit Kroatien, Mexiko und Kamerun erhielt die Seleção eine lösbare Aufgabe vorgesetzt. 48 Stunden später verdunkelten sich die Mienen im Fussball-Paradies. Zwei Grossklubs aus Rio de Janeiro, Vasco da Gama und Fluminense, stiegen aus der höchsten Liga ab. Besonders zu denken gaben die Begleitumstände des sportlichen Niedergangs von Vasco: Beim Spiel gegen Paranaense in Joinville hinterliessen die Anhänger von Vasco eine Spur der Zerstörung. Auf den Tribünen kam es zu brutalen Ausschreitungen. Auf dem Rasen landeten Rettungshelikopter. Während Stunden flimmerten die Bilder der Gewaltexzesse mit prügelnden Randalierern und ihren blutüberströmten Opfern über die Bildschirme. Der brasilianische Verband schritt ein und verhängte gegen beide Klubs eine Strafe von je zehn Geisterspielen. Doch Fragen bleiben im Raum: Weshalb setzte die Liga dieses brisante Spiel in einem veralteten Stadion an – obwohl wesentlich modernere Arenen zur Verfügung standen? Eines dieser Stadien ist das Mineirao in Belo Horizonte, Heimat von Atletico Mineiro. Genau hier hat sich für die Fans der Galos (die Hähne) dieses Jahr ein langersehnter Wunsch erfüllt. Jahrzehntelang lang glaubten sie an alle möglichen Gründe – von Pech über Flüche bis hin zu Verschwörungen – wegen denen ihr geliebter Fussballklub dem Gewinn eines grossen Titels immer wieder nahekam, nur um dann im letzten Moment knapp zu scheitern.
Doch auch hier stimmt offenbar die alte Weisheit “Gut Ding will Weile haben”, und so hatten die Fans 2013 endlich wieder Grund zum Jubeln. Der Klub aus Belo Horizonte erreichte erstmals das Finale der Copa Libertadores und gewann als zehnter brasilianischer Klub das südamerikanische Pendant zur Champions League. Es war der erste bedeutende Titel für Atletico seit dem Gewinn der brasilianischen Meisterschaft 1971 und gleichzeitig der wichtigste Erfolg in der 105-jährigen Vereinsgeschichte. Ab dem 17. Dezember nimmt der Klub
dem Finale am 25. Juli im Mineirao-Stadion verkündete kein Geringerer als Trainer Alexi Stival, genannt Cuca, dass der “Fluch” nun gebrochen sei. “Ich habe geerntet, was ich hier bei Atletico Mineiro gesät hatte. Dieses Team ist jetzt eine Siegertruppe. Wir hatten ein Elfmeterschiessen im Finale und haben gegen Newell´s und Olimpia einen 0:2-Rückstand aufgeholt. Es ist jetzt ein Team im Glück, und auch heute war das Glück auf unserer Seite”, so Cuca. Atletico ist ein völlig verdienter Gewinner. Cucas Mannschaft spielte den unterhaltsamsten Fussball des Wettbewerbs. Das Team besteht aus einer Mischung aus erfahrenen Stars, allen voran der zweimalige Weltfussballer des Jahres Ronaldinho. Obwohl Atletico Mineiro in der brasilianischen Liga nicht mehr an diese Superleistungen anknüpfen konnte und mit Bernard einer der wichtigsten Spieler den Klub verlassen hat,
Clubname Clube Atletico Mineiro Gründungsdatum 25. März 1908 Stadion, Kapazität Mineirao, 62 160 Plätze Titel, Erfolge • Copa Libertadores 2013 • CONMEBOL-Cup 1992, 1997 • Brasilianischer Meister 1971 • Cup der brasilianischen Champions 1978 • Champions Cup Brasilien 1937
Die Erlösung: Richarlyson feiert den Sieg Mineiros im Final-Rückspiel der Copa Libertadores.
nun in Marokko an der FIFA-Klub-WM teil, wo Bayern München und die anderen kontinen talen Champions die Konkurrenz bilden. Die Galos sind für das Halbfinale gesetzt. Der Weg zum Titel in der Copa Libertadores war nichts schwache Nerven. Sowohl im Halbfinale gegen die Newell’s Old Boys aus Argentinien als auch im Finale gegen Olimpia Asuncion aus Paraguay fiel die Entscheidung erst im Elfmeterschiessen. Torhüter Victor avancierte zum Helden des Teams. Kurz nach T H E F I FA W E E K LY
sollte kein Gegner bei der Klub-Weltmeisterschaft die Galos auf die leichte Schulter nehmen. Denn Atletico hat einen Trainer, der weiss, wie man ein Siegerteam formt. Und vor allem hat der Verein nun endlich auch das Glück auf seiner Seite. Å
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Name: Karl-Heinz Rummenigge Geburtsdatum: 25. September 1955 Position als Spieler: Stürmer Stationen als Spieler: 1974–1984 Bayern München 1984–1987 Inter Mailand 1987–1989 Servette Genf Grösste Erfolge:
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Axel Griesch/laif
Deutscher Meister 1980, 1981 EM-Titel 1980 WM-Final-Teilnahmen 1982, 1986 45 Tore für Deutschland 162 Tore für Bayern München
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DAS INTERVIEW
“Der ‘Pep’-Faktor ist enorm” Nächste Woche will Karl-Heinz Rummenigge mit Bayern München den fünften Wettbewerb im Jahr 2013 gewinnen – die Klub-WM. “Nach der Spielidee von Pep Guardiola haben wir lange gelechzt”, sagt der 58-jährige Vorstandsvorsitzende. Karl-Heinz Rummenigge, wie gut erinnern Sie sich noch an das Weltpokalfinale 1976, als der FC Bayern als Gewinner des Europapokals der Landesmeister gegen Cruzeiro Belo Horizonte, den Sieger der Copa Libertadores, antrat? Karl-Heinz Rummenigge: Es war kurz vor Weihnachten, und wir hatten das Hinspiel am 23. November vor gerade mal 22 000 Zuschauern im Olympiastadion bei gefühlten minus 12 Grad mit 2:0 gewonnen. Zum Rückspiel am 21. Dezember, einem Dienstagabend, wollten wir am Samstagabend davor von München über Paris und Rio de Janeiro nach Belo Horizonte fliegen. Dann hatte es Nebel in München, und wir wurden erst einmal nach Hause geschickt. Geflogen sind wir dann erst am Montagmorgen, einen Tag vor Spielbeginn. In Rio mussten wir länger als gedacht am Flughafen ausharren, weil es in Belo Horizonte ein Unwetter gegeben hatte. Am Spielort kamen wir schliesslich vier Stunden vor Anpfiff an.
