Filmpodium Programmheft April/Mai 2015 / Programme issue april/may 2015

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1. April –15. Mai 2015

Frederick Wiseman John Hurt


«Das Beste aus Venedig: Theeb erobert die Welt in einem (Sand)Sturm, ein Juwel, das den Orizzonti-Preis für die beste Regie verdient hat.» Huffington Post

Naji abu Nowar, jordaNieN

ab 9. april im Kino

Ausgewählte DVDs für Film-Gourmets www.trigon-film.org – 056 430 12 30


01 Editorial

Kino ohne Schranken Film ist eine audiovisuelle Kunstform. Wer hör- oder sehbehindert ist, kann sie nur bedingt geniessen. Kommt hinzu, dass das Kino – anders als TV, Video oder Internet – verlangt, dass man sich zu ihm hin bewegt, und das ist für gehbehinderte Menschen kein Klacks. Deshalb bemühen wir uns, für Filmfans mit Einschränkungen möglichst viele Barrieren abzubauen. Seit seinem Einzug ins ehemalige «Studio 4» vor über 30 Jahren verfügt das Filmpodium über einen Rollstuhllift, um Menschen mit Mobilitätsbehinderung den Zugang zum Saal zu erleichtern. Seit Anfang 2015 ist das Kino zudem mit einer Funk-Höranlage ausgestattet, die es Hörbehinderten erlaubt, z. B. Podiumsdiskussionen besser zu verfolgen und die Filmlautstärke individuell anzupassen. Die dazugehörigen Kopfhörer ermöglichen es nicht nur, ­Simultanübersetzungen zu empfangen, sondern auch Audiodeskriptionen für Sehbehinderte. Solche Hörfilme sind fürs Kino vorläufig erst in sehr beschränktem Umfang verfügbar, doch die zunehmende Verwendung digitaler Bild- und Tonträger dürfte das Angebot in diesem Bereich allmählich erweitern. Mit solchen Schritten in Richtung Barrierefreiheit leistet das Filmpodium seinen Beitrag, um möglichst viele Menschen am städtischen Kulturangebot teilhaben zu lassen. Apropos Teilhabe: Die allermeisten Filme, die in unserem Programm laufen, stammen aus anderen Sprachräumen. Mit Ausnahme der Kinderfilme, die ein Publikum ansprechen, das weder Fremdsprachen beherrscht noch schnell lesen kann, spielt das Filmpodium in aller Regel Originalfassungen. Wenn immer möglich, werden sie natürlich mit deutschen Untertiteln gezeigt, aber oft sind solche nicht verfügbar. Gerade bei Filmen aus exotischeren Gefilden, aber auch von ausländischen Archiven und Verleihern können dann bestenfalls Kopien mit englischen Untertiteln besorgt werden. Filme selber zu untertiteln ist sehr aufwendig und wegen knapper Ressourcen für uns nur in Ausnahmefällen möglich. Manchmal immerhin stellen DVD-Firmen ihre Untertitel zur Verfügung, so dass wir diese elektronisch auf die Leinwand projizieren können. Darum – oder trotzdem – laufen manche Filme bei uns nur in der Originalfassung ohne Untertitel, im aktuellen Programm auch lange, dialoglastige Werke von Frederick Wiseman. Wir halten diese Filme für zeigens- und sehenswert – und sind unserem sprachbegabten Publikum dankbar, wenn es sich trotz dieser Einschränkung darauf einlässt. Michel Bodmer Titelbild: Nineteen Eighty-Four mit John Hurt


02 INHALT

©John Ewing

Frederick Wiseman

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John Hurt

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Frederick Wiseman (*1930), ursprüng­lich Jurist, beschloss bei einem Besuch in Bridgewater, einer Anstalt für kriminelle Geisteskranke, die dortigen Missstände filmisch festzuhalten. Mit dem aufrüttelnden Ergebnis, Titicut Follies, begann Wiseman 1967 seine Karriere als Cineast. Seither ist er vor allem dank seiner aufschlussreichen Porträts komplexer Institutionen (Polizei, Krankenhaus, Schule, Ballett, Frauenhaus, Gericht usw.) zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Dokumentarfilmer überhaupt avanciert. Im Kino lief eben sein jüngstes Werk an, National Gallery; nun zeigt das Filmpodium dreizehn seiner früheren Filme. Am 15.  April ist Wiseman bei uns zu Gast und referiert im Rahmen einer Master Class über sein Werk, das schon mehr als 40 Titel umfasst.

John Hurt hat die gegensätzlichsten Charaktere verkörpert: Opfer und Täter, Unterdrückte und Unterdrücker, Scheue und Kecke, halbseidene Figuren mit gesellschaftlichen Ambitionen und schrille Exzentriker. Seine prägnante Stimme hat ihn zum gefragten Synchronsprecher und Off-Erzähler gemacht, sein subtiles und gleichzeitig kraftvolles Spiel zum Neben- und Hauptdarsteller in annähernd 200 Filmen und Fernsehproduktionen. Im Jahr seines 75. Geburtstags und seiner Erhebung in den Adelsstand haben wir eine repräsentative Auswahl von Klassikern – The Elephant Man, Nineteen Eighty-Four – und hierzulande noch nie gezeigten Titeln wie dem frühen Little Malcolm and His Struggle Against the Eunuchs oder Billy Bob Thorntons neuester Regiearbeit Jayne Mansfield’s Car zusammengestellt.

Bild: Frederick Wiseman

Bild: Scandal


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Das erste Jh. des Films: 1945

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Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stürmten bahnbrechende Dramen die Leinwand: vom Widerstandsdrama Roma, città aperta über die Liebesdramen Les enfants du paradis und Brief Encounter bis zum Alkoholikerdrama The Lost Weekend und dem schweizerischen Flüchtlingsdrama Die letzte Chance.

Filmpodium für Kinder: Finn

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Für Fussball kann sich der verträumte Finn nur wenig begeistern, vielmehr findet der 9-Jährige, zum Ärger seines Vaters, im Geigenspiel seine neue Leidenschaft – ein berührender Familienfilm über eine aussergewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung. Bild: Finn

Einzelvorstellungen Premiere: Les ponts de Sarajevo 34 Ein Anthologiefilm über «100 Jahre Sarajevo» mit Beiträgen von Ursula Meier, Jean-Luc Godard, Cristi Puiu und zehn weiteren Filmschaffenden. Bild: Les ponts de Sarajevo

Premiere: Gardenia

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Liebevoll und melancholisch: Die Geschichte des erfolgreichen Büh­ ­ nenstücks «Gardenia» und seiner Hauptdarsteller – lauter homo- und trans­sexueller Männer.

Reedition: Der 10. Mai – Angst vor der Gewalt Pink Apple: Die Lose-HosenDream-Dress-Show IOIC-Soirée: Feu Mathias Pascal Zur Kosmos-Ausstellung im Museum Rietberg: The Tree of Life Sélection Lumière: Fellini Satyricon

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05 Frederick Wiseman

Die Wucht der gesprochenen Sprache Seit 1967 hat der Amerikaner Frederick Wiseman mehr als vierzig Filme gedreht, in aller Regel Porträts von Institutionen. Der Doyen des beobachtenden Dokumentarfilms ist eine Legende, in der Schweiz kamen bisher aber nur seine Spätwerke La danse und National Gallery ins Kino. Der Regisseur Thomas Imbach, der Wiseman seit langem schätzt, hat die Filme unserer Retrospektive gesehen. Drei Jahre älter als mein Vater, zwei Jahre älter als Jean-Luc Godard, elf Jahre älter als Bob Dylan – Frederick Wiseman arbeitet seit bald fünfzig Jahren unermüdlich am gleichen Werk, einem Drama des absurden Alltags. Wiseman ist der Luther des Kinos, er hört den Leuten aufs Maul; in seinen Filmen bekommt die gesprochene Sprache eine Anschaulichkeit wie sonst selten im Kino. Philosophisch betrachtet könnte die filmische Erforschung des «kommunikativen Handelns» als seine grösste Errungenschaft gelten. Ein gutes Beispiel dafür ist Near Death (1989), in dem Ärzte und Pflegepersonal mit den todkranken Patienten und ihren Angehörigen geduldig den schwierigen Dialog darüber führen, wann und ob es sinnvoll ist, die künstliche Beatmung fortzusetzen oder den Patienten «gehen zu lassen». So wirkt es wie ein forcierter Befreiungsschlag, als der junge Arzt – in seiner Eloquenz erinnert er an den jungen Woody Allen – eines Morgens, nach fünf Stunden Filmdauer, einem Patienten euphorisch eröffnet: «Today is the day, we get this tube out today. Big day today.» Und wie dann dessen Frau den hechelnden Patienten ermutigt: «Charlie, you are breathing on your own, you know.» Erst im Abspann erfahren wir, dass Charlie den Austritt aus der Intensivstation nicht überlebt hat. Die Welt als Irrenhaus Am Anfang von Wisemans «Never-Ending Movie» steht der verrückte Auftakt von 1967: Titicut Follies. Es wird nicht das letzte seiner Werke sein, in dem sich die Welt als Irrenhaus entpuppt. Der Film beginnt mitten in einer bizarren Varieté-Show von Gefangenen und Wärtern des Bridgewater State Prison for the Criminally Insane. Als der Gefängnisarzt – mit jugoslawischem Akzent, einem Blinzeltick und glimmender Zigarette im Mund – einem älte-

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Einblick in die Niederungen der Gesellschaft: Welfare Porträt eines Balletts auf höchstem Niveau: La danse – le ballet de l’opéra de Paris


06 ren, nackt auf dem Schragen liegenden Gefangenen den Zwangsernährungsschlauch durch die Nase in die Speiseröhre einführt – «swallow, just swallow» –, schneidet Wiseman unvermittelt auf eine Einstellung des alten Mannes, in der er tot im Sarg liegt. Auf solche spekulativen Mätzchen wird Wiseman, von Anfang an sein eigener Cutter, später völlig verzichten. Ganz im Gegenteil entwickelt er eine Dramaturgie, die ihre Höhepunkte stets aus den Szenen selber schöpft: Am Ende des nächsten Films, High School (1968), verliest eine Lehrerin den Brief ihres Ex-Schülers, der in Vietnam kurz vor dem Abflug ins Kriegsgebiet seinen letzten Willen kundtut: Die Schule solle seine «kleine» Lebensversicherung bekommen. Seine Familie finde es bescheuert, was er im Krieg anstelle, doch stehe er nur ein für die Werte von Südvietnam und der freien Welt: «Am I wrong, Dr. Haller?» 33 Jahre später enden Wisemans Filme formal subtiler, inhaltlich aber nicht weniger krass. In Domestic Violence (2001) ruft ein betrunkener Mann die Polizei, weil er es mit seiner Freundin, die erschöpft am Bettrand sitzt, nicht mehr aushalte. Der Polizist hat keine Handhabe, um jemanden wegzuschicken, und wünscht den beiden eine gute Nacht, am besten in getrennten Schlafzimmern. Wiseman überlässt es uns, ob und wie die beiden die Nacht überleben werden. Domestic Violence 2 (2002) spielt vor Gericht; nach quälend langen (196 Minuten), aber fesselnden Verhandlungen zwischen übergriffigen Richtern und verwahrlosten Paaren tritt eine junge Mutter vor und schwört, dass sie nicht mehr an der Anklage gegen ihren Mann festhalte und eine Lösung für das Kind gefunden habe. Der Richter verabschiedet sie mit einem «Dismissed», sie dreht sich um und sagt im Hinausgehen «Have a good day», worauf der Richter ihr fast beschwingt «You too» nachsingt – ein zynischer Abgesang oder ein Funken Hoffnung für die junge Frau? Meister des «filmischen Pragmatismus» Frederick Wiseman ist der Anti-Michael-Moore des amerikanischen Dokumentarfilms. Obwohl inzwischen ein Klassiker, war er schon in den sechziger Jahren unzeitgemäss und ging seinen eigenen Weg, unabhängig von der Szene um die Dokfilmer Richard Leacock oder D. A. Pennebaker. Nicht ganz zufällig habe ich meinen ersten Wiseman-Film und ein TV-Porträt Ende der achtziger Jahre im dritten Programm des französischen Fernsehens entdeckt. In der Schweiz, dem Land des «anwaltschaftlichen Dokumentarfilms», interessierte Wiseman noch nicht. Seine Darsteller sprechen nie zur Kamera oder zum Filmemacher mit der Haltung «Jetzt will ich euch von mir erzählen», sondern er beobachtet sie stets in Interaktion oder im Dialog mit den Wärtern, Lehrern, Polizisten, Richtern, Ärzten der jeweiligen Institution. Ebenso verzichtet er auf einen Kommentar aus dem Off. Auf dem Dreh ist er ein Kundschafter, beim Schnitt ein Analytiker. Das Aufregendste dabei ist, dass seine Filme nicht spekulativ funktionieren; nie wird im Voraus erklärt, wer die Guten und wer die


07 Bösen sind. Durch sein insistierendes Beobachten und die kluge Montage werden wir selber zum Entdecken und Analysieren provoziert. In The Store (1983), meinem ersten Wiseman-Film, hat er sich ein nobles Warenhaus in Dallas vorgenommen. Wir sehen, wie die Upperclass ihre Einkäufe tätigt und die Angestellten ausgelassen ihre Geburtstage feiern. Ich war begeistert und gleichzeitig verblüfft von seiner Arbeitsweise: Diese Kombination von Freiheit beim Drehen und Zuspitzung beim Schnitt, nach der ich in meiner eigenen Arbeit strebte, existierte bereits! Wiseman wurde für mich zum Meister des «filmischen Pragmatismus». Er denkt sich einen Film nicht zuerst aus, sondern er macht ihn. «Meine Projektanträge sind normalerweise eineinhalb Seiten lang.» Den Schauplatz besucht Wiseman erst einen Tag vor dem Dreh, weil er nichts davon hält, sich an den Ort und die Darsteller zu akklimatisieren: «Die lerne ich während des Drehs kennen.» Seit Titicut Follies pflegt er einen minimalen, aber intelligenten Drehstil: Er selber nimmt den Ton auf und führt mit eingeübten Handzeichen seinen Kameramann. Wenn man wissen will, wie er es schafft, dass sich die Leute von der Kamera nicht einschüchtern lassen, meint Wiseman keck: «Es dauert in der Regel vier Sekunden, dann haben sie die Kamera vergessen.» Es stimmt: Je weniger Aufhebens der Filmer selber macht, desto natürlicher verhalten sich die Laien. Die Kamera wird bei Wiseman selber zu einer teilnehmenden Figur, die Entscheidungen trifft, schwenkt, heranzoomt, sich vom Rücken bis zur frontalen Grossaufnahme dreht. Er lässt einen Dreh nicht abbrechen, wenn es langweilig wird: «Denn sobald man abbricht, verpasst man das Beste.» So erwischt er in Essene (1972) den älteren, grantigen Pater, der sich bei einem theologischen Zwiegespräch mit einem jüngeren Kollegen gegen die allzu vertrauliche Verwendung von Vornamen ausspricht («familiarity breeds contempt»), wie er unerwartet die Fliegenklatsche aus der Schublade zieht und damit seinen Groll auf das Pult haut. Wisemans Erfahrungen und Leitsätze habe ich damals wie ein Schwamm aufgesogen und versucht, sie in meinen Filmen Well Done (1994) und Ghetto (1997) auf meine Art und Weise fruchtbar zu machen. Als ich Wiseman 1997 in Locarno persönlich begegnete, fiel mir auf – er war damals schon 67 –, wie fit und körperlich präsent er war und wie viel grösser und stärker als in meiner Vorstellung. Diese Ausstrahlung hat mich beflügelt, und ich nahm mir sofort vor, mehr von seinen Filmen anzuschauen. Ich danke dem Filmpodium dafür, dass es diesen Wunsch nun erfüllt. Thomas Imbach Thomas Imbach ist Filmemacher in Zürich. Mit einer Mischung aus Cinéma-vérité-Kameraführung und rasanten Schnittserien hat er die Grenzen zwischen Spiel- und Dokumentarfilm ausgelotet. Seit Happiness Is a Warm Gun (2001) führt er dies mit fiktionalen Stoffen und einer passionierten Schauspielführung weiter. Seine letzten Arbeiten sind die fiktive Autobiografie Day Is Done (2011) und der englisch-französische Kostümfilm Mary Queen of Scots (2013).


