Filmpodium 1.7. - 21.9.2014 / Programme issue July 1 – September 21, 2014

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1. Juli – 21. September 2014

Inselfilme Pre-Code Hollywood


AB 3. JULI IM KINO

l’intrepido Gianni Amelio, Italien

«Die amüsante und berührende Fabel über einen Mann, der das moderne Mailand in all seinen Facetten erlebt, während er als Springer einer schwindelerregenden Anzahl Jobs nachgeht.» BRITISH FILM INSTITUTE

AB 18. SEPTEMBER IM KINO

MY NAME IS

SALT FARIDA PACHA , INDIEN

«Eine meditative, eindringliche Betrachtung der Arbeit als Akt des Glaubens, mit verblüffendem Gespür gefilmt und voller Schönheit.» SIGHT & SOUND


01 Editorial

Sommer ohne Pause In den letzten beiden Jahren haben wir im Sommer jeweils eine Spielpause ­eingeschaltet, um so neben der immer aufwendiger werdenden Arbeit für ­Kopien- und Filmrechte-Recherchen und Administration noch Luft für die längerfristige Programmplanung zu gewinnen. Unser cinephiles Stammpublikum war über diese Massnahme nicht erbaut, denn meist zieht es das Lichtspiel dem Sonnenbad vor. Um den Wünschen unserer treuen Klientel nachzukommen, haben wir nun versucht, ein Programm zu gestalten, das auch den Sommer über Filmkultur und Unterhaltung auf hohem Niveau bietet, bis im späten September das Zurich Film Festival in unserem Kino gastiert. Das Ergebnis halten Sie in Händen. Wie gewohnt, gibt es zwei grosse Filmreihen, ergänzt mit zahlreichen Premieren und Reeditionen. Um Ferien und anderen Ablenkungen Rechnung zu tragen, haben wir das Angebot aber nicht über sechs, sondern über elf Wochen verteilt. So haben Sie mehr Chancen, die Filme zu sehen, auch wenn es Sie zwischendurch ins Tessin, ins Tiefenbrunnen oder nach Teneriffa zieht. Apropos Teneriffa – eine unserer beiden Reihen entführt Sie auf allerlei Inseln, von denen sich manche jedoch kaum für Urlaube eignen: Wie die literarischen Werke in der Ausstellung im Museum Strauhof, zeigen auch unsere Filme die Insel bald als Paradies, bald als Hölle. Die kinematografische Kreuzfahrt führt vom idyllischen Tahiti von F. W. Murnaus Tabu bis zur Insel der Überlebenskämpfe in Kinji Fukasakus Battle Royale. Bringen Sie für alle Fälle einen Rettungsring mit. Die filmische Darstellung von Freuden und Schrecken wurde in Hollywood ab 1934 mit der Durchsetzung des Production Code zensiert, der bereits 1930 als Selbstkontrolle der Filmbranche eingeführt worden war. In den vier Zwischenjahren wagten die Filmemacher deutlich mehr und befassten sich mit Prostitution, vorehelichem Sex und anderen Unsittlichkeiten, romantisierten Gangster und stellten Gewalt weniger beschönigend dar, als es später der Fall war. Auch wenn sich diese Filme für heutige Begriffe zahm ausnehmen, war das Kino selten so raffiniert, wenn es um die subtile Inszenierung von Dingen ging, die nicht jener «gesunden und erbaulichen Geisteshaltung des Durchschnittsbürgers» entsprachen, an der sich der Code orientierte. Wenn Sie sich also bei der Fussball-WM im Offside fühlen oder vom Geruch von Grillwürsten die Nase voll haben, kommen Sie ins Filmpodium. Da herrscht «film business as usual» – und Glace gibt’s auch. Michel Bodmer Titelbild: Drei Chorusgirls aus Footlight Parade (1933)


02 INHALT

Inselfilme

04

Seit der Antike zählt die Insel zu den beliebtesten Topoi von Dichtung und Kunst, egal, ob als Paradies oder als Hölle. Zur Ausstellung, die das Museum Strauhof dieser Tradition in der Literatur widmet, zeigt das Filmpodium eine Auswahl von Inselfilmen. Den Reiz des exotischen Südsee-Idylls thematisieren die Filme Tabu und Mutiny on the Bounty. Das Inselleben als hart und karg schildern Die nackte Insel und Padre Padrone, während bei I Walked with a Zombie und The Wicker Man noch Gruselelemente dazukommen. Brutal wird es, wenn die Insel zur rechtsfreien Zone wird wie in The Most Dangerous Game, Queimada, Lord of the Flies und Battle Royale. Dafür locken Il postino und Lucía y el sexo mit mediterraner Sinnlichkeit. Bild: Mutiny on the Bounty

Pre-Code Hollywood

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1934 wurde der Production Code durchgesetzt, die freiwillige Selbstbeschränkung der Filmstudios, um drohenden Boykotten und staatlicher Zensur zu entgehen. Die knapp vier Jahre davor stellen in der Geschichte Hollywoods eine Epoche ungewöhnlicher Freiheit dar, was die Darstellung des von der Depression geprägten Amerika angeht. Verblüffend direkt erzählen die Filme von emanzipierten Frauen und Überlebenskünstlern, von Gangstern und Chorusgirls, von Jugendlichen auch, die sich durchschlagen müssen – und von frivolen Liebesaffären. Neben den Filmen – lange Zeit vergessen oder von der Zensur weggesperrt – gibt es auch unzählige Stars (wieder) zu entdecken: Mae West, Clark Gable, Barbara Stanwyck, Claudette Colbert, Kay Francis, William Powell … Bild: Footlight Parade


03

Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974

23

Der erste «stilbildende» Bond, eine gesungene französische Romanze und das Lebensgefühl eines tschechischen Teenagers: das sind drei Höhepunkte des Filmjahrs 1964. 1974 beschert ein Fassbinder-Melo, ein amerikanisches Ehedrama – und einen der legendärsten Horror-Schocker aller Zeiten, The Texas Chain Saw Massacre.

Reeditionen

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Vor 125 Jahren kam er zur Welt, 100 Jahre alt ist seine legendäre Tramp-Figur: Grund genug, Charles Chaplins The Kid und The Circus wieder vorzuführen. Auch Akira Kurosawas Das Schloss im Spinnwebwald feiert einen Jahrestag: Der Autor der Vorlage («Macbeth»), William Shakespeare, wurde vor 450 Jahren geboren.

Bild: Goldfinger

Filmpodium für Kinder Sommerpremieren

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34

Gleich sechs neue Filme gibt es im Sommerprogramm zu entdecken: Sie führen von der Schweiz (Zum Säntis!) über das Sudetenland (Alois Nebel), Rom (Sacro GRA) und Athen (Akadimia Platonos) bis nach Québec (Le démantèlement) und – fast – nach Brasilien (Die andere Heimat).

Ein wunderbar verspieltes Musical für Menschen aller Altersgruppen: auch mit fünfzig Jahren hat Mary Poppins nichts von seiner charmanten Frische verloren und bezaubert mit Fantasie und Humor und dem perfekten Zusammenspiel von Real- und Animationsfilm. Bild: Mary Poppins



05 Inselfilme

Welten ausserhalb der Welt Wer von Inseln spricht, wird Klischees nur mit Mühe umschiffen. Seit der Antike zählt die Insel zu den beliebtesten Topoi von Dichtung und Kunst, egal ob als Platzhalter des Paradieses oder als Hort der ­Hölle. Das Museum Strauhof widmet dieser Tradition in der Lite­ratur eine Ausstellung; das Filmpodium zeigt ergänzend dazu eine Auswahl von Filmen, die auf Inseln spielen – und die man auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen möchte. Wie in der Literatur ist das Eiland auch im Kino Projektionsfläche für allerlei Fantasien. Ob als «ou-topos», ein erfundener Nicht-Ort wie in Thomas ­Morus’ «Utopia», als paradiesisch idealisierter «eu-topos» oder als infernalischer «dys-topos», in dem sich Ängste verdichten, immer erscheint die Insel als das Andere, als Gegenentwurf zur bekannten Wirklichkeit – oder als satirische Überhöhung derselben. Die Exotik des Anderen lockt zivilisationsmüde Westler seit je. Kaum ein Ort scheint so reizvoll wie das Südsee-Idyll Tahiti. F. W. Murnau und Robert J. Flaherty inszenierten dort mit Tabu eine Romanze, die im «Paradies» beginnt und in der Realität tragisch endet. In Lewis Milestones Mutiny on the Bounty inspiriert Tahiti die Mannschaft und den Ersten Offizier Fletcher Christian zur Meuterei, doch die Abtrünnigen werden nicht glücklich. Noch expliziter wird die Kritik an der Ausbeutung der Tropeninseln in Gillo Pontecorvos Queimada: Im Auftrag der britischen Handelselite wiegelt ein Söldner auf einer Antilleninsel Sklaven gegen die portugiesischen Zuckerbarone auf; später muss er selbst den unliebsam gewordenen Rebellenführer loswerden. In Island of Lost Souls von Erle C. Kenton praktiziert Charles Laughton als Arzt nicht nur unmenschliche – und prophetische – medizinische Experimente; peitschenknallend in weisser Kluft erscheint er als arroganter Kolonialherr schlechthin. Die Isolation – im Wortsinn – bewahrt archaische und/oder abartige Kulturen und Sitten, wie etwa die geheimnisvollen Voodoo-Riten in Tourneurs I Walked with a Zombie. Die hippieähnlichen Insulaner in Robin Hardys legendärem The Wicker Man frönen keltisch-heidnischen Vorstellungen von Sex, Leben, Tod und Wiedergeburt. Kaneto Shindos Die nackte Insel schildert das harte Leben einer Kleinfamilie, die auf einem kargen Eiland

>

Tabu: F. W. Murnaus Südsee-Idyll mit tragischem Ausgang

<

Christopher Lee als charismatischer Sektenführer im Horror-Klassiker The Wicker Man


06 Ackerbau zu betreiben versucht. Noch unerbittlicher sind die Zustände auf Sardinien in Paolo und Vittorio Tavianis Padre padrone, ihrer Parabel über die Emanzipation des Hirtenjungen Gavino von seinem tyrannischen Vater. Ob sie aufs Festland auswandern, entscheiden die Bewohner einer unwirtlichen Nordseeinsel in Michael Powells The Edge of the World, indem sie ein Wettklettern zweier Männer an den 400 Meter hohen Klippen veranstalten. Liebe, Lust und Tyrannei Auf Inseln schwingen sich gerne Despoten auf; je kleiner das Reich, desto leichter ist es zu beherrschen. Eine weltabgewandte Diktatur zeichnet Walerian Borowczyk in Goto, l’île d’amour, seiner surrealistisch-kafkaesken Parabel um Macht, Liebe und Grausamkeit. Um Tyrannei und Rache dreht sich auch Prospero’s Books, Peter Greenaways Vision von Shakespeares «The Tempest»: Der verbannte Zauberer holt seine einstigen Peiniger mit einem Sturm auf seine Insel und macht ihnen das Leben zur Hölle. Als Revier für eine perverse Menschenjagd nutzt der grausame Graf Zaroff sein Eiland in The Most Dangerous Game. Abgeschnitten vom Rest der Welt und auf engem Raum können sich Konflikte zuspitzen oder auch – fern vom Druck verfeindeter Gruppen – entschärfen. In Luis Buñuels Robinson Crusoe wird der britische Herrenmensch aus seinem System herausgerissen und kann darum dem Eingeborenen Freitag auf Augenhöhe begegnen. Umgekehrt läuft es in Lord of the Flies, Peter Brooks Adaptation von William Goldings Roman, in der gestrandete britische Schuljungen binnen Monaten regredieren und sich gegenseitig umbringen. Kinji Fukasaku wiederum lässt in Battle Royale die überforderten Erwachsenen ungehorsame Schüler auf einer Insel aussetzen, auf dass sie einander abschlachten. Es dreht sich auf Inseln freilich nicht alles um Leben und Tod; oft keimen dort auch zarte Gefühle und ungeahnte Freuden. Michael Radford lässt in Il postino einen ungebildeten Postboten die Poesie als Schlüssel zur Liebe entdecken, und mit viel Sinnenfreude inszeniert Julio Medem in Lucía y el sexo die Insel Formentera als Schauplatz unvergesslicher Höhepunkte der Lust. Womit wir die Küstenlinie des Topos umrundet hätten und wieder beim Ausgangspunkt angelangt wären, dem Paradies ... Michel Bodmer

Die Ausstellung «Inseln – Paradies und Hölle» im Museum Strauhof dauert noch bis zum 7. September. Weitere Informationen unter www.strauhof.ch


07

Inselfilme. ford), Fay Wray (Eve Trowbridge), Leslie Banks (Graf Zaroff),

TABU USA 1931 Dokumentarfilmer Robert J. Flaherty und Friedrich Wilhelm Murnau, beide enttäuscht von den Arbeitsbedingungen in Hollywood, beschlossen 1929 gemeinsam einen Südsee-Film nach ihren Vorstellungen zu realisieren. Weil die kleine Produktionsfirma, die sie finanzieren wollte, bankrottging, zahlte Murnau den Film aus der eigenen Tasche. Ohne Dialog und mit polynesischen Laiendarstellern drehte er die tragische Liebesgeschichte um den jungen Fischer Matahi, der sich in die schöne Reri verguckt, die den Göttern geweiht und damit tabu ist. Eine «Apotheose des Fleisches» habe Murnau geschaffen, schrieb Lotte H. Eisner, eine Rückkehr in das Paradies einer unberührten Natur, das allerdings im Laufe der Handlung verloren geht: Murnaus märchenhaftes Paar wird zwischen den Geboten der Tradition und den Verführungen der westlichen Zivilisation zerrieben. (mb) 86 Min / sw / DCP / Stummfilm m. Musik, engl. + d. Zw’titel // REGIE Friedrich Wilhelm Murnau // DREHBUCH Friedrich Wilhelm Murnau, Robert J. Flaherty // KAMERA Floyd Crosby, Robert J. Flaherty // MUSIK Hugo Riesenfeld // MIT Reri (= Anne Chevalier) (das Mädchen), Matahi (der Jüngling), Hitu (der alte Häuptling), Jean (= William Bambridge) (der Polizist), Jules (der Kapitän), Kong Ah (der Chinese).

Robert Armstrong (Martin Trowbridge), Noble Johnson (Iwan, russischer Diener), Steve Clemente (Tartare), William B. Davidson (Captain), Oscar «Dutch» Hendrian (Narben­ gesicht), Hale Hamilton (Bill Woodman).

ISLAND OF LOST SOULS USA 1933 «Ein Wissenschaftler nimmt auf einer einsamen Pazifikinsel Kreuzungen zwischen Mensch und Tier vor. Aus einer Pantherfrau und einem gestrandeten amerikanischen Schiffbrüchigen will er seinen lange ersehnten ‹Übermenschen› erschaffen.» (Christian Hellmann: Der Science-Fiction-Film) H. G. Wells fand diese Pre-Code-Verfilmung seines Science-Fiction-Romans «The Island of Dr. Moreau» vulgär, vermutlich wegen der gewagten Sodomie-Andeutungen. Als Gruselstück wie auch als Parabel über Kolonialismus überzeugt Kentons Film jedoch nach wie vor. Die traurige Litanei der Mischwesen – «Are we not men?» – wurde zum geflügelten Wort. (mb) 70 Min / sw / Digital HD / E/e // REGIE Erle C. Kenton // DREHBUCH Waldemar Young, Philip Wylie, nach einem Roman von H. G. Wells // KAMERA Karl Struss // MUSIK Arthur Johnston, Sigmund Krumgold // MIT Charles Laughton (Dr. Moreau), Richard Arlen (Edward Parker), Leila Hyams (Ruth Thomas), Kathleen Burke (Lota), Arthur Hohl (Montgomery), Stanley

THE MOST DANGEROUS GAME

Fields (Captain Davies), Paul Hurst (Captain Donahue), Hans Steinke (Ouran).