Total müde und erschöpft? In der Tat. Unser Trainer Dettmar Cramer beschwor uns bei Kaffee und Kuchen, dass jetzt bloss niemand von uns einschlafen solle. Er sagte sinngemäss: “Ihr trinkt jetzt Kaffee, bis ihr nicht mehr könnt, und dann gehen wir auf den Platz.” Das haben wir auch gemacht.
Wie ging das denn? Gar nicht so schlecht, trotz des schwülen Wetters und Temperaturen von über 30 Grad. Vor dem Spiel aber kam erst einmal Cramer blutüberströmt in die Kabine: Er war von einer Cola-Flasche, die jemand auf ihn geworfen hatte, am Kopf getroffen worden. Unser Trainer blieb trotzdem ganz cool und wehrte das Angebot, Anzeige zu erstatten mit der Bemerkung ab: “Das war schon eine Leistung, meinen kleinen Schädel aus grösserer Distanz so genau zu treffen.”
Das Spiel ging 0:0 aus. Mussten Sie sich 90 Minuten lang vor Müdigkeit über die Zeit retten? Weit gefehlt. Wir waren vor 117 000 Zuschauern so überlegen und hatten derart viele Torchancen, dass wir 6:0 hätten gewinnen können. Da es zwei Erstligaklubs in Belo Horizonte gab, Cruzeiro und Atletico Mineiro, pfiffen uns die Anhänger des einen Klubs aus, während uns die Fans des anderen Vereins begeistert anfeuerten. Nach dem 0:0 sind wir sofort zurück nach München geflogen, kamen
dort bei Schneetreiben an und wurden von 19 Fans am Flughafen empfangen. Dass wir in Brasilien Weltpokalsieger geworden waren, hatte anscheinend so gut wie niemand mitbekommen.
Was erhoffen Sie sich von der jetzigen Klub-Weltmeisterschaft in Marokko? Nach allem, was wir wissen, wird dies an den Spielorten Agadir und Marrakesch ein grosses Ereignis werden. Dort ist viel getan worden. Die Stadien sind renoviert worden, es sind wohl auch neue Fussballplätze drumherum gebaut worden. Fakt ist: Dieses Turnier wird in Asien, Afrika und Südamerika als Saisonhighlight eingestuft. In Europa aber wird das Ganze leider ein bisschen unter “ferner liefen” betrachtet.
Wie sieht denn Ihre Planung aus? Wir wollen das Ding gewinnen und reisen unmittelbar nach dem Bundesligaspiel gegen den Hamburger SV am 14. Dezember abends um 21 Uhr nach Agadir, um uns dort für unser erstes Spiel, einer der beiden Halbfinals, drei Tage später zu akklimatisieren und uns optimal vorzubereiten.
Die Klub-Weltmeisterschaft nach der deutschen Meisterschaft, dem Pokalwettbewerb, der Champions League und dem Supercup zu gewinnen, passt ins Bild eines Klubs, der national und international als eine der führenden Adressen des Weltfussballs wahrgenommen wird. Es würde uns wunderbar in die Karten spielen, wenn es uns gelänge, diesen Pokal auch noch zu gewinnen. Fünf Pokale in einem Jahr haben wir noch nie geholt. Sicher hat uns der 2:1-Sieg über Dortmund im Endpsiel der Champions League nochmal einen richtigen Schub gegeben. Wir werden national und international mit grösstem Respekt betrachtet und bekommen seitdem viel Besuch aus allen möglichen Ländern. Man will einfach wissen, wie wir das gegen die Konkurrenz aus Spanien und England geschafft haben und was dahinter steckt.
Steht der FC Bayern jetzt auf einer Stufe mit den Branchenriesen FC Barcelona, Real Madrid und Manchester United? Das waren die Klubs, die noch eine Stufe über uns standen. Wir versuchen jetzt, mit unserem Pfund zu wuchern und auf dieser höchsten Stufe zu bleiben. Ich muss aber sagen, T H E F I FA W E E K LY
dass die gesamte Bundesliga gefordert ist, wenn es um das Thema internationale Wahrnehmung geht. Gut wäre es, wenn sich mehr Bundesligaklubs als bisher auch mal auf einem anderen Kontinent auf die Saison oder die Rückrunde vorbereiteten. Wir stehen in puncto internationale Popularität in einem ständigen Wettbewerb mit den Klubs der Premier League, der Primera Division und der Serie A.
Wie steht der FC Bayern denn in den Augen der globalen Fussballfangemeinde da? Die nationale Sicht auf uns ist seit Jahr und Tag dieselbe: Man mag uns, oder man mag uns nicht. Das ist im Ausland anders. Dort ist der Respekt aus zwei Gründen fast noch ein Stück grösser: Weil wir einen sehr attraktiven Fussball spielen und dies als seriös geführter, wirtschaftlich kerngesunder Klub, der nicht zu riskanten Abenteuern neigt. Noch dazu wird unser Trainer überall gern gesehen. Der “Pep”-Faktor ist enorm, denn Guardiola ist der vielleicht bekannteste und populärste Trainer der Welt. Er und vor ihm auch Jupp Heynckes haben mit dafür gesorgt, dass wir längst nicht mehr in dem Ruf stehen, arrogant aufzutreten.