> High School II.

> Law and Order.

> High School.

> Titicut Follies.

> Essene.

> Near Death.


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Frederick Wiseman.

TITICUT FOLLIES USA 1967 «Wiseman, ein ausgebildeter Jurist, hat sich als ständig in Entwicklung befindliches filmisches Thema den amerikanischen Gesellschaftsvertrag erkoren und wie die Maschinerie des Staats diesen aufrechterhält oder zerfetzt. Sein Erstling ist eine Höllenfahrt in eine Anstalt für kriminelle Geisteskranke in Massachusetts, wo offenbar die Irren das Kommando übernommen haben. Die Montage verwischt oft absichtlich die Unterschiede zwischen Patienten (manche unrettbar gestört, manche verzweifelt vernünftig) und Ärzten. Wiseman fixiert seinen ruhigen, stahlharten Blick auf Missbrauch, Vernachlässigung, ärztliche Inkompetenz und furchtbare Zustände; eine grauslich expressionistische Sequenz, eine Seltenheit in Wisemans Werk, schneidet hin und her zwischen der Zwangsernährung eines Patienten und der späteren Herrichtung von dessen Leichnam. Es fällt oft schwer, den Film anzuschauen – und lange Zeit war es fast unmöglich, ihn zu sehen. Die Behörden von Massachusetts unterdrückten Titicut Follies ein Vierteljahrhundert lang mit der Begründung, der Film verletze die Privatsphäre der Insassen – ein lächerlicher Vorwurf, denn es ist quälend klar, dass diese M ­ änner überhaupt keine Rechte hatten.» (Jessica Winter, Time Out Film Guide) «Der Titel stammt von einer Varieté-Show, die von den Wärtern und den Patienten aufgeführt wird und aus welcher Aufnahmen am Anfang und Ende sowie zwischendurch im Film zu sehen sind. Es wird gesungen und getanzt, und alle Beteiligten scheinen Spass zu haben (einer der Patienten, dessen Auftritt vorbei ist, verbeugt sich immer wieder begeistert). Trotz dieses Eindrucks von Gemeinschaft und Glück sind diese ‹Tollheiten› nichts anderes, als was wir gesehen haben: Bemühungen, Behaglichkeit zu schaffen an einem Ort, wo diese faktisch unerreichbar ist.» (Rumsey Taylor, NotComing.com, 2008)

ren sie die letzte Verteidigungslinie gegen die Proteste und Umwälzungen von 1968.» (Karen Everhart Bedford, current.org, 27.2.2004) «Trotz des politisch geladenen Klimas jener Zeit wirken die Schüler der Northeast High School politisch teilnahmslos. Die meisten streiten mit der Lehrerschaft nur um Rocklängen und die Erlaubnis, sich ausserhalb des Klassenzimmers aufzuhalten. (...) Eine junge Lehrerin versucht ihre Schüler zu begeistern, indem sie eine Platte von Simon & Garfunkel in den Unterricht mitbringt, doch sie ist offenbar die Ausnahme. Zu den Regelfällen gehört etwa eine ältere Lehrerin, die einer halbkomatösen Schar von Teenagern lustlos die Baseball-Ballade ‹Casey at the Bat› vorliest. Die letzten Momente des Films zählen zu den denkwürdigsten und beweisen, dass die industrielle Umgebung der Schule nicht nur Autoteile zu fabrizieren vermocht hat: Eine entzückte Lehrerin liest einen Brief eines ehemaligen Schülers vor, der in Vietnam Dienst leistet. Der Schüler lobt im Brief die Lektionen, die man ihm an der Northeast erteilt hat, und freut sich, dass er gelernt hat, nicht mehr zu sein als ‹ein Körper, der eine Aufgabe erfüllt›.» (Beth Gilligan, NotComing.com, 2008) «High School wirkt so vertraut und suggestiv, dass uns ein Gefühl von Empathie mit diesen Schülern durchströmt. Wie haben wir das durchgestanden? Wie haben wir uns irgendwelche Willenskraft erhalten? (...) Da ist alles wieder – das Beharren darauf, dass man Achtung zeigen soll; und der unglaubliche Instinkt der Lehrer für ‹Missachtung›, bei dem ihre Fühler stets nach jenem Quäntchen Zurückhaltung oder Ironie in deinem Tonfall suchen, dem winzigen Funken, den du so verzweifelt brauchst, um deine Selbst-Achtung zu bewahren.» (Pauline Kael, The New Yorker, 18.10.1969) 75 Min / sw / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick ­Wiseman // KAMERA Richard Leiterman.

LAW AND ORDER USA 1969

84 Min / sw / Digital SD / E/d // REGIE UND SCHNITT F ­ rederick Wiseman // KAMERA John Marshall.

HIGH SCHOOL USA 1968 «Das zentrale Thema von High School ist der Konflikt zwischen Konformismus und Selbstverwirklichung – ein zeitloser Kampf für Teenager, der in diesem Dokumentarfilm an Dringlichkeit gewinnt, wenn Lehrer und Verwalter stumpfsinnige Disziplin durchsetzen und gesellschaftliche Normen vertreten, die heute rückständig anmuten. In mehreren Szenen reagieren die Erzieher, als wä-

«1969 war eine Zeit von beispiellosem gesellschaftlichem Aufruhr in den USA. Mittlere und grosse Städte – wie Kansas City – kämpften mit Rassenkonflikten und dem Verfall der Städte, wobei die Polizei für beides viel Schuld auf sich nehmen musste. Wisemans zentrale Absicht scheint es zu sein, die Polizei als eine Schar von Durchschnittsmenschen zu porträtieren, die eine undankbare Arbeit machen, und nicht als die Unterdrücker, für die manche sie halten. Dabei will er nicht etwa die Polizei zu Unrecht verklären, sondern die Leute mit einer zunehmend um sich greifenden Meinung konfrontieren und sie anregen, diese zu hinterfragen. Die Frustration der Polizis-


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Frederick Wiseman. ten spiegelt jene der Menschen, denen sie dienen. Wiseman bemüht sich sehr zu zeigen, wie die ­Beamten Gefühle wie Angst, Freude, Sorge ausdrücken, und versucht sie so menschlich zu machen. Das tut er, aber gleichzeitig stellt er sicher, dass sie anonym bleiben; nie werden Namen oder private Informationen preisgegeben. Wiseman springt so schnell von Szene zu Szene, dass die Männer einer Prozession leerer Uniformen ähneln. Auf diese Weise begründet Wiseman vielleicht die verbreitete Wahrnehmung der Polizei als Institution und nicht als Gruppe von Individuen.» (David Carter, NotComing.com, 2008) 81 Min / sw / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick ­Wiseman // KAMERA William Brayne.

ESSENE USA 1972 «Wisemans gemässigte Betrachtung von Mikrokulturen findet ihren vollen Ausdruck in seiner detaillierten Beobachtung des Gemeinschaftslebens in einem Benediktinerkloster. In dieser noch frühen Phase seiner Laufbahn lässt er das menschliche Drama sich allmählich in längeren Einstellungen abspielen, und so taucht das Publikum ein in private, unverstellte Momente, wenn die Mönche beten, heilen, diskutieren und Gruppentherapie betreiben. Als Zuschauer bekommt man eine heilige Zutrittsbefugnis zu einer relativ liberalen geistlichen Gemeinschaft, die an obskure Vorschriften gebunden ist. Im Vergleich zu den öffentlichen Institutionen in Wisemans Werk wirken die Konflikte, die hier entstehen, leiser, intellektueller, und man gönnt sich hier Zeit und Raum für ihre gründliche Auslotung.» (Katalog Harvard Film Archive, 2011) «Wenn Wiseman sich ‹evangelischen› Themen zuwendet, (...) spüren wir typischerweise die Abwesenheit Gottes und nicht seine Gegenwart. (...) Essene spielt in einem Kloster. Ein Mönch verfolgt endlos eine Fliege mit einer Fliegenklatsche. Das ist äusserste Langeweile als religiöse Ekstase.» (Errol Morris, The Paris Review, 28.2.2011) 86 Min / sw / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick ­Wiseman // KAMERA William Brayne.

WELFARE

Der Film wirft einen scharfen Blick auf die erschöpften, melancholischen und wütenden Gesichter von Sozialarbeitern und Klienten. Beide Gruppen sind verstrickt in einem grausamen, herzlosen System, in dem die Kernfrage lautet, wer verantwortlich ist, die Philosophie des Fatalismus dominiert und ein allgemeines Klima von beengendem Chaos herrscht. Wiseman vermeidet einfache Stereotypen: Seine Beamten sind nicht gefühllose Schurken und die Klientinnen nicht Angehörige einer heldenhaften, politisch denkenden Masse. Manche Mitglieder dieses Zentrums versuchen, die entmenschlichende Bürokratie zu lindern, kämpfen angesichts der Hoffnungslosigkeit der Institution aber gegen Windmühlen. Der Film wird nie parteiisch oder sentimental und spitzt auch nichts zu, doch als Ganzes macht er so wütend, dass man nach der Demontage des ganzen Systems der Sozialhilfe (oder des Kapitalismus?) schreit.» (Leonard Quart, Time Out Film Guide) 167 Min / sw / Digital SD / E/d // REGIE UND SCHNITT ­Frederick Wiseman // KAMERA William Brayne.

NEAR DEATH USA 1989 «‹Sechs Stunden›, das mag auf den ersten Blick lange erscheinen für einen Kinofilm; für einen Versuch über die letzten Dinge und die schwersten Entscheidungen erscheint es jedoch bestenfalls angemessen. Wiseman, bescheiden: ‹Selbst bei dieser Dauer kann ich die Komplexität einiger Fragen über die Einstellung medizinischer Betreuung nur andeuten.› Ein Film über die Medical Intensive Care-Abteilung im Bostoner Beth Israel Hospital, und darüber, wie man dem Tod entgegentritt. Wiseman präsentiert anhand von vier Fällen die vielfältig verflochtenen Verhältnisse zwischen den Patienten, ihren Familien, den Ärzten, Krankenschwestern, Hospitalangestellten und religiösen Beratern. Sie alle müssen sich den ethischen, medizinischen, psychologischen, religiösen und rechtlichen Fragen stellen, die die Entscheidung betreffen, ob sterbende Patienten eine lebensverlängernde Behandlung erhalten sollen. Ein transzendenter Film.» (Christoph ­Huber, Österreichisches Filmmuseum, 3/2005) 358 Min / sw / Digital SD / E/d // REGIE UND SCHNITT ­Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.

USA 1975 «Wisemans schonungslose ‹vérité›-Kamera nimmt uns mit in ein New Yorker Sozialhilfebüro, wo Amerikas Opfer (aller Rassen, Altersstufen und Gemütsverfassungen) ihr Elend vorführen, um genügend Geld zum Überleben zu erhalten.

HIGH SCHOOL II USA 1994 «Ein Vierteljahrhundert nach seiner ersten HighSchool-Erkundung konfrontiert sich Wiseman er-


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Frederick Wiseman. neut mit dem amerikanischen Schulwesen. Keine Fortsetzung, eher ein (selbstkritischer) Kommentar des ersten Films und respektvoller Gegenentwurf. Wisemans Beobachtungen in der Central Park East Secondary School, einer öffentlichen Schule in Spanish Harlem, New York, zeigen einen Schulalltag, der durch alternative Lehrmethoden und die Ermutigung zur Selbstverantwortung geprägt ist. Deutlich wird der Druck der sozialen Wirklichkeit (Drogenprobleme, Rassismus, Familienkonflikte), die häufig Anlass zu beeindruckenden Debatten im Unterricht gibt (in die Zeit der Dreharbeiten fallen die Unruhen in Los Angeles nach dem Rodney-KingUrteil) – und man versteht, warum diese Schule im Vergleich erfolgreich ist. Ein Film auf der Höhe seiner Zeit, mit einer Fülle von grandiosen, absurd-komischen Szenen.» (Constantin Wulff, ­Österreichisches Filmmuseum, 3/2005) 220 Min / Farbe / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.

FREDERICK WISEMAN

DOMESTIC VIOLENCE USA 2001 «Mit Ausnahme der Anfangs- und Schlussszenen spielt sich Domestic Violence ganz in einem Frauenhaus ab. Die Handlung folgt dem dortigen ­Tagesablauf: vormittags Einzelgespräche, nach­ mittags Gruppensitzungen und am Abend die Sitzungen der Therapeuten, die die Opfer betreuen. Zwischen diesen Sequenzen zeigt Wiseman mal das scheinbare Fliessen der Stadt, mal die hermetischen Fassaden dieser Institution. Hinter diesen Mauern dreht sich das Sprechtheater um einen Feind, der zugleich abwesend und verinnerlicht ist: den Ehemann, den Partner, der mit seinem herrschsüchtigen und gewalttätigen Verhalten diese Frauen körperlich und seelisch gepeinigt hat. Während der Gruppentherapie fixiert die Kamera ebenso das Gesicht der Frau, der es gelingt, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, wie das der zuhörenden Teilnehmerin-

MASTER CLASS MI, 15. APRIL | 15.00 UHR

Frederick Wiseman gibt sich stets degoutiert, wenn jemand sein Werk als «fly on the wall»-Filmemachen bezeichnet; eine Fliege an der Wand würde andere Entscheidungen treffen, meint er ironisch. Tatsächlich ist Wisemans seit 1967 praktizierte zurückhaltende Form der Beobachtung, die eine auktoriale Präsenz fast völlig ausblendet (keine Interviews, kein Kommentar, keine Musik), stilprägend für ein möglichst objektives Dokumentarfilmschaffen geworden. Wiseman selbst nimmt aber weder Objektivität noch so etwas wie Wahrheit für sich in Anspruch. Er weiss genau, dass nicht nur die Kameraführung, sondern vor allem auch der Schnitt subjektive und narrative Elemente einbringen, so dass er seine Filme «reality fictions» nennt. Diese verschaffen dennoch aufschlussreiche und faszinierende Einblicke in Institutionen aller Art, die bei Wiseman als komplexe Organismen erscheinen, die sowohl für Systemfehler als auch für menschliches Versagen anfällig sind. Am 15. April wird Frederick Wiseman im Filmpodium anlässlich einer öffentlichen Master Class (15.00 Uhr, Dauer: ca. 90 Min.) über sein Werk Auskunft geben und zudem die Filme La dernière lettre (17.00 Uhr) und Welfare (19.00 Uhr) kommentieren. Für die Unterstützung, die den Besuch des Filmemachers und die Master Class überhaupt ermöglicht hat, dankt das Filmpodium dem Seminar für ­Filmwissenschaft der Universität Zürich, Prof. Dr. Margrit Tröhler, und der Zürcher Hochschule der Künste, Fachrichtung Film, Prof. Christian Iseli. Die Master Class moderiert der Schweizer Cineast Thomas Imbach (in engl. Sprache).


> Domestic Violence.

> La dernière lettre.

> Crazy Horse.

> Domestic Violence 2.


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Frederick Wiseman. nen. Die Montage erkundet die Art und Weise, wie die Worte in dieser Gruppe zirkulieren, bis sie bei einer weiteren Teilnehmerin den Mut wecken, ihrem Zorn, ihrem Schmerz und ihren Ängsten Ausdruck zu verleihen. Diese Frauenstimmen legen brutal offen, wie viel Sadismus und verdrängtes Leid unsere sogenannt zivilisierten Gesellschaften verbergen.» (Katalog Visions du réel 2002) 196 Min / Farbe / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.