USA 1932 Der irre Graf Zaroff macht seine Insel zum Revier für die Jagd auf das «gefährlichste Wild»: den Menschen. Doch die Schiffbrüchigen Robert und Eve lassen sich nicht so einfach zur Strecke bringen. Im Dekor des noch unfertigen King Kong liessen dessen Produzenten ihren blonden Star Fay Wray ein erstes Mal kreischen. Irving Pichels Inszenierung der Geschichte von Richard Connell ist den vielen Remakes überlegen. «Besonders eindrucksvoll ist der gemessene Übergang von Worten zu Taten mit der langen, grimmigen, schön choreografierten Jagdsequenz, bei der die menschliche Beute ironischerweise siegt, indem sie ihre ganze tierische Schläue aufbietet.» (Tom Milne, Time Out Film Guide) 63 Min / sw / 16 mm / E/f // REGIE Ernest Beaumont Schoedsack, Irving Pichel (Dialogregie) // DREHBUCH James ­Ashmore Creelman, nach der Kurzgeschichte von Richard Connell // KAMERA Henry Gerrard // MUSIK Max Steiner // SCHNITT Archie Marshek // MIT Joel McCrea (Robert Rains-

THE EDGE OF THE WORLD GB 1937 Die Bewohner einer schottischen Insel stehen vor der Wahl: auswandern oder zugrundegehen. Ein mörderisches Wettklettern soll darüber entscheiden. Frei nach der wahren Geschichte der Evakuation der Hebriden-Insel St. Kilda drehte Michael Powell in fünf Monaten auf der Shetland-Insel Foula sein vielschichtiges Drama um den Niedergang einer Inselzivilisation. «Weit entfernt von schläfriger Homogenität, erinnert dieser alles andere als geglättete oder dezent orchestrierte Film an Flaherty und Ford, um im selben Augenblick das Dokumentarische ins Fantastische zu wenden und in ein Kino hinüberzugleiten, dessen Schicksalszeichen und Todesomen ganz nahe am Zwielicht der Träume und Legenden angesiedelt sind.» (Harry Tomi­cek, Österreich. Filmmuseum Wien)


> The Edge of the World.

> I Walked with a Zombie.

> The Most Dangerous Game.

> Die nackte Insel.

> Robinson Crusoe.

> Island of Lost Souls.


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Inselfilme. 80 Min / sw / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE Michael

90 Min / Farbe / 35 mm / E // REGIE Luis Buñuel // DREHBUCH

­Powell // KAMERA Ernest Palmer, Skeets Kelly, Monty

Phillip Ansel Roll, Luis Buñuel, nach dem Roman von Daniel

Berman // MUSIK Cyril Ray // SCHNITT Derek Twist // MIT

Defoe // KAMERA Alex Phillips // MUSIK Anthony Collins,

Finlay Currie (James Gray), Niall MacGinnis (Andrew Gray),

Luis Hernández Bretón // SCHNITT Carlos Savage, Alberto

Grant Sutherland (Katechet), Campbell Robson (Gutsherr),

Valenzuela // MIT Dan O’Herlihy (Robinson Crusoe), Jaime

George Summers (Kapitän), John Laurie (Peter Manson),

Fernández (Freitag), Felipe de Alba (Captain Oberzo), José

Belle Chrystall (Ruth Manson), Eric Berry (Robbie Manson).

Chávez (Seeräuber), Emilio Garibay (Seeräuber).

I WALKED WITH A ZOMBIE

DIE NACKTE INSEL (Hadaka no shima)

USA 1943

Japan 1960

Eine kanadische Krankenschwester gerät auf den Westindischen Inseln in Ausübung ihres Berufes mit dem Voodoo-Kult in Berührung und erkennt, dass ihr Pflegling ein Opfer dieses Rituals ist. Dieser zeitlose, subtile Zombieklassiker ist «eine fantasievolle Aktualisierung von Charlotte Brontës ‹Jane Eyre›. Das Drehbuch webt ein feines, kompliziertes Netz aus einheimischem Aberglauben um eine Kette von indirekten Hinweisen auf die Bedingtheit von Gut und Böse und zaubert eine vieldeutig beunruhigende Atmosphäre herbei. Aber es ist Tourneurs zärtliche, anspielungsreiche Regie, welche die unheimliche Reise der Angst mit Voodoo-Trommeln, schimmerndem Mondlicht, schlafwandelnden Damen in wehendem Weiss und düsteren, stillschweigenden, untoten Wachen zu schierer Magie macht.» (Tom Milne, Time Out Film Guide)

Noch «einen reinen Film ohne Zugeständnisse an den Kommerz» wollte Kaneto Shindo machen, als seine Produktionsgesellschaft zu scheitern drohte. Die nackte Insel wurde mit kleinstem Budget über mehrere Monate gedreht, ohne Dialog, in Schwarzweiss und überwiegend mit Laiendarstellern. Die minimalistische Geschichte eines Bauernpaars, das mit seinen zwei kleinen Söhnen auf einer felsigen Insel mit primitivsten Mitteln Ackerbau zu betreiben versucht, wurde überraschend zum Erfolg, vermutlich auch, weil sie vieldeutig interpretierbar ist: Der politisch links stehende Shindo hat eine bildstarke Hommage an das harte, aber ehrliche Arbeiterleben geschaffen; man kann den Film aber auch als Parabel über die historische Entwicklung Japans im 20. Jahrhundert lesen. (mb)

69 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Jacques Tourneur // DREH-

­REGIE Kaneto Shindo // KAMERA Kiyomi Kuroda // MUSIK

94 Min / sw / Digital HD / ohne Dialog // DREHBUCH UND BUCH Curt Siodmak, Ardel Wray, nach einer Erzählung von

­Hikaru Hayashi // SCHNITT Toshio Enoki // MIT Nobuko

Inez Wallace // KAMERA J. Roy Hunt // MUSIK Roy Webb //

Otowa (Toyo, die Mutter), Taiji Tonoyama (Senta, der Vater),

SCHNITT Mark Robson // MIT James Ellison (Wesley Rand),

Shinji Tanaka (Taro, der ältere Sohn), Masanori Horimoto

Frances Dee (Betsy Connell), Tom Conway (Paul Holland),

(Jiro, der jüngere Sohn).

Christine Gordon (Jessica Holland), Edith Barrett (Mrs. Rand), James Bell (Dr. Maxwell), Theresa Harris (Alma), Sir Lancelot (Calypso-Sänger), Darby Jones (Carrefour)

MUTINY ON THE BOUNTY USA 1961

ROBINSON CRUSOE Mexiko/USA 1954 «Die Abenteuer des englischen Schiffbrüchigen auf einer einsamen Insel nach dem populären Roman von Daniel Defoe, inszeniert von Luis Buñuel während seiner produktiven mexikanischen Schaffensphase. Buñuel lieferte einen geradlinigen, handwerklich anspruchsvollen Abenteuerfilm, der ohne Pathos und weltanschauliche Phrasen auskommt. Nur in Crusoes Fieberträumen folgt Buñuel seinem surrealistischen Erbe. Ansonsten gilt sein besonderes Augenmerk der Frage, inwieweit die sogenannte Zivilisation dem Menschen nützlich, zuträglich oder entbehrlich ist: ein Motiv, das sich als roter Faden durchs Gesamtwerk des Regisseurs zieht.» (Lexikon des int. Films)

1787 segelt die «HMS Bounty» nach Tahiti, um Brotfruchtbäume nach Jamaika zu transportieren. Kapitän William Bligh, ein Karriereoffizier, versteht sich schlecht mit dem aristokratischdünkelhaften Ersten Offizier Fletcher Christian. Zweifelhafte Befehle Blighs sorgen für Unmut bei der Mannschaft, und ein erzwungener längerer Aufenthalt auf Tahiti weicht die Disziplin der Seeleute weiter auf. Als Bligh auf der Rückfahrt erneut despotisch agiert, kommt es unter Christians Kommando zur Meuterei. Brando als geckenhafter Christian und Howard als unerbittlicher Bligh sind in dieser ersten farbigen, von Produktionsproblemen geplagten «Bounty»-Adaptation perfekte Gegenspieler. Brando bestand darauf, das schwierige Nachleben der Meuterer auf der Insel Pitcairn zu zeigen, das im Kontrast zur Idylle auf Tahiti steht. (mb)


> Battle Royale.

> Lucía y el sexo.

> Il postino.

> Padre padrone.

> Prospero’s Books.

> Goto, l’île d’amour.


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Inselfilme. 178 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Lewis Milestone //

93 Min / Farbe und sw / 35 mm / F // REGIE Walerian

DREHBUCH Charles Lederer, Eric Ambler u. a., nach dem Ro-

­Borowczyk // DREHBUCH Walerian Borowczyk, Dominique

man von Charles Nordhoff, James Norman Hall // KAMERA

Duvergé // KAMERA Guy Durban // MUSIK Georg Friedrich

Robert Surtees // MUSIK Bronislau Kaper // SCHNITT John

Händel // MIT Pierre Brasseur (Goto), Ligia Branice (Glossia),

McSweeney jr. // MIT Marlon Brando (Fletcher Christian),

Jean-­Pierre Andréani (Gono), Guy Saint-Jean (Grozo), Ginette

Trevor Howard (Kapitän Bligh), Richard Harris (John Mills),

Leclerc (Gonasta), Fernand Bercher (Professor).

Hugh Griffith (Alexander Smith).

LORD OF THE FLIES

QUEIMADA Italien 1969

GB 1963 Mit Crowdfunding, Laiendarstellern und einer Art Reality-TV-Ansatz verfilmte Peter Brook 1963 auf einer Insel bei Puerto Rico William Goldings darwinistische Allegorie über den schnellen Zerfall der Zivilisation anhand einer Gruppe von schiffbrüchigen britischen Jugendlichen. Bei Brook setzen die Jungs die brutalen Hierarchien, die ihnen an der «public school» eingebläut wurden, in brachiale Unterdrückung um. «Das Buch ist eine schöne Fabel – so schön, dass es als Kunststück eines packenden poetischen Stils abgetan werden kann. Im Film kann niemand die Blicke und Gesten inszenatorischen Tricks zuschreiben. Die gewalttätigen Gebärden, die gierigen Blicke und die Gesichter der Erfahrung sind alle echt.» (Peter Brook: The Shifting Point, 1987) 90 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Peter Brook // DREHBUCH Peter Brook, nach dem Roman von William Golding //

«Gillo Pontecorvos schwelgerisches, ekstatisches Epos über einen Sklavenaufstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf einer fiktiven spanischsprachigen Karibikinsel wird vom neomarxistischen Standpunkt eines Frantz Fanon aus erzählt. Es ist ein Versuch, in einen Mantel-und-Degen-Film politischen Zündstoff zu stecken, ein populäres Kostümabenteuer-Genre zu verwenden, um schwarze revolutionäre Leidenschaften zu entfachen. Marlon Brando spielt einen britischen Agent Provocateur, der die Revolte anzettelt und sie dann zynisch erstickt; er verkörpert koloniale Manipulations­ politik ebenso wie, implizit, die amerikanische Einmischung in Vietnam.» (Pauline Kael, The New Yorker, 7.11.1970) Auf Druck von Francos Regime wurden die Spanier im Film zu Portugiesen umgeschrieben, und United Artists liess den Film um zwanzig Minuten kürzen. Was bleibt, fasziniert dennoch, Brandos bravouröser Leistung und Morricones aufwühlendem Soundtrack sei Dank.

KAMERA Tom Hollyman // MUSIK Raymond Leppard // SCHNITT Peter Brook, Gerald Feil, Jean-Claude Lubtchansky

112 Min / Farbe / 35 mm / E // REGIE Gillo Pontecorvo //

// MIT James Aubrey (Ralph), Tom Chapin (Jack), Hugh

DREHBUCH Franco Solinas, Giorgio Arlorio // KAMERA

­Edwards (Piggy), Roger Elwin (Roger), Tom Gaman (Simon).

­Giuseppe Ruzzolini, Marcello Gatti // MUSIK Ennio Morricone // SCHNITT Mario Morra // MIT Marlon Brando (Sir William

GOTO, L’ÎLE D’AMOUR Frankreich 1969 «Glossia (Ligia Branice), die schöne Frau des schwachen Herrschers Goto III. (Pierre Brasseur), wird der Untreue überführt durch seinen Ober-Fliegenfänger Grozo. Doch Grozos eigene Vernarrtheit in Glossia führt zu einer Tragödie. Borowczyks hoch stilisierte Inszenierung mit bewusst verflachten Bildern und Gegenständen, die so beseelt und bedeutsam dargestellt werden wie Menschen, wird bestens ergänzt vom gebieterischen Brasseur und der aussergewöhnlichen Schönheit von Branice. Die plötzlich aufblitzende Farbe in einem sehr monochromen Kontext und der überwältigende Einsatz eines Orgelkonzerts von Händel festigen den Eindruck eines wahren Kunst-Films, insofern als alles komponiert und gestaltet ist, um eine völlig imaginäre – und doch greifbare – Welt zu erschaffen.» (David Thompson, Time Out Film Guide)

Walker), Evaristo Márquez (José Dolores), Renato Salvatori (Teddy Sanchez), Norman Hill (Shelton), Tom Lyons (General Prada), Dana Ghia (Mrs. Walker).

THE WICKER MAN GB 1973 Der prüde christliche Polizist Howie muss auf einer schottischen Insel das Verschwinden einer jungen Frau untersuchen. Er stösst auf eine Glaubensgemeinschaft, die einem urtümlichen keltischen Pantheismus und der freien Liebe huldigt. Der Sektenführer, Lord Summerisle, empfängt Howie freundlich, aber allmählich begreift der Beamte, dass er in eine üble Falle getappt ist. Vom Verleih verstümmelt und faktisch versteckt, wurde The Wicker Man dennoch zum Kulterfolg und gilt als bester britischer Horrorfilm. Christopher Lee brilliert als charismatischer Sektierer; Edward Woodward gibt den verklemmten Cop, den die nackt tanzende und singende Britt Ek-


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Inselfilme. land um den Verstand bringt. Das Drehbuch zu diesem Verwirrspiel um gegensätzliche Glaubenssysteme schrieb Anthony Shaffer (Sleuth). Vom Regisseur autorisierte restaurierte Fassung. (mb) 88 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Robin Hardy // DREHBUCH Anthony Shaffer // KAMERA Harry Waxman // MUSIK Paul Giovanni // SCHNITT Eric Boyd-Perkins // MIT Edward Wood-

«Die meisten Kritiken dieses Films liegen falsch; das ist keine Erzählung, es muss keinen Sinn ergeben, und es ist auch nicht ‹zu schwierig›, weil es nicht weniger schwierig hätte sein können. Es ist schlicht ein originäres Kunstwerk, das Greenaway uns bittet, zu seinen Bedingungen anzunehmen oder abzulehnen.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 27.11.1991)

ward (Sergeant Howie), Christopher Lee (Lord Summerisle), Diane Cilento (Miss Rose), Britt Ekland (Willow), Ingrid Pitt

120 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Peter Greenaway //

(Bibliothekarin), Lindsay Kemp (Alder MacGreagor).

DREHBUCH Peter Greenaway, nach dem Bühnenstück «The Tempest» von William Shakespeare // KAMERA Sacha Vierny

PADRE PADRONE Italien 1977

// MUSIK Michael Nyman // SCHNITT Marina Bodbyl // MIT John Gielgud (Prospero), Michael Clark (Caliban), Michel Blanc (Alonso), Erland Josephson (Gonzalo), Isabelle Pasco (Miranda), Tom Bell (Antonio), Kenneth Cranham (Sebastian),

Von seinem Vater zu einer primitiven Existenz als Hirtenjunge gezwungen, wächst der kleine Gavino im animistischen Hinterland Sardiniens als Analphabet auf, wie ein Tier unter Tieren. Erst als junger Erwachsener lernt Gavino die Aussenwelt kennen, begreift angesichts von Musik und Literatur seine eigene Unwissenheit und beschliesst diese – und seinen tyrannischen Vater – zu überwinden. Ursprünglich fürs Fernsehen gedreht, errang diese Adaptation von Gavino Leddas Autobiografie 1977 in Cannes die Palme d’or. «Die Brüder Taviani haben gelernt, politisches und künstlerisches Engagement zu stilisierter Leidenschaft zu verschmelzen. Ihr Film Padre padrone hat die Schönheit von Zorn, der kanalisiert und diszipliniert worden ist, ohne seine Intensität einzubüssen.» (Pauline Kael, The New Yorker, 3.10.1977) 117 Min / Farbe / 35 mm / I/d // REGIE Paolo und Vittorio ­Taviani // DREHBUCH Paolo und Vittorio Taviani, nach dem Roman von Gavino Ledda // KAMERA Mario Masini // MUSIK Egisto Macchi // SCHNITT Roberto Perpignani // MIT Omero Antonutti (Gavinos Vater), Saverio Marconi (Gavino), Marcella Michelangeli (Gavinos Mutter), Fabrizio Forte (Gavino

Mark Rylance (Ferdinand), Gérard Thoolen (Adrian), Pierre Bokma (Francisco), Jim Van Der Woude (Trinculo), Michiel Romeyn (Stephano).

IL POSTINO Italien 1994 «È una metafora» ist neben «Voglio una donna!» wohl eines der bekanntesten italienischen Filmzitate. Es stammt allerdings aus dem Film eines Briten, Michael Radford, der eine chilenische Geschichte nach Italien verlegt hat. Antonio Skármeta hatte seinen Roman «Ardiente paciencia» über die Freundschaft eines einfachen Postboten mit dem auf einer Insel im Exil lebenden Dichter Pablo Neruda bereits selber verfilmt. Doch erst die Kombination des grossartigen Massimo Troisi, der in diesem Remake ganz eigentlich um sein Leben spielte, mit dem grummeligen Charme Philippe Noirets und der Sinnlichkeit von Maria Grazia Cucinotta als Objekt der unbeholfen poetischen Liebe des Postboten machte den Stoff zum Oscar-gekrönten Kinohit. (mb)

als Kind), Marino Cenna (junger Hirte), Stanko Molnar (Sebastiano), Nanni Moretti (Cesare), Gavino Ledda.