Guardiola hätte ja für ein noch höheres Gehalt auch zu einem anderen europäischen Spitzenklub gehen können. Warum hat er sich für Bayern entschieden? Das ist der Beweis für die These, dass Geld manchmal nicht alles ist. Pep hat rasch erkannt, dass wir ein Klub mit einer Philosophie und Mannschaft sind, in dem er sich nach seiner grossen Zeit beim FC Barcelona am besten verwirklichen kann. Wir haben nach Louis van Gaal und Jupp Heynckes den dritten Trainer, der eine eigene Philosophie mitgebracht hat. Nach seiner Spielidee haben wir lange gelechzt.
Für welchen Fussball soll Bayern stehen? Inzwischen als Garant für schönen Fussball. Als ich als Spieler Mitte der Siebzigerjahre hierher kam, galt der FC Bayern als Erfolgsmodell und Produzent vieler wichtiger Siege, aber nicht als Inbegriff für ästhetisch ansehnlichen Fussball. Dafür stand in Deutschland damals Borussia Mönchengladbach, und deshalb war unser damals grösster Rivale auch beliebter. Interview: Roland Zorn
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Die StadionMonumente
Der Hirsch des Anstosses Thomas Renggli
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itmachen sei wichtiger als gewinnen, behauptete der französische Pädagoge und Sportfunktionär Pierre de Coubertin und erweckte die Olympischen Spiele 1896 zu neuem Leben. Seine hehren Absichten schlossen jegliche Form der finanziellen Interessen an der Leibesertüchtigung aus. Doch die Jugend der Welt richtete sich nicht nur athletisch nach dem Motto “Citius, altius, fortius” (schneller, höher, stärker), auch wirtschaftlich wurde nach Erfolgsoptimierung gestrebt. Im Verlauf der sportlichen Evolution verdrängte der schnöde Mammon den Idealismus: Mäzene, Donatoren und Sponsoren drängten auf den Sportplatz – und die Trikots der Hauptdarsteller verloren ihre Unschuld. Das ärgerte seinerzeit einige Printmedien. In der Schweiz zeigte beispielsweise die Fachzeitung “Sport” den Firmenlogos auf Fussballtrikots die Rote Karte und retuschierte entsprechende Fotos. Das Blatt veröffentlichte nur Bilder mit Schriftzügen von Firmen, die in der Zeitung ein Inserat schalteten. Ähnlich verhielt es sich mit der Stadionwerbung. Strikt verboten! Fussball müsse sauber bleiben, befahlen die Puritaner in den höchsten Fussballgremien. Doch ein Klub namens Eintracht torpedierte in Deutschland diesen Gedanken und säte Zwietracht. Eintracht Braunschweig und der ihm nahestehende Schnapsfabrikant Mast umdribbelten den Deutschen Fussball-Bund. Sponsor und Verein lancierten eine landesweite Pressekampagne und installierten im Braunschweiger Stadion rund um den Rasen schneeweisse, unbeschriftete Bretterwände – sogenannte Banden. Die Medien stürmten Braunschweig. Fotografen knipsten, Filmer filmten, Schreiber schrieben. Ganz Deutschland wusste über Nacht, dass dort, wo nichts war, der Schriftzug
des geistigen Getränks Jägermeister wäre. Gleichzeitig jagte der Likör-Hirsch den Eintracht-Löwen aus dem Vereinslogo. Ein Geniestreich. Der Jägermeister-Absatz stieg, das Werbeverbot fiel. Die Kampagne kostete Mast 255 000 Euro. Heute sind Fussballer und Stadien ohne Werbung undenkbar. Als Letzter beugte sich der FC Barcelona 2011 dem Markt – nach 111 Jahren. Für den aktuellen Dreijahresvertrag mit Qatar Airways kassiert er 96 Millionen Euro. Dabei ist Lionel Messi nicht der Inbegriff einer attraktiven Litfasssäule – bei einer Körperlänge von 169 cm. Wer tief genug in die Tasche greift, verewigt sein Produkt im Namen des Stadions: Arsenal London spielt im Emirates Stadium, Bayern München in der Allianz Arena, der FC Wolfsburg in der Volkswagen Arena, Borussia Dortmund im Signal Iduna Park. Für mehr Werbeprozente wird sogar die Promillegrenze überschritten: Schalke 04 kickt in der Veltins-Arena. Einen juristischen Übersteiger mussten die Produzenten eines energiefördernden Büchsengetränks bei der Akquisition des FC Sachsen Leipzig auf sich nehmen. Der neue Klubname Red Bull Leipzig schaffte es nicht durch die Verteidigungsreihen der DFB-Juristen. Probleme, die man lösen kann, sind keine Probleme: Der Klub heisst nun RasenBallsport Leipzig und strotzt in der dritten deutschen Liga vor Energie. Å
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Wembley, London. 90 000 Plätze. Das Stadion aller Stadien. Heimat des FACup-Finals und der englischen Nationalmannschaft.
2
Camp Nou, Barcelona. 98 787 Plätze. Die Kathedrale Kataloniens und Bühne von Messi & Co.
3
Maracanã, Rio de Janeiro. 73 531 Plätze. Gebaut für die WM 1950 (für 183 513 Fans), ist es auch im Juli 2014 das Traumziel.
4
Stadion Erster Mai, Pjöngjang. 150 000 Plätze. Mit acht Tribünenrängen das grösste Stadion der Welt.
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Estadio Alberto Jacinto Armando, Buenos Aires. 40 318 Plätze. Die im Volksmund genannte “La Bombonera” ist die Heimat des Maradona-Klubs Boca Juniors.