DOMESTIC VIOLENCE 2 USA 2002 «Wo Domestic Violence von den Opfern dominiert wurde sowie die Arbeit in einem Sozialzentrum in den Mittelpunkt rückte und damit gleichsam nicht institutionalisierte Strategien des Konfliktmana­ gements verfolgte, verlagert Domestic Violence 2 sein Augenmerk auf die Täter und das Geschehen an seinen angestammten Ort, in den Gerichtssaal. Wiseman geht vor wie immer, er greift nicht ein, sondern nutzt eine bestehende Öffentlichkeit, um in langen Einstellungen die Gerichtsanhörungen mitzuvollziehen. Der Film ist dabei in mehrere Blöcke geteilt, die verschiedene Stadien der Verhandlungen zeigen: Es beginnt bei den Anklagen, bei denen geklärt wird, mit welchen Personen die Festgenommenen in Zukunft keinen Kontakt mehr haben dürfen. (...) Wiseman interessiert sich weniger für die formalen Bedingungen, sondern für einen ersten Einblick in den institutionellen Ablauf (und die soziale Konstellation) der Fälle. Deutlicher noch wird dieser Zugang in den weiteren Stationen des Films, in denen Täter und Opfer vor Gericht konfrontiert werden und Rede und Antwort stehen, wobei es einer Richterin obliegt zu entscheiden, ob man es bei den betroffenen Paaren noch auf einen Versuch ankommen lässt oder eben nicht. Die Insistenz des Beobachters und die Dauer, mit der Wiseman Fall für Fall abspult, sind es hierbei, die eine Fülle an Details erkennen und letztlich die Dynamiken gewaltbereiter Beziehungen als komplexe Erfahrungen anschaulich werden lassen.» (Dominik Kamalzadeh, Katalog Viennale 2003) 196 Min / Farbe / 16 mm / E // REGIE UND SCHNITT Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.

LA DERNIÈRE LETTRE Frankreich/USA 2002 «Catherine Samie (von der Comédie-Française) trägt einen ergreifenden Brief vor, den eine Jüdin 1941 an ihren Sohn geschrieben hat, um die Ver-

nichtung ihrer Gemeinde nach der Eroberung ihres winzigen ukrainischen Städtchens durch die Nazis zu schildern. Die Geschichte beruht auf einem Kapitel aus ‹Leben und Schicksal›, Wassili Grossmans epischem Roman über den russischen Kampf gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg. (...) Wiseman macht etwas Neues in La dernière lettre: Er dokumentiert das Geschick einer Schauspielerin, und Samie zeigt sich dieser Situation gewachsen. (...) Obschon es ein Monolog ist, stilisiert Wiseman La dernière lettre und inszeniert Samies Auftritt mit einer Kühnheit, die er in einem seiner ungekünstelten Dokumentarfilme nie anwenden würde. Sie wird als sterbende Essenz eingefangen – ihr langer Schatten wird auf eine Wand geworfen. Als sie ­weiterfährt, wird sie dramatisch beleuchtet und umringt von einem Dorf aus ihren eigenen Schatten – vier oder fünf Gestalten ragen auf, während sie von ihrer Entmenschlichung spricht, ohne die Qualen zu übertreiben, die ihre Seele dabei erleidet.» ­(Elvis Mitchell, The New York Times, 29.1.2003) 61 Min / sw / Digital SD / F/d // REGIE Frederick Wiseman // DREHBUCH Véronique Aubouy, Frederick Wiseman, nach dem Roman «Leben und Schicksal» von Wassili Grossman // KAMERA Giorgos Arvanitis // SCHNITT Luc Barnier, ­Frederick Wiseman // MIT Catherine Samie (Anna Semjonowna).

LA DANSE – LE BALLET DE L’OPÉRA DE PARIS Frankreich/USA 2009 «Fanatische künstlerische Hingabe ist das Thema von Frederick Wisemans La danse, einem Porträt des Balletts der Pariser Oper. (...) Viele von Wisemans Filmen handelten von Institutionen (einem Polizeiapparat, einem Frauenhaus), die nicht gut funktionierten oder kaputte Amerikaner, die aus den Schienen des wirtschaftlichen und körperlichen Erfolgs gesprungen waren, bloss einpferchten. Es ist ein freudiges Erlebnis, hier eine Institution in voller Blüte zu erleben – nicht Verwahrlosung und Unordnung zu sehen, sondern die vielen Formen von Streben und Tugend.» (David Denby, The New Yorker, 2.11.2009) Diese Dokumentation zeigt «das Ballett der Pariser Oper bei Proben und technischen Vorbereitungen von ‹Der Nussknacker› bis zu ‹Orpheus und Eurydike›. (...) La danse ist ein Glanzstück der Beobachtung: Zweieinhalb Stunden lang verfolgt Wiseman das mühselige Training, besucht Kostümbildner und Lichttechniker, flicht eine Sitzung über Sponsoringgelder ein. Sein dialektischer Blick geht auf die innere Mechanik, auf Verhältnisse, aufs Ganze: Während auf dem Dach des Palais Garnier ein Imker werkelt, schwimmen Fische durch den sumpfigen


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Frederick Wiseman. Unterbauch des Gebäudes. Es ist eine bizarre Rahmung für das Spektakel der Körper auf der Bühne, das man selten so sinnlich erfährt und dessen Höhepunkt Wayne McGregors spartanisch-gespenstische Ballettinszenierung ‹Genus› ist. Wiseman fasziniert, weil er Bedeutungsräume öffnet – ganz ohne Kommentar und ohne perfekt ausgeleuchtete Interviewpartner.» (Pascal Blum, Tages-Anzeiger, 26.7.2011)

Handwerk und Unterhalt, das Summen von Aufmerksamkeit und Kompetenz.» (David Denby, The New Yorker, 30.1.2012) 134 Min / Farbe / DCP / F/d // REGIE UND SCHNITT Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.

AT BERKELEY USA 2013

159 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Frederick Wiseman // KAMERA John Davey // SCHNITT Frederick Wiseman, Valérie Pico.

CRAZY HORSE USA/Frankreich 2011 «Der Stil der Darbietungen im Crazy Horse ist schwer zu beschreiben, denn er beruht zu gleichen Teilen auf Ballett (die Frauen tanzen manchmal auf Spitze), Zirkus, Modeling, Striptease und masochistisch angehauchter Pornografie. (...) Als Wiseman 2009 seinen Film drehte, wurden die Tanznummern gerade von frischen kreativen Talenten überarbeitet: Philippe Decouflé ist ein angesehener Choreograf, der von Bewegung und Beleuchtung besessen ist, und Ali Mahdavi, ein ehemaliger Designer, der als Crazy-Horse-Fan aufwuchs, beschreibt das Erlebnis, die Show zu sehen, als ästhetische Offenbarung an der Grenze zur Ekstase. Neues Material zu entwickeln erweist sich als schwierig. Das Crazy Horse ist jeden Abend geöffnet; es veranstaltet fünfzehn Vorstellungen pro Woche, und Decouflé, der auf seinen Rechten als Künstler besteht, klagt, dass er zu wenig Zeit habe, um neue Nummern zu gestalten. Wie in jedem Wiseman-Film gibt es Szenen mit Gerangel innerhalb der Institution sowie Momentaufnahmen der Routine – das verborgene Leben des Betriebs, die ruhigen Momente von

> At Berkeley.

Berkeley ist die Vorzeigeuniversität unter den öffentlichen Hochschulen der USA, doch inzwischen finanziert der Staat die Uni nur noch zu 16 Prozent. Leitung und Studentenschaft ringen darum, das hohe akademische Niveau zu halten, ohne dass der Besuch der Schule unerschwinglich wird. Zum komplexen Organismus Berkeley gehören brillante Dozenten und wissbegierige Studentinnen ebenso wie der Mann, der jeden Rasen mäht. «Wie es einmal in einem Kommentar heisst, handelt der Film davon, ‹wie der Kapitalismus die ­Bildung umgestaltet›, in einer Zeit der schwindenden Ressourcen und des verblassenden Mittelstandstraums.» (Stephen Holden, The New York Times, 7.11.2013) «At Berkeley wimmelt von Momenten, in denen wiederkehrende Themen von Wisemans Werk anklingen, besonders wenn jemand davon spricht, Zeitkapseln herzustellen, um festzuhalten, wie Menschen zu einer bestimmten Zeit gelebt haben. Was sind Wisemans Filme anderes als Zeitkapseln? Manche werden klagen, seine Filme seien zu lang, doch der Tiefgang seiner Berichterstattung und der schiere Reichtum an Details, die sie ermöglicht, versiegeln im Kino die Textur des Alltagslebens.» (Leslie Felperin, Variety, 6.9.2013) 244 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE UND SCHNITT Frederick Wiseman // KAMERA John Davey.


15 John Hurt

Schrott zu Gold Verzweifelter Häftling und grausamer Diktator, schriller Transvestit und verkappter Homosexueller: John Hurt hat die gegensätzlichsten Figuren verkörpert. Nach Ritterschlag und seinem 75. Geburtstag ist es an der Zeit, das Werk des überaus wandlungsfähigen Schauspielers in einer Filmpodium-Reihe zu würdigen. «Vier» – mit abgekämpftem Gesicht und leerem Blick, den ausgemergelten Körper an die Streckbank gefesselt, versucht Winston Smith (John Hurt) die Frage zu beantworten. «Wie viele Finger halte ich in die Luft?», fragt O’Brien erneut. «Vier», wispert der Gefangene, seine Verzweiflung zeigt sich in den weit aufgerissenen Augen. Vergeblich. Die Wahrheit genügt dem sadistischen Wärter in Michael Radfords Dystopie Nineteen Eighty-Four nicht. Unnachgiebig bewegen sich die Enden der Folterbank auseinander, während der Häftling vor Schmerzen aufschreit. Rund zwanzig Jahre später ist derselbe Kopf als Grosskanzler Adam Sutler in V for Vendetta auf überdimensionierten Bildschirmen zu sehen. Sein Blick ist stechend, während er vor Wut geifernd zu seiner Führungselite spricht: «Die Bevölkerung soll wissen, was Terror wirklich bedeutet.» In einer selbstreferenziellen Spiegelung wird aus dem Unterdrückten der Unterdrücker. Schrill und einfühlsam zugleich Das Gesicht geschminkt, im rot gefärbten Haar eine Ansteckfeder, den Körper im eng anliegenden silbernen Kleid: So betritt Quentin Crisp im London der 1930er Jahre den Doppeldeckerbus. John Hurt verschmilzt in The Naked Civil Servant mit dem realen Exzentriker, der die betretenen und kritischen Blicke der Mitfahrer als Bestätigung wertet. Ganz anders dagegen die scheue Hauptfigur in Love and Death on Long Island: Heimlich und verlegen schleicht sich der verwitwete Schriftsteller Giles De’Ath ins örtliche Kino, um sich ein weiteres Mal Hotpants College II anzuschauen. In Schicksalsverwandtschaft mit dem tragischen Helden von «Der Tod in Venedig» hatte er ein homoerotisches Erweckungserlebnis, als er das Jugendidol Ronnie Bostock auf der Leinwand erblickte. «Ich bin der festen Meinung, dass es besser ist zu arbeiten, als nicht zu arbeiten», erwiderte Hurt einmal auf die Frage, ob er einen der über 140 Filme, in denen er mitgespielt hat, bereue. Es ist die unprätentiöse Rückschau auf ein schauspielerisches Werk, das keine Festlegung auf Genres oder Rollentypen kennt, das die gegensätzlichsten Figuren umfasst und damit beeindruckendes Zeugnis gibt von der Offenheit und der fehlenden Berührungs-



17 angst des Schauspielers John Hurt. Die Gründe dafür, dass sich seine Arbeit nicht in der Vielfalt erschöpft, die Vielfalt vielmehr Ausdruck seines Talents ist, liegen naturgegeben in seinem Spiel. Seine prägnante Stimme macht ihn zum gefragten Synchronsprecher und Off-Erzähler – sei es im Animationsfilm Watership Down (Martin Rosen, GB 1978) oder in Lars von Triers Dogville (2003). Das Zusammenspiel von Stimme und stechendem Blick lassen seinen Adam Sutler in V for Vendetta als Karikatur George Bushs erscheinen, die das reale Vorbild an Charisma und genussvoller Boshaftigkeit weit hinter sich lässt. Als er den Häftling Max im Gefängnisdrama Midnight Express spielt, ist Hurts Blick dagegen absolut leer, seine Augen glasig und seine Stimme nurmehr ein unverständliches Krächzen. In der Ecke seiner Zelle zusammengekauert, die Arme mit Nadelstichen übersät, bietet er einen erbärmlichen Anblick. Die Rolle bringt ihm 1979 seine erste Oscar-Nomination ein. Ein Mann für jeden Charakter John Hurt ist im besten Sinne ein Charakterdarsteller. Er drängt den Figuren nicht seine Person auf, sondern lotet deren Dimensionen aus. Er nimmt sich selbst zurück und lässt so die tragischen, dunklen oder komischen Seiten der von ihm verkörperten Charaktere hervortreten. Besonders packend ist ihm dies in der Darstellung des missgebildeten John Merrick in The Elephant Man gelungen: Hinter der schweren Maske, die jeweils in einer achtstündigen Prozedur aufgetragen wurde, verschwindet der Schauspieler; was bleibt, ist der zu Tränen rührende Ausgestossene. Hurt erspielte sich damit die zweite Oscar-Nominierung. Türöffner zu Hurts Filmlaufbahn war das Theaterstück «Little Malcolm and His Struggle Against the Eunuchs». Fred Zinnemann wird in Dublin auf den Darsteller des Malcolm Scrawdyke aufmerksam und besetzt 1966 in A Man for All Seasons die Rolle des Hofintriganten Richard Rich mit Hurt. In seinen kurzen Auftritten vermag Hurt den rücksichtslosen Ehrgeiz und die Verlogenheit seiner Figur darzustellen, die den Gegenpol bildet zur moralischen Instanz des Films, dem aufrichtigen Thomas More, der in höfische Ränkespiele geraten ist. Darin zeigt sich ein weiteres Talent Hurts: Er braucht mitunter nur wenig Leinwandpräsenz, um seinen Figuren jenes Gewicht zu verleihen, das sie ins Zentrum des Geschehens rückt. Dies wird besonders in Ridley Scotts Alien deutlich, wenn Hurt als unfreiwilliger Inkubator zwar einem frühen Ende entgegensieht, jedoch bei der Geburt des Aliens entscheidend zu einer der unvergesslichsten Szenen des Films beiträgt.

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Zuerst auf der Bühne, dann im Film: Hurt in der Titelrolle von Little Malcolm and His ­Struggle Against the Eunuchs (1974)

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Ein britischer Patriarch im ländlichen Alabama von 1969: Jayne Mansfield’s Car (2012)


18 Ein begeisterter Bewunderer des Theaterstücks «Little Malcolm» und seines Hauptdarstellers war auch der Beatle George Harrison, der sich entschloss, eine filmische Adaptation zu finanzieren. John Hurt bot die Rolle des sich selbst überschätzenden Kunststudenten zum ersten Mal die Möglichkeit, sich in einer Hauptrolle voll zu entfalten. Wenn Little Malcolm mit seinen Kollegen die fiktive Partei der dynamischen Erektion gründet, um die systemkonformen Eunuchen zu stürzen, wird die schäbige englische Vorstadt zur Kulisse imaginierter Überfälle und Gerichtsverhandlungen, bei denen sich Hurt als wahnwitziger Anführer austoben darf. «Es gibt immer Gründe, einen Film zu machen» Den endgültigen Durchbruch erlebt Hurt 1975 als Transvestit Quentin Crisp im ursprünglich für das Fernsehen produzierten Film The Naked Civil Servant. Hurts Spiel macht Crisps exzentrische Natur deutlich, ohne ihn blosszustellen: Schminke und Kleidung werden zu Ausdrucksmitteln einer komplexen Persönlichkeit und gehen weit über schrille Schauwerte hinaus. Rund 25 Jahre später nimmt Hurt die Rolle in An Englishman in New York nochmals auf; subtil lassen sich die Veränderungen vom Exoten zur alternden Subkultur-Ikone beobachten. Das Verschwinden seiner Person hinter der Rolle führt bei Hurt dazu, dass die Nuancen, die feinen Widersprüche der verkörperten Charaktere stärker hervortreten. Besonders deutlich wird dies, wenn seine Figuren extremen Gegenspielern gegenüberstehen. Als Stephen Ward in Scandal vermittelt er hübsche Frauen an die britische Elite, so auch an den Heeresminister Profumo, von Ian McKellen genussvoll als Lüstling gespielt. Hurt gibt demgegenüber seiner liebenswerten Figur Tiefe und stellt sie als kleines Zahnrad in einem gigantischen Getriebe dar, das sich unaufhaltbar und für Ward mit tragischem Ausgang in Bewegung gesetzt hat. «Ich habe einigen Schrott gemacht. Das sollte man nicht bereuen. Es gibt immer Gründe, einen Film zu machen, und sei es nur der Drehort», sagte John Hurt einmal rückblickend. Eine Rückschau auf sein Werk offenbart nicht eine Ansammlung schöner Landschaften, sondern einen schauspielerischen Facettenreichtum, der seinesgleichen sucht. Marius Kuhn

Marius Kuhn ist Filmwissenschaftler und lebt in Zürich.