108 Min / Farbe / 35 mm / I/d/f // REGIE Michael Radford // DREHBUCH Pablo Neruda, Anna Pavignano, Michael Radford,

PROSPERO’S BOOKS GB/Frankreich/Niederlande/Italien 1991

nach einem Roman von Antonio Skármeta // KAMERA Franco Di Giacomo // MUSIK Luis Enríquez Bacalov // SCHNITT ­Roberto Perpignani // MIT Philippe Noiret (Pablo Neruda), Massimo Troisi (Mario Ruoppolo), Maria Grazia Cucinotta

«My library was dukedom large enough», spricht Shakespeares Prospero, und die Bibliothek ist denn auch in Greenaways Verfilmung von «The Tempest» die Insel auf der Insel des Exils. Der Cineast lässt den gesamten Stoff der Fantasie des rachsüchtigen Magiers entspringen und den grossen John Gielgud alle Rollen sprechen. Der Schauspieler wird zum Dichter, der Zauberer zum Filmemacher – und umgekehrt. Prospero’s Books ist ein wahrer Bildrausch mit allen möglichen Kombinationen von digitalen Tricks und handgefertigter Kalligraphie. (mb)

(Beatrice Russo), Renato Scarpa (Postbeamter), Linda Moretti (Donna Rosa), Mariano Rigillo (Di Cosimo), Anna Bonaiuto (Matilde), Bruno Alessandro (Stimme von Pablo Neruda).

BATTLE ROYALE (Batoru Rowaiaru) Japan 2000 In naher Zukunft ist Japan von der Krise gebeutelt und die Jugend lehnt sich auf. Als abschreckendes Exempel lässt die Regierung jedes Jahr eine


Inselfilme. Mittelschulklasse auf einer Insel aussetzen und zwingt die Kids, sich im Rahmen eines «Battle Royale» gegenseitig umzubringen. Altmeister Kinji Fukasaku verfilmt den Kultroman von Koushun Takami als rabiate Antwort auf Lord of the Flies, indem er einige der Jugendlichen gegen die Anstiftung zur Gewalt des repressiven Systems rebellieren lässt. Takeshi Kitano gibt den zynischen Spielleiter in dieser bösen Satire über den Staat, der auf Gewalt mit Gegengewalt reagiert. Vorsicht: Das ist nichts für Zartbesaitete; The Hunger Games wirkt dagegen wie ein Kindergeburtstag. (mb) 113 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Kinji Fukasaku // DREHBUCH Kenta Fukasaku, nach dem Roman von ­Koushun Takami // KAMERA Katsumi Yanagijima // MUSIK Masamichi Amano // SCHNITT Hirohide Abe // MIT Tatsuya Fujiwara (Shuya Nanahara), Aki Maeda (Noriko Nakagawa), Taro Yamamoto (Shogo Kawada), Takeshi Kitano (Lehrer ­Kitano), Chiaki Kuriyama (Takako Chigusa), Sosuke Takaoka (Hiroki Sugimura).

LUCÍA Y EL SEXO Spanien 2001 Lucía verliebt sich in den Schriftsteller Lorenzo und beginnt mit ihm eine leidenschaftliche Beziehung. Doch als er an seinem zweiten Roman verzweifelt, in dem er persönliche Erlebnisse verarbeitet, leidet auch die Liebe. Eines Tages erfährt Lucía, dass Lorenzo Opfer eines Autounfalls geworden ist. Sie flieht auf die Insel Formentera, wo ihr Liebster einst eine schicksalshafte erotische Begegnung hatte, und stösst dort auf Personen aus Lorenzos Vergangenheit – oder sind es seine Romanfiguren? «Julio Medem erzaubert Drehbücher, die ein feuchtes Gewirr sind, so nass und verschlungen wie ein Hauptvoll sommerliches Haar. Das gerüttelt Mass an Nacktheit und verschwitzten Umklammerungen im Film erklärt, wieso ‹Sex› im Titel steht, denn er tritt fast schon als Ko-Star auf. Doch die Affinität des Regisseurs zum Sinnlichen und Schwelgerischen, wiewohl oft oberflächlich, ist derart berauschend, dass unser Interesse genügend erregt wird, um ihm zu folgen.» (Elvis Mitchell, The New York Times, 12.7.2002) 128 Min / Farbe / 35 mm / Sp/d/f // DREHBUCH UND REGIE Julio Medem // KAMERA Kiko de la Rica // MUSIK Alberto ­Iglesias // SCHNITT Ivan Aledo // MIT Paz Vega (Lucía), ­Tristán Ulloa (Lorenzo), Najwa Nimri (Elena), Elena Anaya (Belén), Daniel Freire (Carlos), Javier Cámara (Pepe), Silvia Llanos (Luna).

Noch mehr Inseln Neben den 17 Inselfilmen, die das Filmpodium zeigt, gibt es freilich noch viele andere, die sehenswert wären und die Sie bei einer guten Videothek wie Les Videos (www.les-videos.ch) finden sollten: Treasure Island (Byron Haskin, USA 1950): Zwar ein Disney-Film, aber die wohl beste Adaptation dieses Stoffs. Heaven Knows, Mr. Allison (John Huston, USA 1957): Robert Mitchum als gestrandeter Soldat und Deborah Kerr als einsame Nonne – ein klassisches «odd couple». Birdman of Alcatraz (John Frankenheimer, USA 1962): Burt Lancaster als auf Alcatraz ein­ gesperrter Mörder entwickelt Herz und Sinn für Vögel. Hell in the Pacific (John Boorman, USA 1968): Im Zweiten Weltkrieg, abseits ihrer Armeen, raufen sich Toshiro Mifune und Lee Marvin buchstäblich zusammen. Kamigami no fukaki yokubo (Profound Desires of the Gods) (Shohei Imamura, Japan 1968): Imamura konfrontiert auf einer Insel Inzest und Schamanismus mit dem Einzug der Moderne. Papillon (Franklin J. Schaffner, USA 1973): Steve McQueen ist als Charrière zu schön und Dustin Hoffmans Figur erfunden. Dennoch der wohl beste Teufelsinsel-Film. Castaway (Nicolas Roeg, Irland 1986): Anti-Robinsonade nach Tatsachen; Oliver Reed wird mit der schönen Amanda Donohoe auf der Tropeninsel nicht glücklich. Gulliver’s Travels (Charles Sturridge, USA 1996): Überdurchschnittlicher TV-Zweiteiler, erstaunlich buchgetreu, mit Stars und starken Spezialeffekten. The Thin Red Line (Terrence Malick, USA 1998): Der Pazifikkrieg mutiert bei Malick zum mystischen Naturerlebnis. Seom – The Isle (Kim Ki-duk, Südkorea 2000): Angel­ urlauber auf schwimmender Insel verstrickt sich in sadomasochistische Beziehung. Hart, aber faszinierend. Woswraschtschenije – The Return (Andrej Swjaginzew, Russland 2003): Zwei Jungen begegnen erstmals ihrem Vater, der sie auf eine Insel schleppt, mit fatalen Folgen. Of Horses and Men (Benedikt Erlingsson, Island 2013): Kuriose Beziehungen zwischen Herr und Huftier in Island – demnächst im Kino.

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15 Pre-Code Hollywood

Let’s Misbehave Ein offener Umgang mit Sexualität und mit gern verdrängten gesellschaftlichen Realitäten, ein grossstädtischer Rhythmus und scharfe Dialoge prägen die Filme von Pre-Code Hollywood. Lange aus zensorischen Gründen weggesperrt, erleben sie heute ihre Wiederentdeckung. Die frühe Tonfilmzeit stellt in der Geschichte Hollywoods eine Periode aussergewöhnlicher Freiheit und Offenheit gegenüber gesellschaftlichen Wirklichkeiten dar. Im Juli 1934 brach mit der Durchsetzung des Motion Picture Production Code oder Hays Code diese Epoche jäh ab. Obwohl der Code offiziell bereits 1930 eingeführt wurde, blieben seine Vorgaben von den Studios grösstenteils unbeachtet. Viele Filme standen diesen Vorgaben geradezu diametral gegenüber und kreisten um Sexualität und freiere Beziehungsformen, Prohibition und Verbrechen, grossstädtische Lebenswelten mit Showbühnen und sogenannten Gold Diggers. Die Pre-Code-Filme erzählten in einem frechen, respektlosen und ungeschönten Ton vom Alltag in Amerika, geprägt von Depression, Hoffnungslosigkeit und Kriminalität, von Alkoholkonsum, emanzipierten Frauen und Überlebenskünstlern. Den Rhythmus der Grossstadt nahmen sie in dynamischen Montagen, schnoddrigen Dialogen, überstürzten Handlungen und elliptischen Erzählweisen auf. Der Hays Code entstand ursprünglich als eine freiwillige Selbstbeschränkung der Studios, um drohenden Boykotten und staatlicher Zensur zu entgehen. Um dem schlechten Ruf Hollywoods, das in den zwanziger Jahren als «Sündenbabel» bekannt war, etwas entgegenzusetzen, gründeten sie 1922 die MPPDA (Motion Picture Producers and Distributors of America) und setzten mit Will Hays einen Vorsitzenden ein, der beste Kontakte zur Politik hatte. Die Gefahr einer staatlichen Zensur war damit fürs Erste gebannt und die Verantwortung an die Studios übertragen. Die Prinzipien des Codes postulierten einen «einwandfreien» Lebensstil, in dem Verbrechen bestraft, Autoritäten nicht der Lächerlichkeit preisgegeben werden und Sexualität, Drogen- und Alkoholkonsum erst gar nicht vorkommen dürfen. Ein durch den New Deal verändertes gesellschaftliches Klima sowie Boykottdrohungen der 1933 gegründeten und schnell sehr einflussreich werdenden Catholic League of Decency führten dazu, dass der Code ab dem 1. Juli 1934 offiziell durchgesetzt und erst 1967 wieder ganz abgeschafft wurde.

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Vom Tankstellenräuber zum Gangsterboss: Edward G. Robinson in Little Caesar

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Knisternde Erotik auf der Kautschukplantage: Clark Gable und Jean Harlow in Red Dust


16 Die Implementierung des Codes markiert den endgültigen Abschied von den Roaring Twenties, einer Ära der Dynamik im gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich. Die Wirtschaft boomte, Frauen war eine vorher unerhörte Freiheit möglich, neue Technologien setzten sich im Alltag durch. Der Börsencrash von 1929 und die daraufhin einsetzende Depression setzten dieser Zeit ein abruptes Ende. Die späten zwanziger und frühen dreissiger Jahre waren eine Zeit der tiefen Verunsicherung, in der die amerikanische Verheissung des Selfmademan keine Gültigkeit mehr hatte. Zynismus und Misstrauen gegenüber Justiz und Staatsvertretern waren die Folge. Männer – und neue Frauen Zu den zentralen Pre-Code-Genres gehört der Gangsterfilm, dessen Blütezeit zwischen 1930 und 1932 lag. Dreh- und Angelpunkt dieser Filme war die Prohibition, die 1919 in Kraft trat und erst 1933 abgeschafft wurde. Der damit verbundene Alkoholschmuggel spielte eine wichtige Rolle, Schmuggler und Bootlegger wurden durch die Filme zu etablierten filmischen Stereotypen. In diesen Filmen wurden Erfolgsgeschichten von Männern erzählt, die sich trotz widriger Umstände mit List und Durchsetzungsvermögen aus der Armut befreien konnten und zu Geld, Ruhm und Macht kamen. Für Frauenfiguren war die Pre-Code-Zeit ein goldenes Zeitalter. Sie befreiten sich von gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen, waren selbstbestimmt und selbstbewusst, zogen in die grossen Städte, um dort als Sekretärin, Krankenschwester, Telefonistin, Reporterin oder Chorusgirl zu arbeiten. Es war ihnen erlaubt, ihre Sexualität frei und selbstverständlich auszuleben – ohne dafür bestraft zu werden. Während das amerikanische Kino von 1934 bis in die fünfziger Jahre hinein als klassisches Hollywood kanonisiert wurde, blieb das Pre-Code-Kino weitgehend unbeachtet. Die meisten Pre-Code-Filme verschwanden für Jahrzehnte im Schrank und durften weder wiederaufgeführt noch im Fernsehen gezeigt werden. So sind nicht nur diese Filme neu zu entdecken, sondern auch viele der damals wichtigen Schauspielerinnen und Schauspieler. Annette Lingg

Annette Lingg ist Programmmacherin im Kino Arsenal, Berlin, und für das Forum der Berlinale tätig. Die mit (al) gekennzeichneten Kurztexte stammen ebenfalls von Annette Lingg. Das Pre-Code-Programm wurde vom Kino Arsenal, Berlin, mit Unterstützung des Hauptstadtkulturfonds (www.hauptstadtkulturfonds.berlin.de) kuratiert und recherchiert; dort läuft die dreissig Filme umfassende Reihe noch bis Ende Juli. Da nur zu sehr wenigen der Filme deutsche Untertitel existieren, hat das Kino Arsenal auch mehrere Untertitelungen anfertigen lassen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Berliner Kollegen, dass wir von dieser grossen Vorarbeit profitieren dürfen!


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Pre-Code Hollywood.

LITTLE CAESAR

JEWEL ROBBERY

USA 1931

USA 1932

Der Aufstieg eines Gangsters vom kleinen Tankstellenräuber in der Provinz zum König der Unterwelt. «Das erste grosse Werk des amerikanischen Gangsterfilmkinos der dreissiger Jahre. Die herausragende Gestaltung der Titelrolle, der wache Blick für soziale Hintergründe und der temporeiche, sachlich-knappe Inszenierungsstil machten den Film zum Prototyp eines Genres, in dem die gesellschaftlichen Umbrüche zur Zeit der Weltwirtschaftskrise beispielhaft zum Ausdruck kommen: Wo Politik und Verwaltung versagen, wird der Gesetzlose zum Antihelden, dessen Selbsthilfemassnahmen wie eine doppelbödige Umkehrung unternehmerischer Ideale erscheinen.» (Lexikon des int. Films)

Wien um die Jahrhundertwende. Teri ist die verwöhnte Ehefrau eines alten Barons, die der Langeweile nur entfliehen kann, indem sie sich junge Liebhaber nimmt. Bei einem Juwelier wird sie Zeugin eines Überfalls. Der elegante Dieb, der den Überfall mit der grösstmöglichen Finesse absolviert und zur Beruhigung als «funny cigarettes» bezeichnete Joints verteilt, findet Gefallen nicht nur an Teris Juwelen, sondern auch an ihr, die sich den Flirt gerne gefallen lässt. Die vor Geist und Witz sprühende Komödie des deutschen Emigranten Dieterle hat nicht nur eine absurde – und absurd lustige – Handlung, sondern zeigt auch die Glorifizierung eines Kriminellen und einer ausserehelichen Affäre sowie die Veräppelung von Polizisten, was es nur vor dem Code geben konnte. (al)

80 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Mervyn LeRoy // DREHBUCH Robert N. Lee, Francis Edward Faragoh, Darryl F.

68 Min / sw / 35 mm / E // REGIE William Dieterle // DREH-

Zanuck, Robert Lord, nach einem Roman von William Richard

BUCH Erwin Gelsey, nach dem Theaterstück von Ladislaus

Burnett // KAMERA Tony Gaudio // MUSIK Erno Rapee //

Fodor // KAMERA Robert Kurrle // MUSIK Leo F. Forbstein //

SCHNITT Ray Curtiss // MIT Edward G. Robinson (Rico),

SCHNITT Ralph Dawson // MIT William Powell (Bandenchef),

­Douglas Fairbanks jr. (Joe Massara), Ralph Ince (Diamond

Kay Francis (Baroness Teri), Hardie Albright (Paul), Alan

Pete Montana), Glenda Farrell (Olga Strassoff).

Mowbray (Detektiv Fritz), André Luguet (Rodolphe).