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Allianz Arena, München. 69 000 Plätze. Vor acht Jahren bekamen der FC Bayern München und sein Stadtrivale TSV 1860 München hier ihre neue Heimat.
7
Anfield Road, Liverpool. 45 362 Plätze. “You Will Never Walk Alone” – mehr muss man zu dieser Kultstätte des Fussballs nicht sagen.
8
Stadio Giuseppe Meazza, Mailand. 81 389 Plätze. Ein Stadion – zwei Klubs. Die AC Milan und Inter teilen sich das San Siro.
9
Signal Iduna Park, Dortmund. 80 552 Plätze. Allein die Stehtribüne für 25 000 Fans kann den Gegnern den Atem rauben.
10
FNB-Stadion, Johannesburg. 94 700 Plätze. Das grösste Stadion Afrikas, auch Soccer City genannt, war Austragungsort des WM-Finals 2010.
11
Aztekenstadion, Mexiko-Stadt. 105 000 Plätze. Maradona traf hier mit der “Hand Gottes”. Die Arena war als einziges Sta dion Austragungsort von zwei WM Finalspielen.
Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion T H E F I FA W E E K LY
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DAS FIFA-R ANKING Rang Team
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 39 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 54 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77
Rangveränderung Punkte
Spanien Deutschland Argentinien Kolumbien Portugal Uruguay Italien Schweiz Niederlande Brasilien
0 0 0 0 9 0 1 -1 -1 1
1507 1318 1251 1200 1172 1132 1120 1113 1106 1102
Belgien Griechenland England USA Chile Kroatien Elfenbeinküste Ukraine Frankreich Mexiko Bosnien-Herzegowina Russland Ecuador Ghana Dänemark Algerien Schweden Tschechische Republik Slowenien Serbien Costa Rica Rumänien Schottland Armenien Venezuela Nigeria Panama Ägypten Kap Verde Peru Honduras Mali Türkei Ungarn Iran Österreich Kuba Japan Tunesien Island Kamerun Paraguay Montenegro Republik Korea Norwegen Wales Albanien Burkina Faso Australien Slowakei Südafrika Israel Libyen Finnland Senegal Guinea Republik Irland Usbekistan Bolivien Jordanien Vereinigte Arabische Emirate Sambia Haiti Sierra Leone Marokko Bulgarien Togo
-6 3 -3 -1 -3 2 0 2 2 4 -5 -3 -1 -1 1 6 -2 -1 1 -2 0 -3 2 4 2 -3 -1 13 3 0 -7 -1 -3 -1 4 7 27 -4 -2 -4 8 -3 1 2 -7 -12 1 -6 -2 5 0 4 -2 -1 -1 2 -7 -13 2 0 0 -5 7 -1 2 0 -2
1098 1055 1041 1019 1014 971 918 907 893 892 886 870 852 849 831 800 793 766 762 752 738 734 717 716 711 710 705 699 698 698 688 684 677 668 650 648 641 638 632 624 612 600 594 577 577 574 571 569 564 557 554 548 544 539 536 534 528 526 519 511 508 505 495 493 490 486 480
Rang
Juni 2013
Juli 2013
Aug. 2013
Sept. 2013
Okt. 2013
Nov. 2013
1 -41 -83 -125 -167 -209
78 79 80 81 82 83 84 84 86 87 88 89 90 91 91 93 93 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 106 106 109 109 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 124 126 127 127 129 130 130 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 142 144
Platz 1
Aufsteiger des Monats
Polen Trinidad und Tobago Gabun Jamaika Belarus DR Kongo EJR Mazedonien Kongo Uganda Oman Dominikanische Republik Angola Nordirland Neuseeland El Salvador VR China Äthiopien Aserbaidschan Estland Moldawien Botsuana Saudiarabien Benin Georgien Litauen Katar Niger Liberia Simbabwe Zentralafrikanische Republik Kuwait Antigua und Barbuda Irak Äquatorial-Guinea Burundi DVR Korea Kanada Guatemala Tadschikistan Kenia Bahrain Lettland Mosambik Malawi Neukaledonien Libanon Luxemburg Tansania Namibia Zypern Ruanda Afghanistan Grenada Sudan Kasachstan Philippinen Gambia Syrien Malta Turkmenistan Lesotho Suriname Myanmar Tahiti Thailand Palästina Mauretanien
T H E F I FA W E E K LY
-9 2 4 1 1 4 2 7 -1 5 -10 4 0 -12 -2 4 2 -7 3 -1 0 2 -6 -1 1 2 6 1 -4 1 3 3 -6 8 9 -6 -3 -3 0 1 5 -2 -5 3 4 -2 3 5 2 7 2 4 2 6 3 4 5 6 4 -12 3 -8 9 3 1 4 8
Absteiger des Monats
473 458 453 441 431 427 421 421 417 389 384 382 381 378 378 376 376 363 360 359 357 352 342 330 326 320 318 312 310 310 310 299 299 294 293 292 291 287 286 281 275 272 271 270 249 248 243 243 240 229 229 226 218 218 216 204 202 200 198 195 187 186 184 179 173 173 158
144 146 147 148 149 150 151 152 152 154 155 156 157 158 158 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 175 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 186 188 189 189 189 192 193 194 194 196 196 198 199 200 201 201 203 204 205 206 207 207 207
Hongkong Kirgisistan St. Kitts und Nevis Indien Malediven Guyana St. Vincent und die Grenadinen Liechtenstein Puerto Rico Singapur São Tomé und Príncipe Bangladesch Belize Malaysia Vietnam Nicaragua St. Lucia Indonesien Laos Tschad Nepal Sri Lanka Pakistan Barbados Guam Färöer Salomon-Inseln Bermuda Aruba Chinese Taipei Curaçao Dominica Jemen Mauritius Vanuatu Mongolei Fidschi Samoa Guinea-Bissau Bahamas Swasiland Madagaskar Montserrat Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Komoren Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Seychellen Südsudan Macau Dschibuti Somalia Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln
4 4 0 6 8 -36 -31 6 7 1 7 6 -12 2 -7 -7 -23 0 4 -8 0 0 1 5 2 5 0 -11 0 2 -5 -6 0 0 3 3 4 -4 -2 4 -2 -6 3 10 4 4 -3 -1 -3 -2 3 3 -10 2 -4 -4 3 3 -1 -3 -3 0 0 0 0
158 155 150 149 147 146 142 141 141 140 139 137 136 132 132 130 129 122 120 116 113 108 107 101 93 87 86 83 82 81 67 67 64 62 53 49 47 45 42 40 37 33 33 28 26 26 26 23 22 21 21 18 18 17 16 15 10 10 8 6 5 3 0 0 0
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First Love
Or t: Qunu, S체dafrika Ja h r : 28. M채 rz 201 2 Zeit: 13. 24 Uhr
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HISTORY
Entführungen und brutale Fouls
Die zehnte Klub-WM läuft. Auch in Marokko ist hochstehender Fussball garantiert. Das war nicht immer so. Wenn sich früher die besten Vereine verschiedener Kontinente trafen, ging es brachial zur Sache. Triumph 1962: Die Santos-Spieler Gilmar und Pelé feiern unter der Dusche.