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John Hurt.

A MAN FOR ALL SEASONS GB 1966 England 1529: Henry VIII. möchte seine Ehe für ungültig erklären lassen, um seine Geliebte Anne Boleyn heiraten zu können. Der Lordkanzler ­Thomas More weigert sich, den König in seinem Anliegen zu unterstützen, und stellt sich auf die Seite der katholischen Kirche, welche die Auf­ lösung verweigert. In der Folge wird er zum Opfer von Machtkämpfen und Intrigen, was ihn schliesslich für seine Überzeugung auf dem Schafott enden lässt. «Fesselnder Film nach einem Bühnenstück des englischen Dramatikers Robert Bolt, der den Gewissenskampf und die tapfere und aufopferungsbereite Entscheidung seines Helden glaubwürdig macht. (…) Hervorragende schauspielerische Leistungen.» (Lexikon des int. Films) Sechs Oscars, u. a. für den Besten Film und die Beste Regie, erhielt Fred Zinnemanns Werk, das einen schmierigen John Hurt in seiner ersten grossen Rolle als Richard Rich zeigt, der auf dem Rücken Mores die gesellschaftliche Leiter emporsteigt. 120 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Fred Zinnemann // DREHBUCH Robert Bolt, nach seinem Theaterstück // ­KAMERA Ted Moore // MUSIK Georges Delerue // SCHNITT Ralph Kemplen // MIT Paul Scofield (Thomas More), John Hurt (Richard Rich), Wendy Hiller (Alice), Leo McKern ­(Cromwell), Robert Shaw (Henry VIII.), Orson Welles (Kardinal Thomas Wolsey), Susannah York (Margaret), Nigel ­Davenport (Herzog von Norfolk), Corin Redgrave (William Roper), Vanessa Redgrave (Anne Boleyn), Colin Blakely ­ (Matthew), Cyril Luckham (Erzbischof Cranmer).

LITTLE MALCOLM AND HIS STRUGGLE AGAINST THE EUNUCHS GB 1974 1965 sah George Harrison das dem Film zugrundeliegende Stück und war begeistert, nicht zuletzt vom Darsteller der Hauptfigur, John Hurt. Er produzierte den Film, der dann Opfer der BeatlesTrennung und der damit zusammenhängenden Streitigkeiten um die Besitztümer wurde. Beinahe 40 Jahre blieb er einer breiten Öffentlichkeit vorenthalten. Stuart Coopers an der Berlinale mit dem Regiepreis ausgezeichnetes Werk erzählt die Geschichte Malcolms, der von der Kunsthochschule verbannt wird. Verärgert über seinen Rauswurf, gründet er mit Kollegen die Partei der dynamischen Erektion, deren Parteizeichen ein übergrosses phallisches Symbol ist. Wenn der Film in die Fantasien der Gruppe abdriftet, erinnert er an

Billy Liar und kann sich wie dieser auf einen entfesselten Hauptdarsteller verlassen. «Hurts grossartiges, wortreiches, quasi-faschistisches Gezeter (…) gewinnt seine Kraft aus einer Sprache, die teils Beckett, teils (…) Wilhelm Reich entliehen ist, mit mehr als einer Prise der von den Beatles geliebten Goon-Show. In einigen Momenten hört man das vorgezogene Echo David Thewlis’ in Naked und das verrückte Zanken in Withnail & I. Das ist ein 40-jähriger Film, der keine Stunde gealtert ist.» (John Patterson, The Guardian, 30.10.2011) 109 Min / Farbe / Digital HD / E // REGIE Stuart Cooper // DREHBUCH Derek Woodward, nach dem Theaterstück von David Halliwell // KAMERA John Alcott // MUSIK Stanley ­Myers // SCHNITT Ray Lovejoy // MIT John Hurt (Malcolm Scrawdyke), John McEnery (Wick Blagdon), Raymond Platt (Irwin Ingham), David Warner (Dennis Charles Nipple), Rosalind Ayres (Ann Gedge).

THE NAKED CIVIL SERVANT GB 1975 Der Fernsehfilm erzählt aus dem bewegten Leben des Transvestiten, Autors und Entertainers Quentin Crisp. «Nach einer Jugend als sogenannt schwieriges Kind mittelständischer bis armer Eltern (…), beginnt der 1908 Geborene kurz nachdem er zwanzig geworden ist, seine Neigung offen zur Schau zu stellen. So rauscht er bereits in den dreissiger Jahren, als die Arbeiter noch Mützen tragen und die besser Gestellten ihren Stand mit Schirm und Melone bekunden, als Frau geschminkt und verkleidet durch die Strassen Londons. Bald trifft er die Entscheidung, wegen seiner Homosexualität keine Kompromisse mehr einzugehen, sondern sich konsequent als lebendiges, provokatives Beispiel für die Sache der Transvestiten einzusetzen. (…) Grosse Lebendigkeit gewinnt der Film durch die hervorragende Besetzung der Hauptrolle mit John Hurt. Dabei fällt nicht einmal seine verblüffende Ähnlichkeit mit Crisp ins Gewicht – die beiden sind kaum auseinanderzuhalten –, vielmehr gibt die gekonnte, mit jeder Bewegung und mit jedem Ausdruck überzeugende Darstellung den Ausschlag.» (Stefan Kunzelmann, Zoom, 9/1988) DO, 2. APRIL | 17.30 UHR UND DO, 16. APRIL | 20.45 UHR EINFÜHRUNG: MARIUS KUHN 77 Min / Farbe / 16 mm / E/d // REGIE Jack Gold // DREHBUCH Philip Mackie, nach der Autobiografie von Quentin Crisp // KAMERA Mike Fash // MUSIK Carl Davis // SCHNITT Mike Taylor // MIT John Hurt (Quentin Crisp), Liz Gebhardt (Kunststudentin), Stanley Lebor (Mr. Pole), Katherine Schofield


> A Man for All Seasons.

> Alien.

> Midnight Express.

> The Naked Civil Servant.


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John Hurt. (Mrs. Pole), Patricia Hodge (Ballettlehrerin), Colin Higgins (Thumbnails),

John

Rhys-Davies

(Barndoor),

Stephen

­Johnstone (Quentin jr.), Antonia Pemberton (Mrs. Longhurst), Lloyd Lamble (Mr. Crisp), Joan Ryan (Mrs. Crisp), Frank ­Forsyth (Doktor der Familie).

MIDNIGHT EXPRESS GB/USA 1978

Oliver Stones oscarprämiertes Drehbuch erzählt das Schicksal des jungen Amerikaners William, der beim Versuch, Drogen aus der Türkei zu schmuggeln, festgenommen wird. Im Gefängnis leidet er unter den unmenschlichen Haftbedingungen und den Launen des sadistischen Gefängnisdirektors. Die detaillierte Darstellung der Qualen des jungen Studenten und seiner Mithäftlinge wird von der intensiven Verkörperung durch die Schauspieler getragen, allen voran vom hierfür oscarnominierten John Hurt in einer herausragenden Darbietung. «Alan Parker ringt seiner kleinen Schauspielerriege naturalistische Darbietungen ab und kreiert eine brutale Intensität, die im heutigen Kino selten anzutreffen ist. Michael Seresins Kamera ist auf sonderbare Weise beruhigend und doch intensiv. Die Bilder geben dabei dem Gefängnis und der ganzen Türkei eine beängstigende, fremde [mitunter rassistisch wirkende; Anm. Red.] Dimension.» (Eli Kooris, The Austin Chronicle,15.2.1999) Diese wird akzentuiert durch ­Giorgio Moroders ebenfalls preisgekrönte Musik. 121 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Alan Parker // DREHBUCH Oliver Stone, nach einem Bericht von Billy Hayes, William Hoffer // KAMERA Michael Seresin // MUSIK Giorgio Moroder // SCHNITT Gerry Hambling // MIT Brad D ­ avis (Billy Hayes), John Hurt (Max), Randy Quaid (Jimmy Booth), Irene Miracle (Susan), Norbert Weisser (Erich), Mike Kellin (Mr. Hayes), Bo Hopkins (Tex), Paolo Bonacelli (Rifki), Paul L. Smith (Hamidou), Franco Diogene (Yesil), Michael ­Ensign (Stanley Daniels), Gigi Ballista (vorsitzender Richter).

ALIEN GB/USA 1979 Das Grauen, das in Form des titelgebenden Aliens das Raumschiff Nostromo heimsucht, hat seinen Ursprung in Kanes Brustkorb. In einer der denkwürdigsten Sequenzen des Films bricht das Alien aus dem zum Inkubator degradierten Kane (John Hurt) heraus und terrorisiert fortan die Crew um die Heldin Ripley. «Die Welt von Alien ist düster und pessimistisch. Wo etwa Steven Spielberg vor dem Hintergrund von Vietnam und Watergate, dem Verblas-

sen der Hoffnungen von 1968, den liberalen Traum der Versöhnung mit dem Fremden träumte (Close Encounters of the Third Kind), liefert Scott einen Albtraum: Schock, Furcht, Schaudern wechseln sich ab. (…) Was bleibt, ist erschöpfte Selbstbehauptung. Am Ende hat Ripley keineswegs ihren Frieden gefunden. Die Bedrohung schlummert nur, die Welt ist aus den Fugen und wird nie mehr, was sie war.» (Rüdiger Suchsland, film-dienst, 22/2003) Als 2003 20th Century Fox die DVD-Box mit der Alien-Tetralogie vorbereitete, wurde Scott darum gebeten, ein paar geschnittene Szenen wieder einzufügen, was er aus Marketinggründen auch tat. Er betont aber, dass für ihn die originale 1979-Version nach wie vor die «Fassung seiner Wahl» sei. Sie kommt hier – digital restauriert – zur Aufführung. 117 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Ridley Scott // DREHBUCH Dan O’Bannon, Ronald Shusett // KAMERA ­Derek Vanlint // MUSIK Jerry Goldsmith // SCHNITT Terry Rawlings, Peter Weatherley // MIT Sigourney Weaver ­(Ripley), John Hurt (Kane), Tom Skerritt (Dallas), Veronica Cartwright (Lambert), Harry Dean Stanton (Brett), Ian Holm (Ash), Yaphet Kotto (Parker), Bolaji Badejo (Alien), Helen ­Horton («Mutter»-Stimme).

HEAVEN’S GATE USA 1980 «Mit einer selbstmörderischen Erhabenheit, wie eine Herde Büffel auf ein Erschiessungskommando zutrabend» (Richard Corliss, Time Magazine, 18.4.2005) präsentierte sich Michael Ciminos Heaven’s Gate Anfang der achtziger Jahre Kritikern und Publikum. Er wurde daraufhin für den Tod des Westerns, des United-Artists-Studios und letztendlich der Karriere seines Regisseurs verantwortlich gemacht. 2012 wurde der Rezeptionsgeschichte des Films mit einer neuen Restaurierung und der endgültigen Schnittversion Ciminos ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Neben der Legende um die ausser Kontrolle geratenen Dreharbeiten findet der Western heute als Meilenstein des Genres Einzug in die Filmgeschichte. Ciminos Dekonstruktion des amerikanischen Pioniermythos findet in Vilmos Zigmonds Kameraarbeit, die die weiten Landschaften Wyomings im Licht der einbrechenden Dunkelheit einfängt, seine Entsprechung und wird dabei vom aussergewöhnlichen Cast um Kris Kristofferson, Christopher Walken, Isabelle Huppert und John Hurt getragen. Auf der grossen Leinwand entfaltet das monumentale Werk die Wirkung, die Cimino wohl anfangs im Sinn hatte, als er sich nichtsahnend in seinen Untergang stürzte.


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John Hurt. 216 Min / Farbe / DCP / E/f // DREHBUCH UND REGIE Michael Cimino // KAMERA Vilmos Zsigmond // MUSIK David Mansfield // SCHNITT Lisa Fruchtman, Gerald B. Greenberg, Tom Rolf, William Reynolds // MIT Kris Kristofferson (Marshal James Averill), Christopher Walken (Nathan D. Champion), John Hurt (Billy Irvine), Sam Waterston (Frank Canton), ­Isabelle Huppert (Ella Watson), Joseph Cotten (Reverend Sutton), Jeff Bridges (John L. Bridges), Ronnie Hawkins ­(Wolcott), Richard Masur (Cully), Paul Koslo (Charlie Lezak), Mary Catherine Wright (Nell), Mickey Rourke (Nick Ray).

THE ELEPHANT MAN GB/USA 1980 Durch eine Krankheit ist John Merrick völlig entstellt. Auf Jahrmärkten wird er herumgereicht, bis ihn ein Arzt entdeckt und sich seiner annimmt. «John Merrick ist ein Monster mit einer deformierten Stirn, einem Mund, der an Quasimodo erinnert, (…) und einem verkrümmten Torso. Es ist der Maske und John Hurts aussergewöhnlicher Darstellung hinter all dem Kunststoff zu verdanken, dass die Figur nicht so absurd wirkt wie etwas aus einem Low-Budget-Science-Fiction-Film.» (Vincent Canby, The New York Times, 3.10.1980)

> The Elephant Man.

«Die Sorgfalt, mit der Lynch und sein Kameramann Freddie Francis (…) in wunderbar komponierten Schwarzweiss- und Breitwand-Bildern das London der Queen Victoria auferstehen lassen, wirkt (…) unzeitgemäss, altmodisch. Es ist die Welt von Charles Dickens, in die wir geraten, romanhaft, aber naturalistisch. (…) Es ist eine Welt im Wandel: halb noch mittelalterlich (der Jahrmarkt), halb schon vom Fortschritt der Wissenschaft und Technik ergriffen. John Merrick, der Elefantenmensch, passt in keine Welt.» (Hans C. Blumenberg, Die Zeit, 20.2.1981) 124 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE David Lynch // DREHBUCH Christopher De Vore, Eric Bergren, David Lynch, nach «The Elephant Man: A Study in Human Dignity» und «The Elephant Man and Other Reminiscences» von Ashley Montagu, Frederick Treves // KAMERA Freddie Francis // MUSIK John Morris, Samuel Barber // SCHNITT Anne V. Coates // MIT John Hurt (John Merrick), Anthony Hopkins (Frederick ­Treves, Chirurg), Anne Bancroft (Mrs. Kendal), John Gielgud (Carr Gomm), Freddie Jones (Bytes), Michael Elphick (Nachtwächter), Hannah Gordon (Mrs. Anne Treves), Helen Ryan (Prinzessin Alex), Dexter Fletcher (Bytes’ Gehilfe), John Standing (Fox), Lesley Dunlop (Nora).


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John Hurt.

NINETEEN EIGHTY-FOUR GB 1984 Michael Radfords Adaptation von George Orwells Dystopie bleibt eng an der Vorlage, selbst im SetDesign. Dieses erinnert an das England nach dem Zweiten Weltkrieg und macht dabei die Grundthematik des Romans deutlich: Es handelt sich weniger um eine Zukunftsvision als um eine Darstellung der Sorgen und Ängste der Menschen seiner Entstehungszeit. «Erstaunlich an dem Film ist, wie er restlos meinen Gefühlen gegenüber dem Buch entspricht. Der Film sieht aus, fühlt sich an, schmeckt und riecht beinahe wie Orwells düstere und wütende Vision. John Hurt mit seinem dürren Körper und abgekämpften Gesicht gibt den perfekten Winston Smith, während Richard Burton (…) den ungemein zynischen O’Brien verkörpert, der sich Menschen nur nahe fühlt, wenn er sie foltert. (…) Im Vergleich zur belehrenden, simplifizierten Adaptation aus dem Jahr 1954 dringt diese Version viel tiefer in das dunkle Herz der Vorlage.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 1.2.1985) 110 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Michael Radford // DREHBUCH Michael Radford, nach dem Roman von George Orwell // KAMERA Roger Deakins // MUSIK Dominic Muldowney // SCHNITT Tom Priestley // MIT John Hurt (Winston Smith), Suzanna Hamilton (Julia), Richard Burton (O’Brien), Cyril Cusack (Charrington), Gregor Fisher (Parsons), James Walker (Syme), Andrew Wilde (Tillotson), David Trevena (Tillotsons Freund), Peter Frye (Rutherford), David Cann (Martin), Anthony Benson (Jones), Roger Lloyd Pack (Kellner).