NIGHT NURSE USA 1931

TROUBLE IN PARADISE USA 1932

Ein Plot, der in nur 70 Minuten Kindesmissbrauch, versuchten Mord, Bootlegging und Drogensucht unterbringt – zudem, ganz Pre-Code, jede Menge Szenen, in denen man den Krankenschwestern beim An- und Ausziehen ihrer Uniformen zusieht. Barbara Stanwyck ist Lora Hart, eine junge Krankenschwester, deren erster Job sie zu einem Privathaushalt mit zwei kleinen kranken Kindern führt. Dort kommt sie einem verschwörerischen Plan auf die Schliche: Der Chauffeur Nick plant, die Kinder zu töten, um an ihr Erbe zu gelangen. Da sie vom behandelnden Arzt keine Hilfe bekommt, nimmt Lora mit Hilfe eines Alkoholschmugglers die Sache selbst in die Hand. In atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt sich der mit frechen Dialogen und «street smartness» durchsetzte Film von der spritzigen Komödie zum zynischen Drama. (al)

Das beste Beispiel für den berühmten LubitschTouch und einer von Lubitschs Lieblingsfilmen. Eine Betrügerin und ein eleganter Hochstapler lernen sich in einem Luxushotel in Venedig kennen, wo sie sich gegenseitig erst um diverse ­Habseligkeiten erleichtern, bevor sie sich ganz einander hingeben. Nachdem sie sich in Paris niedergelassen haben, soll ihr nächstes Opfer eine reiche Witwe werden, die es ihnen jedoch nicht so leicht macht, wie es zuerst scheint. (al) «Das Paradies, das ist das Lubitschland der Komödie, in dem Witz, Leichtlebigkeit und Schick die erste Geige spielen. Trouble gibt es, weil ­Empfindungen, die schwerfälligen, den schönen Schein gefährden, was für Gefühlsgangster höchste Alarmstufe bedeutet.» (Frieda Grafe) 83 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Ernst Lubitsch // DREH-

72 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE William A. Wellman //

BUCH Samson Raphaelson, Grover Jones, nach einem Thea-

DREHBUCH Oliver H. P. Garrett, Charles Kenyon (Dialoge),

terstück von László Aladár // KAMERA Victor Milner // ­MUSIK

nach dem Roman von Grace Perkins (als Dora Macy) //

W. Franke Harling // MIT Miriam Hopkins (Lily Vautier),

­KAMERA Barney McGill // SCHNITT Edward M. McDermott //

Kay Francis (Madame Mariette Colet), Herbert Marshall

MIT Barbara Stanwyck (Lora Hart), Clark Gable (Nick),

(Gaston Monescu/La Valle), Charles Ruggles (der Major),

Ben Lyon (Mortie), Joan Blondell (Maloney), Blanche Friderici

­Edward Everett Horton (François Filiba), C. Aubrey Smith

(Mrs. Maxwell), Charlotte Merriam (Mrs. Ritchey).

(Adolph ­Giron), Robert Greig (Jacques, Mariettes Butler).


> Trouble in Paradise.

> Me and My Gal.

> Christopher Strong .

> Footlight Parade.


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Pre-Code Hollywood.

RED DUST

EMPLOYEES’ ENTRANCE

USA 1932

USA 1933

Dennis (Clark Gable) betreibt eine Kautschukplantage mitten im Dschungel in Indochina. Eines Tages taucht Vantine (Jean Harlow) auf, eine Prostituierte aus Saigon, die eine Weile untertauchen muss. Zwischen ihr und Dennis entspinnt sich gleich ein scharfzüngiger Schlagabtausch, der ohne grosse Umschweife in ein sexuelles Abenteuer mündet. Erst durch die Ankunft des neuen Ingenieurs Gary und seiner Frau Barbara, auf die Dennis ein Auge wirft, verkompliziert sich die Situation. (...) Red Dust war enorm erfolgreich und zeigte in der Beziehung zwischen Vantine und Dennis ein neues Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf. Wie selbstverständlich Kolonialismus in den dreissiger Jahren hingegen war, davon zeugt die offen rassistische Darstellung der Indigenen. (al)

Für Profit macht der Geschäftsführer eines New Yorker Warenhauses alles, Menschen benützt und entsorgt er ohne moralische Bedenken. Ein junges Mädchen auf Stellensuche, das er verführt hat, heiratet später heimlich einen seiner Verkäufer, und als die Beziehung seinen Plänen in die Quere kommt, versucht er ihre Liebe durch eine hinterhältige Intrige zu vergiften. «Die Hauptfigur ist eindeutig ein Schuft, und seine wohlverdiente Strafe soll ihn ereilen, doch gleichzeitig erlaubt uns der Film auch, seine amoralische Energie zu bewundern und darüber zu lachen, wie fies er sich bemüht. Del Ruth führt den schnell geschnittenen Stil vor, der Warners Markenzeichen war, und die Schauspieler sind grossartig. Perfekte Unterhaltung ohne Reue.» (Chris Dashiell, cinescene.com, 2002) 75 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Roy Del Ruth // DREHBUCH

83 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Victor Fleming // DREH-

Robert Presnell Sr., nach einem Stück von David Boehm //

BUCH John Lee Mahin, nach einem Theaterstück von Wilson

KAMERA Barney McGill // SCHNITT James Gibbon // MIT

Collison // KAMERA Harold Rosson // SCHNITT Blanche

Warren William (Kurt Anderson), Loretta Young (Madeline),

­Sewell // MIT Clark Gable (Dennis Carson), Jean Harlow

Wallace Ford (Martin West), Alice White (Polly), Hale Hamil-

(Vantine), Mary Astor (Barbara Willis), Gene Raymond

ton (Monroe), Albert Gran (Ross), Marjorie Gateson (Mrs.

(Gary Willis), Donald Crisp (Guidon), Tully Marshall

­Hickox), Frank Reicher (Garfinkle) Charles Sellon (Higgins).

(McQuarg), Forrester Harvey (Limey).

ME AND MY GAL

CHRISTOPHER STRONG USA 1933

USA 1932 Danny Dolan, ein junger Polizist, wird ins Hafenviertel versetzt. Hier verliebt er sich in Helen, eine Kellnerin. Helens Schwester Kate, eine Bankangestellte, erhält, kurz vor ihrer Hochzeit, Besuch von ihrem Exfreund, dem Gangster Duke Castenega. Obwohl dieser aus ihr nur geheime Informationen herausholen möchte, verfällt sie ihm wieder. Doch Danny kann Duke noch rechtzeitig verhaften ... «Mit unglaublicher Souveränität erreicht ­Walsh (...) einen plebejischen Lyrismus, eine Art funkelnden Schelmenroman, eine poetische Inspiration, die wahrhaftig zur Welt des Volkes, zur Arbeiterklasse passt.» (Betrand Tavernier/JeanPierre Coursodon: 50 ans de cinéma américain, Ed. Nathan, 1991)

«Katharine Hepburns erste Starrolle ist inspiriert von der Lebensgeschichte der englischen Pilotin Amy Johnson, die Anfang der dreissiger Jahre als erste Frau von London nach Australien flog. Cynthia Darrington, eine ehrgeizige und eigenwillige Pilotin, und Christopher Strong, ein bisher treuer Ehemann, verlieben sich ineinander. Für sie bedeutet diese Liebe einen zunehmenden Konflikt zwischen ihrem Wunsch, sich beruflich zu verwirklichen, und seiner Bitte an sie, das Fliegen aufzugeben. Auch verliert Cynthia die Freundschaft von Christophers Tochter Monica, sobald diese von der Liaison erfährt. Als Cynthia sich eingestehen muss, dass Christopher seine Familie für sie nie verlassen wird, entschliesst sie sich, ein letztes Wagnis einzugehen: den Höhenrekord zu brechen.» (Programmheft Filmpodium, Dez. 2001)

78 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Raoul Walsh // DREHBUCH

78 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Dorothy Arzner // DREH-

Arthur Kober, nach einer Story von Barry Conners, Philip

BUCH Zoe Akins, nach dem Roman von Gilbert Frankau //

Klein // KAMERA Arthur Miller // MUSIK George Lipschultz //

­KAMERA Bert Glennon // MUSIK Max Steiner // SCHNITT

SCHNITT Jack Murray // MIT Spencer Tracy (Danny Dolan),

­Arthur Roberts // MIT Katharine Hepburn (Cynthia),

Joan Bennett (Helen Riley), Marion Burns (Kate Riley),

Colin Clive (Christopher Strong), Billie Burke (Elaine),

George Walsh (Duke Castenega), J. Farrell MacDonald (Pop

Helen Chandler (Monica), Ralph Forbes (Harry Rawlinson),

Riley), Noel Madison (Baby Face), Bert Hanlon (Jake).

Jack La Rue (Carlo), Irene Browne (Carrie).


> I’m No Angel .

> Jewel Robbery.

> Gold Diggers of 1933.


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Pre-Code Hollywood. Geschichte «Mike» von Grace Perkins // KAMERA Karl

GOLD DIGGERS OF 1933

Struss // MUSIK Ralph Rainger // SCHNITT Eda Warren //

USA 1933

MIT Claudette Colbert (Sally Trent, alias Mimi Benton),

Die erste Tanznummer ist reines Wunschdenken: «We’re in the money», singt das Chorusgirl Ginger Rogers, bevor die Show ein jähes Ende nimmt. Der Schuldeneintreiber stoppt die Aufführung, noch bevor sie überhaupt begonnen hat: «The depression, dearie.» Im Mittelpunkt des vom Warner-Routinier Mervyn LeRoy und Choreografen Busby Berkeley inszenierten Musicals stehen drei Showgirls, die inmitten der Depression alles tun, um wieder einen Job zu finden. Rettung naht in Form des aufstrebenden Songwriters Brad. Im Gegensatz zu anderen Musicals, die ganz auf Eskapismus setzen, spricht Gold Diggers of 1933 die Zustände während der Depression offensiv an und untergräbt die opulenten Fantasienummern mit harter Realität. Die Schlussnummer «Remember My Forgotten Man» ist eine düstere Ode an das Schicksal der vergessenen und verarmten Veteranen des 1. Weltkrieges. (al)

«Mike» Gardner), Lyda Roberti (Dora Nichols), Charlie

97 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Mervyn LeRoy // DREHBUCH Erwin Gelsey, James Seymour, David Boehm, Ben Markson, nach dem Theaterstück «Gold Diggers of Broadway» von Avery Hopwood // KAMERA Sol Polito // MUSIK Harry Warren, Al Dubin // SCHNITT George Amy // MIT Aline MacMahon (Trixie Lorraine), Dick Powell (Brad Roberts/

­Ricardo Cortez (Tony Cummings), David Manners (Michael ­Grapewin (Andrew «Juddy» Judson).

WILD BOYS OF THE ROAD USA 1933 «Während der Depression verlassen zwei Teenager ihr Zuhause, um ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen – aber sie merken schnell, dass Arbeit überall schwer zu finden ist und bald bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu betteln. William A. Wellmans hartes Sozialdrama ist schonungslos in seiner Darstellung der Arbeitslosigkeit und Armut zur Depressionszeit. In dem er vergnügungslustige Teenager als Protagonisten wählt, zeigt er, wie sogar Kinder aus scheinbar gesicherten Mittelklassefamilien gezwungen waren, mitanzupacken und dabei die unbeschwerte Jugendzeit bald hinter sich lassen mussten. Die unbekannten Gesichter sind glaubwürdig und feurig, und (…) man kann nicht anders, als Empörung und Sympathie zu empfinden für die Protagonisten, die lediglich auf ehrliche Art ein unabhängiges Leben verdienen möchten.» (filmfanatic.org, 3.1.2008)

R.T. Bradford), Ginger Rogers (Fay), Warren William (J. Lawrence Bradford), Joan Blondell (Carol King), Ruby Keeler

68 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE William A. Wellman //

(Polly Parker), Guy Kibbee (Faneuil H. Peabody).

DREHBUCH Earl Baldwin, nach der Erzählung «Desperate Youth» von Daniel Ahearn // KAMERA Arthur Todd // MUSIK Leo F. Forbstein // SCHNITT Thomas Pratt // MIT Frankie

TORCH SINGER USA 1933 Als der Mann, der sie geschwängert hat, sich nach China absetzt, versucht Sally, sich allein durchzuschlagen, muss ihr Kind aber ins Waisenheim geben. Unter dem Namen Mimi Benton wird sie zur beliebten Varieté-Sängerin, aber das zurückgelassene Kind geht ihr nicht aus dem Sinn. Als sie zum Star eines Kinder-Radioprogramms aufsteigt, sieht sie endlich eine Möglichkeit, sich ihrer Tochter anzunehmen. «Torch Singer pendelt zwischen Warnerschem Sozialrealismus und Fantasie-Glamour hin und her. (…) Wieder einmal bringt Claudette Colbert alles zum Laufen. Als traumatisierte ledige Mutter ist sie herzerweichend, und als frivole Performerin, die sich emotional nicht binden will, ist sie ebenso überzeugend.» (Glenn Erickson, dvdtalk.com, 26.3.2009) 71 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Alexander Hall, George Somnes // DREHBUCH Lenore J. Coffee, Lynn Starling, nach der

Darro (Eddie Darro), Dorothy Coonan (Sally), Edwin Phillips (Tommy), Rochelle Hudson (Grace), Ann Hovey (Lola), Grant Mitchell (Mr. Smith), Claire McDowell (Mrs. Smith).

BABY FACE USA 1933 Eine exemplarische Pre-Code-Heldin ist Lily Powers, grandios verkörpert von Barbara Stanwyck. Lily wächst in der zwielichtigen Spelunke ihres Vaters auf, für den sie sich prostituieren muss. Als er stirbt, nimmt sie sich den Rat des einzigen Mannes zu Herzen, der es gut mit ihr meint: Männer zu benutzen, statt sich von ihnen benutzen zu lassen. Sie ergreift eine Gelegenheit wegzufahren und angelt sich zielsicher einen Job in einem grossen Bankgebäude in Manhattan. Skrupellos und völlig unsentimental macht sich Lily systematisch an ihren finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg: Von Stockwerk zu Stockwerk geht es immer höher hinaus, die Männer, die ihr dazu verholfen haben, bleiben beschädigt zurück. (al)


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Pre-Code Hollywood. Zur Fassung: Es handelt sich – anders als bei der Vorführung im Filmpodium im Rahmen der Barbara-Stanwyck-Reihe von Januar/Februar 2011 – um die von der Library of Congress 2004 entdeckte unzensierte und restaurierte Fassung; am Schluss sind Sequenzen beigefügt, die zeigen, wie die Zensoren den Film geschnitten haben. Zur Zensurgeschichte dieses Films beachten Sie bitte den weiterführenden Text auf unserer Website.

74 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Alfred E. Green // DREHBUCH Gene Markey, Kathryn Scola, nach einer Story von ­Darryl F. Zanuck [alias Mark Canfield] // KAMERA James Van Trees // MUSIK Harry Akst, W. C. Handy, Leo Friedman // SCHNITT Howard Bretherton // MIT Barbara Stanwyck (Lily

Konkurrenten. Perfektes Hollywoodmusical im absolut unwirklich-künstlichen Stil der Traumfabrik; hervorragende Darstellerleistungen und besonders die Choreografie von Busby Berkeley machen den Film zu einem Höhepunkt der Musikfilme der dreissiger Jahre.» (Lexikon des int. Films) «In seinen Musicalnummern plante Berkeley zahlreiche Neuerungen der Produktionstechnik ein. (...) Seine Kamera war ständig in Bewegung, und die Leinwand war angefüllt mit Hunderten langbeiniger, leichtbekleideter Mädchen auf rotierenden Flächen oder futuristischen Plattformen.» (Buchers Enzyklopädie des Films)

Powers), George Brent (Courtland Trenholm), Donald Cook (Ned Stevens), Alphonse Ethier (Adolf Cragg), Henry Kolker

104 Min / sw / 35 mm / E/d // REGIE Lloyd Bacon, William

(J. P. Carter), Margaret Lindsay (Ann Carter), John Wayne

­Keighley, Busby Berkeley // DREHBUCH Manuel Seff, James

(Jimmy McCoy jr.), Robert Barrat (Nick Powers).

Seymour // KAMERA George Barnes // MUSIK Harry Warren, Al Dubin, Sammy Fain // SCHNITT George Amy // MIT James

FEMALE USA 1933 Alison Drake hat die Drake Motor Car Company von ihrem Vater geerbt und führt sie mit kühler Macht. Die Ehe hält sie für überflüssig. Stattdessen rühmt sie sich damit, Männer so zu behandeln, wie diese Frauen behandeln. Regelmässig lädt sie gutaussehende Angestellte in ihr Haus (Frank Lloyd Wrights Ennis House) ein, um sie zu verführen. Wenn sie der Männer überdrüssig wird oder diese zu aufdringlich werden, lässt sie sie kurzerhand in die Filiale nach Montreal versetzen. Nur Jim Thorne lässt sich nicht auf ihr sonst so gut funktionierendes Spiel ein. Der vieldiskutierte Schluss des Films, der alles Vorhergehende konterkariert, lässt sich als ausgestellte Konzession an den Code lesen. Gleich drei Regisseure arbeiteten an Female: William Dieterle, William Wellman und Michael Curtiz, der als Letzter Szenen nachdrehte und deshalb den Regie-Credit bekam. (al) 60 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Michael Curtiz, William ­Dieterle, William Wellman // DREHBUCH Gene Markey, Kathryn Scola // K ­ AMERA Sid Hickox // SCHNITT Jack Killifer // MIT Ruth Chatterton (Alison Drake), George Brent (Jim Thorne), Phillip Reed (Claybourne), Ruth Donnelly (Ms. Frothingham), Johnny Mack Brown (Cooper), Lois Wilson (Harriet), Ferdinand G ­ ottschalk (Pettigrew), Gavin Gordon (Briggs), Kenneth Thompson (Red), Douglas Dumbrille

Cagney (Chester Kent), Joan Blondell (Nan Prescott), Ruby Keeler (Bea Thorn), Dick Powell (Scotty Blair), Ruth Donnelly (Harriet Bowers Gould), Claire Dodd (Vivian Rich), Hugh ­Herbert (Charlie Bowers), Frank McHugh (Francis).