ie Klub-Weltmeisterschaft, die am 11. Dezember in Marrakesch begonnen hat, ist nicht der erste internationale Vereinswettbe werb, der in Marokko ausgetra gen wird. Das Königreich veran staltete ab 1962 den “Coupe Mohamed V”, einen prestigerei chen Wettbewerb für Ver einsmannschaften, in dem der marokkanische Meister und die drei aktuell besten Klubs der Welt aufeinander trafen. So waren in der Ver gangenheit zum Beispiel Real Madrid, Boca Juniors, der FC São Paulo, Flamengo, Bayern München oder der FC Barcelona in Casablanca zu Gast, um an diesem renommierten Freund schaftsturnier teilzunehmen. Alles fing mit der “Copa Rio” an Dieser Wettbewerb stand in einer langen Tra dition des Kräftemessens zwischen Vereinen aus unterschiedlichen Kontinenten. Vor allem 34
die südamerikanischen Klubs bemühten sich seit 1950, Wettbewerbe ins Leben zu rufen, in denen die aktuell besten europäischen und südamerikanischen Vereine aufeinander trafen. Als einer der ersten Wettbewerbe dieser Art wurde 1951 und 1952 in Brasilien die “Copa Rio” organisiert. An diesem Turnier nahmen nationale Meister wie beispielsweise die brasi lianischen Teams Fluminense und Palmeiras, der uruguayische Vertreter Peñarol, die Italie ner von Juventus Turin oder der Schweizer Grasshoppers Club Zürich teil. Die Entführung von Di Stefano So war dies auch bei der so genannten “Pequeña Copa del Mundo” (kleine Weltmeis terschaft), die von 1952 bis 1957 sowie von 1963 bis 1970 jährlich in Venezuela stattfand. Die besten vier europäischen Teams trafen auf die Top 4 Südamerikas. Obwohl der Wettbewerb durch den Sieg von grossen Weltklubs wie Real Madrid, Corint hians oder Benfica geadelt wurde, hatte er ab den 1960er-Jahren unter der politischen Insta bilität zu leiden, die damals im Land herrschte. T H E F I FA W E E K LY
Der Stürmer Alfredo Di Stefano von Real Mad rid, ein grosser Star seiner Zeit, wurde während des Turniers 1963 sogar entführt. Seine Kid napper, die Nationale Befreiungsfront Vene zuelas, liessen ihn erst zwei Tage später vor der spanischen Botschaft frei. Parallel zur kleinen Klub-Weltmeisterschaft etablierte sich vor allem der InterkontinentalPokal, der auch Europa-Südamerika-Pokal ge nannt wurde. In diesem Wettbewerb, der 1960 ins Leben gerufen wurde, traf der Gewinner des 1955 gegründeten Europapokals der Landes meister auf den Sieger der seit 1959 von der CONMEBOL ausgetragenen Copa Libertadores. Afrikanische K lubs unerwünscht Selbst wenn die FIFA das Reglement dieses Wett bewerbs anerkannte, wie das auch bei anderen Turnieren üblich war, lehnte sie es ab, sich direkt an der Organisation zu beteiligen, da in diesem Duell nur zwei Konföderationen vertreten waren. Die FIFA machte den Veranstaltern den Vorschlag, die besten afrikanischen und nordafrikanischen Vereine mit einzubeziehen, doch dies lehnten wiederum die Südamerikaner und
Popperfoto/Getty Images
D
Xavier Breuil
HISTORY
die Europäer ab, die um die Vorherrschaft im Weltfussball kämpften. Dem Sieger des Duells mit Hin- und Rückspiel wurde lediglich der Titel des inoffiziellen Klub-Weltmeisters verliehen. Inoffizielles, aber beliebtes Turnier Bis 1968 hatte dieses Aufeinandertreffen durchaus Erfolg. Das erste interkontinentale Finale zwischen Real Madrid und Peñarol verfolgten im Hinspiel (0:0) in Montevideo 79 000 Zuschauer, das Rückspiel im Bernabeu-Stadion wurde sogar von 100 000 Fans besucht. Die “Königlichen” setzten sich 5:1 durch. Die ersten Auflagen ermöglichten es vor allem den europäischen Zuschauern, zu sehen, wie sehr sich der Vereinsfussball und der Fussball auf Länderspielebene unterschieden. Trotz der zwei Siege des FC Santos von Pelé in den Jahren 1962 und 1963 glänzten die brasilianischen Klubs in der Folge vor allem durch ihre Abwesenheit, während die Seleçao bei den Fussball-Weltmeisterschaften von 1958 bis 1970 (mit einer Ausnahme) regelmässig triumphierte. Am häufigsten gewannen die argentinischen Vereine die Copa Libertadores, dementsprechend waren sie mit zehn Teilnahmen beim Interkontinental-Pokal zwischen 1960 und 1979 gegenüber drei Teilnahmen brasilianischer Klubs weitaus häufiger vertreten.