THE HIT GB 1984 «We’ll meet again / Don’t know where / Don’t know when / But I know we’ll meet again / Some sunny day.» Diese Worte gelten Willie Parker, der als Kronzeuge seine ganze Komplizenschaft verpfiffen hat. Zehn Jahre später folgt das Unausweichliche: Profikiller Braddock (Angst einflössend: John Hurt) und sein Partner Myron, ein Neuling im Geschäft, spüren Parker in seinem Rückzugsort in Andalusien auf, um ihn im Auto nach Paris zu bringen – zur letzten Abrechnung. Während sich dieser seinem Schicksal mit stoischer Ruhe und zahlreichen Weisheiten über Werden und Vergehen zu fügen scheint, sorgt die Geisel Maggie, die Braddock und Myron unterwegs aufgelesen haben, für reichlich Kontrast: Sie kämpft verzweifelt und verbissen darum, diese Fahrt zu überleben.

«Das spannend und tiefsinnig zugleich inszenierte Roadmovie (...) setzt sich vor einem geschickt und gescheit gestalteten Ganoven-Szenario dezent mit Betrachtungen über Tod, Liebe, Verrat und Loyalität auseinander, begleitet von den melancholischen und so sparsam wie präzise geschnittenen Gitarrenklängen Eric Claptons und Paco de Lucías.» (Marie Anderson, kino-zeit.de) 98 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Stephen Frears // DREHBUCH Peter Prince // KAMERA Mike Molloy // MUSIK Paco de Lucía, Eric Clapton // SCHNITT Mick Audsley // MIT Terence Stamp (Willie Parker), John Hurt (Mr. Braddock), Tim Roth (Myron), Laura Del Sol (Maggie), Bill Hunter (Harry), Lennie Peters (Mr. Corrigan), Jim Broadbent (Anwalt), Fer­ nando Rey (älterer Polizist), Freddie Stuart (erster Mann), Ralph Brown (zweiter Mann), A.J. Clarke (dritter Mann).

SCANDAL GB 1989 Michael Caton-Jones’ Spielfilmdebüt ist von der realen «Profumo-Affäre» inspiriert, die 1962/63 Grossbritannien erschütterte. «Alles, was Stephen Ward im Leben erreichen wollte, war der Aufstieg in die richtigen Kreise, mit den richtigen Freunden. Seine Strategie hierfür war unorthodox, jedoch nicht gemein. Er suchte junge, gutaussehende Frauen ohne Perspektive und präparierte, trainierte sie, nahm sie mit an die richtigen Orte und stellte sie dann seinen wichtigen Freunden vor. In einem gewissen Sinn war er der Henry Higgins seiner Zeit und seine erfolgreichste Eliza Doolittle war Christine Keeler, eine arme, aber hübsche Striptänzerin. (…) Sein einziger Fehler war ihr zu erlauben, gleichzeitig mit dem britischen Heeresminister und einem russischen Militärattaché zu schlafen. Ein Fehler, der eine Regierung stürzte und Ward das Leben kostete. Scandal erzählt die wahre Geschichte Wards mit grosser Sympathie für seine Beweggründe und einer grossen Wut gegen das britische Establishment. (…) Der Film zeigt John Hurt als Ward in einer der besten Rollen seiner Karriere.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 5.5.1989) 115 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Michael Caton-Jones // DREHBUCH Michael Thomas // KAMERA Mike Molloy // MUSIK Carl Davis // SCHNITT Angus Newton // MIT John Hurt (Stephen Ward), Bridget Fonda (Mandy Rice-Davies), Joanne Whalley (Christine Keeler), Ian McKellen (John Profumo), ­Jeroen Krabbé (Eugene Ivanov), Leslie Phillips (Lord Astor), Britt Ekland (Mariella Novotny), Daniel Massey (Mervyn Griffith-Jones), Roland Gift (Johnnie Edgecombe), Jean ­ ­Alexander (Mrs. Keeler), Ralph Brown (Paul Mann), Alex ­Norton (Kriminalinspektor).


> Love and Death on Long Island.

> V for Vendetta.

> Scandal.

> The Hit.


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John Hurt.

LOVE AND DEATH ON LONG ISLAND GB/Kanada 1997 Hotpants College II: Mit verlegenem Blick nennt der kultivierte und etwas weltfremde Schriftsteller Giles De’Ath an der Kinokasse seinen Wunschfilm. Er ist dem Hauptdarsteller der Komödie, dem Jugendidol Ronnie Bostock, verfallen. Ihm widerfährt dabei das gleiche Schicksal wie der Hauptfigur aus Thomas Manns Novelle «Der Tod in Venedig». Der junge Schauspieler wird für De’Ath zur Obsession und weckt in ihm unbekannte Gefühle. Gefühle, die ihn nach Long Island reisen lassen, um Bostock leibhaftig zu begegnen. «John Hurt ist einfach wundervoll – trocken, lustig und herzerweichend – in der Rolle eines altmodischen englischen Schriftstellers, der, zu seinem eigenen Erstaunen, von der Schönheit des Neuen verführt wird.» (Janet Maslin, The New York Times, 6.3.1998) «Hurt gibt Giles De’Ath eine Würde, die jedes Amüsieren über seine Verblendung im Keim erstickt.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 13.3.1998) 103 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Richard Kwietniowski // DREHBUCH Richard Kwietniowski, nach dem Roman von Gilbert Adair // KAMERA Oliver Curtis // MUSIK Richard Grassby-Lewis, The Insects // SCHNITT Susan Shipton // MIT John Hurt (Giles De’Ath), Jason Priestley (Ronnie Bostock), Fiona Loewi (Audrey), Sheila Hancock (Mrs. Barker), Maury Chaykin (Irving Buckmuller), Harvey Atkin (Lou), Gawn Grainger (Henry), Elizabeth Quinn (Mrs. Reed), Linda Busby (Mrs. Abbott), Bill Leadbitter (Eldridge), Anne Reid (Maureen).

V FOR VENDETTA USA/GB/Deutschland 2005 Die Comicverfilmung kehrt John Hurts Rolle aus Nineteen Eighty-Four um: Anstatt Unterdrückter ist er nun als Grosskanzler Sutler im England des Jahres 2020 der Unterdrücker, das über die Fernsehbildschirme flimmernde Gesicht eines totalitären Überwachungsstaates; sein Gegenspieler ist der maskierte V, der als moderner Swashbuckler eine Revolution anstiftet. Am Ende soll das House of Parliament und mit diesem das Regime in Schutt und Asche versinken. «Alan Moores Vorlage zielte auf das England der 1980er Jahre unter Margaret Thatcher ab. Die Adaptation zeigt einen Panik verbreitenden, homophoben, islamfeindlichen Diktator. (…) Einige sehen hier Parallelen zum Bush-Regime. Doch hierfür ist der Kanzler, wie er von Hurt vorbehaltlos verkörpert wird, zu wortgewandt. (…) Kameramann Adrian Biddle schafft erinnerungswürdige

Bilder, (…) während der Regisseur mit Tempo dem donnernden Höhepunkt zusteuert. (…) Ein seltener Fall in Teflon-Hollywood, ein Film, von dem man nicht loskommt.» (Peter Travers, Rolling Stone, 17.3.2006) 132 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE James McTeigue // DREHBUCH Andy Wachowski, Lana Wachowski, nach dem Comic von Alan Moore // KAMERA Adrian Biddle // MUSIK Dario Marianelli // SCHNITT Martin Walsh // MIT Natalie Portman (Evey), Hugo Weaving (V), John Hurt (Adam Sutler), Stephen Rea (Eric Finch), Stephen Fry (Gordon Deitrich), Tim Pigott-Smith (Peter Creedy), Rupert Graves (Dominic Stone), Roger Allam (Lewis Prothero), Ben Miles (Dascomb), Sinéad Cusack (Delia Surridge), Natasha Wightman (Valerie), John Standing (Lilliman).

JAYNE MANSFIELD’S CAR USA/Russland 2012 Ein Drama im Alabama des Jahres 1969, «beeinflusst (…) von Tennessee Williams, diesem Tschechow des amerikanischen Südens, von seinen Dramen über Familiengespinste, in denen die Kinder versuchen, der Verachtung der Väter zu entkommen, und in denen die Frauen in der Provinz von grossen Lieben und grossen Städten träumen. Und wenn ihnen die Flucht einmal gelingt, dann kommen sie um. Jedenfalls bei Billy Bob Thornton, der das wundervolle Drehbuch selbst geschrieben hat. Die Mutter der CaldwellSippe aus Alabama ist nämlich vor Jahren nach England abgehauen, hat dort den alten Bedford geheiratet und ist an Krebs gestorben. Beerdigt wird sie (…) aber in der alten Heimat, der Caldwell-Patriarch trifft auf den Bedford-Patriarchen, beide kämpften im Ersten Weltkrieg und ihre Söhne im Zweiten, bei beiden gleicht der Generationengraben einem Schützengraben, die Väter ergehen sich in der Romantisierung ihrer Tragödien. (…) Ewig und zurück könnte man über diesen Film noch schwärmen, (…) über die schönen Bilder, die hohe Schauspielkunst eines John Hurt, die tolle Musik.» (Simone Meier, Tages-Anzeiger, 14.2.2012) 122 Min / Farbe / Digital HD / E // REGIE Billy Bob Thornton // DREHBUCH Billy Bob Thornton, Tom Epperson // KAMERA Barry Markowitz // MUSIK Owen Easterling, Hatfield // SCHNITT Lauren Zuckerman // MIT John Hurt (Kingsley ­Bedford), Robert Duvall (Jim Caldwell), Billy Bob Thornton (Skip Caldwell), Kevin Bacon (Carroll Caldwell), Robert ­Patrick (Jimbo Caldwell), Ray Stevenson (Phillip Bedford), Frances O’Connor (Camilla Bedford), Katherine LaNasa (Donna Baron), Marshall Allman (Alan Caldwell), Shawnee Smith (Vicky Caldwell), John Patrick Amedori (Mickey Caldwell), Ron White (Neal Baron).


26 Das erste Jahrhundert des Films

1945 1945 endet der Zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit beginnt: Mit bescheidensten Mitteln dreht Roberto Rossellini unmittelbar nach der Befreiung von der NS-Besatzung Roma, città aperta, ein eindringliches Drama über die Widerstandskämpfer und deren gnadenlose Unterdrückung. Dieses Meisterwerk, das nicht nur die Geburtsstunde des italienischen Neorealismus einläutet, sondern auch Anna Magnani zur Ikone des neuen Italiens katapultiert, gilt als kulturelles Vermächtnis der siegreichen «Resistenza». In Brief Encounter klammert David Lean indes den Krieg komplett aus: Seine stimmungsvolle Studie über die Unvereinbarkeit von erotischer Attraktion und gesellschaftlichen Normen ist in den Dreissigerjahren angesiedelt – und bleibt, bei aller Verhaltenheit, eines der unwiderstehlichsten Dramen der Filmgeschichte. Unter schwierigsten Bedingungen entsteht in Frankreich Marcel Carnés legendärer Les enfants du paradis: Die Dreharbeiten beginnen 1943 unter deutscher Okkupation und müssen heimlich durchgeführt werden; erst am 9. März 1945 wird das melancholische Liebesdrama im befreiten Paris uraufgeführt und feiert einen triumphalen Erfolg. In den USA bringt Billy Wilder in The Lost Weekend die fatale Abwärtsspirale eines trunksüchtigen Schriftstellers auf die Leinwand – mit diesem präzisen, erschütternd authentischen Alkoholikerdrama leistet der österreichische Emigrant in Hollywood Pionierarbeit. Leopold Lindtberg, ein weiterer Emigrant aus Österreich, schafft derweil in der Schweiz mit Die letzte Chance ein Flüchtlingsdrama, das zum ersten internationalen Nachkriegserfolg des schweizerischen Kinos wird und den Mythos vom wohltätigen Asylland Schweiz mitbegründet. Tanja Hanhart Das erste Jahrhundert des Films In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 ­wegweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. ­Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2015 sind Filme von 1915, 1925, 1935 usw. zu sehen. Weitere wichtige Filme von 1945 A Tree Grows in Brooklyn Elia Kazan, USA A Walk in the Sun Lewis Milestone, USA And Then There Were None René Clair, USA Dead of Night Alberto Cavalcanti, Charles Crichton u. a., GB Detour Edgar G. Ulmer, USA Eine Erzählung vom Bogenschiessen am Sanjusangendo (Sanjusangen-do toshiya monogatari) Mikio Naruse, J Fallen Angel Otto Preminger, USA Giorni di gloria Giuseppe De Santis, Luchino Visconti u. a., I I Know Where I’m Going! Michael Powell/Emeric Pressburger, GB Leave Her to Heaven John M. Stahl, USA

Les dames du Bois de Boulogne Robert Bresson, F Mildred Pierce Michael Curtiz, USA Scarlet Street Fritz Lang, USA Spellbound Alfred Hitchcock, USA The Body Snatcher Robert Wise, USA The Picture of Dorian Gray Albert Lewin, USA The Spiral Staircase Robert Siodmak, USA The Southerner Jean Renoir, USA The Story of G.I. Joe William A. Wellman, USA They Were Expendable John Ford, USA


Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

DIE FAST VERGESSENE FILMWOCHENSCHAU: CINÉ-JOURNAL (1923 –1936) Vor dem Fernsehzeitalter informierte bei jedem Kinobesuch eine Filmwochenschau in Form von thematisch gemischten Kurzberichten über Aktualitäten. Dieses Format entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg in Frankreich und fand rasch internationale Verbreitung. Ab 1923 waren in der Schweiz nicht nur ausländische Wochenschauen, sondern auch das in Lausanne produzierte Cinéjournal zu sehen. Mit dem aufkommenden Ton und den damit verbundenen Kosten wurde das Unternehmen defizitär und musste 1936 seinen Betrieb einstellen. Wenige Jahre später entstand eine neue Filmwochenschau, staatlich gefördert, mit dem Ziel, eine vielfältige und geeinte Schweiz zu zeigen. Sie tat das bis ins Jahr 1975, dann wurde auch sie eingestellt. Im Gegensatz zur Schweizer Filmwochenschau, die noch heute eine wichtige Quelle historischer Aufnahmen für Film und Fernsehen ist, weiss man vom Cinéjournal wenig. Wenig Filmmaterial ist erhalten geblieben, wenig ist über sie geschrieben worden. Doch sie unterscheidet sich markant, nicht nur durch den Ton.