I’M NO ANGEL USA 1933 Ein Zirkusdirektor intrigiert gegen die Verbindung seines attraktiven Stars mit einem Millionär und versucht, durch ein Komplott an die Lebensversicherungssumme zu kommen. «Mae Wests zweiter Film nach dem Hit She Done Him Wrong mit dem jungen Cary Grant. I’m No Angel war Wests grösster kommerzieller Erfolg und soll Paramount vor dem Ruin gerettet haben. Als 1934 der Production Code durchgesetzt wurde, sperrten die Zensoren Wests ersten beiden Filme auf Druck der Legion of Decency für die nächsten dreissig Jahre. Regisseur Wesley Ruggles lässt den Dingen fast ungestaltet freien Lauf und fokussiert auf die heisse West, die mit knackigen Dialogen voller sexueller Anspielungen um sich wirft. (...) Mae West ist in Topform und spielt weitgehend sich selbst. Der frivole Film mag nicht so schlau sein, wie er meint, aber er war gute eskapistische Kost für das Publikum der Depressionsära und man geniesst mit Vergnügen, wie der Film vor der Zensur aussah.» (Dennis Schwartz, Ozus’ World Movie Reviews, 17.1.2011)

(George Mumford). 87 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Wesley Ruggles // DREH-

FOOTLIGHT PARADE USA 1933 «Ein erfolgsverwöhnter Broadwayproduzent und Musicalregisseur kämpft um die Durchsetzung eines neuen Inszenierungsstils gegen wachsame

BUCH Mae West, Harlan Thompson // KAMERA Leo Tover // MUSIK Harvey Brooks // SCHNITT Otho Lovering // MIT Mae West (Tira), Edward Arnold (Barton), Cary Grant (Jack Clayton), Gregory Ratoff (Benny Pinkowitz), Ralf Harolde (Slick Wiley), Kent Taylor (Kirk Lawrence), Dennis O’Keefe (Reporter).


23 Das erste Jahrhundert des Films

1964 & 1974 Im Schatten der Kubakrise, die die Welt an den Rand e­ iner nuklearen Katastrophe brachte, entstand 1964 ­Kubricks brillante Weltuntergangssatire Dr. Strangelove; im gleichen Jahr wurde Sean Connery in Goldfinger zur SixtiesWeltikone und Catherine Deneuve schaffte in Demys bittersüssem Les parapluies de Cherbourg den internationalen Durchbruch. Anfang der siebziger Jahre versetzte Watergate die USA in Schockstarre: Während Coppola die paranoide Stimmung in seine Überwachungswahn-Studie The Conversation übertrug, gelang Hooper mit seinem Alptraumszenario The Texas Chain Saw Massacre ein Horror-Meilenstein – und in Deutschland versuchte Fassbinder, das amerikanische Kino zu adaptieren: Angst essen Seele auf ist ein grossartiges Melodrama, das für den Neuen Deutschen Film wegweisend war. Tanja Hanhart

> Dr. Strangelove. Das erste Jahrhundert des Films In dieser Dauerreihe zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 wegweisende Werke der Filmgeschichte. Die ­Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2014 sind Filme von 1914, 1924, 1934 usw. zu sehen. Begleitend zur Reihe zeigen wir vor vereinzelten Filmen Schweizer Filmwochenschauen. Bitte beachten Sie den Leporello. Weitere wichtige Filme von 1964 A Fistful of Dollars Sergio Leone, I A Hard Day’s Night Richard Lester, GB Bande à part Jean-Luc Godard, F Der geteilte Himmel Konrad Wolf, DDR Deus e o Diabo na Terra do Sol Glauber Rocha, Brasilien Gertrud Carl Theodor Dreyer, Dänemark Hamlet Grigori Kosinzew, UdSSR Il deserto rosso Michelangelo Antonioni, I Le journal d’une femme de chambre Luis Buñuel, F Naked Kiss Samuel Fuller USA Onibaba Kaneto Shindo, Japan Schatten vergessener Ahnen Sergej Paradjanow, UdSSR

Weitere wichtige Filme von 1974 Alice Doesn’t Live Here Anymore Martin Scorsese, USA Alice in den Städten Wim Wenders, D Bring Me the Head of Alfredo Garcia Sam Peckinpah, USA C’eravamo tanto amati Ettore Scola, I Hearts and Minds Peter Davis, USA Lacombe, Lucien Louis Malle, F Le fantôme de la liberté Luis Buñuel, F Sweet Movie Dušan Makavejev, Jugoslawien Szenen einer Ehe Ingmar Bergman, Schweden The Godfather (II) Francis Ford Coppola, USA The Parallax View Alan J. Pakula, USA Young Frankenstein Mel Brooks, USA


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Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

LES PARAPLUIES DE CHERBOURG Frankreich 1964 Guy, ein junger Autoschlosser, und Geneviève, Tochter einer Ladeninhaberin, lieben einander; beide würden lieber heute als morgen heiraten. Doch Guy wird nach Algerien in den Krieg geschickt. Geneviève ist verzweifelt und gesteht ihrer Mutter, dass sie schwanger ist. «Einer der Filme, die das Kino rechtfertigen, sollte es je seine Existenz verteidigen müssen. Ein Singspiel, in dem das Erhabene genauso gesungen wird wie das Profane. In einer Realität, die ganz veristisch ist in ihrer Liebe zu den Orten Cherbourgs, deren Gegenständlichkeit akzentuiert wird durch starke Pinselstriche, neue Farben, die genauso singen wie die Kleider und Dekors, dem Dasein abgeschaut und so verwandelt, wie das Leben sein sollte. Für eine Geschichte, die wie das Leben ist: Man verliebt sich, man muss fort, ein Anderer nimmt einem die Liebe, die bleibt, doch am Ende zählt sie weniger als ein Dach. Das alles vor dem Hintergrund des grossen Tabus Algerien – des Elefanten, der das Empire im Wohnzimmer zerschlägt: eine Realität, deren Grausamkeit nur der nicht spürt, der das Kino für eine

Plaisanterie hält.» (Rui Hortênsio da Silva e Costa, Österreich. Filmmuseum Wien, 3/2014) «Demy zaubert ein Werk von schierem filmischen Vergnügen; er verwandelt den trostlosen Hafen von Cherbourg in eine pastellfarbene Märchenwelt, in der jede Dialogzeile zu Michel Legrands unvergesslicher Filmmusik gesungen wird. (…) Die Magie liegt in der flüssigen Choreografie der Schauspieler, in der Eleganz von Jean Rabiers Kameraarbeit und in Bernard Eveins hinreissenden Szenenbildern. (…) Catherine Deneuve ist durchweg strahlend schön, selbst in ihren Umstandskleidern sieht sie unvergleichlich schick aus.» (Tom Dawson, BBC Films, 7.9.2005) 91 Min / Farbe / DCP / F/e // REEDITION DER RESTAURIERTEN FASSUNG (2013) // DREHBUCH UND REGIE Jacques Demy // KAMERA Jean Rabier // SZENENBILD Bernard Evein // MUSIK Michel Legrand // SCHNITT Anne-Marie Cotret, ­Monique Teisseire // MIT Catherine Deneuve (Geneviève Emery), Nino Castelnuovo (Guy Foucher), Anne Vernon (Anne Emery), Marc Michel (Roland Cassard), Ellen Farner (Madeleine), Mireille Perrey (Tante Élise), Jean Champion (Aubin), Jane Carat (Ginny), Harald Wolff (Monsieur Dubourg), ­Jean-Pierre Dorat (Jean), Pierre Caden (Bernard), Rosalie Varda (Françoise Cassard, ungenannt).


Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

GOLDFINGER GB 1964 Nach einem Anschlag auf eine Rauschgiftfabrik in der Karibik erhält Geheimagent James Bond einen neuen Auftrag: Er soll die Machenschaften des grössenwahnsinnigen Auric Goldfinger überwachen. Bond verführt Goldfingers Gehilfin, verpasst dem Schwindler einen Denkzettel – und gerät fatalerweise in seine Gewalt. Der Inbegriff aller 007-Filme: Hier erhält Bond seinen legendären silbrig-grauen Aston Martin DB5 – mit Schleudersitz, Radaranlage, kugelsicherer Heck-Stahlplatte, Maschinengewehr hinter den Blinkern und wechselbaren Nummerschildern – und findet in Gert Fröbe, dem Prototyp des Superschurken, einen ebenbürtigen Kontrahenten: Guy Hamilton schaffte mit Goldfinger den endgültigen internationalen Durchbruch der James-Bond-Serie. (th) «Der Bond, mit dem Bond zu Bond wurde. Mit Goldfinger beginnt der Pop-Exzess: Nun gibt es groteske Gadgets, outrierte Bösewichte mit der entsprechend exzentrischen Exekutive (in diesem Fall: der Killer Oddjob), Drehbücher, die wirken, als seien sie mit dem Reiseführer für Exotikur-

laube geschrieben worden, sowie globale Grossmarketingkampagnen inklusive Spielzeug zum Film. Auch der Tonfall ändert sich, wie die mit der Haupthandlung bestenfalls lose verbundene Vorspann-Sequenz zeigt: Bond klopft nun Sprüche – so wurde aus der kaltblütigen MI6-Kampfmaschine eine Sixties-Weltikone. Was man bis heute vom Film am nachhaltigsten erinnert: den drittbesten Titelsong aller Bonds, die gold bepinselte Shirley Eaton sowie den allgewaltigen Gert Fröbe in der Titelrolle.» (Rui Hortênsio da Silva e Costa, Österreich. Filmmuseum Wien, 2/2013) «Shirley Basseys ‹Goldfinger› ist die Liebes­ erklärung an den von Gert Fröbe gespielten perversen Erzschurken, ist der Urtypus des testosterongeschwängerten Bond-Songs.» (Zeit online, 30.10.2012) 110 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Guy Hamilton // DREHBUCH Richard Maibaum, Paul Dehn, nach dem Roman von Ian Fleming // KAMERA Ted Moore // MUSIK John Barry // SCHNITT Peter Hunt // MIT Sean Connery (James Bond), Gert Fröbe (Goldfinger), Honor Blackman (Pussy Galore), ­Harold Sakata (Oddjob), Shirley Eaton (Jill Masterson), Tania Mallet (Tilly), Bernard Lee (M), Desmond Llewelyn (Q), Martin Benson (Solo), Austin Willis (Simmons), Lois Maxwell (Miss Moneypenny).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

DER SCHWARZE PETER (Černý Petr) ČSSR 1964

Peter ist ein Pechvogel: Ob der Lehrling in einem kleinen Laden verdächtige Kunden überwachen soll oder sich schüchtern der angehimmelten Pavla nähern will – irgendwie verpatzt er immer alles. Zuhause erhält er zudem ständig Belehrungen von seinem unaufhörlich schwafelnden Vater. Mit grosser Präzision schildert Miloš Forman in seinem ersten Spielfilm Der schwarze Peter das Liebes- und Lebensgefühl der jungen tschechischen Generation nur wenige Jahre vor dem ­Prager Frühling und entblösst mit skurrilem Witz und bodenständigem Humor die Banalität der ­Erwachsenenwelt. «Jugendliche, die in den Tag hineinleben, stossen auf moralisierende Eltern und Vorgesetzte, die pausenlos predigen, aber mit ihrer ­didaktischen Anmassung selbstgefällig über die Köpfe der Jungen hinwegreden. Lächelnd erhebt sich Forman über die Antagonismen des All­ tags: Die Szenen am Küchentisch, in denen der Vater seinem Sohn Lebensregeln einzutrichtern

versucht, gehören zum Komischsten, was der ­tschechische Film je hervorgebracht hat.» (Ralf Schenk, film-dienst, 17/1998) «Es gibt keine direkte Botschaft, bloss einen unwiderstehlich trockenen und witzigen Blick auf die kleinen Tücken des Lebens, voller Zuneigung für jede einzelne Figur.» (Tom Milne, Time Out Film Guide) 85 Min / sw / 35 mm / Tsch/d // REGIE Miloš Forman // DREHBUCH Miloš Forman, Jaroslav Papoušek // KAMERA Jan Němeček // MUSIK Jiří Šlitr // SCHNITT Miroslav Hájek // MIT Ladislav Jakim (Petr Vanek), Pavla Martínková (Aša Vrbová), Jan Vostrčil (Petrs Vater), Pavel Sedláček (Láda),

Vladimír

Pucholt

Matušková (Petrs Mutter).

(Čenda

Semerád),

Božena


Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

DIE FRAU IN DEN DÜNEN (Suna no onna) Japan 1964

Niki Jumpei, ein Insektenforscher aus Tokio, sucht in einer weitläufigen Dünenlandschaft nach einem noch nie registrierten Insekt. Dabei verpasst er den letzten Bus zurück in die Stadt – hinterhältige Dorfbewohner, die er um ein Nacht­ lager gebeten hat, lassen ihn zur Hütte einer Frau in ein tiefes Sandloch. Am nächsten Morgen versperren ihm unglaubliche Sandmassen den Weg in seinen normalen Alltag und werden zum lebensbedrohenden Gegenspieler. «Die Schwarzweissfotografie von Hiroshi Segawa gehört zum Grossartigsten, was wir im Kino je zu sehen bekamen: Sand, Dünen, Krabbeltiere, der menschliche Körper, fragmentiert, aufgebrochen, neu zusammengefügt in dieser Komposition, die Bild und Musik als gleichwertige Erzähl­ elemente behandelt.» (Walter Ruggle, trigon-film. org) «Es ist die Geschichte einer Leidenschaft – allerdings nicht im herkömmlich trivialen Sinn. Bereits die Vorspanntitel mit ihrer betonten Schwarzweissgrafik schaffen zusammen mit der monumentalisierenden, grollenden Musik Toru

Takemitsus jene Stimmung des wenig Geheuren, die später durch Sequenzen wieder aufgenommen werden wird, die auf die alte Tradition des Gespenster- und Geisterfilms verweisen. (…) ­Exakt, gleichsam mit dem Instrumentarium des Entomologen, verfahren Inszenierung und Kamera. So darf die zerrende erotische Intensität der ersten Liebesbegegnung, die daraus entsteht, dass der Mann der Frau den Sand vom Körper abzuwischen beginnt, dezent in der bildlichen Metapher von sachte rieselndem Sand verebben. Als Gegner wahrgenommen, erweist sich der Sand jeder Attacke gewachsen, etwa wenn er dem erfolgreichen, minuziös geplanten und durchgeführten Ausbruch des Mannes als Treibsand ein Ende setzt. Zum Komplizen gemacht, wird er dem bürokratisch verwalteten, registrierten Individuum des Beginns eine neue Existenz jenseits einer Zivilisation gewähren, die Niki Jumpei zum mehr als sieben Jahre schon Vermissten erklärt hat.» (Christoph Egger, NZZ, 28.7.2006) 147 Min / sw / 35 mm / Jap/d // REGIE Hiroshi Teshigara // DREHBUCH Kobo Abe, nach dem Roman von Kobo Abe // ­KAMERA Hiroshi Segawa // MUSIK Toru Takemitsu // SCHNITT Fusako Shuzui // MIT Eiji Okada (Niki Jumpei, der Insektenforscher), Kyoko Kishida (Frau), Hiroko Ito (Nikis Frau), Koji Mitsui, Sen Yano, Ginzo Sekiguchi.