Spielen gegen südamerikanische Mannschaften teilzunehmen. Sie liessen lieber die Vize-Champions diesen Wettkampf bestreiten. So kam es, dass Atletico Madrid Klub-Weltmeister wurde, ohne den Europapokal gewonnen zu haben. Die Glaubwürdigkeit der Trophäe kehrte erst mit dem ähnlichen Toyota-Cup in Japan zurück, der von 1980 bis 2004 insgesamt 25 Mal stattfand. In zwölf Auflagen setzten sich die Südamerikaner durch, die Europäer feierten 13 Siege. Nie aber hatte die FIFA die Idee aufgegeben, einen eigenen interkontinentalen Klub Wettbewerb zu organisieren. Es war ihr Wunsch, dass die Veranstaltung alle Konfö derationen umfassen sollte – und so ging im Jahr 2000 tatsächlich die erste Klub-Weltmeisterschaft (in Brasilien) über die Bühne. Mit acht Teilnehmern aus allen sechs Konföderationen war es das erste wahrhaftig interkontinentale Turnier in der Geschichte des Fussballs. Å
→ http://www.fifa.com/clubworldcup
Klub-WM in Marokko (Agadir und Marrakesch) Dauer: 11. – 21. Dezember 2013 Teilnehmende Klubs: • Bayern Münchnen (Deutschland) • Guangzhou Evergrande (China) • CF Monterrey (Mexiko) • Altetico Mineiro (Brasilien) • Auckland City (Neuseeland) • Al Ahly Kairo (Ägypten) • Raja Casablanca (Marokko) Final: 21. Dezember 2013 in Marrakesch
AGIP/Süddeutsche
Hartes Foul: Combin war bewusstlos Doch dieser Kampf um die Vorherrschaft im weltweiten Fussball blieb nicht ohne Folgen auf die Atmosphäre in den Duellen um den Interkontinental-Pokal. Die Begegnungen blieben oft aufgrund ihrer Brutalität im kollektiven Gedächtnis. 1967 waren 100 000 Zuschauer Zeugen der Partie zwischen Celtic Glasgow und Racing Club de Avellaneda, in der fünf Platzverweise ausgesprochen wurden. Zwei Jahre später, beim Aufeinandertreffen zwischen Estudiantes La Plata und der AC Milan im Bombonera-Stadion (Buenos Aires), verlor der argentinisch-stämmige Milan-Stürmer, Nestor Combin, nach einem erneut sehr harten Foul eines Argentinier auf dem Platz das Bewusstsein. Die argentinische Polizei nutzte die Situation übrigens, um Combin festzunehmen und für eine Nacht ins Gefängnis zu stecken, weil er den Militärdienst in seinem Geburtsland nicht geleistet hatte. FIFA ruft K lub-WM 2000 ins Leben Die wiederholten Zwischenfälle führen dazu, dass der Wettbewerb seinen Glanz einbüsste. Zahlreiche Europacup-Sieger wie Bayern München oder Ajax Amsterdam lehnten es ab, an
Gezeichnet vom Finale: Milan-Stürmer Nestor Combin 1969 am Flughafen. T H E F I FA W E E K LY
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NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Wann gewinnt endlich eine afrikanische Nation die WM? Frage von Oumar Thiam, Dakar
Perikles Monioudis
E
ine sehr berechtigte Frage, nachdem die Afrikaner schon seit Jahrzehnten spektakulären Fussball geboten haben. Ich befürchte aber, dass mittelfristig kein afrikanisches Land die WM gewinnen wird. Die Defizite liegen dabei nicht einmal im fussballerischen Bereich. Afrika bringt immer wieder grossartige Spieler hervor, die mit ihrer Athletik und Technik die besten Ligen der Welt bereichern. Vereinzelt setzten in der Vergangenheit auch Nationalmannschaften Akzente, ich denke da an Ghana, Kamerun oder an die Elfenbeinküste. Aber um an einem grossen, internationalen Turnier zu triumphieren, muss das ganze Gebilde stimmen. Das heisst, ein Nationalteam und das Land müssen auf Erfahrung zurückgreifen können, was Aufbau, Entwicklung, Konstanz und längerfristige Planung angeht. An einem vierwöchigen Grossanlass können zum Beispiel Aufgaben wie Organisation oder Ernährung 36
rund um den Kader – auf den ersten Blick vielleicht eher Nebensächlichkeiten – den entscheidenden Unterschied ausmachen. Meiner Meinung nach ist auch die Erweiterung des Teilnehmerfeldes nicht der richtige Weg, wenn man mehr afrikanische Mannschaften an der Weltmeisterschaft dabei haben will. Die Grenze ist mit 32 Teams erreicht. Das hohe Niveau muss gehalten werden. Auch deshalb freue ich mich sehr auf Brasilien 2014 – und auf spannende Spiele mit Algerien, Nigeria, Kamerun, Ghana und der Elfenbeinküste. Å
Was wollten Sie schon immer über Fussball wissen? Fragen Sie Günter Netzer: feedbackTheWeekly@fifa.org T H E F I FA W E E K LY
Imago
Waschen, legen: Günter Netzer mit seinem Friseur im April 1972.