Auf Anregung aus dem Kreis unseres Fördervereins Lumière haben wir letztes Jahr vor den Filmen der «Filmwochenschau-Dekaden» (d. h. aus den vierziger bis siebziger Jahren) gelegentlich zeitgenössische Beispiele der Schweizer Filmwochenschau gezeigt und die Filme damit in den Kontext des damaligen Publikums eingebettet; Severin Rüegg hat die «Institution» der Schweizer Filmwochenschau in einem Referat vorgestellt. Aufgrund des positiven Echos führen wir dieses Vorprogramm weiter; zum Einstieg blickt Severin Rüegg jetzt noch weiter zurück und gibt einen Einblick in das etwas vergessene Ciné-journal anhand von Beispielen und Vergleichen mit der Schweizer Filmwochenschau. Der Historiker und Filmwissenschaftler betreut Ausstellungs- und Vermittlungsprojekte und leitet die Inventarisierung eines kleineren Filmarchives. H Mi, 6. Mai, 18.30 Uhr: Referat mit Filmausschnitten von Severin Rüegg ca. 65 Min / sw / Digital SD / D+Dialekt. Für die freundliche Unterstützung der diesjährigen Wochenschauen danken wir

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Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

ROMA, CITTÀ APERTA Italien 1945 REEDITION MIT NEUER DIGITALKOPIE Rom 1944: Hunger und Angst beherrschen die Stadt. Razzien, Verhaftungen und Folter durch die SS sind an der Tagesordnung. Mit gnadenloser Härte verfolgen die Faschisten jeden kleinsten Widerstand gegen die Deutschen. Der Widerstandskämpfer Manfredi flüchtet vor einer deutschen Patrouille in die Wohnung von Francesco und dessen Verlobten Pina. Einen Tag später wird Francesco von der SS verhaftet – wahnsinnig vor Angst läuft Pina ihm hinterher. Noch während der NS-Besatzung Italiens geplant und nach der Befreiung mit bescheidensten technischen und finanziellen Mitteln gedreht: Roma, città aperta ist «ein erschütterndes Drama über die tapferen Wenigen, die gegen die Be­satzer kämpften. Obwohl mit mehr Melodramatik er­ zählt als die anderen Filme von Rossellinis Nachkriegstrilogie (Paisà und Germania, anno zero) und mit einigen bekannten Schauspielern besetzt – mit Aldo Fabrizi, der die Partisanen als Priester unterstützt, und Anna Magnani in der Rolle der Verlobten eines Widerstandkämpfers –, ist es ein schockierend authentisches Erlebnis. (...) Dieses elektrisierende Werk markiert einen Wendepunkt im italienischen Kino.» (criterion.com) «‹Alle Strassen führen nach Roma, città aperta›, sagte Jean-Luc Godard einmal – er meinte damit,

dass man unweigerlich über diesen bahnbrechenden Film stolpert, wenn man über den modernen Film nachdenkt. Tatsächlich ist Roma, città aperta nicht bloss ein Meilenstein in der italienischen Filmgeschichte, sondern zusammen mit De Sicas Ladri di biciclette einer der einflussreichsten und symbolischsten Filme jener Zeit; ein Film über die Realität, dessen Spuren in jeder späteren Filmbewegung zu finden sind, ein einzigartiges Stück Kino. (...) Roma, città aperta läutete den Beginn des Neorealismus ein – eine Öffnung hin zur Realität, hin zu menschlichen Problemen, wie es Rossellini mit Paisà und Germania, anno zero weiterführte; und er bedeutete den Beginn einer grossen Karriere für Anna Magnani, die zur Ikone des neuen Italiens katapultiert wurde: ein echtes Gesicht, eine echte Frau, einen neue Art Schauspielerin, die danach mit Visconti, Renoir, Cukor, Monicelli, L ­ umet, Pasolini, Fellini zusammenarbeiten sollte – immer im Namen der Realität, immer mit einer ­Leidenschaft für das wahrhaftige Kino.» (Irene ­Bignardi, criterion.com, 26.1.2010) 103 Min / sw / DCP / I/d // REGIE Roberto Rossellini // DREHBUCH Sergio Amidei, Federico Fellini, nach einem Stoff von Sergio Amidei // KAMERA Ubaldo Arata // MUSIK Renzo ­Rossellini // SCHNITT Eraldo Da Roma // MIT Anna Magnani (Pina), Aldo Fabrizi (Don Pietro Pellegrini), Marcello Pagliero (Giorgio Manfredi/Luigi Ferraris), Maria Michi (Marina Mari), Francesco Grandjacquet (Francesco, Drucker).


Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

LES ENFANTS DU PARADIS Frankreich 1945 Paris, im Jahre 1827: Auf dem Boulevard du Crime wimmelt es nur so von Strassenkünstlern, Gauklern und schaulustigen Besuchern. Hier, mitten in der Menge, begegnen sich zum ersten Mal eine Handvoll Menschen, deren Schicksale zeitlebens auf tragische Weise miteinander verbunden sein werden: die schöne Garance, der sensible Pantomime Baptiste Debureau, der Schauspieler und Frauenliebhaber Frédérick Lemaître, der Graf Édouard de Montray und der anarchistische Gauner Lacenaire. Im Zentrum der Verwicklungen: Garance und Baptiste, der die junge Frau trotz seiner tiefen Gefühle sitzenlässt, weil er ihrer Zuneigung misstraut. Erst Jahre später gibt es ein zweites Treffen. Les enfants du paradis bildet den Höhepunkt des poetischen Realismus und auch der Partnerschaft von Drehbuchautor Jacques Prévert und Regisseur Marcel Carné. «Sämtliche Besprechungen von Carnés Opus Les enfants du paradis beginnen mit dem Wunder seiner Entstehung. Les enfants du paradis, in Cannes zum besten französischen Film aller Zeiten ernannt und teurer als jeder andere französische Film zuvor, wurde in Paris und Nizza während der Nazi-Besetzung gedreht und 1945 im befreiten Paris uraufgeführt. (…) Dass solch ein Film – boshaft, weltgewandt und flamboyant – überhaupt unter

diesen Umständen ‹gedacht› werden konnte, ist erstaunlich. Dass diese Produktion, mit all den Kostümen, Kutschen, Theatern, Villen, überfüllten Strassen zu jener Zeit überhaupt inszeniert werden konnte, scheint unmöglich. Carné war einer der führenden Regisseure der Dekade 1935  –1945, doch so einen ambitionierten Kostümfilm während des Krieges zu machen, erforderte mehr als Einfluss; notwendig war dafür verwegener Mut. (…) Nur wenige Errungenschaften dieser Welt kommen an Les enfants du paradis heran.» (Roger Ebert, Chicago Sun-Times, 6.1.2002) «Der Aufbau des Drehbuchs ist von fast diabolischer Vollendung. Es ist ein Film, der nicht altert, oder, was auf dasselbe hinausläuft, der sehr schön altert.» (François Truffaut) 182 Min / sw / Digital HD / F/d // RESTAURIERTE FASSUNG // REGIE Marcel Carné // DREHBUCH Jacques Prévert // ­KAMERA Roger Hubert, Marc F ­ ossard // MUSIK Maurice ­Thiriet, Joseph Kosma, Georges Mouqué // SCHNITT Henri Rust, Madeleine Bonin (ungenannt) // MIT Arletty (Garance), Jean-Louis Barrault ­(Baptiste Debureau), Pierre Brasseur (Frédérick Lemaître), Maria Casarès (Nathalie), Marcel ­Herrand (Lacenaire), Pierre R ­ enoir (Jéricho), Louis Salou (Édouard de Montray), Jane Marken (Madame Hermine), Gaston Modot (Fil de Soie, der Blinde), Fabien Loris (Avril), Étienne Decroux (Anselme ­ Deburau), Jacques Castelot (Georges).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

BRIEF ENCOUNTER GB 1945 Eine Frau und ein Mann, beide verheiratet, lernen sich zufällig am Bahnhof einer englischen Kleinstadt kennen. Sie treffen sich am gleichen Ort wieder, stellen fest, dass beide jeweils donnerstags in die Stadt fahren, und verabreden sich für die nächste Woche – aus den Begegnungen und Unterhaltungen wird mehr. «Ein grosser Teil der Anziehungskraft des Films beruht auf dem Fehlen jeglichen Glamours. Trevor Howard stand 1945 am Beginn seiner Schauspielerkarriere, Celia Johnson war allenfalls dem britischen Theaterpublikum bekannt. Beide verkörpern einfache, arglose, nicht einmal unglückliche Figuren, deren Erstaunen über die plötzlich hervorbrechenden Emotionen genauso gross ist wie die Gefühle selbst. (...) Eine kleine Geschichte kurzer Begegnungen, eine grosse Liebesgeschichte.» (Daniela Sannwald, Filmklassiker, Reclam 1998) «Lean nutzte alle cineastischen Mittel, die ihm zur Verfügung standen: Raffiniertes Spiel aus Licht und Schatten erfüllt den dunklen, verqualmten Bahnhof mit einem Maximum an Symbolik. Die Toneffekte und Musik sind perfekt eingesetzt.» (Joshua Klein, 1001 Filme, Ed. Olms 2007)

«Der Film handelt erregend und unverfroren von Anstand und Ehre, davon – wie Laura es formuliert – , sich selbst zu beherrschen. Die Erotik, die wir heute in so einer Geschichte erwarten würden, wurde in Idealismus und Selbstverleugnung verdrängt. In der bemerkenswerten Schlussrede von Lauras Ehemann Fred plädiert Drehbuch­ autor Noël Coward dafür, Dinge ungesagt zu lassen. Als homosexueller Mann im Prä-WolfendenEngland [eine Kommission unter der Leitung von Sir John Wolfenden empfahl 1957 die Entkriminalisierung der Homosexualität, Anm. d. Red.] mag Coward dabei auf ganz andere Erinnerungen an verbotene Liebe und flüchtige Bahnhofsbegegnungen zurückgegriffen haben – und ich scherze nur halb, wenn ich sage, dass Ang Lees Brokeback Mountain der spirituelle Erbe von Brief Encounter ist. Es ist Cowards Meisterwerk.» (Peter Brad­ shaw, The Guardian, 3.8.2007) 86 Min / sw / DCP / E/f // REGIE David Lean // DREHBUCH Noël Coward, David Lean, Anthony Havelock-Allan, nach dem Theaterstück «Still Life» von Noël Coward // KAMERA Robert Krasker // MUSIK Sergej Rachmaninow // SCHNITT Jack Harris // MIT Celia Johnson (Laura Jesson), Trevor Howard (Dr. Alec Harvey), Stanley Holloway (Albert Godby), Everley Gregg (Dolly Messiter), Joyce Carey (Myrtle Bagot), Cyril Raymond (Fred Jesson), Marjorie Mars (Mary Norton), Margaret Barton (Beryl Waters).


Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

THE LOST WEEKEND USA 1945 Don Birnam, ein New Yorker Möchtegern-Schriftsteller, hat seine Trunksucht angeblich überwunden, ist ihr in Tat und Wahrheit aber hoffnungsloser denn je verfallen. Ein endloses Wochenende lang kämpft er gegen seine Sucht und lässt keinen Trick aus, um sich der Kontrolle seines enervierten Bruders und seiner nachsichtigen Verlobten zu entziehen und das Absinken seines Promillepegels zu verhindern. «Bis zu The Lost Weekend waren Trunkenbolde in Hollywoodfilmen meistens Witzfiguren, mehr oder weniger liebenswerte Possenreisser. (...) Billy Wilder und sein ständiger Koautor Charles Brackett wagten etwas anderes und drehten Hollywoods erste erwachsene, intelligente, erbarmungslose Sicht auf den Alkoholismus. In der Rolle, die ihm seinen ersten Oscar einbrachte, spielt Ray Milland den Schriftsteller. (...) Der Film wurde teilweise vor Ort in Manhattan gedreht, und Wilder nutzt das maximal und lässt die von Kameramann John F. Seitz gefilmten trockenen Strassen in gleissendem Sonnenlicht öde und grell aussehen, wie durch Birnams trüben, selbstverachtenden Blick. (...) Miklós Rószas Musik beschwört mit dem unheimlichen, wabernden Klang

des elektronischen Theremins Birnams benebelte, ausser Kontrolle geratene Sicht der Welt. Die strengen Regeln des Hays Code verlangten ein Happy End, aber Wilder und Brackett gelang es, jeden billigen Optimismus zu vermeiden. Trotzdem war man bei Paramount sicher, dass der Film ein Flop werden würde – während die auf­ geschreckte Alkoholindustrie dem Studio fünf Millionen Dollar bot, um den Film ganz verschwinden zu lassen. Prohibitionsanhänger andererseits warfen dem Film vor, er würde zum Trinken ermuntern. Am Ende wurde The Lost Weekend ein herausragender kommerzieller und künstlerischer Erfolg. Wilder selbst meinte dazu, mit diesem Film habe man begonnen, ihn ernst zu nehmen.» (Philip Kemp, 1001 Filme, Ed. Olms 2007) 101 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Billy Wilder // DREHBUCH Charles Brackett, Billy Wilder, nach dem Roman von Charles R. Jackson // KAMERA John F. Seitz // MUSIK ­Miklós Rózsa // SCHNITT Doane Harrison // MIT Ray Milland (Don Birnam), Jane Wyman (Helen St. James), Phillip Terry (Wick, Dons Bruder), Howard da Silva (Nat, der Barkeeper), Doris Dowling (Gloria), Frank Faylen (Bim Nolan), Mary Young (Mrs. Deveridge), Anita Sharp-Bolster (Mrs. Foley), Lillian Fontaine (Mrs. Charles St. James).

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Das erste Jahrhundert des Films: 1945.

DIE LETZTE CHANCE Schweiz 1945 Norditalien 1943. Einem amerikanischen und zwei britischen Soldaten gelingt die Flucht aus der Kriegsgefangenschaft. Mit einem kleinen Trupp anderer, multinationaler Flüchtlinge versuchen sie, über die Berge in die sichere Schweiz zu fliehen und politisches Asyl zu erlangen. «Die letzte Chance ist ohne Zweifel Lindtbergs Meisterwerk (...). Auf jeden Fall tut man dem Film Unrecht an, wenn man heute meinen zu dürfen glaubt, dass er eine Art offizieller Film über die Schweiz gewesen sei. Das Gegenteil trifft zu, die Filmemacher bekamen den Widerstand der Ämter zu spüren.» (Martin Schlappner) «Leopold Lindtberg, geboren 1902 in Wien, emigrierte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in die Schweiz. Dort arbeitete er zunächst einige Jahre am Schauspielhaus Zürich, bevor ihn Lazar Wechsler als Regisseur für seine Firma Praesens-Film gewann. In Die letzte Chance rechnet Lindtberg mit der Asylpolitik seines Gastlandes während des Krieges ab. Ein schwieriges Unterfangen: Schon die Dreharbeiten wurden permanent behindert und Lindtberg sah sich als Nestbeschmutzer angefeindet. Anderswo indes

galt dieser Film aufgrund seiner formalen und inhaltlichen Strategien, seiner nüchternen Filmsprache und einem mitunter geradezu besessen erscheinenden Verismus als eines der Pionierwerke des Neorealismus.» (Ralph Eue, Österreichisches Filmmuseum, 6/2009) Der erste internationale Nachkriegserfolg des Schweizer Kinos, der den Mythos vom wohltätigen Asylland stiften half und für den Leopold Lindtberg mit dem Grand Prix in Cannes und mit einem Golden Globe Award ausgezeichnet wurde. 113 Min / sw / 35 mm / OV/d // REGIE Leopold Lindtberg // DREHBUCH Richard Schweizer, Elizabeth Scott-Montagu, ­Alberto Barberis, David Wechsler // KAMERA Emil Berna // MUSIK Robert Blum // SCHNITT Hermann Haller // MIT Ewart G. Morrison (Major Telford), John Hoy (Leutnant John Halliday), Ray Reagan (Sgt. James R. Braddock), Therese Giehse (Frau Wittels), Eduardo Masini (der Wirt), Luisa Rossi (Tonina), Sigfrit Steiner (Schweizer Militärarzt), Leopold ­Biberti (Oberleutnant Brunner), Robert Schwarz (Bernhard Wittels), Emil Gerber (Grenzwächter Rüedi), Germaine Tournier (Madame Monnier).


33 REEDITION: DER 10. MAI VON FRANZ SCHNYDER

KLEINSTAAT IN GEFAHR Als am 10. Mai 1940 Hitlers Truppen in Bel-

doch ihr Schwager Albert, der mit ihr zusam-

gien, Holland und Luxemburg einfallen, be-

menwohnt, will den Deutschen denunzieren.

schliesst die Schweiz die zweite Generalmo-

«Mir war wichtig zu zeigen, wie sich mein

bilmachung. Einem frisch angekommenen

Land verhält, wenn es nicht nur 1.-August-

deutschen Flüchtling schlagen Misstrauen

Reden hält, sondern wirklich in Gefahr ist»,

und Fremdenhass entgegen. Anders als

sagte Franz Schnyder über den Filmstoff,

Lindtbergs Die letzte Chance zeichnet Franz

der ihn seit seinen Aktivdienstjahren be-

Schnyders Der 10. Mai die bedrohte Eid­

schäftigte. 1957, nach dem Ungarnaufstand,

genossenschaft als abweisendes Land von

war die Flüchtlingsthematik wieder aktuell,

Kleingeistern. Die restaurierte Fassung von

was Schnyder und seine Koautoren W. M.

2009 ist zum ersten Mal im Kino zu sehen.

Treichlinger und Arnold Kübler berücksichtigten.