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Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974. ­Guano), Slim Pickens (Maj. T. J. «King» Kong), Peter Bull

DR. STRANGELOVE, OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB GB 1964 Ein paranoider US-General verschanzt sich in einem Luftwaffenstützpunkt und befiehlt den Atomangriff auf die Sowjetunion. Der amerikanische Präsident ruft den Krisenstab zusammen, um die Katastrophe in letzter Minute abzuwenden. Als feststeht, dass einer der Bomber nicht mehr zurückgerufen werden kann, beginnt eine Debatte um die Evakuierung der amerikanischen Bevölkerung – begeistert faselt dabei der obskure deutsche Wissenschaftler Dr. Strangelove von der Auswahl einer Elite, die den Atomkrieg in einem Bunker überleben könnte. «Gnadenlos macht sich der Film über den Männlichkeitswahn der Militärs lustig, über die ausgesuchte diplomatische Höflichkeit der Politiker im Angesicht der totalen Vernichtung und über den Wahn der Wissenschaft, alles unter Kontrolle haben zu müssen. (...) So grotesk überzeichnet und absurd einzelne Details des Filmes sind, so präzise und realistisch ist zugleich die Beschreibung der militärischen Eskalationslogik. Der gesamte Film ist eine treffsichere Fiktion. So auch der berühmte, von Ken Adam [der Setdesigner von Goldfinger, Anm. d. Red.] gestaltete ‹war room› des Pentagons, der so glaubhaft wirkte, dass später viele Besucher des amerikanischen Verteidigungsministeriums [und sogar Ronald Reagan, Anm. d. Red.] in ebendiesen, in Wirklichkeit nicht existenten Raum geführt werden wollten.» (arte.de) «Als ich Dr. Strangelove zum vielleicht zehnten Mal sah, entdeckte ich, was George C. Scott mit seinem Gesicht anstellt: Sein Schauspiel ist das Witzigste des ganzen Films, sogar noch besser als die geniale dreifache Performance von Peter Sellers (als Captain, Präsident und Dr. Strangelove) oder als die des irren Generals, gespielt von Sterling Hayden – dieses Mal beachtete ich besonders die Ticks und Zuckungen, die Grimassen und die hochgezogenen Augenbrauen, das sarkastische Lächeln und sein Kaugummikauen: Es ist ein unglaubliches Vergnügen, wie Scott sich seiner Rolle nähert, als wäre sie ein Duett für Stimme und Mimik.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 11.7.1999)

(Botschafter de Sadesky), Tracy Reed (Miss Scott), James Earl Jones (Lt. Lothar Zogg), Jack Creley (Mr. Staines), Frank Berry (Lt. H. R. Dietrich), Glenn Beck (Lt. W. D. Kivel), Shane Rimmer (Capt. G. A. «Ace» Owens).

SOY CUBA Kuba/UdSSR 1964 In vier Episoden singt der russische Regisseur Michail Kalatosow eine Hymne auf die kubanische Revolution. «Nur wenige Filme verschmelzen in Intensität und Ausgelassenheit mit ihrer Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte so sehr wie Soy Cuba. Dieses sowjetisch-kubanische Artefakt ist schlicht eine optische Berauschung und eine Geschichte des Scheiterns. 1962 bis 1964 von einem prominenten russisch-kubanischen Team wie im Delirium geschrieben, gedreht und montiert, stiess der Film bei seinem Kinostart auf Ablehnung beim kubanischen Publikum, und auch in Russland machte sich Befremdung über so viel pathetische Vehemenz breit. War das Kitsch? Gar Ironie? Mit seinen aufnahmetechnischen Avantgardismen und seiner innovativen Filmsprache hätte Soy Cuba eine kubanische Antwort auf Eisensteins Potemkin oder Godards À bout de souffle sein ­können. Doch seine eigentliche Erfolgsgeschichte begann erst zu Beginn der neunziger Jahre, als Francis Ford Coppola und Martin Scorsese Soy Cuba für das internationale Kino neu entdeckten. (...) Soy Cuba provoziert Staunen und sinn­ liche Lust, erzählt von Rache und Niederlagen, von Sehnsüchten und sexueller Anziehung (...). Am meisten beeindruckt aber die lyrische Kraft der entfesselten Kamera, denn, wie Jamie Russel bemerkt: ‹Die Politik dieses Films ist nur halb so revolutionär wie seine Kunstfertigkeit.›» (viennale.at) 141 Min / sw / 35 mm / Sp/d/f // REGIE Michail Kalatosow // DREHBUCH Enrique Pineda Barnet, Jewgeni Jetuschenkow // KAMERA Sergej Urussewski // MUSIK Carlos Fariñas // SCHNITT Nina Glagolewa // MIT Luz María Collazo (María/ Betty), José Gallardo (Pedro), Raúl García (Enrique), Sergio Corrieri (Alberto), Celia Rodriguez (Gloria), Jean Bouise (Jim), Roberto García York (amerikanischer Aktivist), Raquel Revuelta (Off-Stimme), Luisa María Jiménez (Teresa).

95 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Stanley Kubrick // DREHBUCH Stanley Kubrick, Terry Southern, Peter George, nach einem Roman von Peter George // KAMERA Melvin Pike

MARY POPPINS

// MUSIK Laurie Johnson // SCHNITT Anthony Harvey //

USA 1964

MIT Peter Sellers (Capt. Mandrake/Pres. Muffley/Dr. Strangelove), George C. Scott (Gen. «Buck» Turgidson), Sterling ­Hayden (Gen. Jack D. Ripper), Keenan Wynn (Col. «Bat»

siehe «Filmpodium für Kinder», S. 44


Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

ANGST ESSEN SEELE AUF BRD 1974 In einer Bar lernt die 60-jährige Witwe Emmi den zwanzig Jahre jüngeren marokkanischen Gast­ arbeiter Ali kennen – jeder auf seine Art einsam, finden sie schnell zusammen und heiraten. Als Emmis Kinder davon erfahren, sagen sie sich von der Mutter los; auch ihr kleinbürgerliches Umfeld reagiert mit Ablehnung oder Hohn. «Während viele Vertreter des Neuen Deutschen Films, wie etwa Alexander Kluge, Au­ thentizität durch semi-dokumentarische Arbeitsweisen erreichen wollten, konzentrierte sich Fassbinder auf eine ästhetische Stilisierung. In Angst essen Seele auf bediente er sich der Erzählmechanismen des Melodrams – ein Genre, das seinerzeit als rührselig verschrien war und den meisten jungen Autorenfilmern zu grosse Parallelen zum Kino der Vätergeneration aufwies, von dem sie sich ja abgrenzen wollten. Fassbinders Interesse für das Melodram war eine direkte Reaktion auf die Filme des Regisseurs Douglas Sirk, dessen Filme für ihn eine Offenbarung waren. Für

Angst essen Seele auf liess er sich von dessen All That Heaven Allows inspirieren. War Fassbinders Frühwerk noch von einer elitären formalen Strenge geprägt, versuchte er nun, das amerikanische Kino zu adaptieren: die Filme sollten populär, aber nicht so verlogen wie in Hollywood sein. Angst essen Seele auf ist daher eine bewusst naiv erzählte, fast märchenhafte Geschichte mit einfachen Charakteren. (...) Fassbinder hatte die breite Masse gesucht und gefunden, Angst essen Seele auf wurde sein erster Publikumserfolg. Kritik an der Gesellschaft formulierte er jedoch nicht minder scharf.» (Cornelis Hähnel, deutschlandfunk. de, 5.3.2014) 94 Min / Farbe / 35 mm / D // DREHBUCH UND REGIE Rainer Werner Fassbinder // KAMERA Jürgen Jürges // MUSIK ­Archivmaterial // SCHNITT Thea Eymèsz // MIT Brigitte Mira (Emmi), El Hedi Ben Salem (Ali), Irm Hermann (Krista), ­Barbara Valentin (Barbara, Wirtin), Rainer Werner Fassbinder (Eugen, Kristas Mann), Karl Scheydt (Albert Kurowski), Elma Karlowa (Frau Kargus), Anita Bucher (Frau Ellis), Gusti Kreissl (Paula), Walter Sedlmayr (Angermayer, Krämer), Doris Mattes (Frau Angermayer), Peter Gauhe (Bruno Kurowski).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

A WOMAN UNDER THE INFLUENCE USA 1974 In einer amerikanischen Vorstadtsiedlung versucht eine Frau Mitte dreissig verzweifelt, ihrer Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter dreier Kinder gerecht zu werden. Ihr Mann reagiert mit hilfloser Bevormundung, als er den Nervenzusammenbruch nahen sieht. Nach einem Selbstmordversuch und einer Auszeit der Frau in psychiatrischer Behandlung unternehmen die beiden einen Neuanfang. «Cassavetes’ wohl berühmtester Film ist ein Zeitdokument vom Rang der Bergmanschen Szenen einer Ehe: In den mittleren siebziger Jahren aufsehenerregend, weil kaum jemand zuvor so kompromisslos das verdrängte gesellschaftliche Drama der Hausfrauen und Mütter aufgezeigt hatte, heute in seiner ganzen schmerzhaften Hysterie noch immer grossartig, weil er zu seinem verheerenden Befund ohne jede Denunziation, sondern mit äusserst liebe- und humorvoller Zeichnung seiner Figuren gelangt. Der strukturelle Konflikt der herkömmlichen Rollenvertei-

lung wird dadurch umso deutlicher.» (Andreas Furler, Filmpodium, Nov. 2005) «Die Direktheit und Nähe zur Krise unerträglich und zugleich irritierend schön: mitten hinein in die Unordnung, die Vielfalt, die Widersprüche dieser Welt, deren Banalitäten Cassavetes mit der gleichen Gier und Unerbittlichkeit erforscht wie ihre Wunder, ihre ‹grossen Szenen›. Kunst, die zu verschwinden vorgibt (das Schauspiel in mühevoller, besessener Anstrengung solange bearbeitet, bis es wie improvisiert, aus dem Moment ge-/erfunden wirkt) und dadurch erst sichtbar macht. Ein Meisterwerk.» (Christoph Huber, Österreich. Filmmuseum Wien, 4/2004) 155 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE John Cassavetes // KAMERA Mitch Breit, Al Ruban // MUSIK Bo Harwood // SCHNITT David Armstrong, Sheila Viseltear // MIT Peter Falk (Nick Longhetti), Gena Rowlands (Mabel Longhetti), Fred Draper (George Mortensen), Matthew Labyorteaux (Angelo Longhetti), Matthew Cassel (Tony Longhetti), Katherine Cassavetes (Margaret Longhetti), Christina Grisanti (Maria Longhetti), Lady Rowlands (Martha Mortensen), O. G. Dunn (Garson Cross), Mario Gallo (Harold Jensen), Eddie Shaw (Dr. Zepp), Angelo Grisanti (Vito Grimaldi).


Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

CHINATOWN USA 1974 Los Angeles in den dreissiger Jahren: Privatdetektiv J. J. Gittes erhält den Auftrag, Beweise für den Seitensprung des Chefs der städtischen Wasserwerke zu beschaffen. Der Fall verkompliziert sich, als seine Fotos in der Zeitung veröffentlicht werden und wenig später die Ehefrau des Observierten in seinem Büro auftaucht; kurz darauf wird die Leiche des Mannes gefunden. «Von mondäner Schönheit ist das Los Angeles der dreissiger Jahre in Chinatown, ein Ort der Eleganz und des Stils. Hinter der erlesenen Fassade aber verbergen sich Korruption und Verrat, Missbrauch und Gewalt. Der Privatschnüffler Gittes, von Jack Nicholson mit einer sublimen Mischung aus Machismo und Nachdenklichkeit verkörpert, lebt davon, hinter die Oberflächen zu schauen. Autor Robert Towne verschränkt hier geschickt Elemente der realen Stadthistorie von L. A. mit den Strukturen des Detektivgenres; die Figurenzeichnung und das Raffinement des Plots machen das Drehbuch noch heute zum Lehrstück. Und

Roman Polanskis Regie ist von beinahe schmerzhafter Präzision, sie lässt das Geschehen unerbittlich auf die Katastrophe zusteuern. So radikal, so komplex und so wagemutig war das amerikanische Mainstream-Kino nur zur besten Zeit des New Hollywood.» (Die 100 besten Filme aller Zeiten, Bertz + Fischer Verlag 2014) «Polanskis Lektion, wie ein perfekter Hollywoodfilm auszusehen habe: makellos durchgeformt, ohne Leerstellen, unscharfe Bilder, wackelnde Kamera und ohne ein einziges verdammtes Mätzchen. Ein Private-Eye-Meisterstück.» (Harry Tomicek, Österreich. Filmmuseum Wien, 5/2004) 130 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Roman Polanski // DREHBUCH Robert Towne // KAMERA John A. Alonzo // MUSIK Jerry Goldsmith // SCHNITT Sam O’Steen // MIT Jack Nicholson (J. J. Gittes), Faye Dunaway (Evelyn Cross Mulwray), John Huston (Noah Cross), Darrell Zwerling (Hollis Mulwray), Perry Lopez (Lt. Lou Escobar), John Hillerman (Russ Yelburton), Diane Ladd (Ida Sessions), Roy Jenson (Claude Mulvihill), Roman Polanski (Mann mit Messer), Richard Bakalyan (Det. Loach), Joe Mantell (Lawrence ­Walsh), Bruce Glover (Duffy).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE USA 1974 «Zusammen mit George A. Romeros Zombiefanal Night of the Living Dead (1968) und Wes Cravens verstörender Blutzoll-Ballade The Last House on the Left (1972) bildete Hoopers Hinterlandreisser eine unheilige Dreifaltigkeit des neuen amerikanischen Horrorkinos. Dieses zeigte sich im Schatten der realen politischen und sozialen Krisen (…) schonungslos gegenwartsbezogen und pessimistisch. (…) Betrachtet man 40 Jahre später (…) den Film, so lässt sich zunächst festhalten: Das Museum of Modern Art tat gut daran, Hoopers Exploitation-Klassiker in seine Sammlung aufzunehmen. Und: Auch heute noch ist The Texas Chain Saw Massacre beileibe kein Picknick. Von der ersten Einstellung an fängt die 16-mm-Kamera Motive der Zersetzung und des Verfalls ein, die eine vor Hitze flirrende Einöde durchziehen. In dieser provinziellen Vorhölle fahren fünf junge Erwachsene am 18. August 1973 in ihrem Kleinbus dem Verderben entgegen: Sally Hardesty und ihr querschnittsgelähmter Bruder Franklin wollen zusammen mit Kirk, Jerry und Pam die Gegend erkunden. Der Ausflug nimmt seine erste, grausame Wendung, als die Gruppe einen offenbar geistig verwirrten Anhalter mitnimmt. (…) Der folgende Rauswurf des Mitreisenden auf offener Strasse entledigt Sally und ihre Freunde jedoch keineswegs der Probleme. Denn bald tref-

fen sie bei der Erkundung eines scheinbar verlassenen Hauses auf die degenerierte Verwandtschaft des Anhalters, die (…) ihre gesamte Existenz auf der Fleischproduktion gründet: Die Industrialisierung hat ihre Dienste im Schlachthof überflüssig gemacht, weshalb der inzestuöse Clan zum Kannibalismus wechselte. Kurz nacheinander fallen die Städter so dem Hammer- und Kettensägeschwingenden Leatherface zum Opfer, einer tragisch-monströsen Mischung aus Berserker, Baby und Hausmutti, der mit Schürze und Menschenhautmaske durch das Alptraum­ szenario wütet. (…) Mit fiebriger Intensität inszeniert Hooper hier nichts Geringeres als die Aufkündigung der Zivilisation. Dabei schwingt auch die Furcht des urbanen Amerika vor den trostlosen Weiten der Nation mit, wo die Abgehängten der Geschichte vor sich hin brüten. In Gottes eigenem Land endet die Aufklärung am Fleischerhaken, und dennoch fliesst in diesem so berüchtigten Film kaum Blut. Dass die Gewaltakte zumeist im Off stattfinden, macht den stetigen Anschlag auf die Sinne nicht weniger dramatisch.» (David Kleingers, Spiegel Online, 31.3.2012) 83 Min / Farbe / 35 mm / E/d/i // REGIE Tobe Hooper // DREHBUCH Tobe Hooper, Kim Henkel // KAMERA Daniel Pearl // MUSIK Tobe Hooper, Wayne Bell // SCHNITT J. Larry Carroll, Sallye Richardson // MIT Marilyn Burns (Sally Hardesty), Allen Danziger (Jerry), Paul A. Partain (Franklin Hardesty), William Vail (Kirk), Teri McMinn (Pam), Gunnar Hansen (Leatherface), Edwin Neal (Anhalter), Jim Siedow (alter Mann).


Das erste Jahrhundert des Films: 1964 & 1974.