Eine kleine Porzellanfigur – ein Fussballer mit Stiefeln und Schnürhemd, ballführend, den Kopf geneigt, den linken Arm noch am Ausgangspunkt des verhaltenen Dribblings. Der Eindruck, der junge Fussballer sei in der Bewegung erstarrt, trügt kaum. Die Hand, die ihn erschaffen hat, verlieh ihm keinen Schwung – kein Leben. Dennoch vermag diese Figur zu rühren. Warum? Fetische und Totems waren prädominant, bevor die Statuen auf den Plan traten. Von der archaischen griechischen Plastik über den Pergamonaltar zum Satyr des Praxiteles: Statuen stehen, wenn nicht für uns selbst, so doch für das, was wir bergen – Lust, Furcht, Freude, Trauer usf. Sie handeln in symbolischer Überhöhung für uns aus, worüber wir Sterbliche nicht immer ganz im Bilde sind. Wenn wir sie betrachten, wissen wir mehr. Warum? Sie blicken von Giebeln auf uns herunter, schauen uns auf Brücken nach, warten im Park auf uns; sie lachen uns aus, wenn wir einander auf unserem Arbeitsweg auf den Geist gehen, an der falschen Liebe festhalten, uns manisch mit anderen messen, unseren Schwächen frönen. Ja, wir belustigen sie, weil sie doch selbst für all das stehen. Sie sind an unserer Statt lasterhaft, wankelmütig, eitel, trunken, wahnsinnig. Wir aber sehen sie nicht, wissen sie im Alltag nicht zu deuten, und sind deshalb dazu verdammt, die immer gleichen Fehler zu begehen, unbelehrbar. Das ist der Unterschied zwischen den Menschen und ihren Statuen. Der kleine Fussballer aus der FIFA-Sammlung entstand in den frühen 1930er-Jahren. Er wurde nicht aus pentelischem Marmor gehauen, er besteht aus Weissem Gold. Und wenn wir ihn in der Hand halten, läuft er uns nicht davon. Å
TURNING POINT
“Ohne Bosnienkrieg wäre ich wohl nicht Profi geworden” Bosnien, Schweiz, USA, Frankreich, Deutschland: Vedad Ibisevic ist weitgereist, spielte für elf Klubs in fünf Ländern. Seinen Wendepunkt erlebte der Stuttgart-Profi mit 16 Jahren.
Name: Vedad Ibisevic Geburtsdatum, Geburtsort: 6. August 1984, Vlasenica Position: Stürmer Stationen: • 1992–2000 Proleter Slacinovici und Zmaj od Bosne • 2000–2001 FC Baden • 2001–2003 St. Louis University • 2003 St. Louis Strikers
• 2004 Chicago Fire Premier • 2004–2005 Paris SG • 2005–2006 Dijon FCO • 2006–2007 Alemannia Aachen • 2007–2012 TSG Hoffenheim • seit 2012 VfB Stuttgart Nationalteam Bosnien: 50 Einsätze, 20 Tore
Rutger Pauw/Red Bull Photofiles
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984 wurde ich in Vlasenica geboren, eine schöne Stadt im kleinen Osten von Bosnien mit etwa 12 000 Einwohnern. Dort erlebte ich auch meinen ersten Schultag, lernte viele andere Kinder kennen, bis im Jahr 1992 der Bürgerkrieg ausbrach. Mit knapp acht Jahren mussten meine Eltern, meine Schwester und ich deshalb alle Sachen packen und in die nördliche Industriestadt Tuzla fliehen. Es waren schwierige Zeiten für meine Familie und für das gesamte Land. Und trotzdem blicke ich auf eine schöne Kindheit zurück. Ich hatte viele Freunde, meine Eltern unterstützten mich. Und natürlich war da der Fussball, den ich liebe, seit ich denken kann. Mein erster Klub hiess Proleter Slacinovici in einem Vorort von Tuzla. Später, als Jugendlicher, wechselte ich zu Zmaj od Bosne. Beide Klubs exisiteren heute nicht mehr unter diesem Namen. Ich war glücklich und fühlte mich in meinem Umfeld wohl. Aber die wirtschaftliche Situation nach dem Bosnienkrieg machte meinen Eltern zu schaffen. Sie wollten nicht, dass meine Schwester und ich ohne Perspektiven dastehen. So zogen wir in die Schweiz, blieben da mangels Aufenthaltserlaubnis aber nur zehn Monate und landeten schlussendlich in den USA. Genauer genommen in St. Louis, wo Verwandte von uns lebten und wir nicht von Null beginnen mussten. Klar, der Umzug aus der Heimat im Alter von 16 Jahren war sicher nicht einfach für mich und meine Schwester. Wir mussten schliesslich Familie und Freunde verlassen. Diesen Wendepunkt in unserem Leben – aufgrund des Bosn ienkrieges – kann man nur deshalb ein Stück weit positiv bewerten, weil ich wohl
heute nicht Profi wäre, wenn sich damals meine fussballerische Entwicklung in Bosnien fortgesetzt hätte. Im Ausland konnte ich viel lernen und Erfahrungen sammeln. Zuerst in St. Louis, wo es sehr gut lief und ich sogar eine Auszeichnung zum besten Nachwuchsspieler bekommen habe. Später in Frankreich und jetzt seit sieben Jahren in Deutschland. Ich habe sozusagen von allen Ländern das Beste mitgenommen und kann heute schon auf eine vielseitige Zeit als Fussballer zurückblicken. Dass ich nun mit der Bosnischen Nationalmannschaft auch noch an der Weltmeisterschaft in Brasilien teilnehmen darf, ist natürlich fantastisch. Möglicherweise wird das Turnier ein Höhepunkt in meiner bisherigen Laufbahn, ein unvergessliches Erlebnis wird es mit Sicherheit. Das war auch schon die Qualifikation mit den anschliessenden Feierlichkeiten in Bosnien. Es war unglaublich schön, so viele glückliche Gesichter bei unserem Empfang zu sehen. Viele aus dem Nationalteam haben eine ähnliche Geschichte wie ich hinter sich. Das Erlebte gibt uns Kraft. T H E F I FA W E E K LY
Unsere Vorrunden-Gruppe mit Argentinien, Nigeria und Iran ist nicht einfach, aber ich rechne mir Chancen aus für die Achtelfinals. Meine Eltern, sie pendeln mittlerweile zwischen St. Louis und Europa, planen dann auch zur Unterstützung nach Brasilien zu kommen. Auch sie sind sehr stolz auf mich. Å Aufgezeichnet von Alan Schweingruber
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37
Impressum
FIFA - R ÄT SEL - CUP
The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)
Italiens Trainer und ein WM-Teilnehmer aus römischen Ziffern – raten Sie mit!