Am Morgen des 10. Mai 1940 schwimmt der

Wie schon Schnyders Wilder Urlaub (1943)

verfolgte deutsche Regierungskritiker Wag-

spielt Der 10. Mai an einem einzigen Tag,

ner über den Rhein, um bei Bekannten in Zü-

schildert aber diesmal die Gemütslage einer

rich Zuflucht zu suchen. Die Nachricht von

ganzen Nation anhand von Einzelschick-

Hitlers Einmarsch in drei Kleinstaaten im

salen. Die vielen Nebenfiguren wurden von

Norden schürt jedoch die Angst in der

lauter Stars jener Zeit gespielt, von Margrit

Schweizer Bevölkerung, und selbst jene, die

Rainer über Max Haufler und Therese Giehse

dem Flüchtling zunächst helfen wollten,

bis zu Emil ­Hegetschweiler und Walter Ro-

­begegnen dem Deutschen mit Misstrauen

derer.

oder setzen sich ab. In Zürich begegnet ­Wagner einer Jugendfreundin, der Schnei-

H am So, 10. Mai, 14.30 Uhr: Einführung von

derin Anna. Diese nimmt ihn bei sich auf,

Felix Aeppli

DER 10. MAI – ANGST VOR DER GEWALT / Schweiz 1957 86 Min / sw / DCP / Dialekt // REEDITION MIT RESTAURIERTER FASSUNG // REGIE Franz Schnyder // DREHBUCH Wilhelm Michael Treichlinger, Arnold Kübler, Franz Schnyder // KAMERA Konstantin Irmen-Tschet // ­MUSIK Robert Blum // SCHNITT Hans Heinrich Egger // MIT Linda Geiser (Anna Marti), Heinz Reincke (Werner Kramer), Therese Giehse (Ida Herz), Hermann Wlach (Julius Herz), Emil Hegetschweiler (Emil Tschumi), Heinrich Gretler (Wachtmeister Grimm), Max Haufler (Neuenschwander), G ­ ustav Knuth (Konsul), Fred Tanner (Albert Widmer), Yvette Perrin (Jeannette Perrin), Hans Gaugler (Fritz Steiner), Walter Roderer (Soldat).


34 Premiere: Les ponts de Sarajevo

Brücken zwischen Krieg und Frieden Zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, das zum Ersten Weltkrieg führte, lud der französische Filmkritiker Jean-Michel Frodon 13 sehr unterschiedliche europäische Filmschaffende ein, bei einem Anthologiefilm mit dem Titel Les ponts de Sarajevo mitzuwirken. Dieser wurde 2014 als Sondervorstellung in Cannes uraufgeführt. In die Zeitspanne 1914 –2014 fielen in Sarajevo gleich mehrere bewaffnete Konflikte, und so befassen sich manche der Kurzfilme in Les ponts de Sarajevo mit der Figur des Attentäters Gavrilo Princip und den Ursachen des Ersten Weltkriegs, während andere sich eher auf den Bosnienkrieg konzentrieren. Rein dokumentarische Filme stehen dabei neben experimentellen Essays und fiktionalen Vignetten. Kamen Kalev aus Bulgarien inszeniert die letzte Nacht Franz Ferdinands mit Anspielungen auf Shakespeares «Julius Caesar» (und einem zwielichtigen Gilles Tschudi). Der Serbe Vladimir Perišić schlägt eine Brücke von den ­Ansichten des 19-jährigen Gavrilo Princip zum heutigen Nationalismus in seinem Land, und Angela Schanelec, eine Vertreterin der Berliner Schule, lässt ein junges Paar Aufzeichnungen von rückblickenden Gesprächen mit Princip lesen. Die despektierlichen Ansichten über nichtdeutsche Völker in Hermann Keyserlings Buch «Das Spektrum Europas» von 1928 dienen dem Rumänen Cristi Puiu (The Death of Mr. Lazarescu) als Grundlage für eine böse Satire über nationalistische Vorurteile. Während Leonardo Di Costanzo eine Fabel über den Ersten Weltkrieg beisteuert, die mit Sarajevo konkret nicht zusammenhängt, kreiert Jean-Luc Godard eine Art Remix von Motiven aus seinen Filmen Je vous salue, Sarajevo (1993) und Ecce homo (2006), die sich bereits mit der Stadt beschäftigt hatten. Erinnerung und Heimsuchung Die Bedeutung von Büchern und Erinnerung prägt die Kurzfilme des Katalanen Marc Recha (Petit Indi), der Portugiesin Teresa Villaverde und der in ­Sarajevo selbst geborenen Aida Begić (Children of Sarajevo, 2013 als Premiere im Filmpodium gezeigt). Der Italiener Vincenzo Marra schildert die Schwierigkeiten eines Paars, das vor 20 Jahren aus Bosnien geflohen ist, zu den daheimgebliebenen Angehörigen zurückzukehren, während der Ukrainer Sergei Loznitsa (In the Fog, 2013 als Premiere im Filmpodium gezeigt; ­Maidan) mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Kniff veranschaulicht, wie


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LES PONTS DE SARAJEVO / Frankreich/Bosnien-Herzegowina/Schweiz 2014 114 Min / Farbe / DCP / OV/d // REGIE UND DREHBUCH Ursula Meier, Aida Begić, Leonardo Di Costanzo, Kamen Kalev, JeanLuc Godard, Isild Le Besco, Sergei Loznitsa, Vincenzo Marra, Angela Schanelec, Cristi Puiu, Marc Recha, Teresa Villaverde, Vladimir Perišić, nach einer Idee von Jean-Michel Frodon // KAMERA Agnès Godard, Luca Bigazzi, Oleg Mutu u. a. // MUSIK Kaloyan Dimitrov, Pau Recha u. a. // SCHNITT Nelly Quettier, Redzinald Simek, Massimiliano Pacifico u. a. // MIT Vladan Kovačević, Alma Prica, Samuel Finzi, Gilles Tschudi, Marian Ralea, Valeria Seciu.

die Geister des Krieges die Stadt heute noch heimsuchen. Zwei der stärksten Beiträge gelten der heutigen Jugend der geschundenen Stadt: Die französische Schauspielerin und Regisseurin Isild Le Besco folgt einem kleinen Jungen, der die Katzen und Hunde von Sarajevo am Leben erhält. Ursula Meier lässt den 10-jährigen Mujo einen Fussball vom Sportplatz in den angrenzenden Friedhof kicken, was zu bewegenden Begegnungen führt. Animierte Sequenzen aus der Feder des belgischen Comicautors François Schuiten dienen als Überleitungen zwischen den 13 Kurzfilmen. Michel Bodmer

Ursula Meiers Beitrag zu Les ponts de Sarajevo, Tišina Mujo, wurde 2014 an den Internationalen Kurzfilmtagen Winterthur als bester Schweizer Kurzfilm ausgezeichnet und 2015 für den Schweizer Filmpreis nominiert. Die Regisseurin wird bei der Premiere am 17. April, um 20.45 Uhr im Filmpodium ­anwesend sein und über Les ponts de Sarajevo und ihren Beitrag Auskunft geben.


36 Premiere: Gardenia – Bevor der letzte Vorhang fällt

Melancholische Metamorphosen Zweieinhalb Jahre lang tourte «Gardenia», ein Bühnenstück zwischen Tanztheater und Performance, erfolgreich um die Welt. «Bevor der letzte Vorhang fällt», hat der Filmregisseur Thomas Wallner die besondere Magie dieses Stücks eingefangen und es liebevoll mit den Bio­gra­fien seiner alternden Performer – alles homo- und transsexuelle Männer, die auf der Bühne die Traumversion ihres Lebens nachspielen – verwebt. Ein anrührendes, melancholisches Kinoerlebnis. Vielleicht ist es schwieriger, das Altern des eigenen Körpers zu akzeptieren, wenn man nicht von Anfang an in diesem Körper gewohnt hat. Wie Vanessa Van Durme zum Beispiel, die sich mit 27 Jahren in Casablanca operieren liess. Über die Zeit davor möchte sie nicht sprechen. «Passanten» nennt sie die

GARDENIA – BEVOR DER LETZTE VORHANG FÄLLT / Deutschland/Belgien 2014 88 Min / Farbe / Digital HD / OV/d // REGIE Thomas Wallner // DREHBUCH Thomas Wallner, nach dem Stück «Gardenia» von Vanessa Van Durme, Alain Platel, Frank Van Laecke // KAMERA Axel Schneppat // SCHNITT Manfred Becker // MIT Gerrit ­Becker, Andrea De Laet, Richard Dierick, Danilo Povolo, Rudy Suwyns.


37 Männer in ihrem bewegten Leben, die wohl ihren Körper geliebt hätten – sie eher nicht. Um sie und die anderen Homo- und Transsexuellen geht es in ­Gardenia – Bevor der letzte Vorhang fällt von Thomas Wallner. «Gardenia» lautete der Titel eines bei Kritik und Publikum sehr erfolgreichen Bühnenstücks zwischen Tanztheater und Performance, das zweieinhalb Jahre lang um die Welt tourte. Die Idee stammt von Vanessa Van Durme, in Szene gesetzt wurde es von dem belgischen Choreografen Alain Platel und dem Theaterregisseur Frank Van Laecke. Auf Basis der Biografien ihrer alternden Performer entwickelten Platel und Van Laecke ein anrührendes, melancholisches, parodistisches Bewegungstheater, das wesentlich auf Gestik, Mimik und Gesang basiert. Das Biografische wird allenfalls angedeutet. Die Metamorphose ist Hauptthema der Inszenierung; hier blättern sich die unterschiedlichen, individuell-sexuellen Identitäten kaleidoskopisch auf. Vanessa, Gerrit, Rudy, Richard, Danilo und Andrea, gerade von der Welttournee zurückgekehrt, erzählen aus ihrem Leben. In ruhigen Einstellungen sind die Häuser oder Wohnungen zu sehen: Richard wohnt in einem Plattenbau, Andrea in einem kleinstädtischen Häuschen; gleich an der Tür wird sie von ihrem Hund begrüsst. Die Begegnungen finden meistens in den Wohnungen statt, die Protagonisten berichten in die Kamera, oft anhand von alten Fotografien. Gelegentlich werden sie in ihrem Alltag beobachtet, Danilo putzt in einem Bordell, Andrea kandidiert bei der Kommunalwahl und verteilt Handzettel. Kamera, Erzählung und Montage greifen dabei sehr organisch ineinander. Im Fokus stehen die Prioritäten der Performer; die Kamera folgt angemessen distanziert in farblich schön komponierten Bildern. Die Montage wechselt fliessend zwischen den Bildern der Aufführungen und den «Lebensbeichten», wobei auch hier die Kamera stets im Dienst der Performer steht und ihre Bewegungen aufnimmt. Die Musik fungiert als Verbindungsglied. Thematische Zusammenhänge verdichten sich langsam und zwanglos: die Arbeit, die Prostitution, der Stolz und die Vorurteile, das Theater und seine therapeutische Wirkung, die Tournee, das Altern in einer Welt, die mehr noch als bei Heterosexuellen jugend- und körperfixiert ist, und natürlich: die grosse Liebe. Julia Teichmann

Diesen Film zeigen wir im Rahmen von «Zürich tanzt», www.zuerichtanzt.ch

Julia Teichmann ist freischaffende Filmkritikerin in Berlin und München und schreibt für die Berliner Zeitung und das Magazin film-dienst, wo ihr Artikel über Gardenia im Dezember 2014 zuerst erschienen ist.


38 Filmpodium für Kinder

finn

Geige oder Fussball – ein märchenhafter Film über einen verträumten Jungen, der durch die Musik seinen Platz im Leben findet.

FINN (Finn und die Magie der Musik) / Niederlande/Belgien 2013 90 Min / Farbe / DCP / D / 8/6 J // REGIE Frans Weisz // DREHBUCH Janneke van der Pal // KAMERA Goert Giltay // MUSIK Fons ­Merkies // SCHNITT Michiel Reichwein // MIT Mels van der Hoeven (Finn), Daan Schuurmans (Vater), Jan Decleir (Luuk), ­Justin Emanuels (Erik), Jenny Arcan (Frau Eising, die Nachbarin), Hanna Verboom (Juf Leonore, die Lehrerin), Manou Kersting ­(Rinus Dozeman), Esther Scheidwacht (Eriks Mutter), Mark van Eeuwen (Eriks Vater).

Der 9-jährige Finn lebt allein mit seinem Vater in einem kleinen holländischen Dorf. Wie alle Jungs aus seiner Klasse spielt Finn im Fussballclub – doch kann er sich für den Sport nur wenig begeistern, er ist ein Träumer, der lieber e­ inem Raben nachschaut, der über dem Fussballplatz kreist, während seine Mannschaft prompt ein Tor kassiert. Auf dem Heimweg radelt er immer an einem verlassenen Bauernhaus vorbei, in dem er eines Tages einen mysteriösen, weisshaarigen alten Mann verschwinden sieht. Als Finn den Alten beim Gei-


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2001: A Space Odyssey (1968) www.xenix.ch

april 2015

stanley kubrick

genspiel beobachtet, erscheint ihm seine verstorbene Mutter in einem zauberhaft verschneiten Garten. Von nun an gibt es für den Jungen nur noch eins: Geige spielen lernen. Da sein Vater damit nicht einverstanden ist, schleicht sich Finn fortan anstatt ins Fussballtraining heimlich zum alten Mann, um von ihm unterrichtet zu werden – und schon bald kommt er einem lang gehüteten Familiengeheimnis auf die Spur. Finn erzählt eine aussergewöhnliche Vater-Sohn-Geschichte, in welcher ein Junge seinen Weg suchen muss und dank der Leidenschaft zur Musik lernt, sich durchzusetzen. Der holländische Regisseur Frans Weisz findet eine subtile Balance zwischen realen und märchenhaften Elementen, lässt sich auf die Gefühlswelt des Jungen ein und macht dessen Träume und Sehnsüchte spürbar. Er nimmt seinen jungen Helden ernst, erzählt konsequent aus dessen Sicht und integriert ganz beiläufig tiefgründige Themen wie Verlust, Einsamkeit und Freundschaft: Überzeugendes Familienkino, das berührt – behutsam inszeniert und dennoch packend. Tanja Hanhart


40 PINK APPLE: UNE SÉLECTION EXCEPTIONNELLE DE MME M.

SO, 26. APRIL | 18.15 UHR

DIE LOSE-HOSEN-DREAM-DRESS-SHOW Anknüpfend an die «Hosen-Rocken-Picture-

Gender als Performanz und Verkleidung:

Show», mit der wir vor zwei Jahren auf das

Das sah das Publikum früher Filmkomödien

schwullesbische Festival einstimmten, prä-

noch und noch auf der Leinwand, denn vor

sentiert Mariann Lewinsky Sträuli auch die-

1920 war «gender bender» eine sprudelnde

ses Jahr ein Vorprogramm zu Pink Apple

Quelle des Vergnügens und der Faszination.

(29.4.–7.5.2015). Die «Lose-Hosen-Dream-

(Dass unsere TheoretikerInnen erst um 1990

Dress-Show» bietet notorische Glanznum-

auf die Idee kamen, biologisches und sozi-

mern und fulminante Fundstücke und ver-

ales Geschlecht könnten zweierlei sein, ist

steht sich als Beitrag zum existenziell

eine traurige Folge der Abwesenheit solcher

unverzichtbaren bisschen Glücklichsein.

Filme auf unseren Leinwänden.)

Wiederum sind die Filme mehrheitlich über hundertjährig, aber nicht von gestern!