THE CONVERSATION USA 1974 Abhörspezialist Harry Caul fokussiert sich ganz auf seine Arbeit. Einen neuen Auftrag, das Abhören eines jungen Pärchens auf einem belebten Platz, erledigt er zunächst mit gewohnter Professionalität, doch beim Entziffern des Gesprächs beginnt er die Bruchstücke einer tödlichen Konspiration herauszuhören und um das Leben des Paares zu fürchten: Während sich die Anzeichen der Verschwörung verdichten, muss er erkennen, dass er selbst Teil davon ist. The Conversation, der noch vor dem Höhepunkt des Watergate-Skandals in die Kinos kam und geradezu prophetische Qualitäten hatte, «entstand zwischen den ersten beiden Teilen der GodfatherTrilogie, das Drehbuch hatte Francis Ford Coppola allerdings lange zuvor geschrieben. Der erste Godfather hatte eine so grosse Ausstrahlung, dass Coppola unbedingt zwischendurch sein persönliches Gebiet abstecken wollte, um nicht bloss ‹der mit dem Paten› zu sein. Die Entscheidung, The Conversation gleich nach dem ersten Godfather zu

drehen, erwies sich als kreativ und richtig. Und sie war strategisch wundervoll, weil sowohl The Conversation als auch der zweite Godfather – sehr, sehr unterschiedliche Filme – für den Oscar als bester Film nominiert wurden.» (Walter Murch, in: Die Kunst des Filmschnitts, dtv 2008) The Conversation ist eine faszinierend ruhige, fast bedächtig inszenierte postmoderne Vo­ yeurismus-Studie. Grossartig zurückgenommen spielt Gene Hackman diesen einsamen, scheuen Menschen Harry Caul, der immer einen fast durchsichtigen Regenmantel trägt, der besessen ist davon, andere zu belauschen, aber selbst nichts sagt, nichts von sich verrät – und uns damit in seinen Bann zieht. (th) 113 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE Francis Ford Coppola // KAMERA Bill Butler // MUSIK David Shire // SCHNITT Richard Chew, Walter Murch // MIT Gene Hackman (Harry Caul), John Cazale (Stan), Allen Garfield (Bernie Moran), Frederic Forrest (Mark), Cindy Williams (Ann), Michael Higgins (Paul), Elizabeth MacRae (Meredith), Harrison Ford (Martin Stett), Teri Garr (Amy Fredericks), Robert Duvall (Regisseur, ungenannt), Mark Wheeler ­ (Rezeptionist).

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34 Sommerpremieren

Aufbruch! Aufbruch könnte als Motto über (fast) allen Filmen stehen, die wir diesen Sommer als Premiere zeigen: Aufbrechen zur Wanderschaft, um den Berg, den man in der Ferne erblickt, endlich von Nahem zu sehen (Zum Säntis!), ein Aufbruch in eine neue Lebensphase nach dem Verkauf des Hofes (Le démantèlement), und schliesslich die Sehnsucht nach dem Aufbruch in die Neue Welt, nach Brasilien, in Die andere Heimat. Oder aber die Einsicht (in Akadimia Platonos), dass statt tage-, ja wochenlangem Herumsitzen ­vielleicht doch ein Aufbruch angesagt wäre, samt Aufbrechen von festge­ fahrenen Meinungen; die Titelfigur von Alois Nebel schliesslich ringt sich dazu durch, sich den Gespenstern der Vergangenheit zu stellen. Nur in Sacro GRA lässt sich kein Aufbruch ausmachen, da dreht sich alles im Kreis, im Kreis der Ringstrasse um Rom und der skurrilen Personen, die diese Peripherie bevölkern. ZUM SÄNTIS! UNTERWEGS MIT FRANZ HOHLER Schweiz 2013 Vor einem Jahr ist Franz Hohler 70 geworden. Tobias Wyss hat ihm eine Geburtstags-Hommage gestaltet, die nicht nur das legendäre «Totemügerli» aufleben lässt, sondern auch Hohler, den Bürgerschreck und nestbeschmutzenden Satiriker. Vor allem mit seinem Engagement gegen AKWs stiess er in den siebziger und achtziger Jahren so manchen Eidgenossen vor das Brett vor dem Kopf.

Auf dem Weg in die Voralpen erwarten ihn Begegnungen aller Art, welche überraschende Blicke auf sein Leben als Schriftsteller, Kabarettist, Liedermacher, als Ehemann und Familienvater und als leidenschaftlicher Wanderer freigeben. «Tobias Wyss, der mit Hohler 1986 die DonQuijotterie Dünki-Schott gedreht hat, ist in diesem Parcours durch eine Künstlervita aber nicht nur der demütige Fragesteller, sondern baut Stationen ein, in denen Hohler überrascht und mit Menschen konfrontiert wird, die auf seinem Lebensweg mitmarschiert sind. Da treten etwa seine zwei Söhne aus einem Wohnwagen hervor und fragen ihn nach den ungelebten Träumen; René Quellet (‹Das Spielhaus›) kommt im Heissluftballon herangeschwebt und sagt, dass er nichts sage; und in einem Kirchlein wartet ein Cello darauf, dass Hohler in die Saiten greift. Aber auch verdutzte Wanderer und Bäuerinnen kreuzen ­seinen Weg: Sie beweisen, dass es Hohler durchaus zu einer Art Schweizer Volksintellektuellem gebracht hat (‹Das isch jo dr Dings!›).» (Regula Fuchs, Der Bund, 18.2.2014) H am Di, 1. Juli, 18.15 Uhr, in Anwesenheit von Franz Hohler und Tobias Wyss

Kurz vor seinem 70. Geburtstag wandert Franz Hohler auf den Säntis. Von seiner Haustür in Zürich-Oerlikon aus, gemeinsam mit dem Filmemacher Tobias Wyss. Schon lange hat er sich diese Wanderung vorgenommen, auf den einzigen Berg, den er vom obersten Stock seines Hauses sieht.

71 Min / Farbe / DCP / Dialekt // DREHBUCH UND REGIE ­Tobias Wyss // KAMERA Adrian Stähli // MUSIK Daniel Almada // SCHNITT Mirjam Krakenberger // MIT Franz Hohler, Tobias Wyss, Beatrice von Matt, Peter von Matt, René Quellet. DI, 1. JULI BIS FR, 8. AUG


Sommerpremieren.

LE DÉMANTÈLEMENT Kanada 2013 «Die Zerlegung» oder «Die Auflösung» müsste Le démantèlement wörtlich auf Deutsch heissen, denn das verbirgt sich hinter dem offiziellen ­Begriff für die Versteigerung eines Bauernhofs. Sébastien Pilotes Film spielt in Québec, doch die Frage nach dem (Lebens-)Sinn des Bauern­ daseins stellt sich auch hierzulande. Der Bauer Gaby Gagnon hat sein Leben lang durchgehalten: Die Frau hat ihn verlassen, die erwachsenen Töchter Marie und Frédérique sind nach Montreal gezogen, viele Nachbarn haben ihre unrentablen Betriebe verkauft, nur Gaby züchtete weiter seine Schafe. Eines Tages aber eröffnet Marie ihrem Vater, dass ihre Bilder­ buchehe am Ende sei und sie Geld brauche, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Gaby sieht keine andere Wahl, als sein einziges Gut, den Hof, zu verkaufen. «Ohne es explizit auszusprechen, kreist der Film um die existenzielle Frage, was einen Men-

schen ausmacht. Ist es die Arbeit? Ist es der Erfolg? Oder ist es die Liebe? Gaby hat die Antwort immer in sich getragen und verkündet es durch die Versteigerung. ‹Alle glaubten, mein Leben sei mein Hof gewesen›, sagt er zu Frédérique. ‹Alle haben sich getäuscht. Mein Leben seid ihr, meine Töchter.› Bei allen globalen und lokalen Problemen erzählt Pilote im Grunde eine Geschichte väterlicher Liebe. Am Ende steht Frédérique als Cordelia auf der Bühne, King Lears jüngste, als einzige ehrliche und dem Vater wohlgesinnte Tochter. Wie Shakespeares Lear verzichtet Gaby auf sein Reich (…) Ungleich Lear aber treibt dies Gaby nicht zum Wahnsinn.» (Flavia Giorgetta, Filmbulletin, 2/2014) 111 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH UND REGIE ­Sébastien Pilote // KAMERA Michel La Veaux // MUSIK Serge Nakauchi Pelletier // SCHNITT Stéphane Lafleur // MIT ­Ga­briel Arcand (Gaby), Gilles Renaud (Louis), Lucie Laurier (Marie), Sophie Desmarais (Frédérique), Johanne-Marie Tremblay (Françoise), Dominique Leduc (Nachbarin). DO, 3. JULI BIS DI, 22. JULI

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Sommerpremieren.

SACRO GRA Italien 2013 2013 ging der Goldene Löwe der Filmfestspiele von Venedig erstmals an einen Dokumentarfilm. Sacro GRA von Gianfranco Rosi handelt zwar vom unromantischen Motiv der Ringstras­se um Rom, bietet aber einen Reigen von skurrilen und charmanten Figuren, wie sie sich kein Drehbuchautor besser ausdenken könnte. «Fernab der ikonischen Monumente Roms ist die Ringstrasse GRA ein Gefäss für die Geschichte der Randständigen einer Hauptstadt, die nicht aufhört sich auszubreiten: Ein piemontesischer Aristokrat und seine Tochter teilen ein kleines Studio in einem neuen Block an der GRA und plaudern über alles und nichts; ein bezaubernder Botaniker, bewaffnet mit Ultraschall und einem Arsenal von Pestiziden, sucht nach einem Mittel, um die Invasion räuberischer Insekten zu stoppen, die einen Palmenhain verzehren; ein Fürst von heute macht Zigarre rauchend Turnübungen auf dem Dach seines Palazzo, den er zum Bed & Breakfast umfunktioniert hat, zum Filmstudio und an manchen Sonntagen gar zum Theater; ein

Ambulanzfahrer patrouilliert auf der GRA, wärmt die durchfrorenen Körper der Penner, die er vor dem Ertrinken gerettet hat, reanimiert Herz­ infarktopfer und kümmert sich nebenbei um eine alte Frau, die nunmehr allein in ihrer Wohnung vegetiert; einer der letzten Aalfischer Roms ­manövriert sein Boot und unterbreitet dabei dem Publikum seine weise und althergebrachte ­ Lebensphilosophie.» (Programmheft Cinéma­ thèque Suisse, März/April 2014) «Die Rechnung ist aufgegangen: Wie Italo Calvinos Buch ‹Die unsichtbaren Städte› lässt uns Rosis Film, ganz unscheinbar, in die Intimsphäre dieser Personen eindringen und präsentiert uns dabei ein wahres metaphorisches Kaleidoskop des heutigen Italien. Ganz unscheinbar? Das denn doch nicht. Sacro GRA ist ein echter Kinofilm mit einer hoch raffinierten Inszenierung und einer hervorragenden Bildgestaltung.» (Frank Nouchi, Le Monde, 2013) 93 Min / Farbe / DCP / I/d // REGIE Gianfranco Rosi // DREHBUCH Gianfranco Rosi, nach einer Idee von Nicolò Bassetti // KAMERA Gianfranco Rosi // SCHNITT Jacopo Quadri. FR, 11. JULI BIS DO, 18. SEPT.


Sommerpremieren.

AKADIMIA PLATONOS

(Kleine Wunder in Athen) Griechenland/Deutschland 2009 Filippos Tsitos’ wunderbar hintersinnige Komödie Akadimia Platonos schildert punktgenau die griechische Mentalität unmittelbar vor der gros­ sen Krise. Was den zentralen Konflikt angeht, könnte sein mehrfach ausgezeichneter Film allerdings genauso gut auch in Belgien, England oder in der Schweiz spielen. Ein warmherziges Vergnügen mit Widerhaken. Akadimia platonos («die platonische Akademie») ist ein Quartier im Zentrum von Athen. Dort betreibt Stavros einen kleinen Laden an einer ruhigen Strassenkreuzung, wobei seine Haupt­ tätigkeit daraus besteht, morgens einen Tisch mit vier Stühlen aufzustellen, um zusammen mit seinen drei Freunden dem Tag beim Verstreichen zuzusehen. «Alles könnte friedlich weitergehen, wenn nicht plötzlich ein Albaner auftauchen würde, der sich als möglicher Bruder von Stavros entpuppt. Ein Albaner! Stavros’ demente Mutter jedenfalls wacht plötzlich auf und begrüsst den Fremden auf Albanisch als verlorenen Sohn (…). Tsitos inszeniert seine Komödie um Nationalismus und Rassismus mit einem lakonischen, bissigen Bildwitz und viel Situationskomik. (…) Die absurden Blüten von Patriotismus und Nationalstolz ausgerechnet bei denen, die eigentlich

noch nie etwas getan haben (…), werden von Tsitos in kleinen, bissigen Schleifen immer neu vorgeführt, ohne dass sich das grundsätzlich wiederholen würde. Denn zumindest Stavros macht eine Entwicklung durch. Und selbst seine Kumpane verlieren mit der Zeit ihre Sicherheit – zumal sie alle zugeben müssen, dass nicht nur die Albaner in Athen mehr mit ihren Leben anfangen, sondern gerade auch die geschäftstüchtigen Chinesen, die sie nicht voneinander unterscheiden können. In einer der schönsten Szenen schlägt einer dieser fleissigen Asiaten Stavros vor, er würde seinen Laden mieten. Er sitze ja doch nur den ganzen Tag davor und verkaufe nichts. Da könne er doch genau so gut untätig davor sitzen und dafür noch Miete kassieren. Es ist diese bestechend einfache Logik, welche Akadimia Platonos so urkomisch und vergnüglich macht. Denn so beschränkt die Antihelden dieses Films auch sind: Hin und wieder dringt die Logik in ihre dumpfen Köpfe ein und stiftet dort deut­liche Unruhe.» (sennhausersfilmblog.ch, 13.8.2009) 103 Min / Farbe / DCP / OV/d // REGIE Filippos Tsitos // DREHBUCH Filippos Tsitos, Alexis Kardaras // KAMERA Polidevkis Kirlidis // MUSIK Nikos Kypourgos, Kostas Varimbopiotis, Vangelis Zelka // SCHNITT Dimitris Peponis // MIT Antonis Kafetzopoulos (Stavros), Anastasis Kozdine (Marengelen), Titika Sarigouli (seine Mutter), Yorgos Souxes (Nikos), Kostas Koronaios (Argyris), Panagiotis Stamatakis (Thymios), Maria Zorba (Dina). SO, 13. JULI BIS DI, 26. AUG.

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Sommerpremieren.

ALOIS NEBEL Tschechien/Deutschland 2011 Schon lange bevor ein Film daraus wurde, war «Alois Nebel» als Comic in Tschechien Kult und belebte die öffentliche Diskussion über das Schicksal der Sudetendeutschen neu. Tomás Lunáks Filmversion in stimmungsvollem Schwarzweiss wurde 2012 mit dem Europäischen Filmpreis in der Kategorie Bester Animationsfilm ausgezeichnet. Ende der achtziger Jahre. Alois Nebel arbeitet an einem kleinen Bahnhof in einem abgelegenen Ort an der tschechoslowakisch-polnischen Grenze, dem früheren Sudetenland. Der Einzelgänger wird nachts von Alpträumen heimgesucht, aus dem Dunkel tauchen Züge voller Gespenster und Schatten auf. Nach einem Sanatoriumsaufenthalt ist die Welt eine andere: Die Mauer ist gefallen, Alois Nebel findet vollends keinen Halt mehr. Er muss sich den Geistern der Vergangenheit stellen. «Wer die endlose deutsche Debatte um das Schicksal der Sudetendeutschen noch im Ohr hat, staunt, mit welcher Souveränität die tschechischen Erfinder von ‹Alois Nebel› die Vertreibung der Deutschen zum kollektiven Trauma erklären, an dem sich ein einzelner Eisenbahner stellvertretend für seine Landsleute abarbeitet. (…) Für

die Verfilmung hat Tomás Lunák dieses tumultuarische Stück Heimatliteratur zu einer vergleichsweise stringenten Erzählung verdichtet, die einen förmlich hineinzieht in den morbiden Kosmos des Spätsozialismus. (…) Während Alois Nebel mit seinen Dämonen kämpft, ziehen apokalyptische Regenfälle als Vorboten der Zeitenwende über die Leinwand. (…) Tomás Lunáks Alois Nebel ist kein klassisches Animationskino. Der Regisseur hat mit Schauspielern an den historischen Schauplätzen gedreht und die Szenen im Nachhinein mittels Rotoskopie der Comicästhetik wieder anver­ wandelt. Dadurch bekommt die kalte Schwarzweissoptik der Vorlage ein paar mildernde Grautöne, sparsam eingespielte Originalaufnahmen verankern das Setting ganz konkret in der Zeitgeschichte.» (Stefanie Flamm, Zeit Online, 11.12.2013) 84 Min / sw / DCP / Tsch/d // REGIE Tomás Lunák // DREHBUCH Jaroslav Rudiš, Jaromír Švejdík, nach ihrer Graphic Novel // KAMERA Jan Baset Střítežský // MUSIK Ondřej Ježek, Petr Kružík // SCHNITT Petr Říha // MIT Miroslav Krobot (Alois Nebel), Marie Ludvikova (Květa), Karel Roden (der Stumme), Leoš Noha (Wachek), Alois Švehlík ­(Wachek senior), David Švehlík (Wachek senior als junger Mann), Ondřej Malý (Olda), Ivan Trojan (ČSD-Direktor). DO, 17. JULI BIS DI, 16. SEPT.