Internet: www.FIFA.com/TheWeekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich, Tel. : +41-(0)43-222 7777 Fax : +41-(0)43-222 7878
1
Was ist das? B C F G
Präsident: Joseph S. Blatter
Gaskartusche für die Olympische Flamme Pokal der Klub-WM Kristallkugel, die den nächsten Weltmeister verrät Lostrommel für WM-Auslosung
Generalsekretär: Jérôme Valcke Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio
2
Wer trainiert eines der Teams, das an der Klub-WM 2013 teilnimmt?
Chefredakteur: Thomas Renggli
E
Art Director: Markus Nowak
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R
A
Redaktion: Perikles Monioudis (Stv. Chefred.), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Ständige Mitarbeiter: Jordi Punti, Barcelona; David Winner, London; Hanspeter Kuenzler, London; Roland Zorn, Frankfurt/M.; Sven Goldmann, Berlin; Sérgio Xavier Filho, São Paulo; Luigi Garlando, Mailand
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Wer nahm bisher an den meisten Klub-WMs teil?
Bildredaktion: Peggy Knotz Produktion: Hans-Peter Frei (Leitung), Richie Krönert, Marianne Crittin, Mirijam Ziegler, Peter Utz
A
E
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U
Korrektorat: Nena Morf Redaktionelle Mitarbeit in dieser Nummer: Jean Williams, Roland Zorn, Marcio Mac Culloch, Tokyo Sexwale Redaktionssekretariat: Loraine Mcdouall
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Auslosung zur WM 2014 in Brasilien: Eines des 32 Länder wurde dabei mit drei Buchstaben abgekürzt, die einer römischen Zahl entsprechen. Welcher Zahl? B 98
E 104
T 506
W 1015
Übersetzung: Sportstranslations.com Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Kontakt: feedback-TheWeekly@fifa.org Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus dem The FIFA Weekly – auch auszugsweise – ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (© The FIFA Weekly, 2013) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Das FIFA-Logo ist ein eingetragenes Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: LUCK (ausführliche Erklärungen auf FIFA.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 18. Dezember 2013 an feedback-TheWeekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis am 31. Dezember 2013 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für den FIFA Ballon d’Or 2013 am 13. Januar 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Welches war die bisher grösste Zuschauerzahl bei einem Fussballspiel in der Geschichte? Bernd Timmermann, Hamburg
G e w i n nt d e r F C B aye r n Mü n c h e n au c h d i e K l u b -W M 2 01 3 ?
Antwort von Thomas Renggli, Chefredaktor: Die höchsten (statistisch erfassten) Zuschauerzahlen stammen alle aus dem (alten) Maracanã in Rio de Janeiro mit einer Kapazität von 200 000 Plätzen. Der Rekord wurde anlässlich des entscheidenden Spiels der WM 1950 zwischen Brasilien und Uruguay aufgestellt – mit (offiziell) 199 854 Zuschauern. Zu den Augenzeugen zählte auch der spätere FIFAPräsident Joao Havelange. Er sprach sogar von 220 00 Fans. Die grösste Kulisse bei einem Klubspiel stammt vom Rio-Derby zwischen Fluminese und Flamengo im Dezember 1963 (194 603 Zuschauer).
Deutsche Meisterschaft, DFB-Pokal, Champions League. Was der FC Bayern in der Saison 2012/13 “anfasste”, wurde zu Gold. In der Bundesliga sind die Münchner mittlerweile seit 40 Partien ungeschlagen. Triumphieren sie jetzt auch an der Klub-WM in Marokko?
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE
DER SPRINTER
35,1
46+25+10811
Wer ist der beste Torhüter der Welt?
km/h erreicht der ecuadorianische Stürmer Antonio Valencia gemäss Berechnungen der FIFA. Damit ist er der schnellste – von den offiziellen
PETR CECH IKER CASILLAS GIANLUIGI BUFFON MANUEL NEUER ANDERE
11%
8%
10%
46%
The FIFA Weekly erscheint jede Woche freitags – als Printausgabe sowie als E-Magazin (www.Fifa.com/TheWeekly). Neben Berichterstattungen über Stars und Tore steht der Doppelpass mit den Lesern im Zentrum. Nehmen Sie an der Diskussion teil. Reaktionen an: feedback-TheWeekly@fifa.org
25%
DER EVERGREEN
603
Einsätze hat Mickaël Landreau
Tempomessern
(34), Torhüter von Bastia, in
erfasste – Fussballer
der höchsten Französischen
der Welt; noch vor
Liga absolviert – Rekord.
Gareth Bale (34,7
In seiner 17-jährigen Karrie-
km/h) und Cristiano
re stand “Mick” bei Nantes
Ronaldo (33,6 km/h).
(Cup-Sieger 1999 und Landesmeister 2001), bei Lille (Meister 2011) und seit 2012 bei Bastia unter Vertrag. In seinen bisher 603 Spielen blieb er 222-mal ohne Gegentreffer.
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DAS NEUE FUSSBALL-MAGA ZIN
T H E F I FA W E E K LY
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DER BALL ineinandergreifende Einzelteile umfasst der Ball für die WM 2014 – Brazuca. Damit besteht das von Adidas produzierte Spielgerät aus zwei Elementen weniger als sein Vorgänger Jabulani. Der Ball der WM 1970 Telstar setzte sich aus 32 Stücken zusammen.