Spielerisch,

träumerisch,

trickreich

machte das Kinobild Undenkbares sichtbar: Da bewegen sich Kleiderstücke völlig autonom und wechseln die Körper, da rasen Mädchen mit verbotenen Vehikeln durch die Gegend. Ein bekannter Komiker lässt sich von Männern vergöttern, während der feministische Traum einen Mann an den Schüttstein schickt und die Frau mit Hosen ausstattet – und mit einem Peitschchen ... Die Erinnerungsmacht des Mediums Film: Eine Minute, eine Rückenansicht, eine Körperwendung, zwei Posen der Comtesse Greffulhe im Ballkleid, dem Vorbild von Marcel Prousts Oriane de Guermantes und letztlich aller Filmstars und Models. Die Inszenierungsmacht des Mediums Film: Heliogabals Modeschau und Maniküre verweisen auf ein weiteres grandioses Werk der schwulen Literatur, den Roman von Louis Couperus. Die grösste Macht aber ist jene des Wunsches, und davon handelt unser Hauptfilm, The Dream Lady, den die Regisseurin Elsie Jane Wilson 1918 drehte. Ihre Filme wurden jahrzehntelang dem Ehegatten Rupert Julian zugeschrieben, und dasselbe widerfuhr dem Œuvre weiterer Film-

> Oriane de Guermantes in Abendtoilette.

frauen wie Alice Guy-Blachet oder Lois


41 Weber.

Gendermix

und

professionelle

Gleichstellung der Anfänge wurden erst hundert Jahre später wieder erlangt. (Mariann Lewinsky Sträuli) H Präsentation: Mariann Lewinsky Sträuli; am Flügel: André Desponds PROGRAMM Eile mit Weile, Hose zu Jacke (Monsieur et Madame sont pressés, F 1901) 2 Min. (CNC) Robinet im Rock (Le furberie di Robinet, I 1911) 3 Min. (EYE) Traum einer Feministin (Le rêve d’une féministe, F 1909) 6 Min. (CNC) Tilly, Sally und das Feuerwehrauto (Tilly and the Fire Engine, GB 1911) 3 Min. (CNC)

Heliogabal (L’orgie romaine; R: Louis Feuillade, F 1911) schablonenkoloriert, dt. Zw’titel, 10 Min. (EYE) Grosse Schlussnummer – The Dainef Sisters (Les sœurs Dainef, F 1902) schablonenkoloriert, 3 Min. (EYE) Pause

Die Grossfürstin Wladimir auf Treibjagd (La Grande-Duchesse en battue, F um 1900) 1 Min. (CNC)

The Dream Lady (R: Elsie Jane Wilson, USA 1918) franz. Zw’titel, ca. 55 Min. (CNC)

Oriane de Guermantes in Abendtoilette (Film de famille Greffulhe: La Comtesse Greffulhe en robe de soir, F um 1900) 1 Min. (CNC)

CNC: Diese Kopien wurden vom CNC restauriert.

Hauptpartnerinnen

VORVERKAUF AB 21. APRIL www.pinkapple.ch


42 IOIC-SOIRÉE

DO, 30. APRIL | 19.30 UHR

ABENTEUER IM STUMMFILM In dieser Saison hat sich das IOIC, das Insti-

Angebote, seine Romane, Novellen und Theaterstücke zu

tut für incohärente Cinematographie, dem

verfilmen. Aber erst Marcel L’Herbier schaffte es, den dem

im frühen Kino allgegenwärtigen Thema der

neuen Medium und seinen kommerziellen Zwängen gegenüber kritischen sizilianischen Autor für ein gemeinsames

Abenteuer, Expeditionen und Reisen gewid-

Projekt zu begeistern. Mit Feu Mathias Pascal gelang dem

met. Zum fulminanten Abschluss zeigt es

Meisterwerk, das auch heute noch das Publikum über fast

Feu Mathias Pascal, begleitet vom Improvisations-Jazzorchester «Der grosse Bär». EIN TOTER AUF DER SUCHE NACH EINEM LEBEN

FEU MATHIAS PASCAL / Frankreich 1926 171 Min / sw / DCP / Stummfilm mit franz. Zw’titeln // REGIE Marcel L’Herbier // DREHBUCH Marcel L’Herbier, nach dem Theaterstück von Luigi Pirandello // KAMERA Fédor Bourgassoff, Jean Letort, Paul Guichard // MIT Ivan Mosjoukine (Mathias Pascal), Marcelle Pradot (Romilde Pascal), Loïs Moran (Adrienne Paleari), Marthe Mellot (Mme Pascal, die Mutter), Pauline Carton (Tante), Irma Perrot (Sylvia Caporale), M. Barsac (Witwe Pescatore), Michel Simon (Jérôme Pomino), Isaure Douvan (Batta Maldagna), Pierre Batcheff (Scipion Papiano), Georges Térof (der Verliebte), Philippe Hériat (der Gehilfe). Mathias Pascal leidet unter seiner boshaften Schwiegermutter, deren Tochter ihr leider immer ähnlicher wird. Als ihm das Schicksal Schlag auf Schlag die eigene Mutter und

französischen Regisseur Marcel L’Herbier ein kongeniales drei Stunden hinweg in seinen Bann zu ziehen vermag. Das IOIC präsentiert den Film mit einer kollektiven Improvisation nach einem Konzept und unter der Leitung von ­Roberto Domeniconi. Mit Auftritten an den Jazzfestivals in Willisau und Schaffhausen ist «Der grosse Bär – Das zirkumpolare Jazzorchester» seit einigen Jahren Bestandteil der etablierten Schweizer Jazzszene. Zudem ist das Orchester auch in wechselnden Formationen als «Der kleine Bär» eine feste Grösse im Zürcher Untergrund. Live-Vertonung: Der grosse Bär - Das zirkumpolare Jazzorchester Roberto Domeniconi (Konzept & Leitung), Adrien Guerne (Tenorsaxofon), Peter Landis (Tenorsaxofon), Fabienne Hörni (Tenorsaxofon), Manuel Mengis (Trompete), Valerio Lepori (Posaune), Bernhard Bamert (Posaune), Aitor Studer (E-Gitarre), Flo Stoffner (E-Gitarre), Flo Götte (E-Bass), Luca Ramella (Schlagzeug), Fredy Studer (Schlagzeug) Weitere Informationen zum IOIC: http://ioic.ch

Tochter raubt, kommt ihm die Nachricht seines eigenen ver-

Dieser Film wurde von La Cinémathèque française

meintlichen Todes gelegen, um sich aus dem Staub zu ma-

restauriert.

chen und neu anzufangen. Die Freiheit, sich eine neue Iden-

In Zusammenarbeit mit dem Fonds Culturel Franco

tität zu erschaffen, wird zur Suche nach der eigenen Identität.

Américain - DGA MPA SACEM WGA.

Lange bevor Luigi Pirandello mit «Sei personaggi in cerca d’autore» in den 1920er Jahren zum gefeierten Begründer des modernen Dramas wurde, gelang ihm mit dem Roman «Il fu Mattia Pascal» von 1904 der literarische Durchbruch. Auf den Erfolg auf den internationalen Bühnen folgten die


43 ZUR KOSMOS-AUSSTELLUNG IM MUSEUM RIETBERG

EIN FLUSS DER GROSSEN FRAGEN: THE TREE OF LIFE Das Filmpodium begleitet die Ausstellung «Kosmos – Rätsel der Menschheit» im Museum Rietberg mit ausgewählten Filmen, die der Faszination unserer Ursprünge nachspüren. Zum Abschluss verbindet The Tree of Life die Geschichte des Universums mit dem Schicksal einer texanischen Familie in den fünfziger Jahren. «In einem sich ständig verändernden Universum aus Bildern und Tönen, aus Szenen von Kindheit und Verlust, aus Gefühlen von Freude und Trauer, Leere und den ersten wie den letzten Fragen treibt man als Zuschauer durch diesen Film wie durch einen Fluss. (...) Milliarden Jahre kosmischer Geschichte verbinden sich organisch mit der Geschichte einer Familie in Texas in den

THE TREE OF LIFE / USA 2011 138 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE

fünfziger Jahren. (…) Die Fragen sind an

Terrence Malick // KAMERA Emmanuel Lubezki // MUSIK

keine Schule gebunden, nur an den Grund

Alexandre Desplat // SCHNITT Hank Corwin, Jay Rabinowitz,

allen Nachdenkens überhaupt: woher wir kommen, wohin wir gehen, und warum Gott, welcher auch immer, auch seinen Gläubigen

Daniel Rezende // MIT Brad Pitt (Mr. O’Brien), Sean Penn (Jack), Jessica Chastain (Mrs. O’Brien), Fiona Shaw (Grossmutter), Irene Bedard (Botin), Hunter McCracken (der junge Jack), Laramie Eppler (R.L.), Tye Sheridan (Steve).

nicht antwortet und die Natur nicht stillsteht, einerlei, was uns zustösst. (...)

Vorgestelltes, vage Geahntes. Wasserfälle

In Terrence Malicks symphonischem

stürzen über die Leinwand, Einzeller, Mehr-

Opus geht es nicht ums Bedeuten, sondern

zeller entwickeln sich, Bäume wachsen in

ums Sehen. Vielleicht kommt man der Sache

den Himmel, und auch ein paar Dinosaurier

näher, wenn man den Film erst einmal sieht

bekommen wir zu sehen. Fast das ganze

als Requiem für einen verlorenen Sohn.

erste Drittel umfasst diese beinahe wortlose

Denn die Familiengeschichte entfaltet sich

Reise durch die Naturgeschichte, ein Erlebnis

von dem Augenblick her, in dem ein Tele-

brillanten Filmemachens.» (Verena Lueken,

gramm einer Mutter den Tod ihres Kindes

FAZ, 16.5.2011)

mitteilt. Von dort geht der Film zurück an die Anfänge des Universums, zum Urknall, glühender Lava im All, kosmischen Lawinen – entworfen nach dem Stand der Wissenschaft, so heisst es, nichts Ausgedachtes,

The Tree of Life wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. «Kosmos – Rätsel der Menschheit», Ausstellung im Museum Rietberg, bis 31.5.2015. Weitere Informationen unter: www.rietberg.ch.


44 SÉLECTION LUMIÈRE

FELLINI SATYRICON Als «Science-Fiction-Reise durch andere

Ära wie als Indiz einer liberalen und aufge-

Sphären» hat Federico Fellini seine Adap-

schlossenen Epoche gelten. Fellini gewinnt

tation des nur bruchstückhaft erhaltenen

unter dem Einfluss (...) der freizügigen Le-

antiken Schelmenromans «Satyricon» von

bensart der Hippies in den 1960er Jahren ein

Petronius bezeichnet. Sein erster Kostüm-

ausserordentlich zuversichtliches Verhältnis

film schwankt zwischen Endzeitängsten ei-

zu jungen Menschen: Ihre unverkrampfte

ner sich auflösenden Gesellschaft und der

neue Natürlichkeit, die nicht von kirchlichen

Aufbruchsstimmung der befreiten Erotik

Tabus umzingelt und vergiftet wird, das Wie-

der Hippie-Zeit.

deraufleben oder die Wiedereinsetzung der Erotik in alte Rechte hat bei Fellini ausdrück-

«Rom in vorchristlicher Zeit. Encolpio strei-

liches Wohlwollen hervorgerufen.» (Thomas

tet sich mit Ascilto um die Gunst des Knaben

Koebner: Federico Fellini – Der Zauberspie-

Gitone. Der Dichter Eumolpo nimmt Encol-

gel seiner Filme, edition text+kritik, 2010)

pio mit zum Gastmahl des Trimalcione. Später trifft er Ascilto und Gitone auf einem

H am Mi, 22. April, 18.00 Uhr: Einführung

Sklavenschiff wieder, dessen Kommandant

von Thomas Bodmer

sich in ihn verliebt und ihn ‹heiratet›. (...) Das sind nur einige Stationen aus einer aufwendigen, bizarren Szenenfolge, die nicht den Gesetzen der Logik, sondern denen des Traumes gehorcht. Encolpio erscheint gelegentlich eher als dramaturgisches Hilfsmittel, als verbindende Klammer für Szenen voller sinnlicher Schönheit, voller Grauen und Gewalt.» (Reclams Filmführer) «Der Film pointiert in vielen grotesken Episoden die Krise einer Gesellschaft in unsicheren Zeiten, auf nichts scheint Verlass zu sein, Erdbeben in realer und symbolischer Art erschüttern die Behausungen, Menschen fliehen und beschwören vergeblich die Götter, die Dekadenz der Reichen und der Zerfall der alten Mächte münden in Narretei und Chaos. (…) Fellini macht deutlich, dass sich dieser Film eine Welt vorstellt, in der Hetero-

FELLINI SATYRICON / Italien 1969 138 Min / Farbe / 35 mm / I/d/f // REGIE Federico Fellini // DREHBUCH Federico Fellini, Bernardino Zapponi, nach einem Romanfragment von Titus Petronius Arbiter // KAMERA ­Giuseppe Rotunno // MUSIK Nino Rota // SCHNITT Ruggero

und Homosexualität fliessend ineinander

Mastroianni // MIT Martin Potter (Encolpio), Hiram Keller

übergehen. Die fluktuierende Sinnlichkeit

Noël (Fortunata), Alain Cuny (Lica), Capucine (Trifena), Mario

kann ebenso als Merkmal einer dekadenten

­(Ascilto), Max Born (Gitone), Salvo Randone (Eumolpo), Magali Romagnoli (Trimalcione), Lucia Bosé (Matrone).


45 IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS

in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich LEITUNG Corinne Siegrist-Oboussier (cs), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb) WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm) // SEKRETARIAT Claudia Brändle PROGRAMM-MITARBEIT Marius Kuhn // BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 212 13 77 WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 211 66 66 UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Aldamisa Entertainment, Encino; Archives françaises du film du CNC, Bois d’Arcy; Arsenal Filmverleih, Tübingen; Arsenal Distribution, Berlin; Arte, Kehl; Ascot Elite Entertainment Group, Zürich; Gebrüder Beetz Filmproduktion, Berlin; Bildrausch, Basel; La Cinémathèque française – Musée du cinéma, Paris; EYE Film Institute Netherlands, Amsterdam; The Festival Agency, Paris ; Filmcoopi, Zürich; FremantleMedia Ltd., London; George Harrison Estate, Henley-on-Thames; Kinemathek Le Bon Film, Basel; Neue Pierrot le Fou, München; Park Circus, Glasgow; Pathé Distribution, Paris; Praesens Film, Zürich; SRF, Zürich; Studiocanal, Berlin; Twentieth Century Fox Film Corp., Zürich; Universal Pictures International, Zürich; Xenix Filmdistribution, Zürich; Zipporah Films, Cambridge (MA). DATABASE PUBLISHING BitBee Solutions GmbH, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich GESTALTUNG TBS & Partner, Zürich // KORREKTORAT N. Haueter, D. Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 7000 ABONNEMENTE Filmpodium-Generalabonnement : CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– / U25: CHF 40.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU Shakespeare im Kino Letztes Jahr feierte alle Welt den 450. Geburtstag William Shakespeares. Auch wenn die biografischen Fakten zum Barden von Avon spärlich sind – fest steht, dass Shakespeares dramatisches Werk in Bezug auf ­thematische Bandbreite, Sprachgewalt und Menschlichkeit unübertroffen ist. Die Festspiele Zürich 2015 unter dem Motto «GeldMachtLiebe» widmen Shakespeare einen Schwerpunkt. Das Filmpodium zeigt dazu eine vielfältige Auswahl an Adaptationen von Hollywood bis Bollywood, die belegen, wie zeitlos anregend Shakespeares Stücke sind und wie sie einen schrägen Indie-Film ebenso inspirieren können wie eine opulente Grossproduktion.


WRITTEN AND DIRECTED BY ALEX GARLAND THE WRITER OF

28 DAYS LATER

THERE IS NOTHING MORE HUMAN THAN THE WILL TO SURVIVE

MUSIC SOUND COSTUME PRODUCTION UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL AND FILM 4 PRESENT A DNA FILMSDIRECTORPRODUCTIOF ON “EX MACHINASSOCIA” ADOMHNALL GLEESONLINEALICIA VIKANDEREXECUTIANDVOSCAR ISAAC CASTINBYG FRANCINE MAISLER PRODUCED BY BEN SALISBURY AND GEOFF BARROW DESIGNER GLENN FREEMANTLE DESIGNER SAMMY SHELDON DIFFER DESIGNER MARK DIGBY EDITOR MARK DAY TE E WRITTEN AND PHOTOGRAPHY ROB HARDY B.S.C. PRODUCER JOANNE SMITH PRODUCER CAROLINE LEVY PRODUCERS SCOTT RUDIN ELI BUSH AND TESSA ROSS BY ANDREW MACDONALD AND ALLON REICH DIRECTED BY ALEX GARLAND

APRIL 23 www.ExMachinaFilm.ch © Universal City Studios Productions LLLP 2014


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