Sommerpremieren.

DIE ANDERE HEIMAT – CHRONIK EINER SEHNSUCHT Deutschland/Frankreich 2013 Nach seiner legendären Tetralogie Heimat (1981–2006), einer Chronik des 20. Jahrhunderts im fiktiven Hunsrück-Dorf Schabbach, hat Edgar Reitz in Die andere Heimat die Auswanderung vieler Hunsrücker nach Brasilien in der Mitte des 19. Jahrhunderts thematisiert. Er wurde dafür gleich mit drei Deutschen Filmpreisen geehrt: für das beste Drehbuch, die beste Regie und den besten Film. «Unfassbar detailreich und voller Hochachtung nähert sich der Film mit mythisierendem Schwarzweiss seinen Charakteren: dem zähen Schmied Johann Simon und seinem schwärmerischen Sohn Jakob, der von der Dorfschule die eigene Hochbegabung in ein Selbststudium südamerikanischer Bräuche ausgebaut hat – und für Lektüre und Vokabeltraining in Indianersprachen vom Vater regelmässig verdroschen wird. Denn für Müssiggang und Selbstverwirklichung ist inmitten schrecklicher Armut (…) kein Platz. Und doch gibt es Lichtblicke wie den selten gewordenen Achat, den ein paar schrullige Spezialisten schleifen können und den Reitz kurz ebenso in goldgelber Farbe aufleuchten lässt wie die roten Kirschen an einem Sommerbaum oder einen Kometen am Himmel. Jakob Simon, notabene der Urahn der späteren Heimat-Sippe, schafft es mit zähem Sinn fürs

Irreale anfangs aus dem verlausten Schabbach heraus (…) und muss seinen hart erkämpften Platz auf einem Auswandererboot nach Brasilien dann doch seinem Bruder Gustav abtreten, der ihm schon das angebetete Jettchen weggeschnappt hat. Diese Vision von individueller Sehnsucht inmitten von kollektivem Zwang als Meisterwerk zu bezeichnen, wäre verfehlt. Der Film ist viel mehr: eine Sozialgeschichte, eine Studie der Langsamkeit vor der motorisierten Welt, ein Drama des kollektiven Lebens, eine raffinierte Psychostudie vor der Erfindung der Psychologie.» (Dirk Schümer, FAZ, 3.9.2013) H am Sa, 13. Sept. 18.15 Uhr, ist der Besuch von Edgar Reitz vorgesehen, konnte aber bis Redaktionsschluss nicht bestätigt werden. Bitte beachten Sie unsere Website. 230 Min / Farbe / DCP / D/f // REGIE Edgar Reitz // DREHBUCH Edgar Reitz, Gert Heidenreich // KAMERA Gernot Roll // MUSIK Michael Riessler // SCHNITT Uwe Klimmeck // MIT Jan Dieter Schneider (Jakob Simon), Antonia Bill (Jettchen Niem), Maximilian Scheidt (Gustav Simon), Marita Breuer (Margarethe Simon), Rüdiger Kriese (Johann Simon), Philine Lembeck (Florinchen Morsch), Mélanie Fouché (Lena Zeitz), Eva Zeidler (Grossmutter), Reinhard Paulus (Unkel), Werner Herzog (Alexander von Humboldt), Barbara Philipp (Lotte Niem), Christoph Luser (Franz Olm).

DO, 28. AUG. BIS SO, 21. SEPT.

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41 Reedition: Das Schloss im Spinnwebwald von Akira Kurosawa

Shakespeare à la japonaise Passend zum 450. Geburtstag William Shakespeares sind diesen Sommer gleich drei Filme in unserem Programm, die sich an seinen zeitlosen Stücken inspirieren, wenn auch auf äusserst unterschiedliche Weise: Sébastien Pilote erzählt in Le démantèlement «King Lear» neu anhand eines Bauern in Québec (S. 35); Prospero’s Books ist Peter Greenaways High-Tech-Hommage an «The Tempest» (S. 12) und Akira Kurosawa versetzt in Das Schloss im Spinnwebwald «Macbeth» ins japanische Mittelalter.

DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD (Kumonosu-djo) Japan 1957

«Shakespeares ‹Macbeth›, inhaltlich getreu und formal brillant in eine stilisierte japanische Ritterzeit versetzt. Das blutige Drama vom Königsmord aus masslosem Ehrgeiz bekommt jedoch einen modernen Akzent. Ebenso abschreckend wie der skrupellose Kampf um die Macht zeigt sich die Unterdrückung der Machtlosen. Kurosawa entfaltet ein Samurai-Epos von überwältigender visueller Kraft, dessen ethische Grundproblematik universelle Bedeutung bekommt. Eine gelungene Synthese aus europäischer Literaturtradition und den rituellen Darstellungsformen der japanischen Kultur.» (Lexikon des int. Films) «Es ist bekannt, dass Kurosawa bei der Ins­ zenierung (…) auf Formen des No-Theaters zu-

rückgegriffen hat. Das beschränkt sich nicht auf die Schauspielerführung, auf die Stilisierung von Gesten, Gang und Mimik, etwa in den Szenen zwischen Asaji und Washizu, auf die Ausdruckslosigkeit von Stimme und Maske (…). Tatsächlich bestimmt die formale Grundhaltung des No den Film im Ganzen. Er stellt Handlungen und Vorgänge nicht (kinorealistisch) dar, sondern sie erstarren zu deren zeichenhafter Repräsentation.» (Karsten ­Visarius, in: Akira Kurosawa, Hanser Verlag 1988) 110 Min / sw / DCP / Jap/d // REEDITION MIT NEU RESTAURIERTER DIGITALER KOPIE // REGIE Akira Kurosawa // DREHBUCH Hideo Oguni, Shinobu Hashimoto, Ryuzo Kikushima, Akira Kurosawa, nach «Macbeth» von William Shakespeare // KAMERA Asakazu Nakai // MUSIK Masaru Sato // SCHNITT Akira Kurosawa // MIT Toshiro Mifune (Taketoki Washizu), Isuzu Yamada (Asaji, Taketokis Frau), Minoru Chiaki (Yoshiaki Miki, Taketokis Freund), Takashi Shimura (Noriyasu Odagura), Akira Kubo (Yoshiteru, Mikis Sohn), Chieko Naniwa (Hexe).


42 Reeditionen: The Kid und The Circus

Der «Tramp» in Topform Zum 125.  Geburtstag von Charles Chaplin – und zum 100.  Geburtstag seiner Figur des «Tramp» – zeigt das Filmpodium zwei seiner schönsten Filme als Reedition in digital restaurierter Fassung. MK2, die Firma des französischen Produzenten und Kinobetreibers Marin Karmitz, hat in den neunziger Jahren von den Chaplin-Erben die Verleihrechte erworben, unter der Bedingung, dass die Filme restauriert und auch wieder im Kino gezeigt würden. L’Immagine Ritrovata, das international hoch angesehene Labor der Cineteca di Bologna, übernahm die Re­staurationsarbeit und griff dabei u. a. auf Material zurück, das Chaplin dem Stadtarchiv von Montreux übergeben hatte. Das Ergebnis wird der legendären Sorgfalt des grossen Cineasten gerecht und lässt seine zeitlosen Werke in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen.

> The Kid.


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> The Circus.

THE KID

THE CIRCUS

USA 1921

USA 1928

Ein Tramp liest in den Londoner Slums ein ausgesetztes Baby auf und findet sich – zuerst widerstrebend, dann mit Hingabe – in die Rolle des Pflegevaters. Als die inzwischen zur berühmten Schauspielerin avancierte ledige Mutter auftaucht, scheint die Stunde der Trennung gekommen. «Chaplin reflektiert in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm die eigene Kindheit. Eine sentimentale, bittere, sozialkritische Tragikomödie, in der sich Realismus, Romantik und Fantas­ magorie dank Chaplins und des kleinen Jackie Coogans unwiderstehlicher Darstellung mit Gags und Slapsticks zu einem grossen Kinovergnügen verbinden.» (Lexikon des int. Films) «Wie immer bei Chaplin wird die opulente viktorianische Sentimentalität durch die erstaunliche Anmut seiner pantomimischen Künste und durch die ausgleichende Präsenz harter Realität geniessbar. Das Drama und die darin eingeflochtenen Gags werden zwischen Müll und Bordellen ausgespielt – eine verslumte Welt mit Stroheimähnlichem Detailreichtum.» (Geoff Brown, Time Out Film Guide)

«Die Story dieses Films entwickelte Chaplin aus der Situation des Tramps auf dem Seil, eine Slapstickszene, die ihn faszinierte, weil der Tramp darin in einer ausweglosen Lage ist. An die Stelle des ursprünglich ins Auge gefassten Varietémilieus trat der Zirkus, und das gab Chaplin Gelegenheit, noch eine ähnliche Szene zu kreieren: der Tramp im Löwenkäfig. The Circus wird von solchen Slapstickszenen beherrscht, die gegenüber der Handlung ein starkes Eigenleben haben. Sie sind jedoch alle, wie in The Gold Rush, aus den Ängsten und Nöten des Tramps entwickelt. Spiegelkabinett und Panoptikum sind Fluchtsituationen, in die der Tramp als unschuldig Verfolgter gerät, und auch sein erster Auftritt im Zirkus ist unfreiwillig. Der Erfolg der ungeplanten ‹Nummer› führt zum Engagement als Clown, doch zeigt sich rasch, dass der Tramp nicht bewusst komisch sein kann. Die Zirkusproben werden zu einer Lektion Chaplins in Sachen Komik, der im Medium Film über sich selbst und seine Figur reflektiert und den Ursachen seiner komischen Wirkung nachspürt. Nur das Ungeplante, Überraschende erweist sich als komisch, während das fest verabredete, nach ­Regeln ablaufende Spiel steril bleibt.» (Helmut G. Asper, in: Metzler Film Lexikon)

68 Min / sw / Digital HD / Stummfilm mit Musik, d. Zw’titel / 6 J // DREHBUCH UND REGIE Charles Chaplin // KAMERA R ­ oland Totheroh // MUSIK Charles Chaplin // SCHNITT Charles Chap-

72 Min / sw / Digital HD / Stummfilm mit Musik, d. Zw’titel / 6 J

lin (ungenannt) // MIT Charles Chaplin (Tramp), Jackie Coogan

// DREHBUCH UND REGIE Charles Chaplin // KAMERA Roland

(Kind), Edna Purviance (Mutter), Carl Miller (Mann).

Totheroh // MUSIK Charles Chaplin // MIT Charles Chaplin (Tramp), Merna Kennedy (Kunstreiterin/Stieftochter des Direktors), Henry Bergman (alter Clown), Harry Crocker (Rex, der Seiltänzer), Allan Garcia (Zirkusdirektor), George Davis (Zauberer), Stanley J. Sandford (Requisiteur), Steve Murphy (Taschendieb).


44 Filmpodium für Kinder

Mary Poppins

MARY POPPINS / USA 1964 139 Min / Farbe / Digital HD / D + E/d / 6 J // REGIE R ­ obert ­Stevenson // DREHBUCH Bill Walsh, Don DaGradi, ­basierend auf den ersten beiden «Mary Poppins»-Romanen von Pamela L. Travers // KAMERA Edward Colman // MUSIK Irwin Kostal, Richard M. und Robert B. Sherman // SCHNITT Cotton ­Warburton // MIT Julie Andrews (Mary Poppins), Dick Van Dyke (Bert/Mr. Dawes sr.), Karen Dotrice (Jane Banks), Matthew Garber (Michael Banks), David Tomlinson (George Banks), Glynis Johns (Winifred Banks).

Ein günstiger Wind weht – und die hübsche Mary Poppins schwebt mit ihrem aufgespannten Regenschirm aus den Wolken herab an die Cherry Tree Lane, ins Haus der Londoner Familie Banks. Hier wird ein Kindermädchen gesucht, denn die Eltern haben keine Zeit für ihre beiden Kinder Jane und Michael. Mary Poppins übernimmt sogleich das Kommando

und erobert Jane und Michaels Herzen im Nu: Sie zeigt ihnen, wie sich ihr Zimmer mit einem Fingerschnippen aufräumen lässt, hüpft mit ihnen durch ein Strassengemälde in eine fantastische Welt, die sie auf Karussellpferden reitend erforschen, und trinkt mit ihnen in luftigen Höhen Tee. So viel fröhliche Ausgelassenheit passt allerdings nicht in das Erziehungskonzept des gestrengen Vaters – schon bald gibt es Ärger. Die Disney-Produktion Mary Poppins ist ein wunderbar verspieltes Musical für Menschen aller Altersklassen – an das wir uns nicht erst seit Saving Mr. Banks erinnern –, mit ­einer zauberhaften Julie Andrews in ihrer ersten Leinwandrolle, voller Humor und überbordender Fantasie, dazu ein technisches Meisterwerk, das als einer der ersten Filme Animationen und Realfilm miteinander kombinierte. Auch mit fünfzig Jahren hat Mary Poppins nichts von seiner charmanten Frische verloren – noch heute ertappen wir uns dabei, die unverwüstlichen Melodien mitzuträllern oder versuchen uns einmal mehr am Zungenbrecher «supercalifragilisticexpialidocious»: ein Klassiker, der uns verzaubert, immer und immer wieder. Tanja Hanhart Hinweis: Wir zeigen den Film sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch mit deutschen Untertiteln. Bitte beachten Sie den Leporello.


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm) // SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 212 13 77 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 211 66 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Basisfilm, Berlin; Beta Film, Oberhaching; British Film Institute, London; Capelight Pictures, Ahrensfelde; Ciné-Tamaris, Paris; Cineworx, Basel; Deutsches Filminstitut – DIF, Wiesbaden; Filmcoopi, Zürich; Filmoteca española, Madrid; Hollywood Classics, London; Kindaieikyo, Tokio; Peter Langs/ Universal Studios Film Archive, Los Angeles; Library of Congress, Culpeper; Tony Lytle Media Sales,Twickenham; MK2, Paris; Motion Picture Licensing Corporation (MPLC), Zürich; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; NFA, Prag; Park Circus, Glasgow; Praesens Film, Zürich; Reel Media International, Plano; Spot On Distribution, Zürich; SRF Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich; Studiocanal, Berlin; Tamasa Distribution, Paris; Théâtre du Temple, Paris; Trigon-Film, Ennetbaden; Turbine Media Group, Münster; Warner Bros. (Transatlantic) Inc., Zürich; Warner Bros. Entertainment, Hamburg; Xenix Filmdistribution, Zürich. DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS & Partner, Zürich // KORREKTORAT N. Haueter, D. Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 9000 ABONNEMENTE Filmpodium-Generalabonnement : CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– / U25: CHF 40.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU Alexander Sokurow

Human Rights Watch

Spätestens mit Russian Ark, dem (damals)

In aller Welt kommt es immer wieder zu

technisch innovativen Panorama von 300

Verletzungen der Menschenrechte, ob in

Jahren russischer Geschichte in einer ein-

gescheiterten Systemen oder unter miss-

zigen Einstellung, gedreht im Winterpalais

bräuchlichen Regimes. Eine der Organi-

der St. Petersburger Eremitage, ist Alexan-

sationen, die genau hinsehen und solche

der Sokurow im Jahr 2002 ins Bewusstsein

Missstände publik machen, ist Human

des cinéphilen Publikums getreten. Dass

Rights Watch. HRW veranstaltet regelmäs-

er in seinen Dokumentar- und Spielfilmen

sig Filmfestivals mit Dokumentar- und

schon länger seinen eigenen Weg geht und

Spielfilmen, welche aktuelle Missstände vor

auch anderes zu bieten hat als opulente

Augen führen, und organisiert ergänzende

Geschichtslektionen, wird unser langjäh-

Podiumsdiskussionen. Im Spätherbst findet

riger Referent Fred van der Kooij in seiner

dieser Anlass erstmals im Filmpodium statt

neuen Vorlesungsreihe darstellen, die wir

und stellt eine Reihe von Premieren starker

mit einem Dutzend bekannter und weniger

Filme zur Debatte.

bekannter Titel des russischen Regie-Aus-

Vom 22. – 24.9. bleibt das Filmpodium ge-

senseiters bereichern.

schlossen. 25.9. – 5.10.: Zurich Film Festival


patricia

arquette

ellar

coltrane

Lorelei

and

ethan

LINKLATER hawke

“tender, funny, wise and wistful, full of warmth and humanity”

“an astonishing achievement”

★★★★★

★★★★★ the guardian

empire

„VON BEISPIELLOSER AUTHENTIZITÄT. EIN KLEINES KINOWUNDER.“ SRF KULTUR

WRITTEN & DIRECTED BY RICHARD LINKLATER

IM KINO


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